JHK 2008

Inhaltsverzeichnis

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Das einzige Vaterland des Proletariats - die Sowjetunion: Ob gut oder schlecht, sie ist mein Land!

Jerzy Holzer

Die Haltung der kommunistischen Bewegung gegenüber der Sowjetunion kam viele Jahre dem Axiom nahe: »Our country, right or wrong« (Carl Schurz, 1899). Wann tauchte eigentlich die Formel von der Sowjetunion als Vaterland aller Kommunisten und des gesamten internationalen Proletariats auf? Schon während des Gründungskongresses der Komintern mangelte es nicht an Erklärungen, die die bolschewistische Hegemonie anerkannten oder sie postulierten. Die finnischen Kommunisten Sirola und Kuusinen…

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Der Rote Frontkämpfer und der militante Gewerkschafter: Konstruktionen der proletarischen Führerfigur in Deutschland und Großbritannien

Norman LaPorte / Kevin Morgan

1 Nichtdeutschen Lesern begegnet der Name Hermann Weber am häufigsten in Verbindung mit der Stalinisierungstheorie, die erstmals in seinem bahnbrechenden Werk Wandlung des deutschen Kommunismus aus dem Jahre 1969 veröffentlicht wurde. Wie jedes historische Konzept wurde die Stalinisierungstheorie durch ihre Entstehungszeit geprägt. Nicht selten wird sie mit den Trennlinien des Kalten Krieges identifiziert, die die desaströsen Folgen der stalinistischen Politik in Deutschland besonders…

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Der »Fall Lohagen« und der Machtkampf im SED-Politbüro zur Jahreswende 1951/52

Ulrich Mählert

Als die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) am 4. April 1952 nach fünfwöchiger Pause zu ihrer 51. Sitzung zusammentrat, waren die Grundsätze der eigenen Arbeit der erste Tagesordnungspunkt. Angesichts der permanenten Säuberungen seit 1948 und zahlloser Parteiverfahren stellte die Diskussion dazu die bisherige Praxis der Parteikontrolle grundsätzlich in Frage.1 Noch nie hatten sich die führenden Parteikontrolleure derart selbstkritisch zu ihrer Arbeit geäußert.2 »Bei uns wird noch zu viel in…

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Außenseiter, Aufsteiger, Absteiger. Vom Angehörigen der Funktionselite zum »Funktionshäftling«. Eine biographische Studie

Ilko-Sascha Kowalczuk

Anfang Juli 1989, es ist ein kühler Tag, hin und wieder setzt Nieselregen ein. Die Temperaturen erreichen kaum 16 Grad. Im Norden Ost-Berlins steigen Franz Kniffel1 (Anfang 60), seine Ehefrau Mireille (Mitte 40) und deren minderjähriger Sohn in ihr Auto. Ihr Ziel: die Schweiz. Sie gehören zu den 125 000 »Antragsstellern«, die die Statistik für das Jahr 1989 ausweist. Bis September können knapp 40 000 die DDR verlassen. Hinzu kommen bis zum 9. November eine Viertelmillion Flüchtlinge, die 1989…

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»Antikommunismus« als Problem der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Skizze über einen ungeklärten Begriff der Nachkriegsepoche

Bernd Faulenbach

»Antikommunismus« gehört sicherlich zu den umstrittensten Begriffen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei bezieht sich die Auseinandersetzung sowohl darauf, was unter Antikommunismus zu verstehen ist, als auch auf die Bewertung des jeweils so Bezeichneten. Der Ausdruck »Antikommunismus« umfasst sehr unterschiedliche Phänomene, die lediglich das »Anti« gemeinsam zu haben scheinen: Sie richten sich gegen den Kommunismus, wobei dieser meist als Sowjetkommunismus gefasst worden ist. Doch diese…

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Alternativen zum Reformismus? Zur linken Gewerkschaftskritik und kommunistischen Gewerkschaftspraxis in Deutschland

Klaus Schönhoven

Seit ihrer Gründung in der Übergangsphase zwischen der Stände- und der Industriegesellschaft ist die Gewerkschaftsbewegung von ideologischer, politischer und organisatorischer Vielfalt gekennzeichnet. Die unterschiedlichen programmatischen Akzentuierungen, binnengewerkschaftlichen Differenzierungen und richtungsgewerkschaftlichen Fragmentierungen spiegeln konkrete historische Entstehungsbedingungen und nationale Entwicklungsvarianten wider, zugleich drücken sich in ihnen für alle modernen…

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Heinz Neumanns Bußrituale - auch ein Nachtrag zum Protokoll der »Brüsseler Konferenz« der KPD

Reinhard Müller

Im Inneren Gefängnis der Moskauer Lubjanka verfasste am 1. November 1937 der KPD-Funktionär Heinz Neumann eine 30-seitige Eingabe »Über die konterrevolutionäre bucharinistisch-trotzkistische Organisation Pieck–Ulbricht«.1 Mit diesem Text reproduzierte Neumann das monströse Konstrukt eines »Antikomintern-Blocks in der Komintern«2, das dem Volkskommissariat des Inneren (NKWD) 1937 als Verschwörungsszenario für einen geplanten Schauprozess gegen zahlreiche Komintern- und KPD-Funktionäre diente.…

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Jiří Pelikán: Die Wandlung eines tschechischen Kommunisten

Manfred Wilke

Jiří Pelikán wohnte im römischen Exil direkt am Pantheon, dem Zeugnis antiker Baukunst, das zugleich bis heute an den Untergang des römischen Weltreichs erinnert. Der junge Zar Iwan der Schreckliche sagt in Sergej Eisensteins gleichnamigen Film: »Moskau ist das dritte Rom, und ein viertes wird es nicht geben!« Dieses dritte Rom hat das Leben des tschechischen Kommunisten Jiří Pelikán entscheidend geprägt. In seiner Jugend setzte er seine Hoffnung auf diese Bastion der Weltrevolution und sah in…

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Tabula Gratulatoria und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung 2008

Gunther Adler, Berlin Prof. Dr. Hans Albert, Heidelberg Wolfgang Alles, Speyer Prof. Dr. Helmut Altrichter, Erlangen Thomas und Vera Ammer, Euskirchen / Flamersheim Gerd Andres MdB, Hannover Prof. Dr. Werner T. Angress, Berlin Dr. Kerstin Armborst, Mainz Prof. Dr. Hans-Wolfgang Arndt, Mannheim Prof. Dr. Rolf Badstübner, Berlin Dr. Peter Barker, Reading Bernd-Rainer Barth, Berlin Dr. Bernhard H. Bayerlein, Köln Dr. Klaus J. Becker, Ludwigshafen Michael Beleites, Dresden Prof. Dr.…

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Editorial

1993, im selben Jahr, in dem sich der Nestor der historischen Kommunismus- und DDR-Forschung in Deutschland, der Mannheimer Zeithistoriker und Politikwissenschaftler Professor Dr. Dr. h. c. Hermann Weber, emeritieren ließ, erschien die erste Ausgabe des von ihm an der Universität Mannheim begründeten Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung (JHK). Unter seiner Ägide wurde das Jahrbuch rasch zu dem wichtigsten deutschsprachigen Forum einer international und interdisziplinär ausgerichteten…

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Die Finanzierung der illegalen Antikriegsflugschriften im Ersten Weltkrieg: Spartakusgruppe und linksbürgerliche Pazifisten im Bund »Neues Vaterland«

Ottokar Luban

In der Woche vom 28. Januar bis 3. Februar 1918 fand mit über einer halben Million streikender Arbeiter, vor allem in den Munitionsfabriken Berlins,1 die größte Massenaktion für den Frieden in Deutschland während des Ersten Weltkrieges statt. Sie wurde organisatorisch meist von den oppositionellen Betriebsvertrauensleuten der Gewerkschaften, den späteren ›Revolutionären Obleuten‹, getragen und gleichzeitig propagandistisch von einer massiven illegalen Flugblattagitation vorbereitet und…

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Stalin, Tito und die Österreichfrage. Zur Österreichpolitik des Kreml im Kontext der sowjetischen Jugoslawienpolitik 1945 bis 1949

Stefan Karner / Peter Ruggenthaler

Die Nachkriegsplanungen der Alliierten, insbesondere der Sowjetunion, zielten auf eine Zerteilung des Deutschen Reiches ab. Damit bestand – spätestens seit 1943 – auch die Chance auf eine Wiedererrichtung Österreichs, gegen dessen »Anschluss« an Hitler-Deutschland 1938 neben Mexiko auch die Sowjetunion protestiert hatte.1 Danach galt Österreich für die sowjetische Außenpolitik einmal als Teil des verbündeten Hitler-Deutschlands (1939), ein anderes Mal bezeichnete Stalin den »Anschluss«…

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Der Kreml und die Machtkämpfe in der SED-Führung 1953–1958

Gerhard Wettig

Hintergrund und Fragestellung Als die politische Opposition in den Volksdemokratien und in der SBZ ausgeschaltet war, ging die Verfolgung weiter. Sie richtete sich nunmehr gegen kommunistische Funktionäre. Während die unteren, teils auch mittleren Ränge von für unzuverlässig erachtetem Personal gesäubert wurden, sahen sich höhere Kader, vor allem oberste Führungsmitglieder, massiven Anklagen ausgesetzt. Stalin bestimmte in allen diesen Fällen Anschuldigung, Vorgehen und Urteil.1 Die…

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Hermann Webers Konzept der »Stalinisierung« der KPD und der Komintern. Eine kritische Bewertung

Kevin MC Dermott

Im Jahre 1969 veröffentlichte Hermann Weber seine bahnbrechende Arbeit Die Wandlung des deutschen Kommunismus, die die Forschung zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und zur Kommunistischen Internationale (Komintern) revolutionierte.1 In dem umfangreichen zweibändigen Werk legte er die Theorie der »Stalinisierung« der KPD im Zeitraum von 1924 bis 1929 dar, ein Konzept, das alsbald zum Standard für viele westliche und, seit den Glasnost-Jahren, russische Forscher auf dem Gebiet des…

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Stalinismus / Entstalinisierung als Geschichtstypus und Periodisierungsmerkmal. Anmerkungen zur semantischen Begriffsdifferenz

Jan Foitzik

I. Massenmedien bereiten die Schlagworte Totalitarismus, Stalinismus, Sowjetisierung, Entstalinisierung, Poststalinismus, Neostalinismus keine Schwierigkeiten. Offenbar taugen sie, wie auch etwa die Kurzformeln Trotzkismus, Titoismus oder Maoismus, zur allgemeinen Orientierung. Diese in die Umgangssprache eingegangenen Sprachkonventionen übernahm nach 1989/90 auch die postkommunistische Geschichtsschreibung. In der ersten Dekade nach 1990 wurde in Osteuropa Stalinismus noch mit »totalitäre…

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Proletarische Diktatur oder freiheitliche Demokratie? Die Wandlungen des Curt Geyer

Mike Schmeitzner

Trotz seiner Bedeutung als »Wanderer zwischen den Welten« innerhalb der Weimarer Linken, seiner für die Frühzeit der Weimarer Republik so bedeutenden Autobiographie und seiner programmatischen Impulse nach 1933 ist Curt Geyer (1891–1967) nur wenigen Historikern ein Begriff geblieben. Lediglich Hermann Weber und Rainer Behring haben immer wieder Anläufe unternommen, ihn dem Vergessen zu entreißen.1 Dabei hatte der Politiker als Revolutionsführer 1918/19, als USPD-Funktionär, Mitbegründer der…

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Béla Kun, György Lukács, Imre Nagy und die Säuberungen in Moskau

Gabor Székely

 Am Rande einer Diskussion  Im April 2004 fand in Hannover eine internationale Konferenz mit dem Titel »Die Kommunistische Internationale. Personen, Apparate und Strukturen« statt. Die meisten Historiker, die sich auf die Geschichte der Komintern spezialisiert haben, nahmen daran teil. Das größte Interesse fanden bei den Forschern aus verschiedenen Ländern, die mit der Thematik vertraut waren, offenbar neuere Sammelbände über Personen, die für die Komintern arbeiteten. Ich präsentierte meine…

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Stand und Perspektiven der historischen Kommunismusforschung. Protokoll eines internationalen Forschungskolloquiums am 17. April 2007 in Berlin

Stand und Perspektiven der historischen Kommunismusforschung waren Thema eines Rundtischgesprächs, das auf Initiative der Herausgeber des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur am 17. April 2007 in der Vertretung des Freistaates Thüringen beim Bund in Berlins Mitte stattfand. Anlass war die Präsentation der Ausgabe 2007 des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung. Bülent Bilmez (Türkei), Stefan Karner (Österreich), Norman…

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Wer gründete die Komintern? Zur Geschichte einer Fotografie

Wladislaw Hedeler / Alexander Vatlin

Um die Gründungsgeschichte der Komintern in Moskau ranken sich bis auf den heutigen Tag zahlreiche Legenden. Deren Nährboden war und ist neben dem konspirativen Charakter der Tätigkeit der Weltorganisation die lückenhafte Überlieferung ihrer Doku-mente. Die 1929 aus Anlass des zehnten Jahrestages der Gründung herausgegebene Dokumentation leiteten A. Tivel’ und Mauno Heimo mit der Feststellung ein: »Wir verfügen noch nicht über eine Geschichte der Komintern.«1 Mit Blick auf ihren ersten Kongress…

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Kommunismusbekämpfung. Das Wiener Beispiel 1918–1921

Verena Moritz / Hannes Leidinger

Auf den nachfolgenden Seiten wird der Versuch unternommen, die von den militärischen und polizeilichen Behörden in Wien ausgehenden antikommunistischen bzw. antibolschewistischen Maßnahmen im letzten Jahr des Bestehens der Habsburgermonarchie und in den ersten drei Jahren der (deutsch)österreichischen Republik1 zu skizzieren und insbesondere im Zusammenhang mit den offiziellen Beziehungen zu Sowjetrussland zu betrachten. Dabei werden nicht zuletzt personelle Kontinuitäten im Auge behalten.…

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Die Stalin-Note 1952 – kein Ende der Debatte

Bernd Bonwetsch

Am 1. April 1952 wurde das Dreigestirn Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht zu einem der seltenen Besuche bei Stalin im Kreml empfangen. Sie suchten Rat und Hilfe im Hinblick auf die II. Parteikonferenz und hatten ihm die Lage in Deutschland und der Welt aus Pankower Sicht schildern dürfen. Eine Woche darauf, am 7. April, wie üblich zu später Stunde, empfing sie Stalin erneut und legte ihnen nun seinerseits die Lage in Deutschland und der Welt aus der Warte Moskaus dar. Dabei sagte…

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Gewerkschaften im Prozess der »Volksdemokratisierung« - vergleichende Aspekte zu Polen und zur SBZ/DDR

Christoph Kleßmann

Gewerkschaften haben in den untergegangenen kommunistischen Systemen eine merkwürdige Doppelrolle gespielt: Als größte Massenorganisation und eigentliche Arbeitervertretung waren sie ein Schlüssel zur Eroberung, Stabilisierung und Sicherung der politischen Macht. Gleichzeitig trugen sie seit Lenin den Makel, ohne Führung durch eine revolutionäre Avantgarde im Ökonomismus und »Nur-Gewerkschaftertum« zu verharren und gegenüber dem Gift des »Sozialdemokratismus« nicht immun zu sein. Darin steckte…

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»Erfahrungsgesättigte Rationalität«. Hermann Weber im Feld der bundesdeutschen DDR-Forschung seit den 1950er-Jahren

Jens Hüttmann

DDR-Geschichte – ein neues »Aufgabenfeld« für Historiker nach 1990?1 Die »Bonanza historiographischer Zeitgeschichtsforschung« – so nannte der Bonner Historiker Hans-Peter Schwarz 2003 in einem Aufsatz die Geschichte der DDR.2 Er spielte damit auf den »Forschungsboom« an, der in den 1990er-Jahren innerhalb der bundesdeutschen DDR-Forschung zu beobachten war: Erst nach ihrem Untergang sah eine rasch wachsende Zahl von Forscherinnen und Forschern die SED-Diktatur als ein attraktives Thema…

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Desinformation und selektive Wahrheit. Stasi-Geschichtsrevisionismus in der Offensive

Karl Wilhelm Fricke

Je weiter die Realität der DDR-Staatssicherheit der Gegenwart entrückt ist, desto unverfrorener werden die Legenden, desto dreister erscheinen die Halb- und Unwahrheiten, mit denen die Geschichte des unsäglichen Überwachungs- und Unterdrückungsapparates der zweiten deutschen Diktatur verklärt, verharmlost und verfälscht wird. Ehemalige Spitzenkader des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) melden sich immer häufiger und mit zunehmender Vehemenz öffentlich zu Wort. Sie praktizieren gleichsam,…

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Zwischen Sozialdemokratie und Bolschewismus - Der schwedische Politiker Zeth Höglund

Lars Björlin

Einführung Als Zeth Höglund im Herbst 1950 im Alter von 66 Jahren die öffentliche Bühne verließ, war er in der schwedischen und internationalen Arbeiterbewegung fast 50 Jahre lang politisch aktiv gewesen. In der schwedischen Arbeiterbewegung hatte er in diesen Jahren eine Reihe von Führungsposten innegehabt: in der sozialdemokratischen Jugendbewegung, in den sozialdemokratischen, linkssozialistischen und kommunistischen Parteien und ihren lokalen Organisationen sowie in mehreren Zeitungen. Er…

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Unteroffiziere der Revolution. Zum Schicksal von Kursanten der M-Schule der Kommunistischen Internationale

Andreas Herbst

In Bakovka im Landkreis Kunzewo, 30 Kilometer westlich von Moskau, an der Minskoje Chaussee befand sich von Ende der Zwanziger- bis Mitte der Dreißigerjahre die legendäre Militärschule des geheimen Nachrichtenapparats der Kommunistischen Internationale. Sie lag, wie sich Franz Feuchtwanger1, 1933/34 Kursant der M-Schule, erinnert, »inmitten eines ausgedehnten, teilweise bewaldeten Geländes, das mit Stacheldraht umzäunt war, auf dem später die Waffen- und Gefechtsübungen abgehalten wurden.«2 …

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Das Jahr 1937 und die Gegenwart. Thesen von MEMORIAL

Vor siebzig Jahren kam es auf Beschluss der höchsten Parteiorgane in der UdSSR zu einer der üblichen blutigen »Säuberungen«, die fast zwei Jahre andauerte. In der historischen Publizistik wird diese Verfolgungskampagne häufig als »Großer Terror« bezeichnet; im Volk nennt man sie dagegen einfach »das Jahr 37«. Die kommunistische Diktatur ging immer – sowohl vor als auch nach 1937 – mit politischen Verfolgungen einher. Gerade das Jahr 1937 wurde im Gedächtnis der Menschen indes zu einem…

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Eine internationale Sprache für die Weltrevolution? Die Komintern und die Esperanto-Frage

Jean-François Fayet

»›Proletarier aller Länder, vereinigt euch‹, so der Aufruf von Marx. Die esperantistischen Kommunisten fügen hinzu: Um sich zu vereinigen, müssen sie sich verstehen können, und Esperanto ist dieses zur Verständigung notwendige Mittel.«1 »Unsere Lage weist tragikomische Züge auf: Einerseits wird anerkannt, dass wir wertvolle Arbeit im Sinne der kommunistischen Internationale leisten – wir werden im Übrigen aufgrund dieser Arbeit von den Faschisten und der Polizei als ›Hilfssektion der III.…

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Vergessene Kommunisten. Die »Weddinger Opposition« der KPD

Marcel Bois

Die Anfang 1919 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) vollzog bis zum Ende der Weimarer Republik einen fundamentalen Wandel. Sie entwickelte sich von einer demokratischen und diskussionsfreudigen Organisation zu einer vollständig entdemokratisierten, vom Apparat bürokratisch beherrschten Partei. Politische Konflikte wurden nicht mehr politisch, sondern organisatorisch »gelöst«. Oppositionelle erfuhren Repressionen, wurden mit Redeverboten belegt oder vom Zentralkomitee (ZK)…

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Erinnerung an einen gescheiterten Schauprozess in der DDR

Wilfriede Otto

Die Welle stalinistischer Schauprozesse in Osteuropa Ende der Vierziger- und Anfang der Fünfzigerjahre ist hinreichend beschrieben. Unbeantwortet ist jedoch nach wie vor die Frage, weshalb im Gegensatz zu den Szenarien in Budapest und Prag ein solcher Prozess in der DDR ausblieb – obgleich die feste Absicht der SED und des Kremls außer Frage steht. Kurt Müller, 2. Vorsitzender der westdeutschen KPD und Bundestagsabgeordneter, Erica Glaser-Wallach, Noel Fields Pflegetochter, und Leo Bauer,…

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Willy Brandt in der DDR. Oder: Die Schwierigkeiten des MfS mit der »Autoritätsperson im Weltmaßstab«

Siegfried Suckut

Staatsbesuche in der DDR liefen nach einem gleichbleibenden protokollarischen Grundschema ab: Der Gast wurde vom Vorsitzenden des Staatsrates und Chef der alleinregierenden SED, Erich Honecker, mit demonstrativer Herzlichkeit empfangen, Kinder überreichten Blumen und sagten ihre lang geübten Begrüßungsworte auf. Abkommandierte Betriebsbelegschaften standen Spalier, fröhlich mit Fähnchen in den Landesfarben winkend. Wo es der Ablaufplan vorsah, gingen die Gäste auf die Menschen hinter den…

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Arbeit am Selbst im Arbeiterstaat. Neue Quellen des Stalinismus und ihre Deutung

Brigitte Studer

Der Begriff »Kommunismus« umfasst mehrere Dimensionen, welche von der Geschichtswissenschaft unterschiedlich stark akzentuiert worden sind. Das Hauptgewicht historischer Darstellungen lag lange auf der Betrachtung von Kommunismus als Herrschaftsform, als politische Bewegung und als Weltanschauung. Erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten ist die Dimension des Kommunismus als Lebenswelt und als Gesellschaftsform, in welcher »Arbeit am Selbst« zu den allgemeinen kulturellen Normen zählte,…

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Kontinuität und Wandel im deutschen Kommunismus

Werner Müller

Wechselnde Gesichter Die Geschichte des deutschen Kommunismus im 20. Jahrhundert ist durchzogen von Brüchen, Wendungen und Wandlungen verschiedenster Art auf unterschiedlichen Ebenen.1 Seine Stellung in Staat und Gesellschaft variierte stark: In der Weimarer Zeit stellte der deutsche Kommunismus (einschließlich seiner »rechten« und »linken« Abspaltungen und Konkurrenten) eine fundamentale Systemopposition dar, im »Dritten Reich« wurde er mit aller Härte und Brutalität unterdrückt und…

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Flucht über die Balkonmauer. Politische Biographie des Kommunisten Josef Schlaffer

Kurt Schilde

Josef Schlaffer gehört zu den Funktionären des Führungskorps der Kommunistischen Partei Deutschlands, die von Hermann Weber in Die Wandlung des deutschen Kommunismus vorgestellt werden. Er wird auch in dem von Weber mit Andreas Herbst publizierten Handbuch Deutsche Kommunisten berücksichtigt.1 An diese beiden Darstellungen knüpft diese politische Biographie an und führt sie punktuell fort. Es wird das Leben eines Mannes skizziert, dessen politische Biographie durch die deutsche Arbeiterbewegung…

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Max Kosler – Ein Kämpfer gegen Antisemitismus und ideologische Zwänge

Andreas Pehnke

Am 9. Dezember 1882 erblickte Maximilian Kosler als Sohn eines Schneidermeisters in Dresden das Licht der Welt. Nach dem Besuch der Katholischen Bürgerschule und des Katholischen Progymnasiums in Dresden wählte er einen für Arbeiter- und Handwerkersöhne damals naheliegenden Weg des Aufstiegs: 1903 absolvierte er das Katholische Lehrerseminar in Bautzen, um sodann als Volksschullehrer in den Dresdner Schuldienst zu treten. In den folgenden drei Dekaden unterrichtete er – lediglich unfreiwillig…

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The International Newsletter of Communist Studies

Bernhard H. Bayerlein und Gleb J. Albert

The International Newsletter of Communist Studies Der Internationale Newsletter der Kommunismusforschung La newsletter internationale des recherches sur le communisme Международный бюллетень исторических исследований коммунизма Vol. XIV (2008), no 21. Edited by Bernhard H. Bayerlein. Published by The European Workshop of Communist Studies With support of The Mannheim Centre for European Social Research (MZES), University of Mannheim, Germany. ISSN Y503-1060. ISSN 1862-698X (for the…