JHK 2012

Die Transformation des sowjetischen Mythos vom Kommunismus in der Epoche Nikita Chruščëvs (1953–1964)

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 63-82 | Aufbau Verlag

Autor/in: Ol’ga Pavlenko

Während der gesamten Geschichte der UdSSR blieb der offizielle kommunistische Diskurs stabil, ungeachtet aller Umstürze in der obersten Führung und der Änderungen des politischen Kurses. Die Folgen waren paradox. Die neue Parteiführung wollte jedes Mal wieder bei null anfangen. Der politische Diskurs bildete sich immer wieder auf der Grundlage der Diskreditierung der bisherigen Politik und der geschichtlichen Erfahrungen heraus. Unverändert blieben jedoch das Primat des Kommunismus und die allgemeinen Vorstellungen über diesen als höchste Phase des sowjetischen politischen Prozesses.

Die Bolschewiki haben unter den Losungen des Kommunismus die imperiale Geschichte Russlands hinter sich gelassen. In der Epoche Iosif Stalins geriet die reale Geschichte der bolschewistischen Bewegung und der Oktoberrevolution selbst in Vergessenheit. Die engsten Kampfgefährten Lenins wurden umgebracht, die Rolle Trockijs verdrängt, und stattdessen wurde der Kult des Führers der Völker, »des wahren und treuesten Schülers Lenins« – Iosif Stalin – ins Leben gerufen. Die gewaltsame Kollektivierung, Industrialisierung und die Kulturrevolution erfolgten im Namen des »bevorstehenden Kommunismus«. Doch nach Stalins Tod machte sich der neue Parteiführer Nikita Chruščëv daran, den Kult um seinen Vorgänger zu entlarven.

Für Chruščëv war es wichtig, das Land zu überzeugen, dass er die Partei und den Sowjetstaat zur »Primärquelle« – Lenin – zurückführen und sie vom autoritären Stalinismus säubern würde. Nie zuvor hatte der Personenkult um Lenin eine derart umfangreiche Mythologisierung erfahren. Das Leninbild wurde zu einer Art heiligem Symbol, zu einem Orakel der offiziellen Ideologie. In den Sechzigerjahren wandelten sich die Oktoberrevolution und der Bürgerkrieg (ohne Trockij und fast ohne Stalin) zu den grundlegenden Mythologemen des Sowjetstaates.[1] Ein monumentaler Leninkult entstand, in dessen Schatten sich auch ein würdiger Platz für den »Theoretiker des Kommunismus«, Nikita Chruščëv, fand. Lenins Name wurde wie ein Schwur genannt. Eine fünfte Ausgabe seiner Werke erschien. Auf dem XXII. Parteitag der KPdSU, der die Bevölkerung aufrief, innerhalb von zwanzig Jahren den Kommunismus zu errichten, wiesen sämtliche Losungen einen Leninbezug auf: »Ruhm der Partei Lenins!«, »Es lebe das Lenin’sche Programm der Partei!«, »Es lebe das leninistische Zentralkomitee!«. Der gesamte Saal skandierte damals: »Leninismus – Kommunismus!«

Es hatte den Anschein, dass die UdSSR eine Brücke zurück in die revolutionär-romantischen Zwanzigerjahre schlug, als die Menschen, die den Bolschewiki glaubten, mit der Hoffnung auf die lichte Zukunft – den Kommunismus – lebten. Der Mythos des Kommunismus wurde nun durch neue Akzente ergänzt und von der sowjetischen Propaganda millionenfach im Land und im Ausland verbreitet.

All das sollte dazu beitragen, den Stalinkult aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein zu verdrängen und den Sowjetmenschen neue Horizonte eröffnen. Der Mobilisierungseffekt war stark, aber kurzlebig. Bereits in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre beschuldigte die neue Parteiführung unter Leonid Brežnev Chruščëv des Voluntarismus und der Anwendung autoritärer Methoden in der Leitung des Landes – eine Verletzung der »Lenin’schen Prinzipien«. Als später die Zeit von Michail Gorbačëvs Perestroika gekommen war, wurde Brežnevs Politik der Stagnation zum Objekt der Kritik. In den Neunzigerjahren waren es dann Boris El’cin und seine Anhänger, die nunmehr Gorbačëv beschuldigten. Alle diese zyklischen »Negationen« im sowjetischen – und später im postsowjetischen System – trugen dazu bei, einen Teufelskreis zu errichten, der sich um die Lösung der taktischen Aufgabe, die Macht um jeden Preis zu erhalten, drehte.

Ungeachtet all dieser Metamorphosen bewahrte die ihrer Struktur und Kommunikationspraxis nach außerordentlich hierarchische Sowjetideologie den unveränderlichen Mythos vom Kommunismus. Dahinter verbarg sich der eigentliche Sinn der staatlichen und Parteiprozesse in der UdSSR: Wer sind wir? Wohin gehen wir? Was sind unsere Orientierungspunkte? Vom genauen Erklärungsschema, das simpel und einfachen Leuten verständlich war, hingen die Stabilität des Systems und sein Mobilisierungspotenzial ab. Von ihm hingen auch die gesellschaftlichen Illusionen und Hoffnungen ab. Das Phänomen der Sechzigerjahre sind eben jene hohen Erwartungen, die Chruščëv der Gesellschaft vermitteln konnte, die Ideen von der Bürgeraktivität und Selbstverwaltung, dem Dialog zwischen Macht und Gesellschaft, die er unter den Bedingungen der engen Grenzen, die das sowjetische System setzte, unterbreitete.

Ende der Neunzigerjahre, Anfang 2000 erschienen in Russland Dutzende Arbeiten über das ideologische Phänomen des Kommunismus in der Chruščëv-Ära.[2] Dieses anhaltende Interesse lässt sich auf das Bestreben der Historiker, Philologen, Kulturwissenschaftler und Philosophen zurückführen, die komplizierten Codes des offiziellen sowjetischen Diskurses zu entschlüsseln und das spezifische ideologische System des »Wissenschaftlichen Kommunismus« zu verstehen, das unterschiedliche Erfahrungen der Projektierung gesellschaftlicher Prozesse in der UdSSR zu begründen suchte. Dabei wird die Dechiffrierung von Parteitexten, öffentlichen Reden der Führer des Landes durch die Spezifik der »sowjetischen politischen Sprache« und dem dahinter verborgenen Sinn erschwert.[3] Diese trockene, bürokratische, komprimierte, emotionslose Sprache, diese Sprache der sowjetischen Parteinomenklatura, lässt sich schwer übersetzen, da die einzelnen Formulierungen viele Prozesse in sich vereinigen.

Die von Chruščëv am meisten verwendete Formel »Aufbau des Kommunismus« wurde zum Markenzeichen und hat seine Epoche überdauert. Im offiziellen sowjetischen Diskurs hielt sie sich bis zum Zusammenbruch der UdSSR, wurde aber allmählich von der »Perestroika« verdrängt. Der »Aufbau« wurde als gesamtgesellschaftliche Aktion interpretiert, als höchster Ausdruck der kollektiven Arbeit der Sowjetmenschen, als Wesen ihrer allgemeinmenschlichen Mission. Der »Kommunismus« kam in dieser Verbindung dem alten russischen Mythos von der Stadt des Überflusses Kitez nahe. Der Legende nach kannten die Einwohner dieser Stadt weder Hunger noch Entbehrungen und lebten in Wohlstand und Geborgenheit. Doch die Stadt versank im Meer und wurde zum Sinnbild der ewigen russischen Sehnsucht nach einem »Leben im Überfluss«.

Chruščëv liebte es, von der »Arbeit des gesamten Sowjetvolkes am Aufbau des Gebäudes des Kommunismus« zu sprechen.[4] Die Begriffe »Aufbau« und »Gebäude« entspringen der materiellen Sphäre, ihnen haftet etwas Gegenständliches, Fassbares an, sie vermittelten ein Gefühl der Nähe zur neuen Realität – des Kommunismus. Dies war die große Illusion des Kommunismus, geschaffen in der Ära Nikita Chruščëvs – seiner Politik und seinem Kampf um die Macht blieb sie stets untergeordnet.

Nikita Chruščëv als politischer Führer: Streitfragen

Die Erinnerung an die Zeit von Nikita Chruščëv ruft auch heute noch heftige Reaktionen hervor. Geriet er während der Brežnev-Ära fast dreißig Jahre lang in Vergessenheit, war er während der Perestroika heftig umstritten. Die Ideologen des Aufbaus wollten damals die Erfahrungen seiner Reformen untersuchen, verstehen, inwieweit das »Jahrzehnt Chruščëvs« mit dem neuen Denken von Gorbačëv zusammenhing. Die Diskussionen entflammten unmittelbar nach der Veröffentlichung seiner Memoiren, zunächst in Auszügen in Zeitschriften, später folgte eine Buchausgabe. Zwischen 1990 und 2000 erschienen mehrere Studien, in denen die Autoren den Versuch unternahmen, das Phänomen der politischen Führung Chruščëvs zu analysieren.[5]

Bis heute bleibt jedoch die Frage, ob seine Reformen nur eine Imitation der Modernisierung oder eine scharfe Wendung in der Reformierung der Sowjetordnung waren, unbeantwortet.

Als politischer Führer bildete er sich an der Bruchstelle zweier Epochen heraus, derjenigen Stalins und jener neuen, der er einen frischen Wind einhauchen wollte. Seit dem XX. Parteitag positionierte sich Chruščëv als überzeugter Antistalinist, blieb jedoch ein Leben lang von der Epoche des Stalinismus geprägt. Sein Sohn gab zu, dass der Vater »immer auf Stalin zurückkam. Er war wie ›vergiftet‹, wollte Stalin loswerden, doch konnte es nicht. Er versuchte zu verstehen, was damals mit dem Land, mit dessen Führern, mit ihm selbst, geschehen war. Wie ist es dem Tyrannen gelungen, sich nicht nur das Land untertan zu machen, sondern auch noch die Einwohner zu zwingen, ihn zu vergöttern? Er suchte nach einer Antwort, konnte aber keine finden.«[6]

Während er die Stufen der Macht erklomm, eignete er sich sehr genau die Grundregeln des sowjetischen politischen Prozesses an. Er hatte immer ein Gespür für jene Grenzlinie, die die Parteifunktionäre aller Ebenen – von der Parteibasis bis an die Parteispitze – wahrnahmen. Es war die Grenze zwischen der Wirklichkeit, dem, was tatsächlich existierte, und dem, wie es entsprechend den »historischen Weisungen von Partei und Regierung sein müsste«. Es war ein Konflikt zwischen Realität und ideologischer Mythenbildung, der von der Sowjetordnung und Sowjetpolitik hervorgebracht worden war.[7]

Chruščëv balancierte ständig am Abgrund der Macht, dennoch gelang es ihm über sehr lange Zeit, seine Gegner und ihre Aktivitäten zu durchschauen. Es schien, als ob eine unsichtbare Hand diesen Menschen auf den Gipfel der sowjetischen Macht führte. Sein Äußeres war das eines biederen Menschen, seine weichen bäuerlichen Gesichtszüge, die abstehenden Ohren waren nur eine Maske, die ihm in zahlreichen kritischen Situationen eine Hilfe war. In seinem Innersten war er ein gnadenloser Intrigant, berechnend und in der Lage, zu warten, bis seine Stunde gekommen war, bereit, sich zu erniedrigen, der jedoch niemandem verzieh und sich alle ihm zugefügten Kränkungen merkte, wie sich A. I. Adzubej erinnert: »Es schien nur so, dass er ein Simpel war. Oft spielte er den Einfältigen. Doch ich sah häufig, wie kalt seine kleinen Augen im Zorn wurden. Er kannte die Spielregeln und die brutalen Varianten des Spielverlaufs genau.«[8]

Den besonderen Stil seines politischen Verhaltens kann man mit dem Bestreben Chruščëvs erklären, gegen alle sich im System herausgebildeten Normen und Traditionen, gegen dessen spontanen Populismus und Bedarf an der »Liebe des Volkes« und gegen die Zustimmung der Basis zu allen Initiativen und Schwankungen anzugehen. Doch der Zickzackkurs von Chruščëv ist eher auf das Dilemma zurückzuführen, das ihn ein Jahrzehnt lang verfolgte: Was konnte aus dem Stalin’schen politischen Erbe übernommen, worauf musste verzichtet werden?

Es ist durchaus zutreffend, wenn behauptet wird, Chruščëv habe in seinem Antistalinismus inkonsequent und widersprüchlich gehandelt, indem er eine utopische Strategie des forcierten »Aufbaus des Kommunismus« verfolgte. Doch es gelang ihm, die sowjetische Gesellschaft aus dem Teufelskreis des totalitären Stalinismus herauszuführen und die am Menschen ausgerichtete Reform zu etablieren. Nicht zuletzt ist es seiner Impulsivität und Hartnäckigkeit zu verdanken, dass sich ein umfassender Dialog zwischen der UdSSR und dem Westen zu entfalten begann.

Die Theorie des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus: räumliche und zeitliche Faktoren

Die Auslegung des »Kommunismus« nach sowjetischer Tradition basierte stets auf den »klassischen« Definitionen von Karl Marx und Friedrich Engels, entfaltete sich aber immer unter dem Einfluss innen- und außenpolitischer Prozesse. In der Struktur der sowjetischen Ideologie nahm die Idee des Kommunismus eine Schlüsselstellung ein und diente als grundlegendes Mobilisierungsinstrument. Heute denkt kaum jemand darüber nach, warum eine der Hauptverkehrsadern, die Moskau mit dem Ural und dem Wolgagebiet verbindet, »Chaussee der Enthusiasten« heißt. Der ehemalige Vladimirskij trakt, auf dem in imperialer und Sowjetzeit Häftlinge in die Lager und Gefängnisse in Mordovien und im Ural getrieben wurden, wurde in den Zwanzigerjahren umbenannt. Der neue Name der ehemals von Häftlingen bevölkerten »Chaussee der Enthusiasten« wurde zu einem spezifischen paradoxen Symbol der UdSSR.

Bereits in den Dreißiger- und Vierzigerjahren erfolgte eine Revision der Theorie vom Aufbau des Kommunismus. Stalin formulierte die Doktrin von der Möglichkeit, den Kommunismus in einem einzelnen, für sich genommenen Land aufzubauen[9] – ein Resultat der außenpolitischen Situation. Der weltweite Sieg des Kommunismus, den die Bolschewiki mit Lenin an der Spitze erwartet hatten, war nicht eingetreten. Die UdSSR war mit einer belagerten Festung, eingekreist von Kapitalisten, vergleichbar. Das Sowjetvolk der Stalin-Ära konnte an das »kommunistische Morgen« glauben oder nicht. Doch in der offiziellen Propaganda, im Kino, auf zahllosen Plakaten, war immer wieder davon die Rede, wurde die lichte Zukunft ins Bild gesetzt. Gesunde, gut gekleidete und satte Menschen lächelten glücklich aus der Zukunft herab und ließen ihre blendend weißen Zähne blitzen.

In einem Gespräch mit Vertretern amerikanischer Arbeiter im September 1937 skizzierte Stalin in aller Kürze seine Vorstellung vom Kommunismus. Er sprach von einer Gesellschaft, in der sich die Staatsmacht zur freien Assoziation der Werktätigen wandeln würde, in der es keinen Gegensatz zwischen Stadt und Land geben und Lebensmittel und Kleidung nach dem Prinzip »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen« verteilt würden. Wirtschaft und Volkswirtschaft würden sich auf der Grundlage der wissenschaftlichen Errungenschaften entfalten. Die von der ewigen Sorge um das Stück Brot befreite Persönlichkeit würde zur wahrhaft freien Persönlichkeit.[10]

Es schien, als ob Stalin seinen Kurs auf den Kommunismus festlegte, der sich am Horizont abzeichnete, indem er die repressiven Methoden der Industrialisierung, die brutale Kontrolle der Kolchosbauern und ihre Rechtlosigkeit rechtfertigte. Nicht zufällig wurde 1939 auf dem XVIII. Parteitag die Vollendung des Aufbaus des Sozialismus propagiert. Das Land sollte allmählich in den Übergang zum Kommunismus eintreten.[11]

Doch der Zweite Weltkrieg durchkreuzte diese Pläne. Aber unmittelbar nach seinem Ende, als die Prozesse der Sowjetisierung in den Staaten Osteuropas einsetzten, traf Stalin die Entscheidung, ein neues Parteiprogramm zu erarbeiten, in dem der Übergang zum Kommunismus begründet wurde. 1948 lag ein Entwurf mit vielen Ungereimtheiten vor, und dennoch wurde voller Optimismus erklärt, dass in der UdSSR in den kommenden zwanzig bis dreißig Jahren der Kommunismus errichtet sein würde. Für die Wissenschaftler war das ein Grund, eine direkte Analogie zwischen der Periodisierung des Aufbaus des Kommunismus durch Stalin und dem Zeitrahmen, den Chruščëv in der Folgezeit verkündete, zu ziehen.[12] In der Tat war es so, dass beide den »kommunistischen Horizont« annähernd gleich datierten: am Übergang der Siebziger-, Achtzigerjahre. Zu diesem Zeitpunkt sollte die UdSSR ein qualitativ neues Entwicklungsstadium erreichen.

Auf dem historischen XX. Parteitag der KPdSU im Jahre 1956 hielt Chruščëv nicht nur die Rede über die Entlarvung des Personenkultes und begründete einen neuen außenpolitischen Kurs, sondern stellte auch die Frage nach dem allmählichen Übergang des Landes zum Kommunismus zur Diskussion. Ebenso pathetisch wie in der Stalinzeit pries er das Entwicklungsniveau der UdSSR: »Das Sowjetland durchlebt jetzt einen steilen Aufschwung. Bildhaft gesprochen, haben wir einen solchen Berg erklommen, einen solchen Gipfel, von dem aus die breiten Horizonte auf dem Wege zum Endziel – der kommunistischen Gesellschaft – sichtbar sind.«[13]

Das Stalin’sche Projekt des neuen Programms der KPdSU von 1948 war vergessen, nicht jedoch die Idee vom »Perspektivplan des kommunistischen Aufbaus« selbst. Um zum Aufbau des Kommunismus überzugehen, musste die sowjetische Gesellschaft davon überzeugt werden, dass sie das Niveau des Sozialismus bereits erreicht hatte. Darin lag der Zynismus der sowjetischen Perspektivplanung, in der Ignoranz der tatsächlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation. Sie wurde einfach nicht zur Kenntnis genommen. Entscheidend war der politische Kampf um die Macht. Wer diesen Kampf gewann, legte auch die »Spielregeln« für das gesamte Land fest. Die historische Zeit in der UdSSR war in Fünfjahrespläne untergliedert. Zu Beginn eines jeden Fünfjahresplanes wurden Ziele und Aufgaben der Wirtschaft, Politik und Kultur benannt, am Ende die Ergebnisse zusammengefasst. Dies nährte die Illusion von einem zielstrebigen, organisierten Leben, die Illusion, dass die Staatsführer die Antworten auf die Herausforderungen der ökonomischen Entwicklung im Voraus kennen.

Die Sowjetgesellschaft wird häufig mit einer gigantischen Korporation verglichen, die wie jede andere Megakorporation starke Seiten hatte – die Möglichkeit, (fünf Jahre im Voraus) zu planen, langfristige Projekte zu realisieren (etliche Fünfjahrespläne im Voraus), kolossale finanzielle und menschliche Ressourcen zur Entwicklung vorrangiger Ziele zusammenzuziehen, große Investitionen in kurzer Zeit vorzunehmen sowie hohe Beträge für die wissenschaftliche Forschung und die Anwendung dieser Forschungsergebnisse bereitzustellen. Die Bevölkerung der UdSSR zählte damals fast 220 Millionen Menschen – gewaltige menschliche Ressourcen. Doch gleichzeitig produzierte das System gewaltige Kosten. Jegliche Vernachlässigung der Kontrolle, jeglicher Versuch, die Vertikale der Macht »aufzufächern«, zogen sofort ernsthafte Störungen nach sich.

Die von oben vorgegebene These, dass die UdSSR Mitte der Fünfzigerjahre den »Aufbau des Sozialismus« vollendet hätte, war der Gipfel des politischen Zynismus. Das Land begann nach dem Krieg auf die Beine zu kommen, während die Bevölkerung nach wie vor hungerte und mit dem Minimum auskommen musste. Dies rief sogar die Kritik der Staatsbediensteten hervor. In der Sitzung des Obersten Sowjets im Februar 1955 erklärte Molotov, dass in der UdSSR nur die »Grundlagen des Sozialismus« vorhanden seien. Doch Chruščëv konnte seinem Opponenten effektiv standhalten. Er war erfahren und auf der Hut vor Kabinett-Intrigen. Kurze Zeit später musste Molotov unter dem Druck der Parteispitze seinen »Fehler« öffentlich eingestehen.

Auf dem Juni-Plenum der Partei 1957 prallten erneut konträre Meinungen aufeinander. Es ging nicht nur um den persönlichen Konflikt zwischen dem zurückhaltenden und schroffen Molotov, der sämtliche Untiefen der Stalin’schen diplomatischen Schule durchlaufen hatte, und dem impulsiven, ambitionierten Chruščëv, dem daran lag, um jeden Preis die Richtigkeit des von ihm eingeschlagenen Kurses zu beweisen. Das Plenum endete mit dem Sieg Chruščëvs. Die Hindernisse im Politbüro auf dem Weg zu seiner persönlichen Macht waren ausgeräumt.

Doch die Realität war von den hochtrabenden ideologischen Behauptungen weit entfernt. Bereits 1953/54 musste zusätzlich Gold eingesetzt werden, um die Rohstoffe und Lebensmittel zu bezahlen. Der Mangel an eigenen Ressourcen zur Wiederherstellung von Industrie und Landwirtschaft wurde spürbar. Die von Chruščëv verkündete und von der sowjetischen Propaganda verbreitete Losung, den Westen »einzuholen und zu überholen«, legte die Latte für das gesamte Wirtschaftssystem viel zu hoch.

1955 gab Chruščëv den Auftrag für einen Informationsbericht für das ZK der KPdSU, der von einer vom Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission N. Bajbakov geleiteten Arbeitsgruppe erstellt wurde, der auch V. Starovskij, Leiter der Statistischen Zentralverwaltung, und V. Djačenko, Direktor des Instituts für Ökonomik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, angehörten. Sie hatten den Auftrag, einen Plan zur Realisierung der Vorzüge der sowjetischen Ökonomie gegenüber den kapitalistischen Ländern auszuarbeiten, doch letztlich war ihre Prognose pessimistisch. Die ökonomische Analyse ergab, dass mindestens zwei Fünfjahrespläne erforderlich waren, um den Rückstand der UdSSR gegenüber Westeuropa (gemessen an der Prokopfproduktion) aufzuholen. Und weitere drei bis vier Fünfjahrespläne, um den Rückstand der UdSSR gegenüber den USA zu überwinden. Erforderlich war eine Vergrößerung des Umfanges der Industrieproduktion in der UdSSR um das vier- bis viereinhalbfache – illusorisch.[14]

Die skeptischen Berechnungen der Ökonomen stellten Chruščëv nicht zufrieden, egal unter welchen Bedingungen, er wollte das Ergebnis sofort, um die Welt eindrucksvoll zu überraschen. Die Empfehlungen der Wissenschaftler wurden bei der Erarbeitung des sechsten Fünfjahresplanes nicht berücksichtigt, der Staatschef wollte diesen nutzen, um auf einmal sowohl Westeuropa als auch die USA in einem revolutionären Sprung zu überholen. Geplant war, zum Ende des Fünfjahresplanes Europa hinsichtlich der Arbeitsproduktivität zu überholen und im Hinblick auf die USA ein Verhältnis von 100 zu 174 Prozent zu erreichen. Die Berechnungen basierten auf obskuren Zahlen; gemäß dieses Fünfjahresplans sollte die Arbeitsproduktivität in der UdSSR auf bis zu acht Prozent steigen, in den kapitalistischen Staaten hingegen auf das Niveau von 1,5 bis 3 Prozent sinken.[15] Aber auch die Ergebnisse dieses Fünfjahresplans zeigten, dass das Ziel nicht erreicht werden konnte.

Mitte 1958 begann auf Weisung Chruščëvs die Arbeit am Entwurf des dritten Parteiprogramms der KPdSU, dem Grundsatzdokument, das die innenpolitische und außenpolitische Strategie der Partei bestimmte. Es wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus hundert Wissenschaftlern, Leitungsfunktionären und Vertretern der Parteinomenklatura, geschaffen, die vom Sekretär des ZK der KPdSU B. N. Ponomarev geleitet wurde. Innerhalb von drei Jahren sollte diese Gruppe das neue Parteiprogramm erarbeiten. Chruščëv verfolgte diesen Entstehungsprozess sehr aufmerksam, nahm selbst Korrekturen vor und unterbreitete Vorschläge.[16]

Auf seine Forderung hin wurde im Programm vermerkt, dass fünfzehn bis zwanzig Jahre genügten, um die »Grundlagen der kommunistischen Gesellschaft« in der UdSSR zu schaffen. Doch die noch von Lenin begründete Tradition derartiger programmatischer Dokumente verlangte, den Planungen der Partei eine wissenschaftlich begründete Basis zugrundezulegen, die Etappen des »Aufbaus des Kommunismus« herauszuarbeiten und jeder Etappe Hauptaufgaben zuzuordnen.

Chruščëv fühlte sich diesem Vorgehen verpflichtet, er verstand sehr gut, dass die Planungen sowohl dem Arbeiter als auch der Bäuerin verständlich sein mussten. Er bestand darauf, dass das Programm »ein klares, exaktes, motivierendes Dokument sein muss, ein Poem, aber gleichzeitig auch ein reales, lebendiges Dokument, mit einer umfassenden Perspektive«.[17]

Auf dem außerordentlichen Parteitag der KPdSU 1959 wurde der »endgültige und vollständige Sieg des Sozialismus« in der UdSSR erklärt. Im offiziellen Sprachgebrauch bedeutete dies, dass das Land in die Epoche »des entfalteten kommunistischen Aufbaus« eintrat.[18] »Sozialismus« und »Kommunismus« wurden als zwei Phasen einer ökonomischen Formation angesehen, die »Kommunismus« genannt wurde – ein logischer Widerspruch. Dennoch wurde diese Kennzeichnung a priori in das sowjetische ideologische System übernommen. Hunderttausende Ideologen begründeten deren Wissenschaftlichkeit und gesellschaftliche Bedeutsamkeit. Doch dem Wesen nach wurden Begriffe vertauscht. Die Subsumierung zweier Modelle der gesellschaftlichen Entwicklung unter einer Formation sollte die Sowjetmenschen davon überzeugen, dass sie bereits »auf dem Wege zum Kommunismus« waren.

Hinzu kommt, dass innerhalb des »Aufbaus des Kommunismus« ebenfalls zwei Stadien herausgearbeitet wurden: »Aufbau der Grundlagen des Kommunismus« und »vollständiger Kommunismus«.[19] Geplant war, im Laufe von zwanzig Jahren das erste Stadium zu erreichen. Und dann? Dann, so lautete die nebulöse Formulierung, würden allmählich »Elemente des Kommunismus« in den sowjetischen Alltag Eingang finden.

Bei der Korrektur des Programmtextes kam Chruščëv mehrfach auf den zeitlichen Rahmen zurück, hegte diesbezüglich seine Zweifel und versuchte, intuitiv die Zukunft zu erahnen. Doch ihm war klar, dass dies unmöglich war: »Die Achtzigerjahre – bis dahin vergehen noch zwanzig Jahre, daher kann man nicht sagen, was in vierzig Jahren sein wird. […] Und was wird nach vierzig Jahren sein? Dasselbe wie nach zwanzig Jahren? Das ist nicht richtig.«[20] Derartige ideologische Konstruktionen waren im Programm keine Seltenheit.

Zu den brisantesten Fragen gehörte die nach dem »Absterben des Staates« im Kommunismus. Marx und Engels und später auch Lenin sahen die zukünftige kommunistische Ordnung als eine ohne Staatsmacht. Sogar Stalin bestritt in seinen theoretischen Arbeiten nicht, dass im Kommunismus die Macht an gewählte gesellschaftliche Organisationen überginge. Doch Chruščëv konnte in einem streng zentralistischen Staat, unter Bedingungen der totalen Kontrolle durch die Partei, nicht zugeben, dass nach zwanzig Jahren deren Monopol auf die Macht »abstirbt«. Nach etlichen Diskussionen wurde der Beschluss gefasst, die These vom »Absterben des Staates« zu tilgen und dafür die nebulöse Formulierung vom »Volksstaat« aufzunehmen. Außerdem wurde hervorgehoben, dass die Rolle der Partei im Kommunismus weiter zunehmen würde.

Im Frühjahr 1961 war die Arbeit am Programm abgeschlossen. Zuvor hatte Chruščëv jedoch weiter am Text gearbeitet und weitere Änderungen eingefügt. Nach der formellen Bestätigung des Wortlauts durch das ZK der KPdSU wurde der Programmentwurf schließlich veröffentlicht. Chruščëv wollte, dass möglichst viele Menschen in die Aussprache über das Programm einbezogen würden. Im Kreml liefen – der Tradition folgend – Berichte aus allen Landesteilen darüber zusammen, wie viele Parteimitglieder und Parteilose sich an der Volksaussprache beteiligten. Ein Teil der Briefe, die an die Zeitungen Pravda und Izvestija geschickt wurden, ist veröffentlicht. Weitere Bestände finden sich in den Parteiarchiven. Nach offiziellen Angaben haben über neun Millionen Menschen unter Anleitung speziell geschulter Agitatoren bei Zusammenkünften in Fabriken, bei Studentenversammlungen und Kundgebungen selbst in den abgelegensten Dörfern den »Übergang zum Kommunismus« begrüßt. Presse, Funk und Fernsehen berichteten ausführlich über diese Versammlungen. Für kurze Zeit – im Sommer und Herbst 1961 lebte das gesamte Land eine optimistische kommunistische Utopie. Die Volksaussprache war eine Art Gradmesser der öffentlichen Meinung und förderte eine alles in allem durchaus loyale Haltung gegenüber dem Regime zutage.[21]

Der XX. Parteitag wurde zum »kommunistischsten« aller Parteitage. Er verkündete die »klassische Formel« des Kommunismus, in der vier Punkte hervorgehoben wurden:[22]

– klassenlose Gesellschaft mit vollkommener sozialer Gleichheit;

– einheitliches gesamtgesellschaftliches Eigentum;

– allseitige Entwicklung von Wissenschaft und Technik;

– eine mächtigere Wirtschaft als im Kapitalismus und ein hohes Lebensniveau.

Dabei wurde nichts darüber gesagt, wie die Mechanismen der Macht arbeiteten oder auf welche Art und Weise die gewählten Vertreter der gesellschaftlichen Organisationen grundlegende politische Entscheidungen treffen würden.

Wenn die Staatsmacht den gewählten gesellschaftlichen Organen übertragen würde, welche Rolle würde dann die Kommunistische Partei spielen, lautete die daraus völlig zu Recht abgeleitete Frage. Wenn sie größer würde, wie sollte dann die glückliche kommunistische Gesellschaft geleitet werden? Derlei Fragen über die Gestaltung der Macht im Kommunismus wurden jedoch nicht diskutiert. Niemand äußerte auch nur Zweifel daran, dass sich sämtliche Fäden der Regulierung der Gesellschaft in den Händen des Zentralkomitees befinden würden.

Parallel dazu bildete sich ein neuer Diskurs über den »Kommunismus mit menschlichem Antlitz« heraus. In den Texten der Stalinepoche war davon keine Rede, nach Chruščëv büßte er seine Schärfe und Bedeutung ein und löste sich – entwertet und vergessen – in den offiziellen Kommunismus-Konzeptionen der Brežnev-Ära auf. Chruščëv machte sich Gedanken über die Lebensqualität der einfachen Menschen. Das erklärt die beständige Verwendung des Wortes »Überfluss« in allen seinen öffentlichen Reden und öffentlichen Dokumenten. Derartige von der Mehrheit der Bevölkerung angestrebte, aber für sie unerreichbare Zustände wie »Überfluss«, »gesellschaftliche Wohlfahrt«, »Befriedigung aller Bedürfnisse« nahmen damals eine Schlüsselstellung in den offiziellen Texten ein.

In den Anmerkungen zum dritten Parteiprogramm schrieb Chruščëv: »Was ist das Wichtigste an der kommunistischen Gesellschaft? Der Mensch. Und daher müssen alle physischen und geistigen und materiellen Anstrengungen auf eine bessere Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen und der kommunistischen Gesellschaft als Ganzes gerichtet sein.«[23]

Chruščëv verlieh dem Bild vom Kommunismus einen alltäglichen Anstrich, einen, der für die einfachen Menschen wünschenswert war: »Der Kommunismus – das sind völlig reale und konkrete Lebensbedingungen des Volkes: es ist ein kurzer Arbeitstag, eine gute Wohnung, die weltweit niedrigste Miete, gute Bekleidung, gut genährte Kinder, kostenlose Schulbildung für sie, staatliche Stipendien für Studenten, kostenlose medizinische Betreuung, Abschaffung der Besteuerung der Bevölkerung, nach fünf Jahren wird es diese bei uns nicht mehr geben – das sind Elemente des Kommunismus in der Tat, im wirklichen Leben.«[24] Ein einfacher Gedanke, für Millionen Menschen verständlich und nachvollziehbar, die stundenlang nach Wurst und Fleisch anstanden und sich mit mehreren anderen Familien die Wohnung teilen mussten, mit einem Bad, einer Toilette und einer Küche für alle.

In diesem Jahrzehnt erfuhr das Bild von der Zukunft eine radikale Veränderung. Chruščëv suchte nach neuen Stimuli für die Belebung des Kommunismusbildes im gesellschaftlichen Bewusstsein. Früher hatte es einen Bruch zwischen den Vorstellungen vom Kommunismus als dem höchsten theoretischen Konstrukt der marxistisch-leninistischen Philosophie und den gewöhnlichen, auf den Konsum gerichteten Neigungen der Bevölkerung gegeben, ihrem Interesse am Alltagsleben, Essen, dem Streben nach qualitativen, modernen und schönen Waren für den persönlichen Gebrauch. Früher wurden solche Verhaltensweisen als »kleinbürgerliche«, als bourgeoise Rudimente verworfen: Die sowjetische Propaganda führte einen beständigen Kampf dagegen.

Doch alles war vergebens. Die Erinnerungen an die Trophäen waren noch wach. Als im letzten Kriegsjahr die Rote Armee die Westgrenzen überschritt, waren die Soldaten und Offiziere erschüttert angesichts des Überflusses an schönen und praktischen Dingen und Gebrauchsgegenständen für den Alltag in Deutschland und Österreich. Hunderttausende Pakete mit Geschenken für die nächsten Verwandten trafen in der UdSSR ein, die Generäle transportierten ihre Trophäen waggonweise ab. Gut möglich, dass Chruščëv das Katastrophale dieses Bruchs zwischen theoretischer Konstruktion des Kommunismus und tatsächlichem Defizit an Gebrauchsgütern in der sowjetischen Wirklichkeit erkannt hatte.

»Überfluss« wurde ausgehend von den Prinzipien der Verteilung interpretiert, die zu Sowjetzeiten einen zentralen Platz in der Regulierung der Gesellschaft genossen. Wenn im Sozialismus »die Verteilung der Güter« auf den Prinzipien der sozialen Gleichheit (ausgenommen die Partei- und Staatsnomenklatura) und der Entlohnung nach der Leistung basierte, sollten die Güter im Kommunismus entsprechend den Bedürfnissen verteilt werden.

Doch wie sollten diese befriedigt werden, wo doch alle Menschen verschieden sind und eigene Vorstellungen und Wünsche ihren Lebenskomfort betreffend haben? Dieser Frage gingen die Theoretiker nicht nach. Ihnen genügte es, zu behaupten, dass das Bewusstseinsniveau der Menschen im Kommunismus so entwickelt sein würde, dass sie in der Lage wären, ihre »vernünftigen Bedürfnisse« zu befriedigen, ohne zu prassen. Offensichtlich gingen sie davon aus, dass die Partei die Mechanismen der Verteilung der Güter kontrollieren und den Rahmen der Lebensbedürfnisse festlegen würde. In einer derart abstrakten Form wurde das Ideal der gesellschaftlichen Gleichheit und Gerechtigkeit gedacht.

Arbeiter und Kolchosbauern sollten in den Genuss gleicher Güter gelangen. Chruščëv setzte einige Verbesserungen in der Versorgung der Landbevölkerung durch, die unter Stalin völlig rechtlos gewesen war. Pässe wurden den Bauern nicht ausgehändigt, statt einer Entlohnung mit Bargeld wurden ihnen Arbeitseinheiten (trudodni) gutgeschrieben. Je nach Umfang dieser gutgeschriebenen Arbeitseinheiten erhielten sie Getreide, Viehfutter, Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche Produkte. Chruščëv war der Erste, der verlangte, dass die Landbevölkerung ihren sozialen und Bürgerrechten nach den Städtern gleichgestellt war, dass sie das Recht auf Rente und bezahlten Urlaub hatte, sich frei im Land bewegen konnte.

Besonders hervorzuheben ist, dass das Bild vom Kommunismus mit menschlichem Antlitz bei Chruščëv 1959 als Resultat seiner Reise in die USA Gestalt annahm. Auch wenn er in der Folgezeit vehement die amerikanische Lebensweise kritisierte, wurde das feindliche und ferne Amerika, das Symbol des »westlichen Kapitalismus«, für ihn zum Maßstab für Lebensqualität.

Die Idee vom Wettbewerb mit den USA gehörte zu den bevorzugten Themen, die Chruščëv im Anschluss an seine Reise in die USA aktiv in den kommunistischen Diskurs einbrachte. Es ist interessant, dass sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die das dritte Parteiprogramm erarbeitete, gegen die Aufnahme der Idee vom »friedlichen ökonomischen Wettbewerb mit den USA« aussprachen. Doch Chruščëv bestand darauf. Der von ihm anvisierte Sieg der Ökonomie der UdSSR über die Ökonomie der USA sollte der eigentliche Beweis dafür sein, dass dem »Sowjetkommunismus« die Zukunft auf dem Planeten gehörte.

Der Wirtschaft der UdSSR, die im Hinblick auf das Niveau der Industrialisierung und die innovativen Technologien auf dem Gebiet der Weltraumforschung und Rüstungsindustrie durchaus stark war, fehlte es massenhaft an Ressourcen zur Befriedigung der einfachsten menschlichen Bedürfnisse nach Kleidung, Wohnraum, Lebensmitteln, Medikamenten, Autos für den privaten Gebrauch usw. Die Vorstellungen gingen im Strom der Zahlen und Versprechen unter. Doch der kommunistische Überfluss kam und kam nicht, er blieb eine ideologische Widerspiegelung der persönlichen Ambitionen Nikita Chruščëvs.

Die Tragödie in Novočerkassk vor dem Hintergrund der kommunistischen Zukunft

Der Unterschied zwischen der offiziellen Propaganda des Kommunismus und der Realität, in der die Sowjetmenschen lebten, war gewaltig. Genau ein Jahr nach der Bestätigung des dritten Programms und dessen triumphaler Diskussion kam es im Süden Russlands zu einer sinnlosen und blutigen Tragödie, die die kommunistischen Illusionen ad absurdum führte. Nachrichten über die Ereignisse in Novočerkassk drangen seinerzeit nur selektiert an die Öffentlichkeit. Erst in den Jahren der Perestroika wurde offiziell darüber berichtet.[25] Heute sind die wichtigsten Dokumente publiziert und die Chronik des Arbeiteraufstandes vom 1. und 2. Juni 1962 ist in allen Details bekannt. Von Januar bis Mai 1962 wurden in den Betrieben die Löhne schrittweise um dreißig bis fünfunddreißig Prozent gekürzt. Am 1. Juni wurde im Rundfunk mitgeteilt, dass die Preise für Fleisch, Milch und Butter »zeitweilig« um fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Prozent angehoben würden. Diese Neuigkeit rief heftigen Unmut unter der Bevölkerung des Landes hervor.

In allen Abteilungen des Elektrolokomotivwerkes in Novočerkassk wurde Unmut laut. Ein Satz des Direktors, der sich an die Belegschaft gewandt hatte, löste die Explosion aus: »Wenn das Geld nicht für Fleisch und Wurst reicht, müsst ihr Piroggen mit Konfitüre essen!« Eine andere Version klingt noch beleidigender: »Früher habt ihr Fleischpasteten gefressen, jetzt bekommt ihr welche mit Marmelade!« Die Arbeiter legten die Arbeit nieder und führten eine spontane Kundgebung durch, auf der Plakate mit Aufschriften wie »Wir wollen Fleisch, Butter und eine Lohnerhöhung!«, »Wir brauchen Wohnungen!« mitgeführt wurden. Auf anderen stand: »Chruščëv zu Fleisch und Wurst verarbeiten!« Den Demonstranten schlossen sich Arbeiter aus anderen Betrieben und Einwohner der Stadt und der nahe gelegenen Dörfer an. Die Administration war völlig hilflos und rief die Truppen zu Hilfe. Am ersten Tag kam es nur zu Verbrüderungen mit den Soldaten, die ihre Solidarität mit den Arbeitern erklärten.

Die Welle des dumpfen Protestes stieg an. Am folgenden Tag wurde der Versammlungsplatz von bewaffneten Einheiten umzingelt. Panzer wurden in die Stadt verlegt. Als die Demonstranten das leere Gebäude der Stadtverwaltung stürmten, fielen die ersten Schüsse. Zuerst konnten die Menschen nicht glauben, dass es in ihrem Sowjetstaat möglich war, dass das Feuer auf eine unbewaffnete Menge eröffnet wurde. Als die ersten Demonstranten zusammenbrachen, suchte die Menge ihr Heil in der Flucht. Schüsse peitschen in die fliehende Menschenmenge. Die nach Novočerkassk gereiste Delegation der Staatsführung, der Vertraute von Chruščëv angehörten, vermied es, sich mit den Arbeitern zu treffen, dafür koordinierte sie das Vorgehen der Armee zur Niederschlagung der Protestaktionen. Da es unmöglich war, die Blutlachen auf dem Platz zu entfernen, wurde er neu asphaltiert. Die Opfer des Blutbades wurden heimlich aus der Stadt herausgebracht und auf verschiedenen Friedhöfen bestattet. Erst in den Neunzigerjahren gelang es Aktivisten der Stiftung »Die Tragödie von Novočerkassk 1962« sechsundzwanzig Grabstätten zu ermitteln. Auch der Prozess gegen vierzehn Teilnehmer wurde geheim in einem Truppenteil durchgeführt. Sieben der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Mindestens einhundertvierzehn weitere Personen wurden zu Haftstrafen zwischen zehn und fünfzehn Jahren verurteilt.

Der Massenprotest der bis an den Rand der Verzweiflung getriebenen Menschen, die zur Abschreckung der Demonstranten in die Stadt geholten Panzer, die Ermordung friedlicher Bürger, alles das passte nicht zu den Ausführungen über das herrliche Leben im Kommunismus. Die Welle spontaner Unmutsäußerungen im Zusammenhang mit der Erhöhung der Lebensmittelpreise war in zahlreichen Städten der UdSSR spürbar, doch nur in Novočerkassk spitzte sich die Lage derart zu. Die Sowjetmacht reagierte darauf nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal mit Mitteln der Strafverfolgung. Doch die Ereignisse im Süden zeigten noch einmal die reale Bedeutung des Lebens eines Sowjetbürgers im Vergleich zum Erhalt der politischen Macht. Alle theoretischen Konstruktionen vom »Kommunismus mit menschlichem Antlitz« waren schlagartig wertlos.

Die sich ständig verschlechternde ökonomische Situation des Landes bremste Chruščëv keineswegs in seinen theoretischen Vorhaben. Mit nicht nachlassendem Enthusiasmus begann er mit der Vorbereitung eines neuen Verfassungsentwurfes, der in der UdSSR zum Grundgesetz für die Zeit des Aufbaus des Kommunismus werden sollte.[26] Er musste sich von der »Stalin’schen Verfassung« des Jahres 1936 verabschieden. Das neue Programm und die Verfassung sollten den Beweis erbringen, dass er in der Lage war, die kommunistische Lehre theoretisch weiterzuentwickeln und zu vertiefen.

Erstaunlich ist, dass er nach der blutigen Unterdrückung des Protestes in Novočerkassk den Versuch unternahm, in den grundlegenden kommunistischen Dokumenten – im Programm der Partei und in der neuen Verfassung – die Idee von der Aktivierung des Bürger-
engagements zu verankern. Der Aufbau des Kommunismus erforderte es, den Sowjetmenschen Selbstverwaltung beizubringen. Nach all den Stalin’schen Repressionen war es wichtig, dass die Menschen ihre persönliche Verantwortung für die angenommenen staatlichen Festlegungen, ihre Einflussnahme auf die politischen Prozesse im Lande spürten. Im Entwurf der Verfassung wurde der Durchführung von Volksbefragungen besondere Bedeutung beigemessen, sie waren zwar in der Verfassung von 1936 verankert, doch es wurden nie welche durchgeführt. Im Sommer 1964 war die Arbeit am Entwurf der Verfassung im Wesentlichen abgeschlossen.

Es ist ein erstaunliches Paradoxon der von Chruščëv auf den Weg gebrachten Reforminitiativen. Im offiziellen Diskurs wurden Modelle der Modernisierung in der Sowjetgesellschaft zur Debatte gestellt. Sie waren unvollkommen, in sich widersprüchlich, doch ihrem Wesen nach zielten sie auf die Bedürfnisse des Menschen und die Entfaltung seiner Aktivität als Bürger. Aber in der realen Politik wandelte sich alles ins Gegenteil. Die aktive Haltung der Bürger und ihr Recht auf Protest wurden auf das Härteste bestraft. Statt »Wohlfahrt« und »Überfluss« gab es leere Regale, hohe Preise für Lebensmittel und Leid und Ernüchterung.

Im Herbst 1964 kam es zum Putsch innerhalb der Partei, Chruščëv wurde gestürzt. Im Januar 1965 wurden alle zwecks Volksaussprache versandten Entwürfe der künftigen Verfassung kommentarlos zurückgeschickt. Die Partei unter Führung von Leonid Brežnev hatte bereits begonnen, den »Voluntarismus der Politik Chruščëvs« auf das Schärfste zu verurteilen. An die neue Verfassung und den Kommunismus erinnerte niemand mehr.

Anstelle der These vom »entfalteten Aufbau des Kommunismus« wurde bereits Anfang 1970 die Konzeption vom »entwickelten Sozialismus« bestätigt. Erneut kam es zu einer ideologischen Metamorphose, es sollte nicht die letzte in der sowjetischen Geschichte sein. Die UdSSR kehrte in der Brežnev-Ära zum Stadium des »entwickelten Sozialismus« zurück, der Übergang zum Kommunismus und der Kommunismus selbst verschwanden wieder hinter dem Horizont. Sowohl auf dem Gebiet der Ideologie als auch der Politik war Brežnev Pragmatiker und Traditionalist.

»Guten Tag, Zukunft!«: Die gesellschaftliche Rezeption des Kommunismus in der
Ära Chruščëv

Unter diesem optimistischen Titel übertrug der sowjetische Rundfunk einen Zyklus von Sendungen, dessen erste im September 1961 ausgestrahlt wurde. Rundfunk, Fernsehen, große Verlage und überregionale Zeitungen und Zeitschriften – alle setzten den Parteibeschluss um: den Sowjetmenschen beizubringen, wie man im Kommunismus lebt. Ein gigantisches Schauspiel wurde inszeniert, die Bühne war das Territorium der UdSSR, als Regisseur fungierte Nikita Chruščëv. Hauptdarsteller und Massendarsteller überzeugten einander davon, dass die Zeit des Überflusses bald gekommen sei, der Kommunismus Einzug hielte.

Das gesellschaftliche Bewusstsein war von Bildern der kommunistischen Zukunft förmlich eingekreist. S. G. Strumilin beschrieb z. B. in einer Broschüre den Arbeitstag wie folgt: »Mit der Zeit werden Maler die Werkhallen und das Fabrikgelände mit ihren Kunstwerken schmücken. Jeder Betrieb wird von Obstbäumen oder dekorativen Blumenrabatten umgeben sein. Die Werkhallen werden Porträts der Neuerer und vom Volke verehrter Persönlichkeiten schmücken. Über den automatischen Fertigungslinien ersetzen Taglichtlampen das Sonnenlicht und tragen so zur Steigerung des Arbeitsrhythmus bei. Leise Musik ertönt. Saubere, temperierte, ozonreiche Luft wie nach einem Gewitter. Sogar in den heißesten Fabrikhallen wird die höllische Glut der Hochöfen eingedämmt, alle Arbeiter werden frische kühle Luft atmen können und auf diese Weise neue Energie tanken.«[27]

In der Amtszeit von Chruščëv wuchsen in allen Städten und Siedlungen vier- und fünfgeschossige Häuser mit kleinen, aber separaten Wohnungen empor. Für die Menschen, die in überbelegten Wohnungen leben mussten, waren diese Häuser, im Volksmund auch Chruščëvkas genannt, ein Zeichen für die reale Verbesserung der Wohnverhältnisse.

Der Entwurf des Programms der KPdSU enthielt die Aussage, dass Anfang der Siebzigerjahre die Zahlung von Mieten aufgehoben würde. Chruščëv wählte eine vorsichtigere Formulierung. Im Laufe des zweiten Jahrzehnts würde allmählich die mietfreie Nutzung von Wohnraum eingeführt, da sämtliche Wohnungen staatliches Eigentum seien. In der letzten Fassung des Entwurfs des dritten Parteiprogramms hieß es, die Sowjetmenschen dürften in den Siebzigerjahren den Personen- und Nahverkehr kostenlos nutzen und am Ende des Jahrzehnts mit kostenlosen kommunalen Dienstleistungen rechnen. An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass der Personen- und Nahverkehr sowie die kommunalen Dienstleistungen in der UdSSR Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre billig waren, sie machten ca. sieben Prozent des durchschnittlichen Monatsgehalts aus.

Besondere Bedeutung wurde dem System der »Alltagsbetriebe« beigemessen, die der Idee Chruščëvs nach zu einem »wichtigen Element des kommunistischen Alltags werden sollten«. Durch diese Wäschereien und chemischen Reinigungen sollte die Sowjetfrau von den Lasten der Arbeit im Haushalt befreit werden. Gestützt auf die in den Dreißigerjahren gesammelten Erfahrungen wollten die Sowjetführer die Familien von der Küchenarbeit und Essenszubereitung befreien. In den Häusern der Chruščëv-Zeit maß eine Küche vier bis fünf Quadratmeter. Die Menschen sollten in Speisehäusern und Kantinen essen, doch die Qualität der dort angebotenen Speisen war unter Niveau. Die Kinder wurden vom Kleinkindalter an in Gruppen erzogen, erst in Kinderkrippen, dann in Kindergärten, in allgemeinbildenden Schulen oder Internaten. Die Eltern konnten die Kinder an den Wochenenden zu sich holen. Im Sommer wurden sie in eines der zahllosen Ferienlager geschickt. Auch wenn den Eltern die persönliche Verantwortung nicht abgenommen wurde, übertrug man die Hauptaufgaben der Erziehung den gesellschaftlichen und Parteiorganisationen (der Pionierorganisation, dem Jugendverband Komsomol).

Im Land wurde darüber diskutiert, wie der Mensch der kommunistischen Zukunft beschaffen sein musste. Er sollte bis zu einhundertfünfzig Jahre leben, sportlich, geschickt, gebildet und ausdauernd sein. Das Wichtigste aber: Er sollte dem Marxismus-Leninismus, dem sowjetischen Patriotismus, dem proletarischen Internationalismus und der Völkerfreundschaft die Treue halten.[28] So ungefähr wurde die physische und psychische Vollkommenheit skizziert. Allerorts wurde der »Moralkodex des Erbauers des Kommunismus« eingeführt, in Schulen, Universitäten, Fabriken, Betrieben und Kolchosen ausgehangen. Beim Eintritt in den Komsomol oder in die Partei mussten die Kandidaten den Kodex auswendig kennen.

Das System der kommunistischen Moral hatte sich über Jahrzehnte formiert und enthielt spezifische Rituale. Ihre Grundlage war das Idealbild des Menschen der kommunistischen Formation. Das gesamte System der Erziehung, die Filmindustrie, die Kinder- und Jugendliteratur, die Gesellschaftswissenschaften sollten zur Herausbildung dieser Grundzüge bei den Sowjetmenschen beitragen. Der Etatismus sollte durch das Gefühl des Kollektivismus, aufrichtige Arbeit, Sorge um Bewahrung und Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums, die Befähigung, im Kollektiv zu leben und zu arbeiten – »Einer für alle – alle für einen« –, durch menschlichen Umgang miteinander, durch Einfachheit, persönliche Bescheidenheit, Achtung der Familie gestützt werden. Individualismus wurde nicht gefördert. Der »neue Mensch« sollte Karrieristen, Rassisten, Feinden des Kommunismus ablehnend gegenübertreten. Besondere Aufmerksamkeit wurde in diesem Erziehungssystem der Erziehung zur Toleranz gegenüber »nichtrussischen« Vertretern aller Sowjetrepubliken sowie den Vertretern der sozialistischen Bruderländer und den kommunistischen Parteien in aller Welt geschenkt.[29] Die Codes der staatsbürgerlichen Loyalität wurden auf die gesamte Lebenssphäre des Sowjetmenschen ausgedehnt. Die Systematisierung und Reglementierung des »persönlichen« und »gesellschaftlichen« Lebens erfasste den gesamten Lebensraum und die Lebenszeit.

In dieser Periode wurden sämtliche für ideologische Arbeit zuständigen Abteilungen des ZK der KPdSU verstärkt, ein »System der politischen Bildung der Werktätigen« geschaffen. Nach der Arbeit oder an Wochenenden sollten die Menschen an Vorlesungen über die bevorstehende lichte Zukunft teilnehmen. Die »Anwesenheit«, das Erscheinen, ebenfalls ein Terminus aus der sowjetischen Politsprache, wurde erzwungen, die Anwesenheit wurde überprüft. Wer fehlte, musste triftige Gründe und entsprechende Bescheinigungen vorweisen.

Zehntausende Lektoren und Propagandisten organisierten Aussprachen in Kulturhäusern zu Themen wie »Bist Du darauf vorbereitet, im Kommunismus zu leben?«. In Großbetrieben bestanden u. a. Volksuniversitäten, die Themen behandelten wie »Kommunismus und Alltag«. Nach der Arbeit mussten die Jugendlichen an Schulungen über »Prinzipien der Organisation des kommunistischen Alltags« teilnehmen, denn ihnen stand ja ein Leben im Kommunismus bevor. In Auflagen von hunderttausenden Exemplaren wurden einfach und verständlich geschriebene Broschüren gedruckt. Sie erschienen in der Reihe Bibliothek des Wissens über den Kommunismus oder in Notizbuch des Agitators. Der Verlag Molodaja gvardija [Junge Garde] begann mit der Herausgabe von Büchern für den »jungen Erbauer des Kommunismus«.

In dieser Zeit hatte sich ein besonderer »Chruščëvëscher« Stil des Sprechens über den Kommunismus herausgebildet, voller gestanzter Formulierungen, eintönig in der Rhetorik und mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Die am meisten verbreiteten Phrasen hat A. Loginov zusammengetragen und die bürokratische Eintönigkeit der sowjetischen politischen Sprache kritisiert. Einige Standardfloskeln seien hier genannt: »Maßnahmen verwirklichen«, »allseitig beitragen«, »die wichtigste Rolle spielt«, »die gestellten grundlegenden Aufgaben«, »umfassend ausnutzen«, »in breiter Front entfalten«, »Hilfe leisten«, »Entfaltung des Aufbaus des Kommunismus«.[30]

Die kommunistische Agitation trug zum Aufblühen des Genres Phantastik und Utopie in der Sowjetliteratur bei.[31] Der Weltraumflug von Jurij Gagarin im April 1961 löste eine Welle der Begeisterung unter den Sowjetmenschen aus. Die Diskurse der »Eroberung des Kosmos« und des »Aufbaus des Kommunismus« verschmolzen miteinander. Das Unmögliche wurde möglich, das Unerreichbare erreichbar. Die Realität des Fluges eines Menschen im Weltraum schien die Konstruktion der kommunistischen Gemeinschaft zu bestätigen. Die Romantik der Sechzigerjahre erwuchs aus diesem Vorstoß in Raum und Zeit. Die »Eroberung« des Raumes und der »Aufbau« des Neuen, das sind die markantesten Symbole dieser Epoche. Die Eroberung des Kosmos, von Neuland und Berggipfeln, alles das brachte neben dem Aufbau des Kommunismus eine neue Zeit mit sich, beleuchtete den sowjetischen Alltag in den hellen Farben hoher Erwartungen.

Das mythologisierte Bild des Kosmonauten setzte die sowjetische Tradition des Kults der »Eroberung der Lüfte« fort. In den Dreißigerjahren wurde ein populäres Lied gesungen, das die Worte enthielt: »Zuerst kommen die Flugzeuge. Und die Mädels? Die Mädels sind danach an der Reihe.« Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre trat das Kosmosthema an die Stelle der Flugzeugthematik. Das Bild des Kosmonauten im luftleeren Raum wurde zu einer Art Symbol des Marxismus aller menschlichen Fähigkeiten. Gerade diese Synthese moralischer und physischer Kräfte war es, auf die der »Kodex des Erbauers des Kommunismus« zielte. Die Kosmonauten wurden mehr als alle anderen verehrt.[32]

In der Visualisierung der kommunistischen Zukunft tauchte auf den Plakaten jener Zeit eine Rakete (ab und an auch noch eine Lokomotive) auf, die die Bewegung vom Sozialismus zum Kommunismus ins Bild setzte.

Man kann sehr genau zwei entgegengesetzte Herangehensweisen an den Kommunismus erkennen: die der »Optimisten« und die der »Skeptiker«. Das realistische Herangehen entwickelte sich in Form einer gesellschaftlichen Kritik an den Versuchen von Chruščëv, die Ereignisse zu forcieren und die Sowjetgesellschaft auf einen Kommunismus in nächster Zukunft festzulegen.[33] In einer ebenso aufschlussreichen wie ironischen Untersuchung des sowjetischen Alltagslebens schreiben P. Vajl und A. Genis: »An die konkreten Zahlen im Programm glaubte niemand. […] Man muss sich klar darüber sein, dass niemand dem Irrtum verfiel, was den Aufbau des Kommunismus in zwanzig Jahren angeht. Jeder konnte aus dem Fenster schauen und sich davon überzeugen, dass alles noch beim Alten ist: der Bürgersteig kaputt, wie immer eine Schlange für Kartoffeln, die Alkis am Bierausschank. Sogar ein Orthodoxer war sich darüber im Klaren, dass sich diese Situation in den nächsten zwei Jahrzehnten kaum ändern wird. «[34]

Fazit

Mit diesem Beitrag wurde der Versuch unternommen, verschiedene Kommunismusbilder, die in der Ära Chruščëv geschaffen wurden, zu untersuchen. Die kommunistische Perspektive berücksichtigte sämtliche Mythologeme des Sowjetsystems, schuf ihre eigene Zeit und ihren eigenen Raum, und stellte sich als die Endphase zahlreicher Prozesse, als höchste Synthese der sowjetischen geschichtlichen Erfahrung dar. Darin lag ein starker Mobilisierungseffekt. Nicht zufällig wurde auf dem XXII. Parteitag die Losung ausgegeben: »Der Parteitag appelliert an die Partei und das Volk, und das Volk versetzt Berge«.[35] Doch der kommunistische Mythos, den Chruščëv mit einem menschlichen Sinn und einem Konsumanreiz versehen wollte, wirkte bei seiner landesweiten Verbreitung auf zweierlei Weise.

Einerseits entsprach er der traditionellen russischen Weltauffassung von der Zukunft als Belohnung für alle Entbehrungen in der Vergangenheit. Die Bedingtheit und Verschwommenheit dieses Mythos mündete in die Entleerung seines Wirkungsraumes. Es war nur eine Skizze, und jeder konnte das Bild des Kommunismus weiter ausmalen, in Abhängigkeit von seinen Überzeugungen und Interessen und dem persönlichen Geschmack. Daher ist der sowjetische Kommunismus derartig vielgesichtig und voller Schattierungen. Das war die starke Seite von Chruščëv, der an die Notwendigkeit, die Aktivität der Bürger anzuregen, glaubte. Nach den strikten Postulaten der Stalin-Epoche, deren Verletzung durch Wort und Tat den Verlust der Freiheit oder den Tod nach sich zog, nach all den Ängsten und Frustrationen gab das stürmische Jahrzehnt unter Chruščëv dem Sowjetmenschen seine Vorstellungskraft zurück. So war es schon einmal in den Zwanzigerjahren. Es gab einen Freiraum für eine massenhafte, schöpferische, in vielem naive, aber aktive Vorstellung von der Zukunft, um auch an die Sinnhaftigkeit der Gegenwart zu glauben.

Doch andererseits konnten die Konkretisierung der Grenzen des Kommunismus, die Forcierung des »Aufbaus des Kommunismus«, die hartnäckige tägliche Indoktrination der Bevölkerung sowie der Rückgang des ohnehin niedrigen Lebensstandards nur eine entgegengesetzte Wirkung erzielen. Die Entwertung der Idee des Kommunismus als solcher war die Folge. Preiserhöhungen und Lohneinbußen, missglückte Experimente und eine Verknöcherung der Sprache, in der dem Volk die Aufgaben und Ziele der Partei erläutert wurden, alles das zerstörte die kommunistischen Illusionen und rief eine tiefe Skepsis hervor.

Es ist durchaus denkbar, dass in den Fünfzigerjahren und Anfang der Sechzigerjahre das sowjetische System seine letzte Chance auf eine reale Erneuerung sowie die Rückeroberung des Vertrauens der Bevölkerung hatte und verspielte.

Aus dem Russischen von Wladislaw Hedeler

 

 


[1] CM. к примеру: Абрамян Л. Ленин как трикстер // Современная российская мифология. М., 2005. С. 75–76 [Siehe z. B. L. Abramjan: Lenin als Trickser, in: Sovremennaja rossijskaja mifologija, Moskau 2005, S. 75 f.].

[2] Луцина Т.Ю. Миф «развернутого строительства коммунизма» в советском обществе в середине 50-х- начале 60-х годов. Диссертация на соискание степени кандидата исторических наук. Ижевск, 2002 [Siehe T. Ju. Lucina: Der Mythos vom »Full-Scale Aufbau des Kommunismus« in der sowjetischen Gesellschaft Mitte der Fünfzigerjahre und Anfang der Sechzigerjahre. Dissertation, Iževsk 2002]; Фокин А.А. Образы коммунистического будущего у власти и населения СССР на рубеже 50–60-х гг. XX века. Челябинск, 2007 [A. A. Fokin: Vorstellungen von der kommunistischen Zukunft der Staatsmacht und der Bevölkerung der UdSSR Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts, Čeljabinsk 2007]; Трофимов А.В. Советское общество 1953–1964 годов в отечественной историографии: политика и экономика. Диссертация на соискание ученой степени доктора исторических наук. Екатеринбург, 1999 [A. V. Trofimov: Die Sowjetgesellschaft 1953–1964 in der vaterländischen Geschichtsschreibung: Politik und Wirtschaft. Dissertation, Ekaterinburg 1999]; Дрындин В.Л. История пропагандирования постулатов государственной идеологии в условиях начала демократизации Советского общества ( на материале Южног Урала середина 50-х- середина 60-х гг.) Диссертация на соискание ученой степени кандидата исторических наук. Оренбург, 1997 [V. L. Dryndin: Die Geschichte der Propagierung der Postulate der Staatsideologie unter Bedingungen der beginnenden Demokratisierung der Sowjetgesellschaft am Beispiel des Süd-Ural Mitte der Fünfziger- bis Mitte der Sechzigerjahre. Dissertation, Orenburg 1997]; Ковтун Н.В. Русская литературная утопия второй половины XX в. Диссертация на соискание ученой степени доктора филологических наук. Томск, 2005 [N. V. Kovtun: Die russische literarische Utopie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Dissertation, Tomsk 2005].

[3] См. к примеру: Серио П. Русский язык и советский политический дискурс: анализ номинализации // Квадратура смысла: Французская школа анализа дискурса. М., 1999.
С. 352–353 [Siehe z. B. P. Serio: Die russische Sprache und der sowjetische politische Diskurs: zur Analyse der Nominalisierung // Quadratur des Sinns: Die französische Schule der Diskursanalyse, Moskau 1999, S. 352 f.]; Элиаде М. Избранные сочинения. Мифы о вечном возвращении. М., 2000. С. 300 [M. Ėliade: Ausgewählte Werke. Mythen von der ewigen Wiederkehr, Moskau 2000, S. 300.].

[4] Материалы XXII съезда КПСС. М., 1961. Т. 3. С. 135 [Materialien des XXII. Parteitages der KPdSU, Moskau 1961, Bd. 3, S. 135.].

[5] Хрущев Н.С. Время. Люди. Власть. Воспоминания в 4-х томах. М., 1999 [N. S. Chruščëv: Zeit. Menschen. Macht. Erinnerungen in vier Bänden, Moskau 1999]. Außerdem folgende Untersuchungen über die Chruščëvzeit: Зубкова Е.Ю. Послевоенное советское общество: политика и повседневность. 1945–1953. М., 1999 [E. Ju. Zubkova: Die sowjetische Alltagsgesellschaft: Politik und Alltag. 1945–1953, Moskau 1999]; Данилов А.А., Пыжиков А.В. Рождение сверхдержавы: СССР в первые послевоенные годы. М., 2001 [A. A. Danilov/A. V. Pyžnikov: Die Geburt einer Supermacht: die UdSSR in den ersten Nachkriegsjahren, Moskau 2001]; Пыжиков А.В. Хрущевская «оттепель». М., 2002 [A. V. Pyžnikov: Chruščëvs »Tauwetter«, Moskau 2002]; Аксютин Ю.В. Н.С. Хрущев: Личность и система. Историография проблемы// Армагеддон- 2000. Книга шестая
(январь-март) [Ju. V. Aksjutin: N. S. Chruščëv: Persönlichkeit und System. Die Geschichtsschreibung des Problems, 2000 (Januar/März)].

[6] Хрущев С. К истории создания и публикации воспоминаний Н.С. Хрущева ( 1967–1990) // Хрущев Н.С. Время. Люди. Власть. Воспоминания в 4-х кН. М., 1999. Т. 2. Приложение. С. 629 [S. Chruščëv: Zur Geschichte der Entstehung und Veröffentlichung der Erinnerung von N. S. Chruščëv, S. 629].

[7] О стиле политического лидерства в российском / советском политическом процессе см.: Ильин М.В., Мельвиль А.Ю. Власть // Полис. 1997. № 6 [Ilyin/Melville/Power: Über den Stil der politischen Führerschaft im russischen-sowjetischen politischen Prozess, in: Polis (1997), H. 6]; Великанова О.В. Функции образа лидера в массовом сознании. Гитлеровская Германия и советская Россия // Общественные науки и современность. 1997. № 6 [O. V. Velikanova: Funktionen des Führerbildes im Massenbewusstsein. Hitlerdeutschland und Sowjetrussland, 1997]; Популзунов Ю.А. Н.С. Хрущев как политический лидер. Автореферат диссертации на соискание ученой степени кандидата политических наук. Москва, 2003 [Ju. A. Polzunov: N. S. Chruščëv als politischer Führer. Dissertation, Moskau 2003].

[8] Аджубей А. Те десять лет // Никита Сергеевич Хрущев: Материалы к биографии… С. 290
[A. Adžubej: Jene zehn Jahre. Nikita Chruščëv. Materialien für eine Biografie, Moskau 1989, S. 290].

[9] Сталин И.В. Об основах ленинизма// Сочинения И.В. Сталина. 1953. Т. 6. С. 106–107
[J. W. Stalin über die Grundlagen des Leninismus, in: J. W. Stalin Werke, Bd. 6, 1953, S. 106 f.].

[10] Сталин И.В. Беседа с первой американской рабочей делегацией 9 сентября 1937 г. // Сочинения. Т. 10. С. 134 [J. W. Stalin: Unterredung mit der ersten amerikanischen Arbeiterdelegation am 9. September 1937, in: J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, Berlin 1953, S. 117].

[11] XVIII съезд ВКП (б). 10–21 марта 1939 года. Стенографический отчет. Л., 1939. С. 211 [Der XVIII. Parteitag der KPdSU(B). 10. Bis 21. März 1939, S. 211].

[12] См. к примеру: Барсуков Н. Коммунистические иллюзии Хрущева // Диалог. 1991. № 5. С. 76 [Siehe z. B. N. Barsukov: Die kommunistischen Illusionen von Chruščëv, in: Dialog (1991), H. 5, S. 76].

[13] XX съезд КПСС. 14–25 февраля 1956 года. Стенографический отчет. Т. 1. М., 1956. С. 118 [Der XX. Parteitag der KPdSU. 14. bis 25. Februar 1956, Bd. 1, Moskau 1956, S. 118].

[14] РГАНИ. Ф. 5. Оп. 30. Д. 138. Л. 175 [Rossiiskii Gosudarstvennyi Arkhiv Noveishei Istorii/Russisches Staatsarchiv für Zeitgeschichte (im Folgenden: RGANI) fonds 5, opus 30, dello 138, Blatt 175].

[15] Ebd., L. 161.

[16] Барсуков Н. Указ. Соч. С. 76–98 [Barsukov (Anm. 12), S. 76–98].

[17] РГАСПИ. Ф. 586. Оп. 1. Д. 66. Л. 12. Материалы по созданию текста III Программы хранятся также в РГАНИ. Ф. 1. Оп. 4. Д. 10, Д. 15, Д. 17 [Rossijskij Gosudarstvennyj archiv social’no-političeskoj istorii/Staatliches Archiv für Gesellschafts- und Politikgeschichte (im Folgenden: RGASPI) fonds 586, opus 1, dello 66, Blatt 12. Die Ausarbeitungen zum Programmtext werden auch im RGANI aufbewahrt: F. 1, Op. 4, AD 10, AD 15, AD 17].

[18] Внеочередной XXI съезд КПСС. 27 января-5 февраля 1959 года. Стенографический отчет. М., 1959. Т. 2. С. 443 [Außerordentlicher XXI. Parteitag der KPdSU. 27. Januar bis 5. Februar 1959, Bd. 2, Moskau 1959, S. 443].

[19] Материалы XXII съезда КПСС. Т. 3. С. 368 [Materialien des XXII. Parteitages der KPdSU, Bd. 3, S. 368].

[20] РГАСПИ. Ф. 586. Оп. 1. Д. 201. Л. 13 [RGASPI fonds 586, opus 1, dello 201, Blatt 13].

[21] РГАСПИ. Ф. 586. Оп. 1. Д. 309. Л. 211 [RGASPI fonds 586, opus 1, dello 309, Blatt 211].

[22] XXII съезд КПСС. Т.3. С. 274; Т.1. С. 167 [XXII. Parteitag der KPdSU, Bd. 3, S. 274; Bd. 1, S. 167].

[23] РГАСПИ. Ф. 586. Оп. 1. Д. 210. Л. 11 [RGASPI fonds 586, opus 1, dello 210, Blatt 11].

[24] Коммунизм входит в нашу жизнь. М., 1961. С. 4–5 [Der Kommunismus tritt in unser Leben, Moskau 1961, S. 4 f.].

[25] Первые публикации относятся к концу 1980-х гг.: Фомин В., Щекочихин Ю. Тогда, в Новочеркас-
ске // Литературная Газета. 21 июня 1989; Беспалов Ю., Коновалов В. Новочеркасск, 1962 // Комсомольская Правда. 3 июня 1989; Дмитриев Ю. Новочеркасск: эхо трагедии // Труд. 28 октября 1990; Огурцов В. Новочеркасск помнит захоронение остатков жертв тоталитарного режима // Российская Газета. 4 июня 1994. [Erste Publikationen erfolgten Ende der Achtzigerjahre:
V. Fomin/Ju. Ščekočichin: Damals in Novočerkassk, in: Literaturnaja gazeta vom 21. Juni 1989; Ju. Bespalov/V. Konovalov: Novočerkassk 1962, in: Komsomol’skaja Pravda vom 3. Juni 1989; Ju. Dmitriev: Novočerkassk: Das Echo der Tragödie, in: Trud vom 28. Oktober 1990; V. Ogurcov: Novočerkassk erinnert sich, begrub die Überreste der Opfer des totalitären Regimes, in: Rossijskaja gazeta vom 4. Juni 1994].

[26] Подробнее см. подборку документов и материалов: Утаенная Конституция Никиты Хрущева // Исторический Архив. 1997. № 1. С. 40–49 [Für weitere Informationen siehe: Die geheim gehaltene Verfassung von Nikita Chruščëv, in: Istoričeskij archiv (1997), H. 1, S. 40–49].

[27] Струмилин С.Г. Рабочий день и коммунизм. М., 1959. С. 34= 35 [S. G. Strumilin: Arbeitstag und Kommunismus, Moskau 1959, S. 34 f.].

[28] Струков Э.В. Человек коммунистического общества. М., 1961. С. 62 [Ė. V. Strukov: Der Mensch der kommunistischen Gesellschaft, Moskau 1961, S. 62].

[29] XXII съезд КПСС. Т. 3. С. 317–318 [Der XXII. Parteitag der KPdSU, Bd. 3, S. 317 f.].

[30] Логинов А. Читая книгу о коммунизме… // Коммунист. 1960. № 12. С. 111 [A. Loginov: Das Buch über den Kommunismus lesend, in: Kommunist (1960), H. 12, S. 111].

[31] См. подробнее: Фишман Л.Г. Фантастика и гражданское общество. Екатеринбург, 2002. [Siehe auch L. G. Fišman: Phantastik und Zivilgesellschaft, Ekaterinenburg 2002].

[32] Гюнтер Х. Архетипы советской культуры // Соцреалистический канон. СПб., 2000. С. 745 [Ch. Gjunter: Archetypen der sowjetischen Kultur, St. Petersburg 2000, S. 745].

[33] См. подробнее: Аксютин Ю.В. Хрущевская Оттепель и общественные настроения в СССР в 1953–1964 гг. М., 2004. С. 330; Бурлацкий Ф. Глоток свободы. М., 1997. Кн.1. С. 96 [Siehe auch Ju. V. Aksjutin: Chruščëvs Tauwetter und die Gesellschaft in der UdSSR 1953–1964, Moskau 2004, S. 330; F. Burlazki: Der Geschmack der Freiheit, Moskau 1997, S. 96].

[34] Вайль П., Генис А. Шестидесятые. Мир советского человека. М., 1998. С. 16 [P. Vajl’/A. Genis:
Die Sechzigerjahre. Die Welt des Sowjetmenschen, Moskau 1998, S. 16].

[35] Материалы XXII съезда КПСС. С. 154 [Materialien des XXII. Parteitages der KPdSU, S. 154].

Inhalt – JHK 2012

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