Auf den nachfolgenden Seiten wird der Versuch unternommen, die von den militärischen und polizeilichen Behörden in Wien ausgehenden antikommunistischen bzw. antibolschewistischen Maßnahmen im letzten Jahr des Bestehens der Habsburgermonarchie und in den ersten drei Jahren der (deutsch)österreichischen Republik1 zu skizzieren und insbesondere im Zusammenhang mit den offiziellen Beziehungen zu Sowjetrussland zu betrachten. Dabei werden nicht zuletzt personelle Kontinuitäten im Auge behalten. Insbesondere sollen die Rollen des Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober und von Maximilian Ronge, dem letzten Chef des Nachrichtendienstes der k. u. k. Armee, beleuchtet werden.2
Letzte Abwehrmaßnahmen
Den beiden freundschaftlich miteinander verbundenen Männern war schon vor Kriegsausbruch im Sommer 1914 die intensivierte Zusammenarbeit zwischen militärischem Geheimdienst und Polizei ein Anliegen gewesen. Dabei ging es unter anderem um die Frage der systematischen Erfassung spionageverdächtiger und anderer als staatsfeindlich eingestufter Personen sowie um den diesbezüglichen Informationsaustausch zwischen militärischen und zivilen Behörden.3 Die Notwendigkeit hierzu schien sich erst recht in Anbetracht der im Oktober bzw. November 1917 in Russlands Hauptstadt erfolgten Umwälzung zu bestätigen. Schon die ersten offiziellen Gespräche mit den neuen Machthabern in Petrograd ließen bei den Wiener Zentralstellen wenig Zweifel daran, dass die Bol´ševiki nicht zögern würden, die Bevölkerung der Donaumonarchie »mit ihren revolutionären Ideen zu verseuchen«.4 Ronge und Schober waren demgemäß der Meinung, dass auch nach einem mit Lenin und seinen Anhängern ausgehandelten Frieden der Abwehr »staatsfeindlicher Umtriebe« besondere Beachtung zu schenken sei.5
Die Befürchtung, die Ereignisse in Russland könnten sich in ähnlicher Weise im Habsburgerreich wiederholen, bestand bereits seit der Februarrevolution. Angesichts der weltrevolutionären Bestrebungen der Bol´ševiki ging freilich von Lenins Regime ungleich mehr Gefahr aus als zuvor von der gestürzten Provisorischen Regierung in Petrograd. Dass im Zuge der Jännerstreiks 1918 von Demonstranten Parolen der Bol´ševiki aufgegriffen worden waren, die über die Forderung nach einem sofortigen Frieden mit Sowjetrussland hinausgingen, hatte verdeutlicht, dass der Oktober 1917 durchaus eine konkrete und beispielgebende Wirkung auf die Arbeiterschaft des Habsburgerreiches hatte. Zwar war die mit der Entstehung von Räteorganen einhergehende Streikbewegung von den Sozialdemokraten »in geregelte Bahnen« gelenkt worden;6 die von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ) betriebene Deeskalation war aber nach Einschätzung der Wiener Zentralbehörden keineswegs ein Grund, Entwarnung zu geben. Im Gegenteil. In den kommenden Monaten befürchtete man weitere, vielleicht noch umfangreichere »staatsfeindliche Umtriebe«, als die Jännerstreiks es gewesen waren. In diesem Zusammenhang bereitete speziell der im Brester Frieden am 3. März 1918 festgelegte Gefangenenaustausch den Wiener Zentralstellen Kopfzerbrechen. Die bevorstehende Heimkehr hunderttausender Kriegsgefangener aus dem ehemaligen Zarenreich veranlasste die k. u. k. Beamten zu raschem Handeln.7 Als »Zeugen des Umsturzes« wurden die Heimkehrer, von denen viele den Indoktrinierungsversuchen der Kommunistischen Partei Russlands (KPR[b]) ausgesetzt gewesen waren, durch ein engmaschiges Kontrollsystem geschleust. Unter der Leitung des Generalobersten Josef Ritter Roth von Limanowa-Lapanonow erfolgte die Wiedereingliederung früherer Gefangener in die k. u. k. Armee in mehreren Etappen.8 Entlang der gesamten Ostfront errichtete die österreichisch-ungarische Heeresverwaltung 24 Übernahmestationen, in der die sogenannten »Rückläufer« gleichsam wie am Fließband abgefertigt wurden. Entlausung, erste Präsentierung, ärztliche Untersuchung, Perlustrierung – all das sollte innerhalb eines Tages geschehen.9 Der routinemäßigen, von vielen Betroffenen als unangemessen empfundenen »Begrüßung« folgten die im Normalfall auf zwei bzw. drei Wochen anberaumte medizinische Beobachtung und Ausbildungserneuerung in einem der insgesamt 53 Heimkehrerlager.10
Hier kam der Militärgeheimdienst ins Spiel. Sein Leiter, Oberst Maximilian Ronge, wurde zu einer Schlüsselfigur der österreichischen Kommunismusbekämpfung. 1918 war es die Aufgabe Ronges und seiner Mitarbeiter, die Heimkehrer neben einer »sanitären« auch einer »moralischen Quarantäne« zu unterziehen.11 Im Klartext hieß das Überwachung, Protokollaufnahme, ständige Exerzier- und Appellübungen sowie »weltanschauliche Erziehung« im Rahmen einer »Vaterländischen Bildungsarbeit« der »Feindespropaganda-Abwehrstelle«.12 Dass in Anbetracht der allgemeinen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage die Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein könnten, glaubte indes nicht einmal der überzeugte Monarchist und Spionageexperte Max Ronge. »Es ist einleuchtend«, schrieb er später, »dass die Feststellung der wahren Gesinnung der Heimkehrer nicht leicht war, dass gerade die gefährlichsten es sehr wohl verstanden, sich zu verbergen, um dann auf Urlaub oder bei den Ersatzkörpern zersetzend zu wirken.«13
Einige taten das tatsächlich. In mehreren Orten der Donaumonarchie kam es unter den Ersatztruppenkörpern zu Erhebungen, im Zuge derer auch Offiziere getötet wurden. Die russische Revolution galt als Vorbild, zumindest manchen der »Meuterer«, die Ende Mai 1918 in Kraguejevac, Judenburg, Murau, Radkersburg, Rumburg und Pécs aufbegehrten.14 In Kragujevac wurden in der Folge 44 Männer, fast alle Russlandheimkehrer, hingerichtet. Sie seien, hieß es, von den »bolschewikischen Ideen« derart »besessen«, dass sie ihren dem Kaiser gegenüber geleisteten Treueid »schmählich« vergessen hätten.15 Nachrichten (N)-Offiziere wussten hingegen, dass die Rebellionen nicht nur ideologische Ursachen hatten. Die Versorgungsengpässe in den Heimkehrerlagern und später bei der Truppe empfanden viele Soldaten als besonders bedrückend: Selbst in russischer Gefangenschaft sei es ihnen besser ergangen als in der Heimat. Hinzu kamen der militärische Drill, der Argwohn und die schlechte Behandlung. Man verfahre mit den Heimkehrern, erklärte ein sozialdemokratischer Reichsratsabgeordneter im Wiener Parlament, wie mit »Verbrechern«.16 Aber obwohl Ronges Evidenzbüro über die Hintergründe der sogenannten »Unruhen und Exzesse« Bescheid wusste, änderte sich nichts an den Gepflogenheiten des »k. u. k. Heimkehrwesens«.17 Die Strenge und Uneinsichtigkeit der österreichisch-ungarischen Generalstabsführung, behaupteten nach dem Ersten Weltkrieg selbst ehemalige hohe k. u. k. Beamte, habe mit zur bereits deutlich wahrnehmbaren Auflösung der Habsburgermonarchie beigetragen.18
Verschätzt hatten sich deren Repräsentanten, Diplomaten ebenso wie Militärs, nicht nur hinsichtlich der Lebens- bzw. Überlebensfähigkeit des eigenen Reiches, sondern auch in der Beurteilung der Lebenschancen von Lenins Regime. Nicht nur aus Sorge um eine mit der Ankunft eines sowjetrussischen Botschafters in der Donaumonarchie zu erwartende »revolutionäre Propagandatätigkeit«, sondern auch im Glauben an eine baldige Änderung der Machtverhältnisse im ehemaligen Zarenreich räumte man in Wien der Aufnahme geregelter diplomatischer Beziehungen mit Räterussland keinerlei Priorität ein. In diesem Sinne begannen die für die Durchführung des Gefangenenaustauschs zuständigen und nach Russland geschickten Offiziere des k. u. k. Kriegsministeriums im Sommer 1918 Kontakte zu Vertretern der früheren, also vorrevolutionären russischen Rotkreuzgesellschaft herzustellen, da man in ihnen künftige Kooperationspartner erblickte. Die Beziehungen zur mittlerweile nach Moskau übersiedelten Regierung unter Lenin und ihren mit Gefangenenangelegenheiten befassten Behörden blieben demgegenüber distanziert, um, wie es hieß, beim erwarteten Machtwechsel »nicht kompromittiert« zu sein.19 Doch die Prophezeiungen über das Ende von Lenins Herrschaft erfüllten sich nicht. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass Wien beabsichtigte, die Heimkehr antibolschewistischer russischer Kriegsgefangener in ihre Heimat zu begünstigen, um jene Kräfte in Russland zu unterstützen, die sich gegen die Bol´ševiki gewandt hatten. Überdies musste befürchtet werden, dass die als antibolschewistisch eingestuften Gefangenen sich eventuell als »ententefreundlich« erweisen könnten.20 Auch die Strategie, die Aufnahme geregelter diplomatischer Beziehungen auf Grundlage eines Austauschs von Botschaftern hinauszuzögern, ging nur begrenzt auf. Zwar konnte vermieden werden, dass ein sowjetrussischer Gesandter nach Wien kam. Nicht zu verhindern war allerdings das Eintreffen einer Kriegsgefangenenfürsorgemission21 aus Moskau, der nolens volens ein quasi-diplomatischer Status zu bescheinigen war. Diese Mission, die im August 1918 ihre Tätigkeit in Österreich-Ungarn aufnahm, bestätigte die Befürchtungen der Wiener Behörden. Ihre Mitglieder, allen voran der Leiter Jakov Berman, widmeten sich bei Weitem nicht nur karitativen Aufgaben zugunsten der in der Donaumonarchie befindlichen russischen Kriegsgefangenen. Abseits der sogenannten Visitationen verschiedener Gefangenenlager waren laut den Überwachungsprotokollen der Wiener Polizei Treffen mit Vertretern linksradikaler Kreise ebenso an der Tagesordnung wie Besprechungen mit Persönlichkeiten aus der österreichischen Sozialdemokratie.22 Nur wenige Tage nach Ankunft der Mission riet Johann Schober daher dem k. u. k. Ministerium des Äußern, von Moskau die Abberufung Bermans zu fordern. Vergeblich. Die Bol´ševiki ignorierten den Wunsch der österreichisch-ungarischen Diplomaten und schickten vielmehr weitere Delegierte nach Wien, diesmal angeführt von einem Arzt mit Namen Boris Vejsbrod, dessen Aktivitäten sich kaum von jenen Jakov Bermans unterschieden. Letzterer hatte schließlich wesentlichen Anteil an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs (KPDÖ) Anfang November 1918. Der Polizeipräsident wies Berman auch eine Schlüsselrolle im Zusammenhang mit den blutigen Ausschreitungen vor dem Parlament in Wien am Tag der Ausrufung der Republik zu.23 Ausgewiesen wurde die Mission Berman – Vejsbrod, die sich nach Schobers Urteil beinahe ausschließlich »bolschewistischer Propaganda« gewidmet hatte, erst im Jänner 1919, und zwar auf Betreiben des sozialdemokratischen Staatssekretärs des Äußern Otto Bauer.24
Kooperationen
Während Schober sein Hauptaugenmerk auf die Aktivitäten Bermans und Vejsbrods richtete, war Maximilian Ronge bis zur endgültigen Auflösung des Habsburgerreiches bemüht, die Kommunismusbekämpfung auf eine breitere Basis zu stellen. Am 29. Oktober 1918 fuhr der Oberst nach München, um gemeinsame Maßnahmen von k. u. k. sowie deutschem Geheimdienst zur Abwehr der aus Russland importierten revolutionären Kräfte zu erörtern. Dass Kaiser Karl bereits das Bündnis mit dem Deutschen Reich aufgekündigt hatte, hinderte den Spionagechef nicht an diesem Schritt. Als Ronge aber am 30. Oktober nach Wien zurückkam, war die Lage bereits dramatisch verändert, das Auseinanderbrechen der Donaumonarchie nicht mehr zu verhindern. Jetzt, meinte er resigniert, müss-ten all die entstandenen bzw. im Entstehen begriffenen »Kleinstaaten« allein gegen den Bolschewismus vorgehen.25 Dass Ronge in seinen Befürchtungen bezüglich eines raschen Vordringens des Bolschewismus nicht übertrieb, schienen die Meldungen, die in diesen letzten Tagen des Bestehens der Habsburgermonarchie in Wien eintrafen, zu bestätigen. »Einer aus verläßlicher Quelle stammenden Meldung zufolge sollen revolutionäre Aktivitäten demnächst mit verstärkter Kraft einsetzen«, hieß es in einer Benachrichtigung des k. k. Ministeriums des Innern durch das österreichisch-ungarische Außenministerium vom 11. November 1918. »4000 von den in Rußland zurückgebliebenen Kriegsgefangenen, für welche eigene Propagandakurse eingerichtet wurden«, so das Schreiben weiter, »sollen teils zu unseren Truppen in der Ukraine, teils nach dem Alföld geschmuggelt werden, um die Zersetzungsarbeit zu beginnen.«26
Waren die Zahlen auch übertrieben, trafen die Angaben ansonsten durchaus zu. Hunderte Mitglieder der Zentralen Föderation ausländischer Gruppen bei der KPR(b), des Kerns der späteren Komintern, der Kommunistischen oder III. Internationale, waren von Lenin beauftragt worden, in ihre Heimatländer zurückzukehren und den Umwälzungen in Mitteleuropa ihren Stempel aufzuprägen. KP-Organisationen entstanden, kurzfristige Räterepubliken wurden sowohl in München als auch in Budapest ausgerufen. Der Druck auf Wien verstärkte sich. Dort kam es im April und im Juni 1919 zu blutigen Unruhen.27 Die damals in der Presse als »Kommunistenkrawalle« bezeichneten Ausschreitungen alarmierten auch die Westmächte – umso mehr, als im Falle des Erfolges eines kommunistischen Putschs in Österreich ein Zusammenschluss mit der benachbarten, zu dieser Zeit noch existenten ungarischen Räterepublik zu befürchten war. Lediglich die damals noch in Wien befindliche Elfriede Friedländer (Ruth Fischer) gab sich überzeugt, die Entente werde gegebenenfalls eine österreichische Räterepublik dulden. Ihrer Einschätzung konnten sich allerdings nicht einmal die optimistischsten Parteigenossen anschließen.28
Indes waren ehemalige k. u. k. Beamte immer noch damit beschäftigt, die Aufgabenbereiche der alten, aufgeblähten Bürokratie der Habsburgermonarchie den Bedürfnissen der kleinen Republik anzupassen. Viele Dienststellen aber wurden überhaupt »liquidiert«. Maximilian Ronge, der den Untergang des Habsburgerreiches zeitlebens nicht verwand, war allerdings über seinen Auftrag, den k. u. k. Militärgeheimdienst aufzulösen, hinausgegangen. Bis zur endgültigen »Liquidierung« des alten Apparates – Nachrichtenabteilung und Evidenzbüro –, der offiziell am 12. Juli 1919 die Arbeit einstellte, gelangte er weiterhin in den Besitz von ausführlichen Darstellungen über den »Bolschewismus« auf dem Gebiet des ehemaligen Zarenreiches, den Kommunismus in Europa und nicht zuletzt in Österreich.29 Ronge und seine Mitarbeiter waren damit zum Teil mit ähnlichen Aufgaben befasst wie das »neue Evidenzbüro«, die Abteilung 1/N des deutschösterreichischen Staatsamtes für Heerwesen, deren Nachrichtenstellen zur gleichen Zeit Akten über den »russischen Bürgerkrieg« und die »kommunistische Bewegung in Ungarn und Jugoslawien« anlegten.30 Nachdem aber das Staatsamt auch die Abteilung 1/N mit Wirkung vom 1. April 1920 für aufgelöst erklärt hatte, mussten neue Wege gefunden werden, um »staatsgefährdenden Bewegungen« entgegenzutreten.31 Maximilian Ronge blieb mit seinen N-Offizieren in Kontakt. Der vitale Personenverband stand bald in Verbindung mit antimarxistischen beziehungsweise legitimistischen Geheimbünden.32 Der ehemalige k. u. k. Evidenzbürochef selbst bot sich mit Unterstützung enger Vertrauter dem christlichsozialen Parteisekretariat an, für das er gleichfalls nachrichtendienstlich tätig wurde.33
Wichtiger aber waren Ronges Getreue für den ambitionierten Wiener Polizeipräsidenten und zeitweiligen Bundeskanzler Johann Schober. Chiffrespezialisten des alten Militärgeheimdienstes stellten sich Schober zur Verfügung, dessen Apparat den Systemwechsel verhältnismäßig unbeschadet überstanden hatte. Umso glaubhafter verkörperte die Exekutive den einzigen Ordnungsgaranten in der unruhigen Zeit der frühen Republik – und zwar nicht allein in den Augen des Bürgertums, sondern anfangs auch aus der Sicht der Sozialdemokratie.34 Deren Parteispitze und insbesondere der SP-Staatssekretär des Innern, Matthias Eldersch, ließ beispielsweise die »Schoberpolizisten« gewähren, als sie Mitglieder der KPDÖ und »Emissäre« Béla Kuns während der innenpolitischen Spannungen vom Juni 1919 verhafteten. Gegen Gewalt müsse man mit Gewalt vorgehen, argumentierte man in der SDAPÖ, die auch die österreichische Rätebewegung und die von ihr dominierte Volkswehr auf antisowjetischen Kurs brachte.35
Parallel dazu legte die Polizei eine härtere Gangart ein. Verdächtige Ausländer, allen voran Linkssozialisten und Kommunisten, wurden bei kleinsten Delikten ausgewiesen, »abgeschafft«, bereits am Grenzübertritt gehindert oder sogar an das autoritäre Horthy-Regime in Ungarn ausgeliefert.36 Noch vor Ende der ungarischen Räterepublik hatte zwischen der Wiener Polizei und gegenrevolutionären ungarischen Kräften ein »vertrauensvolles Verhältnis« bestanden, »das auf die Bekämpfung des gemeinsamen Feindes, des Bolschewismus, gegründet war«.37
Obwohl sich ab August 1919 die Situation im Nachbarland grundlegend änderte, blieb die Wiener Polizei wachsam; umso mehr, als einige hochrangige Repräsentanten der ungarischen Räterepublik nach Österreich geflohen waren. Vor diesem Hintergrund strengte Johann Schober eine Reorganisation des österreichischen Sicherheitswesens an. Die Sozialdemokraten stimmten zu, als Schober, in Anlehnung an »altösterreichische« Traditionen, eine der Wiener Polizeidirektion angeschlossene »Politische Zentralevidenzstelle«, kurz ZESt, schuf. Ihr Wirkungskreis erstreckte sich auf das gesamte Bundesgebiet, auf In- und Ausländer, auf »Bedrohungen« dies- und jenseits der Landesgrenzen. Vom Prinzip einer totalen, wenn auch schwer durchführbaren Kontrolle ausgehend, wurde die seit Jahresmitte 1920 arbeitende ZESt, die für einige Jahre auch das militärische Kundschaftswesen »in den an die Republik Österreich unmittelbar angrenzenden Nachbarstaaten übernehmen« sollte, zur Zentralinstanz des Schober’schen Überwachungsapparates. Dementsprechend waren alle Behörden angehalten, der »Zentralevidenzstelle« zuzuarbeiten.38
In der Praxis zeigten sich jedoch nicht alle Behörden vorbehaltlos kooperationsbereit – ganz anders als das »Kriegsgefangenen- und Zivilinternierten-Amt« mit seinem stellvertretenden Leiter, der seit März 1920 Maximilian Ronge hieß.39 Offiziell vor allem mit der Repatriierung von Gefangenen befasst, konnte der frühere k. u. k. Geheimdienstchef so auch weiterhin, ebenso wie in den letzten Monaten der Donaumonarchie, die weltanschauliche Position der Heimkehrer überprüfen. Zudem gelangte das Kriegsgefangenen-Amt in den Besitz unzähliger Informationen zur Entwicklung Sowjetrusslands. Solche Papiere wurden dann an die Wiener Polizeidirektion weitergeleitet, deren Kontrollapparat in der Praxis hauptsächlich gegen die »Linke« eingesetzt wurde. Dabei gehörte die Abhaltung von »Internationalen Nachrichtenkonferenzen zum Zwecke gemeinsamer Bekämpfung des Bolschewismus« ebenso zu den Präventivmaßnahmen wie etwa die Observierung sogenannter »lästiger Ausländer« und verdächtiger »Russlandheimkehrer«.40
Dass er nicht eben erwünscht war, spürte auch der Lenin-Vertraute Mieczysław
Bronski-Warszawski, der als Folge des im Juli 1920 zwischen Österreich und Sowjetruss-land geschlossenen Vertrages von Kopenhagen nach Wien kam.41 Hier sollte er, nachdem die österreichisch-sowjetrussischen Beziehungen seit der Ausweisung der Mission Berman–Vejsbrod de facto zum Erliegen gekommen waren, den Abtransport der sich noch in Österreich aufhaltenden russischen Gefangenen aus dem Weltkrieg organisieren. Die »Heimkehrerfrage« hatte sich in Österreich zu einem innenpolitischen Dauerthema ausgewachsen. In Anbetracht des wachsenden Drucks der Bevölkerung, die eine endgültige Lösung des Problems forderte, hatte sich die österreichische Regierung entschlossen, vertragliche Abmachungen mit Sowjetrussland zu treffen.
Maximilian Ronge erkannte bald, dass sich der Elan Bronskis und seiner Mitarbeiter, die Heimkehr der Kriegsgefangenen rasch in die Wege zu leiten, in Grenzen hielt. Schober, der Bronski rund um die Uhr observieren ließ, dürfte kaum überrascht gewesen sein, als sich offenbarte, dass der nunmehrige Missionsleiter, ebenso wie seine Vorgänger Berman und Vejsbrod, vor allem an der Entfaltung sogenannter »bolschewistischer Propaganda« interessiert war. Bronskis Tätigkeit, die unter anderem die Unterstützung von Aktivitäten der Komintern in Wien umfasste, weckte auch die Aufmerksamkeit der Repräsentanten der Westmächte, die im Übrigen der österreichischen Regierung ihre ablehnende Haltung im Zusammenhang mit dem Kopenhagener Vertrag deutlich zu erkennen gegeben hatten. Im August 1920 kommentierte Johann Schober die Entwicklung folgendermaßen: »Hieramts ist nun bekannt geworden, dass die Wiener Ententemissionen […] dem Verhalten Dr. Warszawski-Bronski’s in Wien ein lebhaftes Interesse zuwenden und zweifellos auch dessen Beobachtung durch dessen Organe beziehungsweise Vertrauensmänner veranlasst haben. Es muss nun schon jetzt der Erwägung der massgebenden Faktoren anheimgestellt werden, ob und inwieweit Dr. Warszawski-Bronski innerhalb der Grenzen seines Aufgabenbereiches bleibt, welche Wirkungen seine Tätigkeit auf die Gestaltung der innenpolitischen Verhältnisse ausüben kann und inwieweit sie geeignet ist, das für Österreich so notwendige Vertrauen der Westmächte zu beeinträchtigen.«42
Bronskis Stellung blieb allerdings unverändert. Nicht zuletzt, weil seine Abberufung die Heimkehr der noch in Sowjetrussland befindlichen Gefangenen nach Österreich gefährdet hätte. Als dann im Dezember 1921 ein Zusatzvertrag zum Kopenhagener Abkommen geschlossen wurde, der die beiderseitigen Kriegsgefangenmissionen in Wien und Moskau in den Rang bevollmächtigter Vertretungen mit konsularischen Befugnissen erhob, war es ausgerechnet der nunmehrige Bundeskanzler Johann Schober, der für Österreich seine Unterschrift unter die Vereinbarung setzte. Für Räterussland unterzeichnete Mieczysław Bronski. Der gebürtige Pole, dessen Aktivitäten Schober so scharf verurteilt hatte, wurde der erste offizielle Repräsentant Moskaus in Österreich.
Ausblick
Als die Repatriierungsarbeit des österreichischen Kriegsgefangenenwesens weitgehend abgeschlossen war und Maximilian Ronge neuerlich seine Arbeitsstelle wechseln musste, sorgte Johann Schober in Hinblick auf die bisherige Praxis der Kommunismusbekämpfung für Kontinuität. Als Innenminister und Bundeskanzler holte Schober den Verbündeten und Freund zu sich in sein Ressort. Beim Bundesministerium des Innern und später im Bundeskanzleramt wurde Ronge zum Jahreswechsel 1921/22 die Leitung des Militärmatrikenwesens anvertraut.43 Tatsächlich aber fungierte das unscheinbare Büro als Tarnadresse. Der ehemalige k. u. k. Spionagechef war weiterhin nachrichtendienstlich tätig und interessierte sich auch jetzt noch für Spätheimkehrer aus der Sowjetunion, die tatsächlich oder vermeintlich Sympathie für die KPR(b) gezeigt hatten.44
In dieser Funktion wurde das »Matrikenamt« auch Anlaufstelle für Diplomaten und Sicherheitsbehörden mittelost- und südosteuropäischer Länder, die sich bei der »Abwehr des Bolschewismus« besonders hervortaten. Speziell die rumänische Regierung bat diesbezüglich um eine Intensivierung der bilateralen staatspolizeilichen Kooperation.45 Ähnliche Bemühungen gab es seitens der jugoslawischen und ungarischen Behörden, die wiederum vor den Gefahren einer verstärkten Kominternaktivität in Wien warnten und auf die »Wühlarbeit« sowjetischer Auslandsdienste und kommunistischer Emigranten hinwiesen. Gerüchte über eine »Bolschewikenzentrale« in der österreichischen Bundeshauptstadt kursierten in Bukarest, Budapest und Belgrad, schließlich auch in Prag und London. Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitungen drohten das Image der ZESt frühzeitig zu ramponieren. Dennoch waren Schober, seinen Beamten und Verbündeten in gewisser Weise die Hände gebunden. Österreich bemühte sich um internationale Neutralität und war an Wirtschaftskontakten mit der UdSSR interessiert. 1924 nahmen die beiden Länder reguläre diplomatische Beziehungen auf.46 In der Wiener Polizeidirektion am Schottenring registrierte man bald darauf irritiert und mit Sorge die hohe Zahl an Beschäftigten in der Sowjetgesandtschaft und in der sowjetischen Handelsvertretung. Dass sich diese als Ausführende der sogenannten »Moskauer Propaganda« betätigen würden, stand außer Zweifel. Doch die Würfel waren gefallen. Von nun an mussten beim Kampf gegen den Kommunismus auch die diplomatischen Konsequenzen in den Beziehungen zur Sowjetunion beachtet werden.
1 Die ursprüngliche Bezeichnung »Deutschösterreich« wurde 1919 im Friedensvertrag von Saint Germain untersagt.
2 Johann Schober (1874–1832) wurde 1918, noch vor dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, Wiener Polizeipräsident und war zweimal österreichischer Bundeskanzler, das erste Mal von Juni 1921 bis Mai 1922, das zweite Mal von September 1929 bis September 1930. Über Schober siehe Hubert, Rainer: Schober. »Arbeitermörder« und »Hort der Republik«. Biographie eines Gestrigen, Wien/Köln 1992. Maximilian Ronge (1874–1953) trat 1907 ins k. u. k. Evidenzbüro ein. Ab 1917 war er Chef der Nachrichtenabteilung des k. u. k. Armeeoberkommandos sowie des Evidenzbüros. In der Zwischenkriegszeit blieb Ronge in verschiedenen Funktionen für die Spionageabwehr zuständig. 1938 wurde er im Rahmen des ersten »Österreichertransportes« nach Dachau verbracht. Es folgten mehrere Wochen »Schutzhaft« in München. Mitte August 1938 wurde er entlassen. Nach 1945 war Ronge am Aufbau eines Militärgeheimdienstes des neuen österreichischen Bundesheeres beteiligt. Zu seiner Biografie siehe Moritz, Verena / Leidinger, Hannes / Jagschitz, Gerhard: Im Zentrum der Macht. Die vielen Gesichter des Geheimdienstchefs Maximilian Ronge, St. Pölten / Salzburg 2007.
3 Moritz / Leidinger / Jagschitz, Im Zentrum der Macht (Anm. 2), S. 117.
4 Moritz, Verena / Leidinger, Hannes: Zwischen Nutzen und Bedrohung. Die russischen Kriegsgefangenen in Österreich 1914–1921, Bonn 2005, S. 248.
5 Verschiedene Protokolle interministerieller Konferenzen betreffend Spionageabwehr und kommunistische Propaganda im Jahr 1918, in: Österreichisches Staatsarchiv (im Folgenden: ÖSTA)/Kriegsarchiv (im Folgenden: KA), Nachlass (im Folgenden: NL) Maximilian Ronge: B/126:2, S. 207–222, 273, 281, 406–411.
6 Zit. nach Hautmann, Hans: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918–1924, Wien / Zürich 1987, S. 158.
7 Zur Regelung der Kompetenzverteilung bei Fragen des Gefangenenaustausches und der Heimkehrerbehandlung im Frühjahr 1918, in: ÖSTA/KA, Kriegsministerium (im Folgenden: KM)/10. Abt./Kgf. 1918: 10–20/1–12; Befugnisse und Personalauswahl für das Heimkehrwesen, Februar/März 1918, in: ÖSTA/KA, Armeeoberkommando (im Folgenden: AOK)/Op. Abt., Hk.-Grp. 1918: Op. Nr. 131657.
8 Generaloberst Roth, Aufgaben des Heimkehrwesens, in: ÖSTA/KA, NL Roth-Limanowa: B 14:12.
9 Przybilovski, Inge: Die Rückführung der österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen aus dem Osten in den letzten Monaten der k. u. k. Monarchie, Diss. Wien 1965, S. 78–87.
10 Ebenda, S. 90; Plaschka, Richard G. / Haselsteiner, Horst / Suppan, Arnold: Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918, Wien 1974, Bd. 1, S. 281 f.
11 Ronge, Max: Kriegs- und Industrie-Spionage. Zwölf Jahre Kundschafterdienst, Wien / Leipzig 1930, S. 328.
12 Druckschriften der Vaterländischen Bildungsarbeit bei Feindespropaganda-Abwehrstelle, Frühjahr 1918, in: ÖSTA/KA, AOK/Evidenzbüro des Generalstabs (im Folgenden: Evb. d. Gstbs.)/Nachrichtenabteilung des AOK (im Folgenden: NA d. AOK), Vaterländische Bildungsarbeit, F.A.St., Karton 3825 und 3836; Ronge, Kriegs- und Industrie-Spionage (Anm. 11), S. 328.
13 Ronge, Kriegs- und Industrie-Spionage (Anm. 11), S. 329.
14 In den Verdacht, die aufbegehrenden k. u. k. Soldaten ideologisch zu beeinflussen, gerieten auch die in der Donaumonarchie befindlichen Gefangenen aus dem ehemaligen Zarenreich. Die österreichisch-ungarische Militärverwaltung vermutete damals, dass etwa die Meuterer in Judenburg von russischen Kriegsgefangenen, die in einem nahe gelegenen Lager konzentriert waren, »aufgehetzt« worden waren. Dazu siehe
Wassermaier, Otto: Die Meuterei der Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft bei den Ersatzkörpern der k. k. Armee, Diss. Wien 1968, S. 179.
15 Zit. nach Hautmann: Geschichte der Rätebewegung (Anm. 6), S. 180 f.
16 Stenographische Protokolle des Hauses der Abgeordneten des Reichsrates (12. Wahlperiode) XXII. Session (letzte Session des Reichsrates vom 30.5.1917 bis 12.11.1918): 81. Sitzung vom 24. Juli 1918, Bd. 385a.
17 Moritz / Leidinger / Jagschitz: Im Zentrum der Macht (Anm. 2), S. 167.
18 Ebenda.
19 Moritz / Leidinger: Zwischen Nutzen und Bedrohung (Anm. 4), S. 249.
20 Ebenda, S. 255–260.
21 Die Bezeichnung »Mission« entspricht dem in den Quellen vorherrschenden Begriff.
22 Dazu Moritz, Verena/Leidinger, Hannes: Otto Bauer 1914–1919. Kriegsgefangenschaft und Heimkehr als Problem einer Biographie, in: Wiener Geschichtsblätter, Jg. 54, Heft 1 (1999), S. 1–21.
23 Botz, Gerhard: Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstöße, Putschversuche, Unruhen in Österreich 1918 bis 1934, München 1976, S. 32–36.
24 Moritz / Leidinger: Zwischen Nutzen und Bedrohung (Anm. 4), S. 299–303.
25 Moritz / Leidinger / Jagschitz: Im Zentrum der Macht (Anm. 2), S. 170.
26 Mitteilung des k. u. k. Außenministeriums an das k. k. Ministerium des Innern v. 11. November 1918, in: ÖSTA / Allgemeines Verwaltungsarchiv, Ministerium des Innern/Präs. 1918: Fasz. 2080. 22. Unruhen und Exzesse, Zl. 24717.
27 Leidinger, Hannes / Moritz, Verena: Gefangenschaft, Revolution, Heimkehr. Die Bedeutung der Kriegsgefangenenproblematik für die Geschichte des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa 1917–1920,
Wien / Köln / Graz 2003, S. 528, 567, 580 und 589–619.
28 Zit. nach Hautmann: Geschichte der Rätebewegung (Anm. 6), S. 375.
29 Berichte über die Kommunistische Bewegung in Österreich, Mittel- und Osteuropa 1919–1921, in: ÖSTA/KA, Neue Feldakten/AOK, Evidenzbüro/Nachrichtenabt., Karton 3678 und Liquidierendes Evb., Nr. 633.
30 Dossier über die Aufgaben des Militärischen Nachrichtendienstes der deutschösterreichischen Republik vom 1. Dezember 1918, in: ÖSTA/Archiv der Republik (im Folgenden: AdR), Landesverteidigung/StA. F. HW., 1918/19, Abt. 1/N, Zl. 162.
31 Staatsamt für Heerwesen am 11. Dezember 1919 an das Staatsamt des Äußern über die »Einschränkung des militärischen Nachrichten- und Evidenzdienstes« ÖSTA/AdR, Bundesministerium für Äußeres (im Folgenden: BMfA)/Neues Politisches Archiv (im Folgenden: NPA), Politische Akten, Kt. 377, Liasse Österreich 31/II, Zl. 7338, fol. 202.; Max Ronge über das Ende des liquidierenden Evidenzbüros im Juli 1919, in: Privater Nachlass Ronge (im Folgenden: PNL Ronge), Tagebuch (im Folgenden: TB), Notiz vom 12. Juli 1919.
32 Moritz / Leidinger / Jagschitz: Im Zentrum der Macht (Anm. 2), S. 197 f.
33 Niederschrift des Oberleutnants Alfred Bauer vom 3. November 1920, in: Bundesarchiv, Berlin, NS 026/000649, Fol. 13.
34 Jagschitz, Gerhard: Die Politische Zentralevidenzstelle der Bundespolizeidirektion Wien, in: Jahrbuch für Zeitgeschichte 1978, S. 49–95, S. 60 und 76.
35 Hautmann: Geschichte der Rätebewegung (Anm. 6), S. 334 f.
36 Heiss, Gernot: Ausländer, Flüchtlinge, Bolschewiken: Aufenthalt und Asyl 1918–1933, in: ders./Rathkolb, Oliver (Hrsg.): Asylland wider Willen. Flüchtlinge in Österreich im europäischen Kontext seit 1914, Wien 1995, S. 86–108, hier S. 98.
37 Brandl, Franz: Kaiser, Politiker und Menschen. Erinnerungen eines Wiener Polizeipräsidenten, Leip-
zig/Wien 1936, S. 329. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1919 eine Gruppe ungarischer Offiziere bei Bruck an der Leitha die Grenze zu Ungarn überschreiten wollte, um in Westungarn zu putschen und eine Gegenregierung zu bilden. Sie wurden an der Grenze mit Gewehrfeuer empfangen, zurückgeschlagen und daraufhin von der österreichischen Volkswehr verhaftet, um kurze Zeit später wieder freigelassen zu werden. »Über ihrem Haupte« schwebte, so der ungarische Offizier Anton Lehár, Schober als »Schutzengel«. – Lehár, Anton: Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1918–1921, Wien 1973, S. 71 f.
38 Abschrift der Bundespolizeidirektion Wien über die »Schaffung einer Politischen Zentralevidenzstelle« vom 19. Dezember 1919, in: ÖSTA/AdR, BMfA/NPA, Politische Akten, Kt. 377, Liasse Österreich 31/II, Zl. 7310, Fol. 192 ff.; Jagschitz: Die Politische Zentralevidenzstelle (Anm. 34), S. 60; Hubert: Schober (Anm. 2), S. 68–85.
39 Max Ronge über die Arbeit im Kriegsgefangenenwesen der österreichischen Republik, in: PNL Ronge, TB, Notiz vom 29. September 1919; Ronge, Max: Das Kriegsgefangenen- und Zivilinternierten-Amt und der Heimtransport der österreichischen Kriegsgefangenen, in: In Feindeshand. Die Gefangenschaft im Weltkriege in Einzeldarstellungen, Bd. 2, Wien 1931, S. 336.
40 Moritz / Leidinger / Jagschitz: Im Zentrum der Macht (Anm. 2), S. 204 ff.
41 Im Zuge dieses Vertrages war auch die Erlaubnis zur Abreise Béla Kuns nach Russland gegeben worden. Kun hatte sich seit dem Zusammenbruch der ungarischen Räterepublik in Österreich aufgehalten und war hier an verschiedenen Orten interniert gewesen.
42 Bericht der Wiener Polizeidirektion betreffend die Überwachung von Missionschef Warszawski-Bronski, 18. August 1920, in: Niederösterreichisches Landesarchiv (im Folgenden: NÖLA)/Präs. »P«s 1920: Z. 1160/I/1. In den Quellen ist der Doppelname Bronski-Warszawski meist umgestellt, also als Warszawski-Bronski geschrieben.
43 Referentenerinnerung des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht vom 31. Dezember 1921 bezüglich der Errichtung des Militärmatrikenamtes unter Max Ronge, in: PNL Ronge, Verschiedene Archivalien vom Kriegsarchiv.
44 Moritz / Leidinger / Jagschitz: Im Zentrum der Macht (Anm. 2), S. 209.
45 Österreichische Gesandtschaft in Bukarest am 17. Oktober 1925 bezüglich einer Unterredung mit dem Generaldirektor der rumänischen Staatspolizei, in: ÖSTA/AdR, BMfA/NPA, Gesandtschaft Bukarest, Zl. 15999; Unterredung des österreichischen Bundeskanzlers mit dem königlich rumänischen Gesandten am 28. November 1927, in: ÖSTA/AdR, BMfA/NPA, Politische Akten, Kt. 240, Liasse Österreich 5/20, Zl. 25426; Kontakt mit rumänischen Diplomaten 1925, in: PNL Ronge, TB, Notiz v. 13. August 1925.
46 1924 sprach Österreich gegenüber der Sowjetunion ebenso wie andere westeuropäische Staaten die sogenannte »De jure-Anerkennung« aus. Über die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Sowjetrussland beziehungsweise der Sowjetunion siehe insbesondere Haider, Edgard: Die österreichisch-sowjetischen Beziehungen 1918–1938, Diss. Wien 1975. Außerdem: Moritz, Verena / Leidinger, Hannes: Der Weg zur Anerkennung. Die Beziehungen zwischen Wien und Moskau 1918 bis 1924, in: Österreichische Osthefte, Jg. 46, Heft 3 (2004), S. 361–390 und Mueller, Wolfgang / Leidinger, Hannes: Tiefes Misstrauen – begrenztes Interesse: Die österreichisch-sowjetischen Beziehungen 1918 bis 1955, in: Koch, Klaus / Rauscher, Walter / Suppan, Arnold / Vyslonzil, Elisabeth: Von Saint-Germain zum Belvedere. Österreich und Europa 1919–1955, München 2007, S. 70–114.