JHK 2010

Stalin und die kommunistischen Parteien in Westeuropa 1944–1951

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 1-14 | Aufbau Verlag

Autor/in: Gerhard Wettig

Unterschiedliche Ausgangslagen in Ost- und Westeuropa

Während 1944 / 45 die amerikanischen und britischen Streitkräfte Westeuropa einnahmen, besetzte die Rote Armee den Osten des Kontinents. Stalin wertete den Sieg über den militärischen Gegner zugleich als Sieg über den »Klassenfeind«. Die sowjetischen Besatzungsbehörden sollten nach seinen Vorstellungen ihre Macht zur Einleitung eines Umsturzes nutzen, der zwar insofern »revolutionären« Charakter trug, als er auf die Beseitigung des bestehenden Systems abzielte, sich aber in evolutionären, relativ friedlichen Formen vollziehen sollte. Da die Machtfrage durch den militärischen Sieg bereits grundsätzlich entschieden war, bedurfte es – anders als 1918 bis 1921 in der späteren UdSSR – keines blutigen Bürgerkriegs und keiner »Diktatur des Proletariats« mehr, um die Macht des »Klassenfeinds« zu brechen und den Sozialismus durchzusetzen. Es kam nur noch darauf an, die militärische Kontrolle in zivile Herrschaft zu übersetzen. Zwar wollte man auf Repression nicht verzichten, doch hielt Stalin ein weniger blutiges Vorgehen als seinerzeit in der Sowjetunion für angebracht: Der Umsturz sollte schrittweise durch »Reformen« – also vorgeblich ohne grundlegende Änderungen – herbeigeführt werden.1

Um den Westen nicht zu provozieren, erklärte die sowjetische Seite, sie führe in den besetzten Ländern eine »neue Demokratie« ein, die sich von der innerstaatlichen Ordnung im Wes­ten nicht wesentlich unterscheide. Die Demokratie, die dort nur den politischen Bereich erfasse, werde auf die wirtschaftlich-gesellschaftlichen Verhältnisse ausgedehnt. Nicht nur die Regierung, sondern auch die Produktionsmittel würden in die Hände des Volkes gelegt werden. Die Darstellung, es gehe nicht um die Oktroyierung des sowjetischen Systems, sondern um die Einführung eines Regimes westlicher Prägung, sollte zudem innenpolitische Widerstände in den betroffenen Ländern verringern. Den kommunistischen Kadern vor Ort war die »führende Rolle« zugewiesen. Sie hatten die »Aufgaben«, die die Besatzungsmacht ihnen stellte, mit Blick auf das sozialistische Endziel, aber unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu erfüllen und dabei die langfris­tige Absicht zu »maskieren«. Die anfängliche Zulassung mehrerer Parteien und die Proklamation eines »parlamentarischen Wegs zum Sozialismus« waren von vornherein nur als transitorisches Entwicklungsstadium gedacht und sollten verschleiern, dass am Ende des eingeleiteten Prozesses eine sozialistische Einparteienherrschaft vorgesehen war.2

In Westeuropa, das die USA und Großbritannien bei Kriegsende militärisch kontrollierten, hatte Stalin keine Möglichkeit, einen Systemwandel nach seinen Vorstellungen in Gang zu setzen. Zwar hatten die Kommunisten in den bewaffneten Kräften der Widerstands- und Partisanenbewegungen Frankreichs und Italiens eine beherrschende Position errungen, und manche von ihnen meinten, diese ließe sich als Basis zur Eroberung der Macht im Lande nutzen. Doch der sowjetische Führer ging davon aus, dass die Westmächte in ihrem Bereich keine kommunistischen Putschversuche dulden würden. Er wollte auch das Bündnis mit ihnen nicht infrage stellen, zudem war er äußerst misstrauisch gegenüber unabhängig agierenden Gesinnungsgenossen. Er wünschte einen revolutionären Umsturz grundsätzlich nur dann, wenn er sich unter seiner Kontrolle vollzog. Da die Amerikaner ein deutlich überlegenes Machtpotenzial besaßen, erschien eine Konfrontation mit ihnen nicht ratsam. Auch rechnete Stalin beim Wiederaufbau der vom Krieg schwer getroffenen sowjetischen Wirtschaft mit massiver Hilfe der USA, die, wie er glaubte, auch in deren eigenem Interesse liegen würde, denn die innere Dynamik ihrer kapitalistischen Wirtschaft nötige sie dazu, sich Nachfrage zu verschaffen. Zudem ging er davon aus, die Amerikaner würden sich, wie nach dem Ersten Weltkrieg, bald wieder aus Europa zurückziehen.3 Das alles ließ ihm »verfrühte Revolutionen« im westlichen Machtbereich schädlich erscheinen, denn von ihnen waren ernste Konflikte, mithin Gefahren für Frieden und Sicherheit zu befürchten.4 Stattdessen galt es zu warten, bis die Zeit reif für gesellschaftlich-politische Umwälzungen war.

Entscheidungen über den kommunistischen Kurs in Italien und Frankreich

Die Frage, wie sich die UdSSR zu den Entwicklungen außerhalb ihrer Machtsphäre verhalten solle, stellte sich erstmals konkret, als Marschall Badoglio im Juli 1943 Mussolini absetzte und auf die Seite der Westmächte übertrat. Ideologisch betrachtet war die neue italienische Regierung ein Feind im »Klassenkampf« und zudem durch die Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zur faschistischen Bewegung des gestürzten Diktators diskreditiert. Stalin fürchtete jedoch, jeder Versuch einer Ausschaltung Badoglios würde die Amerikaner und Briten herausfordern, die inzwischen Sizilien erobert hatten und auf dem Festland gelandet waren, sowie einen Bürgerkrieg nach sich ziehen. Dazu durfte es nach seiner Ansicht nicht kommen. Bevor der Parteichef der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), Palmiro Togliatti, aus dem Moskauer Exil in sein Heimatland aufbrach, gab ihm Stalin eine politische Marschrichtung vor. In einem Gespräch am 3. März 1944 erklärte Togliatti sich damit einverstanden, dass Auseinandersetzungen zwischen den faschistischen Widersachern Mussolinis und den antifaschistischen Kräften vermieden werden müssten. Nationale Einheit sei das Gebot der Stunde; Revolution und Kampf sollten im proalliierten Lager vorerst ausgeschlossen sein.5

Nachdem die Truppen Eisenhowers im Sommer 1944 in der Normandie gelandet waren und die deutsche Verteidigung durchbrochen hatten, suchten die im französischen Widerstand agierenden Kommunisten so viele Gebiete wie möglich mit Waffengewalt ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Zwar hatten sie gewissen Erfolg, doch General de Gaulle, der 1940 nicht vor der Wehrmacht kapituliert hatte, sondern nach England ausgewichen war, um von dort aus den Widerstand des »Freien Frankreich« zu organisieren, konnte sich nach seiner Rückkehr fast überall im Land sofort durchsetzen. Stalin erklärte dem Generalsekretär der französischen KP (KPF), Maurice Thorez, am 19. November 1944, seine Partei dürfe nicht separat handeln, sondern müsse wie in den Dreißigerjahren auf eine Volksfrontregierung hinarbeiten. Es könne durchaus sein, dass de Gaulle – nicht zuletzt wegen des zu erwartenden Drängens der Amerikaner und Briten – die Absicht verfolge, die Kommunisten politisch zu isolieren. Dies müsse durch die Bildung eines Linksblocks gegen die »Reaktion« verhindert werden. Als Verbündete empfahl der sowjetische Führer vor allem die Linksliberalen. Man müsse sehen, inwieweit weitere Gruppierungen in Betracht kämen. Besonders wichtig sei, dass die Kommunisten der »Reaktion« nicht allein gegenüberstünden, sondern enge Verbindungen zu den Gewerkschaften und zur Jugend knüpften und sich eine Position verschafften, die es ihnen ermögliche, in die Offensive überzugehen, wenn sich die Lage einmal ändre. In Anbetracht dessen, dass es in Paris nun eine von den Alliierten anerkannte Regierung gebe, forderte Stalin die KPF zur Auflösung ihrer bewaffneten Einheiten auf, denn es sei schwierig, sie parallel zur regulären Armee aufrechtzuerhalten. Sie waren in politische Organisationen umzuwandeln; ihre Waffen sollten in Verstecken untergebracht werden.6

Im Gespräch mit de Gaulle, der als französischer Regierungschef zum Abschluss eines Freundschafts- und Beistandspakts nach Moskau gekommen war und überdies dem Komitee von Lublin, dem vom Kreml gegen britisch-amerikanischen Widerstand eingesetzten Marionettenregime für Polen, seinen Segen erteilt hatte, setzte Stalin wenig später einen anderen Akzent. Es ging nun nicht mehr um kommunistische Selbstbehauptung gegenüber innenpolitischen Gegnern, zu denen auch der als Vertreter des »bürgerlichen« Lagers geltende General zählte, sondern um die Schaffung einer Regierung der nationalen Einheit. Mit den Instruktionen, die Thorez kurz zuvor erhalten hatte, stimmte dies insofern überein, als die KPF auf eine Zusammenarbeit mit demokratischen Parteien festgelegt wurde, was ein Bemühen um Machtergreifung auf absehbare Zeit ausschloss.7 Gemäß der von Stalin vorgegebenen Linie beteiligten sich die italienischen, französischen und belgischen Kommunisten an den jeweiligen Regierungen und leisteten einen wesentlichen Beitrag zum politischen Wiederaufbau.

Zwar veranlasste Stalin die Kommunisten so wie in den sowjetisch besetzten Ländern auch in Westeuropa dazu, Koalitionen mit anderen politischen Kräften einzugehen, doch hatte dies gänzlich andere Konsequenzen. Wo die Rote Armee das Heft in der Hand hielt, wurde den Parteien die Blockpolitik aufgenötigt. Alle Beteiligten wurden auf unbedingten Konsens verpflichtet. Dieser bildete die Grundlage für die »führende Rolle« der Kommunisten. Deren Kader, in der UdSSR politisch geschult und von den Besatzungsbehörden eingesetzt, waren an die sowjetischen Weisungen gebunden und durften sich nicht auf abweichende Beschlüsse einlassen. Der vorgeschriebene Konsens zwang mithin auch die anderen Parteien auf ihre Linie. Wenn gar nichts anderes mehr half, gaben die »Moskau-Kader« zu erkennen, man habe sich zu fügen, weil die Besatzungsmacht dahinterstehe. Diese zögerte nicht, ihrem Willen durch Festnahme, Folter, Lagerhaft und Tötung widerstrebender Personen Nachdruck zu verleihen. Allerspätestens wenn auf dieser Basis eine Entscheidung zustande gekommen war, durften keine anderen Standpunkte mehr artikuliert werden, sodass die Wähler, soweit ihnen noch eine Wahl zugebilligt wurde, von vornherein keinen Einfluss auf die Ausrichtung der Politik erhielten.

Was in Osteuropa nach außen hin als »Selbstverwaltung« des Volkes hingestellt wurde, lief faktisch auf jene Übersetzung der militärischen Kontrolle in zivile Herrschaft hinaus, auf die es Stalin abgesehen hatte. In Westeuropa dagegen konnte er selbstverständlich keine Blockpolitik und mithin auch keine dadurch vermittelte sowjetische Fremdbestimmung etablieren. Ohne Besatzungsmacht im Rücken konnten die Kommunisten das Koalitionsprinzip nicht zum Erwerb der »führenden Rolle« benutzen. Die Parteien standen stattdessen in einem politischen Wettbewerb, in dem vor allem das Votum der Wähler die Machtverhältnisse bestimmte.

Politische Kriegserklärung an den Westen

Als die USA im Juni 1947 den Marshallplan ankündigten, gaben sie damit zu erkennen, dass sie sich nicht aus Europa zurückziehen, sondern dort langfristig präsent bleiben wollten. Stalin sah seine Erwartung enttäuscht, dass die UdSSR zur dominierenden Macht auf dem gesamten Kontinent werden würde. Überdies zeigte sich, dass das amerikanische Hilfsprogramm auch für die Staaten seines Vorherrschaftsbereichs attraktiv war, sodass ihm die Kontrolle über sie gefährdet erschien. Nachdem Stalin angesichts der Zusage des »bürgerlichen« Präsidenten Edvard Beneš, grundlegende Maßnahmen der innenpolitischen Umgestaltung durchzuführen und sich stets der sowjetischen Führung zu unterwerfen,8 Besatzungsregime und Blockpolitik für unnötig erachtet hatte, war nicht nur die tschechoslowakische Regierung, in der nichtkommunistische Parteien noch starken Einfluss besaßen, eilig auf die Unterstützungsofferte Washingtons eingegangen, sondern auch die Genossen in Warschau. Es war abzusehen, dass weitere Regime folgen würden.9 Die Herausforderung ließ Stalin schärfste Abwehrmaßnahmen notwendig erscheinen. Er wählte daher den Kurs offener Konfrontation. Nachdem er dem Marshallplan den Kampf angesagt und die Botschaften der westlichen Länder in Moskau von ihrer sowjetischen Umwelt isoliert hatte, rief er das Kommunistische Informationsbüro (Kominform) ins Leben. Es sollte die osteuropäischen Staaten und die westeuropäischen Kommunisten unter zuverlässige Kontrolle bringen und sie zu aktivem Widerstand gegen das angebliche Bemühen der Amerikaner verpflichten, den Kontinent zu versklaven.10

Auf der Gründungskonferenz in Szklarska Poręba (dem früheren Schreiberhau) in Schlesien vom 22. bis 27. September 1947 erklärte Georgij Malenkov den Delegierten aus Osteuropa, Italien und Frankreich, in der Weltpolitik gebe es zwei gegensätzliche Strömungen. Die Linie der Sowjetunion und der »Länder der neuen Demokratie« sei auf die »Unterminierung des Imperialismus gerichtet«, sichere einen »dauernden demokratischen Frieden zwischen den Völkern« und stärke »auf jede Weise die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen den friedliebenden Nationen«. Ihr stehe die »andere Tendenz in der internationalen Politik« entgegen, die »von der regierenden Clique der ameri­kanischen Imperialisten beherrscht« werde und den »Weg der offenen Expansion, der Versklavung der geschwächten kapitalistischen Länder Europas und der kolonialen und abhängigen Länder« sowie der »Vorbereitung neuer Kriegspläne gegen die UdSSR und die Länder der neuen Demokratie unter dem Banner des Kampfes gegen die ›kommunistische Gefahr‹« beschreite. Malenkov unterstrich, dass die KPdSU der Außenpolitik große Aufmerksamkeit schenke und der Schulung von Kadern in diesem Bereich besondere Sorgfalt widme. Er schloss mit dem Hinweis, dass die Verbindungen zu den Bruderparteien nicht ausreich­ten und keine zuverlässige Basis abgäben für den Austausch von Informationen übereinander, für die Koordination der einzuleitenden Aktionen und die Ausarbeitung einer gemeinsamen Politik. Es seien unbedingt Schritte erforderlich, um mit dieser »anomalen Lage« fertig zu werden.11

Als bevollmächtigter Vertreter Stalins, der mit diesem während der Konferenz in ständiger Verbindung stand, schlug Andrej Ždanov einen noch schärferen Ton an und sprach von einer immer deutlicher hervortretenden »Aufspaltung der politischen Kräfte in der Weltarena in zwei Hauptlager – das imperialistische und antidemokratische Lager auf der einen Seite und das antiimperialistische und demokratische Lager auf der anderen«. Die »absolut führende Kraft« im Westen seien die USA, die mit England und Frankreich verbündet seien. Ihnen stünden die UdSSR und die »Länder der neuen Demokratie« gegenüber, die das Regime der Landbesitzerklasse gebrochen und dem Volk die Macht über Industrie und Bankwesen übertragen hätten. Um diesen harten Kern gruppierten sich nach Ždanovs Worten noch Verbündete im antiimperialistischen Kampf: die kommunistischen Bruderparteien, die Arbeiterbewegungen und sonstige »fortschrittliche demokratische Kräfte« aller Länder sowie verschiedene mit dem antiimperialistischen Lager sympathisierende Staaten Asiens. Ihnen allen gehe es um den Kampf gegen die Gefahren von Krieg und Expansion, um die Festigung der Demokratie und die Ausrottung des Faschismus.12

Die These von den beiden feindlichen Lagern lief auf eine politische Kriegserklärung an den Westen hinaus. Die Zusammenarbeit mit den demokratischen Parteien, zu der Stalin die westeuropäischen Kommunisten 1944 verpflichtet hatte, passte nicht mehr in den Kontext der sowjetischen Politik. Ždanov warf den italienischen und französischen Genossen eine »unrichtige, schädliche und wesenhaft unnatürliche« Kollaboration mit den innenpolitischen Feinden in ihren Ländern vor. Sie hätten das Erfordernis missachtet, auf internationaler Ebene Kontakt miteinander zu halten und sich wechselseitig zu konsultieren. Wenn das so weitergehe, würden »äußerst schädliche Folgen für die Entwicklung der Arbeit der Bruderparteien« eintreten. Konsultationen und eine freiwillige Koordination des Vorgehens seien gegenwärtig notwendiger denn je. Statt sich parteipolitischen Rivalen anzuschließen und mit ihnen als »Agenten der imperialistischen Kreise der USA« tätig zu werden, hätten die Kommunisten »die Führung beim Widerstand gegen den amerikanischen [Marshall-]Plan zur Versklavung Europas zu übernehmen und alle Komplizen des amerikanischen Imperialismus in ihren Ländern zu demaskieren«. Sie müssten unerschütterlich für die Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität gegen die Vereinigten Staaten eintreten.13

Es entsprach den Usancen der stalinistischen Sowjetunion, Kursänderungen als Korrektur einer falschen Politik hinzustellen und alle Fehler den ausführenden Organen anzulasten. Die Vorgesetzten, vor allem der oberste Führer im Kreml, galten als prinzipiell unfehlbar und nahmen gegenüber ihren Untergebenen nie Schuld auf sich, was immer sie auch befohlen hatten. Nachdem der Leiter der französischen Delegation, Jacques Duclos, zu Hause über die Vorwürfe berichtet hatte,14 reiste Parteichef Thorez nach Moskau und dankte Stalin dafür, dass die KPF in Szklarska Poręba über die Defizite ihrer Politik aufgeklärt worden sei.15 Ždanov hatte auf der Kominform-Konferenz die Genossen aus Italien und Frankreich darauf verpflichtet, alles zu unternehmen, um die kapitalistische Wirtschaft zu vernichten. Zugleich gelte es, Kampf gegen die amerikanische Hilfe zu führen, eine Stabilisierung der einheimischen Regierung zu verhindern, die Parteizellen zu vermehren und die Massen zu entschiedenem Widerstand zu vereinen. Aus Äußerungen Malenkovs geht hervor, dass man in Moskau nicht das illusionäre Ziel vor Augen hatte, die Bevölkerung der westeuropäischen Länder vom Marxismus-Leninismus zu überzeugen, sondern ausschließlich bestrebt war, die sowjetische Politik durchzusetzen.16

KPF und KPI vor der Bewaffnungsfrage

Die allgemein gehaltene Forderung, den Westmächten unbedingt Widerstand zu leisten, gab den westeuropäischen Kommunisten keinen Aufschluss darüber, was sie im Einzelnen unternehmen sollten. Zwar erschien eine Agitationskampagne gegen den Marshallplan geboten, und es wurden Streiks und Sabotageakte organisiert, um die Durchführung des amerikanischen Hilfsprogramms so weit wie möglich zu verhindern, aber es ließ sich von vornherein absehen, dass all dies ohne durchschlagenden Erfolg bleiben würde. Sollten die Parteigänger des Kreml nicht noch mehr tun, um die westliche Politik scheitern zu lassen? Die sowjetische Kritik auf der Kominform-Konferenz, das Verhalten der westeuropäischen Parteien sei auf Kapitulation vor dem »imperialistischen Feind« hinausgelaufen, bestärkte die 1944 / 45 nicht zum Zuge gekommenen radikalen Kreise der KPF und KPI (Kommunistische Partei Italiens) in der Überzeugung, man hätte damals den bewaffneten Kampf um die Macht im Lande aufnehmen müssen. Sie beeinflusste auch die Überlegungen, wie weit man gegenwärtig beim Widerstand gegen die westliche Politik gehen sollte. Sollte man nicht einen revolutionären Umsturz mittels bewaffneter Gewalt vorbereiten, um dem »Imperialismus« die angestrebte Niederlage beizubringen?

Als Thorez im November 1947 Stalin um »Orientierung« und »Rat« bat, erhielt er zur Antwort, Frankreich habe zwischen »Frieden und Krieg«, zwischen »den Befürwortern des Friedens und den Befürwortern des Kriegs« zu wählen. Da dürfe es kein Schwanken geben. Der Kampf gegen den Marshallplan müsse unter der Parole der nationalen Unabhängigkeit geführt werden. Man solle dem Volk erklären, Kredite seien an sich zwar gut, doch die gestellten Bedingungen müssten sich mit der Souveränität des Landes vereinbaren lassen. Die Kommunisten sollten im Kampf für die Durchsetzung dieses Ziels alle politischen Kräfte hinter sich bringen. Thorez sprach von sich aus den in seiner Partei umstrittenen Verzicht auf den Einsatz von Waffengewalt im Jahr 1944 an und verteidigte das damalige Verhalten mit dem Argument, man habe auf die internationale Situation Rücksicht nehmen müssen. Die Erwiderung des sowjetischen Führers ließ nicht erkennen, ob die KPF nunmehr, da keine Truppen der USA und Großbritanniens mehr im Lande standen, eine bewaffnete Erhebung vorbereiten sollte.

Stalin bestand allerdings darauf, dass die kommunistischen Parteien in Westeuropa nicht waffenlos bleiben dürften. Im Zuge der sich verschärfenden Ost-West-Konfrontation sei ihre Existenz bedroht, daher müssten sie sich auf eine Tätigkeit im Untergrund vorbereiten. Das erfordere auch, so ließ er durchblicken, dass sie sich verteidigen könnten. Thorez wich der Frage, was er in dieser Hinsicht zu tun gedenke, mit dem Hinweis aus, zwei leitende Kader seien zu Hause schon dabei, das Problem zu prüfen. Der Kremlchef betonte daraufhin, auf militärische Ausrüstung und Organisation könne man nicht verzichten. Die französischen Genossen dürften nicht wehrlos dastehen, wenn der Feind sie angreife. Notfalls werde die UdSSR sie mit Waffen versorgen. Das Thema wurde nicht weiter vertieft, doch erklärten beide, sie wollten hinsichtlich der erforderlichen Maßnahmen weiter im Gespräch bleiben. Unklar blieb, inwieweit die KPF militärisch die Initiative ergreifen sollte.17

Der italienische Parteichef Togliatti ließ dem Kreml im Dezember 1947 durch Pietro Secchia vorsorglich mitteilen, er zögere, einen Bürgerkrieg ins Auge zu fassen. Stalin war zwar mit seiner Haltung einverstanden, machte aber wie zuvor gegenüber Thorez geltend, man müsse sich auf den Fall eines feindlichen Angriffs vorbereiten. Die Radikalen in der KPI, die sich seit längerer Zeit auf einen bewaffneten Konflikt mit den Rechtskräften ihres Landes eingestellt hatten, sahen sich dadurch in ihrer Kampfeslust ermutigt. Togliatti rechnete zwar mit allen Eventualitäten, wollte es aber nicht auf einen Bürgerkrieg ankommen lassen. Der bis zum Frühjahr 1948 fortgesetzte Meinungsaustausch mit Moskau führte zu keinem Ergebnis.18 Als sich der Ost-West-Konflikt danach weiter verschärfte, suchte Stalin die Genossen in Rom erneut davon zu überzeugen, dass sie sich bewaffnen müssten. Der italienische Parteichef ließ sich jedoch nicht auf außerlegale Aktivitäten ein.19

Wollte der sowjetische Führer mit seinem beharrlichen Drängen die Kommunisten in Italien und Frankreich zu einem baldigen Aufstand veranlassen? Das ist wenig wahrscheinlich. Eine bewaffnete Aktion hätte zwar vermutlich die Konsolidierung der westeuropäischen Verhältnisse sehr gestört und damit der Linie von Szklarska Poręba entsprochen, doch das wäre ein Abenteuer geworden, das die Existenz beider Parteien aufs Spiel gesetzt hätte. Stalin neigte aber generell zu großer Vorsicht und wollte keine unkalkulierbaren Risiken eingehen. Anders sah die Sache aus, wenn es zu einem Krieg kam, was der Kremlherrscher zwar in naher Zukunft nicht wollte, aber durch sein herausforderndes Vorgehen, vor allem in Berlin, riskierte und zudem auf der Grundlage seines ideologischen Weltbilds als langfristig unausweichlich ansah. Er hielt es jedoch für wahrscheinlich, dass es zunächst innerhalb des westlichen Lagers zu einem militärischen Konflikt kommen würde. Die UdSSR solle dann eingreifen, wenn die kämpfenden Seiten erschöpft seien und sich die klassenbewussten Arbeiter in den Krieg führenden Ländern erhöben.20 Wenn es zu einem derartigen Krieg mit dem Westen, verbunden mit dem erwarteten Aufstand, kommen sollte, erschien es Stalin wichtig, im Lager des westlichen Feindes bewaffnete Kräfte zu wissen, die mit den sowjetischen Interventen gemeinsame Sache machen würden. Die Führer der KPF und KPI waren jedoch nicht bereit, sich und ihre Gefolgschaft der Gefahr auszusetzen, in die sie sich mit militärischen Vorkehrungen unausweichlich gebracht hätten.

Mit der Ablehnung von Stalins Aufforderung schlugen Thorez und Togliatti gleichwohl keinen Gegenkurs zu der Linie ein, die auf der Kominform-Konferenz festgelegt worden war. Weder dort noch in den folgenden Gesprächen mit Stalin hatte es geheißen, der seit 1944 beschrittene »parlamentarische Weg« müsse verlassen und durch den seinerzeit unterbliebenen sofortigen Griff zu den Waffen ersetzt werden. Das wäre, wie man auch im Kreml wusste, auf einen Selbstmord der kommunistischen Parteien im Westen hinausgelaufen. Nach Ansicht des sowjetischen Führers sollten sie trotz der neu zugewiesenen Aufgabe, nicht mehr erst später, sondern bereits aktuell auf die Ausschaltung des kapitalistischen Systems und seiner Exponenten hinzuarbeiten, die Möglichkeiten nutzen, die der Opposition im Westen geboten wurden. Die Weigerung, einen künftigen bewaffneten Kampf vorzubereiten, hinderte KPI und KPF nicht daran, sich auf dem »parlamentarischen Weg« um eine Umwälzung der politischen Verhältnisse zu bemühen. In Frankreich und noch mehr in Italien, wo den Kommunisten die kooperationswilligen Nenni-Sozialisten zur Seite standen, gab es durchaus eine Chance, mithilfe des Stimmzettels die Mehrheit zu gewinnen. Die italienischen Wahlen im April 1948 hätte das Linksbündnis um ein Haar gewonnen. Der innenpolitische Gegner, die Democrazia Cristiana, warf ihm vor, die für das Land dringend benötigte Marshallplan-Hilfe abzulehnen. Togliatti hoffte, die Wirkung des Arguments durch Lieferung von Lebensmitteln und wirtschaftliche Unterstützung aus der UdSSR konterkarieren zu können. Stalin lehnte jedoch jede Hilfe ab; die Wähler entschieden sich für die Christdemokraten.21

Stalins vergebliches Bemühen um Togliatti

Stalins Vorgehen, namentlich der mit maßgeblicher Unterstützung der sowjetischen Geheimpolizei durchgeführte kommunistische Putsch in Prag im Februar 1948 und die vier Monate später voll einsetzende Berlin-Blockade, gaben den Verhandlungen über ein Bündnis Westeuropas mit den USA entscheidende Impulse. Als sich die Gründung des – dann am 4. April 1949 abgeschlossenen – Nordatlantikpakts abzeichnete, sah man das im Kreml zwar als gravierende politische Herausforderung, doch nicht als militärische Bedrohung, denn die Mitgliedsstaaten des neuen Bündnisses ließen keinen Ausbau ihrer schwachen Streitkräfte folgen. Demgemäß reagierte die Führung in Moskau politisch. Am 6. Januar 1949 rief sie zur Gründung eines Weltfriedenskongresses auf, um die »gesellschaftlichen Kräfte« zu mobilisieren, »die den Frieden verteidigen und die Kriegstreiber zähmen«. Als Gefahren, die es abzuwehren galt, wurden vor allem die im Entstehen begriffene atlantische Allianz und die amerikanische Atombombe (der die UdSSR damals noch nichts entgegenzusetzen hatte) herausgestellt.22 Der Kongress fand vom 20. bis 25. April mit dem Ziel statt, »soweit wie möglich die breiten Massen und die demokratischen Kreise aller Länder in eine Kampagne zur Sicherung des Friedens einzubeziehen«. Der – in Moskau vorher formulierte – Appell entsprach diesem Aktionsprogramm.23 Auf der 3. Kominform-Konferenz vom 16. bis 19. November 1949 wurde ihm nochmals Nachdruck verliehen.24 Mit einer Stellungnahme von Thorez, in der er einen Krieg als zwar drohend, aber nicht unausweichlich bezeichnete, eröffneten die kommunistischen Parteien den Propagandafeldzug gegen das »aggressive« atlantische Bündnis.25 KPI-Leitungsfunktionär Gian Carlo Pajetta erläuterte, es gehe darum, die kriegslüsternen Kräfte, zu denen die westlichen Regierungen erklärt worden waren, in eine »schwierige Lage« zu versetzen.26

Der Abschluss des Nordatlantikpakts zog keine militärischen Vorbereitungen der beteiligten Staaten nach sich, obwohl die UdSSR, von der man sich bedroht fühlte, trotz Reduzierung des Mannschaftsbestandes nach 1945 und ausrüstungsbedingt geringer Kampffähigkeit über weit stärkere Streitkräfte auf dem Kontinent verfügte. Im Kriegsfall hätten sowjetische Truppen rasch bis zum Atlantik vordringen können. Die Regierungen im Westen wollten aber größere Verteidigungslasten vermeiden und glaubten, die vertragliche Beistandszusage der USA, die das Atomwaffenmonopol besaßen und aufgrund ihrer enormen Ressourcen notfalls rasch aufrüsten konnten, werde den Kreml von einem Angriff abhalten. Diese Zuversicht schwand, als Nordkorea – mit Stalins Billigung, wie man richtig vermutete – im Juni 1950 den südlichen Landesteil überfiel. Was im geteilten Korea möglich war, sorgte man sich nun, könnte auch im geteilten Deutschland geschehen und zum Auftakt für die Eroberung Westeuropas durch die UdSSR werden. Diese Überlegungen führten Anfang 1951 zum Aufbau einer integrierten Militärorganisation unter amerikanischem Oberbefehl. Die USA schickten neu aufgestellte Kampfverbände, die europäischen Verbündeten rüsteten quantitativ und qualitativ auf, und ein Wehrbeitrag der Bundesrepublik, die man bis dahin hatte entmilitarisiert halten wollen, wurde mit Nachdruck angestrebt.

Stalin sah in dieser Entwicklung einen Beweis für den »aggressiven Charakter«, den er dem westlichen System seit je ideologisch zugeschrieben hatte. Er hielt es nun für möglich, dass der Krieg mit den »imperialistischen Mächten«, den er bis dahin auf lange Sicht erwartet hatte, schon bald ausbrechen könnte. Da die UdSSR die durch die Verheerungen des Zweiten Weltkrieges hervorgerufene innere Schwäche noch keineswegs überwunden hatte, sah er die Entwicklung mit großer Sorge.27 Seine erste Reaktion war, die kommunistischen Reihen zu schließen. Das Kominform, das wegen des Konflikts mit Tito von Belgrad nach Bukarest verlegt worden war und die ihm zugedachte Kontrollaufgabe schlechter erfüllte als erwartet, sollte zur Zentrale einer effizienten Lenkung der »verbündeten« politischen Kräfte im Westen ausgebaut werden und einen bei den »Bruderparteien« allgemein als Autorität anerkannten Chef erhalten. Um eng mit dem Kreml verbunden und vor fremder Einwirkung geschützt zu sein, wie einst die Komintern, sollte es nach Moskau umziehen.

Da Thorez erkrankt war, kam nur Togliatti als Leiter in Betracht. Dieser weigerte sich jedoch mit der Begründung, er sehe seinen Platz im Kampf gegen den »Imperialismus« in seiner Heimat. In mehreren Unterredungen Ende 1950 und Anfang 1951 bezeichnete es Stalin ihm gegenüber als unerlässlich, dass er im Kriegsfall dem westlichen Feind nicht in die Hände falle und der sowjetischen Führung zur Seite stehe. Mit Nachdruck suchte er ihn immer wieder zur Übernahme der ihm zugedachten Leitungsfunktion zu bewegen, stieß aber auf beharrliche Ablehnung. Daraufhin gab Stalin das Vorhaben insgesamt auf.28 Das Kominform spielte von da an keine Rolle mehr in der Politik des Kremlherrschers und seiner Nachfolger. Es stellt sich die Frage, welche Motive den italienischen Parteichef dazu bewogen, dem Druck des sowjetischen Führers standzuhalten. Vermutlich stand ihm das Schicksal vieler vollkommen loyaler kommunistischer Leitungsfunktionäre vor Augen, die im Machtbereich der UdSSR einer ebenso willkürlichen wie brutalen Verfolgung ausgesetzt waren.29 Niemand im Umkreis Stalins, wie immer er sich verhalten mochte, war vor dessen geradezu wahnhafter Neigung sicher, Mitarbeiter und Mitstreiter zu diffamieren, zu erniedrigen, zu quälen und zu vernichten.30

Nachdem der Versuch gescheitert war, die auswärtigen kommunistischen Parteien mithilfe eines reorganisierten Kominform zu einer politisch geschlossenen, einheitlich agierenden Front zusammenzuschweißen, fiel den Genossen im Westen nur noch die Aufgabe zu, die Aufrüstung des »imperialistischen Lagers«, insbesondere die »Remilitarisierung Westdeutschlands«, propagandistisch zu bekämpfen. Ein weitergehender Beitrag zum »Kampf für den Frieden« wurde von ihnen nicht mehr erwartet. Stalin richtete sein Augenmerk fortan darauf, die Bindungen der osteuropäischen Gefolgschaftsstaaten an die UdSSR zu festigen und seine Streitkräfte zu stärken. Anfang Januar 1951 verpflichtete er die »Bruderländer« zu massiver Aufrüstung und zur Bildung eines militärischen Koordinationsgremiums, das weithin Funktionen des Warschauer Pakts vorwegnahm.31

Fazit

»Dieser Krieg ist nicht wie in der Vergangenheit; wer immer ein Gebiet besetzt, erlegt ihm auch sein eigenes gesellschaftliches System auf. Jeder führt sein eigenes System ein, so weit seine Armee vordringen kann. Es kann gar nicht anders sein.«32 Mit diesen Worten beschrieb Stalin im April 1945 den Leitgedanken seiner Politik in Europa. Der Auf- und Ausbau der sowjetischen Macht in den eroberten Ländern hatte unbedingten Vorrang; die Interessen der westeuropäischen Kommunisten hatten zurückzustehen. Sie wurden nur berücksichtigt, wenn dies das Vorgehen in den sowjetisch besetzten Gebieten nicht behinderte. Daran hatten die »Bruderparteien« ihr Verhalten auszurichten. Dem Verhältnis der UdSSR zu den Westmächten kam dabei entscheidende Bedeutung zu. Solange Stalin die Unterwerfung und Transformation der osteuropäischen Länder im Einvernehmen mit den USA und Großbritannien anstrebte, hatten die Genossen in Italien, Frankreich, Belgien usw. im Rahmen des Systems zu agieren, das deren Vorstellungen entsprach. Als er dann die westliche Politik als Gefahr für seine Herrschaft über Osteuropa ansah, suchte er den »Bruderparteien« einen möglichst totalen Konfrontationskurs aufzunötigen.

In der ersten Phase ließ sich ziemlich leicht Übereinstimmung herstellen. Wie Stalin lehnten auch Togliatti und Thorez 1944 das Bestreben der Heißsporne unter ihren Anhängern ab, die Bewaffnung und Kampfkraft, die ihre Parteien im Partisanenkampf gegen die deutschen Okkupanten errungen hatten, für den Griff nach der Macht im Staate einzusetzen. Das Risiko erschien ihnen zu groß. Sie waren eher geneigt, die Chancen zu nutzen, die sich ihnen auch als Minderheit bei einer Regierungsbeteiligung boten. Nachdem Stalin jedoch dem Westen 1947 in aller Form den Kampf angesagt hatte, machten sie zwar den Kurswechsel mit, waren aber nicht bereit, eine innerstaatliche Konfrontation mit allen Mitteln vorzubereiten, die ihnen der Kremlherrscher wegen des erwarteten künftigen Kriegs mit dem Westen aufnötigen wollte. Auch wenn sie nicht länger in der Regierung saßen, sondern sich in der Opposition wiederfanden, wollten sie lieber am »parlamentarischen Weg« festhalten, als alle Brücken zum demokratischen System abzubrechen. Der italienische Parteichef weigerte sich auch, als Leitfigur der internationalen kommunistischen Bewegung zu fungieren, die von Moskau aus unter sowjetischer Kontrolle gegen den Westen operieren sollte. Trotz dieser Absagen blieben KPI und KPF weiter Stalins Verbündete. Für Moskau spielten sie nun eine noch nachrangigere Rolle als zuvor schon, sodass sie fortan nur noch als Instrumente der sowjetischen Auslandspropaganda Verwendung fanden.


1 Siehe hierzu näher die Ausführungen Stalins in Gesprächen mit B. Bierut und E. Osóbka-Morawski am 24. Mai 1946 und mit E. Osóbka-Morawski, St. Szwalbe und J. Cyrankiewicz am 19. August 1946, ausweislich der sowjetischen Protokolle, wiedergegeben in: Vostočnaja Evropa v dokumentach rossijskich archivov 1944–1953 [Osteuropa in Dokumenten russischer Archive 1944–1953], Bd. 1: 1944–1948, Novosibirsk, Moskau 1997, S. 457 ff. u. S. 511 sowie gegenüber G. Dimitrov am 2. September 1946, zitiert in: Leonid Gibjanskij: Osteuropa: Sicherheitszone der UdSSR, sowjetisiertes Protektorat oder Sozia­lismus »ohne Diktatur des Proletariats«? Zu den Diskussionen über Stalins Osteuropa-Politik am Ende des Zweiten Weltkrieges und am Anfang des Kalten Krieges, in: Forum für osteuropäische Ideen- und Zeit­geschichte, 8. Jg. (2004), H. 2, S. 136 f. Siehe auch die Darstellungen bei T. V. Volokitina / G. P. Muraško / A. F. Noskova: Narodnaja demokratija: Mif ili real’nost’? [Die Volksdemokratie: Mythos oder Realität?], Moskau 1993, S. 236–239 u. 305–312; T. V. Volokitina: Stalin i smena strategičeskogo kursa Kremlja v konce 40-ch godov: ot kompromissov do konfrontacii [Stalin und die Veränderung des strategischen Kurses des Kreml Ende der Vierzigerjahre: von den Kompromissen zur Konfrontation], in: A. O. Čubar’jan (Hg.): Stalinskoe desjatiletie cholodnoj vojny. Fakty i gipotezy [Das Stalin-Jahrzehnt des Kalten Krieges. Fakten und Hypothesen], Moskau 1999, S. 13–18.

2 Ebd., S. 13 f.; siehe auch V. K. Volkov: Uzlovye problemy novejšej istorii Central’noj i Jugo-Vostočnoj Evropy [Schlüsselprobleme der neuesten Geschichte Mittel- und Südosteuropas], Moskau 2000, S. 59–81.

3 Diese Annahme hatte ihm Präsident Roosevelt in Jalta bestätigt, siehe Foreign Relations of the United States. Diplomatic Papers. The Conferences at Malta and Yalta 1945, Department of State Publication 6199, Washington, D. C. 1955, S. 701 f.; Sovetskij Sojuz na meždunarodnych konferencijach perioda Velikoj otečestvennoj vojny 1941–1945 gg., Bd. IV: Krymskaja konferencija rukovoditelej trech sojuznych deržav – SSSR, SŠA i Velikobritanii (4–11 fevralja 1945g.). Sbornik dokumentov [Die Sowjetunion auf den internationalen Konferenzen der Periode des Großen Vaterländischen Krieges 1941–1945, Bd. IV: Die Krimkonferenz der Führer der drei verbündeten Mächte UdSSR, USA und Großbritannien (4.–11. Februar 1945). Dokumentensammlung], Moskau 1984, S. 66.

4 Empfehlungen einer Kommission des NKVD, Januar 1944, zitiert in: V. V. Mar’ina: Sovetskij Sojuz i Čechoslovakija. 1945 god [Die Sowjetunion und die Tschechoslowakei. Das Jahr 1945], in: Novaja i novejšaja istorija, 3 / 2005, S. 10.

5 Siehe Silvio Pons: Stalin, Togliatti, and the Origins of the Cold War in Europe, in: Journal of Cold War Studies, 3. Jg. (2001), H. 2, S. 3–11.

6 Ausführungen Stalins im Gespräch mit M. Thorez am 19. November 1944 ausweislich des sowjetischen Protokolls, wiedergegeben in: Vestnik Archiva Prezidenta Rossijskoj Federacii (Beiheft zur Zeitschrift Istočnik), 5 / 1996, S. 152–158.

7 Ausführungen Stalins im Gespräch mit Ch. de Gaulle am 26. November 1944 ausweislich des sowjetischen Protokolls, wiedergegeben in: Vestnik Archiva Prezidenta Rossijskoj Federacii (Beiheft zur Zeitschrift Istočnik), 4 / 1996, S. 152–158. Zum politischen Kontext siehe Stéphane Courtois: Thorez, Stalin und Frankreichs Befreiung im Lichte von Moskauer Archiven, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung (im Folgenden: JHK) 1998, S. 77 f.; Philippe Robrieux: Histoire intérieure du parti communiste, Bd. II: 1945–1972, Paris 1981, S. 79 ff.

8 Gerhard Wettig: Beneš – Stalins Gehilfe bei der Sowjetisierung der Tschechoslowakei, in: Historisch-Politische Mitteilungen, 2006, S. 271–280.

9 M. M. Narinskij: SSSR i »plan Maršalla« [Die UdSSR und der »Marshallplan«], in: ders. (Hg.): Cholodnaja vojna. Novye podchody, novye dokumenty [Der Kalte Krieg. Neue Herangehensweisen, neue Dokumente], Moskau 1975, S. 157–168.

10 Siehe Grant M. Adibekov: Das Kominform und Stalins Neuordnung Europas, Frankfurt a. M. 2002, S. 59–86.

11 Ausführungen von G. M. Malenkov, 22. September 1947, wiedergegeben in: Giuliano Procacci (Hg.): The Cominform. Minutes of the Three Conferences 1947 / 1948 / 1949 (zweisprachige Ausgabe des russischen Originaltexts mit englischer Übersetzung), Mailand 1994, S. 64–94. Alle Zitate im vorliegenden Beitrag wurden vom Autor übersetzt.

12 Ausführungen von A. A. Ždanov, 25. September 1947, ebd., S. 216–250.

13 Ebd., S. 248–251.

14 Bericht von J. Duclos an die Führung der KPF (in russischer Übersetzung), wiedergegeben in: V. S. Lel’čuk / E. I. Pivovar: SSSR i cholodnaja vojna [Die UdSSR und der Kalte Krieg], Moskau 1995, S. 85.

15 Sowjetische Aufzeichnung über das Gespräch I. V. Stalin – M. Thorez, 18. November 1947, wiedergegeben in: Istoričeskij archiv 1 / 1996, S. 5 f.

16 Bericht von J. Duclos an die Führung der KPF (Anm. 14), S. 85.

17 Gespräch I. V. Stalin – M. Thorez, 18. November 1947 (Anm. 15), S. 6–21.

18 Pons: Stalin, Togliatti, and the Origins (Anm. 5), S. 18–21.

19 Ebd., S. 23 f.

20 Diese Vorstellung hatte Stalin in den Zwanzigerjahren entwickelt. Im Blick darauf hatte er 1939 Hitler durch Abschluss des Nichtangriffspakts zum Aggressionskrieg ermutigt und, nachdem seine Rechnung 1941 nicht aufgegangen war, dennoch darauf gehofft, dass der zunehmende Stress des Krieges das deutsche Proletariat zum Aufstand gegen das kapitalistische System veranlassen werde. Nach 1945 hielt er daran fest, dass sich dessen im Zweiten Weltkrieg nur regional in Osteuropa herbeigeführter Zusammenbruch in einem dritten Weltkrieg vollenden werde. Siehe u.a. Rede Stalins in seinem Moskauer Wahlkreis, 9. Februar 1946, in: Pravda vom 10. Februar 1946; Ausführungen Stalins auf dem XIX. Parteitag der KPdSU, 2. Oktober 1952, in: Pravda vom 3. Oktober 1952.

21 Pons: Stalin, Togliatti, and the Origins (Anm. 5), S. 20 f.

22 Pravda vom 7. Januar 1949.

23 Deklaration des Weltfriedenskongresses, 26. April 1949, in: Pravda vom 27. Januar 1949.

24 Siehe Leonid Gibianskii: The Last Conference of the Cominform, in: Procacci: The Cominform (Anm. 11), S. 651; Adibekov: Das Kominform (Anm. 10), S. 198–201. Text der Protokolle der 3. Kominform-Konferenz in: Procacci: The Cominform (Anm. 11), S. 671–1003.

25 Irwin M. Wall: French Communism in the Era of Stalin. The Quest for Unity and Integration, 1945–1962, Westport / CT, London 1983, S. 97.

26 Siehe Vojtech Mastny: NATO in the Beholder’s Eye: Soviet Perceptions and Policies, 1949–56. Working Paper of the Cold War International History Project No. 35, Washington, D. C. 2002, S. 10.

27 Siehe N. I. Egorova: Evropejskaja bezopasnost’ i ugroza NATO v ocenkach stalinskogo rukovodstva [Die europäische Sicherheit und die Bedrohung durch die NATO in der Bewertung der Stalin-Führung], in: Čubar’jan, Stalinskoe desjatiletie (Anm. 2), S. 68 f.; Edvard Radzinsky: Stalin. The First In-Depth Biography Based on Explosive New Documents from Russia’s Secret Archives, London 1996, S. 551; Helmut Müller-Enbergs: Wirken und Sturz Wilhelm Zaissers, in: Roger Engelmann (Hg.): Volkserhebung gegen den SED-Staat, Göttingen 2005, S. 157 f.

28 Siehe Pons: Stalin, Togliatti, and the Origins (Anm. 5), S. 24 f.; Adibekov: Das Kominform (Anm. 10), S. 304–318; rückblickende Darlegungen von Togliattis Lebensgefährtin Leonilde Jotti und seiner Parteifreunde Giorgio Amendola, Pietro Secchia und Alessandro Natta (in deutscher Übersetzung) in: Osteuropa 10 / 1970, S. A 703–718.

29 Siehe insbes. A. F. Noskova: Moskva i vostočnja Evropa. Postanovlenie političeskich režimov sovetskogo tipa, 1949–1953. Očerki istorii [Moskau und Osteuropa. Die Etablierung politischer Regime des sowjetischen Typs 1949–1953. Geschichtliche Umrisse], Moskau 2002. Siehe auch Ulrich Mählert: Der »Fall Lohagen« und der Machtkampf im SED-Politbüro zur Jahreswende 1951 / 52, in: JHK 2008, S. 131–145.

30 Siehe A. V. Pyžikov: Poslednie mesjacy diktatora (1952–1953 gody) [Die letzten Monate des Diktators (1952–1953)], in: Otečestvennaja istorija 2 / 2002, S. 152–158; A. A. Danilov / A. V. Pyžikov: Roždenie sverchderžavy. SSSR v poslevoennye gody [Die Entstehung einer Supermacht. Die UdSSR in den Nachkriegsjahren], Moskau 2001, S. 195–276; Ju. N. Žukov: Bor’ba za vlast’ v rukovodstve SSSR v 1945–1952 godach [Der Machtkampf in der Führung der UdSSR 1945–1952], in: Voprosy istorii 1 / 1995, S. 23–29; R. A. Medvedev: Oni okružali Stalina [Sie umgaben Stalin], Moskau 1990.

31 Siehe Gerhard Wettig: Stalins Aufrüstungsbeschluss. Die Moskauer Beratungen mit den Parteichefs und Verteidigungsministern der »Volksdemokratien« vom 9. bis 12. Januar 1951 (mit rumänischem Protokoll), in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 4 / 2005, S. 635–650.

32 Stalin während eines informellen Gesprächs im engen Kreis mit Tito und zwei anderen Führern der jugoslawischen KP am 11. April 1945 oder kurz danach, wiedergegeben in: Milovan Djilas: Gespräche mit Stalin, Frankfurt a. M. 1962, S. 146.

Inhalt – JHK 2010

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