JHK 2012

Diagnose: Krankheit! Reflexionen polnischer Autoren über den Kommunismus

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 159-170 | Aufbau Verlag

Autor/in: Evelyna Schmidt

Bis in die Gegenwart bezeugt die Literatur, dass die Krankheitsmetapher nach wie vor für viele Autoren ein geeignetes Mittel ist, um eine Diagnose für die Gesellschaft und das in ihr eingebettete Individuum zu stellen. Innerhalb der klassischen Staatsphilosophie (Hobbes, Machiavelli), aber auch in der Literatur (Thomas Mann, Camus, Boccaccio) hat diese Metaphorisierung Tradition. Sie zieht sich konstant durch die europäische Literaturgeschichte, wobei die Krankheitsbilder variieren, Bedeutungswandlungen unterliegen, und bestimmte Krankheiten je nach Epoche und kulturellem Milieu als sogenannte Epochenkrankheiten1 verstärkt zum literarischen Gegenstand werden, wie die Tuberkulose im 19. Jahrhundert oder der Krebs im 20. Jahrhundert.

Ebenso kann auch die polnische Nachkriegsliteratur viele Autoren aufweisen, die auf die Krankheitsmetapher zurückgreifen. Darunter findet sich eine Reihe von bekannten Schriftstellern, die ganz konkret diese Metapher dazu benutzen, den Kommunismus als »Epochenkrankheit« kritisch darzustellen. Pest, Seuche oder Viren dienen in Romanen wie auch in Tagebuchaufzeichnungen, Erinnerungen und Aufsätzen als anschauliche Stilmittel, so z. B. bei den für diesen Beitrag ausgewählten Texten von fünf polnischen Schriftstellern, die in der Literaturwissenschaft ihres Landes unter diesem thematischen Aspekt bisher kein Forschungsgegenstand waren.

Die Autoren dieser Arbeiten gehören selbst zu derjenigen Generation, für die die persönliche Erfahrung mit dem Kommunismus, unabhängig von den jeweiligen Einzelschicksalen, zu einem der wichtigsten biografischen Momente gehört. Der überzeugte Antikommunist Józef Mackiewicz2 flieht 1944 nach dem erneuten Einmarsch der Roten Armee in seinen Wohnort Wilna nach Warschau, dann nach Krakau, über Prag und Wien nach Italien. Nach Kriegsende kehrt er konsequenterweise nicht nach Polen zurück, sondern lässt sich 1955 dauerhaft in München nieder. Auch der Schriftsteller Leopold Tyrmand,3 1941 in Wilna vom NKWD wegen antisowjetischer Tätigkeit zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, einer Strafe, der er aber durch Flucht entkommt, wählt schließlich im kommunistischen Nachkriegspolen aufgrund ständiger Publikationsverbote 1965 die Emigration. Die Schriftsteller Jerzy Andrzejewski4 und Aleksander Wat5 sind zeitweise selbst Kommunisten, bevor sie sich gegen das System wenden. Allerdings sympathisiert Wat schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit dem Kommunismus und wendet sich nach dem Einmarsch der Roten Armee in Polen von ihm ab, während Andrzejewski erst nach Kriegsende zum Stalinisten wird. Bei Wat hinterlassen die Haft in Lemberg im Jahre 1940 und die darauffolgende Deportation nach Kasachstan tiefe Spuren. Er entwickelt einen abgrundtiefen Hass gegenüber dem Kommunismus und entscheidet sich 1959 für die Emigration. Jerzy Andrzejewski hingegen engagiert sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges für das neue System in Polen. Erst mit der sogenannten Tauwetterphase 1956 findet seine prokommunistische Aktivität ein Ende. Dennoch bleibt Andrzejewski bis zu seinem Tod in der VR Polen. Auch er entwickelt sich zu einem erbitterten Gegner der Idee des Kommunismus und besonders des real existierenden Sozialismus. Andrzej Szczypiorski,6 Autor des in Deutschland erfolgreichen Romans Die schöne Frau Seidenman (1988), wird erst Ende der Siebzigerjahre oppositionell tätig, als er sich für das KOR (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter) und später für die Solidarność engagiert.

Die Schriftstellererfahrungen mit der kommunistischen Diktatur sind insofern von Bedeutung, als sie sich einreihen in den »von Menschen erzeugte[n] Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen«.7 Der Kulturwissenschaftlichen Literaturwissenschaft zufolge, wie sie von Ansgar Nünning vertreten wird, ist die Literatur Teil der eben zitierten und definierten Gesamtkultur. Texte sind »kulturelle Ausdrucksträger«,8 in ihnen »manifestieren sich die kulturbestimmenden sozialen Konstellationen, Diskurse und Mentalitäten«.9

In diesem Sinne werden in der nun folgenden Interpretation die vier Schwerpunkte, auf die sich dieser Ansatz konzentriert, im Mittelpunkt stehen: die Texte, die mentale Dimension einer Kultur, die literarische Verarbeitung »gesellschaftlich dominanter Sinnkonstruktionen, Vorstellungen, Ideen und Werte«10 sowie die Literatur als Wertesystem.

In mehreren Texten und Aussagen der zuvor genannten fünf Schriftsteller spielt die Krankheitsmetapher eine zentrale Rolle mit dem Ziel, den Kommunismus in seiner stalinistischen und poststalinistischen Variante zu beschreiben und eindeutig negativ darzustellen. Nun wird Krankheit gemeinhin negativ bewertet. Sie ist einerseits untrennbar mit der Gesundheit verbunden und meint im gebräuchlichen Sinn die Beeinträchtigung und die Störung des völligen geistigen und/oder körperlichen Wohlbefindens. Andererseits bildet sie in ihrem Gegensatz zur Gesundheit ein häufig verwendetes Äquivalent zur Abweichung von der Norm, sowohl in ihrer quantitativen (Durchschnitt) als auch qualitativen Dimension (Ideal).11 Davon zeugt der bis heute praktizierte journalistische und politische Sprachgebrauch.12 Und so wie die polnischen Autoren sich des Krankheitsbildes bedienen, um den Kommunismus kritisch zu durchleuchten, scheint gleichzeitig auch den Befürwortern des Kommunismus mit ihrem Anspruch der Erziehung eines »neuen Menschen« die Krankheitsmetapher geeignet, um die gegnerische Seite zu diffamieren. In seiner Rede über die sowjetische Literatur vergleicht Gor’kij beispielsweise das Kleinbürgertum mit einer »Mikrobe, die schändliche Krankheiten hervorruft«,13 und die für ihn auf gleiche Stufe gestellten »Helden der kapitalistischen Wirklichkeit« wie Ebert, Noske und Hitler mit »Eiterbeulen«.14

Weitaus aufschlussreicher als die offensichtlich kritische und negative Bedeutung der Krankheitsmetapher in den Texten der fünf polnischen Autoren ist die dort enthaltene analytische Schilderung des Kommunismus und seiner Mechanismen mithilfe dieser Metapher. Die Analyse dieser Beschreibungen und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen, eröffnen sodann eine tiefere Bedeutungsebene. Denn weniger die kritische Haltung zum Kommunismus als vielmehr die durch diese Metapher konstruierte Optik ist das wesentliche Kriterium, um diese Texte in ihrer Komplexität besser verstehen zu können.

Die nachfolgenden Porträts, welche die Autoren und ihre Texte vorstellen, veranschaulichen, wie der Kommunismus mithilfe der Krankheitsmetapher beschrieben und gedeutet wird. Gleichzeitig ermöglichen sie eine Unterscheidung zwischen dem gesellschaftlichen und dem individuellen Blick auf den Kommunismus.

Józef Mackiewicz

Der Autor warnt in seinen Schriften, Artikeln und Romanen schon vor 1945 vor der »bolschewistischen Seuche«, die, wenn ihr kein Einhalt geboten werde, Europa heimsuchen wird. Seine vehemente Abneigung liegt dabei offen zutage. Andererseits hat verglichen mit ihm kaum ein polnischer Autor schon so früh und so vielschichtig das Wesen des Kommunismus beschrieben. Dabei spart Mackiewicz nicht mit Kritik an den Westmächten, der katholischen Kirche, der polnischen Vorkriegsregierung und der polnischen Heimatarmee, die seiner Meinung nach dazu beitrugen, dass sich die Sowjetunion so stark etablieren konnte.15 Mehr noch, seine Mitarbeit 1943 bei der Internationalen Sachverständigen-Kommission in Katyń zur Aufklärung der Massenmorde des NKWD an den polnischen Offizieren bringt ihm nach dem Krieg in Polen den vernichtenden Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis ein.16 Aber auch die polnischen Emigrationszentren sehen in ihm einen unbequemen »Querdenker«, der kompromisslos mit Polen abrechnet. Die erste Auflage seines Essaybandes Sieg der Provokation (1962) bringt Mackiewicz bezeichnenderweise auf eigene Kosten selbst heraus. Im Kapitel mit dem Titel »Pathos Kontra Seuche« formuliert er anhand der Seuche seine Diagnose über den realpolitischen Zustand Europas während des Kalten Krieges: »Vielleicht wird die ersehnte Zeit kommen, da das alles vergessen sein wird und auch dieses Buch längst vergessen ist, während der Kommunismus von der Oberfläche der Erde hinweggefegt ist; auch wir alle werden zu alten Streitigkeiten zurückkehren, die vor der Zeit bestanden, da der Kommunismus existierte. So eben geht eine große Krankheit vorüber, verfällt die Seuche ins Nichts, und keine Spur bleibt von ihr. Auch die Menschen werden nicht mehr daran denken und daran denken wollen. Aber es geschieht auch, daß die Krankheit nicht von selbst ausstirbt und zuvor mit großer Mühe bekämpft werden muß. Es kommt auch vor, daß sie siegt. Ich schreibe in den Tagen der großen Krankheit.«17

Den Kommunismus als politisches Modell sieht der Autor als Epidemie an. Sie kommt wie eine feindliche Horde von außen und bedroht die »normale« Menschheit. Allerdings haben die Menschen die Wahl, damit aber auch die Verantwortung für ihr Schicksal. Sie müssen diese Plage nicht über sich ergehen lassen. Sie haben die Alternative, sich ihr entweder zu beugen oder sich ihr zu widersetzen. Genau daran schließt sich Mackiewiczs warnende Prognose, aber auch sein Appell an: Wer sich in Passivität und im Ausharren übt, weil er meint, dass die Krankheit kommt und wieder geht, kann einem schrecklichen Irrtum erliegen.

Wenn Mackiewicz in Sieg der Provokation am Ende schreibt, dass die Krankheit auch siegen kann und er in der Zeit der herrschenden Seuche lebt, schwingt Entrüstung und Enttäuschung über all diejenigen mit, die sich aufgrund von Anpassung oder Eigennutz mit diesem krankhaften Zustand arrangieren. Er spielt damit vor allem auf die Realpolitiker und konformistischen Intellektuellen an, die im umgekehrten Fall die Ansicht geprägt hätten, dass die Antikommunisten in ihrer Aversion krank seien. »Es gibt die verbreitete Anschauung [sic] die den Antikommunismus als Besessenheit von Personen darstellt, die nicht fähig sind, in ›vernünftigen‹ und ›realen‹ Kategorien Betrachtungen anzustellen; von Personen, die fast von einer unheilbaren Krankheit erfaßt sind und deshalb nicht einmal Heilung, sondern nur Achselzucken verdienen.«18

Seine Empörung und sein Unverständnis über diese für ihn absurde Meinung illustriert Mackiewicz anhand der Teilung der Stadt Berlin und der Schießbefehle an der Mauer. Er fragt sich, wer mit gesundem Menschenverstand diesen abstrusen Zustand mitten in Europa »nicht als Kriegszustand, sondern als Zustand friedlichen Zusammenlebens«19 hinnehmen könne. Um den Kommunismus zu bekämpfen, fordert Mackiewicz die Menschen auf, sich ihm aktiv und kompromisslos zu widersetzen.

Leopold Tyrmand

Auch Tyrmand, dessen Tagebuch Dziennik 1954 die ersten drei Monate des Jahres 1954 in der VR Polen umfasst und als vollständiges Buch zum ersten Mal 1980 in London erscheint, vergleicht den Kommunismus mit einer Krankheit. Laut Tyrmand ist sie eine Missbildung im Körper. Einen funktionierenden Rechtsstaat setzt er mit einem lebenstüchtigen Organismus gleich. Ein Unrechtsstaat, den er in der realsozialistischen Gesellschaftsordnung verkörpert sieht, ist dagegen funktionsuntüchtig. Das Fehlen der freien Meinungsäußerung, welche in einem Rechtsstaat zu garantieren sei, bewirke, dass ein lebensnotwendiges Körperorgan fehlt, was zum Verfall des gesamten Körpers führe: »Das Funktionieren einer gesunden Gesellschaft basiert auf einer freien und disziplinierten Negation. Die Möglichkeit, ein vernünftiges ›Nein‹ zu äußern, bewegt die Gesellschaft nach vorn, unter der Voraussetzung, dass sie nicht zur Routine, Monotonie, zum Eigensinn wird […] Die Freiheit in einer richtig funktionierenden Gesellschaft ist ein Synonym für Kontrolle, die nur und ausschließlich durch den zwanglosen Prozess der Bejahung und Ablehnung erfolgt. Wenn erstere zu einem mechanischen Geplapper gerät, zweite unter Verschluss gehalten wird, verfällt die Gesellschaft in die Pathologie, stockt, ist krank und nicht lebensfähig.«20

Tyrmand bewegt sich damit ganz in der Tradition klassischer Staatsphilosophie, Krankheit verstanden als Ungleichgewicht mit politischer Unordnung in Beziehung zu setzen. Doch im Gegensatz zu den Ausführungen eines Hobbes oder Machiavelli setzt er die Krankheit nicht mit einer politischen Unordnung in Beziehung, die heilbar ist. Nein, bei ihm fehlen die optimistischen Prognosen der Heilbarkeit. Er setzt ganz eindeutig Krankheit mit Tod, also dem Untergang gleich. Denn das lebenswichtige Organ ist nicht beschädigt und damit möglicherweise heilbar – es fehlt. Wie auch Mackiewicz diagnostiziert Tyrmand aus einer beobachtenden, gar überlegenen Außenperspektive. Eine Warnung an die Menschen, sich diesem System aktiv zu widersetzen und es zu bekämpfen, formuliert er jedoch nicht. Denn durch diesen »Systemfehler« wird das politische Modell von ganz allein den Tod finden.

An einem anderen Beispiel nutzt Tyrmand ein konkretes Krankheitsbild, um den Realsozialismus in Polen zu kritisieren: die Tuberkulose. Diese Krankheit, die wie auch der Krebs metaphorisch stark aufgeladen ist,21 steht bei Tyrmand ganz konkret für eine Infektionskrankheit: »Der Sozialismus ist auf der Tuberkulose aufgebaut. Erschreckend, wie diese Krankheit die gesellschaftlichen Segmente attackiert, die einst immun gegen sie waren […] Die Tuberkulose unter den Jugendlichen in den Studentenwohnheimen ist erschreckend. Ein junger Ingenieur, bei dem ein beträchtliches Ödem in der linken Lunge entdeckt wurde, erzählte mir, dass der Arzt sich nicht für die Herausgabe einer Arbeitsbefreiung entscheiden konnte, er wankte zwischen Mitleid und der Angst vor den Instruktionen. Er sagte: Wenn ich Sie befreien müsste, könnte ein Viertel Polens das Recht auf ein Sanatorium fordern.«22

Wieder beschreibt eine nicht selbst betroffen wirkende Instanz ihre Außenwelt und fällt ihr vernichtendes Urteil über die Tragfähigkeit eines solchen Systems. Laut Tyrmand kehrt mit dem Systemwandel 1945 auch eine Krankheit der Armut und Entbehrung zurück, die in Polen als überwunden galt und sich nun wieder rasant verbreitet. Er führt ein System vor, in welchem die Lebensbedingungen sich im Vergleich zur vorangegangenen Zeit verschlechterten und in welchem zum Wohle der Gesellschaft der Krankheit nicht nur nicht vorgebeugt und entgegengewirkt, sondern sie ignoriert wird. Dem real existierenden Sozialismus, der das konkrete Wohlbefinden des Einzelnen zugunsten einer abstrakten Idee von Gemeinschaft rücksichtslos übergeht, wird damit klar ein Zivilisationsrückfall attestiert, der der eigenen propagierten Fortschrittsgläubigkeit zuwiderläuft.

Andrzej Szczypiorski

In den literarischen Umsetzungen der Pest bei Boccacio und Daniel Defoe ist diese Seuche eine Gegebenheit, die kommt und geht. Menschen sterben durch sie, erkranken und genesen oder kommen ungeschoren davon. Genauso beschreibt sie auch Szczypiorski in seinem Roman Eine Messe für die Stadt Arras (1971). Sein historischer Roman oder vielmehr seine Parabel im historischen Gewand thematisiert die Pest im Jahre 1458 und die drei Jahre später folgenden antisemitischen Ausschreitungen in der Stadt Arras, die im totalen Terror enden und willkürlich Opfer in der ganzen Stadt fordern.

Die Krankheitsmetapher Pest nimmt bei Szczypiorski eine zweifache Funktion ein. Einerseits ist die Epidemie die Ursache für das Chaos und die Auflösung aller normalerweise funktionierenden verbindlichen Regeln in der betroffenen Bevölkerung. Andererseits fungiert sie als Sinnbild für ein politisches Modell. Die Pest ist also Grundlage für das Chaos, die Amoralität, aber eben auch die befreiende, jeden betreffende Auflösung, die Foucault als »orgiastisches Erlebnis« beschrieb.23 Bei Szczypiorski heißt es, dass alle Menschen angesichts des Unglücks gleich wurden und die geheiligten Rechtsnormen in Trümmern lagen. »Eine Art grausiger Befreiung lag darin. Denn bislang hatte ja jeden, wer immer er war, auf Schritt und Tritt die allmächtige Hierarchie begleitet.«24 Die Pest ist aber zugleich auch durch die Isolationsmaßnahmen seitens der Obrigkeit die Basis für das politische Modell der vollen Machtausübung und Kontrolle. In seinem historischen Diskurs zu den Mechanismen der Macht sieht Foucault in den Krankheiten Lepra und Pest die zwei großen Modelle, die der Okzident hinsichtlich der Kontrolle der Individuen hervorgebracht hat.25 Er stellt den Ausschluss der Leprakranken aus der Gesellschaft dem Einschluss der Pestkranken in jene entgegen. Anders als bei der Lepra, bei der die Betroffenen ausgeschlossen wurden,26 finde bei der Pest eine Annäherung der Macht an das Individuum statt. »Es geht nicht um Ausschluss, sondern um Quarantäne. […] Während die Lepra Distanz fordert, gehört zur Pest eine immer feinere Annäherung der Macht an die Individuen, eine immer dauerhaftere und inständigere Beobachtung.«27

Die Pest ist für ihn ein politischer Traum, »in dem sie den wunderbaren Moment der vollen Ausübung der politischen Macht darstellt. Die Pest ist jener Moment, in dem die erkennungsdienstliche Erfassung der Bevölkerung auf die Spitze getrieben wird und sich keine gefährlichen Kommunikationen, keine konfusen Gemeinschaften, keine verbotenen Kontakte mehr ergeben. Die Pest bedeutet die durchgängige Rasterung einer Bevölkerung mittels einer politischen Macht, deren kapillare Verzweigungen sich unablässig bis in den Kern der einzelnen Individuen, in ihre Zeit, ihre Behausung, ihren Aufenthaltsort und ihre Körper hinein erstrecken.«28

Wenn in dem Roman Szczypiorskis der Erzähler über die totale Isolierung der Stadt Arras auf Befehl des Bischofs von Utrecht berichtet, dann beschreibt er administrative Schritte, denen ein rigoroser, politischer Machtanspruch zugrunde liegt. Der Roman verdeutlicht aber auch, welche demoralisierenden Auswirkungen die Pest auf die Menschen hat: »Das Bestialische gewann die Oberhand über die Menschennatur. Man öffnete die Gräber der Verstorbenen und ergab sich dem grauenvollsten Kannibalismus. Es ereigneten sich Fälle, daß Familienangehörige einen Sterbenden erschlugen, um sich mit frischem, von Fäulnisgestank freiem Fleisch zu sättigen. Wie stets, wenn die Menschen das Ende aller Dinge voraussehen, wurde die Stadt von den zügellosesten Lastern erfaßt. Musterhafte, tugendsame Frauen führten sich wie Dirnen auf. Man konnte Szenen unbeschreiblicher Obszönität beobachten, die sich unter freiem Himmel, ja selbst vor Kirchenportalen abspielten.«29

Diese Seuche hinterlässt nicht nur viele Tote, sondern vor allem moralische Schäden durch die unmittelbare Erfahrung von Raub, Kannibalismus und Triebhaftigkeit. Anders als bei Mackiewicz haben die Menschen keinen Einfluss darauf, ob sie von der Pest befallen werden oder nicht. Sie ist wie eine Naturgewalt, die aufzieht und wieder verschwindet. Zudem hebt der abwägende Erzähler nicht nur das Elend und den Tod hervor, sondern auch das befreiende Moment dieser Krankheit: die Veränderung und Auflösung der bestehenden Hierarchie. Erst in Konfrontation mit der Pest tragen die Betroffenen die Verantwortung für ihr Handeln. Der Erzähler, selbst nicht frei von Anpassungsdruck und Fehlentscheidungen, nimmt die Menschen in seiner Stadt in Schutz, die erst durch die außergewöhnlichen, schrecklichen Umstände zu den Gräueltaten fähig sind. Die Erzählinstanz gibt allerdings auch Beispiele von Personen, die sich trotz dieses Chaos und der allgegenwärtigen Amoralität human und würdevoll verhalten. Bezogen auf den Kommunismus schließt Szczypiorski sittliches Verhalten nicht automatisch aus. Selbst unter krankhaften Umständen kann der Einzelne wählen, selbst unter dieser Krankheit kann er sich human oder verwerflich verhalten.

Der Roman entstand zwischen September 1968 und November 1970. 1968 ist in der VR Polen bekanntermaßen das Jahr der Studentenunruhen und der von offizieller Seite initiierten antisemitischen Welle. Marcel Reich-Ranicki fragt sich seinerzeit bei der Besprechung des Buches: »Natürlich ist die Pest in Arras eine Realität und zugleich eine Metapher. Wofür? Etwa für den Stalinismus? Eine solche Deutung dieser Parabel wäre nicht ganz falsch.«30 Sie scheint sogar sehr plausibel. Die Pest als Sinnbild für den Kommunismus in seiner stalinistischen und polnischen Variante fordert viele Opfer und steht als politisches Modell für die Mechanismen einer Diktatur mit totalitärem Anspruch. Zudem bedingt sie die Aufhebung geltender moralischer und rechtlicher Zustände sowie Normen, in deren Folge jeder Einzelne entscheiden muss, welche Haltung er einnimmt. Anders als in den Texten der beiden vorangegangenen Autoren versucht Szczypiorski, diesem Terror einen historischen Sinn zu verleihen. Er kann und möchte sich nicht damit abfinden, dass die Toten und die Gräueltaten ohne jegliche Bedeutung sind.

Jerzy Andrzejewski

Andrzejewski rückt in seinem Roman Miazga [Brei] von 1979, durch den er sich den literarischen Nobelpreis erhoffte, nicht das politische Modell, sondern das Individuum in den Mittelpunkt. Mit dem Attribut »krank« versehen die Verantwortlichen seines Operativen Vorgangs selbst diesen Text, der in Polen zensiert erscheint. »Die Welt Andrzejewskis ist krank, unvollkommen, ratlos unvollendet.«31

Wenn im Roman der Vergleich mit der Krankheit herangezogen wird, dann um zu beschreiben, welche Auswirkungen dieses System auf den Menschen hat. In seinem experimentellen, aber auch politischen Roman Miazga heißt es: » […] die Wunden, die eine verdorbene Macht den Leuten zufügt, lassen das Individuum bisweilen genauso einsam und etwas schamhaft werden, wie auch ein Mensch sich allein gelassen und schamhaft fühlt, wenn eine tödliche Krankheit seinen Organismus vergiftet und zersetzt.«32

In diesem Roman geht es nicht darum, das System selbst zu diagnostizieren, sondern seine Folgen auf den Einzelnen zu veranschaulichen. Der Erzähler benennt keine konkrete Krankheit, er sucht nicht nach den Ursachen. Der Vergleich zielt darauf ab, die Vorstellung von Krankheit als Verfall mit der verdorbenen, illegitimen Macht gleichzusetzen. Die Verletzungen, die dem Individuum durch diese Macht widerfahren können, spiegelt auf materieller Ebene des Körpers die tödliche Krankheit wider, die sich im Einzelnen festsetzen kann.

In einem Gespräch über seine kommunistische Vergangenheit nutzt Andrzejewski ein konkretes Krankheitsbild. Erneut richtet er sein Augenmerk, anders als Tyrmand und Mackiewicz, nicht auf den Staat im Allgemeinen, sondern auf den konkreten Menschen – in diesem Fall auf sich selbst. Er greift auf den »grauen Star« zurück, um zu erklären, warum er und mit ihm die sogenannten Renegaten dem Kommunismus in der jungen VR Polen so kritiklos und blind verfielen.33 Seinen Zustand vergleicht er mit der Katarakta. Dieser »graue Star«, der zur Erblindung führt, müsse erst reifen, damit man ihn operieren könne. Mit diesem Rückgriff verweist er auf seine Veranlagung für diese Krankheit, aber auch auf seine bewusste Wahl, der Blindheit entgegenzuwirken. Andrzejewski illustriert damit seine selbstbestimmte Entscheidung gegen die Anfälligkeit. Diese rechtfertigt er damit, dass die neue kommunistische Ordnung mit ihrem antifaschistischen Antlitz, das für ihn und viele seiner überlebenden Zeitgenossen nach Auschwitz und dem moralischen Bankrott, den sie vorfinden und dem sie ausgeliefert sind, so vielversprechend und überzeugend scheint. Er steht für eine ganze Generation von Schriftstellern, die ihr Engagement oder ihren Dogmatismus im Nachhinein kaum rational erklären können und ihren Zustand in dieser Zeit mit einem Hypnose- oder einem Wahnzustand erklären.34

Mit einem sich verbreitenden Virus vergleicht der Literaturhistoriker, Publizist und Oppositionelle Jan Józef Lipski dieses für ihn so unverständliche »emotionale Engagement«, das »Symptome« einer großen Überzeugung aufweise und mit Sicherheit auch auf den Schriftsteller Andrzejewski in den ersten Jahren des neuen Volkspolen zutrifft.35 Dieser »geheimnisvolle Virus«, den Lipski an seinem Umfeld bemerkt, bewirke bei den Menschen einen ideell-moralischen Amok. Er habe von der Perspektive eines Menschen aus beobachtet, der »immun« gegen diesen Virus gewesen sei, also anders als bei Andrzejewski keine Anfälligkeit dafür hat. Er gibt das Beispiel eines intelligenten und warmherzigen Freundes, der sich durch diesen unerklärlichen Virus verändert. In jemanden, der an die neue Ordnung glaubt, obwohl er es besser hätte wissen müssen. Bei einem Gespräch erwähnt Lipski Katyń. Seinem Freund ist absolut klar, dass nicht die Nazis, sondern der NKWD für das Massaker an den polnischen Offizieren verantwortlich ist. Aber der Freund argumentiert mit der Notwendigkeit der neuen Ordnung, dieses Hindernis aus dem Weg zu schaffen, da diese abertausenden Menschen auch in Zukunft dem Kommunismus und dem Aufbau feindlich gegenübergestanden hätten.

Aleksander Wat

»Literarische Parabeln – zur Wiedergabe solcher Erscheinungen sind sie manchmal unersetzlich.«36 So erklärt sich, warum Aleksander Wat auf die Pest zurückgreift, um die Aura des Stalinismus zu veranschaulichen. Die schwarzen Limousinen des NKWD und die death cars [Totenkarren], die während der Pest durch das London des 17. Jahrhunderts fuhren – dieser Vergleich eröffnet sich Aleksander Wat, wenn er an Daniel Defoes Die Pest zu London zurückdenkt. Und diese death cars – in Klammern setzt Wat das Wort »die Limousinen des NKWD« – »kreisen dort und allein in jeder der einzelnen unzähligen Nächte, nichts gibt wahrscheinlich so halluzinativ getreu die Aura und die Mechanismen der Jeschow-Zeit wieder«.37 Aber mehr noch, insbesondere die groß angelegten Säuberungen in den intellektuellen Kreisen, die massenhaften Leichentransporte und die zunehmende Leere rufen in ihm die Vorstellung der Pest hervor und erinnern ihn in seinem Essay Klucz i hak [Schlüssel und Haken], aber auch in seinen gesprochenen Erinnerungen38 an seine Lektüre von Daniel Defoes Buch: »Die Pest, die jeden Tag die Stadt dezimiert; die auf jeden blind und ständig lauert; die Häuser verriegelt, die sich nur dafür öffnen, um sich eines infizierten Vaters oder Bruders zu entledigen, die Löcher in dem sozialen Netz, festgestellt von den noch Lebenden jeden Morgen; offene Gräber, in welche die Hoffnungslosesten springen; Wahnsinn [...]«39

Anders als bei Szczypiorski dient die Pest nicht zur Erklärung des politischen Modells oder der amoralischen Verhaltensweisen. Sie vermittelt in anschaulichen Bildern das Grauen, den Tod, die Leere und Hoffnungslosigkeit. Denn so sieht und empfindet Aleksander Wat den Kommunismus stalinistischer Ausprägung. Und wie auch Andrzejewski konzentriert er sich in seinen Bildern und Überlegungen auf das Individuum. Für ihn ist der Kommunismus der Inbegriff des Bösen, das den Menschen körperlich und geistig angreift und krank macht. Und das meint der Schriftsteller wortwörtlich. Die Schuld für seine psychische Zerrüttung und den späteren Schlaganfall, an dessen Folgen er bis zu seinem Freitod massiv leidet, gibt der polnische Schriftsteller Aleksander Wat dem Kommunismus. Seine Erfahrungen in der Sowjetunion beschreibt er in seinen gesprochenen Erinnerungen Jenseits von Lüge und Wahrheit. Mein Jahrhundert (1977). Haft und Zwangsaufenthalt bewirken, dass er sich auf der einen Seite als gespalten wahrnimmt: Eine Gehirnhälfte ist verrückt geworden, die andere empfindet er als nüchtern und scharf beobachtend. Auf der anderen Seite erschweren ihm nach der Gefangenschaft die Folgen des Schlaganfalls derart sein Leben, dass er trotz Medikamente und medizinischer Behandlung teilweise nicht in der Lage ist, zu schreiben. Für Wat ist die Erfahrung mit dem Kommunismus metaphysischer Art. Im Kommunismus sieht er das Böse verkörpert, das darauf abzielt, den einzelnen Menschen psychisch und physisch zu vernichten. Eine optimistische Sicht, wie Andrzejewski sie hat, teilt Wat nicht. Wer durch den Kommunismus erkrankt, und das wortwörtlich, der kommt, auch wenn er überlebt, nicht unbeschadet davon.

Fazit

Auf den ersten Blick kann diese Porträtreihe wie ein Sammelsurium unterschiedlicher Biografien, Erfahrungen sowie vielfältiger literarischer Realisierungen dieses Themas wirken. Nur die negative Darstellung des Kommunismus scheint die Autoren zu einen. Der eigentliche Schlüssel ist jedoch die Kategorie der Perspektive. Denn erst sie liefert ein Modell, um die Gemeinsamkeiten zwischen den Texten auf einer tieferen Ebene zu zeigen und zu nuancieren. Auf diese Weise lassen sich die Texte in jene einteilen, die eine »gesellschaftliche« oder eine »individuelle Optik« einnehmen. Damit ist ganz konkret eine Tendenz zu einer gesellschaftlich-historischen Sicht einerseits, die Fokussierung auf das Individuum im Kommunismus andererseits gemeint. Mackiewicz, Tyrmand und Szczypiorski betrachten den Kommunismus vorwiegend in Hinsicht auf seine gesellschaftliche Auswirkung. Gerade die Krankheitsbilder Pest und Seuche eignen sich besonders gut für diese Darstellung. Bei Mackiewicz stellt der Kommunismus eine Gefährdung für die Gesellschaft dar. Er bedroht die westliche Kultur und versucht, sie zu überrennen. Tyrmand schreibt von der Unmöglichkeit, im Realsozialismus in konstruktiven gesellschaftlichen Strukturen zu funktionieren. Damit meint er nicht nur die Interaktion zwischen der Partei, ihrer Nomenklatura und der Bevölkerung, sondern auch das alltägliche gesellschaftliche Leben, angefangen bei der miserablen Versorgungslandschaft, den unwürdigen Wohn- und Arbeitsverhältnissen. Für beide Autoren ist der Kommunismus das antagonistische Pendant zu einer intakten Gesellschaftsordnung. Dies gilt unterschwellig auch für Szczypiorskis Roman. Der Erzähler richtet seinen Blick ebenfalls auf die Bevölkerung. Und selbst wenn er auf andere Personen zu sprechen kommt oder von sich selbst berichtet, dann immer vor dem Hintergrund der sogenannten Gemeinschaft, ihrer Reaktion und ihrer Dynamik. Die Erzählinstanz berichtet aus zeitlicher Distanz, wie durch das harte Eingreifen des Bischofs von Utrecht und seine Isolationsmaßnahmen in der Stadt Fanatismus und Terror ausbrechen, wie die Bevölkerung und der neue Stadtrat in ihrem Handeln und ihrem Verhalten jeweils voneinander beeinflusst sind.

Bei der »individuellen Optik« steht der Einzelne im Vordergrund. So bei Andrzejewski und Wat, die diese Krankheitsmetapher zum Teil autothematisch auf sich selbst beziehen. Sie dient dazu, den Einfluss und die Auswirkungen des Kommunismus auf den Einzelnen zu verdeutlichen. Der Kommunismus ist eben nicht nur destruktiv, weil er ein gesellschaftliches Phänomen ist, sondern vor allem, weil er durch seine menschenfeindliche Natur das Leben jedes Einzelnen beeinflusst. Damit ist nicht das Individuum in seiner gesellschaftlichen Funktion gemeint, sondern jede einzelne konkrete Person mit dem, was sie ausmacht: ihr Körper, ihre Seele und ihre Integrität. Für diese beiden Autoren beschränkt sich die kommunistische Ideologie nicht darauf, eine Gesellschaft in ihrem Sinne aufzubauen und zu erhalten. Sie bezweckt, wie Hannah Arendt es formuliert, »die individuelle Identität des einzelnen für die Dauer seines Lebens«40 auszulöschen. Als Reaktion darauf erkrankt der Mensch, d. h. er wird seiner körperlichen wie geistigen Integrität beraubt.

Der Verweis auf Krankheit oder der Gebrauch von Krankheitsbildern dient nicht nur dazu, auf diffamierende Weise den Gegner und das Gegnerische mit dem Schlimmsten gleichzusetzen, wie dies so oft im politisch-ideologischen Sprachgebrauch praktiziert wird. Die Krankheitsmetapher impliziert bei Weitem mehr als das. Sie kann ein anschauliches Mittel sein, auf differenzierte Art das Individuum, die Gesellschaft und politische Modelle zu beschreiben. Letzten Endes bewahrt die Krankheit selbst bei der Metaphorisierung ihre Grundbedeutung, nämlich das, was sie ist: ein destruktives Übel. Und genau als solches wird der Kommunismus in den präsentierten Texten wahrgenommen.


1 In einem bestimmten Zeit- und Kulturraum auftretende Krankheiten, die »in interpretativen Akten« zu Epochenkrankheiten gemacht werden. Siehe Frank Degler: Einleitung: Epochenkrankheiten in der Literatur, in: ders./Christian Kohlroß (Hg.): Epochen/Krankheiten. Konstellationen von Literatur und Pathologie, St. Ingbert 2006, S. 15–20, hier S. 18.

2 Józef Mackiewicz (geb. 1902 in St. Petersburg, gest. 1985 in München), auf Deutsch erschienen: Katyń – ungesühntes Verbrechen, Zürich 1949; Tragödie an der Drau oder die verratene Freiheit, München 1957; Der Weg ins Nirgendwo, München 1959; Der Oberst. Die Affäre Mjassojedow, München 1967; Sieg der Provokation, München 1964.

3 Leopold Tyrmand (geb. 1920 in Warschau, gest. 1985 in Fort Myers), auf Deutsch erschienen: Der Böse, Berlin 1958; Ein Hotel in Darlowo, Berlin 1962.

4 Jerzy Andrzejewski (geb. 1909 in Warschau, gest. 1983 in Warschau), auf Deutsch erschienen u. a.: 
Die Karwoche, Wien 1948; Asche und Diamant, München 1961; Finsternis bedeckt die Erde, München 1962; Appellation, Frankfurt/M. 1968.

5 Aleksander Wat (geb. 1900 in Warschau, gest. 1967 in Paris), auf Deutsch erschienen: Was sagt die Nacht? Ausgewählte Gedichte, Bad Honnef 1991; Jenseits von Wahrheit und Lüge. Mein Jahrhundert. Gesprochene Erinnerungen 1926–1945, Frankfurt/M. 2000.

6 Andrzej Szczypiorski (geb. 1924 in Warschau, gest. 2000 in Warschau), auf Deutsch erschienen u. a.: 
Eine Messe für die Stadt Arras, Berlin 1979; Die schöne Frau Seidenman, Zürich 1988; Amerikanischer Whisky, Zürich 1989; Europa ist unterwegs. Essays und Reden, Zürich 1996.

7 Ansgar Nünning/Roy Sommer: Kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaft: Disziplinäre Ansätze, 
Theoretische Positionen, Transdisziplinäre Perspektiven, in: dies. (Hg.): Kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaft, Tübingen 2004, S. 9–31, hier S. 18.

8 Ebd., S. 21.

9 Ebd., S. 20.

10 Ebd., S. 19.

11 Der französische Philosoph und Mediziner Georges Canguilhem betonte, wie kulturell stark geprägt die Bestimmung dessen ist, was »normal« und »anormal«, »gesund« und »krank« bedeutet. So gibt er an, dass die Anomalie rein semantisch ein faktischer Zustand, ein beschreibender Terminus ist, während das Anormale (als Synonym verwendet) ein bewertender Begriff sei. Georges Canguilhem: Das Normale und das Pathologische, München 1974, S. 86.

12 Siehe z. B. »Wie schön die Kanzlerin säuseln kann«, in: Der Spiegel vom 29. September 2011 zur Euro- und deutschen Regierungskrise: »Der Euro nähert sich seiner Krise. Also dem Wendepunkt der Krankheit. Darauf folgt Genesung oder Untergang.«, in: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,788997,00.html, zuletzt ges. am 19. Dezember 2011.

13 Maksim Gor’kij: Über sowjetische Literatur (17. 8. 1934 / Dok. Nr. 2), in: Hans-Jürgen Schmitt/Godehard Schramm (Hg.): Sozialistische Realismuskonzeptionen. Dokumente zum 1. Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller, Frankfurt/M. 1974, S. 51–84, hier S. 80.

14 Ebd., S. 78.

15 Siehe Marek Zybura: Ein Querdenker zwischen allen Stühlen. Józef Mackiewicz (1902–1985), in: ders.: Querdenker, Vermittler, Grenzüberschreiter. Beiträge zur deutschen und polnischen Literatur- und Kulturgeschichte, Dresden 2007, S. 248–259, hier S. 250.

16 Die Entdeckung und Untersuchung des Massenmordes wie auch die Arbeit der unabhängigen internationalen Untersuchungskommission thematisiert Józef Mackiewicz in Katyń – ungesühntes Verbrechen (1949). Siehe auch das Schicksal dieses Buches in der BRD in: Marek Zybura: Ein Querdenker (Anm. 15), S. 256.

17 Józef Mackiewicz: Sieg der Provokation, München 1964, S. 268.

18 Ebd., S. 265.

19 Ebd., S. 266.

20 Leopold Tyrmand: Dziennik 1954 [Tagebuch 1954], Warschau 1989, S. 358 (Deutsch – E. S.).

21 In dem kritischen Bestreben, die Krankheitsbilder zu entmystifizieren, widmete sich die amerikanische Essayistin Susan Sontag insbesondere dem Krebs und der Tuberkulose in der kulturellen – und damit – 
literarischen Wahrnehmung. Der Tuberkulose, so Sontag, war nicht nur die Bedeutung immanent, eine Krankheit verarmter Gesellschaftsschichten zu sein, sondern sie galt auch als vornehme Erkrankung betuchter Leute und erfuhr gar eine Ästhetisierung. In dieser Aufwertung fand sie ihre literarische Darstellung beispielsweise bei Thomas Mann. Doch nicht nur die Symptome und Folgen, sondern auch die Ursachen selbst unterlagen der Metaphorisierung. So konnte denn die innere Disposition, der Charakter, die Gemütsverfassung oder die Lebensweise die Krankheit erst hervorrufen und fand in ihr ihren äußerlichen Ausdruck, aber auch ihr sichtbares Brandmal. Neben der psychologischen Begründung reihte sich dabei das moralische Urteil über die von der Krankheit betroffene Person ein. Susan Sontag: Krankheit als Metapher, München/Wien 1978, S. 29.

22 Tyrmand: Dziennik (Anm. 20), S. 366 (Deutsch – E. S.).

23 Michel Foucault: Die Anormalen. Vorlesungen am Collège de France (1974–1975), Frankfurt/M. 2003, S. 68.

24 Andrzej Szczypiorski: Eine Messe für die Stadt Arras, Zürich 1988, S. 76 f.

25 Foucault: Die Anormalen (Anm. 23), S. 65 f.

26 Siehe Gustaw Herling-Grudziński, ein polnischer Schriftsteller, der vor allem durch seinen Roman Welt ohne Erbarmen bekannt wurde, für welchen seine autobiografischen Haft- und Lagererfahrungen in der SU als Grundlage dienten. In seiner kunstvollen Erzählung Der Turm aus dem gleichnamigen Band gibt der Autor am Beispiel eines Leprakranken Ende des 18. Jahrhunderts in Italien dem sozialen Ausschluss und der Isolation literarische Gestalt. In: Gustaw Herling-Grudziński: Der Turm und die Insel, Köln 1966.

27 Foucault: Die Anormalen (Anm. 23), S. 67.

28 Ebd., S. 68.

29 Szczypiorski: Eine Messe (Anm. 24), S. 72.

30 Marcel Reich-Ranicki: Erst leben, dann spielen. Über polnische Literatur, Göttingen 2002, S. 158.

31 Uwagi dot. »Miazgi« Jerzego Andrzejewskiego, Warszawa dnia 16 pazdziernika 1970 roku [Bemerkungen betreffs »Brei« von Jerzy Andrzejewski, Warschau 16. Oktober 1970], in: IPN [Instytut Pamięci Narodowej/Institut für Nationales Gedenken: Signatur: IPN BU 01221/1, koperta 42, S. 3. (Deutsch – E. S.)

32 Jerzy Andrzejewski: Miazga [Brei], Warschau 1981, S. 117 (Deutsch – E. S.).

33 Siehe Jerzy Andrzejewski: Czerwony system pogardy [Das rote System der Verachtung], in: Jacek Trznadel (Hg.): Hańba domowa [Bürgerschande], Warschau1997, S. 102–115, hier S. 109.

34 Siehe dazu Kazimierz Brandys’ literarisches Porträt Nierzeczywistość [Unwirklichkeit] (1978) sowie die Gespräche Jacek Trznadels mit den Schriftstellern Andrzej Braun und Jacek Bocheński, in: Trznadel (Hg.): Hańba domowa (Anm. 33).

35 Siehe Jan Józef Lipski: Niezrozumiały i przerażający amok [Unverständlicher und erschreckender Amok], in: Trznadel (Hrsg.): Hańba domowa (Anm. 33), S. 288–302, hier S. 290.

36 Aleksander Wat: Klucz i hak [Schlüssel und Haken], in: ders.: Świat na haku i pod kluczem [Die Welt am Haken und hinter Schloss und Riegel], Warschau 1991, S. 11–63, hier S. 46 (Deutsch – E. S.).

37 Ebd., S. 46 (Deutsch – E. S.).

38 Aleksander Wat: Jenseits von Wahrheit und Lüge. Mein Jahrhundert. Gesprochene Erinnerungen 1926–1945, Frankfurt/M. 2000, S. 483 f.

39 Wat: Klucz i hak (Anm. 36), S. 46 (Deutsch – E. S.).

40 Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 507.

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