Seit dem Ende der DDR und der Öffnung der Archive steht der deutsche Arbeiter- und Bauernstaat im Mittelpunkt der zeitgeschichtlichen Forschung. Trotz mancher Aktenvernichtungen im Zuge der Ereignisse von 1989 besteht kein Mangel an Quellen. Entsprechend vielfältig und facettenreich präsentieren sich die Studien. Archivwissenschaftliche und quellenkundliche Fragestellungen werden allerdings kaum bearbeitet – gerade sie sind aber für jeden Historiker hilfreich, insbesondere wenn er sich zum ersten Mal mit SED-Unterlagen befasst.
Die SED-Überlieferung in den Staatsarchiven der neuen Bundesländer und in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) ist etwas ganz Besonderes, handelt es sich doch heute um ein »Archiv im Archiv«. Dies sollte nicht nur Thema für Archivare sein, sondern gerade auch für Historiker. Die SED-Bestände, wie wir sie jetzt vorfinden, sind in hohem Umfang in der DDR von Parteiarchivaren bearbeitet worden. Dies gilt vor allem für die ehemaligen SED-Bezirksparteiarchive, die sich heute in den Staatsarchiven befinden, weniger jedoch für die Unterlagen der zentralen Ebene, die bei der SAPMO vorgehalten werden. Die Stiftung hat, im Unterschied zu den Staats- bzw. Landesarchiven in den neuen Bundesländern, in den letzten 17 Jahren eine erhebliche Erschließungsleistung auf diesem Gebiet vollbracht. Unabhängig davon muss uns interessieren, nach welchen Kriterien die früheren Parteiarchivare gearbeitet haben. Dies betrifft insbesondere Fragen danach, wie sie Bestände bildeten, und welche Unterlagen sie als nicht archivwürdig bewertet haben.
Eine Besonderheit ist für jeden Archivbenutzer schon bei der Aktenbestellung erkennbar, plagen ihn doch umständliche Signaturen, wie z. B. IV/A 2/1/234. Grundlage dafür ist das Zeitscheibensystem, es ist der Schlüssel zum Verständnis dieser Signaturen und erklärt deren Logik.1 Die Zeitscheibenstrukturierung folgt dem Geschichtsverständnis der SED, das den Parteitagen eine entscheidende Bedeutung zumaß. Geschichte wurde als ein sich in Etappen vollziehender revolutionärer Prozess gesehen. Insofern wurden die Unterlagen, die zur Dokumentation einer bestimmten historischen Phase beitrugen, durch die Zeitscheibenstrukturierung entsprechend einheitlich gekennzeichnet. Sie markieren die Umsetzung von Parteitagsbeschlüssen. Bei der Formierung der Überlieferung mussten die Parteiarchivare erkennen, dass Unterlagen aus den Jahren der Anfangs- und Endpunkte einer Zeitscheibe sich nicht teilen lassen, ohne Zusammenhänge zu zerstören.2
Effektive Spurensuche – Sekretariatsprotokolle und ihre Grenzen
»Protokolle« und »Berichte« sind die dominierenden Unterlagengruppen des SED-Archivgutes, soweit es sich um die Überlieferung auf Bezirks- und Kreisebene handelt. Auf der zentralen Ebene findet sich diese Dominanz nur in abgeschwächter Form. Dies trifft auch auf die Massenorganisationen und bedingt auf die staatlichen Organe der DDR zu. Die Dominanz dieser Unterlagengruppen korreliert mit dem politischen System des SED-Staates und hier insbesondere mit dem sogenannten demokratischen Zentralismus und der damit verbundenen Anleitung und Kontrolle.3 Auch wenn es beim ersten Blick in SED-Unterlagen kaum spürbar ist, die Unterlagenstruktur weist dem Historiker den Weg zur Anatomie der Macht.
Auf Ebene der SED-Bezirksleitungen ermöglichen die Protokolle der Sekretariatssitzungen grundsätzlich einen effektiven Zugang zur Überlieferung, war doch das Sekretariat der Brückenkopf der Bezirksleitung (BL) und zugleich Scharnier zwischen der zentralen Ebene und den Kreisleitungen. Dies gilt aber nur, wenn es um die großen Zäsuren in der DDR-Geschichte geht, bei detaillierteren Fragestellungen ist der Weg über diesen Einstieg zu relativieren und der Fokus auf die Unterlagengruppe »Berichte und Informationen« zu richten.
Bei den Sekretariatsprotokollen handelt es sich stets um Beschlussprotokolle, d. h., dass der Entscheidungsprozess intransparent bleibt. Der Wert der Protokollüberlieferung ergibt sich aus den zahlreichen Anlagen, bestehend aus Beschlussvorlagen inklusive Berichten und Analysen.
Im Staatsarchiv Leipzig sind die über 1000 Protokolle der Sekretariatssitzungen der SED-Bezirksleitung Leipzig neu erschlossen bzw. mit umfangreichen sogenannten Enthält-Vermerken versehen worden.4 Wenn dem Benutzer allerdings – wie immer noch in vielen Staatsarchiven – die flache Erschließung des Parteiarchivs zugemutet wird, muss er viel Geduld aufbringen. Mit einem Titel wie »Protokoll der Sitzung vom …« ohne Hinweise auf die Tagesordnung und Informationen eines Enthält-Vermerks steht er sozusagen vor verschlossener Tür. Angesichts der SED-Terminologie muss der Archivar bei einer Neuverzeichnung auch die SED-Sprache decodieren, um in seinen Enthält-Vermerken Themen anzuzeigen wie den 17. Juni 1953, den Mauerbau 1961, den Prager Frühling 1968 und das Entstehen einer Opposition in Polen seit den Siebzigerjahren. Dies gilt auch für Transformationsprozesse wie die Bodenreform. Aufbau und Entwicklung von LPG, Enteignung und Aufbau einer bezirksgeleiteten volkseigenen Wirtschaft verbunden mit der Zurückdrängung privater Unternehmungen in Handel und Handwerk, damit zusammenhängend Abwanderung bzw. »Republikflucht« – diese Themen sind gerade auf regionaler Ebene reizvoll, da anhand konkreter Beispiele der Bruch gewachsener Strukturen anschaulich wird. Als Beispiele dafür können Etappen und Entwicklungslinien in der Wirtschafts- und Kulturpolitik herangezogen werden: Chemieprogramm; Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung sowie Bedeutung der Mikroelektronik; Bitterfelder Weg und nationale Erbekonzeption; Verhältnis von Staat und Kirche und der Tätigkeit der Jungen Gemeinde; Wohnungsversorgung und Wohnungsbau im Bezirk und Leipzigs Stadtentwicklung; Anleitung und Kontrolle der bezirksgeleiteten Wirtschaft, der SED-Kreisleitungen und des SED-Organs Leipziger Volkszeitung (LVZ); Kulturentwicklung Leipzigs (v.a. Gewandhaus, Kabarett); Leipziger Messe und Ost-West-Handel; Internationale Verbindungen und gesamtdeutsche bzw. Westarbeit, Stellung der Frau, insbesondere in der Landwirtschaft und in VEB; Gedenkkultur, wie z. B. Feiern zum 1. und 8. Mai 1945; Rolle des Sportes und hier auch Phänomene, wie z. B. Gewalt unter Fußballfans ab den späten Achtzigerjahren. Breiten Raum nimmt neben der Versorgung mit Konsumgütern auch das Thema Energieversorgung ein, damit verbunden ist die den Bezirk Leipzig prägende Braunkohlenförderung und ab den Achtzigerjahren die von der Bevölkerung zunehmend beklagte Umweltzerstörung.
Angesichts dieser verbreitet flachen Erschließung mit allgemein formulierten Titeln ohne Enthält-Vermerke der SED-Bestände braucht der Historiker eine detaillierte Recherchestrategie für sein Thema. Zwar findet er in den Protokollen viele Informationen, die Beratung und Entscheidungsfindung des Sekretariats bleibt ihm aber, wie schon beschrieben, dennoch verborgen. Dies ist besonders bitter, weil das Sekretariat ein kollegial verfasstes Organ war, in dem der Erste Sekretär als Primus inter Pares fungierte. Letztlich ging auf ihn die Tagesordnung zurück, die dann zur Beschlussfassung führte. Wie die Tagesordnung aber überhaupt zustande gekommen ist, bleibt uns heute ebenso verborgen wie die Behandlung der Vorlagen. Die Grenzen der Protokollauswertung sind also schnell erreicht, wenn man die »Planungswelt« verlässt und nach Binnensichten des Systems sucht. Umso erstaunlicher ist es, dass sich viele Historiker und vor allem auch Archivare an der Protokollüberlieferung orientieren. Ein Beispiel dafür ist die etwa 1061 Seiten umfassende Edition der Protokolle des Sekretariats der SED-Bezirksleitung Suhl vom Sommer 1952 bis zum 17. Juni 1953.5
Überlieferung mit Transparenzdefiziten – Herausforderung für Archivare und Historiker
Für den Zeithistoriker bietet die klassische Aktenwelt die Chance, Entwicklungen und Entscheidungen in ihrem Ablauf nachzuvollziehen.6 Am Anfang steht in der Regel ein eingehendes Schreiben oder ein Vermerk bzw. ein internes Schreiben. In ihm findet der Historiker den Grund dafür, warum eine Stelle tätig geworden ist. Alle Unterlagen, die zu dieser Sache gehören, sind zusammengefasst bzw. zu einer Akte formiert. Eingangsstempel und Absendervermerke, Paraphen der Bearbeiter, die mit der Sache befasst waren oder um Mitzeichnung gebeten wurden, ermöglichen, den Verlauf der Entscheidungsfindung und den Sachverhalt im Ergebnis zu erkennen. Nicht zuletzt deshalb können Entscheidungsprozesse aus den Akten nachvollzogen, Verantwortliche und Akteure benannt und in ihren möglicherweise konträren Positionen beschrieben werden.
Die SED-Überlieferung kennt keine klassischen Sachakten. Auf der zentralen Ebene findet man allenfalls Akten-ähnliche Unterlagen, etwa in den Büros der ZK-Sekretäre. Die Fokussierung auf Protokolle und Berichte folgte dem sowjetischen Vorbild und entsprach den »Richtlinien zur Systematisierung von Dokumentationsmaterialien in den Parteiarchiven der Gebiets- bzw. Regionskomitees und des ZK der Kommunistischen Parteien der Unionsrepubliken« vom 28. September 1953.7 Der Benutzer von SED-Unterlagen findet also normalerweise Ablagen bzw. Sammlungen von Protokollen und Berichten anstatt Sachakten vor. Daraus ergeben sich Transparenzdefizite, Inhalte bleiben offen und verlangen nach zusätzlicher Recherche.8
Das Fehlen von Sachakten ist nicht das »böse Werk« von Parteiarchivaren, sondern erklärt sich aus dem bewussten Brechen der SED mit den Traditionen des Berufsbeamtentums. Unter der Parole »Kampf dem Bürokratismus« verfolgte die SED seit ihrer Gründung gleich mehrere Ziele, wie z. B.:
– Bruch mit dem Berufsbeamtentum: Mit der Dienstordnung der DDR-Regierung vom
3. November 1949 trat anstelle von Registraturen die Sachbearbeiter- und Sekretariatsablage. Aktenpläne wurden zumeist von den Sekretärinnen in den jeweiligen Organisationseinheiten nach eigenen Vorstellungen erstellt. Allgemeine Aktenpläne erlangten in der Schriftgutverwaltung keine Bedeutung, allenfalls benutzte man Aktenplankennzeichen. Dies war Ausdruck einer willkürlich selektiven Übernahme von Ideen der Büroreform der Zwanzigerjahre.9 »Anti-Bürokratismus« lautete das Schlagwort der SED gegen eine rein »sachliche, fachorientierte und überparteiliche Amtsführung«, es galt den »Typus des unbestechlichen Fachbeamten durch den des parteilichen, gesinnungsloyalen Parteifunktionärs« zu ersetzen.10
– »Kampf dem Bürokratismus« zielte auch auf den Klassenfeind in Westdeutschland. Zugleich diente die Parole aufgrund ihrer Beliebigkeit als Universalwaffe gegen politische Konkurrenten und Andersdenkende in den eigenen Reihen und besonders gegen die Sozialdemokratie, die im Vereinigungsprozess zurückgedrängt werden musste. Ihre Stärke lag gegenüber der KPD in ihrer administrativen Kompetenz, konnte sie doch im ausgehenden Kaiserreich und in der Weimarer Republik im Unterschied zur KPD eine umfassende Verwaltungstradition entwickeln. Dies betraf neben der Arbeit im Parteiapparat, den Gewerkschaften und Kommunalverwaltungen auch ihren Einfluss in den Verwaltungsorganen der örtlichen Krankenkassen.11
Die Milieuunterschiede zwischen SPD und KPD springen besonders ins Auge, wenn man die Überlieferung der Jahre 1945/46 der KPD-Kreisleitung Westsachsen mit der des SPD-Bezirksvorstandes Leipzig vergleicht. In Schreiben der SPD werden Personen mit vollem Namen genannt, die Schriftstücke sind datiert und unterschrieben, und es gelten die Regeln der Orthografie und Grammatik. Bei der KPD wird darauf keine Rücksicht genommen, und in der Ausdrucksweise zeigt sich der Geist der Konspiration. Namen werden mit Anfangsbuchstaben abgekürzt, Schreiben unvollständig oder gar nicht datiert, unvollständig adressiert sowie nur selten unterschrieben.
Schreibarbeit und »beamtenmäßiges« Verhalten waren zu Zeiten Ulbrichts zum Leidwesen des Instituts für Marxismus-Leninismus (IML) verpönt. Die mangelnde Verwaltungserfahrung und die Parole »Kampf dem Bürokratismus« blieben nicht ohne Folgen für die Aktenführung und die Aufbewahrung wie die Archivare des IML Ende der Fünfzigerjahre bei Besuchen in SED-Bezirks- und Kreisleitungen feststellen mussten. Aktenvernichtungen waren die Regel. Sogar Unterlagen der Sekretariate und der Abteilungen, darunter Sekretariatsprotokolle, wurden nach zwei Jahren vernichtet, »damit die Genossen der Kreisleitung bei einem eventuellen Besuch des Genossen Walter Ulbricht nicht als Bürokraten zur Kritik stehen«.12
Auch auf ZK-Ebene und bei den Bezirksleitungen gestaltete sich die Schriftgutverwaltung nach Analysen des IML sehr unübersichtlich. Es gab eine Ablage bei den Abteilungsleitern, meist von den Sekretärinnen verwaltet, daneben Ablagen der Sektoren und Ablagen einzelner Mitarbeiter. Die Registratur der Abteilungsleiter war »in den meisten Fällen nicht das zentrale Informationszentrum. Wichtige Vorgänge (auch wenn sie abgeschlossen sind) befinden sich in den Sektorenregistraturen und bei den einzelnen Mitarbeitern.«13 Die Abteilungssekretärinnen führten teilweise Aktenverzeichnisse, meist in Form einer Aneinanderreihung der verschiedenen Aktenbetreffe ohne jede inhaltliche Gliederung und Gruppierung. Nicht Aufgaben, Sachgebiete oder Organisationseinheiten dienten als strukturierende Ordnungskriterien, sondern die Schriftwechselpartner. Wenn in den Büros kein Platz mehr war, wanderten die Unterlagen entweder in den Müll, auf Dachböden oder in Kellerräume. Dabei wurden die Papiere einfach aufeinandergelegt, ohne Abgabe- und Entstehungszusammenhänge kenntlich zu machen, auch vertrauliche Verschlusssachen (VVS) wurden in den Fünfzigerjahren nicht systematisch abgelegt.14
Die Parteiarchivare warben für Registraturordnungen und Aktenpläne – eine ordentliche Schriftgutverwaltung »als Informationsquelle und Instrument der Kontrolle für die Führungstätigkeit« der Sekretariate.15 Die Einführung der Registraturordnung und des Einheitsaktenplans 1967 markieren Erfolge der Parteiarchivare. Darüber hinaus war ihre Einführung mit dem Aufbau von Altregistraturen gekoppelt, die den Parteiarchivaren unterstanden. Dennoch brachten diese Veränderungen keinen Durchbruch. »Die negative Einstellung zur Schriftgutverwaltung (alter Papierkram) war fest verwurzelt.«16
In den Sechzigerjahren gab es im Staats- und Parteiapparat auch Bemühungen, Datenverarbeitung und Formblätter einzuführen, wie z. B. der ZK-Beschluss vom 18. Dezember 1969 zur »Konzeption für den weiteren Aufbau des komplexen Systems der Informationsverarbeitung der Partei« zeigt. Um Parteibeschlüsse besser zu kontrollieren, wurden auf der Grundlage eines Thesaurus der Parteiführung Informationen gespeichert bzw. mithilfe von Lochkartentechnik erfasst. Dieser technologische Ansatz kann auch als Reaktion auf die Defizite in der Schriftgutverwaltung gesehen werden, in gewisser Hinsicht eine »sozialistische Antwort« auf die vorhandenen Mängel. Zugleich sollte mehr mündlich kommuniziert werden: »Bei der Bearbeitung eines Vorganges muss sich der Bearbeiter stets die Frage stellen, ob es notwendig ist zu schreiben oder ob die Angelegenheit mündlich nicht schneller und besser erledigt werden kann.«17 Ein entscheidender Aspekt mit Folgen in der Praxis, da die einzelnen Machtebenen sich meist in direkter Nachbarschaft befanden. Nicht nur in Leipzig waren SED-Bezirksleitung und der Rat des Bezirkes vis-à-vis, in Karl-Marx-Stadt residierten sie seit 1970 in einem modernen Bau in der Karl-Marx-Allee (heute Brückenstraße).
Abschottung und Geheimnisse statt Transparenz
Trotz des Normierungsprozesses in den ausgehenden Sechzigerjahren kann von einer professionellen bzw. systematischen Schriftgutverwaltung bis zum Ende der DDR nicht gesprochen werden. Das Thema Schriftgutverwaltung war im deutschen Arbeiter- und Bauernstaat bis zuletzt verpönt. 1987 verfügte nur die Hälfte der zentralen Staatsorgane über einen Aktenplan, und selbst diese benutzten ihn nicht immer konsequent. Unüblich war vor allem die Vergabe von laufenden Nummern und damit die Erfassung der konkreten Geschäfte bzw. der gebildeten Akten. Eine solche auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit ausgerichtete Schriftgutverwaltung passte nicht zum System – selbst der abstrakte Einheitsaktenplan war eine »Vertrauliche Verschlusssache«.18 Geheimniskrämerei und Sicherheitsdenken gegenüber dem Klassenfeind, aber auch gegenüber den eigenen Genossen waren über 40 Jahre Alltag. Unterlagen in direkter Verfügungsgewalt der Funktionsträger passten dazu am besten. So war bereits vor Gründung des Zentralen Parteiarchivs mittels ZK-Beschluss vom 19. August 1959 das Interne Parteiarchiv gegründet worden, das auch SED-Historikern verschlossen blieb. Angesiedelt war es im Büro des Politbüros zur Sicherung und Verzeichnung der in den politischen Führungsgruppen ZK, Politbüro und Sekretariat des ZK entstandenen Dokumente, sofern sie als vertraulich und geheim eingestuft wurden.19
Transparenzverluste als Folge des Auseinandernehmens und nachträglichen
Formierens von Akten
Die schon bestehenden Transparenzdefizite wurden von den SED-Parteiarchivaren vor allem auf Bezirksebene ohne böse Absicht noch erhöht, indem sie die vorhandenen Akten auf Protokoll- und Berichtsablagen reduzierten. So vernichteten sie Anschreiben und Notizen, weil sie im Sinne der sogenannten »Min/Max-Methode« mit einem Minimum an Überlieferung ein Maximum an Information bieten wollten.20 In der Praxis bedeutete dies das »Auseinandernehmen von Akten« mit dem Ziel, Archivalieneinheiten als »Informationsspeicher« zu bilden. Ebenso problematisch: Für die innere Ordnung eines Bestandes war nicht maßgeblich, bei welchem Strukturteil bzw. welcher Organisationseinheit Unterlagen geführt wurden, sondern ihre Pertinenz bzw. Thematik war für die Umordnung bestimmend.
Zum Auseinandernehmen kam das Neuformieren von Akten. Einzelne Archivalieneinheiten enthalten in der Regel Unterlagen verschiedener Organisationseinheiten der SED-Bezirksleitung. Diese Unterlagen sind nicht bei den einzelnen Stellen gesammelt worden, sondern der Parteiarchivar hat Unterlagen verschiedener Organisationseinheiten zu einer Archivalieneinheit zusammengefügt. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen sind die Mängel in der Schriftgutverwaltung selbst zu sehen. Das zentral vorgegebene innere Ordnungsschema (Systematik, Klassifikation) berücksichtigte, wie bereits beschrieben, nicht Organisationseinheiten, sondern vor allem Unterlagengruppen wie Protokolle und Berichte sowie Sachbegriffe wie »Internationale Verbindungen«, »Agitation und Propaganda« und »Zusammenarbeit mit Massenorganisationen und Blockparteien«.
Angesichts des hohen Stellenwertes von Agitation und Propaganda ist die diesbezügliche Überlieferung in ihrem Umfang wie in ihrer inhaltlichen Qualität zunächst enttäuschend. Bei der SED-Bezirksleitung Leipzig sind 369 Archivalieneinheiten dazu vorhanden, davon ca. 230, die sich vor allem auf die Durchführung des Parteilehrjahres in den Grundorganisationen und das Parteischulsystem beziehen. Dies lässt sich wie folgt erklären: Unterlagen des Sekretärs für Agitation und Propaganda und der dazugehörigen Abteilung verbergen sich hinter vielen anderen Klassifikationspunkten genauso, wie unter dem Klassifikationspunkt Agitation und Propaganda wiederum Unterlagen des Sekretärs für Landwirtschaft zu finden sind. Ebenso sind Unterlagen der Abteilung Agitation und Propaganda unter dem Klassifikationspunkt Westarbeit abgelegt.
Agitation und Propaganda standen für die SED und ihre Kontakte in die Westzonen und die spätere Bundesrepublik von Anfang an im Mittelpunkt.21 So unterhielt die SED-Bezirksleitung Leipzig seit ihrer Bildung 1952 vereinzelt Kontakte nach Bayern, Hamburg, ins Saarland und nach Rheinland-Pfalz,22 entsprechende Aktivitäten bestanden jedoch auch schon zu Zeiten der SED-Landesleitung. Am intensivsten waren aber schon damals die Bemühungen um das Ruhrgebiet.23 So mag es für manchen Historiker eher überraschend sein, aber die SED-Bestände eröffnen damit auch wertvolle Einblicke in die SPD-Landesverbände und den DGB mit seinen Industriegewerkschaften.
SED-Überlieferung als Füllhorn für Forschungen zur SPD-Geschichte?
Die Westarbeit begann schon mit der Gründung der SED, die bestrebt war, in den Westzonen eine Zusammenarbeit von SPD und KPD bis zur Vereinigung beider Parteien voranzutreiben und insbesondere die SPD zu unterwandern. Dazu war am 31. August 1948 die Westabteilung im Sekretariat des ZK der SED gebildet worden. Sie wurde im Februar 1959 von der Westkommission ersetzt, die bis 1965 für die Kontakte nach Westdeutschland zuständig war. Ihre Bezeichnung wechselte über die Jahre noch mehrfach von Abteilung für gesamtdeutsche Fragen in Abteilung Westdeutschland bis zu Abteilung für gesamtdeutsche Arbeit.
Das ZK der SED begann im Februar 1957 seine gesamtdeutsche Arbeit neu auszurichten. Auf der Ebene der Bezirke und Kreise entstand die Kommission für gesamtdeutsche Arbeit, die für die Bezirksleitung eine Kartei mit Kontaktpersonen des »Patengebietes« erstellte. Noch können die Organisationsstrukturen nicht lückenlos beschrieben werden, grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Kommission innerhalb der Abteilung Agitation und Propaganda geführt wurde.
Die SED-Bezirksparteiorganisation Leipzig konzentrierte sich von 1957 bis zum Zusammenbruch der DDR auf den westfälischen Teil des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Leipziger Bezirk spielte eine tragende Rolle in der Westarbeit der SED, denn der SPD-Bezirk Westliches Westfalen mit ca. 100 000 Mitgliedern, davon allein 51 000 in Dortmund, bildete das Herz der deutschen Sozialdemokratie. Hier lagen die SPD-Wahlergebnisse bis in die Achtzigerjahre stets bei weit über 50 Prozent, in Dortmund sogar bei über 60 Prozent. Hinzu kam Ostwestfalen/Lippe mit gut 25 000 Mitgliedern, gerade hier nahm der Widerstand gegen die Notstandsgesetze in den Sechzigerjahren stark zu, insbesondere an der damaligen Reformuniversität Bielefeld.
Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Artikel 48 der Weimarer Verfassung, enthielt das Grundgesetz zunächst keine entsprechenden Regelungen für Krisensituationen wie Angriff oder Putsch. Die West-Alliierten hatten aber zum Schutz ihrer Truppen in Westdeutschland eine entsprechende Regelung verlangt. Mit der Großen Koalition ab 1968 waren schließlich die politischen Voraussetzungen für eine Grundgesetzänderung gegeben, und am 27. Mai 1968 erklärten die Westmächte, bei einer Verabschiedung der Notstandsgesetze auf ihre Vorbehaltsrechte zu verzichten. Diese traten daraufhin trotz der Gegenstimmen der FDP-Bundestagsfraktion am 28. Juni 1968 in Kraft.
Aus der Perspektive der DDR bedeuteten die Notstandsgesetze eine weitere Aufwertung der Bundesrepublik, sahen die Entwürfe doch eine Ausweitung von Befugnissen der Exekutive vor. Sie waren der letzte Schritt der Bonner Republik in die volle Souveränität. Bei der Mobilisierung der Notstandsgesetze stand die SPD daher im Visier der SED-Strategen. Unter Willy Brandt und Herbert Wehner hatte sich die SPD mit dem Godesberger Programm zu einer Volkspartei gewandelt; in ihren Reihen gab es aber auch noch Mitte der Sechzigerjahre Genossen, die dieser bereits 1959 vollzogenen Entwicklung kritisch gegenüberstanden, wie sich auch jüngere Genossen in den Reihen der Jusos und des Sozialdemokratischen Hochschulbundes marxistischen Positionen sehr verbunden fühlten und die Notstandsgesetze ablehnten. Regional konzentrierten sich diese Kräfte auf den SPD-Bezirk Hessen-Süd mit den Unterbezirken Frankfurt, Friedberg, Offenbach und Hanau und auf den nordhessischen Unterbezirk Kassel. Daneben spielte der Unterbezirk München im Süden der Bundesrepublik eine ähnliche Rolle, vor allem aber auch Bremen und die Unterbezirke Westliches Westfalen und Ostwestfalen/Lippe. Seinerzeit sah die SED die SPD als eine Partei im Wandel, zwar mit einem deutlich rückläufigen Arbeiteranteil unter den Mitgliedern, aber einem gewachsenen gesellschaftlichen Einfluss. Insofern erschien ihr die SPD als ein lohnendes Agitationsobjekt.
Historiker, die auf Spurensuche gehen möchten, finden im Staatsarchiv Leipzig dazu im Bestand SED-Bezirksleitung über 90 Archivalieneinheiten mit gut 30 000 Blatt; für die SED-Bezirksleitung Halle im Landesarchiv Merseburg sind es sogar 221 Archivalieneinheiten. Es handelt sich vor allem um Berichte, detailliert und sehr sorgfältig erstellt – sie legen das von der SED-Bezirksleitung Leipzig aufgebaute Netzwerk zur westfälischen Sozialdemokratie offen, vor allem die Kontaktversuche mit den Gegnern des Godesberger Programms und Kritikern der Notstandsgesetze. So versuchte die SED über operative Einsätze Kontakte zu SPD-Ortsvorsitzenden, die ständige Delegierte auf SPD-Parteitagen waren und zu Vorstandsmitgliedern von Unterbezirken mit dem Ziel aufzubauen, die Aufstellung von Kandidaten für Landtags- und Bundestagswahlen zu beeinflussen und Initiativanträge auf Bundesparteitagen einzubringen. Dies galt etwa für so heikle Fragen wie die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, die Verstaatlichung von Großbetrieben und den Ausbau der Mitbestimmung. Antikapitalistische Grundpositionen sollten auf diese Weise in der SPD verankert werden. Die SED konterte damit gegen Herbert Wehners Kurs, die Zweifler des Godesberger Programms und linke Kräfte zurückzudrängen. Um ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen und Kontakte zu pflegen, mussten zunächst einmal Kontaktfelder initiiert werden. Brückenbauer waren dabei bereits seit den Fünfzigerjahren der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) und später auch Kader der Leipziger Karl-Marx-Universität. Vor allem die Universität, insbesondere die gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, trug u. a. mit detaillierten Analysen über die wirtschaftliche und politische Situation des »Patengebietes« wesentlich zur Professionalisierung der Parteiarbeit bei.
Informations- und Transparenzverluste als Folge der SED-Bewertungspraxis
Die SED-Überlieferung ist heute ein »Archiv im Archiv«. Wer SED-Bestände benutzt, sollte immer auch der Frage nachgehen, welche Unterlagen das SED-Parteiarchiv als nicht archivwürdig eingestuft hat. Dafür gab es Rahmenrichtlinien, die sich am Einheitsaktenplan der SED orientierten. Bestimmte Unterlagen wurden grundsätzlich als archivwürdig (A) oder kassabel (K) eingestuft, andere sollten die Archivare durchsehen (D) und dann im Einzelfall entscheiden. Aus den Ablieferungslisten lässt sich ablesen, welche Unterlagen das Parteiarchiv in der Praxis als nicht archivwürdig einstufte, die nach unseren heutigen Maßstäben aber archivwürdig sein könnten. So wurde der Schriftwechsel der Abteilung Agitation und Propaganda vernichtet, obwohl wichtige Organe und Einrichtungen beteiligt waren: Rat des Bezirkes, SED-Kreisleitungen und Grundorganisationen, Bezirksparteischule, Leipziger Volkszeitung und Radio Sender Leipzig, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN) und Fernsehen der DDR sowie die Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft (DEWAG). Ebenso vernichtet wurden auch Unterlagen des Sektors West, Einsatzpläne für Filme, die Anleitung der Urania, des Verbandes der Journalisten und des Verbandes der Freidenker, der Volkssolidarität, der FDJ und des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB). Außerdem wurden auch Unterlagen des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung und des Instituts für Meinungsforschung beseitigt. Diese Aktenvernichtungen erklären die Schwierigkeit, die Strukturen der SED-Herrschaft offenzulegen, Handlungsabläufe zu erkennen und die Macht der SED-Diktatur zu differenzieren – anders gesagt, die Überlieferungsbildung der Parteiarchivare erschwert die Offenlegung der Netzwerke.
Besonders lückenhaft ist die Abteilung für Sicherheitsfragen im Bestand SED-Bezirksleitung Leipzig. Dies hat mehrere Ursachen: Zum einen sind Aktenvernichtungen nicht auszuschließen, zum anderen wurden nach dem damaligen Aktenplan als archivwürdig vorgesehene Unterlagen nicht immer den Parteiarchivaren übergeben. Darüber hinaus wurden aus heutiger Sicht archivwürdige Unterlagen der Abteilung vom SED-Parteiarchivwesen als nicht archivwürdig eingestuft. So wurde z. B. die Aktenplanposition »60 20 30 Staatssicherheit« nur mit »D 10« gekennzeichnet, was zehn Jahre Aufbewahrungsfrist bedeutete. Die im Anschluss daran stattfindende Durchsicht durch den Parteiarchivar ergab häufig, dass das Material als nicht archivwürdig eingestuft wurde.24 Die Überlieferungsverluste kann man auch daran erkennen, dass in Protokollen von Sekretariatssitzungen die Abteilung Sicherheitsfragen als verantwortlich aufgeführt wird, die entsprechenden Vorlagen dazu aber nicht unter den Unterlagen der Abteilung Sicherheitsfragen zu finden sind.25
Ein weiteres Beispiel ist die Finanz- und Geschäftsabteilung. In diesem Organisationsteil spiegelt sich auch die Überlieferung der Fundament-Grundstücksverwaltung wider – einem SED-Betrieb bzw. sogenannten organisationseigenen Betrieb (OEB), der im Haus der SED-Bezirksleitung Leipzig untergebracht war. Fundament war vor allem mit der Durchführung von Baumaßnahmen an SED-Immobilien beauftragt. Im Staatsarchiv Chemnitz gibt es z. B. einen eigenen Bestand zu Fundament, und 2007 hat das Landeshauptarchiv Brandenburg fast 13 laufende Meter von Fundament der SAPMO übergeben. Im Leipziger Archiv ist derartiges nicht zu finden. Die Finanz- und Geschäftabteilung der SED-Bezirksleitung Leipzig war mit drei bis vier politischen Mitarbeitern besetzt. Von insgesamt 160 technischen Mitarbeitern der SED-Bezirksleitung entfielen 70 auf die Finanzabteilung.26 Bei der heute vorhandenen Überlieferung geht es um Bauinvestitionen und Fragen der Objektverwaltung sowie um die Unterhaltung von Parteischulen. Ihr Erkenntniswert hält sich in Grenzen, für die Partei selbst war diese Überlieferung angesichts der Bauakten jedoch wichtig. Ebenso verhält es sich bei den Inventuren, detaillierten Aufstellungen zur jeweiligen Büroausstattung und zum Fuhrpark.
Historisch interessant ist der Aufbau eines Immobilienvermögens für die KPD/SED, der sich aus dem Überlieferungsteil bis Mitte der Fünfzigerjahre ergibt. Die Partei gewann Vermögen in Zusammenhang mit dem Vollzug des Befehls 124 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland: Beschlagnahmungen erfolgten gezielt, um der SED zum Aufbau eines Zeitungs- und Literaturvertriebs Ladenlokale zu übertragen. Dieser Teil der Parteigeschichte beweist einen fragwürdigen Umgang der SED mit NS-Unrecht und offenbart in Teilen einen latenten Antisemitismus bis hin zur Bereicherung an ehemals jüdischem Vermögen.27
Abschwächung des Provenienzprinzips
Das Dokumentationsverständnis führt auch zu auffälligen Bestandsbildungen. Grundsätzlich gilt im Archivwesen, von einigen Sammlungsbeständen abgesehen (Zeitgeschichtliche Sammlung, Fotosammlung usw.), das Provenienzprinzip, d. h., die bei einer Stelle entstandenen Unterlagen (Provenienz), die als archivwürdig bewertet wurden, bleiben zusammen und bilden einen Bestand. Wenn es dem Dokumentationsziel diente, wurden im SED-Parteiarchivwesen aber Provenienzen bzw. Bestände mit Unterlagen anderer Stellen oder Personen zusammengeführt und damit nachträglich mit Fremdprovenienzen angereichert. Dies gilt insbesondere für den antifaschistischen Kampf der Partei. Bei der Bestandsgruppe der Aktionsgemeinschaften KPD/SPD und in Vorläufern der SED-Bezirksleitungen, den SED-Landesleitungen und Bezirksvorständen, lässt sich dies erkennen. So enthält der Bestand Aktionsgemeinschaft KPD und SPD Westsachsen Unterlagen aus den Sechzigerjahren, wie z. B. Unterlagen der Bezirksstaatsanwaltschaft Leipzig, die »die Ermordung von 32 Antifaschisten in der ehemaligen 11er Kaserne am 13. April 1945« betreffen. Auch Zeitungsausschnitte aus dem Neuen Deutschland und der Leipziger Volkszeitung von 1967 zum »Gedenken an antifaschistische Widerstandskämpfer« finden sich in dem Bestand. Obwohl die Aktionsgemeinschaft nur von 1945 bis 1946 existierte, haben die Leipziger Parteiarchivare auch Unterlagen vom Nationalkomitee Freies Deutschland und damit aus der Zeit vor 1945 dem Bestand hinzugefügt. Ihr Ziel war es, den Stellenwert des kommunistischen Widerstandes zu dokumentieren. Unter dem Klassifikationspunkt »Materialien« enthält der Bestand Unterlagen verschiedener Provenienzen, darunter auch Abschriften, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren erstellt worden sind. Das nachträgliche Einfügen von Unterlagen anderer Provenienzen zu Dokumentationszwecken führte auch zu Unregelmäßigkeiten in der Blattzählung.28 So wuchs der Bestand Aktionsgemeinschaft KPD/SPD von 17 Archivalienheiten im Jahr 1971 bis zur Übernahme ins SED-Bezirksparteiarchiv im Staatsarchiv Leipzig in den Neunzigerjahren auf 34 Archivalieneinheiten an.29
Damaliges Dokumentationsverständnis und heutige Forschung
Das damalige Dokumentationsverständnis verhindert heutzutage auch das Erkennen von Divergenzen und Rivalitäten zwischen den einzelnen Machtebenen und Akteuren. So suggeriert uns die Überlieferung eine monokratische Diktatur. Dabei gab es vielfältige Rivalitäten und Konflikte, etwa im Verhältnis von SED-Bezirksleitungen zu den Kreisleitungen oder zwischen SED-Bezirksleitung und Rat des Bezirkes.30
Ebenso zeigen die regionalen Machtstrukturen, dass sich trotz Zentralismus für die SED-Bezirksleitungen Spielräume eröffneten. Von Mario Niemann werden beispielsweise aufgezählt:
– auf dem Gebiet der Kulturpolitik: vor allem inhaltliche Ausrichtung der Kulturprogramme. So konnte in einem Bezirk etwas gespielt werden, was im nächsten auf den Index gesetzt wurde, wobei vor allem Berlin in dem Ruf stand, wenig kulturelle Freiräume zu bieten, anders dagegen Dresden und Leipzig, etwa wenn man an Stücke von Heiner Müller denkt. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Ressortsekretäre der BL den Ressortsekretären des ZK unterstanden. Da Kurt Hager sowohl als Mitglied des ZK als auch als Mitglied des Politbüros des ZK eine Vielzahl von Funktionen wahrnahm, ergaben sich hier Gestaltungsspielräume. Nur einmal im Jahr wurden die Zuständigen zur Anleitung nach Berlin einbestellt;
– im Bereich der Infrastruktur: Ausgestaltung neuer Wohngebiete, Festlegung von Produktionsstandorten und Gestaltung der Verkehrswege;
– Praxis der Genehmigung von Reisen ins kapitalistische Ausland und in die BRD: 1989 zeigten sich Dresden und Karl-Marx-Stadt freizügiger als Magdeburg.31
Wie zuvor beschrieben, wird es durch die Form der Überlieferung erschwert, Netzwerke und Gruppen offenzulegen oder einzelne Akteure zu beschreiben – Korrespondenzen fehlen, persönliche Schreiben und unterschriebene oder gar nur paraphierte Schriftstücke sind Raritäten. Ein eher seltener Glücksfall sind die »Arbeitsbücher« von Paul Fröhlich, einem Mitglied des Politbüros des ZK. In kleinen Büchern vermerkte er handschriftlich Termine von 1952 bis 1964, u. a. auch ZK-Tagungen.32
Die Kontextverluste ermöglichen oft nur punktuelle Dokumentationen oder beeinträchtigen gar in erheblichem Umfang die historische Rekonstruktion, wie folgendes Beispiel veranschaulicht: Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche am 30. Mai 1968 markierte ein historisch einschneidendes Ereignis. Einige Monate später fand mit dem Internationen Bachwettbewerb in Leipzig ein kulturelles Großereignis statt, eingebunden in die Ambitionen der DDR, den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik zurückzuweisen und das gesamtdeutsche Kulturerbe zu pflegen. Bei der Auszeichnung der Wettbewerbssieger in der Leipziger Kongresshalle kam es zum Eklat. Unbekannte ließen eine Fahne von der oberen Bühne herunter, darauf ein Totenkreuz und die Umrisse der abgerissenen Kirche verbunden mit der Aussage »Wir fordern Wiederaufbau«. Das Publikum reagierte mit Beifall. Dies entnehmen wir einem Bericht der Abteilung Kultur der SED-Bezirksleitung an den Ersten Sekretär Paul Fröhlich. Ferner wird berichtet, dass ein japanisches Fernsehteam diesen Eklat filmte. Wir können dem Bericht gesichert entnehmen, dass das DDR-Außenministerium mitteilte, dem japanischen Team die Filme nicht wegzunehmen. Kulturminister Gysi empfahl, den Japanern den Abriss der Universitätskirche im Kontext der Leipziger Stadtplanung zu erklären. Aus diesem Anlass sollte mit ihnen die Umweltausstellung im nahe gelegenen Halle besucht werden, um dort am ausgestellten Modell des neuen Leipziger Stadtzentrums die Veränderungen zu demonstrieren und den Japanern »gleichzeitig als Ausdruck der großartigen Traditionspflege durch den sozialistischen Staat DDR die erstmalig nach 200 Jahren original rekonstruierten Bauten des historischen Goethetheaters in Bad Lauchstädt« zu zeigen. Ob die Linie des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und Gysis Empfehlungen aber tatsächlich umgesetzt wurden, ist den SED-Unterlagen nicht zu entnehmen.33 Die typischen Kontextverluste verlangen, zusätzlich »Parallelbestände« der staatlichen Ebene heranzuziehen, die aber auch nicht immer weiterführen.
Die zerstörten Schnittstellen – Anatomie der Macht und ihre Differenzierung
Als Reaktion auf den 17. Juni 1953 entstand im August 1953 im ZK der SED die Abteilung für Sicherheitsfragen, eine entsprechende Abteilung gab es nach sowjetischem Vorbild in allen kommunistischen Parteien Osteuropas. Anfänglich war sie dem Generalsekretär bzw. Walter Ulbricht direkt unterstellt, aber ab 1956 Erich Honecker, der auch als Sekretär der Sicherheitskommission des Politbüros fungierte.34
Die Abteilung für Sicherheitsfragen bildete das Planungs- und Kontrollorgan des Generalsekretärs und des zuständigen Sekretärs auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik. Mitarbeiter der Abteilung verfügten über Sonderausweise, die ihnen Zutritt zu allen Objekten der bewaffneten Organe ermöglichten. Der Leiter der Abteilung hatte das Recht, Kader der bewaffneten Organe zu Kaderaussprachen in das Zentralkomitee zu bestellen; alle Mitarbeiter der Abteilung hatten einen militärischen Dienstrang.35
Sicherheitsabteilungen gab es auch bei den Bezirks- und Kreisleitungen. Dem Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung unterstanden direkt die Abteilungen für Sicherheit sowie für Staat und Recht. Die Abteilungsleiter galten dabei als »Ausführungsorgane« des Ersten Sekretärs.
Zu den wichtigsten Aufgaben bzw. Sektoren der Abteilung für Sicherheitsfragen zählten: Landesverteidigung, Sozialistische Wehrerziehung, Öffentliche Ordnung und Sicherheit, Grenzordnung, Staatssicherheit, Zivilverteidigung und Katastrophenschutz, Kampfgruppen der Arbeiterklasse, Wehrersatzdienst, VP-Bereitschaften und Zollwesen. Im Vollzug dieser Aufgaben wirkten SED, Volkspolizei, MfS und Nationale Volksarmee zusammen. Die Abteilung für Sicherheitsfragen bildete die entscheidende Schnittstelle der SED zum MfS – über sie lief die Informationsbeschaffung des MfS für den SED-Apparat, aber auch die Weiterleitung von Informationen der SED an das MfS.
Die Überlieferungsverhältnisse der Abteilung für Sicherheitsfragen wie auch für Staat und Recht stehen beispielhaft für die zerstörten Schnittstellen, die dem Benutzer den Blick für das Zusammenwirken von SED, Volkspolizei, Staatsanwaltschaft und MfS versperren. Es geht dabei auch um die Frage: Wie funktionierte die Diktatur? Niemand wird dieses Geflecht angesichts der Doppelfunktionen zwischen SED und MfS bestreiten wollen, denn die Leiter der Abteilung Sicherheitsfragen in der SED-Bezirksleitung bekleideten zugleich Funktionen in der MfS-Bezirksverwaltung.
Im Unterschied zu den SED-Akten sind die Schnittstellen in der MfS-Überlieferung noch teilweise erkennbar. Dies zeigt sich etwa in der Ablage der Leiter von MfS-Bezirksverwaltungen, hier lässt sich das Zusammenwirken von MfS und SED in Teilen nachvollziehen. Zwischen ihnen bestanden permanente und enge Kontakte. Interessant ist auch die Frage nach den Machtverhältnissen zwischen der Partei und ihrem »Schild und Schwert«. Die SED benutzte das MfS für politische Säuberungen und die Kontrolle ihrer Mitglieder. Beispiele dafür sind nicht nur der Kampf gegen den Sozialdemokratismus,36 auch Verkehrsdelikte von SED-Mitgliedern und gesellschaftliches Fehlverhalten wie Suizid in der Familie oder Alkoholexzesse zogen MfS-Untersuchungen nach sich. In diesen Fällen erteilte die SED dem MfS einen »Ermittlungsauftrag«. Die Schreiben der Partei an das MfS präsentieren sich dabei nicht selten als »Vermerke« bzw. als Schriftstück des Innenlaufs – sie finden sich nicht in der SED-Überlieferung, sondern in den MfS-Beständen.37
Ebenso verhält es sich mit den »Sicherheitspolitischen Prüfungen« von SED-Genossen, sie bildeten sozusagen eine permanente »Dienstleistung« des MfS für die Partei. Mitarbeiter wurden bei Einstellung und Umsetzung überprüft. Dies betraf nicht nur Fahrer, Mitarbeiter für die Poststelle und das Fernmeldewesen, sondern sowohl Beauftragte für VVS-Sachen als auch Schreibkräfte – im Grunde alle hauptamtlich Beschäftigten.38 Überprüft wurden auch die Teilnehmer von ZK-Seminaren und Kadern, die an die Bezirksparteischule delegiert wurden.39 Auch »die sichere kaderpolitische Vorbereitung der Parteiwahlen« gehörte zu den Aufgaben des MfS, damit verbunden eine Überprüfung der Genossen, die als Delegierte für einen SED-Parteitag vorgesehen waren. Dies galt ebenso für die »Kandidaten« der Partei; zwingend erforderlich waren Überprüfungen bei Westreisen, aber auch bei SED-Delegationen ins sozialistische Ausland.40
Die MfS-Bezirksverwaltung spielte ebenfalls eine Rolle im Machtverhältnis zwischen der SED-Bezirksleitung und dem Rat des Bezirkes. Wie Veith Scheller in seiner Studie zum Bezirk Karl-Marx-Stadt zeigt, beauftragte die dortige SED-Bezirksleitung die MfS-Bezirksverwaltung regelmäßig, Informationen über den Rat oder bestimmte Ereignisse zu beschaffen. Einschätzungen zur Arbeit der Ratsmitglieder oder zu Mitarbeitern der Bezirksverwaltung waren an der Tagesordnung. Dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes wurden von der MfS-Bezirksverwaltung entsprechende Berichte zur Kenntnis gebracht. So wurde ihm nahegelegt, im Sinne des MfS zu reagieren.41 Daran lässt sich erkennen, dass das Kräfteverhältnis zwischen dem Chef der MfS-Bezirksverwaltung und dem Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung in den einzelnen Bezirken wohl unterschiedlich gewesen ist.
Auch mit Blick auf die Verhältnisse zwischen der Verwaltung des Rates des Bezirkes und der SED-Bezirksleitung ist nach Schnittstellen zu fragen. Dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes eröffnete sich ein gewisser Gestaltungsspielraum, aber keine Grundsatzkompetenz für seinen Bezirk. Der Ratsvorsitzende war an die Beschlüsse der SED-Bezirksleitung gebunden, ihr gehörte er automatisch an und über ihn konnte die SED-Bezirksleitung direkt in den Rat hineinwirken. Der Rat des Bezirkes als »das in die Staatsverwaltung der DDR integrierte höchste staatliche Erfüllungsorgan der SED im Bezirk« hatte Richtungsentscheidungen des ZK vor Ort umzusetzen und ihre Durchführung zu kontrollieren. Dabei fungierte der Rat als Lenkungsinstrument der Zentrale und befand sich in einer doppelten Unterstellung, denn er war sowohl gegenüber dem Ministerrat als Exekutive als auch gegenüber dem Bezirkstag als Legislative verantwortlich. Diese Konstellation erzeugte ein verworrenes Gefüge, erleichterte aber der SED die Wahrnehmung ihrer Steuerungsmöglichkeiten. Konkret konnte dies in der Praxis bedeuten, dass eine Abteilung der Ratsverwaltung von ihrer eigenen Ratsspitze Anweisungen erhielt, die denen der ministeriellen Fachabteilung widersprachen. Zwischen Rat des Bezirkes und SED-Bezirksleitung bestand ein besonderes, sich aus den unterschiedlichen Rollen ergebendes Konkurrenzverhältnis, das auf den ersten Blick nicht verständlich sein mag, herrschten doch SED-Kader im Rat des Bezirkes. Der Bezirk war Transmissionsriemen zur Umsetzung von SED-Politik. Dementsprechend konnten die Ratsmitglieder keine eigenständigen Grundsatzentscheidungen treffen. Ihre Rolle bestand in der Erfüllung der von der SED gestellten Aufgaben. In der Praxis ergab sich dabei ein Spielraum hinsichtlich des Initiierens, Förderns, Verlangsamens oder Stoppens von Entwicklungen. Ein praktisches Beispiel dafür ist das politische Vorgehen in Bezug auf Rinder-Offenställe, das zugleich als Beispiel für Konflikte zwischen Fach- und Parteiebene herangezogen werden kann. Von der SED gefordert, wird diese fragwürdige Methode vom Rat des Bezirkes in ihrer fachlichen Unzulänglichkeit erkannt und alles andere als forciert – so jedenfalls im Bezirk Karl-Marx-Stadt.42 Hinzu kam, dass die Ersten Sekretäre der SED-Bezirksleitungen eine flexible Umsetzung zentraler Vorgaben im Bezirk unterstützten, um sich selbst zu legitimieren und Popularität auf Kosten des Rates des Bezirkes zu gewinnen.43
Angesichts der beschriebenen Überlieferung ist das Differenzieren der Macht im SED-Staat schwierig. Ein Hilfsmittel, die strukturellen Überlieferungsdefizite auszugleichen, besteht darin, Zäsuren im Machtgefüge zu erkennen und von diesen ausgehend die Quellen der Akteure zu befragen. Dafür geeignete Zäsuren sind z. B. die Verwaltungsreform 1952 und weitere Reformen 1958, die Zeit nach dem 17. Juni 1953 sowie das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung aus dem Jahr 1963. Damit verbunden ist stets die Auswertung von Staat, Partei und MfS, gegebenfalls auch unter Heranziehung der Bestände der Volkpolizei, Staatsanwaltschaften und der volkseigenen Wirtschaft.
Von besonderer Bedeutung sind auch die Bestände der Parteiorganisationen, auf Bezirks-
ebene etwa die SED-Grundorganisation beim Rat des Bezirkes. Hohe Bedeutung hat natürlich die Zentrale Parteileitung im Apparat des MfS, dies gilt auch für die MfS-Bezirksverwaltungen – diese Bestände in den BStU-Archiven sollten stärker in den Fokus rücken. Leider bestehen auf Ebene der MfS-Bezirksverwaltungen diesbezüglich erhebliche Erschließungsrückstände. Mit Blick auf die Justiz kreist die archivalische Arbeit eher um die Massen an Fallakten – die angesprochenen Schnittstellen zur Justiz finden sich aber in den Verwaltungsakten, die entgegen der Meinung vieler Historiker eben alles andere als langweilig sind. Mit Blick auf das Verhältnis von Rat des Bezirkes und SED-Bezirksleitung sollte auch die entsprechende Grundorganisation beachtet werden.
Anhang
Erklärung des Signatursystems (Zeitscheibensystem):
Zur ersten Stelle: Die am Anfang stehende römische Ziffer erklärt sich aus der Rahmentektonik des SED-Parteiarchivwesens bzw. der Ordnung seiner zahlreichen Bestände. Fünf Abteilungen wurden dabei gebildet.
Abteilung I: Schriftgut der KPD 1945/1946
Abteilung II: Schriftgut der SPD 1945/1946
Abteilung III: Schriftgut der Aktions- und Arbeitsgemeinschaft KPD und SPD 1945/1946
Abteilung IV: Schriftgut der SED [von 1946 bis zum Ende der DDR]
Abteilung V: Sammlungen, Erinnerungen, Nachlässe
Die zweite Stelle steht für eine Zeitscheibe, das bedeutet den Zeitraum zwischen zwei Parteitagen, dafür werden Großbuchstaben verwandt. Für Schriftgut bis Ende 1962 fehlt der Buchstabe, damit wird deutlich, dass die Unterlagen aus der Zeit vor Ende 1962 stammen. Für die Zeitscheiben werden die Großbuchstaben A bis F verwandt.
A= Jan. 1963 bis Dez. 1967
(VII. SED-Parteitag 17. – 22. April 1967)
B= Jan. 1968 bis Dez. 1971
(VIII. SED-Parteitag 15. – 19. Juni 1971)
C= Jan. 1972 bis Dez. 1976
(IX. SED-Parteitag 18. – 22. Mai 1976)
D= Jan. 1977 bis Dez. 1981
(X. SED-Parteitag 11. – 16. April 1981)
E= Jan. 1982 bis Dez. 1986
(XI. SED-Parteitag 17. – 21. April 1986)
F= Jan. 1987 bis Dez. 1989
Die dritte Stelle steht für den Bestandstyp, also z. B. Bezirksleitung, Kreisleitung. Verwandt werden dafür arabische Zahlen. Sie stehen für:
1 = Bezirksdelegiertenkonferenzen
2 = Bezirksleitung
3 = Bezirksrevisionskommission
4 = Kreisleitungen und Stadtleitungen
5 = Durch ZK-Beschluss vom 28. Januar 1971 erhielten die Stadtleitungen den Status von Kreisleitungen, für die Stadtleitung wurde »5« bis 1970 verwandt.
6 = Ortsleitungen
7 = Grundorganisationen
Bei den Kreis, Stadt- und Ortsleitungen sowie den Grundorganisationen wird dann mit einer arabischen Zahl die spezielle Einheit gekennzeichnet.
Beispiel: IV/B/4/14/121
IV für SED
B für Zeitscheibe 1968 bis 1971
4 für Kreis- und Stadtleitungen
14 für Kreisleitung Karl-Marx-Universität Leipzig
121 Aktennummer
Für die zentrale Ebene gilt, dass nur bis zur Zeitscheibe B verzeichnet wurde und die weitere Verzeichnung nach 1990 auf die Zeitscheibenstrukturierung verzichtete.
1 Das Zeitscheibensystem wird am Ende dieses Beitrages in einem Anhang erklärt, siehe dort.
2 Siehe dazu recht oberflächlich: Jürgen Rainer Wolfs Vorwort in: Sächsisches Staatsministerium des Innern (Hg.): Bewertung, Erschließung und Benutzung von SED-Beständen in den Archiven der Neuen Bundesländer. Beiträge eines Workshops am 7./8. November 2001 im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Dresden 2002, S. 3–5.
3 Siehe Andreas Herbst/Gerd-Rüdiger Stefan/Jürgen Winkler (Hg.): Die SED: Geschichte, Organisation, Politik – ein Handbuch, Berlin 1997. Siehe auch Heike Amos: Politik und Organisation der SED-Zentrale 1949–1963. Struktur und Arbeitsweise von Politbüro, Sekretariat, Zentralkomitee und ZK-Apparat, Münster 2003; Jürgen Rainer Wolf: Die Überlieferung der Räte der Bezirke – Eine Zwischenbilanz zu Bewertungstheorie und -praxis, in: Renate Wißuwa u. a. (Hg.): Sachsen: Beiträge zur Landesgeschichte. Festschrift für Reiner Groß, Dresden 2002, S. 605–623.
4 Das Findmittel ist online zugänglich unter www.archiv.sachsen.de/ofind/StA-L/21123/index.htm, ges.
am 31. August 2010.
5 Norbert Moczarski: Die Protokolle des Sekretariats der SED-Bezirksleitung Suhl im Sommer 1952
bis zum 17. Juni 1953, Weimar 2002.
6 Grundlage ist die Aktendefinition nach Angelika Menne-Haritz: Schlüsselbegriffe der Archivterminologie, 2. Aufl. Marburg 1999, S. 37 und 64.
7 Stiftung Archiv Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (im Folgenden: SAPMO-BArch), DY 30/IV/A2/9.07/265.
8 Siehe Menne-Haritz: Schlüsselbegriffe (Anm. 6), S. 65. Konstitutiv für den Evidenzbegriff sind Veränderungen an Entwürfen, Entstehungszusammenhänge und alles, was die Umsetzung einer Aufgabe erkennen lässt.
9 Siehe Heinz Hoffmann: Behördliche Schriftgutverwaltung. Ein Handbuch für das Ordnen, Registrieren, Aussondern und Archivieren von Akten der Behörden, Boppard/Rhein 2000, S. 67–75. Zur Büroreform siehe Johannes Papritz: Organisationsformen des Schriftguts in Kanzlei und Registratur (= Archivwissenschaft, Bd. 2, Teil II, 2), Marburg 1976, S. 342.
10 Hans-Peter Müller: »Parteiministerien« als Modell politisch zuverlässiger Verwaltungsapparate. Eine Analyse der Protokolle der SED-Innenministerkonferenzen 1946–1948, in: Manfred Wilke (Hg.): Die Anatomie der Parteizentrale. Die KPD/SED auf dem Weg zur Macht, Berlin 1998, S. 387.
11 Siehe Florian Tennstedt/Leibfried Stephan: Berufsverbote und Sozialpolitik 1933, Bremen 1980,
S. 18–22, 38, 40, 51, 124. Siehe auch Florian Tennstedt: Der Aufbau der Sozialversicherung in Deutschland 1890–1945, in: Hans Pohl (Hg.): Staatliche, städtische, betriebliche und kirchliche Sozialpolitik
vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1991, S. 225–258.
12 Schreiben von Gen. Schlube an Gen. Knittel vom 10. März 1958, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV/A2/9.07/264.
13 Einschätzung zur Einführung der Registraturordnung im Parteiapparat vom 9. August 1963, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV/A2/9.07/286.
14 Siehe Aktennotiz von Willi Arnold vom 2. Dezember 1961, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV/A2/9.07/264.
15 Veranstaltung des Zentralen Parteiarchivs (ZPA) zur Einführung der Registraturordnung im Parteiapparat, Notiz vom 9. August 1967, in: SAPMO-BArch, DY 30/ IV/A2/9.07/286.
16 Referat des Leiters des Bezirksparteiarchivs (BPA) am 29. Oktober 1986, in: Sächsisches Staatsarchiv/Staatsarchiv Leipzig (im Folgenden: StA-L), 21123, SED-Bezirksleitung Leipzig, IV/E2/05/321.
17 Konzeption für den weiteren Aufbau des komplexen Systems der Informationsverarbeitung der Partei
vom 18. Dezember 1969, in: StA-L, 21123, Nr. 2218.
18 Siehe Hoffmann: Schriftgutverwaltung (Anm. 9), S. 69.
19 Siehe Ute Räuber: Archivierung der zentralen Überlieferung der SED, in: Sächsisches Staatsministerium des Innern: Bewertung (Anm. 2), S. 5.
20 Siehe Bericht vom 27. Januar 1972 und 13. Januar 1975, in: StA-L, 21123, IV/C2/5/482. In diesem Zusammenhang sei auf Botho Brachmann verwiesen, der die Bildung von Wissens- und Informationsspeichern als Aufgabe der Schriftgutverwaltung hervorhebt. Brachmann war bis 1996 Professor für Archivwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.
21 Siehe dazu Berichte in: StA-L, 21123, IV/2/10/565. Siehe dazu auch Wolfgang Buschfort: Parteien im Kalten Krieg. Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP, Berlin 2001; ders.: Das Ostbüro der SPD, München 1990.
22 Siehe beispielsweise StA-L, 21123, IV/2/10/575 und 578.
23 Eine wichtige Zielgruppe waren die Kohlezechen, anfangs war hier innerhalb des Bezirks Leipzig die SED-Kreisleitung des Kombinats Otto Grothewohl sehr aktiv, zuständig u. a. für die Schächte »Prinz Regent« und »Dannenbaum« bei Bochum sowie »Aurora« und »Pluto« bei Wanne-Eickel, siehe dazu Berichte, in: StA-L, 21123, IV/2/10/565.
24 Siehe Einheitsaktenplan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Ausgabe B, hg. vom Büro des Politbüros am 31. Mai 1974. Keine Änderungen in Ausgabe C, 1980.
25 Als Beispiel: Formblatt zum Protokoll der Sitzung vom 13. Oktober 1965, »Betrifft Information zu einigen Fragen der Jugendarbeit und dem Auftreten von Rowdygruppen.«, in: StA-L, 21123, IV/A2/03/094.
26 Siehe Auflistung 1978, in: StA-L, 21123, Nr. 1.
27 Siehe ebd., IV/2/21/742.
28 Siehe Bestand 21121 Aktionsgemeinschaft KPD/SPD-Westsachsen, Nr. 13.
29 Siehe Bestandsakte.
30 Siehe Oliver Werner: Ein Jongleur der Macht. Paul Fröhlich und »sein« Bezirk Leipzig in der DDR-
Wirtschaftspolitik 1956 bis 1961, in: Deutschlandarchiv 39 (2006), H. 1, S. 68–77.
31 Siehe Mario Niemann: Die Sekretäre der SED-Bezirksleitungen 1952–1989, Paderborn 2007, S. 219 f.
32 Siehe in: StA-L, 21622, Nr. 50 und 51. Diese Bücher wurden bisher noch nicht ausgewertet. Die Eintragungen sind von unterschiedlicher Aussagekraft, teilweise enthalten sie nur Stichworte. Die Schrift ist lesbar, aber nicht sorgfältig, teilweise in Steno, wobei dies darauf hindeuten könnte, dass die Aufzeichnungen nicht alle von Fröhlich selbst stammen.
33 Siehe Vorgang in: StA-L, 21123, IV/B2/9/2/608.
34 Zwischen der Sicherheitskommission – in den Fünfzigerjahren das Bindeglied zwischen Parteiführung und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) – und der Sicherheitsabteilung bestanden Überschneidungen, was die Auflösung der Kommission im Zuge der Gründung des Nationalen Verteidigungsrates 1960 erklärt. Siehe dazu Klaus Schroeder: Der SED-Staat, München 1998, S. 105–107.
35 Siehe Klaus Marxen u. a. (Hg.): Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze (= Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, Bd. 2/2. Teilband), Berlin 2002, S. 677–679.
36 Siehe Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatsicherheit der ehemaligen DDR (BStU);
Büro des Leiters der Bezirksverwaltung Leipzig, Nr. 99/03.
37 Siehe ebd., Kreisdienststelle Leipzig-Stadt, Nr. 806.
38 Siehe ebd., Büro des Leiters der Bezirksverwaltung Leipzig, Nr. 60, Nr. 406; ebd., Kreisdienststelle Leipzig-Stadt, Nr. 806.
39 Siehe ebd., Kreisdienststelle Döbeln, Nr. 621.
40 Siehe ebd., Büro des Leiters der Bezirksverwaltung Leipzig, Nr. 406.
41 Siehe Veith Scheller: Die regionale Staatsmacht. Der Rat des Bezirkes Chemnitz/Karl-Marx-Stadt 1952–1990, Halle 2009, S. 496.
42 Siehe ebd., S. 82–85, 495 ff., 511 ff.
43 Siehe Jay Rowell: Der Erste Bezirkssekretär: Zur Scharnierfunktion der »Bezirksfürsten« zwischen Zentrum und Peripherie, in: Michael Richter/Thomas Schaarschmidt/Mike Schmeitzner (Hg.): Länder, Gaue und Bezirke. Mitteldeutschland im 20. Jahrhundert, Dresden 2007, S. 230.