JHK 2012

Zukunftsdenken in der DDR am Beispiel der Jugendweihe. »Vorbereitet auf das kommunistische Morgen«.

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 187-202 | Aufbau Verlag

Autor/in: Ulrike Breitsprecher

Zukunftsdenken in der DDR am Beispiel der Jugendweihe. »Vorbereitet auf das kommunistische Morgen«.1

Im November 2010 feierte der Dokumentarfilm Heute war damals Zukunft Premiere. Er zeigt, wie eine Klasse mit ihren Schul-Aufsätzen aus dem Jahr 1985 konfrontiert wird. Thema des Aufsatzes war die Frage, wie die damals 15-Jährigen sich ihr Leben im Jahr 2010 vorstellen. Entgegen der Vermutung, die Jugendlichen würden die politischen Ideen der DDR wiedergeben, stellten sich die meisten Schüler und Schülerinnen ihre Zukunft mit Reisefreiheit, familiärem Glück und ausreichend materiellen Gütern vor. Wünsche, wie einen Mercedes zu besitzen, jährlich eine Reise in die weite Welt zu unternehmen oder die eigene Familie gesund und finanziell abgesichert zu wissen, waren weitaus häufiger zu finden als die zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf den weltweiten Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus. Dies kann als Zeichen für eine entpolitisierte und privatisierte Jugend in den Achtzigerjahren gewertet werden, in der sich die Jugendlichen mehr für kulturelle oder familiäre Angelegenheiten interessierten und weniger über Politik definierten.2

Der vorliegende Artikel fragt nach den Zukunftsvorstellungen in der DDR. Diese werden im Folgenden sowohl anhand von Jugendweihebüchern untersucht, die bei den Jugendweihefeiern überreicht wurden, als auch anhand von Teilnehmerheften zu Jugendstunden, die die 14-Jährigen auf die Jugendweihe und das Erwachsenenleben in der DDR vorbereiten sollten. Als zusätzlicher Untersuchungsgegenstand werden einige Ausgaben der Zeitschrift Jugend und Technik hinzugezogen.3 Da diese Vorstellungen im Lauf der Zeit und im Zuge der sich wandelnden Gesellschaft Veränderungen unterlagen, soll auch auf diese Entwicklungen näher eingegangen werden. Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Dokumentarfilm kann anhand des hier untersuchten Materials jedoch nicht wiedergegeben werden, welches konkrete Bild entstand, wenn die Jugendlichen in der DDR sich ihre Zukunft ausmalten. Allenfalls kann gezeigt werden, wie die SED-Politik versucht hat, auf ihr Denken Einfluss zu nehmen. Welche Auswirkungen bzw. ob diese Einflussnahme Erfolg hatte, muss ebenfalls an anderer Stelle untersucht werden.

Bisher gibt es nur wenige Untersuchungen und Forschungsprojekte zum Zukunftsdenken in der DDR. Eingehend damit befasst hat sich Rainer Gries in seinem Aufsatz »... und der Zukunft zugewandt«, in dem er die Bedeutung des Jahres 2000 für die DDR beschreibt,4 und diese mit vielen illustrierenden Beispielen belegt. Der vorliegende Artikel wird anhand eines Quellensatzes die Veränderungen im Zukunftsdenken grundsätzlich beschreiben können. Die Gründe für diesen Wandel sind sowohl in den Entwicklungen der SED-Politik als auch innerhalb der DDR-Gesellschaft selbst zu suchen. Im Hinblick auf die Frage nach den Veränderungen im Zukunftsdenken der DDR-Gesellschaft werden daher auch Aussagen zur politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in der DDR getroffen werden.

1953 führte die DDR die Jugendweihe als sozialistische Alternative zur christlichen Konfirmation ein. Damit sollte ein Angebot für diejenigen Familien geschaffen werden, die ihre Kinder nicht christlich erziehen, aber auch nicht auf das feierliche Ritual des Übergangs der Kinder ins Erwachsenenalter verzichten wollten. So sollte die Kirche als Institution ins Abseits gedrängt und ihre Bedeutung für die Gesellschaft auf ein Minimum reduziert werden. Gleichzeitig konnte die SED über die Vorbereitungsstunden zur Jugendweihe politisch Einfluss auf die Jugendlichen nehmen und diese nach ihren sozialistischen Idealen und politischen Vorstellungen formen. Die Beschreibung der sozialistischen Zukunft machte allerdings nur einen kleinen Teil der Jugendstunden aus. Gerade in den Jugendweihebüchern wurde größtenteils naturwissenschaftliches Wissen vermittelt. Es wurden z. B. Fragen wie »Was ist ein Atom?« oder »Wie entstand die Erde?« beantwortet. Aber auch Themen wie die Geschichte der Arbeiterbewegung, die Ideen des Marxismus-Leninismus oder aktuelle politische Probleme der Welt wie Hunger oder Umweltverschmutzung wurden behandelt. Die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten blieb jedoch recht undifferenziert und mündete in einem einfachen Lösungsangebot: Sozialismus weltweit.

Von 1953 bis 1989 sind fünf verschiedene Ausgaben der Jugendweihebücher erschienen. Die zeitlichen Abstände, in denen die einzelnen Neuausgaben publiziert worden sind, variieren erheblich.

Die Teilnehmerhefte der Jugendstunden bilden eine weitere Grundlage für diese Untersuchung. Sie sind inhaltlich weniger »wissenschaftlich«, dafür im Ton weitaus politischer. Der Anspruch, Wissen zu vermitteln, tritt hier in den Hintergrund, dafür werden die Alltagsprobleme der Jugendlichen stärker in den Mittelpunkt gerückt. In den Teilnehmerheften wird ganz deutlich ein moralischer, realpolitischer Standpunkt vertreten; über die Jahrzehnte machten die Bände jedoch einen vergleichsweise starken inhaltlichen Wandel durch. Sie starten in den Fünfzigerjahren mit klaren utopischen Vorstellungen und verkommen in der Folge zu bloßen Beratungsheften für die Jugendweihefeier.

Leider gibt es für die Fünfziger- und Sechzigerjahre nur zwei Teilnehmerhefte, die untersucht werden konnten. Hingegen liegen für die Siebziger- und Achtzigerjahre Hefte aus jedem Jahrgang vor, die regelmäßig überarbeitet wurden; Inhalt und Gestaltung änderten sich von Jahr zu Jahr.

Zukunftsdenken als immanentes Moment im Sozialismus

Die eigene Staatsgründung wurde in der DDR als Wendepunkt in der deutschen Geschichte angesehen. Mit der bürgerlich-konservativen Tradition, die schließlich zum Nationalsozialismus geführt hatte, war gebrochen worden, und so war der Weg frei für eine fortschrittliche sozialistische Welt.5 Da aber der Großteil der deutschen Bevölkerung aktiv am Nationalsozialismus und seinen Verbrechen partizipiert hatte oder zumindest als von seiner menschenverachtenden Propaganda infiltriert galt, blieb nur die Jugend, die als unverbraucht und politisch formbar wahrgenommen wurde.6 Nicht nur in dieser besonderen Situation der deutschen Nachkriegsgeschichte galt die Jugend als Wegbereiter einer besseren Zukunft. In der Regel diente sie allen sozialistischen Bewegungen und Gesellschaften als besonderer Adressat und Hoffnungsträger politischer Ideen und Utopien bzw. Vorstellungen von einer besseren Zukunft.7

Utopisches Denken bzw. Zukunftsdenken sind immanente Momente in der Ideengeschichte der Sozialisten und Kommunisten. Der marxistische Philosoph Leszek Kołakowski sieht Utopie als »jenen Zustand des sozialen Bewusstseins, der einer sozialen Bewegung entspricht, die auf radikale Veränderungen der menschlichen Gesellschaft hinzielt, […]. Utopie ist also das mystifizierte Bewusstsein der tatsächlichen geschichtlichen Tendenz.«8 Er ergänzt dazu, Utopien seien individuell konstruierte Modelle einer Welt, wie sie sein sollte. Sie seien damit wesentliche Triebkräfte, die aus dem theoretischen und moralischen Denken in das praktische Denken übergingen. Allerdings müssten Utopien bloße Erscheinungen der Gedankenwelt und außerhalb der Planung bleiben. Sie der Wirklichkeit aufzuzwingen, würde das Ende der Utopie bedeuten.9

Die Historikerin Hanna Behrend fasst zusammen, dass es heute keine politischen Utopien mehr gibt, und sieht dies im Versuch der DDR, die Zukunft wissenschaftlich abzuleiten, begründet. Utopien waren nach Behrend Angebote, über aktuelle Gesellschaftsprobleme und Reformvorstellungen nachzudenken und zu diskutieren.10 Solche Angebote sollte es in der DDR jedoch gar nicht geben. Die Konsequenz war, dass es in der zweiten Jahrhunderthälfte zu einer Stagnation der Zukunftsvorstellungen und zu einer Verdrängung der utopischen Visionen aus der Öffentlichkeit kam.11 Die Vorstellung von Zukunft entwickelte sich von einer utopisch-bildlichen zu einer wissenschaftlich-technikfixierten. Aus Zukunftsdenken wurde Fortschrittsdenken, und damit starb das utopische Moment ab. Dies belegt auch das folgende Zitat aus dem Jugendweihebuch von 1960: »Dabei muß man sich immer vor Augen halten, daß die Zukunft aus verständlichen Gründen weder unvernünftig noch rückständig oder gar reaktionär sein kann – anders würde es sie gar nicht geben! Die Zukunft ist immer fortschrittlich, dem Fortschritt aufgeschlossen, dem Neuen zugeneigt; das versteht sich von selbst.«12

Mit dem Begriff des Fortschritts setzten sich die sozialistischen Denker von der Vergangenheit und der Gegenwart ab und machten Platz für das Morgen. Laut des Historikers Martin Sabrow hatte der Fortschrittsglaube eine enorme Mobilisierungskraft. Mit der Zeit verlor aber auch dieser Begriff seine Bedeutung und es fand eine »Amalgamierung von Plan und Fortschritt« statt, so Sabrow.13

Vom Atomeisbrecher zur Frisurenberatung

Das Buch Weltall Erde Mensch bekamen die jungen Erwachsenen erstmals zur Jugendweihe 1954 überreicht.14 Neben naturwissenschaftlichen Themen behandelte der Band auch die Geschichte der Menschheit, den Klassenkampf und den Sozialismus/Kommunismus in dem Kapitel »die Epoche der revolutionären Umgestaltung von Natur und Gesellschaft«. In diesem Abschnitt des Buches wurden die Gesetzmäßigkeit des historischen Materialismus und die Errungenschaften der Sowjetunion, wie die Bewässerung der Steppe oder gigantische Sonnenanlagen, die den Weg für den Kommunismus bereiteten, unterstrichen. Nur der Kommunismus könne technischen Fortschritt und somit auch gesellschaftlichen Fortschritt für die Menschheit bringen. Es wurden jedoch kaum konkrete Bilder von der Zukunft entworfen, sondern es wurde nur die Gegenwart als ihr Aushängeschild betrachtet.

Im Jahr 1957 erschien das zweite Jugendweihebuch mit dem Titel Unser Deutschland. Im Gegensatz zum ersten Jugendweihebuch Weltall Erde Mensch wird nicht die Entstehung und Entwicklung der Welt und der Natur, sondern ein Abriss der deutschen Geschichte und Tradition in Literatur, Kultur und Politik aus Sicht der SED dargestellt. Es wird eine deutsche Traditionslinie von Goethe über Friedrich Engels zu Alexander Abusch präsentiert, die mit zwei Aufsätzen über die Zukunft abschließt. In diesen beiden Artikeln wird eine Welt entworfen, in der einerseits die Heimat Deutschland mit sozialistischer Gesellschafts- und Wirtschaftsform vereint ist und sich andererseits viele technische Erfindungen wie Schnellzüge, Atomheizwerke oder Computer durchgesetzt haben. Die zukünftige Welt ist sauber, die Arbeit ist leicht, und die Menschen haben viel Freizeit zur allgemeinen Bildung.

Auch das Teilnehmerheft aus dem Jahr 1957 koppelt den gesellschaftlichen Fortschritt an zunehmende Technologisierung, insbesondere an die Atomkraft, mit der die Hoffnung verknüpft war, schon bald Atomeisbrecher und -Eisenbahnen bauen zu können. Autos und Flugzeuge der Zukunft werden vorgestellt – anhand dieses technischen Fortschritts sollte sich ablesen lassen, inwiefern der Aufbau des Sozialismus in der DDR und des Kommunismus in der UdSSR bereits gelungen waren.

Wie in dem Jugendweihebuch Unser Deutschland kam das Thema Zukunft in einem Anleitungsheft für die Jugendstundeleiter nur am Rande vor. Die erste Stunde hieß zwar »Was bedeutet die Jugendweihe. Der Schritt ins Leben, heute und morgen«, jedoch widmeten sich die folgenden Stunden der Geschichte der Menschheit, der Naturbeherrschung und der Notwendigkeit des Friedens.

Das dritte Jugendweihebuch erschien 1960 mit dem Titel Unsere Welt von morgen, welches im Hinblick auf Zukunftsvorstellungen wohl als das spannendste gelten kann. Es ist gespickt mit Visionen von einer sozialistischen Zukunft, die ausgesprochen technikfixiert ist. Einige der in dem Buch skizzierten Ideen, wie zum Beispiel die einer Geschirrspülmaschine, sind im heutigen Alltag umgesetzt. Der rote Faden, der sich durch das Buch zieht, ist die Darstellung des zukünftigen Sozialismus in der DDR und ihrer Bruderstaaten. Es geht den Autoren Karl Böhm und Rolf Dörge nicht um Fantasien oder Spekulationen, sondern um konkrete Antworten auf die Frage nach der Zukunft. Eine Illustration mit dem Titel »Feldarbeit – morgen« ist zum Beispiel mit folgendem Begleittext versehen: »Die Landarbeit auf den Großflächen ist vollmechanisiert und zum Teil sogar automatisiert. Mit Hilfe der neusten Errungenschaften von Wissenschaft und Technik werden alle Möglichkeiten zur Ertragssteigerung und zur Entlastung von schwerer und zeitraubender Arbeit ausgenützt. Jede Rückständigkeit, Armseligkeit und Mühsal des Lebens und Arbeitens auf dem Lande sind überwunden.«15

Auch die Kaufhäuser der Zukunft werden beschrieben: Sie sind so organisiert, dass sich der Kunde mithilfe eines »plastischen Übersichtsplan[s], der in jedem Foyer aufgebaut ist«,16 orientieren kann und dass es bei der »Bezahlung genügt, daß er Kontonummer und Unterschrift auf das Blatt setzt, für die Lieferung, daß er seine Adresse angibt«.17 Somit folgt das Buch der Tradition seiner Vorgänger und erklärt die Welt von einem naturwissenschaftlichen Standpunkt aus. Darüber hinaus geht es besonders auf die technischen und wissenschaftlichen Fortschritte in der Forschung ein. Der Band beginnt mit einem Zitat von Lenin über die Notwendigkeit des Träumens und ist in drei Kapitel unterteilt: »Fundamente für das Morgen« (Wissenschaft und Technik), »Blick in die Zukunft« (Veränderung der Natur und der Gesellschaft) und »Wie wir morgen leben werden« (Veränderung der Menschen). In allen drei Kapiteln werden Teilbereiche der Gesellschaft vorgestellt, wie sie in naher Zukunft aussehen werden: voll automatische Fabriken und Arbeitsorte, neue Großstädte, moderne Freizeit- und Urlaubsorte, Fabriken im sogenannten ewigen Eis, Nutzung der Meere, zentrale Großkaufhäuser usw. Technik und Forschung würden alle Bedürfnisse der Menschen befriedigen, und die Natur werde so weit verändert, dass sie dem Menschen diene. Gerade die Nutzung von Atomkraft wird dabei als Schlüsseltechnologie des Fortschritts stilisiert. Die Automatisierung von Produktionsabläufen und der Einsatz von Maschinen anstelle von Menschen wird in allen gesellschaftlichen Bereichen propagiert. Das Motto lautet: schneller, höher, weiter. Die Illustration »Anlegestelle im Ostseebad« ist in diesem Sinne mit folgender Bildunterschrift versehen: »Wassersport und Schiffsreisen werden in der Zukunft einen ungeahnten Aufschwung nehmen. Auch der Frachtentransport zu Wasser wird anschwellen. Neue Schiffstypen aller Größen und Arten werden die Gewässer bevölkern, viele von ihnen aus Kunststoff, die größeren durchweg mit Atomantrieb versehen.«18

Auch wenn der technische Fortschritt zugunsten des Menschen stattfinden sollte, um sein Leben zu erleichtern, verschwindet der Mensch als eigentlicher Profiteur hinter den Beschreibungen und Ausführungen der kommenden technisierten Welt. Nicht der Mensch wird die Zukunft gestalten, sondern die Technik.

1961 wird im Jugendstundebuch für die Leiter die Bedeutung der Jugendweihe wie folgt zusammengefasst: »So trägt die Kulturarbeit auch auf dem Gebiet der Jugendweihe mit dazu bei, das Antlitz des Menschen der sozialistischen Zukunft zu formen.«19 Dieses Zitat stößt damit in eine ähnliche Richtung wie der Inhalt des Buches Unsere Welt von morgen: »Bei uns in den sozialistischen Ländern, die im Zeitraum unserer Vorausschau allerdings bereits einen größeren Teil der Welt als heute umfassen dürften, wird es so sein, daß trotz des Großeinsatzes elektronischer Rechenmaschinen und anderer Apparate zur Steuerung der Produktions- und anderer Vorgänge der einzelne Mensch weder ›überfahren‹ oder ›geknechtet‹ noch auch nur geschmacklich bevormundet wird.«20

Bei allem technischen Fortschritt geht es also immer auch um die Verbesserung der Lebensqualität des Menschen. »Gleichzeitig erhalten die arbeitenden Menschen von morgen aber die Zeit für jene Ausbildung, die sie für die Ansprüche von morgen sowohl in ihrer Arbeit als auch in ihrem ganzen Leben brauchen.«21 Durch die Verbesserung der Lebensqualität mittels des Einsatzes von Maschinen sollen die Menschen zwar mehr Freizeit zur Verfügung haben, jedoch mündet diese Vorstellung immer darin, dass sich die Menschen in dieser Zeit reproduzieren und sich für die Arbeit weiterbilden sollen. Im Fokus stehen nicht die Persönlichkeit und die Bedürfnisse der Menschen, sondern ihre Arbeitskraft: »[...] die zunehmende Verbesserung unserer Kindergärten und -horte, die Verkürzung der Arbeitszeit und die Entlastung der Hausfrau von überflüssiger, zeitraubender und schwerer Hausarbeit mit der Hilfe der Maschinen […]« ermöglicht es »ihr immer mehr, berufstätig zu sein […]«.22

Auch in der Zeitschrift Jugend und Technik beherrschen Ende der Fünfzigerjahre noch eher utopistische Zukunftsvisionen das Bild: »Stellen wir uns vor, daß wir im Jahre 2059 leben. Überall in Deutschland und der Welt leben die Menschen frei von der Furcht vor einem Atomkrieg. In ganz Deutschland hat der Kommunismus gesiegt. Die Grenzen zwischen körperlicher und geistiger Arbeit sind beseitigt. Die Menschen arbeiten in den volkseigenen Betrieben an vollautomatischen Maschinen, deren Bedienung zwar ein gutes fachliches Wissen voraussetzt, aber abgesehen von einigen notwendigen Handgriffen kaum körperliche Arbeit verlangt. Da ihre Arbeitszeit nur 5 bis 6 Stunden beträgt, können sie den größten Teil der Zeit zur fachlichen, kulturellen und politischen Weiterbildung, zur Erholung oder sportlichen Betätigungen verwenden. Die Menschen sind gesund und fühlen sich frei von jeder Sorge um die Erhaltung ihrer Existenz.«23 Die Zukunft wird darüber hinaus mit kosmischen Fernsehstationen, atombetriebenen Schiffen und Flugzeugen beschrieben. Die Städte sind frei von Lärm und Staub, riesige Stauseen verändern die Kontinente, und die Heilung von Krankheiten wie Krebs oder Tuberkulose wird möglich sein.

Das Teilnehmerheft von 1969 beginnt mit folgenden Sätzen von Albert Norden an die jungen Menschen: »Die sozialistische Zukunft fordert euch heraus. Nehmt diese Herausforderung an! Wißt, daß unsere sozialistische Gesellschaft noch nicht fertig, nicht vollendet ist, […] Liebt die Zukunft! Eilt ihr entgegen! Beschleunigt ihr Kommen! […].«24 Glaubt man den Texten des Teilnehmerheftes, findet das schöne Leben natürlich im Sozialismus statt, der als eine technische Welt beschrieben wird, in der Menschen kontrolliert Kernfusion betreiben, selbstlernende Maschinen erschaffen, zum Mond fliegen, ein Heilmittel gegen Krebs entwickeln und synthetische Nahrungsmittel erzeugen. Der Beginn der Zukunft ist nun vom individuellen Einsatz jedes Einzelnen abhängig. Obwohl der Sozialismus immer noch als Notwendigkeit der Geschichte dargestellt wird, werden die Jugendlichen im Namen der Zukunft und des Fortschritts in die Pflicht genommen: »Vor Euch liegt eine schöne Zukunft. Ihr selbst werdet durch die Aneignung eines hohen Wissens und durch Eure ständige Einsatzbereitschaft für den Sozialismus diese herrliche Perspektive mitbestimmen«.25

Ab 1972 wurde das Buch Weltall Erde Mensch neu aufgelegt und bei der Jugendweihe als Geschenk verteilt. Nach den bereits bekannten Texten und Erklärungen über die Entstehung des Lebens, über die revolutionären Eigenschaften des Atoms und die Geschichte der Arbeiterbewegung trägt das letzte Kapitel nun den Titel »Der Kommunismus – die Zukunft des Menschen«. In diesem letzten Abschnitt des Buches werden einerseits die technischen Entwicklungen gepriesen und andererseits die sich daraus ergebenden positiven Aspekte für die Menschen angeführt. Der Kommunismus und somit die Zukunft hätte bereits in der Sowjetunion und ihren Bruderstaaten begonnen, und der Kommunismus würde irgendwann die ganze Welt erobern: »Die DDR gehört untrennbar zum sozialistischen Weltsystem. […] Auf diese Weise können sie [die Mitglieder im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, U. B.] gemeinsam ein hohes Tempo der gesellschaftlichen Entwicklung erreichen. […] Der Sieg des Kommunismus wird die Menschheit für immer von Kriegen und von den erbitterten Kämpfen innerhalb der Gesellschaft befreien; der Sieg des Kommunismus wird für immer Ungerechtigkeit, Kulturlosigkeit und Unwissenheit verbannen; der Sieg des Kommunismus wird der endgültige Triumph des Menschlichen über das Unmenschliche auf der ganzen Welt sein – wahrer realer Humanismus.«26

1975 wurde Weltall Erde Mensch schließlich durch das Buch Der Sozialismus – Deine Welt als Jugendweihegeschenk ersetzt. Dieser Band zeichnet sich durch deutlich weniger wissenschaftliche Erklärungen und mehr Gesellschaftsanalyse aus. Der junge Mensch als zukünftiges Mitglied der sozialistischen Gesellschaft der DDR steht im Mittelpunkt. Im ersten Teil wird dabei intensiv die Idee und die Geschichte des Sozialismus behandelt, um daraus Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen. Am Ende des Buches wird die Rolle des Jugendlichen in dieser Gesellschaft näher behandelt. Als Zukunftsvision wird nicht mehr der technische Fortschritt in den Fokus gerückt, sondern der Sieg bzw. die Etablierung des Sozialismus. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden stehen nun der Mensch und die Gesellschaft im Vordergrund. Themen wie Internationalismus, Befreiung der sogenannten Dritten Welt, Bildung und die sozialistische Kultur werden behandelt. Die Zukunftsvision Sozialismus wird aus der Gegenwart abgeleitet und weist sehr konkrete und realistische Vorstellungen auf. Immer wiederkehrende Themen zu diesem Zeitpunkt waren die Sicherheit des Arbeitsplatzes oder auch eine moderne Wohnung für jede Familie. Auch die Illustrationen zeugen von einem Umbruch im utopischen Denken. Während in den vorherigen Büchern auf Zeichnungen zurückgegriffen wurde, kann nun anhand von Fotos dargelegt werden, dass die Zukunft bereits begonnen hat. Dennoch bleibt es, wie bei den technischen Zukunftsentwürfen aus den früheren Jugendweihebänden, bei einer geschichtsdeterministischen Vorstellung von Zukunft. Auch wenn Technik als Garant für Fortschritt und Zukunft propagiert wird, geht es weniger um Technik als solche, sondern um deren Nutzung durch den Menschen. Im Gegensatz zum Buch Unsere Welt von morgen ist es hier der Mensch als Teil der Gesellschaft, der die Verantwortung für den Erhalt des Sozialismus und dessen Umwandlung in den Kommunismus trägt. Jeder ist von nun an gehalten, seinen Teil für den Sozialismus, also für eine noch bessere Gesellschaft, beizutragen. Der persönliche Einsatz und vor allem Arbeit werden als die Wegbereiter des weltweiten Sozialismus bzw. Kommunismus benannt. Die Steigerung der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, Modernisierung, neue Wohnungen oder die Einsparung von Rohstoffen werden jedoch nicht durch die Individuen, sondern vorrangig durch die Pläne der Politik realisiert.

Im Teilnehmerheft von 1975/76 wird die Zukunft ebenfalls wieder als Sozialismus bzw. Kommunismus deklariert. Der historische Materialismus findet seine volle Entfaltung, und die Jugendlichen werden aufgerufen, ihren Beitrag zur Realisierung des Sozialismus zu leisten. Ein Zitat aus der Einleitung zum ersten Themenkomplex, »Der Sozialismus – unser Heute und Morgen«, verdeutlicht dies: »Der Sozialismus ist eure Welt, in der ihr aufwachst, an deren Gestaltung ihr schon heute als Jugendliche mitarbeitet. Ihr werdet das noch besser tun, wenn ihr wißt, warum dem Sozialismus die Zukunft gehört […].«27 Dieser Duktus wird auch im dritten Themenkomplex, »Wir erkennen die Welt und verändern sie«, im Teilnehmerheft 1977/78 deutlich und bleibt auch in den Folgejahren erhalten: »Ihr, die ihr berufen seid, Erbauer des Kommunismus zu sein, widmet eure ganze jugendliche Tatkraft, euren Mut wie eure Besonnenheit und Umsicht, eure Leidenschaft wie euer Wissen und Talent, eure Lebensfreude wie eure Standhaftigkeit und Ausdauer der größten und schönsten Aufgabe, die jemals einer jungen Generation gestellt wurde. Erweist euch mit kämpferischem Elan und wachem Verstand als treue Erben des Manifestes der Kommunistischen Partei und gestaltet eure Leben nach den Idealen des Kommunismus.«28

Auch die Ausgaben der Zeitschrift Jugend+Technik aus dem Jahr 1975 widmen sich in ihren Artikeln stärker geschichtlichen und politischen Themen. Hier lassen sich kaum Vorstellungen und Versprechen von Zukunft finden, und wenn doch, wird sie mit technischem Fortschritt gleichgesetzt. Die Gegenwart und die Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklung stehen im Vordergrund.29

Das letzte Jugendweihebuch Vom Sinn unseres Lebens aus dem Jahre 1984 knüpft an den mobilisierenden Charakter seines Vorgängers an. Es wird immer wieder betont, dass die Realisierung des Sozialismus bzw. Kommunismus den Einsatz und die Leistung jedes Einzelnen in der Gesellschaft voraussetzt. Die gegenwärtigen Erfolge werden gefeiert und die schweren Opfer dafür hervorgehoben. Der Kommunismus wird als Ziel benannt, jedoch nicht mehr als Utopie, sondern als tatsächlich realisierbares Ideal. Als Ideal wird eine Welt gepriesen, in der Arbeitsplätze sicher sind und die Miete bezahlt werden kann. In den kapitalistischen Staaten sei dies nicht möglich, weshalb es notwendig sei, den Kapitalismus abzuschaffen. Es wird eine Trennung von persönlichen und gesellschaftlichen Idealen vorgenommen, die allerdings immer wieder verschwimmt. Insbesondere die Jugend wird als Zukunftsträger idealisiert; eine Jugend, der es noch erlaubt ist, zu träumen. Gleichzeitig wird immer wieder die Gegenwart in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt und an den Realitätssinn appelliert. Im Gegensatz zu den Fortschrittsversprechen des Bandes Unsere Welt von morgen kommt es hier zu einer Individualisierung von Zukunft. Es liegt nun in der Hand jedes Einzelnen, was er oder sie aus ihrem Leben macht, aber auch, welcher individuelle Beitrag zur Verwirklichung des weltweiten Sozialismus bzw. Kommunismus vonnöten ist. Der deutlich schärfere mobilisierende Tonfall gilt nun explizit der Jugend als erhofftem Träger der Verwirklichung einer sozialistischen Zukunft.

In dem Teilnehmerheft aus dem Jahr 1984/85 heißt es in der Einleitung nur noch: »Revolutionäre Erfahrungen bringen unser Land voran. […] Fleiß und Wissen, nützliche Tat und Opferbereitschaft sowie unwandelbare Treue zum Sozialismus haben unser Land vorwärts gebracht und werden es auch in Zukunft weiter voranbringen. Gemeinsam mit den Älteren werdet ihr das Heutige bewahren und festigen, um das künftige – den Kommunismus – zu erringen.«30

Vom Ende der Achtzigerjahre bis zur Wiedervereinigung liegt der Schwerpunkt der Teilnehmerhefte auf der Vorbereitung der Jugendweihefeier. Es werden Tipps für die Gestaltung der Feier gegeben, Hinweise für eine angemessene Kleidung und Frisur.

Fazit

An den Jugendweihebüchern, den zusätzlich betrachteten Teilnahmeheften und der Zeitschrift Jugend und Technik können drei Phasen im Zukunftsdenken ausgemacht werden. Diese sollen abschließend kurz beschrieben und kontextualisiert werden. Wobei an dieser Stelle angemerkt werden muss, dass diese Phasen fließende Übergänge haben und sich daher teilweise leicht überschneiden.

Die erste Phase erstreckt sich bis zur Mitte der Sechzigerjahre und ist zum einen von der Frage nach einer gesamtdeutschen Lösung gekennzeichnet, die die Vorstellungen von Zukunft prägt, und zum anderen von einem Bemühen um die Legitimation des Sozialismus – meist abgeleitet aus der deutschen Tradition und mit wissenschaftlichem Anspruch. Die Gesellschaft der DDR und ihre Organisationen (z. B. die FDJ) konstituierten sich und waren explizit politische Organisationen, die von ihren Mitgliedern auch so wahrgenommen wurden. Die politischen Ziele und Positionen waren zu diesem Zeitpunkt noch von einer Aufbruchstimmung geprägt, die auch auf die Jugend übergriff. Die Jugendlichen waren nicht nur Adressaten von politischen Ideen, sondern auch aktiv Mitwirkende im Aufbruch in eine sozialistische Zukunft. Der Entschluss der SED zum Mauerbau 1961 war das erste Zugeständnis an ein mögliches politisches und wirtschaftliches Scheitern dieser vermeintlich gerechteren Gesellschaft. Um Kritik an gegenwärtigen gesellschaftlichen Mängeln oder an der neuen Staats- und Wirtschaftsform Sozialismus abzuwenden, wurden die DDR und der Sozialismus in den Publikationen für die Jugend als legitim, realistisch und wünschenswert beworben. Mit dem Neuen Ökonomischen System wurde der Anfang der Fünfzigerjahre beschlossene Aufbau des Sozialismus bestätigt und gefestigt. Der Sozialismus wurde nun nicht mehr als Übergangsphase, sondern als eigenständige, längere Phase zum Kommunismus begriffen. In dieser Zeit finden sich in den untersuchten Texten verstärkt konkrete Ideen wie die zukünftig sozialistische und kommunistische Gesellschaft in der DDR aussehen könnte. Diese Vorstellungen sind nicht nur utopischer, sondern auch pragmatischer Natur. In den Artikeln über die Zukunft werden vorrangig technische Neuerungen präsentiert bzw. erdacht, während nur am Rande die gesellschaftlichen Bedingungen, in der die Menschen leben werden, behandelt werden. Die Erfindungen sind zwar zur Lebens- und Arbeitserleichterung gedacht, jedoch steht die Technik als Heilsbringerin immer im Vordergrund.

Die Gesellschaft der DDR scheint am Ende ihrer Konstituierungsphase ein starkes Bedürfnis nach der Verwirklichung einer hoffnungsvollen Zukunft gehabt zu haben. Nachdem mit dem Mauerbau eine gesamtdeutsche Lösung erst einmal in weite Ferne gerückt war, musste die nahe Zukunft mit positiven Bildern ausgefüllt und der Sozialismus als leistungsfähig und zukunftsweisend präsentiert und legitimiert werden. Deshalb können auch die Sechzigerjahre als eine Hochphase des utopischen Denkens in Bezug auf die Zukunft bezeichnet werden.

In der zweiten Phase kommt es Ende der Sechzigerjahre und mit den Siebzigerjahren zu einer Abmilderung utopischer Ideen und zu einer Individualisierung im Zukunftsdenken. Die Beschreibung und Bebilderung einer möglichen Zukunft lässt nach. Der Sozialismus hatte sich als Gesellschaftsmodell durchgesetzt, und die Zukunft war somit ein Stück Gegenwart geworden. Es war nicht mehr nötig, sich der Zukunft zu bedienen, um die DDR zu legitimieren, weil durchaus auf ihre Erfolge und die ihrer Bruderstaaten verwiesen werden konnte und die DDR zunehmend außenpolitisch als souveräner Staat anerkannt wurde.

Auch wenn die Aussicht auf eine moderne und glückliche Zukunft immer an den Sozialismus geknüpft war, wurden der Einzelne und weiterhin besonders die Jugend stärker als Akteure für die Realisierung dieser Zukunft beschrieben. Waren die Sechzigerjahre von Wissenschaftlichkeit geprägt, dominierte in den Siebzigerjahren die Sachlichkeit. Dies zeigte sich auch im Politikwechsel von Ulbricht zu Honecker und seiner »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik«, welche sich stärker den realen Problemen der Bevölkerung widmete. Der Sozialismus wurde als real existierend und nunmehr klassenlos ausgerufen.31 Die grobe Richtung war damit vorgegeben, es gab keinen Platz mehr für eigenständiges Denken, Handeln oder gar Träumen. Die Darstellung des Sozialismus als unwiderrufliche Errungenschaft war dringend notwendig, da es in den Siebzigerjahren zu ernstzunehmenden Erosionen kam. Die militärische Ost-West-Konfrontation veränderte sich, der Lebensstandard und die Lebensmittelversorgung stagnierten, die Bürokratie sowie die Institutionen der DDR zeigten sich ignorant und deformiert. Die Überlegenheit der DDR gegenüber dem Westen konnte nicht mehr als plausibel dargestellt werden, was dazu führte, dass die DDR und ihre Zukunft infrage gestellt wurden.32 Einer aufkommenden Enttäuschung und Kritik begegneten die Jugendpublikationen mit der Präsentation einer hoch technisierten und nicht mehr veränderbaren DDR-Gesellschaft.

In den Achtzigerjahren kann eine dritte Phase des Zukunftsdenkens konstatiert werden, in der sich die Kluft zwischen der DDR-Regierung und der Jugend nochmals verschärfte. Die Reformunfähigkeit und die mangelnden Handlungsoptionen führten zu einer Enttäuschung über das eigene Land, das trotzdem weiterhin als die bessere Alternative zum Westen angesehen wurde, galt doch die DDR als Garant für Frieden und soziale Gleichheit. Zu Beginn der Achtzigerjahre wurden diese Ziele noch als soziale Utopie verkauft, obwohl sich das Leistungsprinzip und soziale Ungleichheit bereits als vermeintlich wirtschaftsstimulierend durchgesetzt hatten.33 Nichtsdestotrotz wurden das Wettrüsten mit dem Westen und die globalen und nationalen Wirtschaftskrisen registriert und als entmutigend wahrgenommen. Gleichzeitig wurden die Jugendlichen einerseits mit Repressionen und Disziplinierung und andererseits mit der politischen Unfähigkeit der SED konfrontiert, was zu einem Identifikationsverlust mit den Idealen der DDR führte. Es kam zu einem Rückzug ins Private und zu einem apolitischen Verhalten bei den jungen Menschen, in dem Utopie, Vertrauen in die Zukunft und in den Sozialismus nur noch wenig Platz hatten.34 Die SED versuchte nicht, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen. In den Publikationen spielen Vorstellungen von einer besseren Gesellschaft und Sozialismus keine sonderlich große Rolle mehr. Es wurde eher versucht, das Projekt DDR über die deutsche Nation und ihre Geschichte langfristig zu legitimieren.35 Die SED startete keine Mobilisierungsversuche und sparte sich ihre Versprechen von einem besseren Sozialismus. Dementsprechend entwickelten die Jugendlichen auch keine Protest- oder Oppositionshaltung, vielmehr zogen sie sich in die Freizeitgestaltung, den Medienkonsum und auf eine apolitische Werteorientierung zurück. Gleichzeitig versuchten die Jugendweihepublikationen, möglicher Kritik an der DDR-Gesellschaft entgegenzuwirken, indem sie die Diskrepanz zwischen Utopie und Realität nicht mehr aufzeigten und so den Trend zu einem privatisierten und defensiven Verhalten der Jugendlichen unterstützten.36


1 In den Themenheften Meine Jugendstunden von 1977 bis 1981 Titel von Thema III, 2. Jugendstunde.

2 Siehe Günter Lange/Hans-Jörg Stiehler: Abschied von der Utopie? Jugend der DDR im sozialen Wandel der achtziger Jahre, in: Günter Burkart (Hg.): Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie. Sozialisation im Sozialismus. Lebensbedingungen in der DDR im Umbruch (1990), Beiheft 1, S. 55–69, hier S. 62 f. Sowie Peter Förster: Die Entwicklung des politischen Bewußtseins der DDR-Jugend zwischen 1966 und 1989, in: ders./Walter Friedrich/Kurt Starke (Hg.): Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966–1990. Geschichte, Methoden, Erkenntnisse, Berlin 1999, S. 70–165, hier S. 85.

3 1962 wurde die Zeitschrift in Jugend+Technik umbenannt.

4 Siehe Rainer Gries: »... und der Zukunft zugewandt«, in: ders./Enno Bünz/Frank Möller (Hg.): Der Tag X in der Geschichte, Stuttgart 1997, S. 309–333.

5 Siehe Lange/Stiehler: Abschied von der Utopie? (Anm. 2), S. 55.

6 Siehe Marlene Becker: »In unseren Händen liegt es, die Zukunft zu gestalten.« Jugend und evangelische Kirche in der SBZ/DDR vor dem Mauerbau, Oldenburg 2007, S. 26 f.

7 Siehe Helga Gotschlich: »Und der eigenen Kraft vertrauend ...« Aufbruch in der DDR 50 Jahre danach, Berlin 1999, S. 88 f.

8 Leszek Kołakowski: Der Mensch ohne Alternative. Von der Möglichkeit und Unmöglichkeit, Marxist zu sein, München 1960, S. 145.

9 Ebd., S. 145 f.

10 Hanna Behrend: Auf der Suche nach der verlorenen Zukunft. Rückblick aus dem Jahr 2000 – Was haben Gesellschaftsutopien uns gebracht?, Berlin 1997, S. 7 f.

11 Siehe ebd., S. 18–23.

12 Karl Böhm/Rolf Dörge: Unsere Welt von morgen, Berlin 1960.

13 Martin Sabrow: Zukunftspathos als Legitimationsressource. Zu Charakter und Wandel des Fortschritts-
paradigmas in der DDR, in: Heinz Gerhard Haupt/Jörg Requate (Hg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, CSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Göttingen 2004, S. 165–184, hier S. 173.

14 Verlag Neues Leben (Hg.): Weltall Erde Mensch, Berlin 1954.

15 Böhm/Dörge: Unsere Welt von morgen (Anm. 12), S. 56 f.

16 Ebd., S. 377.

17 Ebd., S. 380.

18 Ebd., S. 208 f.

19 Zentraler Ausschuß für Jugendweihe in der DDR (Hg.): Material zur Gestaltung sozialistischer Feierstunden zur Jugendweihe, Berlin 1961, S. 6.

20 Böhm/Dörge: Unsere Welt von morgen (Anm. 12), S. 468.

21 Ebd., S. 446.

22 Ebd., S. 386.

23 Zentralrat der FDJ (Hg.): Jugend und Technik 4/198, Berlin 1959. In den Ausgaben der Zeitschrift Jugend+Technik aus dem Jahre 1963 finden sich schon keine Beschreibungen mehr, wie die Zukunft aussehen soll. Es werden zwar Erfindungen vorgestellt, die gut für die Zukunft und die Entwicklung sein werden, aber der Blick richtet sich eher auf die Gegenwart. Im Gegensatz dazu werden im Jugend+Technik Almanach aus dem Jahr 1966 noch recht viele kreative Erfindungen für die Zukunft entworfen. Mit Luftpolsterschiffen und Überschallflugzeugen bis zur vollautomatischen Fabrik und Landwirtschaft oder mit atombetriebenen Traktoren wurden hier die Möglichkeiten und das Leben im Sozialismus beworben. Siehe Heinz Kroczeck (Hg.): Jugend+Technik Almanach, Berlin 1966.

24 Zentraler Ausschuß für Jugendweihe in der DDR (Hg.): Jugendweihe-Teilnehmerheft, Berlin 1968.

25 Ebd.

26 Zentraler Ausschuß für Jugendweihe in der DDR (Hg.): Weltall Erde Mensch, Berlin 1972, S. 503.

27 Zentraler Ausschuß für Jugendweihe in der DDR (Hg.): Meine Jugendstunden 1975/76, S. 3.

28 Zentraler Ausschuß für Jugendweihe in der DDR (Hg.): Meine Jugendstunden 1977/78, S. 26. 
(Erich Honecker auf dem IX. Parteitag der SED 1976.)

29 Zentralrat der FDJ (Hg.): Jugend+Technik, Berlin 1974. Wirft man einen Blick in andere Hefte und Bücher aus dieser Zeit, lässt sich der gleiche Trend entdecken. In einem Wissenschaftsband mit dem Titel Zukunft im Blickfeld findet sich der Aufsatz »Der Kreativautomat«, der Vorstellungen über die Zukunft wiedergibt. Ansonsten sind es technische Themen und Erfindungen aus der Gegenwart, die aber keinen Ausblick in die Zukunft bieten. Nur ein Zitat versucht eine Brücke zu bauen, indem die Technisierung als Grundlage für die Zukunft betrachtet wird: »Wie die Zukunft nicht erobert werden kann, ohne daß die Probleme der Gegenwart richtig gelöst werden, so ist auch die Gegenwart nicht zu bewältigen, wenn die Zukunft nicht richtig verstanden ist.« André Höpfner/Kirill Kondratjew: Zukunft im Blickfeld. Perspektiven, Hypothesen und Probleme, Leipzig/Jena/Berlin 1974. In der Zeitschrift Jugend aus dem gleichen Jahr finden sich nur Themen wie die Umsetzung des Jugendgesetzes, die Weltspiele in Havanna oder die Berufswünsche junger Menschen. Zentralrat der FDJ (Hg.): Jugend, Berlin 1975.

30 Deine Jugendstunden 1984/85, Einband. (Erich Honecker im Geleitwort des Jugendweihebuches Vom Sinn unseres Lebens.)

31 Siehe Gries: »... und der Zukunft zugewandt« (Anm. 4), S. 322–324.

32 Siehe Lange/Stiehler: Abschied von der Utopie? (Anm. 2), S. 56.

33 Siehe Sigrid Meuschel: Legitimation und Parteiherrschaft in der DDR, Frankfurt/M. 1992, S. 242 f.

34 Siehe Lange/Stiehler: Abschied von der Utopie? (Anm. 2), S. 57–59 sowie Förster: Die Entwicklung des politischen Bewußtseins (Anm. 2), S. 134.

35 Siehe Meuschel: Legitimation und Parteiherrschaft (Anm. 33), S. 237 f.

36 Siehe Sabrow: Zukunftspathos als Legitimationsressource (Anm. 13), S. 182 f.

Inhalt – JHK 2012

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