JHK 2009

KPdSU und Perestrojka 1985–1991

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 211-228 | Aufbau Verlag

Autor/in: Bernd Bonwetsch

Die KPdSU, die Staatspartei der Sowjetunion, hörte im August 1991 auf zu existieren. Nach dem Scheitern des Putschs vom 19. August wurde die Tätigkeit der KP der RSFSR am 23. August vorläufig verboten. Das Vermögen der Partei einschließlich desjenigen der KPdSU wurde unter staatliche Verwaltung gestellt, ihre Zwingburg, das ZK-Gebäude am »Alten Platz«, versiegelt. Der Putsch des »Staatskomitees für den Ausnahmezustand« mit dem Stellvertretenden Präsidenten der Sowjetunion und Politbüromitglied Gennadij Janaev an der Spitze hatte die für den 20. August 1991 angesetzte Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrags verhindern und überhaupt die alte Ordnung wiederherstellen sollen. Den Führungsgremien der Partei, Politbüro und ZK, wurde eine Beteiligung am Putsch vorgeworfen. Es war der Präsident Russlands, der »Sieger« Boris Jelzin,1 der die Sus­pendierung der Partei vor dem Obersten Sowjet Russlands dekretierte. Der Präsident der Union Michail Gorbatschow, erst am Tag zuvor aus der Internierung in Foros am Schwarzen Meer zurückgekehrt, wurde in einem Akt öffentlicher Demütigung genötigt, das Dekret zu bestätigen. Formell galt die Suspendierung zwar nur für die erst 1990 gegründete KP der RSFSR, doch sie stellte den Kern der KPdSU dar. Ihr Verbot in Moskau und Russland war das Ende der Unionspartei. Am nächsten Tag, dem 24. August, zog Gorbatschow die Konsequenzen und trat vom Amt des Generalsekretärs der KPdSU zurück. Zuvor erweiterte er die Verbote Jelzins auf die gesamte Sowjetunion und empfahl dem ZK der Partei die Selbstauflösung. Sie erfolgte am selben Tag.2

Der Oberste Sowjet der UdSSR billigte am 29. August die Suspendierung der KPdSU auf dem gesamten Territorium der Sowjetunion. Er beschloss ein Verfassungsprovisorium mit einem Staatsrat an der Spitze, bestehend aus den Präsidenten der Union und der Republiken, und löste sich am 5. September dann selbst auf. Die staatlichen Strukturen der Union waren allgemein in Auflösung begriffen. Am 21. Oktober 1991 konstituierte sich zwar ein neuer Oberster Sowjet mit den auf ihn übertragenen Rechten des ebenfalls aufgelösten Kongresses der Volksdeputierten, aber das hatte praktisch keine Bedeutung mehr, weil nicht nur die baltischen, sondern jetzt auch die ukrainischen Abgeordneten nicht mehr teilnahmen. De facto gab es weder eine zentrale Exekutive noch eine Legislative. Die Republikorgane übernahmen das jeweils für ihr Territorium. An die Stelle der Union und ihres Präsidenten Gorbatschow traten dort, wo überhaupt noch ein solcher Anspruch aufrechterhalten werden konnte, etwa beim Militär, wie selbstverständlich Russland und sein Präsident Jelzin als Rechtsnachfolger.3 Jelzin traf auch die Entscheidung über das Ende der KPdSU und verbot sie und ihren russischen Ableger endgültig am 6. November 1991, dem Vorabend des Jahrestags der Oktoberrevolution.4 Das russische Verfassungsgericht bestätigte 1992 die Rechtmäßigkeit dieses Verbots zumindest für die Führungsorgane der Partei.5 Verboten wurden die Kommunistischen Parteien auch im Baltikum, in der Ukraine und in Moldawien, wo sie als »5. Kolonne« galten. In Mittelasien wurden sie eher der Ordnung halber aufgelöst, in Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan lösten sie sich selbst auf. Abspaltungen der Republikparteien, die auf einen reformerischen und nicht zuletzt nationalen Kurs eingeschwenkt waren, wie in Litauen, Armenien und Georgien, konnten weiter bestehen. Ihre Bedeutung ging jedoch zugunsten nationaler, wenn nicht nationalistischer Parteien dramatisch zurück.

Für die KPdSU und die KP der RSFSR gab es keine mildernden Umstände. Sie hatten mit der Bekämpfung auch moderater Reformen das politische Klima für den Putsch geschaffen. Für sie war mit einem Schlag alles dahin: »administrative Ressourcen« und Privilegien, Gebäude, Vermögen. Damit war eine Institution an ihr Ende gekommen, die wie keine andere den Sowjetstaat repräsentiert hatte. Der Geheimdienst KGB mag zeitweise über mehr Macht verfügt haben, aber im öffentlichen Leben war sie die bestimmende Kraft gewesen. Formell war sie zwar den staatlichen Instanzen unterstellt, aber in der Praxis wurde das durch Gewohnheitsrecht und die häufige Personalunion in der Führung von Partei- und Staatsämtern aufgehoben. Die Partei war der entscheidende Ordnungsfaktor und Transmissionsriemen, der das Riesenland zusammenhielt. Von den »Oktoberkindern« über die Jungen Pioniere und den Komsomol bis zu den Parteigliederungen und den anderen, mit der Partei verbundenen »Massenorganisationen« war die Gesellschaft organisiert und diszipliniert worden. Wer Karriere machen wollte, suchte selbst den Weg in die Partei, die ihrerseits die Besten und Tüchtigsten an sich zu binden suchte. Das hatte seit den Umbrüchen der Stalin-Zeit zu ihrem stetigen Wachstum geführt.

In der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre war der Höhepunkt der Entwicklung erreicht: Mit 19,5 Millionen Mitgliedern und Kandidaten gehörten der Partei zum 1. Januar 1989 rund 6,8 Prozent der Gesamtbevölkerung an. Diese Millionenschar von Mitgliedern und Funktionären war in 442 000 Grundorganisationen gegliedert.6 Dabei war die Dichte der Mitgliedschaft unterschiedlich: In Städten war sie höher als auf dem Land, der ursprünglich hohe Arbeiteranteil war mit der Zeit zugunsten von Angestellten unter 50 Prozent gesunken, Russen stellten bei 51 Prozent der Unionsbevölkerung 59 Prozent der Parteimitglieder. Bei den anderen Nationalitäten entsprach die Mitgliedschaft in etwa dem Bevölkerungsanteil oder lag z. T. nicht unerheblich darunter.7

Allerdings zeichnete sich seit 1986 ein Umschwung ab, denn die Zahl der beitrittswilligen »Kandidaten« sank bereits. Seit 1989 ging das in eine Bewegung zum Austritt über, ab 1990 dann in eine Flut. War die Zahl der Mitglieder und Kandidaten zum 1. Januar 1990 nur um 260 000 auf 19,2 Mio. zurückgegangen, so sank sie allein in den ersten neun Monaten 1990 um 1,5 auf 17,7 Millionen.8 Ab Oktober 1990 beschleunigte sich dieser Prozess noch weiter, sodass zum 1. Juli 1991 nur noch 15 Millionen Mitglieder übrig waren, wie Gorbatschow auf dem – wie sich herausstellen sollte – letzten ZK-Plenum im Juli 1991 berichtete. 4,2 Millionen Mitglieder hatten in 18 Monaten der Partei den Rücken gekehrt, und viele weitere waren dabei, es zu tun.9 Das Bedrohliche dabei war nicht nur die Zahl der Austritte und der darin sichtbar werdende Bedeutungsverlust, sondern mehr noch die Zusammensetzung der Flüchtigen: Der typische Austretende war 1990 ein männlicher Industriearbeiter mit mittlerer Bildung im Alter von 30–50 Jahren und mehr als zehnjähriger Parteizugehörigkeit, d. h. wirkliche Kernmitglieder. Allerdings nahmen Austritte von Mitgliedern mit Hochschulbildung, d. h. von Angestellten, Ingenieuren und Technikern, sowie von unter Dreißigjährigen rasant zu. Rückläufig war lediglich der Anteil der Rentneraustritte. Drastisch formuliert, war die KPdSU als eine Partei von Aufsteigern, Karrieristen und Arrivierten schon vor dem Verbot in Auflösung begriffen und dabei, sich in eine Vereinigung von Rentnern zu verwandeln.10

Mit ihrem Verbot nach dem Putsch verabschiedete sich die einst staatstragende Partei dann ebenso undramatisch und kläglich aus der Geschichte wie im folgenden Dezember 1991 die ebenfalls in Auflösung begriffene Weltmacht Sowjetunion. Angesichts der weitgehenden Identität von Partei und Staat war diese parallele Entwicklung nahezu zwangsläufig. Denn nach dem kurzen Zwischenspiel der »Räterepublik«, in der die Allrussischen Rätekongresse zumindest noch keine rein dekorative Veranstaltung waren, hatten seit Anfang der Zwanzigerjahre die Parteitage der Kommunistischen Partei Russlands bzw. der Sowjetunion die politischen Weichenstellungen vorgenommen oder zumindest bestätigt. Unter Stalin waren auch sie in den Hintergrund getreten. »Die Partei« – das war bis 1953 im Wesentlichen Stalin, das war »das ZK«, d. h. die ZK-Sekretäre und das »Politbüro«11 mit dem Generalsekretär Stalin an der Spitze.12

Nach Stalins Tod gewannen die Kollektiv- und Repräsentativgremien der Partei – Präsidium, ZK-Plena und Parteitage – vorübergehend wieder größere Bedeutung. Die Anstöße zur Entstalinisierung unter Nikita Chruščev ließen auf eine geistige Erneuerung der Partei hoffen. Das änderte sich jedoch schon mit dem »Oktober-Plenum« 1964, das an die Stelle des allzu voluntaristischen Chruščev Leonid Brežnev setzte. Unter seiner Führung kam das Land im Innern zur Ruhe und zu leidlichem materiellen Wohlstand. Allerdings wurden seine unermesslichen Ressourcen nur extensiv genutzt. Nicht einmal Getreide wurde in ausreichendem Maße geerntet.13 Dank der Öl-Einnahmen wurde das Agrarland Sowjet­union zum größten Getreideimporteur der Welt. Alles versank unter einer gewaltigen, innovationsfeindlichen und auch korrupten Bürokratie. Reformen wurden erstickt, Reformer mundtot gemacht, ganz zu schweigen von der Behandlung der Dissidenten. In dem Moment, als die Welt-Erdöl-Konjunktur umschlug, wurde die strukturelle Schwäche nicht nur der Wirtschaft, sondern auch des Lenkungsapparats des Landes offenbar. Die »wissenschaftlich-technische Revolution« im Zeichen von Computer und Internet stellte alles bis dahin Erreichte als ungenügend bloß. Außenpolitische Abenteuer wie der Einmarsch in Afghanistan und die Stationierung der mobilen Mittelstreckenraketen in Europa, die die Erfolge der Entspannungspolitik zunichtemachten und beträchtliche zusätzliche Ressourcen banden, ließen die Sowjetunion unter Brežnev in eine Krise geraten, aus der sie auch unter seinen Nachfolgern Jurij Andropov und Konstantin Černenko nicht herausfand. »Zastoj«, d. h. »Stagnation«, war später der eingängige Begriff für diesen Zustand.

Uskorenie: Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung

Ein Bewusstsein für die Probleme, denen sich die Sowjetunion angesichts der Krise im eigenen Lande und der Systemkonkurrenz gegenübersah, hatte sich auch in der Führung der Partei herausgebildet. Es lenkte zweifellos auch das Verhalten der Mitglieder des Politbüros und des ZK-Plenums, als diese am 11. März 1985 nacheinander zusammentraten, um einen neuen Generalsekretär zu küren. Im Vorfeld dieser Entscheidung hatten sich zwar mehrere Führungsmitglieder Chancen auf die Nachfolge Černenkos ausrechnen können – außer Michail Gorbatschow, der wegen der Hinfälligkeit Černenkos schon seit Längerem die Politbürositzungen leitete, auch Ministerpräsident Nikolaj Tichonov, die Par­teichefs von Moskau und Leningrad, Viktor Grišin und Grigorij Romanov, und der ukra­inische Parteichef Vladimir Ščerbickij. Im Westen hielt man die Wahl im Politbüro deshalb auch für umstritten. Tatsächlich lief jedoch alles eindeutig auf Michail Gorbatschow hinaus. Nachdem sich ein autoritatives Führungsmitglied wie Andrej Gromyko auf der Sitzung des Politbüros sofort und ohne Wenn und Aber für ihn ausgesprochen hatte, blieb alles Abweichende wie üblich ungesagt, und »der Neue« wurde einstimmig gewählt. Das Gleiche gilt für das formell entscheidende ZK-Plenum, dem Gromyko den Politbüro-Vorschlag anschließend vortrug.14

Niemand ahnte, zu welcher Entwicklung es unter Gorbatschows Führung kommen würde, selbst wenn dieser sein Amt in der Überzeugung antrat, dass man »so […] nicht weiterleben« könne, wie er es in der Nacht vor seiner Wahl formulierte.15 Zum einen war auch er als Teil des Systems aufgestiegen und von denselben alten Männern umgeben, die schon zuvor das Land geführt hatten. Erst 1985 / 86 wurden sie im Rahmen eines weitgehenden, aber bei solchen Gelegenheiten durchaus üblichen personellen Revirements aus dem Zentrum der Macht entfernt: Tichonov, Gromyko, Romanov und Grišin.16 Zum anderen aber war Gorbatschow mitnichten ein Revolutionär.

Zunächst ging es im Grunde nur darum, mit jüngeren Kräften und neuer Energie liegen gebliebene, verschleppte Reformen anzupacken. Da »Reform« ein revisionismusverdächtiges Tabu-Wort war, kam als Sammelbezeichnung für die Maßnahmen der alte sowjetische Ersatzbegriff »Perestrojka« (Umgestaltung) zu neuer Geltung. Einigkeit bestand vor allem darin, dass die wirtschaftliche Stagnationskrise überwunden werden musste. Ihre Ursachen erkannte man in der extensiven Nutzung der Ressourcen des Landes und seiner ungenügenden Anpassung an die Bedingungen der »wissenschaftlich-technischen Revolution«. Deshalb wurden auf dem April-Plenum des ZK von 1985 einerseits mit Egor Ligačev, Nikolaj Ryškov und Viktor Čebrikov relativ junge Funktionäre ins Politbüro kooptiert, und zum anderen wurde die »Beschleunigung (uskorenie) der wirtschaftlichen Entwicklung« zur wichtigsten Aufgabe erklärt. Kurz danach ergänzte man dies um die »Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts«. Konkretere Entscheidungen wurden auf dem XXVII. Parteitag vom 25. Februar bis 6. März 1986 getroffen.17

Erstmals hatte sich die Parteiführung wohl wirklich Rechenschaft über den ernsten Zustand der Wirtschaft des Landes gegeben. Aber sie war überzeugt davon, dass es sich um eher technisch-praktische Maßnahmen handeln würde, mit deren Hilfe man der Sowjetwirtschaft die »verloren gegangene Dynamik zurückzugeben […] und den Rückstand zu den entwickeltsten Ländern aufholen zu können« meinte. Zweifel am Erfolg des Sozialismus gab es nicht – auch nicht bei Michail Gorbatschow.18 Es wurden ein großes Investitions- und Technologieprogramm, die Erhöhung der Investitionsquote und eine stärkere Qualitätskontrolle beschlossen. Aufbauend auf dem schon unter Andropov konzipierten »Wirtschaftsexperiment« wurden auch Schritte zur Vergrößerung der Selbstständigkeit der Betriebe, der Rechte von Genossenschaften und der Orientierung am Markt unternommen. Die Lenin’sche Neue Ökonomische Politik der Zwanzigerjahre wurde zum Orientierungsmodell; ihr wichtigster späterer Protagonist und Gegner der Stalin’schen Politik, Nikolaj Bucharin, wurde rehabilitiert. Aber was 1921 noch mit einem schlichten Dekret über die Einführung der Naturalsteuer umgesetzt werden konnte, das stieß gut 60 Jahre später auf verkrustete Strukturen. Die Partei- und Wirtschaftsbürokratie wartete ab oder »mauerte«, teils aus Unwillen über die neuen Maßnahmen wie z. B. die ungewohnte Qualitätskontrolle, teils aufgrund der Erfahrungen mit vorangegangenen »Reformen«, teils aus Unfähigkeit oder Sorge um Privilegien. Auch ließ sich ein jahrzehntelang praktizierter Schlendrian der Arbeiterschaft nicht plötzlich abstellen, zumal weder Zwangsmittel noch Gratifikationen zur Verfügung standen. Ein Reformversuch war z. B. die im Mai 1985 eingeleitete Anti-Alkohol-Kampagne. Neben der Bezeichnung »Mineralsekretär« für Gorbatschow und viel Durcheinander hinterließ sie bei ihrem Einschlafen 1988 einen Steuerausfall von insgesamt 49 Milliarden Rubel, hatte also den ohnehin defizitären Staatshaushalt von etwa 380 Milliarden Rubel mit durchschnittlich rund drei Prozent jährlich belastet.19

Inzwischen hatte die Partei allerdings schon ganz andere Probleme. Die zahllosen Maßnahmen und Pläne zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten stellten sie ständig vor Zerreißproben hinsichtlich ihres Selbstverständnisses: Staats- und Privatbesitz, Plan und Markt, freies Kräftespiel und soziale Verantwortung – sie standen im Widerstreit, und das angesichts einer negativen Wirtschaftsentwicklung, die jede Seite für ihre Argumente in Anspruch nehmen konnte. Für das Schicksal der KPdSU und der Perestrojka war entscheidend, dass man mit dem objektiv schwierigen Problem nicht fertig wurde, eine langfristig angelegte Strukturreform durchzuführen und gleichzeitig die akuten Konsumbedürfnisse einer an den relativen Wohlstand der Brežnev-Zeit gewöhnten Bevölkerung zu befriedigen.20

Auch die Schritte im Rahmen des »neuen Denkens« in den internationalen Beziehungen, die die Rüstungslasten entsprechend der neuen Militärdoktrin der »Hinlänglichkeit« (dostatočnost’) verringern sollten, konnten keine sofortige wirtschaftliche Entlastung bringen.21 Der INF-Vertrag über die mobilen Mittelstreckenraketen vom Dezember 1987, das Genfer Abkommen über Afghanistan vom April 1988 und der nachfolgende Truppenabzug, der Beschluss der 19. Parteikonferenz zur Verringerung der Streitkräfte, das KSE-Abkommen vom Dezember 1990, die START-Vereinbarungen zur Reduzierung der nuklearen Trägersysteme 1990 / 1991 – alles zeugte von der Entschlossenheit der sowjetischen Führung, sich der übermäßigen Rüstungslasten zu entledigen und den Kalten Krieg zu beenden. Michail Gorbatschow, Eduard Ševardnadze und Aleksandr Jakovlev, der im September 1988 Vorsitzender der ZK-Kommission für Außenpolitik wurde, gebührt das historische Verdienst, dies nach innen wie nach außen überzeugend vorangetrieben zu haben. Gorbatschow erhielt dafür 1990 den Friedensnobelpreis. Wirtschaftlich brachten diese Schritte jedoch zunächst einmal zusätzliche Schwierigkeiten, weil der »militärisch-industrielle Komplex« aus dem gewohnten Gleis geworfen wurde. Auch die Hoffnung auf westliche Kredite als »Entspannungsdividende« erfüllte sich nur bedingt. Die sowjetische Wirtschaft erholte sich während der Perestrojka einfach nicht mehr.

»Glasnost’« und der Beginn politischer Veränderungen

Angesichts des sich schon bald abzeichnenden mäßigen Tempos der allseitigen »Beschleunigung« glaubten Gorbatschow und die reformwilligen Kräfte um ihn, die Öffentlichkeit unter dem Zeichen von »Glasnost’« (Öffentlichkeit, Transparenz) durch die Aufforderung zur Kritik an »Bremsern« und an Unzulänglichkeiten für den notwendigen Reformprozess mobilisieren zu können.22 Es war ein probates Mittel aus alten Sowjetzeiten, bei Bedarf eine entsprechende Kritik »von unten« zu lancieren, um einen trägen Apparat in die gewünschte Richtung in Bewegung zu setzen. Das bedeutete jedoch noch längst nicht, dass grundsätzlich frei über Probleme gesprochen wurde. Die Entfernung der 1961 schon für 1981 als Realität prognostizierten Kommunismusperspektiven aus dem Parteiprogramm, die Gorbatschow auf dem XXVII. Parteitag in seinem Rechenschaftsbericht zur »Diskussion der neuen Redaktion« trotz ihrer zentralen Bedeutung fast völlig überging, unterstrich das noch einmal.23 Doch angesichts der Probleme des Landes und der Beharrungskräfte auf allen Ebenen gewann das Prinzip »Glasnost’« eine eigene Dynamik. Der keineswegs selbstverständliche öffentliche Umgang mit der Reaktorkatastrophe vom 26. April 1986 in Černobyl’ oder den Unruhen in Alma Ata im Dezember 1986, die früher noch vertuscht worden wären, setzte hier Zeichen.24 Deshalb klangen Gorbatschows Äußerungen auf dem Januar-Plenum des ZK 1987, dass es keine gesellschaftlichen Tabuzonen geben dürfe und dass Glasnost’, Kritik und Selbstkritik in einer Demokratie so notwendig seien »wie die Luft zum Atmen«, durchaus glaubwürdig. Allerdings wurde in der Diskussion des Politbüros und im ZK-Plenum deutlich, dass die Meinungen dazu geteilt waren: Den einen ging »Glasnost’« zu weit, den anderen aber nicht weit genug.25

Unter diesen Vorzeichen begann die öffentliche Diskussion auch auf Fragen des politischen Systems im Sinne von Liberalisierung und Demokratisierung überzugehen. Der Boden dafür war bereitet, Ideen und Vorstellungen gab es. Ein Signal war die »Novosibirsker Studie« der Soziologin Tat’jana Zaslavskaja von 1982 über gesellschaftliche Hemmnisse für die wirtschaftliche Entwicklung gewesen.26 Auch andere Wissenschaftler wie Abel Aganbegjan oder Leonid Abalkin waren immer wieder mit kritischen Analysen aufgefallen. Aber nicht nur im wissenschaftlichen Milieu gab es kritische Analysen und Reformideen. Auch wenn man urteilen mag, dass sie »nicht zum Kern der Probleme vorstießen«,27 lohnt es, Reformprogramme zur Kenntnis zu nehmen, die Georgij Arbatov und Anatolij Černjaev beim Tode Leonid Brežnevs in der Hoffnung skizzierten, dass Jurij Andropov zu dessen Nachfolger gewählt würde. Černjaev und Arbatov kamen zwar nicht direkt aus den Sphären der Macht, aber als politische Berater aus deren »Vorzimmer«.28 In dem von Černjaev festgehaltenen »Minimal-Programm« – eine Anspielung auf das Programm der SDAPR (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands) von 1903 – tauchte bereits vieles auf, was später zum Kern des »neuen Denkens« und der »Perestrojka« wurde: Verminderung der Rüstungslasten durch »Eindämmung« des militärisch-industriellen Komplexes, Abzug der Truppen aus Afghanistan und der SS-20-Raketen aus Europa; radikale Reduzierung der Truppen-Präsenzstärke; Entlassung der sozialistischen Staaten aus sowjetischer Vormundschaft und Verzicht auf jede gewaltsame Bewahrung der herrschenden Ordnung durch sowjetische Truppen; Reduzierung der Zentralisierung durch Gewährung realer Selbstständigkeit für die Republiken; Erleichterung der Ausreisemöglichkeit für Dissidenten und Juden und Bekämpfung des Antisemitismus; größere Meinungsfreiheit für die Presse; Befreiung von unnötigen wirtschaftlichen und politischen Lasten zugunsten der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Bevölkerung.29

Ältere Überlegungen zu einer »revolutionären Umgestaltung« der Sowjetunion fasste Aleksandr Jakovlev, Leiter des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, Ende 1985 in einem Memorandum für Gorbatschow zusammen, das mit dessen Beratern diskutiert wurde.30 Es enthielt vor allem die Idee, die Sowjet­union zu demokratisieren und den Bürger auch dank voller Informationsfreiheit zum Souverän zu machen. Damit dieser zwischen Alternativen wählen könnte, sollten aus der KPdSU zwei konkurrierende Parteien – eine sozialistische und eine volksdemokratische – gebildet werden. Überdies sollten Gerichte und Richter unabhängig werden, um die Bürgerrechte sichern zu können. Zweifellos war damit noch keine liberale Demokratie anvisiert, aber das Potenzial dazu war in diesen Konzeptionen enthalten, die bei der Realisierung der Perestrojka Pate standen.

Gemeinsam war den Reformern die Vorstellung, die Umsetzung ihrer Ideen als »Revolution von oben« durch die Partei steuern zu können. Auch Gorbatschow dachte im Sommer 1986 so.31 War aber schon die Steuerbarkeit einer derartigen »Perestrojka« der Sowjetunion zweifelhaft, so war es die Erwartung, die Partei werde mitmachen, umso mehr. Selbst unter den neuen Führungsmitgliedern gab es Gegner von Reformen, die über Technokratisches hinausgingen. Und was den neuen Generalsekretär betraf, auf dem, wie sich immer wieder zeigte, letztlich die Verantwortung ruhte, so befürwortete er diese Gedanken zwar im Allgemeinen, aber von der Absicht ihrer entschlossenen Umsetzung war er doch weit entfernt. Selbstverständlich nahm er auch Rücksicht auf die »Bremser« im Politbüro und ZK. Nicht immer war dabei deutlich, ob er das nur aus taktischen oder auch aus grundsätzlichen Erwägungen tat. Er selbst sah seine Position wohl zu Recht in der Mitte zwischen beiden Seiten, während Gegner und Befürworter der Reformen sein Verhalten offenkundig jeweils als Parteinahme für die eigene oder die andere Seite interpretierten.32

Den radikaleren Reformprotagonisten war nicht immer bewusst genug, dass man für demokratische Reformen nicht nur Konzepte, sondern auch Mehrheiten benötigte und die Partei von Veränderungen überzeugen musste. Gorbatschow hingegen hatte diese Notwendigkeit in langer Parteikarriere verinnerlicht. Insofern ist es völlig nachvollziehbar, dass Reformen, die an die Substanz des Selbstverständnisses gingen, nicht zielstrebig, sondern eher im Sinne von Lenins Diktum »zwei Schritte vorwärts, einen Schritt zurück« realisiert wurden. Ähnlich war es mit der Personalpolitik. Mit der Absetzung Boris Jelzins vom Posten des Moskauer Parteisekretärs nach seiner Kritik am langsamen Fortgang der Perestrojka auf dem ZK-Plenum vom 21. Oktober 1987 signalisierte man z. B. der Außenwelt ein Abbremsen substanzieller Reformen. Als Reformer war er im Juli 1985 in das ZK-Sekretariat und im Dezember 1985 an die Spitze der Moskauer Parteiorganisation gewählt worden. Jetzt verschwand er nur dank der »Gnade« Gorbatschows nicht völlig in der Versenkung.

Der Vorgang macht deutlich, dass auch mehr als zwei Jahre nach Gorbatschows Amtsantritt alles auf die Persönlichkeit an der Spitze ankam. Jelzin hatte schon seit Längerem Kritik am mäßigen Tempo der Veränderungen und dem Widerstand im ZK und im Politbüro geübt, besonders am 2. Sekretär des ZK Egor Ligačev, dem wichtigsten Funktionär nach dem Generalsekretär.33 Jelzin war keineswegs der Einzige, dem die Reformen zu langsam vorangingen, aber auf dem Plenum im Oktober stand er dann ebenso allein wie danach auf dem Plenum des Moskauer Parteikomitees am 12. November. Alle Redner kritisierten ihn, auch Aleksandr Jakovlev; alles hing vom Ton ab, den der Generalsekretär vorgab, und der ließ mit Jelzin ein Symbol der Perestrojka fast ohne Bedauern gehen.34 Der Verstoß gegen das Gebot zur äußerlichen Einigkeit in der Parteiführung und die Tatsache, dass Jelzin von sich aus die Initiative ergriffen hatte, waren offenkundig schwerwiegender als der Inhalt seiner Klagen. Das tiefe Zerwürfnis zwischen Gorbatschow und Jelzin rührt aus diesem Vorfall.35

Nina Andreevas »Leserbrief« und die Radikalisierung der Perestrojka

Die Absetzung Jelzins bedeutete im Übrigen nicht, dass Gorbatschow die Position Ligačevs guthieß. Er schwankte vielmehr und tat das immer wieder, so auch auf dem Februar-Plenum des ZK von 1988, als er sich zwar zur Perestrojka bekannte, aber auch ungerechtfertigte Kritik an der Entwicklung der Sowjetunion anprangerte und überdies Ligačev mit seinem »traditionellen« Hauptreferat gewähren ließ. Später hat Gorbatschow seine eigene Rede als Ausdruck von »Zerrissenheit« bezeichnet.36 Letztlich kam jedoch in seinem Verhalten etwas zum Ausdruck, das die Reformgegner ermutigte, aktiv zu werden. Der Höhepunkt wurde mit dem sogenannten »Diskussionsbeitrag« Nina Andreevas vom 13. März 1988 erreicht. Der ganzseitige Artikel der völlig unbekannten Autorin unter der Überschrift »Ich kann meine Prinzipien nicht preisgeben« – ursprünglich ein Leserbrief – wurde sogar auf der Titelseite von Sovetskaja Rossija angekündigt.37 Es war ein »neostalinistisches Manifest«, das wegen des Publikationsortes, des gemeinsamen Organs des ZK, des Obersten Sowjets und der Regierung der RSFSR, als Signal für das Ende der Perestrojka angesehen wurde.38 Fast drei Wochen lang schwiegen die Reformer, als ob es »Glasnost’« nie gegeben hätte. In den regionalen Parteiorganisationen wurde der Beitrag als »Richtlinie« verstanden. Die Redakteure der Massenmedien sahen das von sich aus ebenfalls so oder wurden entsprechend informiert. Auch ohne formelle Anweisung wurde der Beitrag vielfach nachgedruckt, während öffentliche Kritik daran kaum geübt bzw. nicht zugelassen wurde. Das Land machte den Eindruck, als ducke es sich und warte ab, wie jetzt der Schlag gegen die Perestrojka weitergeführt werde.39

Das Ganze war eine durch Ligačev veranlasste Inszenierung, ein kleiner Putsch anlässlich einer Auslandsreise Gorbatschows. Ähnlich wie später im August 1991 hofften die Beteiligten, der Generalsekretär werde »mitmachen«. Der zögerte zwar zehn Tage, aber dann eröffnete er am 23. März 1988 eine zwei Tage dauernde Diskussion des Politbüros und gab nun einen deutlich gegen den Andreeva-Artikel gerichteten Ton vor. Jetzt waren es die Reformgegner, die kleinlaut verstummten. Ligačev selbst leugnete jegliche Beteiligung und bot ein klägliches Bild.40 Am 5. April 1988 wurde in der Pravda eine Stellungnahme des Politbüros unter dem Titel »Die Prinzipien der Perestrojka« veröffentlicht.41 Sie leitete eine neue Phase der Perestrojka ein.

Der Vorgang hatte erneut gezeigt: »Glasnost’« war auch drei Jahre nach Beginn der Perestrojka noch keine Selbstverständlichkeit; sie bedurfte immer noch der Impulse von ganz oben. Selbst die Reformer im Politbüro hatten geschwiegen und abgewartet. Es war Gorbatschow, der die Kritik eröffnete, er war es, der den Ersten Sekretären der Gebiets­komitees und der Republiken in der Woche vom 11. bis 18. April 1988 in drei großen Versammlungen die »Linie« erläuterte. Dabei wurde Ligačev nicht bloßgestellt. Gorbatschow wollte um der delikaten Balance in der Führung willen keinen Ostrakismus. Ligačev verlor allerdings auf dem ZK-Plenum vom 30. September 1988 seine institutionelle Machtstellung als »zweiter Mann« und Leiter des ZK-Sekretariats. Das Sekretariat selbst wurde durch die Bildung von sechs Kommissionen zur Leitung der ZK-Abteilungen entmachtet. Ligačev erhielt die Leitung der Kommission für Landwirtschaft, blieb aber ein wichtiger Reformgegner in der Parteiführung.42

Glasnost’ gewann nun eine ganz neue Dynamik; sie wurde zum Motor von Demokratisierung – und nicht zuletzt deshalb zur Zerreißprobe für die KPdSU.43 Der entscheidende Schritt dazu war die 19. Parteikonferenz vom 28. Juni bis 1. Juli 1988. Sie schuf durch die Bildung eines neuen Gremiums mit basisdemokratischen Anklängen, des Volksdeputiertenkongresses, die institutionellen Voraussetzungen für politische Vielfalt. Denn dessen 2250 Mitglieder sollten zu zwei Dritteln direkt gewählt und zu einem Drittel durch Organisationen wie die Partei selbst oder Massenorganisationen, aber auch Künstlervereinigungen und die Akademie der Wissenschaften nominiert werden.44 Der Oberste Sowjet verabschiedete am 1. Dezember 1988 die entsprechenden Verfassungs- und Wahlrechtsänderungen. Der im März 1989 gewählte Kongress der Volksdeputierten konstituierte sich am 25. Mai und wählte für die Entscheidung über laufende Angelegenheiten einen neuen Obersten Sowjet, der in seiner Funktion dem alten Präsidium des Obersten Sowjets entsprach.45

Selbstverständlich war der Volksdeputiertenkongress noch kein freies Parlament. 88 % der Abgeordneten gehörten der KPdSU an, andere Parteien gab es noch nicht, nur informelle Vereinigungen (neformaly). Aber dank der zutage tretenden Meinungsunterschiede und der Öffentlichkeit der Sitzungen und der sonstigen Tätigkeit erhielt die Sowjetunion – mit dem formellen, wenn auch zweifelsohne nicht bedingungslosen Plazet der KPdSU – eine Vorstellung von wirklicher Freiheit der Meinungsäußerung im Prozess politischer Mehrheitsbildung. Durch Maßnahmen wie die Einführung der Immunität der Abgeordneten sowie durch die Bildung von Plattformen der KPdSU wie der radikaldemokratischen »Interregionalen Gruppe« um Andrej Sacharov, Boris Jelzin, Jurij Afanas’ev und Gavriil Popov, die entsprechende »Antwort« konservativer, ja neostalinistischer Kräfte mit dem Zusammenschluss in der »Union« (Sojuz) und die Bildung nationaler »Volksfronten« zur Unterstützung der Perestrojka in einzelnen Republiken wurde der Emanzipationsprozess 1989 weitergetrieben.46 Sie bildeten den Kern neuer Parteien.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Machtmonopol der Kommunistischen Partei aufgehoben wurde. Der Oberste Sowjet Litauens ging im Dezember 1989 damit voran. Gorbatschow, der versuchte, einen »zentristischen«, aber inzwischen von rechts und links heftig bekämpften Weg zu gehen, zögerte und suchte die Möglichkeit moderaterer Reformen durch personelle Veränderungen auf allen Ebenen der KPdSU wie auch in der Staatsführung im Herbst 1988 und um die Jahreswende 1988 / 89 zu sichern. Aber wegen der Polarisierung innerhalb der Partei und des deutlichen Resignierens von Reformern, die sich wie Vadim Medvedev und Aleksandr Jakovlev auf dem XXVIII. Parteitag im Juli 1990 aus der Parteiführung zurückzogen, konnte dieser Kurs nicht mit wirklichem Erfolg vorangetrieben werden. Ins Politbüro kamen praktisch keine Reformer mehr, allerdings erhielt auch der Perestrojka-Kritiker Ligačev zwar demonstrativen Beifall, aber nicht genug Stimmen für seine Kampfkandidatur als Stellvertretender Generalsekretär.47

Die KPdSU war inzwischen für die politisierte Öffentlichkeit immer weniger »die Partei«. Formell wurde dies deutlich mit der Entscheidung des Kongresses der Volksdeputierten vom 14. März 1990, den Artikel 6 der Verfassung der Sowjetunion, der die führende Rolle der KPdSU festlegte, zu ändern und auch die Tätigkeit anderer Parteien zuzulassen – im Übrigen auf Antrag der KPdSU, deren ZK-Plenum dies im Februar beschlossen hatte.48 Die Bildung zahlloser Parteien und gesellschaftlicher Organisationen war die Folge. Damit entfiel aber auch die bisherige Legitimation der faktischen Staatsführung durch den Generalsekretär der KPdSU. Der logische nächste Schritt war deshalb die Verknüpfung der Abschaffung des KPdSU-Monopols mit der Schaffung des Präsidentenamts und dessen institutioneller Ausbau zulasten des alten Politbüros und des ZK. Als Gorbatschow sich am 14. März 1990 zur Wahl stellte, gaben ihm allerdings nur knapp 60 Prozent der Volksdeputierten ihre Stimme. 1329 von 2245 Anwesenden stimmten für, 495 gegen ihn, der Rest gab ungültige Stimmen ab oder beteiligte sich nicht an der Abstimmung.49 Auch daran zeigte sich, dass die Entwicklung jetzt über den ursprünglichen Hoffnungsträger der Perestrojka hinwegging.

Das war tragisch, aber angesichts der Rollenverteilung wohl unvermeidlich. Immer mehr einstige Anhänger und Mitstreiter sahen ihn nun selbst als Bremser an. Zunehmend war die Kritik an Gorbatschow aber auch Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Versorgungslage, die sich ständig verschlechterte, was negative Begleiterscheinungen wie Korruption und Kriminalität bis hin zur Entwicklung mafiöser Strukturen mit sich brachte. Alle 1989 / 90 vorgelegten Pläne, die am 19. Oktober 1990 in die vom Volksdeputiertenkongress verabschiedeten »Richtlinien für die Stabilisierung der Volkswirtschaft und den Übergang zur Marktwirtschaft« eingingen, erwiesen sich als untaugliche Kompromisse zwischen dem Versuch, neue Wege in Richtung Marktwirtschaft zu gehen, und dem Wunsch, das Alte, insbesondere das Staatseigentum an den Produktionsmitteln und die Kontrolle über die Preise, beizubehalten.50

Entscheidend war, dass so oder so die akuten Mängel nicht kurzfristig beseitigt werden konnten. Die Frage war lediglich, wem das angelastet werden würde. Offenkundig war es so, dass die Mängel inzwischen, anders als ursprünglich, immer weniger als Auslöser der »Umgestaltung« angesehen wurden, sondern von den einen als Folge der Reformen, von den anderen als Folge ihrer von Konservativen blockierten Durchführung. Damit wurden sie aber auf jeden Fall der neuen Führung angelastet, die die Kontrolle über die wirtschaftliche und politische Entwicklung zunehmend verlor.51 Die Massenstreiks der Bergleute in Sibirien, im nördlichen Ural und im Donecbecken 1989 waren dafür ebenso ein Indiz wie die Distanzierung der Radikalreformer von der KPdSU: Boris Jelzin, inzwischen Vorsitzender des Obersten Sowjets der RSFSR, erklärte auf dem XXVIII. Parteitag der KPdSU am 12. Juli 1990 demonstrativ den Austritt aus der Partei.52 Ihm folgten andere wie Gavriil Popov, der Bürgermeister von Moskau, und Anatolij Sobčak, der nachmalige Bürgermeister von Leningrad. Zusammen mit weiteren ehemaligen Anhängern der »Demokratischen Plattform« innerhalb der KPdSU bildeten sie nun die neue politische Vereinigung »Demokratisches Russland«. Das führte dazu, dass Gorbatschow nun umso mehr mit der überwiegend antireformerisch eingestellten Restpartei identifiziert wurde. Er hätte sie, wie ihm geraten wurde, ebenfalls verlassen sollen.53 Aber er tat es nicht und wurde so zum Prügelknaben sowohl für die mehrheitlich gegen die Reformen eingestellte KPdSU, die nur keine personelle Alternative hatte, als auch für die radikaleren Reformkräfte außerhalb der Partei.

Die konservativen Kräfte innerhalb der KPdSU setzten im März 1990 den Beschluss zur Gründung der Kommunistischen Partei Russlands durch.54 Am 20. Juni 1990 gegründet, bildete sie nun den organisatorischen Kern der innerparteilichen Opposition gegen den »zentristischen« Kurs von Gorbatschow, obwohl dieser Kurs den Konservativen in manchem entgegenkam, weil die Mehrheitsverhältnisse in der Führung sich nach rechts verschoben. Auch Gorbatschows Bemühen, das Präsidentenamt gegenüber der KPdSU und dem Parlament zu stärken, konnte das nicht verhindern.55 Der deutliche Rechtsruck in der personellen Zusammensetzung der Regierung um die Jahreswende 1990 / 91 war Ausdruck dieser Machtverschiebungen, die dann in den August-Putsch mündeten.

Die nationale Frage und die Auflösung der Unionspartei

Zu den allgemeinen wirtschaftlichen und innenpolitischen Problemen traten jetzt immer schärfere nationale und interethnische Konflikte hinzu. Sie hatten mit den Unruhen in Alma Ata 1986 begonnen und wurden von Gorbatschow und der Führung der KPdSU lange in ihrer Brisanz unterschätzt. Gorbatschow hielt das Ganze im Wesentlichen für Intellektuellenprobleme, die sich durch den Appell an die Vernunft und den »Internationalismus« der Massen lösen ließen. Er glaubte bis zum Schluss an die reelle Möglichkeit eines freiwilligen Verbleibens der Republiken in einer Union auf erneuerter Grundlage.56 Obwohl ursprünglich sicher nicht chancenlos, erwies sich das in zweifacher Hinsicht als Illusion: Weder spielten die sezessionswilligen Republiken mit noch die KPdSU, wie der 19. August 1991 zeigte. Bis dahin hatte Gorbatschow manche Entscheidung gedeckt oder mitgetragen, die den Grundsätzen der Perestrojka eigentlich widersprach. Verwiesen sei nur auf die Verhängung der Wirtschaftsblockade gegen Litauen ab 18. April 1990 oder die Anwendung von Waffengewalt durch Sondereinheiten des Innenministeriums und des KGB (OMON, Alpha) und reguläre Armeeeinheiten in der Nacht zum 13. Januar 1991 in Vilnius und am 20. Januar in Riga. Beides war Teil des Putschversuchs von Kommunis­ten, die sich in den baltischen Republiken zu »Komitees der nationalen Rettung« ernannt hatten.57

Gorbatschow distanzierte sich nicht klar genug von der Gewaltanwendung und verspielte dadurch viel Kapital. Zudem gab er seinem Widersacher Jelzin die Möglichkeit, sich als Anwalt der Selbstbestimmung der Republiken – auch Russlands, dessen Volksdeputierte am 12. Juni 1990 die »Souveränität« erklärt hatten – zu profilieren und deren Sezessionismus zu stärken. Das galt vor allem für die erst 1940 bzw. 1945 annektierten baltischen Republiken, deren Unabhängigkeitsstreben nicht zufällig im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts stand. Der Radikalisierungsprozess kann hier nicht nachgezeichnet werden.58 Wichtig ist, dass er von Anfang an nicht nur für die Sowjetunion, sondern auch für die KPdSU Sprengkraft barg. Denn die internen Spannungen, die sich in der Bildung von Plattformen und Fraktionen innerhalb der KPdSU in Moskau ausgedrückt hatten, zeigten sich auch in einzelnen Republikparteien, verstärkt und immer mehr überlagert durch nationale Forderungen.

Gorbatschow selbst bezeichnete später mit Recht Litauen als das damalige »Versuchsfeld« für die Zukunft der Union.59 Das galt für den Staat ebenso wie für die KPdSU. Die Kommunisten in den Republiken wurden generell durch die Bildung von Bewegungen zur Unterstützung der Perestrojka unter Zugzwang gesetzt: »Volksfronten« in Est- und Lettland, »Sajudis« (Bewegung) in Litauen, »Ruch« (Bewegung) in der Ukraine, »Allnationale Bewegung« in Armenien. Sie alle verbanden mit der Forderung nach politischer auch die nach nationaler Freiheit – zunächst staatlicher Souveränität und dann Unabhängigkeit.60

In den jeweiligen kommunistischen Parteien zeigten sich sehr bald Sympathisanten dieser Strömungen in Gestalt der Reformkommunisten, die seit dem Sommer 1988 in wichtige Positionen rückten. Sie vertraten gegenüber der Parteispitze wie gegenüber der Zentralregierung zunächst Forderungen nach größerer Selbstbestimmung der Republiken. Die Gegner dieser Entwicklung formierten sich ähnlich wie die »Union« in Moskau in »internationalistischen« Gruppierungen: »Interfront« in Estland und Lettland, »Edinstvo« (Einheit) in Litauen. In Estland kam es am 16. November 1988 zur ersten formellen Souveränitätserklärung durch den – bezeichnenderweise – noch von Kommunisten beherrschten Obersten Sowjet.61 Dabei wurde die Unionsverfassung suspendiert. Das Präsidium des Obersten Sowjet der UdSSR erklärte dies am 26. November umgehend für verfassungswidrig. Als andere Republiken folgten, entwickelte sich ein regelrechter Verfassungskonflikt zwischen Republiken und Union. Da nicht nur Konservative grundsätzlich dagegen waren, sondern auch Gorbatschow und viele Reformer im Obersten Sowjet bzw. im Volksdeputiertenkongress in Moskau zögerten, ist das Gesetz über die Bedingungen des Austritts aus der UdSSR vom 3. April 1990 als Ergebnis des Konflikts nicht ohne Grund als »Gesetz zur Verhinderung des Austritts« bezeichnet worden. Es verschärfte den Konflikt nur und verschaffte den Sezessionsparolen in den Republiken umso mehr Gehör.62

Parallele Prozesse spielten sich im Verhältnis der Republikparteien zur Unionspartei ab: Sie begannen, ihre Unabhängigkeit von der Unionspartei zu erklären. Die KP Litauens ging unter ihrem im Oktober 1989 gewählten Ersten Sekretär Algirdas Brazauskas voran und beschloss am 20. Dezember 1989 die Trennung von der KPdSU, nachdem sie am 7. Dezember die Streichung des Machtmonopols der KP in der Republikverfassung veranlasst hatte. Ähnlich wie der Oberste Sowjet der Sowjetunion entsprechende Beschlüsse der Republik-Sowjets für ungültig erklärte und damit den Verfassungsstreit auslöste, erklärte auch das Moskauer ZK-Plenum vom Februar 1990 diesen Beschluss für ungültig und sagte überdies den Gegnern der Abspaltung Unterstützung zu. Es gab kaum noch ein Plenum des ZK der KPdSU mehr, auf dem dieses Problem nicht diskutiert wurde.63

Das Ergebnis des Konflikts war die Spaltung der litauischen KP in eine unbedeutende Rumpfpartei mit Ausrichtung auf Moskau und eine neue sozialdemokratisch orientierte Partei, die Litauische Demokratische Partei der Arbeit (LDDP) unter dem Vorsitz von Brazauskas. Ähnliche Entwicklungen gab es in Estland und Lettland, wo sich die Kommunistischen Parteien am 25. März bzw. 8. April ab- und zugleich selbst aufspalteten. Die an Moskau orientierten Fraktionen wurden daraufhin zu einer bedeutungslosen Minderheit.64

In den Kaukasusrepubliken war die Entwicklung weniger eindeutig, weil interethnische und nationale Konflikte die Anlehnung an die Union und damit die KPdSU wichtig erscheinen ließen. Nachdem sowjetische Truppen am 9. April 1989 beim Einsatz gegen eine friedliche Unabhängigkeitsdemonstration in Tiflis ein Blutbad angerichtet hatten, gab es dort für eine Orientierung nach Moskau allerdings keine Chancen mehr. Auch die KP Armeniens wurde wegen der Haltung Moskaus im Karabach-Konflikt zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Nur in Aserbaidschan blieben die Kommunisten bis August 1991 ungefährdet an der Macht und ihr Verhältnis zu Moskau absolut loyal.65 Das Gleiche gilt für Zentralasien: Weder auf Staats- noch auf Parteiebene gab es Probleme mit Moskau. Die Perestrojka als innere Umgestaltung ist an den mittelasiatischen Republiken fast spurlos vorübergegangen. Die Auflösung der überall ungehindert herrschenden Kommunistischen Parteien nach dem Moskauer Putsch bedurfte keiner siegreichen Reformer. Sie war ein Verwaltungsakt. Unspektakulärer konnte man die angeblich absolute Macht nicht verlieren.


1 * Dietrich Geyer in herzlicher Verbundenheit zum 80. Geburtstag.

1 Die Namen Jelzin und Gorbatschow werden in der Duden-Umschrift wiedergegeben.

2 Siehe Boris Meissner: Gorbatschow, Jelzin und der revolutionäre Umbruch in der Sowjetunion, in: Osteuropa 42 (1992), S. 205–226; Sabine Hain: Partei und Staat in der Sowjetunion 1985–1991, Baden-Baden 2006, S. 188–193.

3 Siehe Hain: Partei und Staat (Anm. 2), S. 195 f.

4 Siehe Meissner: Gorbatschow, Jelzin (Anm. 2), S. 482–511. Die seit 1993 in der russischen Duma vertretene KPRF (Kommunistische Partei der Russischen Föderation) wurde im Februar 1993 neu gegründet.

5 Siehe Elke Fein: Russlands langsamer Abschied von der Vergangenheit, Würzburg 2007.

6 Parteimitglieder: 18975725, Kandidaten: 512097, Gesamtbevölkerung: 286,7 Mio. Siehe: KPSS v cifrach [Die KPdSU in Zahlen], in: Izvestija CK KPSS (1989), H. 2, S. 138 u. 142; SSSR v cifrach v 1990 godu [Die UdSSR in Zahlen im Jahr 1990], Moskau 1991, S. 73. Siehe auch Georg Brunner: Politisches System und Verfassungsordnung, in: Hellmuth G. Bütow (Hg.): Länderbericht Sowjetunion, Bonn 1986, S. 151–198.

7 Ethnische Zusammensetzung von Bevölkerung und Parteimitgliedern: SSSR v cifrach (Anm. 6), S. 76–79; KPSS v cifrach (Anm. 6), S. 140 f.

8 Oni vstupajut v KPSS [Sie treten in die KPdSU ein], in: Izvestija CK KPSS (1990), H. 12, S. 81.

9 Meissner: Gorbatschow, Jelzin (Anm. 2), S. 207; Sowjetunion 1990 / 91, hg. vom Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien (im Folgenden BIOst), München 1991, S. 14 u. 27.

10 Čto stoit za vychodom iz KPSS? [Warum tritt man aus der KPdSU aus?], in: Izvestija CK KPSS (1991), H. 4, S. 66–68.

11 1952–1966: Präsidium.

12 Siehe Leonard Schapiro: The Communist Party of the Soviet Union, London 1970.

13 Bizarren Ausdruck fand das im Verschwinden der Angaben zur Getreideernte in den statistischen Jahrbüchern 1981–1985.

14 Siehe Michail Gorbatschow: Erinnerungen, Rheda-Wiedenbrück 1995, S. 253–262; Inside Gorbachev’s Kremlin. The Memoirs of Yegor Ligachev, New York 1993, S. 32 f. u. 68–80; Boris Jelzin: Aufzeichnungen eines Unbequemen, Berlin 1991, S. 162–164; John Löwenhardt / James R. Ozinga / Erik van Ree: The Rise and Fall of the Politburo, New York 1992, S. 73–75. Zu Vermutungen über interne Differenzen: Sowjet­union 1986 / 87 (Hg.: BIOst), München 1987, S. 21 f.; Manfred Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991, München 1998, S. 1021.

15 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 256.

16 Zur Kaderpolitik: Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 276–282; Eberhard Schneider: Austausch der Kader, in: Margareta Mommsen / Hans-Henning Schröder (Hg.): Gorbatschows Revolution von oben, Frankfurt / M. 1987, S. 89–103; Sowjetunion 1986 / 87 (Anm. 14), S. 33–47; Sowjetunion 1988 / 89 (Hg.: BIOst), München 1989, S. 32–38; Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 47–56.

17 V Politbjuro CK KPSS … Po zapisjam Anatolija Černjaeva, Vadima Medvedeva, Georgija Šachnazarova (1985–1991) [Im Politbüro der KPdSU … Nach den Aufzeichnungen von Anatolij Černjaev, Vadim Medvedev und Georgij Šachnazarov], Moskau 2006, S. 15–18.

18 Egor Gajdar: Gibel’ imperii. Uroki dlja sovremennoj Rossii [Der Untergang des Imperiums. Lehren für ­
das heutige Russland], Moskau 2006, S. 233 (Übersetzung des Zitats durch den Autor).

19 SSSR v cifrach (Anm. 6), S. 44; Sowjetunion 1986 / 87 (Anm. 14), S. 74–78; Sowjetunion 1988 / 89 (Anm. 16), S. 51 u. 130.

20 Siehe Rem Belousov: Ekonomičeskaja istorija Rossii. XX vek. [Wirtschaftsgeschichte Russlands im XX. Jahrhundert], Bd. 5: Dramatičeskij krizis v konce stoletija [Die dramatische Krise am Ende des Jahrhunderts], Moskau 2006; Gajdar: Gibel’ (Anm. 18), S. 206–428; Sowjetunion 1986 / 87 (Anm. 14), S. 112–196; Sowjetunion 1988 / 89 (Anm. 16), S. 123–203; Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 135–240.

21 Siehe Hans-Henning Schröder: Sowjetische Rüstungs- und Sicherheitspolitik zwischen »Stagnation« und »Perestrojka«, Baden-Baden 1995.

22 Siehe Margareta Mommsen: Von »Kritik und Selbstkritik« zu »Glasnost«, in: Mommsen / Schröder: Gorbatschows Revolution (Anm. 16), S. 11–30; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 304–322.

23 Materialy XXVII s-ezda KPSS [Materialien des XXVII. Parteitags der KPdSU], Moskau 1986, S. 92 f.

24 Siehe Bernd Knabe: Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Krisenmanagement und Informationspolitik auf dem Prüstand, in: Mommsen / Schröder: Gorbatschows Revolution (Anm. 16), S. 239–262; Uwe Halbach: Der Schock von Alma Ata, ebd., S. 214–238; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 289–294; V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 61–66. Als Beispiel später Verharmlosung: Wassil Nibak: Tschernobyl. Wahrheit und Erfindung, Kiew 1987.

25 Michail Gorbačev: Die Rede »Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen«. Referat vor dem ZK der KPdSU am 27. Januar 1987. Reinbek 1987. Siehe dazu Bernd Bonwetsch: Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften, in: Mommsen / Schröder, Gorbatschows Revolution (Anm. 16), S. 76 f. V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 125–134; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 297–303.

26 Die Studie von Nowosibirsk, in: Osteuropa 34 (1984), H. 1, S. A1–A25.

27 Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 21.

28 Černjaev war Mitarbeiter der Internationalen Abteilung des ZK, ab 1986 außenpolitischer Berater Gorbatschows; Arbatov war ZK-Mitglied und Leiter des Instituts für USA und Kanada.

29 Anatolij Černjaev, Byl li u Rossii šans? On poslednij [Hatte Russland eine Chance? Sie war die letzte], Moskau 2003, S. 40–43. Siehe auch ders.: Sovmestnyj ischod. Dnevnik dvuch ėpoch. 1972–1991 gody [Gemeinsamer Abgang. Tagebuch zweier Epochen. 1972–1991], Moskau 2008, S. 516 f. und 526.

30 Aleksandr Jakovlev: Perestrojka: 1985–1991, Moskau 2008, S. 28–38; ders.: Gor’kaja čaša [Ein bitterer Kelch], Jaroslavl’ 1994, S. 17–23; 205–212.

31 Siehe Anatoli Tschernajew: Die letzten Jahre einer Weltmacht. Der Kreml von innen, Stuttgart 1993, S. 82 f.

32 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 358. Siehe dazu z. B. die Urteile von Georgi Arbatow (Das System. Ein Leben im Zentrum der Sowjetpolitik. Frankfurt a. M. 1993, S. 360–362) und Ligachev (Inside Gorbachev’s Kremlin [Anm. 14], S. 83–136).

33 Jelzin: Aufzeichnungen (Anm. 14), S. 16–22 u. 213–236; siehe auch Löwenhardt / Ozinga / van Ree: The Rise and Fall (Anm. 14), S. 76.

34 Siehe V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 258–265; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 359–365; Jelzin: Aufzeichnungen (Anm. 14), S. 11–15; Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 154–157; Jakovlev: Gor’kaja čaša (Anm. 30), S. 215 f.

35 Zu Jelzin: Eberhard Schneider: Russlands Präsident Jelzin, in: Osteuropa 42 (1992), S. 501–511.

36 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 367 f.

37 Ne mogu postupat’sja principami [Ich kann meine Prinzipien nicht preisgeben], in: Sovetskaja Rossija 
vom 13. März 1988, S. 3.

38 Arbatow: Das System (Anm. 32), S. 359.

39 Siehe Robert W. Davies: Perestroika und Geschichte, München 1991, S. 173–177.

40 Auch noch in seinen Memoiren: Inside Gorbachev’s Kremlin (Anm. 14), S. 298–302. Die Vorgänge werden detailliert beschrieben von Viktor Denisov: »Krestnyj otec« Niny Andreevoj [Der »Pate« Nina Andreevas], in: Rodina 1991, H. 1, S. 63–68. Denisov war als Redakteur mit der »Betreuung« des Auf­satzes von Nina Andreeva beauftragt.

41 V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 300–309; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 370–376; Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 179–183; Inside Gorbachev’s Kremlin (Anm. 14), S. 304–311; Davies: Perestroika (Anm. 39), S. 177–180.

42 Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 26; V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 314–331; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 377; Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 182–184. Die neue Zusammensetzung von Politbüro und ZK in: Izvestija CK KPSS 1989, H. 1, S. 9–31; Boris Meissner: Gorbatschows Umbau des Sowjetsystems, in: Osteuropa 39 (1989), S. 603–617.

43 Siehe Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 159.

44 Die Direktwahl sah die Möglichkeit konkurrierender Kandidaten vor und folgte für je 750 Deputierte den Prinzipien der Wahlen zum Unions- bzw. zum Nationalitätensowjet. Die formalen Beschlüsse der 19. Parteikonferenz sind abgedruckt in: Kommunističeskaja partija Sovetskogo Sojuza v resoljucijach i rešenijach s-ezdov, konferencij i plenumov CK [Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen von Parteitagen, Konferenzen und ZK-Plenen], 9. Aufl., Bd. 15, Moskau 1989, S. 617–654.

45 V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 345–372 u. 375–385; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 380–385; Sowjetunion 1988 / 89 (Anm. 16), S. 38–48; Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 21–31; Meissner: Gorbatschows Umbau (Anm. 42), S. 702–719; Hain: Partei und Staat (Anm. 2), S. 57–74.

46 Jelzin: Aufzeichnungen (Anm. 14), S. 267–280; Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 21–31.

47 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 520–524; Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 303 f.; Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 47–51; Hildermeier: Geschichte (Anm. 14), S. 1041; Boris Meissner: Die KPdSU zwischen Macht und Ohnmacht, in: Osteuropa 41 (1991), S. 15–45. Alle Wahlergebnisse in: Materialy XXVIII s-ezda Kommunističeskoj partii Sovetskogo Sojuza. Stenografičeskij otčet [Materialien des XXVIII. Parteitags der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Stenografischer Bericht], Bd. 2, Moskau 1990, S. 195–204.

48 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 462–467; Hain: Partei und Staat (Anm. 2), S. 107–175; 
Novye obščestvenno-političeskie organizacii, partii i dviženija [Neue gesellschaftliche und politische Organisationen, Parteien und Bewegungen], in: Izvestija CK KPSS 1990, H. 8, S. 145–161.

49 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 467–473; V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 566–568; Hildermeier: Geschichte (Anm. 14), S. 1039 f.

50 Siehe Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 309–320; Gerhard und Nadja Simon: Verfall und Unter­gang des sowjetischen Imperiums, München 1993, S. 105–125.

51 Siehe Gajdar: Gibel’ (Anm. 18), S. 303–345.

52 Jelzins Erklärung in: Materialy (Anm. 47), S. 500 f.; siehe ferner Meissner: Die KPdSU (Anm. 47), S. 40.

53 Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 303 f.;

54 Izvestija CK KPSS 1990, H. 7, S. 4 f.

55 Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 52–64.

56 Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 211–223; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 479–506 u. 1010–1027.

57 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 1020–1025; V Politbjuro CK (Anm. 17), S. 599–601; Tschernajew: Die letzten Jahre (Anm. 31), S. 289–291, 341–349; Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 33. John Keep vertritt die These, dass Gorbatschow den Umsturz mittrug, dann aber vor Blutvergießen zurückschreckte (The Last of the Empires. History of the Soviet Union, 1945–1991, Oxford 1995, S. 397).

58 Als Überblicke: Simon / Simon: Verfall und Untergang (Anm. 50), S. 126–187; Uwe Halbach: Das sowjetische Vielvölkerimperium. Nationalitätenpolitik und nationale Frage, Mannheim 1992, S. 93–121; Tragedija velikoj deržavy. Nacional’nyj vopros i raspad Sovetskogo Sojuza [Die Tragödie einer Großmacht. Die nationale Frage und der Zerfall der Sowjetunion], Moskau 2005, S. 404–553.

59 Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 1010.

60 Für das Baltikum: Renal’d Simonjan: Strany Baltii vo vremja perestrojki [Die Länder des Baltikums während der Perestrojka], in: Tragedija velikoj deržavy (Anm. 58), S. 469–481; Sergej Češko: Rol’ ėtnonacionalizma v raspade SSSR [Die Rolle des Nationalismus im Zerfall der UdSSR], ebd., S. 451–459; Anatol Lieven: The Baltic Revolution. Estonia, Latvia, Lithuania and the Path to Independence, New Haven, Conn. 1994, S. 214–315.

61 Text bei Simon / Simon: Verfall und Untergang (Anm. 50), S. 275 f.

62 Sowjetunion 1990 / 91 (Anm. 9), S. 32 u. 35 f.; Simon / Simon: Verfall und Untergang (Anm. 50), S. 136–138 u. 145; Simonjan: Strany Baltii (Anm. 60), S. 473; Boris Meissner: Die zweite Phase der soziopolitischen Reformen Gorbatschows, in: Osteuropa 40 (1990), S. 1037–1046; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 1017.

63 Meissner: Die zweite Phase (Anm. 62), S. 1037 u. 1046; Gorbatschow: Erinnerungen (Anm. 14), S. 1012.

64 Hain: Partei und Staat (Anm. 2), S. 189.

65 Simon / Simon: Verfall und Untergang (Anm. 50), S. 150–156.

Inhalt – JHK 2009

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