Eigentlich genügten wenige, breite Federstriche, so schien es bisher, um die Biografie des ehemaligen DDR-Verteidigungsministers Heinz Hoffmann zu skizzieren. Wie in Lexika und Sammelbänden1 nachzulesen und von ihm selbst geschildert,2 nahm der 1910 in Mannheim geborene, aus einem proletarischen Elternhaus stammende Schlosser einen bemerkenswert gradlinigen politischen Lebensweg. Schon früh engagierte er sich in der kommunistischen Jugendbewegung und trat 1930 der KPD bei. Gleich nach Beginn der NS-Herrschaft emigrierte er im Parteiauftrag in die Sowjetunion, erhielt deren Staatsbürgerschaft und wurde zum Offizier der Roten Armee ausgebildet. Sein erster Einsatzbefehl führte ihn 1937 zu den Internationalen Brigaden in den Spanischen Bürgerkrieg. Schwer verwundet kehrte er 1939 nach Moskau zurück, heiratete eine Sowjetbürgerin und arbeitete u. a. für den NKWD, den Inlandsgeheimdienst. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht beteiligte er sich an der politischen Umerziehung deutscher Gefangener und gehörte zu den KPD-Kadern, die für den Einsatz im Nachkriegsdeutschland vorgesehen waren. Ende 1945 beorderten ihn die Sowjets nach Berlin mit dem Auftrag, am politischen Neubeginn in ihrer Besatzungszone mitzuwirken. Schon bald wurde der – anfangs noch verdeckte – Aufbau ostdeutscher Streitkräfte zu seinem Arbeitsschwerpunkt. Kontinuierlich und in großen Schritten stieg Hoffmann auf der Karriereleiter nach oben. Mitte 1950 wurde Hoffmann Kandidat und 1954 Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der SED,3 die alles daran setzte, aus der DDR eine Volksdemokratie, einen Staat sowjetischen Typs, zu machen. Älteren Zeitgenossen in Ost und West wird vor allem in Erinnerung geblieben sein, wie er an Staatsfeiertagen in ordenübersäter Galauniform in der offenen Limousine stehend langsam am Spalier seiner Soldaten entlangfuhr und dabei wie der Prototyp eines Machtmenschen wirkte. Auch manche seiner Sätze sind unvergessen, etwa die kurz nach dem Mauerbau ausgesprochene Warnung an fluchtbereite DDR-Bürger, wer die Grenze nicht respektiere, bekomme »die Kugel« zu spüren4 oder seine Belehrung westlicher Friedensaktivisten, ein Atomwaffenkrieg in Europa könne durchaus die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln und »gerecht« sein.5
Die Stasi-Akte Hoffmann
Erst drei in einer geheimen Stasi-Ablage aufbewahrte Aktenbände6 korrigieren jetzt den Eindruck eines unaufhaltsamen Aufstiegs und lassen das Persönlichkeitsbild vom martialisch auftretenden Moskau-treuen Kommunisten differenzierter erscheinen. Ausgerechnet die politische Geheimpolizei der SED, gedacht zur Überwachung und Verfolgung Andersdenkender, hatte den linientreuen Kommunisten mit der mustergültigen Biografie über viele Jahre beobachtet. Bisher ging die Forschung davon aus, dass der Staatssicherheitsdienst führende Mitglieder der eigenen Partei nicht ausforschen durfte und dies auch nicht getan hat. Genehmigungen in Ausnahmefällen konnte nach einem Parteibeschluss aus dem Jahr 1954 bei ZK-Kadern allein der SED-Chef als Vorsitzender der Sicherheitskommission des Politbüros (ab 1960: des Nationalen Verteidigungsrates) erteilen.7 Hinweise auf eine solche Anweisung Walter Ulbrichts gibt es in diesem Fall nicht, doch hat Erich Mielke ihn spätestens seit Beginn der Sechzigerjahre über die Verhältnisse an der Spitze des Verteidigungsministeriums informiert. Die Geheimakte Hoffmann dokumentiert, dass die Stasi mit wachem Interesse beobachtete, welche Leitungsschwächen führende Genossen unter den DDR-Militärs zeigten. Sie gerierte sich dabei als inoffizielle Kontrollkommission, die auch darauf achtete, wo die Amtsträger gegen Grundsätze der Parteidisziplin verstießen und SED-Vertreter ihren Kontroll- und Interventionspflichten nicht gerecht wurden.
Die heimlich über Hoffmann gesammelten Informationen, insbesondere die Berichte der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), füllen annähernd tausend Seiten und beginnen kurz nach Gründung der DDR. Die Unterlagen zu vielen bekannten Oppositionellen sind weniger umfangreich. Aufbewahrt waren die drei Bände ursprünglich vermutlich in den Panzerschränken, die Mielke Ende 1989 leer zurückließ,8 oder sie befanden sich unter den 800 laufenden Metern Akten, die die Bürgerrechtler noch in den Diensträumen der für die Überwachung der Armee zuständigen Hauptabteilung (HA) I vorfanden.9 Von der Geschichtsschreibung über die NVA und das MfS ist die Akte bisher nicht berücksichtigt worden.10
Die Stasi-Aktivitäten gegen Hoffmann kulminierten in den Jahren 1963/64, als das Mielke-Ministerium auf die Ablösung des Verteidigungsministers hinarbeitete und offenbar nur knapp scheiterte. Davor bewahrt hat Hoffmann, nach den MfS-Erkenntnissen zu urteilen, sowjetische Intervention in Person des Oberkommandierenden im Warschauer Pakt, Marschall Andrei Gretschko.
Danach fuhr die Stasi die Überwachung langsam zurück. Anfang der Siebzigerjahre bricht die Materialsammlung vollends ab. Ausschlaggebend dafür dürften Veränderungen in der SED-Führung gewesen sein: Mielkes wichtigster politischer Förderer und Vertrauensmann, Generalsekretär Ulbricht, wurde von Erich Honecker abgelöst, und der Stasi-Chef wie der Verteidigungsminister rückten kurz hintereinander in das oberste Führungsgremium, das SED-Politbüro, auf.11 Nun wurde Mielke die geheime Buchführung über Schwächen und Verfehlungen des NVA-Kollegen wohl doch zu »heiß«. Zudem hatte er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die sowjetischen »Freunde« fest zu Hoffmann standen.
Harmonische Kooperation in den Anfangsjahren
Der erste in der Akte überlieferte MfS-Bericht stammt vom September 1952 und gleicht einer zusammenfassenden Beurteilung.12 Heinz Hoffmann hatte als Generalinspekteur der Deutschen Volkspolizei und Stellvertretender Minister des Innern gerade die Leitung der Kasernierten Volkspolizei (KVP), des Vorläufers der späteren DDR-Armee,13 übernommen. Inhaltlich handelt es sich um einen Auszug aus dem »Personaldienstbogen«, den er der DDR-Regierung vorgelegt hatte, ergänzt durch bis 1949 zurückreichende Angaben aus einer MfS-eigenen »Akte des Genossen H.«,14 vermutlich ein Vorläufer der überlieferten dreibändigen Geheimakte. Das Urteil des noch von Wilhelm Zaisser geleiteten Sicherheitsministeriums fiel sehr positiv aus: Hoffmann habe »ein gutes Verhältnis« zu den »Organen des MfS« und sie »in jeder Beziehung unterstützt«.15 Er verstehe es »ausgezeichnet«, mit Menschen umzugehen, und werde von seinen Mitarbeitern »geachtet und verehrt«. Schwächen bestünden darin, dass er »nicht hart genug«, manchmal »zu nachsichtig« sei. Seinen engsten Mitarbeitern bringe er oft »zu viel Vertrauen« entgegen. Aufgefallen war das den Stasi-Mitarbeitern vermutlich, weil mancher seiner Offiziere heimlich für das MfS arbeitete und sie kontinuierlich über Interna aus der KVP, später der NVA, informierte, etwa Generalmajor Bernhard Bechler, stellvertretender Chef des Hauptstabes der KVP, der unter dem Decknamen »Wölfi« berichtete.16
Hoffmanns Vertrauensseligkeit wird aber auch in den zahlreichen Mitteilungen deutlich, die er in der ersten Hälfte der Fünfzigerjahre selbst der für die Überwachung der militärischen Verbände zuständigen MfS-Abteilung (später: Hauptabteilung) I, machte. So hielt deren Leiter Gerhard Kroszewski nach einem Treffen im August 1952 fest, der KVP-Chef mache sich Sorgen wegen seiner Kenntnisdefizite, denn er sei nach eigenem Urteil »kein so großer militärischer Fachmann« und könne, wenn er keine Schulung erhalte, »in der weiteren Entwicklung diese Funktion bestimmt nicht voll ausfüllen«.17 Das habe er bereits Armeegeneral Vasilij Čujkov, den Oberkommandierenden der sowjetischen Truppen in der DDR, wissen lassen und werde auch mit SED-Generalsekretär Ulbricht noch darüber sprechen.18 Kroszewskis Nachfolger Heinz Gronau notierte wenige Monate später: »Generalleutnant Hoffmann ist in seiner Funktion sehr unzufrieden und trägt sich mit dem Gedanken, aus der militärischen Formation auszuscheiden, um wieder in der Partei zu arbeiten. Er gehe oft sehr unzufrieden nach Hause und wüsste manchmal nicht, wofür er sein Geld bekommt.«19
Hoffmann ahnte offenbar nicht, wie die Stasi mit solchen Äußerungen umging, dass sie schriftlich festgehalten und möglicherweise auf Dauer in den Speichern der Geheimpolizei aufbewahrt wurden und in Einzelfällen, wie seinem, Inhalt konspirativ geführter Personendossiers werden konnten, auch wenn es um einen leitenden Partei- und Staatsfunktionär ging. Vermutlich wäre er überrascht gewesen, hätte er erfahren, dass sein MfS-Gesprächspartner nach dem Treffen im August alarmiert reagiert, sogleich »Wölfi« einbestellt und ihn um eine Charakterisierung seines Chefs gebeten hatte, die dann einer Fundamentalkritik gleichkam: Hoffmann arbeite oberflächlich, was er ihm vorlege, unterschreibe er kommentarlos, sei in wenigen Minuten mit der Arbeit fertig und gehe dann gern Vergnügungen nach. Hoffmann rechtfertige das damit, dass er »schwere Jahre« durchlebt habe und »noch etwas vom Leben haben« wolle. Um die Ausbildung habe sich Generalinspekteur/Generalleutnant Hoffmann, obwohl Chef der Hauptverwaltung Ausbildung, »in den vergangenen zwei Jahren fast überhaupt nicht gekümmert«.20 Minister Zaisser, Hoffmanns Vorgesetzter während seines Einsatzes in Spanien, habe ihn, Bechler, von Anfang an gewarnt, sein Chef halte sich für einen »großen Strategen«, der er aber in Wirklichkeit nicht sei.21 Die Hoffmann-Beurteilung vom 1. September 1952 wäre vermutlich weitaus weniger positiv ausgefallen, hätte sich der Sicherheitsdienst damit ein paar Wochen länger Zeit gelassen.22
Informativ und nützlich waren für die MfS-Offiziere die Gespräche, die sie mit Hoffmann führten auch in anderer Hinsicht. Sie erfuhren Interna aus der Partei- und Staatsspitze, von denen sie sonst nicht oder erst später Kenntnis erhalten hätten und profitierten indirekt von seinen engen Kontakten zu den sowjetischen »Freunden«. Es handelte sich nicht um Hinweise, die für ihre eigentliche Aufgabe nützlich sein konnten, »feindliche« Aktivitäten des politischen Gegners zu erkennen und zu bekämpfen. Vielmehr war man erpicht auf Informationen, die dem MfS zusammen mit entsprechenden Meldungen aus anderen Bereichen ein Herrschaftswissen sicherten, dass deutlich über das hinausging, was die meisten der anderen Genossen in der Parteiführung wussten, und das sich auch innerparteilich, etwa in der Personalpolitik, oder machtpolitisch im Verlauf parteiinterner Fraktionskämpfe, speziell vom Minister taktisch nutzen ließ. So informierte Hoffmann im August 1952 darüber, welche umwälzenden strukturellen und personellen Veränderungen im Ministerium des Innern vorgesehen seien, dem die aufzubauenden militärischen Verbände noch zugeordnet waren, und machte das MfS so mit Vorentscheidungen vertraut, die letztlich die sowjetische Besatzungsmacht getroffen hatte. Geplant war u. a. die Einführung militärischer Dienstgrade und Uniformen in der Polizeitruppe. Selbst Durchschläge des neuen Strukturplans lieferte Hoffmann.23
Fast wie der Bericht eines Inoffiziellen Mitarbeiters (IM) liest sich, was er über die politische Einstellung und das Verhalten einzelner seiner leitenden Mitarbeiter weitergab. Diese Informationen dürften gleich in die heimlichen »Kaderakten« des MfS geheftet worden sein.24 Auch über seine unterschwellige Rivalität zu Innenminister Willi Stoph berichtete er freimütig und ließ seine Enttäuschung deutlich spüren, nicht selbst zum Minister ernannt worden zu sein. Er werde sich um eine gute Zusammenarbeit mit Stoph bemühen, so Hoffmann beschwichtigend gegenüber dem MfS im Juli 1952, sein Freund werde er aber »nie werden«, denn er könne Stophs Art »nicht ausstehen«, der sei »nicht offen und ehrlich«.25 Hoffmann schilderte in einem anderen Gespräch, wie Ulbricht und Čujkov sich um einen fairen Interessenausgleich zwischen ihm und Stoph bemüht und ihre Gehälter individuell festgesetzt hätten.26 So genau waren Einzelheiten des schwierigen Verhältnisses zwischen dem Innenminister und seinem Stellvertreter in der DDR-Regierung sicher niemandem bekannt. Ergänzt wurde das, was Hoffmann freimütig erzählte, durch die von der Stasi angeforderten Berichte ihrer Geheimen Informatoren (GI). So wussten die Führungsoffiziere der HA I, dass die Differenzen zwischen den beiden obersten Funktionären des Ministeriums im Vorfeld der NVA-Gründung noch zugenommen hatten. Hoffmann machte sich Hoffnungen, schon bald zum ersten Verteidigungsminister der DDR berufen zu werden und hatte erfahren, dass die Sowjets gegenüber der SED-Führung die Konstituierung eines solchen Ministeriums nur noch vom Ausgang der Genfer Konferenz abhängig machten.27 Dank GI »Wölfi« war nun auch das MfS auf diesem Informationsstand. In der so verschärften Konkurrenzsituation hatte sich Hoffmann im Kreis seiner Generäle über Stophs Arbeitsstil mokiert, den er als zu bedächtig und bürokratisch empfand.28 Der Minister kümmere sich »um jede Kleinigkeit«.29 Das mache er, Hoffmann, »nicht mehr lange mit«. Er sei »auch nur ein Mensch« und »mit den Nerven fertig«. Im nichtdienstlichen Rahmen urteilte der KVP-Chef offenbar noch geringschätziger, etwa über den Fleiß des oft bis in die Nacht arbeitenden Innenministers: Er frage sich, so musste er sich nach Stasi-Erkenntnissen geäußert haben, was dabei schon herauskomme und was Stoph denn in den Jahren von 1933 bis 1945 getan habe. Da habe er, Hoffmann, anderes durchgemacht.30 Der Führungsoffizier verfügte am Schluss seiner Mitschrift, der im Juli 1955 ergangene GI-Auftrag, über das Verhältnis Hoffmann – Stoph »laufend zu berichten«, bleibe bestehen.31 Die DDR-Staatssicherheit sah offenbar keinen Tabubruch darin, heimlich auszuforschen, was sich in Teilen des obersten Partei- und Staatsapparates tat.
Klimatischer Wandel nach dem 17. Juni 1953
Ab Mitte der Fünfzigerjahre sind kaum noch Eigenauskünfte Hoffmanns an die HA I überliefert. Die Geheimpolizei zeigte ein gesteigertes, misstrauisches Beobachtungsinteresse, informierte sich nun aber primär aus den Berichten ihrer eigenen (hauptamtlichen und inoffiziellen) Mitarbeiter. Ausgelöst, zumindest beschleunigt, hatten diesen Entfremdungsprozess zwischen dem KVP-Chef und dem Ministerium für Staatssicherheit die parteiinternen Diskussionen und Veränderungen nach dem 17. Juni 1953. Wie »Wölfi« berichtete, hatte Hoffmann schon kurz nach der Absetzung Zaissers kritisiert, dass dieser eine »falsche Arbeit geleistet« habe.32 Er sei überzeugt, dass der Minister für Staatssicherheit »über jeden Schritt von ihm und anderen führenden Parteifunktionären genau unterrichtet« gewesen sei, von der »Arbeit des Gegners« jedoch »keine Ahnung« gehabt habe. Zaisser und sein Stellvertreter Mielke hätten »wie Berija« den Staatssicherheitsdienst »über alles« gestellt. Sie seien damit den Empfehlungen der sowjetischen Berater gefolgt, aber das seien ja auch alles »Berija-Leute« gewesen. Mielke müsse jetzt »seine ganze Ideologie ändern«. Er sei »besonders überheblich« gewesen und habe geglaubt, »dass er allen Befehle erteilen könne«. Mielke, der über die Kritik Hoffmanns sicher umgehend in Kenntnis gesetzt wurde, dürften die Beschuldigungen alarmiert haben, bemühte er sich doch darum, nicht in die Kampagne gegen Zaisser hineingezogen zu werden und die Parteikritik am MfS unbeschadet zu überstehen.
Hoffmann nutzte die Gelegenheit, einen strukturell angelegten Grundkonflikt mit dem Sicherheitsdienst offen anzusprechen. Um eine optimale geheimpolizeiliche »Sicherung« der militärischen Verbände zu erreichen, hatte die Abteilung/Hauptabteilung I des MfS in alle KVP/NVA-Verbände offiziell tätige, eigene Offiziere integriert, die später im militärischen Dienstalltag unter der Tarnbezeichnung »Verwaltung 2000« geführt wurden und in der Uniform der jeweiligen Waffengattung auftraten, in der Truppe aber allgemein als Vertreter der Staatssicherheit bekannt und gegenüber der militärischen Führung weder rechenschaftspflichtig noch weisungsgebunden waren. Ihre Hauptaufgabe war die politische Überwachung der Soldaten durch den Einsatz von IM.33
Schon am 23. Juli 1953, im Gespräch mit Bechler, hatte Hoffmann seinem Ärger über diese Stasi-Präsenz Luft gemacht und moniert, auch in der KVP habe der Sicherheitsdienst »viele Fehler« begangen.34 Man brauche sich nur die »jungen Burschen« anzusehen, so Hoffmann laut GI »Wölfi«, die in allen Dienststellen »überheblich und undiszipliniert« aufträten. Der neue Chef der Abteilung I, Ottomar Pech, sei trotz seiner Bitten »niemals zu ihm gekommen«. Aber jetzt, nach dem 17. Juni, so Hoffmann zuversichtlich, habe es sich ja »ausgepecht«. Führungsoffizier Walter Bitter verfügte, Abschriften dieses GI-Berichts in die »Akte Hoffmann« zu übernehmen und ihn Pech vorzulegen.
Am Tag darauf vertrat Bitter routinemäßig seine Abteilung bei einer Leitungsbesprechung (»Kollegium«) im Innenministerium und musste sich Hoffmanns Kritik an Pech und der Stasi in versammelter Runde, nur Minister Stoph fehlte noch, direkt anhören.35 Zudem sprach Hoffmann dort den Fall eines von der Stasi Inhaftierten an, dessen Ehefrau ihm gegenüber darauf dränge, eine Nachricht zu bekommen, was geschehen sei und wo sich ihr Mann aufhalte. Der KVP-Chef ergriff Partei für die Frau und befand, so dürfe sich das MfS in solchen Fällen nicht verhalten. Möge der Inhaftierte auch ein »Verbrecher« sein, so müsse man doch an die Kinder denken, die so »gegen unsere Entwicklung« erzogen würden. Hoffmann habe zum Ausdruck gebracht, so Bitter in seinem Vermerk, dass er den Bürgermeister von Greifswald »über das ZK zur Rechenschaft ziehen lassen« wolle, weil dieser »jegliche Unterstützung« der Frau und ihrer Kinder »in schroffster Weise« ablehne. So offen hatte vermutlich schon lange kein führender Funktionär den Umgang der Stasi mit Inhaftierten kritisiert.
Zwei Jahre später formulierte Bitter eine Aktennotiz an die Leitung der HA I, die erkennen lässt, dass die Kompetenzabgrenzung zwischen der Staatssicherheit und der KVP immer noch nicht klar und die Kooperation nach wie vor schwierig war. Die Polit-Verwaltung der KVP, so listete der Stasi-Offizier im Beschwerdeton auf, habe eine Richtlinie erlassen, die Aussagen zum Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS) enthielten, die die »Prinzipien der Zusammenarbeit« verletzten.36 Entgegen bisheriger Praxis sei dem SfS weder der Entwurf noch die Endfassung zugestellt worden. Zwei hohe Offiziere seien auf Parteibeschluss entlassen worden, ohne dass das SfS darüber informiert worden war.37 Eine Delegation der Verwaltung Bewaffnung habe zur Besichtigung von Wehrtechnik die ČSSR besucht, ohne die Mitglieder vorab von der Stasi politisch überprüfen zu lassen. Nun habe man festgestellt, dass auch ein »charakterlich-moralisch negativer Offizier« darunter gewesen sei.38 Die Leitungspraxis in der KVP genüge nicht den »erforderlichen Ansprüchen«, Hauptabteilungsleiter Karl Kleinjung, so die Anregung Bitters, solle mit Hoffmann sprechen mit dem Ziel, »diesen, unsere operative Arbeit nicht fördernden Zustand zu verändern«.39
Spätestens dieses Gespräch mit dem HA I-Leiter wird dem KVP-Chef verdeutlicht haben, dass seine Stasi-Kritik nach dem 17. Juni, vielleicht aber auch sein früheres offenherziges Eingeständnis eigener fachlicher Defizite gegenüber dem MfS dort unvergessen waren. Dies galt insbesondere für Mielke, der, wie sein Förderer Ulbricht, die Juni-Krise unbeschadet überstanden und noch an politischem Gewicht gewonnen, die lang ersehnte Beförderung zum Stasi-Chef aber wieder nicht erreicht hatte. Er blieb der starke Mann im zweiten Glied, jetzt als Stellvertreter von Staatssekretär Ernst Wollweber.
Schleichender Beginn der Stasi-Überwachung
Wie seiner Zaisser-Kritik zu entnehmen, hatte Hoffmann bereits früher bemerkt, dass sich der Staatssicherheitsdienst auch für sein Privatleben interessierte.40 Bis ins Jahr 1949 reichen die Notizen zurück, die sich Mielkes Offiziere zu »moralischen Verfehlungen« Hoffmanns gemacht und in die Akte integriert hatten.41 Zumeist ging es dabei um sein Verhältnis zu Frauen, die, wie er zuweilen freimütig bekannte, »eben seine Schwäche« seien.42 Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau 1952 hatten die heimlichen Registratoren besonders viel zu notieren und äußerten wiederholt den Verdacht, feindliche Geheimdienste könnten von Hoffmanns »Schwäche« erfahren und gezielt Agentinnen auf ihn angesetzt haben.43 Ganz abwegig war diese Sorge nicht. Wenn der BND seine Akten öffnet, wird man sehen, ob es neben den »Romeos« des MfS im Westen vielleicht nicht minder erfolgreiche »Julias« in der DDR gegeben hat.
Anfang 1954, als Hoffmann sich mit erneuten Heiratsgedanken trug, leitete Wollweber einen umfangreichen Bericht über mit dem KVP-Chef befreundete Frauen, die sein Dienst für Sicherheitsrisiken hielt, an den Chef der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK), Hermann Matern, weiter. Dieser gab das Papier mit dem Vermerk zurück, er werde selbst mit Hoffmann sprechen. Eine der dort genannten Frauen solle das SfS noch »sehr gründlich« überprüfen.44
Eine andere von den Stasi-Offizieren festgehaltene Schwäche Hoffmanns betraf sein Verhalten als militärischer Vorgesetzter. So martialisch anmutend er manchmal auch auftrat, im persönlichen Umgang zeigte er ein weiches Herz. Eine junge Frau, die häufiger für die Familie Hoffmann arbeitete, hatte dem Generalleutnant geklagt, ihrem Freund, der in der KVP diene, sei der Urlaub gestrichen worden. Hoffmann habe in der Kaserne angerufen und verfügt, dem Mann sei sofort freizugeben. Als wegen fortgesetzter Disziplinarverstöße sogar die fristlose Entlassung anstand, befahl er zur Verwunderung der Vorgesetzten die Beförderung zum Leutnant. Offenbar beabsichtigte die Stasi, Personalentscheidungen dieser Art künftig zu verhindern, und bat ihren GI, vom nächsten Entlassungsgesuch vorab in Kenntnis gesetzt zu werden.45
Der Akademie-Lehrgang in Moskau und die Folgen
Anlass dazu hatten Wollwebers Mitarbeiter aber vorerst nicht, denn im Dezember 1955 trat Hoffmann zusammen mit elf weiteren hohen KVP-Offizieren einen lange geplanten zweijährigen Lehrgang an der Militärakademie Vorošilov in Moskau an.46 Obwohl alle als politisch zuverlässige, für noch höhere Aufgaben geeignete SED-Mitglieder anzusehen waren, beauftragte die HA I einen der Teilnehmer, ihr regelmäßig konspirativ über den Verlauf zu berichten.47 Die Anweisung an den GI »Phänomen« lautete, bei »allen Teilnehmern« auf »alle wichtigen Dinge« zu achten. Explizit genannt wurden »Unstimmigkeiten, Unlust, Schwierigkeiten, Alkoholgenuss, Ausgang, Verbindungen u. dgl.«. Sich selbst stellte der bearbeitende MfS-Offizier die Aufgabe, über Urlaubsregelungen und Postwege »ständig unterrichtet« zu sein und nach Rücksprache mit der Leitung der HA I die »Postkontrolle über [die] Teilnehmer ein[zu]leiten – resp. deren Frauen«. Schon kurz nach Beginn des Lehrgangs wussten die heimlichen Kontrolleure des MfS, dass Hoffmann seiner Frau ein erstes Lebenszeichen per Luftpost hatte zukommen lassen. Das war allerdings kein Ergebnis von Postkontrolle, das hatte »Wölfi« berichtet.48 Dass die Stasi politisch berechtigt war, ohne Anlass die in Moskau weilenden militärischen Führungskader der Partei zu überwachen, stand für die HA I offenbar außer Frage.
Dabei klang schon der erste Bericht des GI »Phänomen« unter Kontrollgesichtspunkten eher beruhigend: Die Teilnehmer hatten täglich ein zwölfstündiges Arbeitspensum in russischer Sprache zu bewältigen, waren zu siebt in einem Zimmer untergebracht, aber trotzdem guter Dinge.49 Über Hoffmann berichtete der GI nur Positives: Er lasse nicht spüren, dass er Chef der KVP sei, verhalte sich »sehr kameradschaftlich und hilfsbereit« den anderen gegenüber, deren Hauptproblem es offenbar war, die Sprache nicht oder nur unzulänglich zu beherrschen. Trotzdem legte das MfS großen Wert darauf, über den Lehrgang und die Teilnehmer kontinuierlich aus erster Hand informiert zu sein. Der Führungsoffizier kündigte an, ein Emissär werde den GI möglicherweise zwischendurch in Moskau besuchen, um sich an Ort und Stelle berichten zu lassen. Es ging den KVP-Kontrolleuren im MfS offenbar darum, singuläres Herrschaftswissen zu sammeln, das sich bei günstiger Gelegenheit von der MfS-Spitze parteiintern eigeninitiativ nutzen ließ, aber auch vom SED-Generalsekretär abgefragt werden konnte. Um über die Lehrgangsteilnehmer und ihre Leistungen informiert zu sein, hätte sich Ulbricht dann nicht allein auf sowjetische Zeugnisse verlassen müssen, er hätte auch seine obersten politischen Geheimpolizisten, Wollweber und Mielke, fragen können. Dass er es wirklich getan hat, ist eher unwahrscheinlich.
Erfahren hätte er dann, dass Hoffmann in Moskau gern zu »Saufabenden« einlud, dabei »am meisten dem Alkohol zusprach« und Frauenbekanntschaften pflegte.50 Wenige Monate zuvor hatte die Stasi schon von »Wölfi« gehört, dass Hoffmann in der Überzeugung lebe, wenn er zurückkomme, könne ihm »keiner mehr was«.51 Wenn Ulbricht ihn einbestellt hatte, habe er bisher »nicht viel sagen« können. In Zukunft werde das »anders sein«. Der HA I-Offizier vermerkte zum Schluss, es sei erforderlich, dass mit Hoffmann »von entsprechender vorgesetzter Stelle« ein »ernstes Wort gesprochen« werde, eine kaum verhüllte Aufforderung, Ulbricht in Kenntnis zu setzen, und gab den Bericht zur »weiteren Verwendung« an seinen Leiter.
So karrieredienlich ein Akademiebesuch in der Sowjetunion auch war, es wird Hoffmann geärgert haben, dass ausgerechnet in den Monaten seiner Abwesenheit, im März 1956, die DDR-Armee offiziell gegründet und ein Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) geschaffen wurde – unter der Leitung seines bisherigen Chefs, Willi Stoph. Hoffmann sollte nach seiner Rückkehr weiterhin als dessen Stellvertreter arbeiten. Dabei hatte der sowjetische »Chefberater« bereits im Juli 1955 im Kreise der KVP-Führung angedeutet, dass Hoffmann demnächst zum Verteidigungsminister ernannt werden könnte. Stoph wäre dann übergeordneter Chef aller »bewaffneten Organe«, also auch des Staatssicherheitsdienstes, geworden.52 Mochte sich Mielke im Sommer 1953 fragen, ob nicht Hoffmanns Behauptung, er sei ein Berija-Mann, seinen Aufstieg zum Zaisser-Nachfolger verhindert habe, so durfte der bisherige KVP-Chef jetzt argwöhnen, dass vielleicht eine Mielke-Intrige schuld daran war, dass er nicht zum ersten Verteidigungsminister der DDR berufen worden war. Beweise gibt es weder für das eine noch das andere. Die Entscheidungsprozesse in Moskau und Ost-Berlin liegen im Dunkeln.
Unübersehbar aber war, dass Mielke während der Lehrgangsjahre Hoffmann auf der Karriereleiter überholt und im November 1957, gleichsam im dritten Versuch, den letzten Schritt an die Spitze des Ministeriums für Staatssicherheit geschafft hatte. Kaderveränderungen im Verteidigungsministerium könnten damit im Zusammenhang gestanden haben: Als Hoffmann im Dezember 1957 in die DDR zurückkehrte, fand er den von ihm ungeliebten früheren HA I-Chef Ottomar Pech als stellvertretenden Leiter des Hauptstabes der NVA, also in seiner unmittelbaren Nähe, vor. Vier Jahre später, kurz nach Hoffmanns Ernennung zum Verteidigungsminister, stieg Pech sogar zum obersten Kaderchef der NVA auf: Auch als Minister wurde er seinen Stasi-Kontrolleur nicht los. Mit Genugtuung mochte ihn erfüllen, dass er seit seiner Beförderung zum Armeegeneral im März 1961 in der militärischen Rangordnung klar vor Mielke rangierte, der diesen Dienstgrad erst 1980 verliehen bekam.
Der Konflikt eskaliert
Aus den späten Fünfzigerjahren sind in der Hoffmann-Akte keine Unterlagen überliefert. Erst eine Notiz vom März 1962 macht deutlich, dass das Verhältnis zwischen Mielke und Hoffmann auch nach ihrem Aufstieg an die Spitzen von MfS bzw. NVA gespannt blieb. Der Staatssicherheitsdienst hatte sich offenbar beim Leiter der Militäroberstaatsanwaltschaft über eine »ungesunde und unkritische Atmosphäre« in der NVA-Führung, gemeint war vermutlich »unmoralisches Verhalten« des Ministers, beschwert.53 Früher hatte sich Hoffmann selbst in solchen Fällen eingeschaltet, jetzt schickte er lediglich einen seiner Mitarbeiter, einen Oberstleutnant, zum HA I-Chef, Generalmajor Kleinjung. Dieser versprach, soweit es ihn selbst betraf, eine bessere Zusammenarbeit, widerstand aber dem Werben der Stasi-Offiziere, sich im unterschwelligen Konflikt zwischen beiden Ministern auf ihre Seite zu stellen, und wich aus. Er sei noch nicht in allen Fragen »ehrlich« gewesen, vermerkte der Protokollant der HA I zum Schluss enttäuscht.54
An heimlichen Informanten im Umfeld des Ministers fehlte es der Stasi trotzdem nicht. Einer davon hatte kurzfristig Zugang zum Panzerschrank sowie zu den Notizbüchern einzelner Mitarbeiter im Leitungsbüro und hielt auch privateste Dinge fest, die sich eventuell politisch gegen den Minister verwenden ließen.55 Andere Methoden der Überwachung wandte das MfS – nach dem Überlieferten zu urteilen – gegenüber Hoffmann nicht an. Tonbandprotokolle von Telefonaten und sonstigen Gesprächen sind offenbar nicht angefertigt, von ihm geschriebene Briefe nicht kopiert worden.
Der Konflikt zwischen den Leitungen beider »bewaffneter Organe« spitzte sich um die Jahreswende 1963/64 zu. Hoffmann hatte seine erste große Bewährungsprobe als Truppenführer bestanden, nachdem ihm vom Oberkommando des Warschauer Pakts die Leitung des gemeinsamen Großmanövers »Quartett« übertragen worden war, das vom 9. bis 15. September 1963 in der DDR stattfand. Marschall Gretschko würdigte besonders die Leistungen der NVA, als deren Geburtshelfer er sich betrachtete, und bescheinigte ihr, sie habe ihre Aufgaben »vorbildlich erfüllt« und unterscheide sich nicht mehr von den Armeen der anderen Verbündeten.56 Ein Lob, das die SED-Propaganda gern zitierte.
Ganz anders klangen die geheimen Einschätzungen der Stasi, deren Hauptabteilung I sich in mehreren Berichten kritisch zum Verlauf der Truppenübung äußerte. Gelobt wurde die Einsatzbereitschaft der Soldaten, moniert das charakterliche und fachliche Auftreten einiger höherer Offiziere. Auch der Minister wurde in diesem Zusammenhang genannt.57 Nach dem Bericht des Geheimen Hauptinformators (GHI) »Anker«, offenbar ein höherer Führungskader, seien »verantwortliche ältere Offiziere«, selbst Generäle, mitunter in »peinliche Situationen« geraten.58 Als »unmilitärisch«, da »unkonkret« und letztlich als »Zeitverschwendung« kritisierte er die Besprechungen im Hauptstab. Die Teilnehmer hätten sich offenbar »daran gewöhnt«, den verantwortlichen General »nicht ernst zu nehmen«. Die HA I, die auch mit offiziellen Mitarbeitern teilgenommen hatte, bestätigte die Kritik.59 Ein anderer General, der erkennbar »stark unter Alkohol stand«, habe bei einer Besprechung einen Oberst »in zusammenhanglosen Sätzen« beschimpft, dass er »völlig versagt« habe. Die Anwesenden hätten gewusst, dass die Vorwürfe »aus der Luft gegriffen« waren, aber betreten geschwiegen, um so die »unwürdige Szene« zu beenden.60
Exorbitant, so meldeten die geheimen Informanten der Stasi, sei der Alkoholkonsum gewesen. »Was wir bei Quartett gesoffen haben, geht in keinen Tankwagen« zitierte der GHI »Fred Wendel« einen Oberst.61 Häufiger drohten Streitigkeiten zwischen angetrunkenen Stabsoffizieren in Schlägereien auszuarten.62 In der Truppe machten zahlreiche Witze über das Verhalten ihrer trinkfreudigen Führung die Runde.63 Die HA I zog das Fazit: »Die moralischen Eigenschaften einiger leitender Offiziere«, an der Spitze müsse »bedauerlicherweise der Minister« genannt werden, entsprächen nicht den Forderungen der »sozialistischen Ethik und Moral«.64 Hoffmann war den Stasi-Offizieren vor allem aufgefallen, weil er in der Stabsunterkunft eine Wand hatte durchbrechen lassen, um einer Soldatin näher zu sein. Die HA I beauftragte einen anderen Informanten, diese Angaben zu überprüfen – und erhielt sie bestätigt.65 Hoffmanns Schwäche für Alkohol und junge Frauen war der Stasi seit Langem bekannt. Verschärft hatte sich die Situation offenbar durch seinen politischen Aufstieg, aber auch aufgrund privater Veränderungen: Hoffmann bereitete Ende 1963 die Scheidung von seiner zweiten Frau vor und bewegte sich auf Freiersfüßen.
Der Bericht vom 10. Oktober verzeichnete keine Adressaten. Er ging zumindest an HA-I-Chef Kleinjung, der ihn mit Datum vom 11. Oktober abzeichnete und,66 nach einem entsprechenden Anschreiben zu urteilen, am Tag darauf, zusammen mit anderen, nicht genauer bezeichneten Berichten, an Minister Mielke weiterleitete.67 Auf solche Anschreiben und schriftlichen Verfügungen stößt man in den Folgemonaten immer wieder. Ab jetzt gab die HA I offenbar alle Hoffmann betreffenden Berichte an den MfS-Chef »zur weiteren Verwendung«.68 Diese neue Praxis ist ein Indiz dafür, dass Mielke spätestens jetzt den Fall Hoffmann an sich gezogen hatte. Die überlieferten Unterlagen lassen – allerdings nur indirekt – darauf schließen, dass er sich von nun an bei Ulbricht, mit dem er sich bereits zu wöchentlichen Vieraugengesprächen traf,69 aktiv um die Absetzung des Verteidigungsministers bemühte.
Am Kulminationspunkt
Der Bericht vom 10. Oktober 1963 hatte offenbar eine gesteigerte Aufmerksamkeit der MfS-Führung für die Leitungsprobleme an der NVA-Spitze ausgelöst. Mit Datum vom 14. Oktober 1963 legte die HA I eine auf 40 Seiten erweiterte Fassung vor,70 die nicht mehr als HA I-internes Papier, sondern explizit für Minister Mielke bestimmte Information verfasst worden war und mit einer klaren Aufforderung zum Handeln endete: »Wir vertreten die Auffassung, dass die in diesem Bericht dargelegte Situation zu raschen Entscheidungen führen sollte, um durch geeignete Maßnahmen einer weiteren Wucherung der Unmoral und des Liberalismus im Bereich der Leitung des MfNV entgegenzutreten, die vorhandenen Missstände konsequent zu beseitigen und solche Voraussetzungen zu schaffen, die den Gesetzen der sozialistischen Moral und Ethik in einer gesunden, kämpferischen Atmosphäre zum Durchbruch verhelfen.«71 Um Kenntnisnahme und »weitere Veranlassung« werde gebeten.
Eigentlicher Adressat war nach Inhalt und Form Generalsekretär Ulbricht,72 an den die Information offenbar auch gelangte, denn wenige Wochen später meldete ein Oberst, der als IM der Stasi berichtete, Hoffmann habe Anfang Dezember 1963, bei der Einweihung der Offiziersschule in Löbau, zu vorgerückter Stunde im Kreise seiner führenden Offiziere erzählt, dass er bei Ulbricht gewesen sei und ihm »alles gesagt« habe.73 Der habe ihn aufgefordert, »sehr schnell seine persönlichen Dinge« so in Ordnung zu bringen, »dass kein Skandal daraus entstehe«.
Wie schon dem Berichtstitel zu entnehmen, bezogen sich die Erkenntnisse jetzt nicht nur auf das Manöver »Quartett«. Die MfS-Offiziere gaben eine generelle Beschreibung der Zustände an der Spitze der NVA. Bereits »seit längerer Zeit« und »in zunehmendem Maße« zeigten sich dort Tendenzen, die zutiefst den »sozialistischen Moralbegriffen« widersprächen.74 »Begünstigt durch den laufenden übermäßigen Alkoholgenuss und die ausschweifende Lebensweise (außereheliche Beziehungen) des Genossen Armeegeneral Hoffmann« habe sich dort eine Lage ergeben, die durch »parteiliche Inkonsequenz, Kritiklosigkeit, Unterwürfigkeit und Karrieristentum« gekennzeichnet sei. Niemand aus der Leitung des MfNV unternehme etwas gegen den »Zustand ständiger moralischer Verfehlungen«. Hoffmanns schlechtes Beispiel mache, im Gegenteil, bei anderen leitenden Funktionären »Schule«, verleite zum »Nachmachen« oder zur »stillschweigenden Duldung«.
Konsequenz der Zustandsbeschreibung konnte eigentlich nur die Entlassung des Ministers sein. Eine entsprechende Forderung vermieden die Autoren der HA I aber: Sie stand ihnen und auch Mielke nicht zu; eine Absetzung hätte allein SED-Chef Ulbricht mit vorheriger Zustimmung der Besatzungsmacht veranlassen können.
Weniger zurückhaltend ging die Stasi in ihrem Bericht mit den wichtigsten Mitarbeitern im Leitungsbüro des Ministeriums um, deren Vergehen sie so ausführlich schilderte, dass der Eindruck entstehen konnte, nicht Hoffmann, sondern sie seien verantwortlich für seine »moralischen Verfehlungen« und die notorischen Alkoholexzesse im Dienst. Unverbrämt wurde deren »umgehende Ablösung« gefordert. Dies betraf auch den Leiter eines NVA-Heimes, in dem der Minister häufig übernachtete. Dieser »Günstling« des NVA-Chefs, so die HA I-Charakterisierung, hatte unangemeldet erschienenen Stasi-Kontrolleuren jeglichen Zutritt verweigert und – in deren Anwesenheit – Hoffmann angerufen und sich Rückendeckung verschafft.75
Aufschluss darüber, wie weit der Einfluss des MfS auf die Personalpolitik im Verteidigungsministerium wirklich ging, könnte eine spezielle Untersuchung der weiteren Karrierewege der Kritisierten ergeben. Die in der »Akte Hoffmann« überlieferten Informationen vermitteln ein uneinheitliches Bild. Der im Stasi-Bericht an erster Stelle kritisierte Mitarbeiter im Ministerbüro wurde nicht entlassen, sondern kurz darauf sogar befördert. In einem anderen Fall erschien wenige Wochen nach der Entlassungsinitiative der HA I, offenbar in Abwesenheit Hoffmanns, ein in Zivil gekleideter anonymer »Vertreter vom ZK« im Ministerium und ließ sich verschiedene Personalakten heraussuchen.76 Im Nachgang dazu bereitete NVA-Personalchef Pech eine allein von ihm unterschriebene Entlassungsverfügung vor. Soweit ersichtlich, nahm Hoffmann diese Entscheidung hin und sorgte für eine günstige Anschlussbeschäftigung außerhalb der NVA.77
Auch über das Versagen einer Reihe von Generälen bei der Übung »Quartett« informierte der HA I-Bericht vom 14. Oktober ausführlich und wiederholte passagenweise das zwei Tage zuvor intern Konstatierte. Auf Entlassungsforderungen verzichtete die Stasi, denn der eigentlich Schuldige war nach ihrer Darstellung der Minister. Insbesondere die Folgen extensiven Alkoholkonsums wurden drastisch beschrieben.78 Ein General habe sich betrunken neben seinen Stuhl gesetzt, ein anderer seine Kollegen auf dem Korridor nicht mehr erkannt. Manche Offiziere hätten sich mit falschem Dienstgrad angeredet, ohne es zu merken. Der sachlich berichtende GI »Wölfi« bestätigte wenige Wochen später: Bei »Quartett« seien vom Minister und einigen seiner (namentlich genannten) wichtigsten Generäle »fast täglich große Mengen Alkohol« konsumiert worden, »oftmals bis es nicht mehr ging«.79 Hatte ein Jahr zuvor der Spiegel nach einer Stabsübung berichtet, die Bundeswehr sei – aus militärischen Gründen – nur »bedingt abwehrbereit«,80 so kamen die Beobachter der Stasi aus ganz anderen zu einer ähnlichen Einschätzung der NVA.
Um den Jahreswechsel 1963/64 schien nach den Erkenntnissen des MfS die Ablösung des Verteidigungsministers unmittelbar bevorzustehen. Der IM »Kran«, der engen Kontakt zu Hoffmann hatte, meldete, dieser rechne bei der Kalkulation seiner Einkünfte im kommenden Jahr mit der Möglichkeit, dann nicht mehr Minister zu sein.81 Ein anderer IM setzte Anfang Januar die HA I davon in Kenntnis, dass in Strausberg, dem Sitz des Verteidigungsministeriums, das Gerücht umgehe, Hoffmann sei »nur noch nach dem Schein« im Amt. Die Geschäfte würde bereits sein Nachfolger, Admiral Waldemar Verner, führen.82 Auch Hoffmann glaubte, dass Verner auf sein Amt spekuliere und auf ihn aufpasse. Er werde sich deswegen Frauen gegenüber in Zukunft »zurückhalten«, hatte er »Karla Klaus« angekündigt.83 Auf einer gerade in Prora stattgefundenen Schulung für leitende Kader der NVA hatte er aber offenbar noch eine Ausnahme gemacht, denn GI »Wölfi« bat gleich danach die Leitung der HA I dringend um ein Gespräch. Die Atmosphäre unter den Generälen lasse sich nicht mehr mit Worten zum Ausdruck bringen. Es hätten sich »Saufgelage und moralische Verkommenheit« gejagt. Er und General Heinz Bernhard Zorn hätten sich gefragt, ob sie »unter solchen Bedingungen« noch weiterarbeiten könnten. Im Ministerium wirke ein »regelrechter Zersetzungsprozess« unter den leitenden Offizieren. Sie »liebten« Hoffmann und seien »traurig«, z. T. »empört«, dass die Partei »nicht stark genug« sei, »die Lage zu verändern«. Das Vertrauen zur SED stehe auf dem Spiel. Alle erwarteten »in dieser oder jener Form« eine »Explosion«.84
Gretschko als Hoffmanns Retter?
Die »Explosion« war aber offenbar zunächst abgewendet worden, denn in den Gesprächen mit den Generalskollegen hatte »Wölfi« erfahren, dass die Entlassung Hoffmanns »bereits beschlossen gewesen« sei, doch dann habe Marschall Gretschko »eingegriffen und seine Abberufung verhindert«.85 Ein Grund wurde nicht genannt. Die Vermutung liegt nahe, dass der Oberkommandierende aus außenpolitischen Gründen die nach dem gemeinsamen Manöver im September 1963 gerade noch hochgelobte NVA-Führung nicht desavouieren wollte. Zudem schätzten die Sowjets Hoffmanns Ergebenheit ihnen gegenüber und sahen vielleicht auch seine »Schwächen« weniger streng. Nun, so »Wölfi«, fühle sich Hoffmann »noch stärker«, sein Lebensstil sei »viel schlimmer« geworden.86
Diesen Eindruck vermittelten auch die Schilderungen anderer IM. Eine Zäsur in der kritischen Stasi-Berichterstattung über Hoffmann hatte der inoffizielle Hinweis auf die Gretschko-Intervention nicht bewirkt. Hoffmann blieb aus der Sicht der zuständigen Stasi-Offiziere ein – in den Informationen nie explizit so benanntes – staatliches Sicherheitsrisiko, auf das sie aufmerksam machen wollten. Schon ein quellenkritischer Blick auf die Formulierung ihrer eigenen Meldungen und der von ihnen ausgewählten IM-Berichte macht deutlich, dass sie als eigentlichen Adressaten die Parteiführung im Blick hatten, die sie zum Handeln animieren wollten. Zur argumentativen Taktik gehörte es, die Bevölkerung zu Wort kommen zu lassen. Zahlreiche IM hätten sich Anfang 1964 unaufgefordert an ihre Führungsoffiziere gewandt und das Verhalten des Ministers kritisiert.87 Als moralisch besonders verwerflich empfanden danach viele, dass Hoffmann nach seiner Scheidung mit einer noch sehr jungen Frau befreundet war, die, so das Gerücht, schwanger sei. In Strausberg werde er mit dem früheren britischen Heeresminister John Profumo und Franz Josef Strauß verglichen, die in den DDR-Medien zu Protagonisten westlich-dekadenter Lebensweise stilisiert worden waren.88 Ein MfS-Offizier meldete, in einer Strausberger Zeitung sei ein indirekt auf Hoffmann bezogener Artikel erschienen unter der Überschrift: »Kann man von Hoffmannstropfen schwanger werden?«89 In der Bevölkerung frage man sich, so der IM »Pflugschar« in seinem »Stimmungsbericht«, ob Mielke denn Ulbricht richtig informiere, denn der müsse doch »alles wissen«.90 Ein anderer IM berichtete von der Auskunft seiner SED-Kreisleitung, wonach Hoffmann bereits »vom Politbüro zur Verantwortung gezogen« worden sei.91 Erst Hoffmanns dritte Hochzeit, im August 1964, scheint das Interesse der Strausberger Mitbürger wie der Stasi an seinem Familienleben gedämpft zu haben. Die HA I ließ sich aber noch konspirativ vom Verlauf der Feier im eher kleinen Kreis berichten und informierte Minister Mielke über die Gäste und ihre Geschenke.92 Gut möglich, dass der den SED-Chef an seinem geheimen Wissen teilhaben ließ.
Am 9. März 1964 besuchte Marschall Gretschko die Leipziger Messe. Hoffmann betreute zusammen mit einigen seiner Generäle die sowjetische Delegation, die sich mittags wieder verabschiedete. Möglicherweise bekam der DDR-Verteidigungsminister bei dieser Gelegenheit offiziell bestätigt, dass und mit welchen Erwartungen der Oberkommandierende seine Entlassung verhindert hatte. Vielleicht war das sogar der Hauptzweck der Reise und die Messe nur ein Vorwand. Jedenfalls war Hoffmann, MfS-Berichten zufolge, nach der Abreise der »Freunde« in sehr gelöster Stimmung und schon nachmittags »ziemlich angetrunken«.93 Die routinemäßigen Dankesworte an das Begleitkommando der Volkspolizei habe Admiral Verner sprechen müssen, während er nur noch »Ich danke Euch auch!« dazwischengelallt habe. Hoffmann entschied sich kurzerhand, in Leipzig zu bleiben und den für den kommenden Vormittag geplanten Besuch sowjetischer Truppen in Magdeburg nicht selbst abzustatten. Er wollte feiern und beauftragte Verner, Mannequins zum Tanzen »ranzuholen«.94 Ein offenbar mit den Usancen seiner Chefs noch nicht vertrauter NVA-Oberst äußerte sich gegenüber dem IM äußerst kritisch über die Situation an der Spitze des Ministeriums und befand, entweder der Minister ändere sich, oder es werde »bald mal einen ›Knall‹« geben.95 Entsetzt hatte ihn vermutlich u. a., dass Hoffmann »in betrunkenem Zustand« eine als Bedienung eingesetzte Soldatin spontan und in Anwesenheit seiner Offiziere als vom Unteroffizier zum Stabsfeldwebel befördert erklärt hatte.96 Die Entscheidung stieß in der Truppe auf Unverständnis und Kritik, auch die ZPKK sei eingeschaltet worden und habe den Minister befragt. Der habe angegeben, lediglich »erwähnt« zu haben, dass man die Leistung der Frau auf diese Weise »prämieren« könne.97 Der Chef des zuständigen Militärbezirks, Generalmajor Hans Ernst, dazu: Wenn der Minister ihm gegenüber einen Wunsch oder eine Empfehlung äußere, dann sei das für ihn ein Befehl, den er auszuführen habe. Eine politisch korrekte Antwort. Die Beförderung behielt Bestand: Die DDR war kein Rechtsstaat und sollte auch keiner sein. Das kodifizierte Recht stand unter dem Vorbehalt des Politischen.98 Was die Partei, genauer ihre führenden Vertreter, entschieden, hatte Vorrang vor allen Gesetzen und dienstlichen Bestimmungen. Eine Verwaltungsgerichtsbarkeit oder unabhängige Medien, die das hätten verhindern können, gab es in der DDR nicht, und die Westmedien, die manchmal eine Stellvertreterfunktion übernahmen, hatten offenbar nichts erfahren. Gerade das MfS setzte sich im vermeintlichen Parteiinteresse täglich über formales Recht hinweg. Hier aber gewinnt man den Eindruck, die HA I-Offiziere empörte es, dass Hoffmann sich ähnlich verhalten hatte.
Fortdauernde Alkoholexzesse wie der nach dem Besuch Gretschkos sorgten für neuen Berichtsstoff und ließen die Akte Hoffmann weiter wachsen. Drastisch sind oft die Schilderungen von grölenden und völlig betrunkenen Offizieren, die sich am Ende einer Übung wie »randalierende Halbstarke« benommen hätten, oder einem General, der betrunken auf dem Teppich liegen geblieben sei, so die Darstellung eines IM zum Abschluss einer Kommandostabsübung am 20. März 1964 in Leipzig.99 Eine zentrale Rolle in der Planung solcher Übungen spielte immer die Anwesenheit ausgesuchter Soldatinnen oder Unterhaltungskünstlerinnen, die auf Geheiß des Ministers, zuweilen über große Entfernungen, geholt werden mussten. Es spielten sich, nach den Berichten zu urteilen, manchmal entwürdigende Szenen ab. So während einer Stabsübung, die vom 23. bis zum 26. Juni 1964 im Sonderzug der NVA stattfand. Dort sei eine »regelrechte Orgie« veranstaltet worden, meldete ein IM. Die Frauen seien systematisch unter Alkohol gesetzt, »unmöglich betastet, abgeknutscht und [ihnen] teilweise die Kleider zerrissen« worden. Die »Männer« seien »geil wie ein paar gehörnte Böcke« gewesen.100
Es konnte unter diesen Umständen nicht überraschen, dass erneut das Gerücht aufkam, Hoffmann sei als Minister abgelöst worden. Sein Nachfolger, so hieß es jetzt, werde Generalleutnant Heinz Keßler sein.101 Der vermeintliche Hoffmann-Fürsprecher Gretschko ging bei seinem DDR-Besuch im Januar 1965 deutlich auf Distanz. Nach einem von der NVA-Führung ausgerichteten Essen im Gästehaus in Wilkendorf wollte der DDR-Verteidigungsminister, wie üblich, zum geselligen Beisammensein übergehen und forderte die Ehefrau von Armeegeneral Iwan Jakubowski, Chef der sowjetischen Truppen in der DDR, zum Tanz auf. Frau Hoffmann lud Gretschko ein. Der aber habe abgelehnt. Kurz darauf hätten sich die sowjetischen Gäste verabschiedet, der Marschall habe sich in seine Schlafräume zurückgezogen. Im Gegensatz zu früheren Treffen dieser Art, das sei allgemein aufgefallen, habe keine aufgeschlossene, sondern gedrückte Stimmung geherrscht. Schon zu Beginn habe Gretschko seinen Toast ohne die sonst für ihn typische Begeisterung ausgebracht. Hoffmann ließ die Feier abbrechen, damit der Marschall nicht gestört werde.102
Hinweise auf die Ursachen des Eklats gibt es nicht. Eine plausibel scheinende Deutung bietet sich gleichwohl an: Vielleicht hatte Gretschko Hoffmann bei seinem Leipzig-Besuch im März 1964 mitgeteilt, er werde zwar nicht abgelöst, müsse seine Leitungspraxis aber nachhaltig ändern, was dieser aber in den zurückliegenden Monaten nicht getan hatte. Ein Vertrauensmissbrauch, den Gretschko Hoffmann persönlich übel genommen haben könnte. Auch die sowjetischen »Freunde«, die in allen wichtigen Hauptabteilungen des MfS mit eigenen Verbindungsoffizieren vertreten waren, könnten dem Marschall Hoffmanns Verhalten detailliert beschrieben haben.
Nach dem Sturm
Die ersten Jahre nach dem Bau der Mauer waren für die DDR eine Periode der Konsolidierung. Ihr politisches, wirtschaftliches und militärisches Gewicht im Bündnissystem nahm deutlich zu. Nicht nur im Westen galt sie bald als wichtigster Verbündeter der Sowjetunion, als deren Musterschüler. Davon profitierte indirekt auch Hoffmann. Nachdem er der Absetzung entgangen war, gehörte er jetzt zu den wichtigsten Repräsentanten der DDR, von denen die Bevölkerung nahezu täglich in der Parteipresse lesen konnte. Dass auch der Sicherheitsdienst inzwischen zur Armeestärke angewachsen war, hatte Staatsgeheimnis zu bleiben. Mielke agierte im Verborgenen. In der Akte Hoffmann sind nur wenige direkte Kontakte zwischen beiden Ministern dokumentiert. Ein Gespräch fand Anfang Juli 1966 kurz vor einer Konferenz des Politischen Beratenden Ausschusses des Warschauer Pakts in Bukarest statt, über das der IM »Birnbaum«103 kurz berichtete. Mielke habe Hoffmann angerufen, der ihn mit der Frage begrüßte: »Erich, fährst du nicht mit nach Bukarest, wir wollen wieder einen Tüchtigen draufmachen«.104 Darauf Admiral Verner mit beschwichtigender Handbewegung: »Ruhig sein, Heinz, du weißt wohl nicht, wer am Telefon ist.« Hoffmanns Offerte war möglicherweise »vergiftet«, denn er könnte gewusst haben, dass die Staatssicherheitschefs nicht eingeladen waren. Folgt man der Berichterstattung im Neuen Deutschland, dann nahmen aus der DDR teil: Ulbricht, Stoph, Honecker, Hermann Axen, Gerhard Weiss, Otto Winzer und Hoffmann, der nun auch auf internationalem Parkett für die DDR präsent war.105 Es zeigt den schon paranoid anmutenden Kontrolleifer der politischen Geheimpolizei, aber wohl mehr noch ihr Interesse, wenigstens inoffiziell auf der Konferenz vertreten zu sein, dass sich die HA I von IM »Birnbaum«, der vermutlich zu Hoffmanns Bukarester Arbeitsstab gehörte, über den Verlauf informieren ließ. Dieser sollte offenbar zugleich im Auge behalten, wie sich sein Chef aufführte. Zu berichten hatte er fast nichts: Hoffmann war, so scheint es, mal wieder seiner Schwäche für schöne Frauen erlegen: Eine der Konferenz-Ärztinnen, die schon seine Bekanntschaft gemacht hatte und die er hatte rufen lassen, kündigte an, sein Zimmer nur in Anwesenheit einer dritten Person zu betreten.106
IM-Berichte wie dieser verdeutlichen, dass die Stasi immer noch Material sammelte, das sich vielleicht einmal gegen Hoffmann verwenden ließ. Im Mittelpunkt standen jetzt weniger dienstliche Verfehlungen als charakterliche. Schwer kalkulierbar blieb dabei, wie viel autokratische Willkür einem Leitungskader wie Hoffmann, gleichsam nach sowjetischem Vorbild, zuzugestehen, welche Verstöße aber so krass waren, dass sich die SED-Spitze wie die sowjetischen »Freunde« zum Handeln gezwungen fühlen würden, wenn ihnen das gesammelte Wissen des MfS bei passender Gelegenheit en bloc präsentiert würde. Die von Ulbricht verkündeten »Zehn Gebote der sozialistischen Moral« ließen vermuten, dass seine Toleranzschwelle niedrig war.107
Setzt man die vielen Einzelinformationen zu Hoffmann, die der Staatssicherheitsdienst in diesen Jahren sammelte, zu einem Mosaik zusammen, so entsteht das Bild eines Menschen, dessen Verhalten stark von westlicher Lebensweise bestimmt war. Vor einem längeren Kuraufenthalt im Kreise seiner Familie in Naumburg ließ er sich dort eine Wohnung komplett neu einrichten und bestand, wie auch bei anderer Gelegenheit, auf einwandfreiem Empfang des West-Fernsehens.108 Auf einer dienstlichen Veranstaltung des Ministeriums sei »wild Twist getanzt« worden, hatte »Wölfi« gemeldet.109 Ein anderer IM wusste, dass bei Feiern im Hause Hoffmann bevorzugt westliche Rockmusik lief und konnte auch angeben, welche Generäle »mitgerockt« hatten.110 Auf Unverständnis stieß in der Truppe, dass er einem seiner Söhne einen amerikanischen Vornamen gegeben hatte,111 und ein modebewusster IM wollte entdeckt haben, dass der Minister sich die – in der NVA verpönte – Rundschnitt-Frisur hatte schneiden lassen.112
Besonders angetan hatte es Hoffmann westliche Wohnkultur. Über die eigene Abteilung für Westspionage der NVA, die Verwaltung Aufklärung, konnte er sich auch für private Zwecke gezielt Westwaren beschaffen, etwa Jagdmunition oder edle Geschenkartikel – aber auch ordinäre Bücher über den Bau von Häusern. Von seinen Pionieren ließ er sich nach solchen Plänen ein eigenes errichten. Die Stasi rechnete mit spitzem Bleistift nach und ermittelte einen Wertumfang von über 400 000 DDR-Mark – ein Betrag, der aber nicht offen kritisiert werden konnte, denn das Haus in Bad Saarow galt offiziell als Anbau an ein Dienstgebäude der NVA.113
Hoffmann schätzte seine eigene Westverbindung über die Verwaltung Aufklärung und nutzte sie häufig. Er ließ auf diesem Weg immer wieder DM-Beträge, letztlich wohl aus dem Etat seiner Operativgelder, unter fiktiven Absenderangaben an seine Mutter in Mannheim überweisen. Der Minister ahnte offenbar nicht, dass die Stasi über diese Aktionen bestens informiert war, denn viele seiner Aufklärungs-Offiziere waren zugleich Mitarbeiter des MfS.114 In anderen Fällen war er misstrauischer und hatte einen Weg gefunden, Telegramme nach Mannheim so zu verschicken, dass die Stasi auch nachträglich nichts vom Inhalt erfuhr:115 Szenen der verdeckten Auseinandersetzung zwischen Mielke und Hoffmann. Intervenieren konnte die Staatssicherheit in solchen Fällen gleichwohl nicht, denn dann hätte sie ihre geheimen Quellen im Verteidigungsministerium preisgegeben. Von den Briefen der Mutter hatte die Stasi häufiger Fotokopien angefertigt und in die Akte integriert:116 Anfragen einer Frau, die sich sorgte, wie es ihrem Sohn und seiner Familie ging – ohne jede Relevanz für die Sicherheit der DDR. Gleichwohl hatte sich das MfS bemüht, über einen IM und eine Westreisende Informationen über seine westdeutschen Verwandten zu erhalten, aber keine nennenswerten Erkenntnisse gewonnen.117
Zahlreich sind die Fälle, in denen die Stasi die freihändige Vergabe von Prämien, Ferienplätzen oder gar Wohnungen durch den Minister festhielt. Seine Großzügigkeit, so der – offenbar begründete – Argwohn der MfS-Offiziere, gehe letztlich auf Kosten des Staates. Einen fachlich ausgewiesenen Soldaten habe er beauftragt, einem seiner Kinder Nachhilfeunterricht in Mathematik zu erteilen, und sich mit einer ansehnlichen Geldprämie »Für ausgezeichnete Ergebnisse im Rahmen der Gefechtsausbildung« bedankt.118 Hoffmanns Mutter musste feststellen, dass selbst per Einschreiben aufgegebene Pakete bei ihrem Sohn nicht angekommen waren: Alltag im innerdeutschen Postverkehr.119 Mit familiären Marginalien wie dieser endet die Akte Hoffmann 1971.
Resümierende und weiterführende Überlegungen
Die Stasi-Akte zu Heinz Hoffmann enthält eine Fülle von neuen, oft überraschenden Informationen, die sich aus sonstigen Überlieferungen und zu anderen SED-Führungsmitgliedern in dieser Prägnanz und Detailliertheit nicht gewinnen ließen. Sie vermitteln ein weitaus differenzierteres Persönlichkeitsbild vom früheren DDR-Verteidigungsminister, geben Einblick in den Dienstalltag, aber auch in die private Lebensweise eines der führenden SED-Politiker. Sie fördern zuweilen Widersprüchliches zutage und lassen den Leser im Ungewissen, ob eher das bisher über Hoffmann (vermeintlich) Gewusste oder das von der politischen Geheimpolizei Beobachtete zutreffend ist.120 War er der raue, aber warmherzige Stalinist oder der fachlich und charakterlich nicht geeignete Minister, der vor allem dank seiner mustergültigen Biografie und sowjetischer Protektion hatte Karriere machen können? Beides, so scheint es, trifft zu. Die MfS-Informationen erweitern den Kenntnisstand, indem sie den Minister aus unmittelbarer Nähe beschreiben, ihn häufig in Aktion zeigen und so ein nuancenreiches, farbiges Charakterbild entstehen lassen. Eine um Realitätsnähe bemühte, fundierte Antwort auf die Frage »Wer war Heinz Hoffmann?« steht freilich noch aus und müsste sich auf eine noch breitere Quellenbasis, etwa auch auf Zeitzeugeninterviews, und, im Idealfall, auch auf sowjetische Quellen stützen. Was die Stasi im Laufe der Jahre festhielt, ermöglicht aber einen kolossalen Erkenntnisgewinn und ist als Glücksfall für die weitere Forschung anzusehen.
Quellenkritisch zu bedenken bleibt, dass das MfS eine interessegeleitete eigene Auswahl dessen traf, was berichtet wurde, und sich auf das konzentrierte, was nach ihrer Einschätzung die Sicherheit des Staates beeinträchtigte und eventuell auch für die innerparteiliche Verwendung wichtig hätte sein können. Unbeachtet blieb, wenn der NVA-Chef seinen dienstlichen Verpflichtungen voll entsprach, vielleicht sogar Leitungsentscheidungen traf, die sich als mutig und weitsichtig erwiesen.121 Für die Geschichte der Volksarmee sind die Stasi-Unterlagen zu Hoffmann folglich nur ein – allerdings analytisch anregendes und historiografisch aufschlussreiches – Quellensegment.
Um das über Hoffmann Berichtete zu beurteilen, scheint es unerlässlich, sich Besonderheiten seiner Biografie zu vergegenwärtigen. Manche der von den IM beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten, gerade gegenüber Frauen, sind auch vor diesem Hintergrund zu sehen, damit aber nicht erklärt oder gar entschuldigt: Als Kind weithin vaterlos aufgewachsen, bedeutete ihm seine Mutter besonders viel. Seiner Bitte, in die DDR überzusiedeln, war die Kommunistin aus Altersgründen nicht gefolgt.122 Bis zu ihrem Tod hielt er Kontakt und lud sie, wie man in den MfS-Unterlagen nachlesen kann, zu Fahrten in seiner Dienstlimousine durch die DDR oder als Gast zum SED-Parteitag ein.123 Hoffmann schätzte und suchte familiäre Geborgenheit und wird sie besonders vermisst haben, als er früh, weithin auf sich allein gestellt, in die Sowjetunion emigrierte, ein Land, dessen Sprache er anfangs nicht beherrschte. Wie seine autobiografische Schilderung deutlich erkennen lässt, wäre er nach dem Kriege lieber in das vertraute, gesellige Mannheim als in das fremde, unpersönliche Berlin zurückgekehrt und beugte sich nur widerwillig dem Parteibefehl.124
Geradezu als Affront empfand er es, wenn jemand den Kreis seiner engeren Mitarbeiter verlassen wollte.125 Die Methoden, mit denen er die Zuwendung von Frauen zu erreichen versuchte und Besitzansprüche artikulierte, waren oft drastisch.126 Andererseits sorgte der Minister umsichtig für seine Mitarbeiter-»Familie« und unterstützte sie, unabhängig vom Dienstgrad, nach Kräften. Dass mancher seiner Vertrauten der Stasi heimlich Negatives über ihn berichtete, hätte ihn menschlich sicher sehr enttäuscht.
Die Berichte ermöglichen, mit historischem Interesse gelesen, überraschende Antworten auf Fragen zur Sozialgeschichte der SED, etwa darauf, wie ideologisch linientreu sich einer der vermeintlich Linientreuesten verhielt, und wecken den (vergeblichen) Wunsch, Entsprechendes über andere DDR-Spitzenpolitiker zu erfahren. Verallgemeinern darf man das über Hoffmann Notierte gleichwohl nicht. Zu speziell ist sein Lebensweg vom Mannheimer Schlosser zum Mitglied des obersten politischen Führungszirkels in der DDR, zu eigenwillig sein Charakter. Geprägt hatten ihn vor allem die Jahre in der von ihm bewunderten, von Stalin mit diktatorischer Härte geführten Sowjetunion und sein Einsatz im Spanischen Bürgerkrieg, den er nur mit viel Glück überlebte. Hoffmann war ein Stalin-Anhänger,127 der sich seine stillen Sympathien für den Diktator auch nach dem XX. Parteitag bewahrte. Das verband ihn mit manch anderem in der SED-Führung, auch mit Erich Mielke.
Seine makellose politische Biografie erzeugte bei ihm Überlegenheitsgefühle auch gegenüber Spitzenfunktionären wie Mielke und Stoph, deren Verhalten in den Jahren der NS-Herrschaft phasenweise unklar geblieben war. Ganz zu schweigen von früheren Sozialdemokraten wie Otto Grotewohl, dessen Kritik Hoffmann demonstrativ ignorierte.128 Nach dem Krieg arbeitete er für die einflussreichsten KPD-Vertreter: Pieck und Ulbricht. Zu verdanken hatte er seinen Aufstieg in der DDR aber primär sowjetischer Unterstützung. Von der Führungsmacht im Osten waren alle politisch Verantwortlichen in der DDR abhängig, Hoffmann aber blieb ihr besonders verbunden, weil er als NVA-Chef direkt unter ihrem Oberkommando stand, befehligte sie doch den Warschauer Pakt.
Augenfällig wird in der Stasi-Akte zu Hoffmann die symbiotische Beziehung zweier sich mitunter misstrauisch begegnender Machtapparate, der Staatssicherheit und der Armee. Gerade die Missstände, die die MfS-Mitarbeiter im Zuständigkeitsbereich Hoffmanns aufgedeckt hatten, werden Mielke in seiner Überzeugung bestärkt haben, kein »Organ in der DDR« sei so kompetent wie sein Ministerium, die Partei darüber zu informieren, »wo und mit welchen Methoden« im Staatsapparat »angepackt« werden müsse, um akute Defizite zu beseitigen: die Stasi als legitimierter »Generalkontrollbeauftragter« – ein Ansinnen, das die SED-Führung Anfang der Sechzigerjahre noch zurückgewiesen hatte.129
Bedingt durch die Omnipräsenz der Stasi in der NVA handelt es sich bei den hier ausgewerteten Unterlagen oft um Berichte von Insidern, die im Spannungsfeld einer doppelten Loyalität agierten und sich dem Sicherheits- wie dem Verteidigungsminister verpflichtet fühlten. Die meisten dieser Mitbeteiligten haben sich zu Lebzeiten nicht oder nur sporadisch und parteilich durchfärbt über ihre gemeinsamen Jahre mit Hoffmann in der NVA geäußert.130 Die in den Stasi-Unterlagen überlieferten Berichte geben wenigstens hier und da ihre zeitgenössischen Sichtweisen wieder und veranlassen vielleicht den einen oder anderen der noch Lebenden, nachträglich über weit Zurückliegendes Auskunft zu geben und das von der Stasi Festgehaltene einzelfallbezogen zu kommentieren und zu ergänzen.
Die langjährige Berichterstattung über Hoffmann ist einer der seltenen Fälle, in denen sich das Mielke-Ministerium als heimlicher Kontrolleur eines hochrangigen Parteimitgliedes präsentiert.131 Das dokumentierte Vorgehen gegen ihn, aber auch das Verhalten der Parteiorgane in konkreten Konfliktsituationen kann zugleich als Basismaterial für Fallstudien zum Verhältnis MfS – SED analysiert werden.132 Signifikant ist schon der Beginn der konspirativen Sammelaktion. Nach Aktenlage handelte die Stasi im Zuge routinemäßiger, eigenverantwortlicher »Sicherung« der KVP, nicht aufgrund einer Weisung Ulbrichts, nicht als vom starken Arm der SED geführtes »Schild und Schwert«. Dass ihre Offiziere auch berechtigt waren, Erkundungen anzustellen, wie es an der Spitze des von ZK-Mitglied Hoffmann geleiteten Verteidigungsministeriums zuging, daran hatten sie offenbar keinen Zweifel und konnten sich zudem darauf verlassen, dass die Partei in der Regel nicht im Einzelnen wissen, gar kontrollieren wollte, wie ihre Geheimpolizei arbeitete. Das MfS kompensierte dabei ein Stück weit, dass die SED nur über einen unzulänglichen eigenen Kontrollapparat verfügte und ihr der Gedanke an eine leistungsorientierte Personalpolitik gegenüber Spitzenfunktionären fernlag: Wem ein hohes Amt übertragen worden war, hatte gute Aussichten, es bis zu seinem Tod zu behalten. Auch der Fall Hoffmann belegt das. Wären die Offiziere der HA I nicht gewesen, er hätte vermutlich nicht schon nach wenigen Jahren um seinen Posten bangen müssen.
Die Stasi war eine Informationselite in der Machtelite »Partei«. Sie verfügte über ein so breites innenpolitisch relevantes Herrschaftswissen wie keine andere Stelle in Partei und Staat und war für den SED-Chef, auch für den Erhalt seiner innerparteilichen Macht, ein wichtiger Informant und Partner. Im Herrschaftsalltag war Ulbricht umgekehrt einziger Vorgesetzter des Sicherheitsministers, auch wenn das aus den Statuten nicht so hervorging. Dieser wurde aufgrund seines Informationsstands zum potenziell gefährlichsten Kontrahenten des Parteichefs, wenn ein Führungswechsel bevorstand. Doch Mielke war kein deutscher Andropov. Es fehlte ihm nachgerade an allem, um aus seinem Informationsvorsprung in den Jahren des Niedergangs der SED-Herrschaft machtpolitisches Kapital zu schlagen und Reformimpulse zu setzen. Auch für die Partei war er kein Hoffnungsträger, er personifizierte geradezu die Erstarrung des DDR-Sozialismus.133
Dass Mielke im Oktober 1989 bei der Absetzung Honeckers im Politbüro mit seinem Wissen gedroht, konkrete Aussagen aber schuldig geblieben war,134 gehörte zu seinen eklatanten Versäumnissen. Schon allein die vom MfS kontinuierlich angefertigten, zumeist aber nicht weitergeleiteten Stimmungsberichte gaben beredte Auskunft über die wachsende Unzufriedenheit im Lande aufgrund der desaströsen wirtschaftlichen Entwicklung und über das Entsetzen auch vieler Genossen in Anbetracht der Handlungsunfähigkeit ihrer Führung. Gerade in den letzten Jahren der DDR richtete die Stasi den Fokus ihrer Berichterstattung häufig zugleich auf den Zustand der Partei135 und wirkt deshalb auf den heutigen Leser zuweilen wie eine interne Kontrollkommission ohne offiziellen Auftrag.
Nützlichen Erkenntnisgewinn verspräche es im Lichte des in der Akte Hoffmann Dokumentierten generell, zu analysieren, inwieweit das Handeln der Staatssicherheit von machtpolitischem Eigeninteresse bestimmt war und wo sie als bloßes Ausführungsorgan der Partei agierte. Schon eine von der Forschung bisher nicht beachtete Äußerlichkeit lässt es geraten erscheinen, dies näher zu untersuchen: Auf allen Parteitagen würdigte der SED-Chef in seinem Rechenschaftsbericht auch die Arbeit der Genossen von der Staatssicherheit, deren steten Kampf gegen die »Feinde des Sozialismus«. Gleiches gilt für seine jährlichen Grußadressen zum MfS-Gründungstag. Doch nie charakterisierte er sie dabei als »Schild und Schwert« der Partei. Die beiden wichtigsten Sicherheitsverantwortlichen der letzten Jahre, Honecker und Krenz, traten nach dem Ende der DDR sogar mit einem Fundamentaldementi dieser vom MfS geprägten Formel an die Öffentlichkeit und beschrieben es unisono als »Staat im Staate«.136 Beide gaben an, noch nicht einmal die genaue Zahl der Mitarbeiter gekannt zu haben. Leicht durchschaubare Apologetik. Wie wichtig dieses Ministerium für den Erhalt der SED-Herrschaft war, hatte Honecker wöchentlich durch seine Vieraugengespräche mit Mielke anerkannt, und jeder DDR-Bürger wusste, dass seine Auflösung die Existenz des Staates gefährdet hätte. Vermeiden wollte die SED-Spitze aber offenbar den Hinweis an die Bevölkerung, immer, wenn es in der Telefonleitung verdächtig knackte oder ein Brief nicht ankam, habe die Partei agiert. Sie bekannte sich nicht offensiv zu den Arbeitsmethoden ihrer »Tschekisten«. Die waren, so scheint es, innerparteilich respektiert, aber nicht geschätzt. Zu Honeckers Freundeskreis gehörte Mielke nicht.137
Dieser hatte 1992 den Vorwurf, sein Ministerium sei Staat im Staate gewesen, mit dem viel zitierten Hinweis gekontert, die MfS-Offiziere hätten vergeblich versucht, die Handlungsunfähigkeit der Parteiführung zu kompensieren und zu retten, was dann doch nicht mehr zu retten war: den DDR-Sozialismus. Mielke am 31. August 1992 im Spiegel-Interview in der Haftanstalt Berlin-Moabit: »Staatssicherheit, Staatssicherheit! Was glauben Sie, mit welchen Nebensächlichkeiten wir uns befassen mussten? Wenn etwas in der Versorgung nicht funktionierte, wenn es zum Beispiel in einem Krankenhaus durchs Dach regnete, Jahr für Jahr, dann hat man uns bemüht. Und wir haben versucht abzuhelfen. Obwohl wir gar nicht zuständig waren. Wir konnten doch nicht zusehen, wenn die anderen sich um nichts kümmerten. Wir waren die Mädchen für alles, so, wie wir jetzt für alles die Prügelknaben sind.«138
Die Akte Hoffmann enthält informative Beispiele nicht nur für das Versagen der Staats-, sondern auch der verantwortlichen Parteiorgane. Sie illustrieren anschaulich Mielkes Aussagen gegenüber dem Spiegel und zeigen die Stasi als Institution, die aufmerksam beobachtete, wo der Parteiapparat seinen Verpflichtungen nicht nachkam und sich das MfS im Einzelfall bereithalten musste, notfalls selbst einzugreifen: Die zu Kontrollierenden warfen einen kontrollierenden Seitenblick auf ihre Kontrolleure – und waren bisweilen entsetzt.
Zu pauschal erscheint in diesem Licht die vorherrschende wissenschaftliche Wahrnehmung des DDR-Staatsapparates als bloßes »Instrument« der Partei. Die SED hatte sich einen unumschränkten Führungsanspruch in die Verfassung geschrieben. Die Aufzeichnungen der Stasi aber, insbesondere jene zur Lage und Stimmung im Lande, zeigen, dass sie ihm oft nicht gerecht wurde. Selbst Honecker handelte den eigenen ideologischen Vorgaben zuwider, wenn er seine Reise in die Bundesrepublik 1987 eher als Besuch bei Freunden, denn als Expedition ins feindliche kapitalistische Ausland erscheinen und vom DDR-Fernsehen direkt übertragen ließ. Zentrale Probleme im eigenen Land, wie das Anschwellen der Ausreisebewegung, ignorierte er hartnäckig und überließ es den Sicherheitsorganen, damit umzugehen. Die Ökonomieverantwortlichen im Politbüro fanden kein Rezept, der Funktionsmängel in der DDR-Wirtschaft Herr zu werden, und vertrauten auf das Improvisationstalent der Genossen vor Ort.
Drei in der Akte Hoffmann dokumentierte Beispiele aus dem Beziehungsalltag zwischen Partei und MfS mögen die Führungsdefizite der SED exemplarisch verdeutlichen:
1. An der von Alkoholexzessen begleiteten Schulung von Führungskadern des Verteidigungsministeriums im Februar 1964 in Prora nahmen auch zwei leitende Vertreter der »Kontrollabteilung« des Nationalen Verteidigungsrates teil, qua Funktion die Aufseher der SED über NVA und MfS. Doch »Wölfi« meldete, beide seien »ebenfalls sehr stark betrunken« gewesen, einer »volltrunken«; er habe »fast nicht mehr stehen« können.139
2. In der Nacht vom 3. auf den 4. September 1966 ereignete sich an der Berliner Mauer ein schwerer Zwischenfall. Grenzsoldaten gaben nach MfS-Recherchen 171 Schuss auf einen Flüchtenden ab, der aber noch aus eigener Kraft West-Berlin erreichen konnte. Der Ost-Berliner Stadtkommandant, Generalmajor Helmut Poppe, verfasste eine Pressemitteilung und beauftragte seinen Stellvertreter, sie vorab seinem Vorgesetzten, dem Verteidigungsminister, zur Mitzeichnung vorzulegen.140 Im Ministerium wurde mitgeteilt, Hoffmann sei in seiner Wohnung zu erreichen. Der Posten vor der Tür bestätigte, dass er sich dort aufhalte. Er reagierte aber weder auf Klopfen noch auf Telefonanrufe. Der Emissär fuhr daraufhin zum Chef der Abteilung Sicherheit des ZK, Walter Borning. Der sagte zu, die Erklärung zu unterschreiben, bestand aber darauf, mit dem Boten vorab eine Flasche Wodka zu leeren und habe sich danach in einem »stark angetrunkenen Zustand« befunden. Wäre auch Borning nicht mitzeichnungsfähig gewesen, hätte wahrscheinlich die HA I nach einem Ausweg suchen müssen.
3. Im April 1968 fand eine gemeinsame Übung der für den Verteidigungsfall vorgesehenen Bezirkseinsatzleitungen Potsdam und Magdeburg statt. Bei der Entgegennahme der Meldungen der beiden SED-Bezirkssekretäre kam es zum Streit zwischen Politbüromitglied Gerhard Grüneberg (KPD/SED) und Hoffmann. Nach dem IM-Bericht waren beide angetrunken.141 Der Verteidigungsminister bestand darauf, Leiter der Übung zu sein, ihm müsse gemeldet werden. Er genoss es offenbar, in dieser Funktion auch weisungsbefugt gegenüber den Vertretern der Staatssicherheit zu sein und ließ sie spüren, dass es im »Ernstfall« auf die Armee, nicht die politische Polizei ankomme. Den Chef der MfS-Bezirksverwaltung (BV) Potsdam fragte er mit ironischem Unterton, wie viele »Agenten« er verhaftet habe und brachte ihn damit in Verlegenheit. Hoffmann insistierte: Ob er nicht wisse, wer er sei, ihm habe er »alles zu melden«. Erst nach einiger Zeit nannte die BV Potsdam die offenbar frei erfundene Zahl von 2500 Personen. Die BV Magdeburg kam auf 900. Grüneberg habe gestutzt und gefragt, ob es bei der gerade stattgefundenen Volksabstimmung über die neue DDR-Verfassung in Magdeburg keine Nein-Stimmen gegeben habe und suggerierte damit, die sechs Prozent, die im DDR-Durchschnitt nicht positiv gestimmt hatten, würden vom MfS den »Agenten« zugerechnet werden. Da schaltete sich Mielkes Stellvertreter, Generalmajor Alfred Scholz, in die Debatte ein und belehrte das Politbüromitglied, das MfS arbeite nur auf der Grundlage der DDR-Gesetze und würde nicht »auf Verdacht hin« Menschen festnehmen. Die Stasi-Vertreter dürften den Eindruck gewonnen haben, selbst in der Parteiführung bringe man ihnen und ihrer Tätigkeit nicht die gebührende Wertschätzung entgegen.
1 Zu verweisen ist insbesondere auf den Beitrag des früheren Direktors des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR, Paul Heider: Heinz Hoffmann – Parteifunktionär, Armeegeneral und Verteidigungsminister, in: Hans Ehlert/Armin Wagner (Hg.): Genosse General! Die Militärelite der DDR in biografischen Skizzen, Berlin 2003, S. 241–278. Heider wertete umfassend die gedruckten Quellen, aber auch die mittlerweile im Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg aufbewahrten, 1985 aufgezeichneten autobiografischen Aus-
künfte Hoffmanns aus.
2 Heinz Hoffmann: Mannheim – Madrid – Moskau. Erlebtes aus drei Jahrzehnten, Berlin [Ost] 1981 und ders.: Moskau – Berlin. Erinnerungen an Freunde, Kampfgenossen und Zeitumstände, Berlin [Ost] 1989 (posthum veröffentlicht). Beide Veröffentlichungen waren vorab dem Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED eingereicht worden und folgten bei der Beurteilung historischer Sachverhalte den Linien der parteioffiziellen Geschichtsschreibung. Die Schilderungen im zweiten Band beschränken sich auf die Jahre 1941 bis 1955.
3 Zahlreiche biografische Lexika (auch der DDR) geben an, dass er bereits 1952 in das ZK aufgenommen wurde. Das ist nicht korrekt, siehe Hoffmann: Moskau – Berlin (Anm. 2), S. 343.
4 Siehe den in Kooperation mit der Stiftung Aufarbeitung entstandenen ARD-Dokumentarfilm »Geheim-
sache Mauer. Die Geschichte einer deutschen Grenze«, gesendet am 2. August 2011, 22.45 Uhr und: Siegfried Suckut: Ein Mannheimer gilt als Vater des Schießbefehls an der DDR-Grenze, in: Mannheimer Morgen vom 28. November 2010, S. 3. Zum Wortlaut des am 6. Oktober 1961 von Hoffmann erlassenen Schießbefehls siehe Peter Przybylski: Tatort Politbüro. Die Akte Honecker, Berlin 1991, S. 394–397.
5 Im Festvortrag im Rahmen seiner Ehrenpromotion an der Parteihochschule »Karl Marx« am 1. Dezember 1975 stellte er zu einem möglichen Krieg zwischen NATO und Warschauer Pakt klar: »Bei allem Leid, das in diesem letzten und entscheidenden Konflikt zwischen Fortschritt und Reaktion über die Völker käme, vor allem in den kapitalistischen Ländern – es wäre von unserer Seite ein gerechter Krieg. Wir teilen die Auffassung also nicht, die selbst fortschrittliche Menschen in der Friedensbewegung vertreten, im Atomzeitalter sei ein gerechter Krieg nicht mehr möglich, und der Raketenkernwaffenkrieg wäre auch keine Fortsetzung der Politik der kämpfenden Klasse mehr, sondern nur noch atomares Inferno, Weltuntergang.« Heinz Hoffmann: Sozialistische Landesverteidigung. Aus Reden und Aufsätzen 1974 bis 1978, Berlin 1979, S. 221.
6 Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Zentralarchiv, Bestand Ministerium für Staatssicherheit (im Folgenden:
BStU, MfS), GH 30/72, Bd. 1-3. Die Abkürzung GH steht für eine Akte, die einer besonderen Geheimhaltungsstufe unterlag, siehe Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis. Häufig verwendete Abkürzungen und Begriffe des Ministeriums für Staatssicherheit, 2. erw. Aufl., Berlin 1996, S. 35. Der Verfasser dankt seiner früheren Kollegin Gudrun Weber, Rechercheurin in der Abteilung Bildung und Forschung der Behörde des Bundesbeauftragten, ihn vor langer Zeit auf diese Akte hingewiesen zu haben. Der Verfasser hat sie während seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter dort auswerten, die Ergebnisse aber vor seinem Ausscheiden nicht mehr abschließend formulieren und veröffentlichen können. Das geschieht an dieser Stelle.
7 Siehe Walter Süß: »Schild und Schwert« – Das Ministerium für Staatssicherheit und die SED, in: Klaus-Dietmar Henke/Roger Engelmann (Hg.): Aktenlage. Die Bedeutung der Unterlagen des Staats-
sicherheitsdienstes für die Zeitgeschichtsforschung, Berlin 1995, S. 83–97, insbesondere S. 85. Die fortdauernde Verbindlichkeit und Beachtung des 1954 Beschlossenen bis zur Auflösung des MfS betonen zwei seiner letzten Leitungsmitglieder, siehe Werner Großmann/Wolfgang Schwanitz (Hg.): Auskünfte über eine Behörde. Fragen an das MfS, 3. Aufl. Berlin 2010, S. 116 f.
8 Siehe dazu ausführlich Birgit Salamon (BStU-Archivleiterin): Mielkes Ablage – Die Überlieferung des Stasi-Chefs, in: www.bstu.bund.de/DE/Wissen/Aktenfunde/Roter-Koffer/Mielkes-Ablage/mielkes-ablage_node.html. Mielke gab an, den Inhalt der Schränke an die »zuständigen Diensteinheiten« übergeben zu haben, siehe ebd.: Vermerk über das Entlassungsgespräch mit Genossen Erich Mielke.
9 Siehe Stephan Wolf: Das Ministerium für Staatssicherheit und die Überwachung der NVA durch die Hauptabteilung I, in: Hans Ehlert/Matthias Rogg (Hg.): Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR, Berlin 2004, S. 323–336, hier S. 336.
10 Armin Wagner machte allerdings schon früh auf das spannungsreiche Verhältnis zwischen Mielke und Hoffmann aufmerksam, siehe ders.: Walter Ulbricht und die geheime Sicherheitspolitik der SED. Der Nationale Verteidigungsrat der DDR und seine Vorgeschichte (1953–1971), Berlin 2002, S. 229–231.
11 Mielke wurde 1971 Kandidat, Hoffmann 1973 gleich Vollmitglied.
12 Siehe Aktenauszug vom 1. September 1952, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 13-15.
13 Siehe dazu ausführlich Torsten Diedrich/Rüdiger Wenzke: Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernierten Volkspolizei der DDR 1952–1956, Berlin 2001.
14 Aktenauszug vom 1. September 1952 (Anm. 12), Bl. 14, weitere Hinweise auf die Existenz einer kontinuierlich geführten »Akte Hoffmann«, siehe in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 264 u. 333.
16 Siehe die MfS-Angaben zur Identität des Geheimen Informators (GI) »Wölfi«, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 67 und zur Person: Torsten Diedrich: Bernhard Bechler – Der hemmungslose Karrierist, in: Ehlert/Wagner (Hg.): Genosse General! (Anm. 1), S. 61–87.
17 Aktennotiz Kroszewskis vom 18. August 1952, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 71.
18 Hoffmann traf sich in diesen Jahren nach eigenen Angaben wöchentlich zu Gesprächen mit dem SED-Chef, siehe Heider: Heinz Hoffmann (Anm. 1), S. 258.
19 Aktennotiz Gronau vom 2. Februar 1953 über eine Aussprache mit Generalleutnant Hoffmann, in:
BStU, MfS, GH 30/72, Bd.1, Bl. 82-85, hier 84.
20 Aktennotiz Kroszewski vom 15. September 1952, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 78. Zur Geschichte und Funktion dieser, die Bildung der späteren DDR-Armee vorbereitenden Verwaltung, siehe Hans Ehlert: Die Hauptverwaltung für Ausbildung (1949–1952), in: Torsten Diedrich u. a. (Hg.):
Im Dienste der Partei. Handbuch der bewaffneten Organe der DDR, Berlin 1998, S. 253–280.
21 Siehe Aktennotiz Kroszewski vom 15. September 1952 (Anm. 20).
22 Siehe Aktenauszug vom 1. September 1952 (Anm. 12).
23 Siehe Aktennotiz Kroszewski vom 20. August 1952, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 73.
24 Siehe Aktennotizen Kroszewskis vom 23. u. 24. Juli sowie 14. August 1952 zu den Generalinspekteuren Heinz Keßler und Waldemar Verner sowie dem ehemaligen Wehrmachtsgeneral Vincenz Müller, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 56-58 u. 67.
25 Siehe Aktennotiz Kroszewski vom 24. Juli 1952 betreffend Innenminister Willy Stoph, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 63, auch für die folgenden Zitate.
26 Siehe Aktennotiz Gronau vom 2. Februar 1953, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 82-85, hier 83 f. und Aktennotiz Kroszewski vom 18. Februar 1953, in: ebd. Bl. 89.
27 Siehe Bericht der HA I über den Treff mit GI »Wölfi« vom 20. Juli 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 274 f. Die Genfer Konferenz der Staats- und Regierungschefs der vier Siegermächte fand vom
18. bis 23. Juli 1955 statt und brachte keine Annäherung in der Frage einer baldigen Wiedervereinigung Deutschlands. Danach ging die Sowjetunion von der Zweistaatentheorie, also der Annahme aus, es werde langfristig zwei parallel existierende deutsche Staaten geben.
28 Siehe Bericht der HA I über den Treff mit GI »Wölfi« vom 20. Juli 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72,
Bd. 1, Bl. 274 f.
29 Siehe Bericht der HA I über den Treff mit GI »Wölfi« am 29. Juli 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72,
Bd. 1, Bl. 257-260, hier 258, auch für die folgenden Zitate.
30 Bericht der HA I über den Treff mit GI »Wölfi« am 13. Dezember 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 246 f. Stoph war von 1940 bis 1945 Soldat der Wehrmacht gewesen, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Unteroffiziers. Den lückenhaften und zum Teil widersprüchlichen politischen Lebenslauf Stophs rekonstruiert, soweit möglich, Ulrich Mählert: Willi Stoph – Ein Fußsoldat der KPD als Verteidigungsminister der DDR, in: Ehlert/Wagner (Hg.): Genosse General! (Anm. 1), S. 279–303.
31 Siehe Treffberichte mit GI »Wölfi« vom 20. Juli u. 13. Dezember 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 275 u. 247.
32 Bericht des GI »Wölfi« an die HA I vom 24. Juli 1953 über ein Gespräch mit Hoffmann am Vortag, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 92 f., auch für die folgenden Zitate. Zu den Veränderungen im MfS nach dem 17. Juni, siehe Jens Gieseke: Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945–1990, München 2006, S. 60–64.
33 Gegen Ende der DDR erreichte die Zahl der IM in der NVA mit über 12 000 Personen annähernd Divisionsstärke. Die HA I war damals mit 2500 Planstellen eine der größten Diensteinheiten des MfS, siehe Wolf: Das Ministerium (Anm. 9), S. 327 f.
34 Aktennotiz HA I-Oberstleutnant Bitter vom 24. Juli 1953 über ein Treffen mit GI »Wölfi« am 23. Juli 1953, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 92 f., auch für die folgenden Zitate und Angaben.
35 Aktenvermerk HA I-Oberstleutnant Bitter vom 24. Juli 1953, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 94 f., auch für die folgenden Zitate.
36 Aktennotiz Bitter vom September 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 294-296, hier 294. Es handelte sich um die Richtlinie 1/55. Der inkriminierte Satz blieb unzitiert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war nach dem 17. Juni 1953 für zwei Jahre formal zum Staatssekretariat im Ministerium des Innern (SfS) herabgestuft worden, siehe Gieseke: Der Mielke-Konzern (Anm. 32), S. 63.
37 BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 294-296, hier 294.
38 Ebd. Bl. 295. Der Offizier habe »umfangreiche Frauenbekanntschaften« und zwei uneheliche Kinder gehabt.
39 Laut handschriftlicher Notiz von MfS-Generalmajor Kleinjung vom 29. September 1955 hatte die Aussprache mit Hoffmann am 25. September stattgefunden. Ein Ergebnis ist nicht vermerkt. Siehe ebd., Bl. 296.
40 Oberstleutnant Bitter hatte dem GI »Wölfi« ausdrücklich den Auftrag erteilt, auch »alle bekanntwerdenden Momente, die sich aus dem Familienverkehr ergeben, weiterhin mitzuteilen«. Treffbericht der HA I vom 26. Januar 1955, in: ebd. Bl. 196. Berichtet hatte »Wölfi« u. a. darüber, wann Hoffmann die Zustimmung des ZK zu seiner geplanten Hochzeit erhalten hatte und wie die Feier verlaufen war, siehe Treffbericht vom 28. Oktober 1954, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 219.
41 Aktenauszug des MfS vom 1. September 1952, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 13-15, hier 14.
42 So zitiert ihn die von der Stasi auf ihn angesetzte Geheime Informatorin »Karla Klaus«. Siehe Information der HA I vom 20. Februar 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 140.
43 Siehe Aktennotiz der HA I vom 22. März 1954, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 145.
44 Bericht der HA I vom 9. Februar 1954 ohne Verfasser und Adressat, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 160-165 mit handschriftlicher Notiz von Matern vom 22. Februar 1954, in: ebd., Bl. 160. Dieser ist einer der in den Akten nur selten dokumentierten Fälle, dass die Parteiführung die Überprüfung einer bestimmten Person anordnete.
45 Siehe zum Gesamtvorgang Treffbericht der HA I mit dem GI »Roman« vom 8. Juli 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 263 f.
46 Teilnehmer waren außer Generalleutnant Hoffmann die Generalmajore Rudolf Dölling, Heinrich Heitsch, Kurt Wagner und Siegfried Weiß, die Oberste Martin Bleck, Hans Ernst, Helmut Göpfert, Werner Krüger, Friedwald Oehlmann und Sigfrid Riedel sowie Oberstleutnant Willy Mirtschin, siehe Auflistung, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 248.
47 Siehe Treffbericht der HA I mit dem GI »Phänomen« vom 22. November 1955, in: ebd. Bl. 244 f., auch für die folgenden Zitate.
48 Siehe Treffbericht der HA I mit GI »Wölfi« vom 13. Dezember 1955, in: ebd., Bl. 246 f.
49 Siehe Treffbericht der HA I mit dem GI »Phänomen« vom 25. Mai 1956, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 248-253. Hoffmann hatten die Gastgeber eine separate Wohnung und einen PKW mit Fahrer zur Verfügung gestellt.
50 Bericht der HA I vom 6. Mai 1957 über eine Aussprache mit einem (namentlich genannten) Lehrgangsteilnehmer während seines Urlaubs am 4. Mai 1957 in Strausberg. Ob es sich um ein Treffen mit dem
GI »Phänomen« handelte, ist nicht vermerkt, aber wahrscheinlich. BStU, MfS, GH 30/72,Bd. 1, Bl. 404-408. Der Führungsoffizier leitete den Bericht an den Chef der HA I zur Kenntnisnahme und mit »dem Vorschlag der Auswertung« weiter, siehe ebd., Bl. 408.
51 Treffbericht der HA I vom 11. Februar 1957, in: ebd., Bl. 332 f., auch für die folgenden Zitate.
52 Aktennotiz der HA I vom 14. Juli 1955 über ein Gespräch mit Hoffmann, in: ebd., Bl. 282-284, hier 283.
53 Aktennotiz der HA I vom 23. März 1962, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 436-438.
54 Siehe ebd., Bl. 438.
55 Siehe namentlich gezeichneten Bericht eines Büromitarbeiters über die Zeit vom 7. Oktober 1962 bis zum 20. November 1962 vom 21. November 1962, in: ebd. Bl. 457 f.
56 Siehe Armee für Frieden und Sozialismus. Geschichte der Nationalen Volksarmee der DDR, Berlin [Ost] 1985, S. 344.
57 Bericht der HA I vom 10. Oktober 1963 zur Leitungstätigkeit während der Durchführung der gemein-
samen Truppenübung »Quartett«, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 44-53, hier 44.
58 Ebd. Bl. 47, auch für die folgenden Zitate.
59 Siehe ebd.
60 Bericht der HA I vom 10. Oktober 1963 zur Leitungstätigkeit (Anm. 57), hier Bl. 50.
61 Ebd. Bl. 49.
62 Ebd. Bl. 50.
63 Eine Seite des Berichts verwendete die HA I allein darauf, diese zu referieren. Einer ging so: Die Übung hätte Quintett genannt werden müssen: Der fünfte Teilnehmer sei der Wodka gewesen. Ein anderer: Ein NVA-Soldat werde gefragt, ob er nach einem halben Liter Wodka noch kämpfen könne. Seine Antwort: Das brauche er dann nicht mehr, denn dann komme er in den Leitungsstab. Siehe ebd., Bl. 48 f.
64 Ebd., Bl. 52.
65 Siehe ebd. Bl. 46 u. 52 f.
66 Siehe in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 44.
67 Siehe Anschreiben, in: ebd., Bl. 43. Zu den anderen Berichten könnte auch der Treffbericht der mit Hoffmann bekannten MfS-Informantin »Karla Klaus« vom 13. August 1963 und mehrere Auskunfts-
berichte zu engen Mitarbeitern des Verteidigungsministers gehört haben, siehe ebd., Bl. 21-23 und 24.
68 Siehe u a. in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 69, 74, 82, 88, 101, 147, 166, 182, 221 u. 262.
69 Siehe Roger Engelmann u. a. (Hg.): Das MfS-Lexikon. Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR, Berlin 2011, S. 262 f.
70 Bericht der HA I vom 14. Oktober 1963 über Erscheinungen mangelhafter Leitungstätigkeit und über ernste Verstöße gegen die sozialistischen Moralgesetze im Bereich der Leitung des Ministeriums für Nationale Verteidigung, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 1-20 und Auskunftsberichte zu Mitarbeitern Hoffmanns im Anhang, Bl. 24-42, zu beachten ist auch die handschriftliche MfS-Paginierung auf den Blättern, die erkennen lässt, in welcher Reihenfolge sie in den Bericht integriert worden waren.
71 Ebd. Bl. 20, auch für das folgende Zitat.
72 Eine Recherche in den überlieferten Beständen des Büros und des Nachlasses Walter Ulbrichts im Bundesarchiv Berlin blieb jedoch erfolglos. Unterlagen zum hier behandelten Konflikt zwischen Mielke und Hoffmann sind dort nicht nachgewiesen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Mielke nach dem Tod Ulbrichts an der Durchsicht beteiligt war und mit entscheiden konnte, welche aus dem Büro des früheren Parteichefs stammenden Papiere aufbewahrt werden sollten und welche nicht. (Siehe archivarische Vorbemerkung zum Findbuch Büro Ulbricht, Seite V.) Zudem ist dem Findbuch zu entnehmen, dass viele Schreiben an die Absender, genannt werden auch Hoffmann und Mielke, zurück-
gegeben und nicht archiviert wurden. Auch unter den Tagesordnungspunkten des SED-Politbüros sucht man vergeblich nach Bezügen zum hier behandelten Konflikt zwischen beiden Ministern.
73 Handschriftlicher Bericht des IM »Erich« vom 10. Januar 1964 an die HA I, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 102-106, hier 106, auch für die folgenden Zitate.
74 Bericht der HA I vom 14. Oktober 1963 über Erscheinungen mangelhafter Leitungstätigkeit und über ernste Verstöße gegen die sozialistischen Moralgesetze im Bereich der Leitung des Ministeriums für Nationale Verteidigung, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 1-20, hier Bl. 2, auch für die folgenden Zitate. Im Herbst 1963 hatte die zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des MfS (ZAIG) in fünf undatierten Berichten (Nr. 541-545/63) über den Verlauf einer nicht erläuterten »Aktion ›Quartett‹« informiert. Sie sind laut Verzeichnis nicht überliefert und waren offenbar primär für Mielke, nur einer (544/63) unter anderem zur Weiterleitung an Ulbricht, Honecker und Matern gedacht. Auch Hoffmann war im Entwurf des Verteilers dieser Information aufgeführt, siehe Berichtsverzeichnis, BStU, MfS, ZAIG 14384, Bl. 203. Ob die ZAIG die Berichte überhaupt herausgegeben hat, bleibt offen.
75 Siehe ebd., Bl. 9-11.
76 Siehe Abschrift des Berichts eines NVA-Mitarbeiters vom 12. November 1963, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 71. Es ging vermutlich nicht um mehrere Personen, sondern nur um eine im
HA I-Bericht besonders kritisierte.
77 Siehe IM-Bericht vom 9. Dezember 1963, in: ebd., Bl. 80.
78 Siehe in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 12-20, insbes. 16 f., auch für die folgenden Angaben.
79 Ergänzung des stellvertretenden HA I-Chefs, Oberst Rudolf Israel, zum Treffbericht mit GI »Wölfi« vom 4. Dezember 1963, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 86 f. Berichte wie diesen reichte die HA I jetzt umgehend an Mielke weiter.
80 Siehe Spiegel-Titelgeschichte vom 10. Oktober 1962.
81 Bericht des IM »Kran« vom 20. Dezember 1963 an die HA I, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 119.
82 Bericht des IM »Deutsch« vom 7. Januar 1964 an die HA I, ebd, Bl. 100. GI »Wölfi« bestätigte kurz darauf, dass Verner geglaubt hatte, nun selbst Minister zu werden, siehe Bericht GI »Wölfi« an die HA I vom 20. Februar 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 475-477, hier 476.
83 Information der HA I vom 20. Februar 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 140.
84 Bericht des GI »Wölfi« an die HA I vom 20. Februar 1964 mit angefügter ergänzender Stellungnahme von Oberst Israel, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 475-479. Das Verhalten Bechlers in dieser Situation macht auf einen bisher kaum beachteten Funktionstypus der Stasi-IM aufmerksam: Der heimliche Zuträger als »whistle-blower«, der auf Missstände im Staate hinweist, die auch in westlichen politischen Systemen als gravierende Sicherheitsrisiken eingestuft worden wären. Dort hätten die unabhängigen Medien und die parlamentarische Opposition solche Fälle öffentlich zur Sprache gebracht. In der DDR hoffte ein systemloyaler Beobachter wie der GI »Wölfi« auf den weitreichenden Einfluss der politischen Geheimpolizei.
85 Ebd. Bl. 475. Nach dem Bericht des GI »Wölfi« zu urteilen, stammte diese Information wahrscheinlich vom Luftwaffengeneral Heinz Bernhard Zorn.
86 Ebd.
87 Siehe für den Leiter der HA I zusammengestellte Berichtsauszüge zur Stimmung in Bezug auf den Minister für Nationale Verteidigung vom 14. Februar 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 383-394.
88 Siehe ebd., Bl. 385 und 388 f.
89 Aktennotiz von Oberstleutnant Schönert vom 13. März 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 155 f., hier 156. Um welche Zeitung es sich handelte, wurde nicht gesagt.
90 Siehe Abschrift des Stimmungsberichts vom 25. August 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 267.
91 Auszug aus IM-Bericht »Neger« vom 4. Februar 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 388. Es handelte sich wahrscheinlich um eine Parteiversammlung im Verteidigungsministerium: Siehe Meldung von MfS-Hauptmann Kaufmann vom 9. Juli 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 236-238, hier 237.
92 Siehe Bericht des IM »Ulla« vom 5. August 1964 und Weiterleitung an Mielke am 28. August 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 269 f.
93 Bericht des IM »Hans Ries« vom 17. März 1964, in: ebd., Bl. 148-150, hier 148, auch für die folgenden Zitate.
94 Ebd., Bl. 149.
95 Ebd., Bl. 150.
96 Aktennotiz MfS-Oberstleutnant Schönert vom 13. März 1964, in: ebd., Bl. 151 und Aktennotiz MfS-Major Grimm vom 31. März 1964, in: ebd. Bl. 153 f. Die späteren personenbezogenen Recherchen der Stasi lassen erkennen, dass der Minister honorige persönliche Gründe hatte, die Frau nachhaltig zu unterstützen: Siehe Stellungnahme von MfS-Oberst Israel vom 10. Juli 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 265. Hoffmann agierte, so scheint es, wiederum als der harte Mann mit einem weichen Herzen.
97 Siehe Bericht des IM »Horst Baum« vom 17. Juni 1964, der den Fall genauer untersucht hatte, in:
ebd., Bl. 200 f., auch für die folgenden Angaben.
98 Siehe dazu die analytisch scharfe zusammenfassende Darstellung von Klaus Marxen: »Recht« im Verständnis des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, in: Roger Engelmann/Clemens Vollnhals (Hg.): Justiz im Dienste der Parteiherrschaft. Rechtspraxis und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1999, S. 15–24.
99 Siehe IM Bericht »Hans Ries« o. Datum, mit Abzeichnung des HA I-Leiters vom 6. April 1964, in:
BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 160-162.
100 Information des IM »Teko« vom 28. Juni 1964, in: ebd. Bl. 222-226, hier 223-225.
101 Dieses Gerücht soll Anfang Juni 1964 unter den NVA-Offizieren umgegangen sein, die an einem Lehrgang an der sowjetischen Militärakademie in Moskau teilnahmen, siehe Bericht des MfS-Hauptmanns Kaufmann vom 9. Juli 1964 an die HA I, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2., Bl. 236-238,
hier 238.
102 Informationsbericht MfS-Major Riedel an den Leiter der HA I vom 20. Januar 1965, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 292. Vertreter des MfS hatte die NVA-Führung nicht eingeladen, doch war die Stasi mit zwei IM präsent, die sie offenbar bereits durch Zwischenberichte auf dem Laufenden hielten. Sie gehörten vermutlich zum Personal des Gästehauses.
103 Unter diesem Decknamen wurde Generaloberst Fritz Streletz geführt, siehe Armin Wagner: Generaloberst Fritz Streletz, in: Ehlert/Wagner (Hg.): Genosse General! (Anm. 1), S. 553–588, hier S. 569.
104 HA I-Treffbericht mit IM »Birnbaum« vom 13. Juli 1966, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 16-18, hier 17, auch für das folgende Zitat.
105 Siehe Neues Deutschland vom 3. Juli 1966, S. 1 f. und vom 6. Juli, S. 2.
106 HA I-Treffbericht mit IM »Birnbaum« vom 13. Juli 1966 (Anm. 104), Bl. 17.
107 Zum Wortlaut der Gebote siehe Protokoll der Verhandlungen des VI. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 15. bis 21. Januar 1963, Beschlüsse und Dokumente, Berlin 1963, S. 375 f.
108 Information der HA I, Militärbezirk III, Halle, vom 11. Juli 1967, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 35-38, hier 36. Die Einrichtungskosten schätzte das MfS auf insgesamt etwa 40 000 DDR-Mark. Zu seinem generellen Interesse am Empfang des West-Fernsehens siehe zudem Aktennotiz MfS-Oberleutnant Müller vom 15. November 1963, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 367 f.
109 Bericht GI »Wölfi« vom 20. Februar 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 475-477, hier 476.
110 Tonbandabschrift des Berichts des Geheimen Mitarbeiters (GM) »Georg Klingsor« vom 29. Januar 1966 mit handschriftlichem Vermerk, dass das Original an Mielke gegangen sei, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 325.
111 Informationsbericht zu Diskussionen über Armeegeneral Heinz Hoffmann in der Militärakademie »Friedrich Engels« vom 6. April 1971, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 123 f.
112 Treffbericht mit GI »Inge Schulze« vom 24. Juni 1964, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 219.
113 Siehe zur Kostenberechnung den Bericht des IM »Albert« vom 6. Mai 1970, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl.105 und zum Gesamtvorgang: ebd., Bl. 102-106.
114 Siehe MfS-internes Schreiben von MfS-Major Kretschel vom 30. Januar 1970, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 102 f.
115 Treffbericht MfS-Major Findeisen mit der Quelle »Aschengrube« vom 21. November 1966, in:
ebd. Bl. 26 f.
116 BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 69-79.
117 Siehe Treffbericht MfS-Unterleutnant Koetzing mit GHI »Sigismund« vom 15. März 1967, in: ebd., Bl. 30-32.
118 Bericht »Trapper« an die HA I, o. Datum [April 1966], in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 12 und
HA I-Information vom 21. April 1967, in: ebd. Bl. 34. Hoffmann hatte sieben eheliche Kinder.
119 Mitteilung der Mutter vom 18. Oktober 1971, in: ebd. Bl. 129.
120 Bekannt ist, dass Hoffmann in späteren Jahren Stabsoffiziere, die gegen das Verbot von Westkontakten verstoßen hatten, demonstrativ zu einfachen Soldaten degradierte, siehe Heider: Heinz Hoffmann (Anm. 1), S. 267. Im Jahre 1955 aber erlaubte er verschiedenen Militärärzten zum Ärger des MfS ausdrücklich, solche Kontakte aufrechtzuerhalten, und verfügte in zwei Fällen deren von der Kaderverwaltung
abgelehnte Beförderung. Siehe Bericht GI »Trapper« vom 21. Juli 1955, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 270 f.
121 In einer Erfurter Kaserne mit besonders vielen unzufriedenen KVP-Angehörigen hatte Hoffmann kurzerhand alle heraustreten lassen, die den Dienst quittieren wollten und ihnen auf der Stelle die Entlassungspapiere ausgehändigt. Etwa 170 Offiziere und Soldaten nutzten das Angebot. Die MfS-Verantwortlichen nahmen das in die Akte auf, weil sie die Entscheidung offenbar als zu nachgiebig werteten. Siehe Bericht GI »Roman« vom 31. Juli 1953, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 98. Über Hoffmanns ministeriellen Dienstalltag lässt sich einiges ableiten aus Stephan Fingerle: Waffen in Arbeiterhand? Die Rekrutierung des Offizierkorps der NVA und ihrer Vorläufer, Berlin 2001.
122 Siehe Hoffmann: Moskau – Berlin (Anm. 2), S. 182.
123 Siehe MfS-Information vom 5. August 1971, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 118 f.
124 Siehe Hoffmann: Moskau – Berlin (Anm. 2), S. 131.
125 Bericht o. Datum [1969], in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 91.
126 Siehe exemplarisch Treffbericht über eine dienstliche, gesellige Veranstaltung o. Datum [1963], in:
BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 2, Bl. 111.
127 Siehe auch die ganz ähnliche Einschätzung von Heider: Heinz Hoffmann (Anm. 1), S. 242.
128 HA-I Treffbericht mit GI »Wölfi« vom 24. November 1954, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 211 f.
129 Siehe dazu ausführlich Siegfried Suckut: Generalkontrollbeauftragter der SED oder gewöhnliches Staatsorgan? Probleme der Funktionsbestimmung des MfS in den sechziger Jahren, in: ders./Walter Süß (Hg.): Staatspartei und Staatssicherheit. Zum Verhältnis von SED und MfS, Berlin 1997, S. 151–167, hier S. 155–159.
130 Siehe Heinz Keßler: Zur Sache und zur Person, Berlin 1997.
131 Der stellvertretende MfS-Chef Markus Wolf behauptete später, Mielke habe nachgerade über jeden in der SED-Führung Material gesammelt: ders.: In eigenem Auftrag. Bekenntnisse und Einsichten, München 1991, S. 209. Die überlieferten Stasi-Unterlagen bestätigen das nicht.
132 Zum bisherigen Forschungsstand, das Verhältnis MfS-SED betreffend, siehe Walter Süß: »Schild und Schwert« (Anm. 7); Siegfried Suckut/Walter Süß (Hg.): Staatspartei und Staatssicherheit (Anm. 129); Helge Heidemeyer: SED und Ministerium für Staatssicherheit: »Schild und Schwert der Partei«, in:
Jens Gieseke/Hermann Wentker (Hg.): Die Geschichte der SED. Eine Bestandsaufnahme, Berlin 2011, S. 114–135 und die zusammenfassende Darstellung in: Engelmann u. a. (Hg.): Das MfS-Lexikon
(Anm. 69), S. 262–266.
133 Zehn Jahre zuvor war das noch anders: Planungschef Schürer richtete 1978 eine verzweifelte Anfrage an das MfS, ob nicht Mielke Honecker zu einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel veranlassen könne. Die Offiziere teilten, wie es scheint, Schürers Lagebeurteilung, sein Wunsch aber blieb schon damals ohne Resonanz, siehe Andreas Malycha: Ein vertrauliches Gespräch von Gerhard Schürer, Chefplaner der DDR, mit der Stasi über die Wirtschaftspolitik der SED im April 1978, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), H. 2, S. 283–305, hier S. 305.
134 Siehe Peter Przybylski: Tatort Politbüro. Die Akte Honecker, Berlin 1991, S. 202.
135 Darauf hat schon früh Thomas Klein aufmerksam gemacht, siehe ders.: Widerspruch und abweichendes Verhalten in der SED, in: Materialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«, Bd. VII,2, Baden-Baden 1995, S. 1031–1076, hier S. 1070 f. Exemplarisch ist auf den MfS-Bericht zum Sputnik-Verbot 1988 zu verweisen, siehe Frank Joestel (Bearbeiter): Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Berichte an die SED-Führung 1988, Göttingen 2010, S. 284–288.
136 Reinhold Andert/Wolfgang Herzberg: Der Sturz. Erich Honecker im Kreuzverhör, Berlin 1990, S. 368 und Egon Krenz: Wenn Mauern fallen. Die Friedliche Revolution: Vorgeschichte – Ablauf – Auswirkungen, Wien 1990, S. 124.
137 Siehe Thomas Grimm: Das Politbüro privat, Berlin 2004, S. 100.
138 Siehe in: »Ich sterbe in diesem Kasten«, Der Spiegel Nr. 36 vom 31. August 1992, S. 38-53;
online www.spiegel.de/spiegel/print/d-13681238.html, ges. am 30. August 2011.
139 Bericht GI »Wölfi« vom 20. Februar 1964 mit angefügter Ergänzung von HA I-Oberst Israel, in:
BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 1, Bl. 480-484, hier 483.
140 Bericht HA I-Oberstleutnant Thomas vom 5. September 1966, in: BStU, MfS, GH 30/72, Bd. 3, Bl. 20 f. auch für die folgenden Angaben.
141 Treffbericht mit GI »Birnbaum« vom 23. Mai 1968, in: ebd., Bl. 64-67, hier 64-66, auch für das Folgende.