»Heute«, schrieb der langjährige Kommunist Franz Dahlem in seinen 1982 posthum veröffentlichen Jugendjahren, »weiß ich aus eigener Erfahrung, daß die Vernachlässigung der theoretischen Arbeit und der Ausrüstung der Kader mit den geschichtlichen Erfahrungen der Bewegung untrügliche Anzeichen dafür sind, dass sich die Partei in der Gefahr befindet, ihren revolutionären Charakter zu verlieren«.1
Mit seinen autobiografischen Aufzeichnungen stand Dahlem in einer Reihe mit anderen SED-Veteranen, die sich in ihren Memoiren als Vorbilder für die Jugend zu präsentieren und zur Nachahmung zu animieren versuchten. Auch wenn sie in die Jahre gekommen und einige Weggefährten bereits gestorben waren, verstanden sie ihr Bewusstsein als »ewig jung« und dem revolutionären Fortschritt verpflichtet. Ihre biografische Prägung bot den essenziellen Beweis für dieses weniger an biologischen, als vielmehr an politisch-ideologischen Maximen orientierte Jugendbild.2 Gleichzeitig beförderte dieses Selbstbild gravierende Vermittlungs- und Verständigungsschwierigkeiten. Nicht erst zu Beginn der Achtzigerjahre erkannte die gealterte SED-Parteiführung, dass die Staatsjugend dem »realsozialistischen« Leben eine von ihren Erfahrungen und Erwartungen differierende Bedeutung zusprach. Während die, wie die jüngste historiografische Generationsforschung zeigt, in der DDR der Sechziger- und Siebzigerjahre Geborenen gern vom materiellen Wohlstand der Honecker’schen »Wirtschafts- und Sozialpolitik« profitierten, nahmen sie die Parteipropaganda der SED meist als sinnentleert wahr. Umso mehr erwarteten langjährige Kommunisten, dass sich die Staatsjugend als würdige Erbin ihrer »kämpferischen« Erfahrungen erwies.3
Erscheint das spezifisch kommunistische Jugendverständnis aus heutiger Sicht auch als paradox, war es seit 1945/46 ein grundlegendes Element in der SED-Diktatur. Gleichzeitig trug es, so die These der folgenden Ausführungen, zu ihrem Untergang bei. Denn im Herbst 1989 regierten Männer die DDR, deren biografischer Erfahrungshorizont in die Weimarer Republik zurückreichte. Diese Protagonisten des deutschen Kommunismus beriefen sich auf eine Sprache, die »in den zwanziger Jahren verwurzelt« war.4 Selten konnten sie die Ansichten und Forderungen von Nachgeborenen begreifen, denen das besondere politische Verständnis der Jugend fremd blieb – denen es fremd bleiben musste, weil es die gesellschaftliche und die persönliche Lebenswirklichkeit konterkarierte.
Die Vermutung, dass hier ein im Verständnis lebensgeschichtlicher Erfahrungsmuster typischer Generationskonflikt vorlag, erfasst das Problem nur unzureichend.5 Übersehen wird dabei die spezifisch politisch-ideologische Konnotation des kommunistischen Jugendverständnisses: seine Sinnstiftungsfunktion. Das Argument der folgenden Darlegungen geht daher von der geschichtsphilosophischen Beobachtung Reinhart Kosellecks aus, wonach das moderne Geschichtsverständnis auf einer »Altersmetaphorik« und »darin enthaltenen Ablaufzwängen« aufbaue. »Es gehörte«, so Koselleck, »zur Topologie der auf die Geschichte angewandten Lebensalter, daß die Definierenden sich gerne die Jugend zueignen, um den anderen oder dem Feind die Zwangsläufigkeit des früheren Alterns und damit die vorzeitige Gewissheit des Todes zuzuschieben. So sind alle Altersbestimmungen ideologisch besetzbar und je nach Perspektive austauschbar.«6
Diese allgemeine Aussage wird hier auf das marxistisch-leninistische Denken bezogen, demzufolge sich die Gesellschaft naturgesetzgleich entwickelte. Dieses Denken ging vom dialektischen und vom historischen Materialismus, den beiden Grundpfeilern des »wissenschaftlichen Sozialismus«, aus.7 Auch wenn es sich in der DDR zu einem Dogma verfestigte, blieben die Veteranen überzeugt, die Arbeiterklasse als quantitativ dominante Kraft im »Kampf« für den Sozialismus anzuleiten. Die Jugend diente nicht nur als personelle, sondern auch als ideologische Ressource. Blieb die Jugend biologisch begrenzt, sollte sie im politisch-regenerativen Verständnis »ewig« währen. Ursprünge wie Veränderungen und Verdichtungen dieses besonderen Jugendverständnisses werden im Folgenden entlang von drei Perioden nachgezeichnet: von der Weimarer Republik über den Aufbau bis hin zum Niedergang der DDR. Über diese Zeitspanne lässt sich die weitgehend wechselvolle Entwicklung zwar nur punktuell, aber doch entlang einschneidender Abschnitte aufzeigen.
I. Ursprünge des kommunistischen Jugendverständnisses
In seinen Memoiren aus dem Jahr 1980 bezeichnete Erich Honecker das »revolutionäre Programm« der KPD der Weimarer Republik als »vom ewig jungen Gedanken der Weltveränderung« getragen.8 Damit revitalisierte der Staats- und Parteichef den Topos der »ewigen Jugend« (Siegfried Weichlein), der sich in der kommunistischen und in Teilen der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung der Zwanziger- und Dreißigerjahre herausgebildet hatte.9
Spezifische Jugendbilder waren seinerzeit auch außerhalb dieser Kreise entworfen worden. Der gesamtgesellschaftlich spürbare »Zusammenbruch der traditionellen Bindungen und Aufsicht« bildete eine Schubkraft. Denn durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg hatten traditionelle Autoritäten an Einfluss und – vielmehr noch – an Ansehen verloren. Partei- und klassenübergreifend »kämpfte« die (deutsche) Jugend gegen eine den Erwachsenen zugeschriebene Starre, die, so die Wahrnehmung, den Fortschritt in die Zukunft vereitelte. Die jungen Vertreter in dieser nachträglich als Generationskonflikt par excellence bezeichneten Konstellation forderten nicht allein die Reformierung, sondern vielmehr noch die revolutionäre Überwindung der bestehenden Ordnung. Selbst die junge politische Rechte erwartete eine »neue Zeit«.10
Während sich die Protagonisten der »Konservativen Revolution« vom »verhassten Parteiensystem« abgrenzten und für einen »volksgemeinschaftlichen Führerstaat« eintraten, »kämpften« junge Sozialisten und Kommunisten innerhalb und außerhalb des parteipolitischen Rahmens. Einen zentralen Bezugs- und gleichzeitigen Abgrenzungspunkt bildete die als »starr« und »verknöchert« wahrgenommene SPD. Der Vorwurf betraf weniger das faktische Lebensalter von Sozialdemokraten – im Vergleich zur SPD gehörten der KPD nur unwesentlich mehr junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren an – als vielmehr die als »konterrevolutionär« verstandene Politik.11 Im Zuge der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg während der »Novemberrevolution« von 1918/19 habe sich, so der zentrale Vorwurf, der sozialdemokratische »Verrat« an der Arbeiterklasse manifestiert. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg waren die zwei späteren Gründer der KPD durch ihre Reden vor jungen Mitgliedern der SPD zu Symbolfiguren »des Widerstandes gegen den Krieg und das herrschende Regime« geworden. Das lebenslange Engagement dieser zum Zeitpunkt ihres Todes bereits 47 Jahre alten Vorbilder bewies, dass das Bewusstsein jung bleiben konnte, dass es jung bleiben musste, um im »Klassenkampf« zu bestehen.12
Trotz des seit Mitte der Zwanzigerjahre deutlicher werdenden Einflusses des sowjetischen Kommunismus, hielt die KPD am Kult um Liebknecht und Luxemburg fest. Auch die im kleinen Rahmen wiederkehrende Beschwörung ihres Schicksals beförderte das »zeitgenössische Interpretament eines jugendlichen Kommunismus«.13 Das Gefühl der Zugehörigkeit zur, wie Erich Honecker in seinen bereits zitierten Memoiren schrieb, »politisch wie persönlich verschworene[n] Gemeinschaft« von Gleichgesinnten, war nicht nur eine nachträgliche Stilisierung, sondern auch eine unmittelbare Erfahrungswirklichkeit junger Kommunisten.14 Nicht allein die »Zunahme physischer Gewalt im politischen Alltag« der Weimarer Republik, sondern auch alltägliche und weitere (politische) Faktoren trugen zu dieser bereits zur damaligen Zeit als »bündisch« wahrgenommenen Sozialisations- und Vergemeinschaftungsform bei. Historische Milieustudien machen deutlich, wie Zeitgenossen den sozialen, ökonomischen und kulturellen Umwälzungen Herr zu werden versuchten, indem sie staatlichen Interventions- und Regulierungsmaßnahmen bisweilen gewalttätig entgegentraten. Dabei bildete eher das unmittelbare Erleben der Umbrüche als eine übergeordnete politische Idee das Hauptmotiv für derlei Aktivitäten.15
Der alleinige Blick hierauf würde jedoch die avantgardistischen Absichten in der Arbeiterjugendbewegung übersehen. Wie das bürgerlich-bündische Pendant wanderten und sangen ihre Anhänger ebenfalls; außerdem bildeten sie sich außerhalb staatlicher Schulen fort, um auf den erwarteten revolutionären Moment vorbereitet zu sein und den im marxistischen Sinne gedachten Fortschritt zum Sozialismus zu steuern. Zwar bezweifelt die Forschung, dass sich die Teilnehmer dieser Schulungen zu selbstständig denkenden Menschen entwickelten; entscheidend war hingegen, dass sie sich einer Avantgarde zugehörig fühlten und sich dessen immer wieder versicherten.16
Die »Suche nach Ganzheit«, die die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Anne Harrington als zentralen Zug der Gesellschaft der Weimarer Republik ausmacht, prägte auch die kommunistische Organisationskultur. Das dort geläufige avantgardistische Selbstbild hob sich jedoch von den seinerzeit in sämtlichen sozialen Schichten geführten Debatten über den »neuen Menschen« oder reformpädagogische Ideen und Maßnahmen ab. Während hierbei lediglich vom Kommenden gesprochen wurde, verstanden sich die Jungkommunisten als aktive Wegbereiter des Fortschritts. Sie stellten sich selbst wie ihr Bewusstsein, ihr Leben, in den Dienst einer für die revolutionäre Veränderung der Welt kämpfenden Bewegung.17
Die nationalsozialistische Machtübernahme sowie die Verhaftung und Ermordung Tausender von Genossen seit Januar 1933 leiteten dann jedoch das vorläufige Ende des revolutionären Vorhabens ein. Der Sieg der Roten Armee über das Dritte Reich, das Überleben im Exil, in den Konzentrationslagern und den Zuchthäusern ließen den kommunistischen Jugendtopos zwölf Jahre später aber wieder aufleben. Wenn auch unter anderen als den prognostizierten revolutionären Bedingungen, erschien es nun möglich, die lang ersehnte, neue Gesellschaft aufzubauen. Maßgebend waren nicht allein das sowjetische Vorbild, sondern auch die Erfahrungen aus der Partei- und Bewegungskultur der Weimarer Zeit. Davon zeugt die Rhetorik des »Kampfes« und der »Aktion«, an die die Agitation und Propaganda der SED anknüpften.18
II. Jugend in der frühen SBZ/DDR
»Ich fühle mich«, wie ein Teilnehmer bei der zentralen Mitgliederversammlung der Leipziger SPD im Februar 1946 vortrug, »der Generation zugehörig, von der Genosse Lehmann behauptete, daß sie allzuviel mit dem Herzen und mit stürmischem Gefühl Politik mache und zu wenig mit dem Kopf. Das ist das Vorrecht der jungen Menschen, die Dinge anders und lebendiger zu betrachten, als viele, die gereift sind und nur ihre Bärte wackeln lassen. Ich möchte betonen, daß es die Generation ist, die welche sich [sic!] in diesem letzten Kriege die meisten Opfer bringen mußte und die darum auch zu diesen Fragen aus einer ganz anderen Überlegung heraus Stellung nimmt als die älteren Kameraden und Genossen.«19
Auch bei Zusammenkünften der wenige Monate später gegründeten SED forderte die Parteijugend, dass ihre Ansichten besser berücksichtigt würden.20 Erinnerten die Argumente auch an den aus der Weimarer Republik bekannten kommunistischen Jugendtopos, waren sie hier, wie der Hinweis auf »die meisten Opfer« zeigt, von anderen Erfahrungen geprägt. Die für die Veteranen wie für die umworbene Jugend unvergesslichen Erlebnisse der zwölfjährigen NS-Diktatur und des fast sechsjährigen Krieges ebenso wie die Herrschaftsabsichten der SED leiteten einen partiellen Wandel im bis dahin gültigen kommunistischen Jugendbild ein. Ein Kriterium zur Distinktion bildete etwa das »Parteialter«, das die Dauer der Mitgliedschaft anzeigte und klar zwischen alten und neuen Mitgliedern unterschied.
Weitere Rahmenbedingungen sorgten dafür, dass sich bis dahin gängige Kriterien verschoben und neue hinzugefügt wurden. Die Jugend bildete, das hat die historische Forschung wiederholt festgestellt, eine wichtige personelle Ressource für den Neuanfang in der SBZ/DDR, während in der Bundesrepublik vor allem die biologisch Alten wichtige Ämter besetzten.21 Mit der Wiederzulassung politischer Parteien im Osten im Sommer 1945 entstanden antifaschistische Jugendverbände, die im Februar des folgenden Jahres in der FDJ aufgingen. Bis 1989 eröffnete die Mitgliedschaft in der FDJ eine Karriere in den Staats- und Parteiämtern. Tausende von Jugendlichen profitierten von diesem zunächst als »antifaschistisch« titulierten Elitenwechsel, den die SED anleitete, während sie dabei von Vertretern der Sowjetunion mehr oder weniger kontrolliert wurde. Die personellen Veränderungen seien, so eine These der Forschung, »revolutionär« gewesen. Diejenigen ersetzten die alte, als »reaktionär« bezeichnete Elite, die angesichts ihrer Klassenzugehörigkeit von den sozialen Aufstiegsmöglichkeiten kurz zuvor nur hatten träumen können.22
Über lange Zeit wurde in der historiografischen Forschung das Motiv der politischen »Unschuld« hervorgehoben, aufgrund dessen die SED beim Neuaufbau vor allem auf Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 25 Jahren zurückgriff. Stärker noch als die erwachsenen Arbeiter und Bauern seien sie, so ein Strang im antifaschistischen Mythos, Opfer Hitlers und des kriegslüsternden »Kapitals« gewesen.23 Neuere Arbeiten betonen jedoch, dass das Jugendbild im Osten (wie im Westen) Deutschlands sehr viel ambivalenter diskutiert worden ist. Galt auch die Nachkriegsjugend für den Aufbau als besonders förderwürdig, sahen überlebende Kommunisten und Sozialdemokraten in der SBZ sie zugleich als durch den Nationalsozialismus besonders belastet an. Tausende derjenigen, die vom Elitenwechsel in der SBZ/DDR profitieren sollten, hatten zuvor der HJ und dem BDM angehört, sich aktiv für den Bestand des Dritten Reiches eingesetzt und die nationalsozialistischen Verbrechen billigend in Kauf genommen. Nun konnten sie sich bewähren und ihren Veränderungswillen unter Beweis stellen.24
Neben aller Euphorie und Zuversicht gegenüber dem Neuaufbau gab es für Kommunisten und Sozialisten also gute Gründe, der Jugend nur bedingt zu vertrauen. Vor allem überlebende Veteranen waren vorsichtig. »Mit 25 Jahren bin ich in den Kerker gekommen – mit 35 Jahren verlasse ich das KZ«, beschrieb Heinz Brandt, der 1958 aus der DDR in die Bundesrepublik floh, die unvergesslichen Folgen, die er mit zahlreichen weiteren Genossen teilte. Entscheidende Lebensjahre hatten sie in der Haft oder im Exil verbracht. Gleichzeitig hatte das dabei Erlebte sie bestärkt, weiter zu »kämpfen«.25 Diese Erfahrung bildete ein markantes Element im Selbstverständnis der geistig jung gebliebenen, körperlich jedoch gealterten und gezeichneten Kommunisten und Sozialisten. Die Erfahrung trennte sie aber auch von den Jugendlichen, um deren Engagement sie nun warben. Denn wenn sie das lang Ersehnte umsetzen wollten, brauchten sie die Hilfe derjenigen, denen sie misstrauten, deren Bewusstsein sie durch Schulungen und weitere Bewährungsoptionen aber in die richtigen Bahnen zu lenken versuchten.
Die SED investierte große Summen Geld und viele Anstrengungen in entsprechende Bildungs- und Integrationsmaßnahmen. Während einige langjährige Genossen ihre Abneigung gegenüber diesen Bestrebungen bekundeten, sich zurückzogen oder sogar die SED verließen, nutzten andere die Potenziale und den Willen der Jugend zur Veränderung. Glaubt man den zeitgenössischen Berichten, ging von ihr ein unverkennbarer Wille zum Neuaufbau und (persönlichen) Neuanfang aus. Die Jungen konnten sich bewähren und ihre Bereitschaft zum Umdenken unter Beweis stellen: Sie konnten sich geistig verjüngen.26
Gleichzeitig entstanden Abhängigkeiten, deren Folgen sich Jahre später noch zeigten. Trotz aller »Entschlossenheit«, die Veteranen im Hinblick auf die Karrieremöglichkeiten zu überflügeln oder sie von ihren Posten zu verdrängen, »mogelte sich immer wieder das schlechte Gewissen [ein], Unrecht zu begehen«, so der Kultursoziologe Wolfgang Engler. Meist wussten die Jungen um den Lebensweg der Alten, genauso wie diesen die (ideologische) Vorbelastung der Parteijugend bekannt war. Ewig dankten auch die älter werdenden Jungen den Veteranen dafür, ihre nazistische Vorgeschichte hinter sich lassen und zum antifaschistischen Mythos beitragen zu dürfen;27 zugleich konnten sie, wie die »Parteisäuberungen« am Ende der Vierziger- und zu Beginn der Fünfzigerjahre zeigten, nie sicher sein, dass ihre Vorgeschichte vergessen wurde. Ihr Lebensalter schürte den Grundverdacht auf eine ideologische Vorbelastung aus der Zeit des Dritten Reichs.28 Daraus ergab sich die besondere Interdependenz der gemessen an Lebensjahren Jungen von den physisch alternden, im politischen Verständnis jedoch jung bleibenden Veteranen.
Ein identitäres, ebenbürtiges Verhältnis, wie es der junge Genosse bei der zitierten Zentralversammlung in Leipzig gefordert hatte, stellte sich aber nur selten ein. Bediente sich die SED auch gerne der Potenziale und der Mithilfe der Jugend beim Neuanfang, schauten die Veteranen sehr genau auf deren Handeln und die Motive: Sie blieben misstrauisch. Selbst unter fadenscheinigsten Begründungen konnte der Hinweis auf die nationalsozialistische Vorprägung dafür sorgen, dass Betroffene ihre Bewährungschance einbüßten und plötzlich, aus der Partei gestoßen, »alterten«.29
Anders als in der Weimarer Republik erfolgte seit 1945 eine Umschichtung im wiederbelebten kommunistischen Jugendverständnis. Seinerzeit war es allen Genossen möglich gewesen, ebenbürtige Erfahrungen zu machen. Nun aber schuf der antifaschistische Gehalt, der dem Jugendtopos beigemischt wurde, eine kaum zu überwindende Barriere für diejenigen, die sich zwar engagierten, aber auf das Wohlwollen der physisch Alternden angewiesen blieben. Kam es auch vor, dass die Neumitglieder nicht wohl gesonnene Veteranen degradierten oder verdrängten – und sei es nur, um von der eigenen Vorgeschichte abzulenken –, verschafften sie sich dadurch keine absolute Gewissheit, ideologisch jung zu sein und zu bleiben. Während sie der Gemeinschaft der ewig Jungen zunächst angehörten, konnten sie bald darauf allein gelassen werden.
Im Wissen um ihre Sonderstellung begannen die Veteranen, die eigenen Erfahrungen für die Nachwelt zu verschriftlichen und zu verewigen. Das zeigen die zu Beginn der Fünfzigerjahre ergriffenen ersten parteigeschichtlichen Initiativen, der Jugend »eine Brücke von gestern zu heute, Leben, Farbe, Erlebtes im Strom der Bewegung« zu schenken.30 Durchzogen die ersten großen Wellen von »Erinnerungsberichten« die DDR auch erst zu Beginn der Sechzigerjahre, wurde hier das Fundament für das »ewige Altern« der Veteranen und den gleichzeitigen Popularitätsverlust des spezifischen Jugendbildes gelegt – eines Bildes, dem sie trotz und ebenso wegen seines öffentlichen Bedeutungsverlustes treu blieben.
III. Zur Versiegelung des Jugendverständnisses im »ewigen Altern«
Bis zum Herbst 1989 blieben die Veteranen zuversichtlich, dass sich die Staatsjugend als würdige Erbin des kommunistischen Jugendbildes erweisen würde. Das verdeutlichen die Vorträge, die sie seit den Fünfzigerjahren − neben anderen Verpflichtungen − an staatlichen wie an Bildungseinrichtungen der Partei hielten. Daneben wurden Jugendlichen unzählige Möglichkeiten geboten, das soziale und politische Leben in der DDR frühzeitig mitzugestalten. Besondere Erwartungen hegten die Alten gegenüber denjenigen, die, wie Franz Dahlem in seinen Jugendjahren betonte, »in der sozialen Geborgenheit unserer sozialistischen Gesellschaft« aufgewachsen und denen »die Sorge um das tägliche Brot wie die Ängste wegen einer ungewissen Zukunft« unbekannt waren.31
Aber nicht allein die Annahme Dahlems, dass die jungen Bürger der DDR der Siebzigerjahre in »sozialistischen Familien« und unter besseren Bedingungen als ihre Väter und Mütter aufwuchsen und sie wegen der zeitlichen Ferne zum Dritten Reich politisch-ideologisch nicht vorbelastet waren, zeigt die veränderte Erwartungshaltung der Alten – eine Erwartung, die sich auch deshalb nicht erfüllte, weil sie Jugendlichen zu wenig Freiheiten ließ.
Erste Anzeichen für diese Tendenz hatte es bereits in den Sechzigerjahren gegeben. Löste das »Jugendkommuniqué« von 1963 unter seinen Adressaten zunächst Hoffnung und Euphorie aus, mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten zu erhalten, sorgte das »Kahlschlagplenum« der SED zwei Jahre später dafür, dass die Jungen, wie Wolfgang Engler treffend festhält, »die Schlacht verloren, und sie wußten es«. Die trotz und ebenso wegen des Mauerbaus ausgelöste Hoffnung auf die »ostdeutsche Moderne« − das Dogma von der »Produktivkraft Wissenschaft«, wie sie sich in der Kybernetikbegeisterung ausdrückte, und der Hinweis auf die Zukunft der kommunistischen Weltgesellschaft − versandete; mit ihr schwand der Mut der jungen Hoffnungsträger, die den Veteranen zwar zuhören, aber auch selbstständig entscheiden wollten.32 Mehr als zuvor wurde die Initiative der Jugend durch die Überwachung und Repressionen des Staates eingedämmt. Ihr Aktivismus weckte das Misstrauen der Veteranen. Er wurde unter gänzlich anderen als den kommunistischen Vorzeichen gelesen. Die Alten waren zu unnahbaren und unbeweglichen Autoritäten geworden, die sich hinter ihren Erfahrungen verschanzten. Kurzzeitig gelang es ihnen dadurch, die Forderungen der Staatsjugend abzuweisen oder wenigstens zu kanalisieren; auf lange Sicht konnten sie aber nicht verhindern, dass sich das Selbstverständnis und die Hoffnung der Jungen von ihren Erfahrungen und Erwartungen entfernten und entfremdeten. Selbst die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, über die sich die Staatsjugend in den Fünfzigerjahren noch hatte gewinnen und einbinden lassen, versiegten angesichts der personellen Sättigung auf den Führungsebenen. Statt für den Staat oder die Partei engagierten sich die Jungen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Unübersehbar entstanden Subkulturen, deren prägende Köpfe sich auf offiziell verfemte westliche Vorbilder beriefen.33
Als ein »Sich-Einrichten« im Alltag hat der Historiker Alf Lüdtke das Geschehen in der DDR der »Ära Honecker« charakterisiert. Im Vergleich zur »Ära Ulbricht« herrschten spürbar bessere Lebens- und Versorgungsbedingungen; gleichzeitig deutet sich in diesem Bild das Bemühen an, angesichts der gleichzeitig zunehmenden Verschleißerscheinungen in Betrieben oder anderen staatlichen Einrichtungen nicht zu kapitulieren. Sowohl die Bürger der DDR wie die Staats- und Parteiführung waren ungewiss und unsicher, wie es weiterging.34 Improvisationstalent und Erfindergeist im Privaten wie im Beruflichen schufen kurzzeitig Abhilfe. Täglich überschatteten und verstellten diese Herausforderungen jedoch den Blick in die beschworene sozialistische Zukunft. Auch deshalb leiteten die Siebzigerjahre den »endgültigen Abschied von der Utopie« ein.35 Beteiligten sich, wie etwa bei den jährlichen Demonstrationen zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, auch Tausende von Menschen an den Ritualen zur Revitalisierung des Jugendtopos und weiterer tradierter Bewegungstopoi der SED, reichte die Wirkung kaum über diese Veranstaltungen hinaus.
»Sich-Einrichten« bedeutete, gemeinschaftlich zusammenzukommen und sich im vielfachen Sinne auszutauschen. Allerdings zeichneten sich unterschiedliche, wenn nicht gar sich diametral entgegenstehende Erwartungshorizonte ab. Während die Bürger vor allem die unmittelbaren Folgen der Mangelwirtschaft kompensierten, vergewisserten sich die Veteranen ihrer langjährigen politischen Erfahrungen. Je intensiver sich Letztere auf das besondere politische Verständnis der Jugend besannen, sich dahinter förmlich verschanzten, desto mehr verloren sie die Erfahrungswelt des Nachwuchses aus dem Blick. Keinesfalls soll damit gesagt werden, dass sich der Niedergang der DDR durch ein besseres Gespür der Veteranen hätte hinauszögern lassen. Jedoch büßte der (revolutionäre) Elan, über den sie politisch sozialisiert worden waren, der in den ersten Jahren des Staatssozialismus noch fruchtbar gewesen war und integrierend gewirkt hatte, an Bindekraft ein.
Auch die bündische Sozialisations- und Vergemeinschaftungsform, die den Alten aus der Zeit der Weimarer Republik geläufig war, ließ sich kaum wiederbeleben. Die Veteranen waren allein und auf sich gestellt. Denn immer bestand die Gefahr, wie etwa die jahrelangen Verhandlungen zwischen Franz Dahlem und der Parteiführung der SED über die Edition seiner Memoiren zeigten, dass das darin Dargelegte nicht »dem Kriterium der politischen Nützlichkeit« gerecht wurde. Die erhoffte »Waffe im Klassenkampf«, als die die Lebenserinnerungen verstanden wurden, konnte sich so auch gegen den Verfasser richten.36 Gestorben war er damit zwar nicht im biologischen, dafür jedoch nach politischem Verständnis. Die Staats- und Parteiführung entledigte sich ihrer letzten Reserven, um das besondere Bild von der Jugend zu sichern. Einzig diejenigen, die sich auf das Erbe besannen, wurden nicht vorzeitig kalt gestellt.
Als sich die Veteranen im Oktober 1989 anlässlich der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR letztmals der Öffentlichkeit zeigten, protestierten bereits diejenigen, denen sie jahrelang zu vertrauen versucht hatten. In einem gänzlich anderen Rahmen tat die Jugend das, was die im doppelten Sinn Vergreisten ihr Leben lang bewegt hatte: Voraussetzungen für ein besseres Leben zu erkämpfen.
IV. Fazit
Bis zur Auflösung der DDR lebte das kommunistische Jugendverständnis im kleiner werdenden Kreis der Parteiveteranen fort. Auch wenn sich ihre Zahl mit den Jahren verringerte, waren die Mitglieder dieses Kreises überzeugt, dass das Bewusstsein nicht alterte. Dieses besondere politische Jugendverständnis beruhte auf den Erfahrungen der Weimarer Republik. Ideologisch aufgeladen worden war der Topos zu jener Zeit, weil sich seine Träger als Avantgarde verstanden, die die Arbeiterklasse in die sozialistische Zukunft leitete.
Nach dem Ende des Dritten Reiches lebte der Topos wieder auf. Die Jugend diente der SED als personelle Ressource zum Aufbau in der SBZ/DDR. Jedoch blieb das Verhältnis zwischen den Veteranen und ihren Nachkommen distanziert und von ungleichen Abhängigkeiten geprägt. Schließlich verwies das Lebensalter der Nachkommen auf die Sozialisation im Dritten Reich. Wie sie seit 1945 politisch »neu geboren« worden waren, konnten sie ebenso schnell wieder »sterben«.
Zwischen der in der DDR geborenen und sozialisierten Staatsjugend und den geistigen Vätern der Bewegung stellte sich ein solches Abhängigkeitsverhältnis nicht mehr ein. Stattdessen überwog die Distanz. Trotz aller Versuche, die Jugend zum Erhalt des politischen Systems und seiner Ideologie zu bewegen, brachten sich die Adressaten in einem anderen als dem erwarteten Verständnis in die »realsozialistische« Gesellschaft ein. Auch wenn die Veteranen beschworen, dass die Jugend ewig währe, konnten sie die Auflösung dieses Jugendverständnisses nicht verhindern.
In der Geschichte des deutschen Kommunismus bildete die Jugend also nicht nur in personeller, sondern auch in politisch-ideologischer Hinsicht eine zentrale Referenzgröße. Eine detailliert empirische Untersuchung über die Ursprünge, die Veränderungen und den Niedergang der ideologischen Ressource »ewige Jugend« steht jedoch noch aus.
1 Franz Dahlem: Jugendjahre. Vom katholischen Arbeiterjungen zum proletarischen Revolutionär, Berlin (Ost) 1982, S. 295. Im Alter von 21 Jahren trat Franz Dahlem (1892–1981) der SPD bei. Seit 1920 in der KPD, besetzte er zentrale Führungspositionen. Nach 1933 arbeitete er in der Kommunistischen Internationalen; außerdem war er als »Interbrigadist« im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939). 1945 aus dem Konzentrationslager Mauthausen in Österreich befreit, ging er in die SBZ. Von Anfang an gehörte er entscheidenden Führungsgremien der SED an, bevor sein Rivale Walter Ulbricht ihn 1953 entmachtete. Nach seiner Rehabilitierung arbeitete er in verschiedenen Staatsämtern. Seit Ende der Sechzigerjahre schrieb er an seinen Memoiren. Siehe Ulrich Pfeil: Zwischen Parteilichkeit und Geschichte, »wie ich sie erlebt habe«. Textgenese am Beispiel der Memoiren von Franz Dahlem, in: Deutschland Archiv 35 (2002), H. 1, S. 81–89.
2 Zu diesem Phänomen siehe die kollektiv-biografische Annäherung an die Veteranen der SED durch Catherine Epstein: The Last Revolutionaries. German Communists and Their Century, Cambridge/Mass. 2003.
3 Thomas Ahbe/Rainer Gries: Gesellschaftsgeschichte als Generationsgeschichte. Theoretische und methodologische Überlegungen am Beispiel der DDR, in: Annegret Schüle/Thomas Ahbe/Rainer Gries (Hg.): Die DDR aus generationsgeschichtlicher Perspektive. Eine Inventur, Leipzig 2006, S. 475–571, hier S. 545–556; Marc-Dietrich Ohse: Jugend nach dem Mauerbau. Anpassung, Protest und Eigensinn (DDR 1961–1974), Berlin 2003, S. 365–379; Bernd Lindner: »Bau auf, Freie Deutsche Jugend« − und was dann? Kriterien für ein Modell der Jugendgeneration der DDR, in: Jürgen Reulecke (Hg.): Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München 2003, S. 187–215, hier S. 209–211; zur Popularität der Honecker’schen »Wirtschafts- und Sozialpolitik« siehe Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR, Darmstadt 2008, S. 56–62.
4 Eric D. Weitz: Der Zusammenbruch der DDR aus langfristiger Perspektive, in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien (1998), H. 12, S. 6–16, Zitat S. 13; ausführlich ders.: Creating German Communism, 1890–1990. From Popular Protest to Socialist State, Princeton/NJ 1997.
5 Über die Grenzen des Konzeptes »Generation«, das selbst ein historisches Konstrukt ist und bisweilen eher einer − auch durch die Wissenschaft angeschobenen − Sinnstiftung als dem Erkenntnisfortschritt dient, Dorothee Wierling: Wie (er)findet man eine Generation? Das Beispiel des Geburtsjahrgangs 1949 in der DDR, in: Reulecke: Generationalität (Anm. 3), S. 217–228, hier S. 218 f.
6 Reinhart Koselleck: Vom Sinn und Unsinn der Geschichte, in: ders.: Vom Sinn und Unsinn der Geschichte. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Hg. und mit einem Nachwort von Carsten Dutt, Frankfurt/M. 2010, S. 9–31, hier S. 27 (erstmals 1997 erschienen).
7 Ferenc Fehér/Agnes Heller: Der Marxismus als kulturelle Bewegung, in: Friedhelm Neidhardt/M. Rainer Lepsius/Johannes Weiß (Hg.): Kultur und Gesellschaft. Sonderheft 27 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 1986, S. 302–313; zu den historischen Ursprüngen dieses Denkens siehe Richard Weikart: Socialist Darwinism. Evolution in German Socialist Thought from Marx to Bernstein, San Francisco/Calif. 1998. Einen überzeugenden Versuch, sich kommunistischen Denk-
formen aus heutiger Sicht anzunähern, ohne sie zu verurteilen, macht Boris Groys: Das kommunistische Postskriptum, Frankfurt/M. 2006.
8 Erich Honecker: Aus meinem Leben, Berlin (Ost) 1981, S. 13. In einem umfangreichen Interview, das er zwischen Februar und Mai 1990 gab, betonte Honecker, »daß die Frage des Alters eines Funktionärs in der Arbeiterbewegung nie eine Rolle gespielt« habe. Reinhold Andert/Wolfgang Herzberg: Der Sturz. Honecker im Kreuzverhör, Berlin/Weimar 1990, S. 55.
9 Siegfried Weichlein: Milieu und Mobilität. Generationelle Gegensätze in der gespaltenen Arbeiterbewegung der Weimarer Republik, in: Klaus Schönhoven/Bernd Braun (Hg.): Generationen in der Arbeiter-
bewegung, München 2005, S. 165–192, hier S. 191.
10 Detlev J.K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt/M. 1987, S. 87–100, hier S. 94; weiterhin programmatisch Hans Mommsen: Generationskonflikt und Jugendrevolte in der Weimarer Republik, in: Thomas Koebner/Rolf-Peter Janz/Frank Trommler (Hg.): »Mit uns zieht die neue Zeit«. Der Mythos der Jugend, Frankfurt/M. 1985, S. 50–67; für die politische Rechte Stefan Breuer: Anatomie der konservativen Revolution, 2. Aufl. Darmstadt 1995, insbesondere S. 25–48.
11 Weichlein: Milieu und Mobilität (Anm. 9), S. 167 f.; Klaus-Michael Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996, S. 106.
12 Jutta Stehling: Karl Liebknecht, der Sohn, in: Koebner/Janz/Trommler: »Mit uns zieht die neue Zeit« (Anm. 10), S. 394–411, hier S. 400; zu Rosa Luxemburg siehe Eric D. Weitz: »Rosa Luxemburg Belongs to Us!« German Communism and the Luxemburg Legacy, in: Central European History 27 (1994),
H. 1, S. 27–64.
13 Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik (Anm. 11), S. 106–118, hier S. 106; zur Jugend-
politik in der Sowjetunion der Zwanziger- und Dreißigerjahre siehe Corinna Kuhr-Korolev: »Gezähmte Helden«. Die Formierung der Sowjetjugend 1917–1932, Essen 2005.
14 Honecker: Aus meinem Leben (Anm. 8), S. 7–25, hier S. 25; allgemein Epstein: The Last Revolutionaries (Anm. 2), S. 41 f.
15 Siehe Eve Rosenhaft: Links gleich rechts. Militante Straßengewalt um 1930, in: Thomas Lindenberger/Alf Lüdtke (Hg.): Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, Frankfurt/M. 1995, S. 238–275, hier S. 238; am Beispiel Berlins Pamela E. Swett: Neighbors & Enemies. The Culture of Radicalism in Berlin, 1929–1933, Cambridge/Mass. 2004.
16 Für die KPD Carsten Krinn: Zwischen Emanzipation und Edukationismus. Anspruch und Wirklichkeit der Schulungsarbeit der Weimarer KPD, Essen 2007, S. 563–580; für die SPD Ulrich Hermann: »Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt«. Die Arbeiterjugendbewegung – die »andere« Jugendbewegung in Deutschland und Österreich, in: Heinrich Eppe/Ulrich Hermann (Hg.): Sozialistische Jugend im 20. Jahrhundert. Studien zur Entwicklung und politischen Praxis der Arbeiterjugendbewegung in Deutschland, Weinheim/München 2008, S. 19–42.
17 Siehe Anne Harrington: Die Suche nach Ganzheit. Die Geschichte biologisch-psychologischer Ganzheitslehren. Vom Kaiserreich bis zur New-Age-Bewegung, Reinbek 2002, S. 58–79; zur wechselseitigen Durchdringung von politischer Idee und Aktion, wenn auch am Beispiel der SA in der Weimarer Republik, Sven Reichardt: Praxeologie und Faschismus. Gewalt und Gemeinschaft als Element eines praxeologischen Faschismusbegriffs, in: Karl H. Hörnig/Julia Reuter (Hg.): Doing Culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis, Bielefeld 2004, S. 129–153.
18 Epstein: The Last Revolutionaries (Anm. 2), S. 100–107; Weitz: Creating German Communism
(Anm. 4), S. 313–321.
19 Zentrale Mitgliederversammlung der SPD am 7. Februar 1946, in: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, SPD-Bezirksvorstand Leipzig, Nr. 5, Bl. 83.
20 Siehe die 2. Sitzung des Parteivorstands der SED am 14./15. Mai 1946, in: Stiftung Archiv der Partei- und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Berlin, DY 30/IV 2/1/2, Bl. 65.
21 Für Ost- wie für Westdeutschland innovativ Jaimey Fisher: Disciplining Germany. Youth, Reeducation, and Reconstruction after the Second World War, Detroit/Mich. 2007, S. 259–274.
22 Gareth Pritchard: The Making of the GDR. From Antifascism to Stalinism, Manchester/New York 2000, S. 86; Peter Hübner: Einleitung. Antielitäre Eliten?, in: ders. (Hg.): Eliten im Sozialismus. Beiträge zur Sozialgeschichte der DDR, Köln 1999, S. 9–35, hier S. 17–21; für die FDJ der frühen Jahre Ulrich Mählert: Die Freie Deutsche Jugend 1945–1949. Von den »Antifaschistischen Jugendausschüssen« zur SED-Massenorganisation. Die Erfassung der Jugend in der Sowjetischen Besatzungszone, Paderborn 1995.
23 Etwa Lutz Niethammer: Erfahrungen und Strukturen. Prolegomena zu einer Geschichte der Gesellschaft der DDR, in: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 95–115, hier S. 104 f.
24 Siehe Fisher: Disciplining Germany (Anm. 21), S. 3–17, für die SBZ/DDR S. 259–274; sowie Jennifer M. Kapczynski: The German Patient. Crisis and Recovery in Postwar Culture, Ann Arbor/Mich. 2008, S. 19 f.
25 1931 trat Heinz Brandt (1909–1986) der KPD bei. Von 1934 bis 1945 war er in den Lagern Sachsenhausen, Auschwitz und Buchenwald inhaftiert. Zunächst in führenden Positionen der Berliner SED tätig, begann er die Politik Walter Ulbrichts zu kritisieren. 1961 vom MfS in die DDR entführt und zu
13 Jahren Zuchthaus verurteilt, sorgte eine weltweite Kampagne für seine vorzeitige Freilassung. Heinz Brandt: Ein Traum, der nicht entführbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West, Berlin 1977, S. 165.
26 Siehe Alan McDougall: Youth Politics in East Germany. Free German Youth Movement 1946–1968, Oxford 2004, S. 4–8 u. S. 19–25.
27 Wolfgang Engler: Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land, 5. Aufl. Berlin 2008, S. 125; auch Dorothee Wierling: Über die Liebe zum Staat – der Fall der DDR, in: Historische Anthropologie 8 (2000), H. 2, S. 236–263, hier S. 255.
28 Siehe Thomas Klein: »Für die Einheit und Reinheit der Partei«. Die innerparteilichen Kontrollorgane der SED in der Ära Ulbricht, Köln 2002.
29 Am Beispiel von NS-Belasteten in Führungspositionen der Thüringer SED Heinrich Best: The Formation of Socialist Elites in the GDR: Continuities with National Socialist Germany, in: Historical Social Research 35 (2010), H. 3, S. 36–46, hier S. 44 f.
30 So die Worte von Rudolf Lindau, dem ersten Leiter in der Geschichtsabteilung des Marx-Engels-Lenin-Instituts des ZK der SED, das im Herbst 1949 seine Arbeit aufnahm, zitiert in: Siegfried Lokatis: Der rote Faden. Kommunistische Parteigeschichte und Zensur unter Walter Ulbricht, Köln 2003, S. 65; zur Entstehung des »Erinnerungsarchivs« im späteren Institut für Marxismus-Leninismus auch Catherine Epstein: The Production of »Official Memory« in East Germany. Old Communists and the Dilemmas of Memoir-Writing, in: Central European History 32 (1999), H. 2, S. 181–201.
31 Dahlem: Jugendjahre (Anm. 1), S. 7; ähnlich Alfred Kurella: Wofür haben wir gekämpft? Rede auf dem Akademie-Gesprächsforum »Künstler im antifaschistischen Widerstandskampf« anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973, in: ders.: Wofür haben wir gekämpft? Beiträge zur Kultur und Zeitgeschichte, Berlin/Weimar 1973, S. 7–18.
32 Siehe Engler: Die Ostdeutschen (Anm. 27), S. 111–140, Zitate S. 131 u. S. 135; ähnlich Rainer Gries: »… und der Zukunft zugewandt«. Oder: Wie der DDR das Jahr 2000 abhanden kam, in: Enno Bünz/Rainer Gries/Frank Möller (Hg.): Der Tag X in der Geschichte. Erwartungen und Enttäuschungen seit tausend Jahren, Stuttgart 1997, S. 309–333.
33 Siehe Ohse: Jugend nach dem Mauerbau (Anm. 3), S. 372.
34 Siehe Alf Lüdtke: Alltage »in unserer Ebene«. Anfragen zu den Perspektiven auf die 1970er und 1980er Jahre in der DDR, in: Renate Hürtgen/Thomas Reichel (Hg.): Der Schein der Stabilität. DDR-Betriebs-
alltag in der Ära Honecker, Berlin 2001, S. 295–300.
35 Gries: »… und der Zukunft zugewandt« (Anm. 32), S. 326.
36 Siehe Pfeil: Zwischen Parteilichkeit und Geschichte (Anm. 1), Zitat S. 87; Epstein: The Production of »Official Memory« (Anm. 30).