JHK 2010

Die Finanzierung der Kommunistischen Partei Italiens durch die Sowjetunion

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 129-146 | Aufbau Verlag

Autor/in: Victor Zaslavsky

Seit 1919, dem Jahr der Gründung der Dritten Internationale mit Sitz in Moskau, finanzierte die bolschewistische Partei die internationale kommunistische Bewegung. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete die sowjetische Führung einen besonderen Fonds zur Unterstützung ausländischer kommunistischer Parteien und anderer linker Organisati­onen ein. Der vorliegende Aufsatz analysiert die Finanzierung der Partito Comunista Itali­ano (PCI, Kommunistische Partei Italiens), der größten und einflussreichsten kommunistischen Partei Westeuropas, durch die Sowjetunion von der Nachkriegszeit bis zur Auflösung der UdSSR Ende 1991.

Gianni Cervetti, der bis in die frühen Achtzigerjahre eine wichtige Position in der Verwaltung der PCI innehatte, hat ganz richtig festgestellt, dass die finanzielle Verbindung zwischen der PCI und der KPdSU nicht vollständig geheim bleiben konnte, obgleich die »Existenz dieser Beziehung außerhalb der Partei offiziell stets abgestritten wurde und intern ausschließlich dem Parteisekretär und der Person, die sich persönlich darum kümmerte, bekannt war«.1 Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dem die sogenannte Archivrevolution folgte, bekamen Historiker plötzlich Zugang zu einer großen Menge von Dokumenten, die die Finanzierung der westlichen kommunistischen Parteien durch die Sowjetunion nunmehr nachvollziehbar machen.

Dieser Aufsatz stützt sich auf umfangreiches Dokumentenmaterial, das sich im Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation (Archiv vnešnej politiki Rossijskoj Federacii, AVP RF), im Staatlichen Archiv für Sozial- und Politikgeschichte (Rossijskij Gosudarstvennyj archiv social’no-političeskoj istorii, RGASPI), im Russischen Staatsarchiv für Zeitgeschichte (Rossijskij gosudarstvennyj archiv novejšej istorii, RGANI) und im Archiv der Hoover Institution on War, Revolution and Peace (HIA) befindet. Letzteres hat dank seiner Zusammenarbeit mit russischen Archiven eine große Sammlung von Dokumenten über die sowjetische Staatspartei auf Mikrofilm anlegen können, darunter wichtiges Material über die Finanzierung der westlichen kommunistischen Parteien. Außerdem hat der Autor dieses Aufsatzes einige Jahre als Berater der Commissione Stragi gewirkt, eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Terrorismus in Italien, und hatte so Zugang zu deren umfassender Materialsammlung zur Finanzierung der politischen Kräfte Italiens durch die Sowjetunion. In den Jahren 1992 und 1993 schickte der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation infolge eines internationalen Rechtshilfeersuchens umfangreiches Material an die italienische Staatsanwaltschaft. Darin sind einerseits die direkten Finanzmittel aus der UdSSR für die PCI dokumentiert, andererseits die Handelserleichterungen für einige Import-Export-Firmen, die an die PCI gebunden waren und über die indirekt Geld an die Partei transferiert wurde.2

Zwischen dem Kriegsende und dem Jahr 1948 flossen noch keine regelmäßigen festen Finanzhilfen der Sowjetunion an die PCI, nur gelegentlich ließ man ihr beträchtliche Summen für besondere Zwecke zukommen. Man denke zum Beispiel an den Ankauf von 20 000 Tonnen Zitrusfrüchten, den Stalin telefonisch zur Finanzierung des Parteiorgans L’Unità bewilligte.3 Die PCI-Führer hatten sowjetischen Diplomaten mehrfach mitgeteilt, dass die finanzielle Situation der Partei »sehr schwierig ist, besonders im Vergleich mit den Christdemokraten, die große Summen vom Vatikan und von den Alliierten erhalten«.4 Dessen ungeachtet herrschte jedoch in Moskau die Überzeugung, die damalige Regierungsbeteiligung der italienischen und der französischen kommunistischen Partei garantiere diesen die Nutzung der Ressourcen der eigenen Staaten.

Die Abschottung der Sowjetunion von der Weltwirtschaft, die den Umtausch von Rubel in ausländische Währung unmöglich machte, stand der Ausstattung der westlichen kommunistischen Parteien mit Finanzmitteln oft im Wege, was eine Auszahlung in Naturalien nahelegte. Wie aus einem Brief hervorgeht, den Sergej Michajlov, ein hoher Funktionär im Außenministerium, am 19. Mai 1947 an den stellvertretenden Außenminister Andrej Vyšinski schrieb, sandte man zum Beispiel zweieinhalb Tonnen kostbarer Pelze »an die Adresse der sowjetischen Botschaft in Italien (um keine Einfuhrerlaubnis beantragen und keinen Einfuhrzoll für Luxusgüter bezahlen zu müssen), die dann an die Handelsvertretung weitergeleitet und ohne Registrierung verkauft würden«. Der Erlös des Pelzschmuggels war für die PCI bestimmt. Da es sich bereits um die dritte Fuhre dieser Art handelte, hielt Michajlov es für angebracht, solchen Handelsgeschäften ein Ende zu setzen, »denn früher oder später würden sie unerwünschte Konsequenzen nach sich ziehen (eine antisowjetische Kampagne in der rechten Presse und so weiter)«.5 Diese Praxis wurde schließlich von Molotov untersagt, sodass Andrej Ždanov antwortete: »die Nutzung von Fellen ist verboten«,6 als Pietro Secchia am 12. Dezember 1947 Geld oder Waren für 600 000 Dollar verlangte (das entsprach damals 350 Millionen Lire). Damit sollte das Papier für die Parteizeitung bezahlt und »Zeitungen aus dem unabhängigen und demokratischen Lager« unterstützt werden. Die Episode endete mit der Entscheidung Stalins während eines Gesprächs mit Secchia am 14. Dezember, dass die Summe bewilligt und sofort »in zwei Säcken« mit Dollars übergeben werden solle.7 Das Geld wurde über Jugoslawien geschickt, wie es schon bei verschiedenen anderen Hilfszahlungen geschehen war.8

Nach dem Ausscheiden der PCI aus der italienischen Regierung im Mai 1947 musste das System der sowjetischen Unterstützungsleistungen geändert werden. Für die Oppositionsarbeit brauchte die PCI einen Parteiapparat aus professionellen Vollzeitfunktionären und daher einen regelmäßigen und institutionalisierten Zufluss von Ressourcen. Dies erforderte eine Intensivierung ihrer finanziellen Unterstützung durch die Sowjetunion.

Die eigens für die Finanzierung der PCI entwickelte Lösung sah vor, die italienisch-sowjetischen Handelsbeziehungen zu nutzen. Auf diese Idee war Matteo Secchia, Vertrauensmann des Kremls und Bruder des zweiten Mannes der PCI, Pietro Secchia, gekommen, als die Partei für den Wahlkampf 1948 Geldmittel benötigte. In einem Gespräch mit Michail Kostylev, dem sowjetischen Botschafter in Rom, beklagte sich Matteo Secchia darüber, dass die Sozialistische Partei Italiens (Partito Socialista Italiano, PSI) der PCI die ganze Ausgabenlast aufbürde und nicht einmal in der Lage sei, für sich selbst aufzukommen. Er schlug vor, die Geldtransfers an die PCI an die bevorstehenden Handelsabkommen zwischen Italien und der UdSSR zu knüpfen. Dabei sollte es darum gehen, »einige zuverlässige Unternehmer und Geschäftsleute dazu zu überreden, die Erlöse ihrer Geschäfte in die Parteikasse zu zahlen, um deren finanzielle Situation zu verbessern. [...] Bis jetzt haben tüchtige kommunistische Kaufleute lieber ihre Geschäfte für sich selbst gemacht und nur gelegentlich kleinere Beiträge in die Kasse eingezahlt.« Secchia hob weiter die Schwierigkeiten der PCI hervor, »eine ausgeglichene Bilanz zu erlangen [...]. Außerdem haben sich in der Vergangenheit einige kommunistische Minis­ter, zum Beispiel Scoccimarro, zu brav gezeigt und hatten offenbar wenig Neigung zu Initiativen, die die Situation der Parteikasse verbessern könnten.«9 Kostylev stellte es so dar: »Secchia spielte darauf an, dass man ja einen Teil der Verträge unserer Handelsvertretung in Italien mit Unternehmen und Unternehmern schließen könne, die der PCI helfen oder in ihrem Interesse arbeiten würden. Ich antwortete, dafür sei es notwendig, in den Reihen der PCI kompetente Leute zu haben, die die italienisch-sowjetischen Handelsbeziehungen kennen und denen die Führungsebene Vertrauen schenke.«10 Dieses Verfahren hatte umgehend Erfolg, und schon gegen Mitte des Jahres 1949 war die Bilanz der Partei dank der Aktivitäten im Import-Export-Geschäft stabil in den schwarzen Zahlen; die defizitäre Lage des Vorjahrs hatte sich ins Gegenteil verkehrt.11 Diese simple Methode, der PCI oder einzelnen ihrer Strömungen finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, wurde in den kommenden Jahrzehnten in ihren Grundzügen beibehalten. So waren um das Jahr 1950 zwei Hauptkanäle geschaffen, durch die die Unterstützungszahlungen der Sowjetunion an die PCI gelangten: direkte Gelder vom Zentralkomitee der KPdSU sowie eine Art »Steuer«, die italienische Unternehmen mit Handelsbeziehungen zur UdSSR an die Parteikasse zahlen mussten.

Von 1948 an erhielten die kommunistischen Führer und Aktivisten darüber hinaus eine Art fringe benefits in Form regelmäßiger Sachleistungen. Eine entsprechende Anfrage richtete der PCI-Vertreter Giuliano Pajetta an das Kominform. Anlässlich eines Gesprächs in der sowjetischen Botschaft in Rom fragte er an, ob »die Möglichkeit besteht, einige PCI-Führer zum Urlaub in Ferienorte der UdSSR zu schicken, wie es für die Führungsriegen der anderen verbrüderten kommunistischen Parteien gängige Praxis ist«.12 Seine Bitte war erfolgreich, sodass viele PCI-Funktionäre über Jahrzehnte hinweg ihren Urlaub kostenlos in Ferienimmobilien des Zentralkomitees der KPdSU in verschiedenen Regionen der UdSSR, etwa auf der Krim oder im Kaukasus, verbringen konnten.

Auf das Jahr 1950 geht die Einrichtung eines speziellen Fonds für die finanzielle Unterstützung von kommunistischen Parteien und anderen ausländischen »Arbeiterorganisationen der Linken« zurück, der zu Beginn gänzlich von der Sowjetunion getragen wurde.13 Einige Monate später schlug die Außenpolitische Kommission des Zentralkomitees der KPdSU vor, ihn in einen »Internationalen Gewerkschaftsfonds zur Unterstützung linker Arbeiterorganisationen« umzuwandeln, in dessen Finanzierung auch andere Ostblockländer eingebunden sein sollten.14 Im April 1950 bewilligte der Moskauer Gipfel die Einrichtung dieses Fonds beim rumänischen Gewerkschaftsrat, der zu 50 Prozent von den Sowjets, zu zehn Prozent von der Kommunistischen Partei Chinas und zu jeweils acht Prozent von den kommunistischen bzw. sozialistischen Parteien der DDR, Polens, Ungarns, der Tschechoslowakei und Rumäniens getragen wurde. Die Gelder waren auf einem Spezialkonto der Sowjetischen Zentralbank deponiert, und das letzte Wort über die Höhe der Beiträge der kommunistischen Parteien Osteuropas und Chinas hatte stets das Politbüro der KPdSU. Die sowjetischen Führer kontrollierten, dass die Beiträge zum festgelegten Zeitpunkt geleistet wurden, und mahnten säumige Zahler umgehend und mit Nachdruck. In außergewöhnlichen Situationen, etwa als es 1956 »nicht opportun« schien, von der ungarischen Partei ihren Beitrag einzufordern, erhöhte die Sowjetunion zum Ausgleich den eigenen und den chinesischen Anteil.15 Von Beginn an stießen jedoch sowjetische Versuche, die kommunistischen Parteien des Ostblocks zur Erhöhung ihrer Beiträge zu drängen, auf passiven, aber zähen Widerstand der politischen Führungen dieser Länder. Sie argumentierten, es sei ihnen objektiv unmöglich, den Forderungen nachzukommen. Das Ergebnis war, dass der sowjetische Anteil von anfänglich 40–50 nach und nach auf 80 oder sogar 85 Prozent des jährlichen Fondsbudgets stieg.

Die Summen, die die einzelnen Parteien pro Jahr erhielten, vermitteln sowohl eine Vorstellung von ihren Bedürfnissen als auch von der Wichtigkeit, die ihnen die sowjetische Führung im jeweiligen Moment zumaß. Von Anfang an wurde der Löwenanteil der Gelder auf vier westliche kommunistische Parteien – die französische, italienische, österreichische und finnische – verteilt.16 So bekam in der zweiten Jahreshälfte 1950 die Kommunistische Partei Frankreichs (Parti communiste français, PCF) 600 000 Dollar aus dem Fonds, die finnische KP 87 400 und die österreichische 100 000 Dollar. Die PCI erhielt 1950 insgesamt 400 000 Dollar, hinzu kamen noch Zahlungen von 100 000 Dollar an die Sozialistische Partei Italiens (Partito Socialista Italiano, PSI) und von 40 000 Dollar an die Kommunistische Partei des Freien Territoriums Triest (Partito Comunista del Terri­torio Libero di Trieste).17 Im folgenden Jahr wurden die Zahlungen an die PCI leicht erhöht; 1953 bekam sie 1,5 Millionen Dollar und damit erstmals mehr als die französische Bruderpartei mit 1,2 Millionen. Mit der Zeit wurde der Unterschied immer größer, weil die Gelder an die PCF für einen gewissen Zeitraum auf die genannten 1,2 Millionen Dollar jährlich begrenzt blieben, wohingegen die an die PCI und die kommunistisch kontrollierten italienischen Gewerkschaften (Confederazione Generale Italiana del Lavoro) bezahlte Summe stetig stieg.

Die Zahl der Begünstigten wuchs immer weiter an, womit es auch zunehmend schwieriger wurde, die Transaktionen geheim zu halten. 1955 unterstützte der Fonds 26 Parteien und Organisationen im Ausland. Das Zentralkomitee mahnte bei den Verantwortlichen für die Beziehungen zu den ausländischen kommunistischen Parteien die Notwendigkeit an, »bei der Übermittlung von Finanzhilfen an kommunistische Parteien vorsichtiger zu sein, besonders an jene, die keine erprobten und zuverlässigen Verbindungskanäle haben, und dort, wo die Regierungen von der finanziellen Unterstützung Kenntnis erlangen könnten«.18 PCF und PCI besaßen natürlich diese »erprobten und zuverlässigen Verbindungskanäle«, daher schlug der Verantwortliche im Politbüro für die Verbindungen zu den ausländischen KPen, Boris Ponomarev, vor, auch die Geldtransfers an diverse andere Parteien über die PCI und die PCF laufen zu lassen. Die PCI würde dabei für die Übermittlung der Moskauer Finanzhilfen an die Kommunistische Partei Triest, die PSI und die Partei der Arbeit der Schweiz verantwortlich sein, während die PCF den Transfer der sowjetischen Gelder an die kommunistischen Parteien Großbritanniens, Belgiens, Portugals, der Niederlande und Luxemburgs organisieren sollte.19 Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen, und in den Folgejahren lag die Verantwortung für die Geldtransfers beim KGB.20

Die Turbulenzen des Jahres 1956 – der XX. Parteitags der KPdSU und die tief greifende Krise der osteuropäischen Länder, die in der gewaltsamen Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands im Oktober / November gipfelte – hatten keine unmittelbaren Auswirkungen auf die sowjetische Finanzierung der italienischen Parteien und Gewerkschaften. Die Finanzhilfen für 1957, die wie üblich zu Jahresbeginn angewiesen wurden, lagen insgesamt betrachtet etwa auf Vorjahresniveau. Die Mittel für die PCI waren allerdings um 27 Prozent gestiegen, die für die PSI fielen hingegen um ein Drittel geringer aus. Im Jahr darauf wurde die PSI dafür bestraft, dass ihr Führer Pietro Nenni auf dem Parteikongress im Februar 1957 in Venedig gegen die PCI polemisiert und behauptet hatte, die Diktatur des Proletariats bedeute nichts anderes als die Diktatur einer Partei oder einer Person. Die PCI erhielt deshalb 3,75 Millionen Dollar (gegenüber weiterhin 1,2 Millionen für die PCF), während die Finanzierung der PSI eingestellt wurde. Von diesem Moment an unterstützte die Sowjetunion nur noch jene Mitglieder oder Vertreter der PSI finanziell, die sich als »Parteilinke« ausgezeichnet hatten, indem sie die Politik der Zusammenarbeit mit der PCI unterstützten und die sowjetische Außenpolitik verteidigten.

Analysiert man die Entwicklung, die die Parteienfinanzierung durch den Internationalen Gewerkschaftsfonds nahm, so wird deutlich, dass in der Ära Chruščëv ebenso wie unter Stalin der größte Teil der Zahlungen an die kommunistischen Parteien Italiens und Frankreichs ging.21 Die PCI blieb für die KPdSU die wichtigste kommunistische Partei des Westens, ihr kamen zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Fondsgelder zu – das Drei- bis Dreieinhalbfache der Zahlungen an die PCF.

Gegen Ende der Regierungszeit Chruščëvs verlagerte sich der Schwerpunkt der sowjetischen Außenpolitik immer mehr auf die Unterstützung von Bewegungen in der Dritten Welt. Die Anzahl der Nutznießer des Fonds erhöhte sich von anfänglich 20–22 auf 70–85. Im Jahr 1961 leistete die Kommunistische Partei Chinas ihre letzte Zahlung an den Fonds, danach musste die Sowjetunion ihren eigenen Beitrag von zunächst 55–60 Prozent so weit aufstocken, dass sie 85 Prozent der Ausgaben decken konnte. 1964 unterstützte der Fonds 85 und im Jahr darauf 72 Parteien und linke Organisationen mit einer Gesamtsumme von 15,35 bzw. 15,75 Millionen Dollar.22

Die Verwendung der Fondsgelder in den Sechzigerjahren illustriert ein Bericht von 1965, der beleuchtet, wie diese von der Regierung Brežnev in dessen erstem Amtsjahr zwischen den verschiedenen Parteien aufgeteilt wurden.23 Er zeigt, dass die sowjetische Führung der innenpolitischen Situation Italiens besondere Aufmerksamkeit widmete. In der Tat gingen in diesem Jahr 43 Prozent der Summe, 6,77 Millionen Dollar, an italienische Parteien und Persönlichkeiten, wobei 83 Prozent davon direkt der PCI zukamen. 1966 blieben die sowjetischen Zahlungen an die italienischen Kommunisten praktisch unverändert. Das einzig Neue war, dass die PSI nun endgültig von der Liste der Begünstigten gestrichen war und dafür die Kommunistische Partei San Marinos (Partito Comunista Sammarinese) mit der bescheidenen Summe von 15 000 Dollar aufgenommen wurde.24

1969 gab es erstmals Konflikte zwischen der sowjetischen Außenpolitik und der Haltung der PCI, die durch die Krise in der Tschechoslowakei ausgelöst wurden. Die PCI sprach sich gegen die Besetzung der Tschechoslowakei, den Sturz der Regierung Dubček und die Einsetzung des Husák-Regimes aus. Die Divergenzen gingen so weit, dass die sowjetische Führung beschloss, die Finanzierung als Druckmittel einzusetzen. Im Sinne einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche stellte das Politbüro der PCI zunächst eine merkliche Erhöhung des finanziellen Zuschusses in Aussicht. So wurden in der ersten Jahreshälfte 3,7 Millionen Dollar ausbezahlt, am Ende des Jahres sollten es mehr als sieben Millionen sein. Dann folgte die »Bestrafung«, weil sich die Partei von der sowjetischen Haltung zur tschechoslowakischen Frage distanziert hatte, und es blieb bei den anfänglichen 3,7 Millionen Dollar für das ganze Jahr. Außerdem regte der ehemalige KGB-Chef Aleksandr Šelepin bei der Abstimmung über die Finanzierung für das Jahr 1970 an, die schon auf die Hälfte reduzierte Summe für die italienische KP nochmals herabzusetzen.25 Der Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen, und die Mittel für die PCI blieben 1970 und 1971 auf dem Niveau von 1969.

Bis 1972 war der Bruch zwischen KPdSU und PCI allerdings schon wieder gekittet, und die Finanzhilfe wurde auf 5,2 Millionen Dollar aufgestockt. Angesichts der Teilnahme der PCI an den vorgezogenen Wahlen im Mai 1972 hielt ihre Führung diese Summe jedoch für nicht ausreichend. Ihr Generalsekretär Luigi Longo bat Brežnev in zwei chiffrierten Telegrammen (vom 6. und 28. März) um einen weiteren Zuschuss. Ponomarev informierte das Zentralkomitee darüber, dass Longo »ein zweites Mal um eine weitere Finanzhilfe über drei Millionen Dollar für Ausgaben in Zusammenhang mit der Wahlkampfteilnahme der PCI bittet. Für das Jahr 1972 wurden der PCI bereits 5,2 Millionen Dollar übermittelt, dann weitere 500 000 Dollar für den Wahlkampf auf einen Antrag der PCI-Führung hin.«26 Brežnevs Antwort an Longo zeigte die Schwierigkeiten der Sowjet­union, den sich häufenden Anfragen der Bruderparteien nachzukommen: »Wir verstehen die Problematik im Augenblick einer solchen Kampagne und die Notwendigkeit intensiver Aktionen, die Ihre Partei durchführen muss, um bei den Wahlen Erfolg zu haben und die reaktionären Kräfte zu bekämpfen. Wie Genosse Longo weiß, haben wir der PCI bereits eine zusätzliche finanzielle Unterstützung von 500 000 Dollar für den Wahlkampf zukommen lassen, was in diesem Jahr zu einer Gesamtsumme von 5,7 Millionen Dollar führt. Auf Ihr Ansuchen hin haben wir unsere Möglichkeiten geprüft und beschlossen, der PCI zusätzlich die Summe von 500 000 Dollar zukommen zu lassen. Im Moment verfügen wir leider nicht über weitere Mittel.«27

Von 1973 bis zum Ende der Siebzigerjahre war die PCI die einzige italienische Partei – abgesehen von der kleinen Kommunistischen Partei San Marinos –, die jedes Jahr finanzielle Unterstützung durch den Internationalen Gewerkschaftsfonds erhielt (plus einen ergänzenden Beitrag direkt von der KPdSU). Insgesamt übermittelte der Fonds der PCI-Führung zwischen 1973 und 1979 Finanzmittel in Höhe von 32–33 Millionen Dollar. Außerdem sollte die Praxis, weitere Hilfen direkt in Moskau einzufordern, fortgeführt werden. So beantragte und erhielt Enrico Berlinguer im März 1973 eine zusätzliche Summe von 800 000 Dollar direkt vom Zentralkomitee der KPdSU. Im April 1974 verlangte die PCI-Führung weitere zwei Millionen Dollar für die Teilnahme am Referendum im Mai 1974, mit dem Argument, eine solche Abstimmung sei ebenso wichtig wie politische Wahlen.28 Der Bitte wurde zur Hälfte entsprochen.

Gegen Mitte der Siebzigerjahre zeigte sich die sowjetische Führung durch den neuen Kurs der kommunistischen Parteien Spaniens, Italiens und Frankreichs alarmiert und beunruhigt. Deren als »Eurokommunismus« bekannt gewordene Haltung umfasste eine moderate Kritik an der Sowjetunion, um vor der Öffentlichkeit der jeweiligen Länder die eigene Unabhängigkeit vom Kreml zu demonstrieren. Anatoli Černjaev, damals Funktionär der Abteilung für internationale Politik und Wirtschaft des Zentralkomitees der KPdSU und später ein enger Mitarbeiter Gorbačëvs, referiert in seinen Memoiren die Diskussion innerhalb des Politbüros über den Eurokommunismus. Man stand diesem dort äußerst ablehnend gegenüber; von KGB-Chef Andropov wurde er als »unverschämter Revisionismus und Opportunismus« bezeichnet. Černjaev berichtet von Ausrufen verschiedener sowjetischer Führungspersönlichkeiten wie »Was erlauben die sich!« oder »Wir bezahlen weiter, als sei nichts geschehen!«, gefolgt von der Forderung, einfach »die Kasse zu schließen«. Am Ende wurde jedoch der Vorschlag des Verantwortlichen für Ideologiefragen, Michail Suslov, angenommen, »den vom Eurokommunismus infizierten kommunistischen Parteien gegenüber eine langfristige politische Strategie auszuarbeiten«.29 Und so flossen die Gelder weiter. Als Berlinguer im Mai 1976 um zusätzliche Zahlung von einer Million Dollar für die Wahlkampagne bat und im Juli noch einmal dieselbe Summe verlangte, billigte das Zentralkomitee der PCI für das Jahr 1976 1,5 Millionen Dollar als außerplanmäßige Hilfe zu.30

In seinem Buch L’oro di Mosca berichtet Gianni Cervetti, dass die PCI unter Enrico Berlinguer versuchte, sich nach und nach von den Sowjets zu lösen, nachdem im April 1974 das Gesetz über die öffentliche Finanzierung der Parteien verabschiedet worden war. Gemäß Cervetti war die Unabhängigkeit der PCI von der sowjetischen Finanzierung – ob sie nun aus dem Fonds oder vom Zentralkomitee der KPdSU stammte – bis Anfang der Achtzigerjahre abgeschlossen. »Jedenfalls wurde damals – mit kleineren Verzögerungen aus technischen Gründen – dieser Verbindung und dieser Praxis ein Ende gesetzt, die es schon seit undenklichen Zeiten gab, nämlich seit den Tagen der Kommunistischen Internationale und damit in Italien auch seit dem antifaschistischen Untergrundkampf.«31 Diese Aussage muss jedoch korrigiert werden: Nur die sogenannten direkten Finanzierungen wurden eingestellt, also diejenigen Gelder, die von der KPdSU an die Parteiführung der PCI gingen. In der Tat datieren die letzten Empfangsbescheinigungen mit den Unterschriften der für die finanziellen Beziehungen mit der UdSSR verantwortlichen PCI-Vertreter vom November / Dezember 1979. Die Zahlungen an verschiedene prosowjetische Strömungen und an die defizitären kommunistischen Presseorgane wie auch die indirekten Hilfen über die sogenannten Handelskanäle dauerten dagegen aus nicht immer transparenten Gründen bis zum Ende des Sowjetregimes an.

Als es auf die Achtzigerjahre zuging, wurde die Sowjetunion von einer tiefen und sich zusehends verschlimmernden sozioökonomischen Krise erfasst, die ihre Kapazität zur finanziellen Unterstützung der ausländischen kommunistischen Parteien einschränkte. Auch konnte die sowjetische Führung immer weniger Druck auf die Satellitenstaaten ausüben, was dazu führte, dass die osteuropäischen kommunistischen Regierungsparteien nach und nach ihre Beitragszahlungen an den Fonds einstellten. Bereits 1972 hatte Rumänien unter Ceauşescu seinen Anteil nur nach »wiederholten Aufforderungen und einem persönlichen Mahnschreiben von Brežnev«32 geleistet. 1973 setzte die Kommunis­tische Partei Rumäniens ihren Beitrag aus33 und zahlte von 1977 an gar nicht mehr in den Fonds ein.34 Die polnische Partei folgte ihrem Beispiel. Ponomarev schrieb in einem Brief an das Zentralkomitee vom 24. Dezember 1980, dass »die polnische Partei im Jahr 1980 wegen der Lage im Land ihren Beitrag an den Fonds nicht geleistet hat und ihn aller Wahrscheinlichkeit nach auch im nächsten Jahr nicht leisten kann«.35 Somit wurde der Erhalt des Fonds immer belastender für die Sowjetunion, die in den Achtzigerjahren nicht mehr in der Lage war, den zunehmenden Anfragen nach finanzieller Unterstützung durch die diversen ausländischen kommunistischen Parteien zu entsprechen. Sie hoffte, den Mangel an direkten finanziellen Hilfen durch Zuschüsse kompensieren zu können, die durch die »Kanäle der Handelsorganisationen«36 verteilt werden sollten.

In der Amtsperiode Brežnevs wurde die Entwicklung des Außenhandels zum Katalysator für die grassierende Korruption.37 Verhandlungen zwischen ausländischen Firmen, die mit kommunistischen Parteien in Verbindung standen, und Vertretern sowjetischer Ministerien wurden in einer Atmosphäre totaler Geheimhaltung geführt, Vereinbarungen traf man vertraulich und ohne irgendwelche Formalitäten. Unter diesen Bedingungen lernten die sowjetischen Funktionäre von den ausländischen Partnern – Experten auf diesem Gebiet –, wie man Gewinne versteckt und Steuern umgeht. In einem kuriosen, vom Minister der Handelsmarine und dem Präsidenten der sowjetischen Außenhandelsbank unterzeichneten Brief vom 5. August 1977 informierten hohe Funktionäre das Zentralkomitee über die Vereinbarung zwischen dem Ministerium und einer italienischen Firma, die »Eigentum der Kommunistischen Partei ist und von der PCI kontrolliert wird«. Sie berichteten insbesondere, »die Italiener wollen nicht, dass ihr Gewinn versteuert wird, sodass sie ihn der PCI zur Verfügung stellen können«. Nach der Beschreibung eines komplizierten Systems des Geldtransfers schlossen die sowjetischen Funktionäre – mit offensichtlicher Anerkennung –, dass »die vorgeschlagene Transaktion weder den italienischen noch den sowjetischen Finanzgesetzen entspricht, ihre Durchführung, wie sie von der italienischen Delegation vorgeschlagen wurde, aber dennoch möglich erscheint«.38 Das Ansinnen der »italienischen Freunde«, das von der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees unterstützt wurde, wurde vom Politbüro positiv beschieden.39

In diesem Klima dienten die Handelsabkommen zwischen von ausländischen kommunistischen Parteien kontrollierten Firmen und sowjetischen Organisationen oft auch als Möglichkeit, Gelder auf Privatkonten zu transferieren. Bereits um die Mitte der Siebzigerjahre waren einige der höchsten sowjetischen Führer, wie Brežnev und sein Umfeld, in Korruption verwickelt, während andere, die nicht korrupt waren, die Aktivitäten der Funktionäre aus den mit dem Außenhandel befassten Ministerien nicht mehr beeinflussen konnten. So besaß das Politbüro gegen Ende der Siebzigerjahre nicht mehr die volle Kontrolle über den Umfang des Handels und über die Vertragskonditionen zwischen den mit den ausländischen kommunistischen Parteien verbundenen Firmen und den verschiedenen sowjetischen Ministerien.40 Die Prozesse, die während der kurzen Regierungszeit Andropovs gegen mit dem Außenhandel befasste Funktionäre geführt wurden, zeigen, wie verbreitet Handelsbeziehungen waren, die der persönlichen Bereicherung dienten.

Während der Amtszeit Gorbačëvs bestärkten die Vorzeichen eines drohenden Zusammenbruchs die Bestrebungen, die Finanzierung der ausländischen kommunistischen Parteien geheim zu halten. Die Verlagerung des Vermögens der KPdSU und anderer kommunistischer Parteien von »Volksdemokratien« ins Ausland, die über von diesen kontrollierte Gesellschaften und Strukturen vollzogen wurde, wurde besonders in den Jahren 1989 bis 1991 intensiviert. Dies illustriert zum Beispiel ein Beschlussdokument der KPdSU-Führung, dessen Titel für sich spricht: »Die Überführung des SED-Vermögens ins Ausland über die Konten des sowjetisch-zypriotischen Joint Ventures Putnik.«41

Die Dokumentation der sowjetischen Zahlungen über die »Handelskanäle« in den Achtzigerjahren ist weder systematisch noch erschöpfend, denn die Finanzierungsaktivitäten wurden ja äußerst vertraulich behandelt. Wie der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation dazu anmerkte, wurde »der Umfang der Dokumente […] auf ein Minimum reduziert«.42 Außerdem befinden sich viele wichtige Dokumente noch in den Archiven diverser Ministerien der ehemaligen Sowjetunion, jetzt Ministerien der Russischen Föderation, die als Dienstarchive angesehen werden und nur für die Mitarbeiter zugänglich sind, nicht aber für Wissenschaftler. Einige Dokumente wurden auch während der turbulenten letzten Jahre der Sowjetunion vernichtet, während andere von den russischen Geheimdiensten, den Erben des KGB, aufbewahrt werden. Nichtsdestotrotz liefern die zugänglichen Dokumente einige bezeichnende Beispiele für die Methoden und für den Umfang der verteilten Finanzressourcen.

Gemäß den sowjetischen Quellen übernahm in den Achtzigerjahren Armando Cossutta die Rolle des Hauptvermittlers. Cossutta führte laut Ponomarev »die gesunden Kräfte der Kommunistischen Partei« an, gemeint ist die prosowjetische Strömung innerhalb der PCI. Die Briefe Ponomarevs an das Zentralkomitee der KPdSU aus den Jahren 1982 und 1983 zeigen beispielhaft die Praxis der Finanzierung über die Handelskanäle. So schrieb er am 28. Mai 1982 unter anderem: »Bei unserer Arbeit in Italien hat es sich als notwendig erwiesen, diejenigen politischen Kräfte materiell zu unterstützen, die gegenüber der Sowjetunion freundschaftlich und kooperativ eingestellt sind. Es geht unseren Freunden um den Erwerb der Verlagsgesellschaft Paese Sera. In diesem Zusammenhang bittet das Mitglied der PCI-Führung, Genosse Cossutta, [...] den Ankauf von 300 000 Tonnen sowjetischen Erdöls und 100 000 Tonnen Diesel zu einem Vorzugspreis zu genehmigen, wobei eine Provision von zwölf Dollar pro Tonne Erdöl und zehn Dollar pro Tonne Diesel garantiert werden soll, was eine Gesamtsumme von 4,6 Millionen Dollar ergibt.«43 Ein Schreiben Ponomarevs vom 17. Januar 1983 gibt weiteren Aufschluss über den Erwerb der Zeitung Paese Sera: »Der Übergang dieser bekannten italienischen Tageszeitung in die Hände des Genossen Cossutta und seiner Freunde, alles Personen, die eine marxistisch-leninistische Position vertreten und der UdSSR in Freundschaft verbunden sind, garantiert bei diesem Presseorgan eine korrekte Interpretation der Innen- und Außenpolitik der UdSSR sowie die Verbreitung der Errungenschaften des Realsozialismus und der weltweiten und der italienischen kommunistischen Arbeiterbewegung, was auch in anderen kapitalistischen Ländern ein breites Echo auslösen könnte.« Die dafür notwendigen Mittel könne man »über eine normale Handelstransaktion über 600 000 Tonnen Erdöl und 150 000 Tonnen Diesel in konvertierbarer Währung« gewinnen, »jedoch zu günstigen Konditionen, das heißt mit einem gewissen Preisnachlass (von etwa einem Prozent) und mit einem möglichst langen Zahlungsziel: drei bis vier Monate statt der üblichen 30 Tage«.44

Der Kreml behielt seine Anstrengungen, die öffentliche Meinung in Italien zu beeinflussen, bis zum Ende der Existenz der UdSSR bei. Man unterstützte die dem sowjetischen Regime gegenüber positiv eingestellten Kräfte und finanzierte neue Presseorgane, die bereitwillig prosowjetische Positionen vertraten. So unterstrich 1985 der Vizedirektor der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees, Vadim Zagladin, die Notwendigkeit, einer neuen italienischen Zeitschrift einen Finanzierungszuschuss zu gewähren: »1984 kam in Italien die Zeitschrift Il nuovo spettatore [Der neue Beobachter] auf den Markt, die vom ehemaligen Berater Enrico Berlinguers, Antonio Tatò, geführt wird. Die bisher publizierten sechs Ausgaben zeigen, dass die Redaktion bei internationalen Fragen versucht, eine objektive Haltung einzunehmen, d. h. sowohl die Außenpolitik als auch die innere Situation der UdSSR auf eine für uns positive Weise zu interpretieren. Die Redaktion übt massive Kritik an der Politik der Vereinigten Staaten und an der proamerikanischen Haltung verschiedener westeuropäischer Staaten.«45 Auf die gleiche Weise rechtfertigte Ponomarev die finanzielle Unterstützung der Zeitschrift Orizzonti [Horizonte], die der Cossutta-Strömung nahestand: »Das Ziel der Zeitschrift ist es, aktiv der Sozialdemokratisierung der PCI entgegenzutreten, gesunde Kräfte im Innern der Partei zu mobilisieren, die deren kommunistischen Charakter erhalten und den Prinzipien des Klassenkampfs und des proletarischen Internationalismus treu bleiben wollen. Was die Außenpolitik angeht, so verfolgt die Zeitschrift konsequent die Linie, die Friedens­initiativen der Sowjetunion und der Länder des sozialistischen Blocks zu unterstützen und den aggressiven Charakter der Politik der Vereinigten Staaten und der NATO zu demaskieren.«46 Diese interne Korrespondenz des Zentralkomitees zeigt, wie sehr sich die sowjetische Führung in das politische Leben Italiens einmischte. Sie demonstriert auch deren Willen, selbst in Zeiten einer schweren und sich weiter verstärkenden sozioökonomischen Krise Millionen von Dollar zu investieren, um sich die absolute Treue ihrer Verbündeten zu sichern.

Diejenigen Quellen, die sich auf die Finanzhilfen in der Zeit Gorbačëvs beziehen, zeigen auch, wie die Unterstützungsempfänger durch Erpressung Druck auf die sowjetische Führung ausübten, um sich weiter der Zahlungen zu versichern. In dieser Hinsicht sind die Briefe des neuen Mitglieds des Politbüros Anatoli Dobrynin an das Zentralkomitee aus dem Jahr 1986 aufschlussreich. Dobrynin war zuvor mehrere Jahrzehnte lang sowjetischer Botschafter in Washington gewesen und löste beim Amtsantritt Gorbačëvs den altgedienten Ponomarev als Verantwortlicher für die Beziehungen zu den ausländischen kommunistischen Parteien ab. In einem ersten Schreiben vom April 1986 informierte er Gorbačëv darüber, dass Cossutta »eine Änderung der Form der Unterstützung seiner Gruppe« vonseiten der Sowjetunion wünsche. Gemäß Dobrynin hatte Cossutta den Kreml gebeten, zu einer »indirekten Finanzierung überzugehen, zum Beispiel einem prozentualen Anteil bei Verträgen zwischen den italienischen und ausländischen Firmen, die mit der Sowjetunion Handelsbeziehungen unterhalten und sich wegen einer Vermittlung an Cossutta wenden«. Außerdem verlange Cossutta einen außerordentlichen Zuschuss, um die Zeitschrift am Leben zu erhalten, denn »wenn wir die Schulden nicht begleichen und den Angestellten ihre Bezahlung nicht garantieren können, würde dies unvermeidlich zu einer juristischen Auseinandersetzung führen (in der unsere geheime Finanzierung der Zeitschrift beinahe unvermeidlich offengelegt würde) und einen großen politischen Skandal nach sich ziehen«.47 Mit solchen Aussichten konfrontiert, stimmte Gorbačëv der geforderten Zahlung zu.

Der folgende Brief von Dobrynin vom 31. Dezember 1986 zeigt, mit wie viel erpresserischem Potenzial Cossuttas Gruppierung den Sowjets einen weiteren Zuschuss zu entreißen versuchte: »Das Mitglied des Zentralkomitees der PCI, der Genosse A. Cossutta, der eine marxistisch-leninistische Auffassung vertritt, hat beim Zentralkomitee der KPdSU eine Bitte um eine finanzielle Sonderhilfe eingereicht, infolge des Urteils des römischen Gerichts, das zur Tilgung der von der Tageszeitung Paese Sera in den Jahren 1982 / 1983 angesammelten Schulden verpflichtet. [...] Das Gericht beschloss, die Schuldsumme von den Eigentümern einzuziehen. Die Kommunistische Partei muss demnach 3,5 Milliarden, und M. Benedetti, der letzte Eigentümer, 900 Millionen Lire bezahlen. Benedetti verfügt nicht über eine solche Summe. Nach den Worten Cossuttas droht ihm eine Gefängnisstrafe, aber schlimmer noch, so schreibt Cossutta: Es könnten ›skandalöse Offenbarungen über die Organisationen und Personen, deren Anweisungen Benedetti ausführte‹, durchsickern. Angesichts der drängenden Notwendigkeit, eine solche Eventualität zu vermeiden, halten wir es für angebracht, in diesem absoluten Sonderfall der Bitte des Genossen A. Cossutta nachzukommen.«48 Auch diesmal wurde Cossuttas Anliegen stattgegeben.

Die unaufhaltsame ökonomische Krise der Sowjetunion und der wachsende Druck durch die immer noch steigenden Zahlungen an die traditionellen Empfänger, die der Kreml als revolutionäre Parteien und Befreiungsbewegungen anerkannt hatte, brachten die Gorbačëv-Regierung in Bedrängnis. So wurde die Internationale Abteilung des Zentralkomitees aufgefordert, die Modalitäten der Unterstützung sowie Möglichkeiten neuer Finanzierungsquellen für die »Bruderparteien« zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung, die sich auf Daten des Ministeriums für Außenhandel, des KGB und der Vertreter von Unternehmen der kommunistischen Parteien in Moskau stützten, wurden von Dobrynin in drei Schlussfolgerungen zusammengefasst.49 Erstens: Die Aktivität des Internationalen Fonds zur Unterstützung der Arbeiterorganisationen der Linken konnte aus folgenden Gründen nicht eingestellt werden: »Die Parteien, die über einen langen Zeitraum regelmäßig durch den Fonds unterstützt wurden, zählen auf die Beibehaltung dieser Form von Solidarität. Für einige von ihnen, in erster Linie die illegalen, stellt der Beitrag des Fonds die einzige Finanzierungsquelle ihrer Aktivitäten dar; andere decken damit einen Großteil der Ausgaben für ihre organisatorische, politische und ideologische Arbeit (die Presse und andere Publikationen inbegriffen). Die Abschaffung dieser Hilfe würde für eine große Zahl der unterstützten Parteien einen nicht kompensierbaren Verlust bedeuten, der sich unvermeidlich negativ auf ihre Aktivitäten auswirken würde. Gerade jene Parteien, die eigene Firmen, Handelsunternehmen und Vermittlungsagenturen besitzen, würden sich so vor die Notwendigkeit gestellt sehen, einige wichtige Formen ihrer politischen Arbeit einzuschränken, was ihr Gewicht und ihre Fähigkeit verringern würde, auf gesellschaftlich-politische Prozesse in ihren Ländern einwirken zu können.«

Zweitens, so schrieb Dobrynin »ist unter den aktuellen Bedingungen die Möglichkeit, die Hilfen zu modifizieren, indem man sie über die Kanäle der von den Bruderparteien kontrollierten Handelsunternehmen laufen lässt, nur für eine sehr begrenzte Zahl von Parteien zu verwirklichen. Viele derartige Unternehmen sind ökonomisch schwach und defizitär und haben nur begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten und Verbindungen. Nur die Unternehmen einiger Bruderparteien, wie der französischen, zypriotischen, griechischen und portugiesischen, sind in der Lage, eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den sowjetischen Außenhandelsorganisationen zu entwickeln.« Dobrynin schloss, dass eine Umwandlung der direkten finanziellen Unterstützung in über den Außenhandel vermittelte Hilfen für den Großteil der Nutznießer des Fonds »aufgrund des Fehlens von Handelsunternehmen schlichtweg nicht vorgeschlagen werden kann«. Drittens bekräftigte er, dass die kommunistischen Parteien mehr denn je finanzieller Unterstützung bedürften, aufgrund der »zunehmenden Komplexität der Bedingungen, unter denen sie agieren; der drängenden Notwendigkeit, die organisatorische, ideologische und politische Arbeit zu verstärken; und wegen der laufenden Abwertung des amerikanischen Dollars und der unaufhaltsamen Inflation in allen nichtsozialistischen Ländern«.

Der konstruktive Teil von Dobrynins Brief erstaunt dadurch, dass dort nur spärliche Vorschläge zur Abhilfe gemacht werden. Er fasst sie in drei Punkten zusammen: Man solle künftig den Beitrag der KPdSU an den Internationalen Fonds nicht in Dollar berechnen, sondern in einer fiktiven Währungseinheit, die nicht der Inflation unterliege; man solle weiterhin Möglichkeiten prüfen, andere Kanäle als die direkte Finanzierung für die Hilfen zu nutzen; und man solle vorschlagen, einen geheimen Meinungsaustausch zwischen den Führern der sozialistischen Länder über das Problem der Unterstützung der Bruderparteien zu organisieren.

Es ist schwer zu sagen, ob Dobrynin, ein Veteran der sowjetischen Diplomatie, den bevorstehenden Zusammenbruch des Sowjetimperiums ahnte. Doch in Ton und Inhalt seiner Vorschläge klingt die Nutzlosigkeit dieser Anstrengungen durch. In der Tat waren es Ende November 1987 noch genau zwei Jahre bis zum Fall der Berliner Mauer. Auf der anderen Seite stellte die außerordentliche Trägheit der sowjetischen Bürokratie sicher, dass die Finanzierung der ausländischen kommunistischen Parteien noch nach dem Mauerfall weiterging. Insbesondere das sowjetische Interesse an der italienischen Politik blieb bestehen, und die Subventionierung bestimmter politischer Kräfte und Strömungen sowie Handels- und Vermittlungsunternehmen wurde bis zum Zusammenbruch des Regimes und zur Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 beibehalten.

Schlussfolgerungen

Diese Untersuchung der Finanzierung der PCI durch die Sowjetunion, die sich auf zuvor nicht verfügbare Archivquellen stützt, ist der Ausgangspunkt einer komplexen historischen Rekonstruktion der jahrzehntelangen Praxis der Sowjetunion, die PCI zu finanzieren. Die Historikern heute zugänglichen Dokumente enthalten so gut wie definitive Daten zur direkten Finanzierung – durch in Dollar bereitgestellte und vom Politbüro der KPdSU genehmigte Gelder – verschiedener prosowjetischer Kräfte in Italien während des Kalten Krieges.

Was die indirekte Finanzierung angeht, das heißt jene, die über Gefälligkeitspreise, Provisionen und andere derartige Praktiken erfolgte und über Handelsunternehmen und Vermittlungsagenturen abgewickelt wurde, die von kommunistischen Parteien kontrolliert wurden, ist das Recherchefeld dagegen noch kaum bearbeitet. Vergleicht man die beiden Varianten finanzieller Unterstützung, so kommt man zu dem Schluss, dass bei einigen kommunistischen Parteien, wie der italienischen, französischen, griechischen, zypriotischen und portugiesischen, die indirekten Hilfen und Subventionen die direkten um ein Mehrfaches überstiegen. Die aktuell einsehbaren Quellen gestatten es jedoch nicht, die Gesamtsummen der indirekten Hilfen abzuschätzen, und lassen keine Aussage darüber zu, in welchem Maße sie der Partei selbst zugute kamen, um die übliche Bandbreite politischer Aktivitäten zu subventionieren, und welcher Anteil für das Funktionieren der Unternehmen verwendet wurde, für die Löhne der Angestellten oder die persönliche Bereicherung von Mittelsmännern.

Außerdem wurde auch noch nicht der Versuch unternommen, die verwickelte Ge­­schichte der Bewegung der Kämpfer für den Frieden zu erhellen, die unter Stalins Führung initiiert, organisiert und finanziert wurde.50 Der finanzielle Aufwand der Sowjet­union zur Aufrechterhaltung der riesigen Bürokratiemaschinerie derer, die sowohl in den westlichen Ländern als auch in der Sowjetunion hauptberuflich den Kampf für den Frieden führten, war enorm. Er beinhaltete immense Ausgaben für die Organisation regelmäßiger Weltkongresse für den Frieden und für den Unterhalt einer dauerhaften bürokratischen Struktur in Gestalt des Ständigen Komitees der Kämpfer für den Frieden. Es hatte die Aufgabe, die Aktivitäten verschiedener internationaler Organisationen wie der internationalen Gewerkschaftsverbände oder der Demokratischen Frauenföderation, die ebenfalls auf Initiative und mit finanzieller Unterstützung der Sowjetunion geschaffen worden waren, zu koordinieren und zu finanzieren.51 Ein beträchtlicher Teil der Gelder für die Bewegung der Kämpfer für den Frieden ging an westliche kommunistische Parteien und bildete einen gesonderten dritten Kanal, über den diese Parteien Hilfen aus der Sowjetunion erhielten. Eine historische Untersuchung der Rolle der UdSSR bei der Förderung und Finanzierung der antiamerikanischen Friedensbewegung – insbesondere die Rekonstruktion des dichten Beziehungsnetzes zwischen ihren westlichen Organisatoren und den Führern in Moskau – steht noch aus.

Die bisher zur Verfügung stehenden Dokumente erlauben jedoch, zu einer historischen Bewertung der Auswirkungen der sowjetischen Finanzhilfen an die Kommunisten bzw. die diversen prosowjetischen Kräfte auf das politische System Italiens zu kommen. Ich will hier keine pauschale Synthese formulieren, sondern mich auf diejenigen Konsequenzen dieser Praxis beschränken, die mir am wichtigsten erscheinen. Wie schon angemerkt, gehen die sowjetischen Finanzhilfen an die italienischen Kommunisten, chronologisch betrachtet, auf die Jahre der Komintern zurück und stellen die Fortführung einer Politik der »Klassensolidarität« und der Unterstützung revolutionärer Kräfte dar, wie sie von der Komintern seit Anfang der Zwanzigerjahre kultiviert wurde. Die finanzielle Unterstützung der antikommunistischen Parteien Italiens, in erster Linie der Democrazia Cristiana (Christdemokratische Partei, DC), in der frühen Nachkriegszeit war zweifellos eine Antwort der USA auf die sowjetische Provokation. Diese chronologische Betrachtung darf nicht so interpretiert werden, als wolle sie die Verantwortung für den Ausbruch des Kalten Krieges einer der Konfliktparteien zuschreiben, aber auch nicht als Versuch, die Finanzierung der rivalisierenden Parteien Italiens durch die Sowjetunion bzw. die Vereinigten Staaten lediglich als Abfolge von Herausforderungen und Antworten bzw. Aktionen und Reaktionen der beiden Supermächte zu interpretieren und sie so auf die gleiche Stufe zu stellen. Der amerikanische Historiker John Lewis Gaddis hat zu Recht die »unglückliche Tendenz, die auf die Theorie der internationalen Beziehungen zurückgeht«, beklagt, »sich in einer Weltsicht einzuschließen, die allen größeren Regimes die gleiche Legitimität und die mehr oder weniger gleiche Respektabilität zuschreibt, und dabei deren Wurzeln und die Methoden, mit denen sie ihre Macht aufrechterhalten, unberücksichtigt zu lassen«.52 Diese Tradition hat dazu geführt, dass Politik und Verhalten totalitärer und demokratischer Regime als gleichwertig betrachtet werden, ohne Rücksicht auf die radikalen Unterschiede zwischen den politischen Systemen, den Methoden zur Konsensbildung und den außenpolitischen Zielen. Der Einsatz von Finanzmitteln zur Förderung eines demokratischen Mehrparteiensystems verlangt nach einer radikal anderen historischen Bewertung als derjenige zur Etablierung eines von einem totalitären System abhängigen Einparteienstaats.

Ein weiterer Unterschied zwischen den amerikanischen und den sowjetischen Finanzhilfen besteht in ihrer Dauer. Erstere waren zeitlich begrenzt, denn nachdem das italienische Produktivsystem gestärkt war, ersetzten die Regierungsparteien sie großteils durch interne Quellen, während Letztere in unterschiedlichen Formen mindestens bis zum Fall der Berliner Mauer fortgeführt wurden. Die PCI könnte sich ins Guinness-Buch der Rekorde eintragen lassen als diejenige Partei, die großzügiger und länger als jede andere europäische oder amerikanische Partei des 20. Jahrhunderts von einer ausländischen Macht finanziert wurde.

Auch wenn man die radikal unterschiedliche Wertigkeit der amerikanischen und sowjetischen Finanzierung der italienischen Parteien für die demokratische Zukunft des Landes anerkennt, darf man nicht die schwerwiegenden Folgen dieser Praxis für die Demokratie vergessen. Die Finanzierung der politischen Kräfte Italiens von außen hat eine tiefgreifende Umwälzung des gesamten demokratischen Prozesses mit sich gebracht. Der Wille des Volkes wurde verdreht und verfälscht, weil grundsätzliche Parameter der repräsentativen Demokratie – der Organisationsgrad und der Erfolg der Mobilisierung der Bürger und der Parteienwerbung – größtenteils von ausländischen und illegalen Ressourcen abhingen. Die Finanzierung von außen hat auch das italienische Parteiensystem sehr stark geprägt, denn die Stimmenverteilung und das politische Gewicht einer jeden Partei wurden jahrzehntelang von ausländischem Geld und schwarzen Kassen beeinflusst. Dank der Finanzhilfen der Sowjetunion konnte die PCI viele Funktionäre bezahlen, von deren Arbeit wiederum die Massenmobilisierung und die Wahlbeteiligung abhingen. Die parteieigene Presse und ihre Verlage waren ebenso lang durch großzügige sowjetische Beiträge subventioniert. Die Parteien, die solche Unterstützung von außen nicht zur Verfügung hatten, mussten Meinungsparteien mit einer begrenzten Anzahl von Mitgliedern bleiben oder sich, wenn sie mit den »subventionierten« Parteien Schritt halten wollten, interne Ressourcen suchen.

Korruption und Unmoral, missbräuchliche Verwendung öffentlicher Gelder und Bürokratisierung der Massenparteien mit einem unverhältnismäßigen Anwachsen ihres Apparats waren unvermeidliche Folgen. Das unkontrollierte und unkontrollierbare Fließen von Geldern führte zu einem Klima diffuser Illegalität. In seinem Buch Soldi & partiti [Geld und Parteien] analysiert der Historiker Massimo Teodori, wie diese Illegalität in den Neunzigerjahren die italienische Politik auf den Kopf gestellt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass »die Einzigartigkeit des Falls Italien in der Tatsache besteht, dass nie zuvor in der westlichen Welt ein politisches Regime unter dem Gewicht illegaler Parteienfinanzierung zusammengebrochen ist, und dies als Folge des beharrlichen Widerstands der herrschenden Klasse, eine ehrliche öffentliche Auseinandersetzung zu führen.«53

Das Schweigen der Regierung zur sowjetischen Finanzierung ermöglichte es den politischen Kräften im Italien der Nachkriegszeit, sich trotz ausgeprägter Gegensätze mehr oder weniger friedlich miteinander zu arrangieren. Ein Kompromiss, bei dem die politische Stabilität darauf basiert, den Bürgern Informationen vorzuenthalten und eine demokratische Auseinandersetzung zu unterdrücken, hat jedoch seinen Preis. Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als habe jener Innenminister, der dazu riet, das Geld aus Moskau ungehindert nach Italien kommen zu lassen, ein nationales Interesse gewahrt, denn die beachtlichen Summen bedeuteten, dass man dem Volk Arbeitsplätze schenken konnte. Doch ergibt eine intensivere Analyse, dass die verbreitete Illegalität, in die jahrelang Politiker, Unternehmer, Finanziers und Parteifunktionäre verstrickt waren, auch unangenehme Folgen hatte. Die schweigende Akzeptanz oder gar Billigung der Praxis der Finanzierung durch die Sowjetunion verwandelte sich in eine Schwächung des Staatssinns und der nationalen Identität. Das Schweigen schuf uneingestandene Komplizenschaften, formte die Angewohnheit, Verbindungen zwischen italienischen Bürgern und KGB-Agenten zu ignorieren, und machte es schwieriger, im Land einen antitotalitären Konsens zu schaffen.

Aus dem Italienischen von Birgitta Höpken


1 Gianni Cervetti: L’oro di Mosca. La testimonianza di un protagonista [Das Moskauer Gold. Zeugnis eines Protagonisten], Mailand 1993, S. 11.

2 Diese Dokumentation findet sich im Archivio Commissione Stragi, Fondo della Procura russa / Archiv der Commissione Stragi, Bestand der russischen Staatsanwaltschaft (im Folgenden: ACS PR).

3 Laut E. Reale, zit. in: Giorgio Bocca: Palmiro Togliatti, Roma, Bari 1973, S. 482.

4 Bericht über die Unterredung zwischen dem sowjetischen Botschafter Michail Kostylev und dem Mitglied des Parteivorstandes der PCI Edoardo D’Onofrio vom 28. Dezember 1946, in: Archiv vnešnej politiki Rossijs­koj Federacii / Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation (im Folgenden: AVP RF), f. 06, op. 9, d. 810, pap. 54, S. 144.

5 Sergej Michajlov an Andrej Vyšinski, 19. Mai 1947, in: AVP RF, f. 098, op. 30, d. 29, pap. 172.

6 Rossijskij Gosudarstvennyj archiv social’no-političeskoj istorii / Staatliches Archiv für Gesellschafts- und Politikgeschichte (im Folgenden: RGASPI), f. 77, op. 3, d. 93, S. 85 f.

7 Siehe Protokoll der Unterredung zwischen Stalin und Pietro Secchia, in: Istochnik (1993), H. 5–6, S. 123–126.

8 Der amerikanische Konsul in Florenz, Reed, an das State Department, 15. Juni 1950, in der Mikrofilm-Edition »Italy, International affairs 1950–1954. Confidential U. S. State Department Central Files«, reel 8, S. 585–588.

9 Michail Kostylev – Matteo Secchia, 6. März 1948, in: AVP RF, f. 098, op. 31, d. 14, pap. 179, S. 170 f.

10 Ebd., S. 171.

11 Der Sekretär der sowjetischen Botschaft in Rom, Grigori Bogemski – Matteo Secchia, 23. Mai 1949, in: AVPRF, f. 09, op. 32, d. 7, pap. 193, S. 93.

12 Grigori Bogemski – Giuliano Pajetta, 30. Juni 1948, AVPRF, f. 098, op. 31, d. 11, pap. 179, S. 120.

13 Hoover Institution Archives (im Folgenden: HIA), f. 89, file 38, doc. 22.

14 Brief des Vorsitzenden der außenpolitischen Kommission V. Grigorian an Stalin vom 24. Juni 1950, in: HIA, f. 89, file 38, doc. 23, S. 3 ff.

15 HIA, f. 89, file 38, doc. 19, S. 5.

16 Für einen Gesamtüberblick über die jährlichen Zahlungen der Sowjetunion an die ausländischen kommunistischen Parteien siehe Victor Zaslavsky: I finanziamenti sovietici alle forze politiche italiane di sinistra [Die Finanzierung der politischen Kräfte der Linken in Italien durch die Sowjetunion], in: Nuova Storia Contemporanea [Neue Zeitgeschichte] (1999), H. 6, S. 29–54 und Valerio Riva (mit Francesco Bigazzi): Oro da Mosca [Gold aus Moskau], Mailand 1999.

17 HIA, f. 89, file 38, doc. 24, S. 1.

18 Ebd., doc. 33, S. 4.

19 Brief von Boris Ponomarev an das ZK der KPdSU vom 27. Januar 1956, in: ebd., S. 5.

20 Protokoll der Präsidiumssitzung des ZK der KPdSU vom 6. Dezember 1956, in: HIA, f. 89, file 38, doc. 19, S. 2.

21 Siehe ebd., doc. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 25.

22 Ebd., doc. 7.

23 Ebd., doc. 8 und doc. 31.

24 Ebd., doc. 9.

25 Siehe ebd., doc. n. 12, S. 4.

26 Brief von Boris Ponomarev an das ZK vom 29. März 1972, in: ACS PR, doc. n. 2.

27 ACS PR, doc. n. 3.

28 Im Brief an das ZK vom 13. April 1974 fasste Boris Ponomarev die Argumentation der PCI-Führung zusammen: »Anhand von Informationen, die der rechte Flügel der italienischen Christdemokraten besitzt, will er das Referendum dazu nutzen, den demokratischen Kräften, insbesondere der PCI, einen harten Schlag zu versetzen und damit die politische Achse in Italien nach rechts zu verschieben und zukünftig im Land eine Regierung der ›eisernen Faust‹ zu installieren, die innen- wie außenpolitisch einen reaktionäreren und NATO-freundlichen Kurs einschlagen würde.«, in: ACS PR, doc. n. 12. 3.

29 Anatoli Černjaev: Moya zhizn e moe vremya, Moskau 1995, S. 343.

30 ACS PR, doc. n. 16, 17, 18

31 Cervetti: L’oro di Mosca (Anm. 1), S. 97.

32 HIA, f. 89, op. 38, doc. 39, S. 1.

33 Ebd., doc. 40, S. 2.

34 Ebd., doc. 44, S. 1; doc. 46, S. 1.

35 Ebd., doc. 47, S. 1.

36 Brief von Anatoli Dobrynin an das Zentralkomitee der KPdSU vom 21. November 1987, in: HIA, f. 89, op. 38.

37 Siehe Ken Jowitt: New World Disorder. The Leninist Extinction, Berkeley 1992.

38 Dokument »Mare« der Allgemeinen Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU, in: ACS PR, d. 2052.

39 Der Vizedirektor der Internationalen Abteilung Vadim Zagladin an das Zentralkomitee vom 12. August 1977, in: ACS PR, d. 19.

40 Cervetti berichtet von einer in diesem Kontext bedeutungsvollen Episode. Während eines Treffens mit Ponomarev im Januar 1978 sagte dieser, wir könnten »ganz ruhig sein, auch weil wir immer von dieser Quote aus dem Erdgasvertrag Gebrauch machen können«. Überrascht antwortete Cervetti, er habe dieses Geld niemals verlangt bzw. erhalten und könne dasselbe auch von seinen Mitarbeitern sagen. An diesem Punkt »zeigte sich Ponomarev erstaunt und rief aus: ›Ja aber, wo ist es dann hingekommen?‹ Ich erwiderte, ich hätte in dieser Sache noch nie Sicheres gewusst, sondern mir seien nur vage Andeutungen bekannt.« Cervetti: L’oro di Mosca (Anm. 1), S. 95.

41 HIA, f. 89, op. 8, doc. 25.

42 Brief von Staatsanwalt Valentin Stepankov an den Staatsanwalt der Republik Italien Ugo Giudiceandrea vom 5. Juni 1992, in: ACS PR.

43 Boris Ponomarev: Sulla prestazione di aituo materiale gli amici italiani [Über die materielle Unterstützung unserer italienischen Freunde], 28. Mai 1982, in: ACS PR, doc. n. 26.

44 Boris Ponomarev an das ZK der KPdSU, 17. Januar 1983, in: ACS PR, doc. n. 27.

45 HIA, f. 89, op. 15, doc. 15.

46 Boris Ponomarev an das ZK der KPdSU, 17. Januar 1983, in: ACS PR, doc. n. 27.

47 Anatoli Dobrynin an Michail Gorbačëv, April 1986, in: ACS PR, doc. n. 28.

48 Anatoli Dobrynin an das ZK der KPdSU, 31. Dezember 1986, in: ACS PR, doc. n. 24.

49 Anatoli Dobrynin: Die Frage der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, 21. November 1987, in: HIA, 89, op. 38, doc. 54.

50 L. Gibianski: Kominform v zenite aktivnosti, in: G. Adibekov u. a. (Hg.): Sovescjanija Kominforma. 1947, 1948, 1949. Dokumenty i materialy, Moskau 1998, S. 518.

51 Victor Zaslavsky: L’antiamericanismo organizzato nell’Unione Sovietica staliniana [Der organisierte Antiamerikanismus in der stalinistischen Sowjetunion], in: Piero Craveri / Gaetano Quagliariello (Hg.): L’antiamericanismo in Italia e in Europa nel secondo dopoguerra [Der Antiamerikanismus in Italien und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg], Soveria Mannelli 2004.

52 John Lewis Gaddis: The Tragedy of Cold War History, in: Diplomatic History 17 (1993), H. 1, S. 1–16, hier S. 8.

53 Massimo Teodori: Soldi & partiti. Quanto costa la democrazia in Italia? [Geld und Parteien. Was kostet die Demokratie in Italien?], Mailand 1999, S. 22.

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