JHK 2013

Beneš, Stalin, die Vertreibung der Deutschen und die Sowjetisierung der Tschechoslowakei Beneš als Staats- und Exilpolitiker

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 57-90 | Aufbau Verlag

Autor/in: Gerhard Wettig

Während des Ersten Weltkriegs hatte Edvard Beneš durch seine unermüdliche Lobbytätigkeit in den westlichen Hauptstädten zur Gründung der Tschechoslowakischen Republik (ČSR) entscheidend beigetragen. Ihr Gebiet hatte seit dem 16. Jahrhundert zum Vielvölkerstaat der Habsburger gehört, der 1918 zusammengebrochen war. Die Siegermächte bekannten sich zwar zum Prinzip der nationalstaatlichen Organisation, legten aber die Grenzen nach den Vorstellungen von Beneš und seiner Mitstreiter fest. Daher fielen Böhmen, Mähren und die Slowakei einschließlich des Karpatengebiets im Osten vollständig der ČSR zu, obwohl dort nur teilweise Tschechen und Slowaken lebten. In den Randbezirken von Böhmen und Mähren wohnten Deutsche, die im Mittelalter von den tschechischen Herrschern des Landes in diese damals menschenleeren Gebiete geholt worden waren. Im Süden der Slowakei, die seit jeher als ungarisches Territorium galt, lebten zumeist Ungarn, und im Osten »Ruthenen« (wie man die Ukrainer dort nannte). Die Slowaken wurden – mehr oder minder ohne ihr Einverständnis – zusammen mit den Tschechen zu einer einzigen Nation erklärt.

Die ČSR erklärte sich zum Nationalstaat, war aber faktisch ein multiethnisches Land, in dem sich viele Bewohner anderen Nationen zugehörig fühlten. Die Deutschen waren von den Siegermächten daran gehindert worden, ihrem erklärten Willen zum Anschluss an das Deutsche Reich zu folgen, und auch die Ungarn waren gegen ihre Einverleibung in die ČSR. Diese war zwar demokratisch verfasst und sollte die vom Völkerbund festgelegten Minderheitenrechte achten, doch die herrschenden Politiker in Prag orientierten sich an der Vorstellung eines ethnisch homogenen Nationalstaates und diskriminierten die Minoritäten, unterwarfen sie einem national ausgerichteten Zentralismus und bauten die Positionen der Tschechen aus, wo sie nur konnten.1 Dieses Vorgehen stand auch in Widerspruch dazu, dass die tschechische Kernbevölkerung nur etwa die Hälfte der Einwohner bildete und dass man auch dann, wenn man die Slowaken hinzunahm, nur auf knapp zwei Drittel kam. Als die größte Minderheit hatten die Deutschen einen Anteil von ca. 23 Prozent. Daneben gab es noch fünf Prozent Ungarn und vier Prozent Ukrainer. Beneš, der die Ausdehnung des Staatsgebiets bei den Friedensvertragsabschlüssen 1919 durchgesetzt hatte, war zunächst Außenminister und trat 1935 die Nachfolge von Präsident Tomáš Masaryk an.

Schon während seiner Tätigkeit als Außenminister stellte Beneš die UdSSR in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Er ging davon aus, diese habe ihre revolutionären Anfänge hinter sich gelassen und sei nicht länger daran interessiert, das Sowjetsystem auf andere Länder auszudehnen. Die UdSSR sei ein normaler Staat geworden, der keine Gefahr für die demokratische Ordnung der ČSR bilde. Das erschien plausibel, nachdem das geschwächte und isolierte Land seit 1923 nicht mehr versucht hatte, die Verhältnisse in der – mittlerweile konsolidierten – Außenwelt umzustürzen. Dem Aufruf des VII. Komintern-Kongresses 1935 an die Kommunisten im Westen, was den Kampf gegen den Faschismus betraf, mit den anderen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten, und der Tatsache, dass in Frankreich und anderen Ländern Volksfrontregierungen gebildet wurden,2 entnahm Beneš ebenfalls die Botschaft, dass mit Sowjetisierungsabsichten nicht zu rechnen sei. Das erschien ihm auch durch Stalins Gegnerschaft zu dem sich revolutionär gebärdenden Trockij und die sowjetische Parole »Sozialismus in einem Land« bestätigt.3 Wie er glaubte, kam darin eine dem eigenen Bekenntnis zum nationalen, tschechoslowakischen Sozialismus entsprechende Position zum Ausdruck, das demokratische Prinzip müsse auch in Wirtschaft und Gesellschaft verwirklicht werden.4

Eine weitere Gemeinsamkeit von UdSSR und ČSR sah Beneš darin, dass das slawische Volkstum beider Länder mit einer gemeinsamen »germanischen Bedrohung« konfrontiert sei. Er ging zudem von einer künftig maßgebenden Rolle der Sowjetunion in Europa aus, während sich die Macht Frankreichs und Großbritanniens verringern werde. Die Existenz des tschechoslowakischen Staates lasse sich auf Dauer nur sichern, wenn ihn die UdSSR zuverlässig unterstütze. Darum müsse man sich ihr annähern, um eine enge Verbindung herzustellen. In diesem Kontext war Beneš davon überzeugt, dass man im Kreml ebenfalls großes Interesse an einer Zusammenarbeit habe.5 Auch in der Zeit des Hitler-Stalin-Pakts behielt er diese Orientierung bei, denn er war davon überzeugt, dass das Einvernehmen zwischen beiden Seiten nicht von Dauer sein werde. Er vermied alles, was die Beziehungen hätte belasten können.6 Schon als sich 1937 kurzzeitig eine Annäherung zwischen Moskau und Berlin abzuzeichnen schien, hatte er dem sowjetischen Gesandten versichert, die ČSR werde der UdSSR unverbrüchlich treu sein und unbedingt alle ihr gegenüber übernommenen Verpflichtungen erfüllen unabhängig davon, welchen Kurs der Kreml auch immer einschlagen sollte. An der Freundschaft werde Prag unter allen Umständen festhalten.7

Folglich knüpfte Beneš, gleich nachdem er Präsident geworden war, enge Beziehungen zur UdSSR. Obwohl es keine gemeinsamen Grenzen gab, schloss er mit ihr am 16. Mai 1935 einen Bündnisvertrag. Dieser machte die sowjetische Beistandspflicht davon abhängig, dass sich auch das mit der ČSR alliierte Frankreich am Kampf beteiligte.8 Aufgrund eines Geheimabkommens wurde überdies der Leiter des tschechoslowakischen Geheimdienstes, Oberst Moravec, zu einer – seiner politischen Haltung widersprechenden – engen Zusammenarbeit mit der Auslandsaufklärung des Kremls genötigt.9 Aufgrund dieser Vereinbarungen erhielt Stalin erstmals politischen Zugang zum ostmitteleuropäischen Raum, der ihm ansonsten heftige Ablehnung entgegenbrachte.

Allen diesen Bemühungen legte Beneš die Prämisse zugrunde, das Deutsche Reich stehe seinem Land in prinzipieller Feindschaft gegenüber. Hinzu kam, dass er die westeuropäischen Länder als unzuverlässige Partner betrachtete und es daher für nötig hielt, mit der UdSSR als der stärksten Macht im Osten des Kontinents eine Gegenfront aufzubauen.

Sein Misstrauen gegenüber Frankreich und Großbritannien wurde 1938 bestätigt. Hitler machte sich den Widerspruch zwischen dem nationalstaatlichen Anspruch und der multiethnischen Realität zunutze, um die ČSR unter Druck zu setzen. Mithilfe der Sudetendeutschen Partei Konrad Henleins inszenierte er eine Krise und bereitete mit der Begründung, die Unterdrückung müsse ein Ende finden, die Eroberung der deutsch besiedelten Gebiete vor. Das forderte Frankreich als Verbündeten der ČSR und das mit ihm verbundene Großbritannien heraus. Beneš sah sich in einer Position der Stärke gegenüber Hitler und lehnte daher jedwedes Zugeständnis brüsk ab. Vor allem in London wollte man sich aber nicht in eine militärische Auseinandersetzung stürzen, um die deutsche Bevölkerung gegen ihren Willen in der Tschechoslowakei festzuhalten. Ihr sollte vielmehr gemäß der Nationalstaatsidee erlaubt werden, sich mit dem eigenen Land zu vereinigen. Daher war die britische Regierung, gefolgt von der Führung in Paris, schließlich bereit, Hitlers Verlangen zu erfüllen. Am 29. September 1938 schlossen sie das Münchner Abkommen, das der ČSR die Abtretung der geforderten Gebiete auferlegte. Beneš fügte sich. Ein Widerstand, den allein seine Truppen leisteten, hatte nach seiner Ansicht keine Aussicht auf Erfolg. Er sah sein Lebenswerk zerstört, trat zurück und ging ins westliche Ausland.10

Nachdem die Westmächte die Tschechoslowakei im Stich gelassen hatten, schenkte Beneš ihnen niemals wieder Vertrauen und setzte seine Hoffnung nur noch in die UdSSR als der einzigen Macht, die ihn in der Krise unterstützt habe und auch danach auf seiner Seite stehe. Zwar war dies aufgrund der geostrategischen Umstände11 faktisch nicht mehr als ein verbales Engagement für die Sache der ČSR, doch Beneš glaubte, dass der Kreml militärische Hilfe geleistet hätte, wenn es möglich gewesen wäre. In dieser Überzeugung sah er sich bestärkt, als ihm Stalin durch den Geheimdienst 10 000 US-Dollar, einen damals sehr hohen Betrag, aushändigen ließ:12 Die UdSSR schien der einzige Freund zu sein, der zu Unterstützung bereit war.13

Die »Zerschlagung der Resttschechei« am 15. März 1939 zeigte, dass es Hitler nicht um den deutschen Nationalstaat, sondern um imperialistische Expansion ging. Großbritannien sagte Polen, das als nächstes Land bedroht wurde, militärischen Beistand zu und erklärte im Bund mit Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg, nachdem dieses Polen am 1. September 1939 angegriffen hatte. Beneš sah sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass ein Weltkrieg mit einer erneuten deutschen Niederlage bevorstehe, erhob den Anspruch, der legitime Regierungschef der ČSR zu sein und verlangte, das Land müsse für das ihm zugefügte Unrecht Genugtuung erhalten. Die ČSR war nach den Plänen, die er zu entwickeln begann, nicht nur in den früheren Grenzen wiederherzustellen, sondern auch durch ethnische Bereinigung in einen echten Nationalstaat zu verwandeln. Die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen infolge des militärischen Geschehens würden eine einmalige Chance zur massenhaften Beseitigung der störenden Minoritäten bieten.14 Als die UdSSR aufgrund des deutschen Überfalls am 22. Juni 1941 und die USA im Dezember des gleichen Jahres in den Krieg eintraten, sah Beneš seine Erwartung bestätigt, dass Deutschland besiegt werde.

Im Londoner Exil versuchte Beneš zunächst die Kriegsgegner Deutschlands zur Anerkennung der ČSR als Verbündeten und seiner selbst als Chef der Exilregierung zu bewegen. 1940/41 erreichte er dieses Ziel größtenteils. Er erhielt damit den Status des Oberhaupts eines befreundeten Staates, zu dem man diplomatische Beziehungen aufnahm. Beneš verschloss sich dabei allerdings dem britischen Ansinnen, auch sudetendeutsche Opponenten des NS-Regimes in seine Regierung aufzunehmen und bemühte sich um Kooperation mit den Kommunisten. Zur Propagierung seines zentralen Anliegens, der Vertreibung der Sudetendeutschen, bediente er sich der Möglichkeiten, die seine Position bot und seines exzellenten Netzes persönlicher Kontakte. Er argumentierte, nur durch die Entfernung des deutschen Elements ließen sich Stabilität und Frieden herstellen. Doch zunächst stieß sein Verlangen auf heftigen Widerstand. Vor allem die britische Regierung vertrat die Ansicht, die Diskussion aller Grundfragen könne erst auf einer Friedenskonferenz erfolgen, welche die Probleme eingehend untersuchen und auf dieser Basis die Umrisse der neuen Ordnung festlegen würde. Vorher dürfe es keine Teilregelungen geben, zumal Polen, Jugoslawien und andere Länder Ähnliches verlangen könnten. Ein allgemeines Chaos wäre die Folge.15

Beneš sah sich gestärkt, als 1942 nacheinander Großbritannien, die USA und die UdSSR das Münchner Abkommen für nicht mehr bindend erklärten. Damit, so folgerte er, seien die staatliche Einheit und die territoriale Integrität der ČSR wiederhergestellt. Von da an konzentrierte er sich noch stärker als bisher darauf, in der Vertreibungsfrage voranzukommen. Einen Fortschritt brachte das von ihm veranlasste Attentat auf Hitlers Statthalter in Prag, Reinhard Heydrich, am 27. Mai 1942.16 Es zog zwar eine Dezimierung des tschechischen Widerstands nach sich, von der sich dieser nicht mehr erholte, rief aber brutale Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzer hervor, die in den westlichen Hauptstädten einen Stimmungsumschwung einleiteten. Ein »Transfer« deutscher Minderheiten erschien zunehmend gerechtfertigt, ohne dass man aber der tschechischen Seite einen Blankoscheck auszustellen bereit war.17 Beneš setzte darauf, dass Stalin, der den Deutschen nach ihrem Angriff voller Hass gegenüberstand, für das Vorhaben einer unbeschränkten Vertreibung zu gewinnen war. Diesbezüglich hatte er schon Anfang 1942 sowjetischen Diplomaten sein Interesse an einem Besuch in Moskau zu Gesprächen über die »weitere politische Linie«, die »Entwicklung in Mitteleuropa«, die Außen- und Innenpolitik der ČSR sowie ihren Wiederaufbau signalisiert und hinzugefügt, dass er einer direkten Grenznachbarschaft mit der UdSSR entgegensehe. Dies werde ihr größeren Einfluss auf die Verhältnisse in der Tschechoslowakei geben.18

Stalins Konzept für das Vorgehen in den eroberten Gebieten

Der Krieg gegen Polen und die beiden Westmächte, den Hitler aufgrund des Nicht-Angriffspakts mit Stalin vom 23. August 1939 begann, öffnete der UdSSR den Weg zur Expansion. Innerhalb eines Jahres annektierte sie Ostpolen, die baltischen Länder und die Gebiete, die Finnland und Rumänien abtreten mussten.19 Die durch den Krieg zwischen den Mächten der Außenwelt ermöglichte Expansion des Sowjetstaates entsprach den Komintern-Beschlüssen von 1935. Demnach hatten sich die Kommunisten auf eine Periode »heftiger Zusammenstöße« zwischen den kapitalistischen Ländern einzustellen. Man stehe vor den »kommenden großen Schlachten der zweiten Runde der proletarischen Revolutionen«, bei denen es um den Sieg nicht nur über das NS-Regime, sondern den Kapitalismus insgesamt gehe mit dem Ziel, die »Diktatur des Proletariats« und die »Sowjetmacht« durchzusetzen. Wie im Ersten Weltkrieg, der die Voraussetzungen für die Eroberung der Macht in Russland geschaffen hatte, sollten die kapitalistischen Staaten einander so weit schwächen, dass sich ihre Arbeiterklasse erheben und mit militärischer Unterstützung der UdSSR den Sieg über das feindliche System erringen werde.20

Der deutsche Überfall am 22. Juni 1941, den Stalin für unmöglich gehalten hatte, solange Hitler noch von einem anderen bewaffneten Konflikt in Anspruch genommen wurde, änderte die Lage von Grund auf. Die UdSSR wurde unversehens zum Verbündeten der Westmächte. Ungeachtet der gewaltigen Niederlagen in den ersten Monaten, war Stalin davon überzeugt, am Ende auf der Siegerseite zu stehen. Seine Truppen würden über die Grenzen des eigenen Landes vorstoßen und so dafür sorgen, dass die UdSSR Herrschaft und System auf fremde Gebiete ausdehnen könnte. Seiner Ansicht nach war dieser Krieg »nicht wie andere Kriege; wer immer ein Territorium besetzt, nötigt ihm auch sein eigenes System auf. Jeder nötigt sein System auf, soweit seine Armee reichen kann. Es kann nicht anders sein.«21 Dabei sah sich Stalin freilich zur Rücksichtnahme auf die Alliierten im Westen veranlasst, zu denen er – in Anbetracht des dann bestehenden internationalen Kräfteverhältnisses und seines Wunsches nach fortgesetzter materieller Unterstützung – auch nach dem Krieg kooperative Beziehungen aufrechterhalten wollte. Stalin ging zu Recht davon aus, dass diese eine Sowjetisierung ablehnten, und war daher um eine Vorgehensweise bemüht, an der man in den westlichen Hauptstädten keinen – oder zumindest nur geringen – Anstoß nehmen würde.

Deshalb versuchte Stalin seine Absicht zu verschleiern. Er gab die Parole aus, in den eroberten Ländern solle lediglich eine »neue Demokratie« errichtet werden, die den Feudalismus durch eine bürgerliche Ordnung ersetze und außer der Politik auch die Gesellschaft und die Wirtschaft erfasse. Es gehe um »Reformen« im Rahmen der westlichen Demokratie, um den Aufbau einer »antifaschistischen« Ordnung durch Beschreiten eines »parlamentarischen Weges«. Diese Rede sollte die »Klassenfeinde« vor Ort und im Westen darüber hinwegtäuschen, dass der Sozialismus, d. h. das Sowjetsystem, das Ziel war.22 Die »neue Demokratie« war dabei nicht als Endzustand, sondern als Ausgangspunkt für die – allmählich durchzusetzende – Diktatur der vom Kreml gelenkten Kommunistischen Partei gedacht. Am verbalen Bekenntnis zur Demokratie sollte nur so lange festgehalten werden, wie es wegen der Stärke der anderen innenpolitischen Kräfte und mit Rücksicht auf die Westmächte notwendig erschien. Die Durchsetzung des Sowjetsystems begann stets mit sechs Maßnahmen:23

1. Die UdSSR stützte sich auf die kommunistischen Führungen des Moskauer Exils und auf jeweils einige hundert in Antifaschulen ausgebildete Leitungskader. Dieses operativ geschulte und zu unbedingtem Gehorsam verpflichtete Personal besetzte die Schlüsselpositionen, schlug den sowjetischen Militärbehörden die anderen Funktionäre vor und baute einen großen Apparat zur Heranbildung von Kadern der mittleren und unteren Ebenen auf.

2. Als unerlässliche Grundlagen des Fortschritts zum Sozialismus wurden die Überführung des Bankwesens und der Großindustrie »in Gemeineigentum« sowie die Zerschlagung der landwirtschaftlichen Großbetriebe an den Anfang gestellt. Das nahm der »Bourgeoisie in Stadt und Land« die wirtschaftliche und gesellschaftliche Basis, während die Kommunisten fortan über die Banken und Fabriken verfügten, den enteigneten Landbesitz verteilen konnten und über die Vergabe eines Großteils der Arbeitsplätze entschieden.

3. Gesellschaftliche Einheitsorganisationen wie Gewerkschaften, Jugend-, Frauen- und Bauernverband, die zunächst ein überparteiliches Etikett erhielten, aber von zuverlässigen Funktionären geleitet wurden, entzogen die betreffende Bevölkerungsgruppe von Anfang an anderem Einfluss und unterwarfen sie später einer festen kommunistischen Kontrolle.

4. Das Mehrparteiensystem umfasste nur die politischen Richtungen, denen das Gütezeichen einer »antifaschistisch-demokratischen« Haltung zugebilligt wurde. Die Kommunisten, die ihre Weisungen von den Militärbehörden empfingen, hatten nach interner Festlegung die »führende Rolle« zu übernehmen. Diese wurde dadurch gewährleistet, dass die Bildung eines zum Konsens verpflichteten Allparteienblocks zur Voraussetzung der politischen Tätigkeit gemacht wurde. Folglich waren Entscheidungen nur mit Zustimmung der Kommunisten möglich, die so alle von ihnen nicht gebilligten Beschlüsse verhindern konnten.

5. Nach Moskauer Überzeugung ließ sich das sozialistische Ziel nur mit Unterstützung der »Arbeiterklasse« erreichen. Mithin sollten die Sozialdemokraten als diejenige Partei, die deren Interesse ebenfalls zu vertreten beanspruchte, von einer Konkurrenz mit den Kommunisten abgehalten werden. Darüber hinaus schien ein Zusammenschluss nötig, um der KP das Monopol als Arbeiterpartei zu sichern und ihr Personal durch marxistisch vorgebildete Kader zu verstärken. Dies setzte eine überlegene Position der kommunistischen Seite voraus, die ihr die Assimilation der Sozialdemokraten ermöglichen würde, was sich nach sowjetischer Voraussicht erst allmählich erreichen ließ. Demgemäß kam zu Anfang nur eine »Aktionseinheit« in Betracht, die zur Gemeinsamkeit gegenüber den bürgerlichen Kräften verpflichtete. Die organisatorische Vereinigung sollte erst später stattfinden, wenn die Zeit dafür »herangereift« war.

6. Um sich den Anschein eines demokratischen Vorgehens zu geben, sagte die UdSSR den angelsächsischen Verbündeten freie Wahlen in den eroberten Ländern zu. Intern war aber klar, dass sie die politischen Verhältnisse nicht bestimmen sollten. Vielmehr wurde ihnen die Funktion zugewiesen, den zuvor auf andere Weise herbeigeführten Zustand nachträglich zu bestätigen. Daran, dass sich die Dinge so entwickeln würden, hatte man im Kreml bis zu den ersten Enttäuschungen im Herbst 1945 keinen Zweifel. Die Arbeiter, Bauern und anderen Werktätigen würden nach Befriedigung ihrer »Klasseninteressen« durch die vorgesehenen »Reformen« für die »neue Demokratie« stimmen. Überdies war man grundsätzlich der Meinung, dass das Bewusstsein den Realitäten der Macht folge. 24

Das Aktionsprogramm beruhte auf der Überzeugung, dass die Machtfrage in den eroberten Ländern durch den Sieg der Roten Armee letztlich entschieden sei. Es gehe nur darum, das Militärregime in die Zivilgewalt eingesetzter nationaler Kader umzuwandeln.25 Die UdSSR musste sich deswegen jeweils auf zuverlässige einheimische Weisungsempfänger stützen und ihnen die mittels Eroberung gewonnene Macht übertragen. Das sollte freilich auf eine Weise geschehen, welche die sowjetische Lenkung als Handeln nationaler Akteure, namentlich auch der bürgerlichen Parteien, erscheinen ließ. Nur in der ČSR, wo Beneš als allseits anerkannter Präsident des Landes und Führer der stärksten bürgerlichen Gruppierung, der tschechischen Nationalen Sozialisten, zur Zusammenarbeit bereit war, konnte er auf einen Politiker zählen, dessen Autorität allgemeine Akzeptanz gewährleistete. Anders als in Polen, das ebenfalls den Status eines Verbündeten besaß, gleichwohl faktisch als Feindstaat behandelt wurde,26 konnte Stalin deswegen in der ČSR auf die Ausübung der Besatzungsgewalt verzichten und seine Truppen nach relativ kurzer Zeit zurückziehen. Ohne den tschechoslowakischen Präsidenten hätte er, falls seine Truppen überhaupt in die Kerngebiete des Landes vorgedrungen wären, vor der Wahl gestanden, entweder die Westmächte durch die faktische Okkupation eines weiteren verbündeten Landes vor den Kopf zu stoßen oder von der Sowjetisierung Abstand zu nehmen.

Stalin gewann Beneš für den vorgesehenen Kurs der inneren Transformation nicht nur mit dem Argument, auf »parlamentarischem Weg« müsse eine »neue Demokratie« geschaffen werden, welche die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse einbeziehe und somit alle Lebensbereiche demokratischer Lenkung unterstelle, sondern auch mit der »slawischen Idee«, von der seit 1939/40 im Kreml die Rede war.27 Im Sommer 1941 wurde diese Propaganda verstärkt. In Moskau fand mit Teilnehmern aus Polen, Bulgarien, Jugoslawien und der Tschechoslowakei ein erstes Treffen statt, auf dem man die slawischen Völker zum gemeinsamen Kampf gegen die Deutschen aufrief. Am 5. Oktober wurde auf Weisung des ZK der KPdSU ein Allslawisches Komitee gegründet.28 Die Unterstützung durch Beneš war besonders wichtig, denn er war der einzige Präsident eines slawischen Staates, der dafür zu gewinnen war. Die »slawische Idee« gehörte daher zu den ersten Themen, die man mit ihm im Herbst 1943 noch vor seiner Ankunft in Moskau erörterte. Der Leitgedanke, man müsse die Deutschen als notorische Feinde der Slawen ausschalten, war mit seiner eigenen Vorstellung identisch, und Beneš hielt es deshalb für geboten, sich »ausschließlich zur Zusammenarbeit mit der Sowjetunion« zu verpflichten. Wie ihm anschließend erläutert wurde, hatte der Kurs der engen Verbundenheit mit den anderen slawischen Ländern dauerhaften Charakter. Seine »demokratische« Ausrichtung gewährleistete die »Gleichberechtigung aller slawischen Völker« und hatte daher »nichts gemeinsam mit dem alten zaristischen Imperialismus«. Beneš stimmte voll zu.29 Wie er von da an wiederholt zum Ausdruck brachte, wünschte er die Befreiung der ČSR nicht durch westliche Truppen, sondern durch die Rote Armee.

Verhandlungen zwischen Beneš und der sowjetischen Führung

Nachdem die UdSSR in das Lager der Kriegsgegner Deutschlands gelangt war, bemühte sich Beneš sofort um verstärkte Kontakte. Am 24. Juni 1941 richtete er durch seinen militärischen Repräsentanten in Moskau ein Ersuchen an den Kreml um Verhandlungen über die Anerkennung seiner Exilregierung als Verbündetem und den Aufbau tschechoslowakischer Einheiten in der Sowjetunion. Die entsprechende Vereinbarung darüber wurde am 18. Juli geschlossen.30 Stalin übertrug die Aufstellung der Truppe Oberstleutnant Ludvík Svoboda. Dieser war gerade im Ausland für den sowjetischen Geheimdienst tätig,31 für den er spätestens seit 1939 arbeitete.32 Im Juni 1943 begannen Gespräche über einen neuen Freundschafts-, Beistands- und Kooperationsvertrag der ČSR mit der UdSSR. Beneš hielt an dem Vorhaben trotz der britischen Bedenken fest, dies würde einer Gesamtregelung der ostmitteleuropäischen Verhältnisse vorgreifen und vor allem die Position der polnischen Exilregierung in deren Konflikt mit dem Kreml schwächen. Er ließ sich dadurch nicht abhalten und versuchte sich – im Gegenteil – durch eine scharf antipolnische Haltung in Moskau beliebt zu machen. Auch wandte er sich gegen den Londoner Vorschlag, sein Land solle sich mit Polen zu einer Konföderation zusammenschließen, als dieser vom Kreml abgelehnt wurde.33

Am 22. August 1943 übermittelte Beneš der sowjetischen Seite einen Entwurf des geplanten Bündnisvertrags. Lange Zeit erfolgte keine Reaktion. Anfang Oktober kam der Text mit Ergänzungen zurück, die aus dem Vertrag einen politischen Pakt machten, der die ČSR umfassend an die UdSSR binden würde. Zugleich blieb unklar, in welcher Lage die militärischen Klauseln wirksam sein sollten. Durch diese weitgehenden Veränderungen wurde Beneš nicht alarmiert. Zudem sah er sich von seinem prosowjetischen tschechischen Umfeld unter Druck gesetzt, den Vertrag auf jeden Fall unter Dach und Fach zu bringen, sogar wenn dies zum völligen Bruch mit London und Washington führen sollte. Er selbst hielt den Abschluss als solchen für wichtiger als einzelne Modalitäten, wollte aber, vielleicht unter dem Einfluss seines nüchtern denkenden Kabinettschefs Jan Smutný, nicht auf jede Mitsprache verzichten und machte geltend, verschiedene Korrekturen seien geeignet, seinen Kritikern Munition zu liefern. Daraufhin zog Moskau die meisten Änderungen zurück. Beibehalten wurde, dass sich der Vertrag im Falle einer späteren Wiederaufnahme der deutschen Aggression auch gegen jeden »direkt oder in anderer Form« mit Deutschland verbundenen Staat richtete. In diese Formel hatte die UdSSR 1938 und 1939 in den Verhandlungen über gemeinsame Abwehr der deutschen Aggression das Verlangen nach Besetzung osteuropäischer Drittstaaten gekleidet. Ebenso sicherten sich beide Seiten zu, »eine enge und freundschaftliche Zusammenarbeit in der Periode nach der Wiederherstellung des Friedens aufrechtzuerhalten und gemäß den Prinzipien der gegenseitigen Achtung für ihre Unabhängigkeit und Souveränität sowie für die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates zu handeln […], die wirtschaftlichen Beziehungen in größtmöglichem Umfang zu entwickeln« und »einander jede mögliche wirtschaftliche Hilfe zu erweisen«. Der Vertrag sollte sofort nach Unterzeichnung in Kraft treten, eine Dauer von 20 Jahren haben und danach automatisch jeweils weitere fünf Jahre gelten, sofern nicht zwölf Monate vorher die Absicht zu seiner Beendigung erklärt werde.34 Um die Briten zu besänftigen, wurde zuletzt ein Zusatzprotokoll formuliert, demzufolge angrenzende Staaten – gemeint war Polen – sich dem Vertrag anschließen konnten.35

Aus Anlass der bevorstehenden Unterzeichnung brach Beneš am 24. Oktober nach Moskau auf, wo er – nach unvorhergesehenen Zwischenaufenthalten und einem mit schlechtem Wetter begründeten Umstieg auf einen Sonderzug des Gastlandes – weit später eintraf, als er geplant hatte. Zuvor hatte ihn im Nahen Osten der Abteilungsleiter für Mitteleuropa im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, Aleksandr Kornejčuk, empfangen, ihn über die sowjetischen Vorstellungen und Erwartungen informiert und erklärt, dass »alle Deutschen, sogar die Kommunisten, die Slawen verachten«. Der sowjetische Emissär ließ sich seinerseits genau berichten, welche Haltung die einzelnen Personen der polnischen Exilregierung in London gegenüber der UdSSR einnahmen. Beneš zeichnete ein überaus negatives Bild von ihnen und betonte seine Missbilligung ihrer antisowjetischen Einstellung. Zudem wurde das Konzept der »slawischen Idee« erörtert. Kornejčuk hielt die Gespräche, deren Ergebnis ausdrücklich die Grundlage der kommenden Erörterungen in Moskau bilden sollte, in einem umfangreichen Dossier für Molotov und Stalin fest. Beneš war sehr zufrieden und davon überzeugt, zwischen ihm und der UdSSR bestehe volles Einvernehmen, sodass man sich in den bevorstehenden Verhandlungen leicht über alles verständigen könne.36

Als Beneš nach langer Reise am 11. Dezember in Moskau eintraf, gab die sowjetische Regierung ihm zu Ehren ein Essen. Stalin, der über den Verlauf der vorangegangenen Gespräche mit Kornejčuk sehr zufrieden war, überschlug sich vor Freundlichkeit, machte seinem Gast aber den Vorwurf, gegen die 1938 in München dekretierte Abtretung des Sudetenlandes keinen militärischen Widerstand geleistet zu haben, und veranlasste ihn damit zu Rechtfertigung und Entschuldigung. Bevor anschließend ein Film mit einer positiven Darstellung des damaligen sowjetischen Vorgehens gezeigt wurde, erklärte Stalin, die UdSSR werde nach dem Krieg Grenznachbar der ČSR sein. Auch werde man den Polen nicht die Gebiete abtreten, auf die sie Anspruch erhöben. Damit waren die Territorien gemeint, die 1939 aufgrund des Pakts mit Hitler annektiert worden waren. Der sowjetische Führer gab weiter zu erkennen, dass der Plan von Beneš, einen »Transfer der Deutschen« durchzuführen, volle Unterstützung verdiene.37

Nach Unterzeichnung des Beistandspaktes am nächsten Tag rief Stalin abends im Theater Beneš zu sich in die Loge und sprach die Frage der Konföderation der ČSR mit Polen an. Der Präsident erwiderte, er lehne ein solches Arrangement unbedingt ab. Dabei wandte er sich sehr heftig gegen Polen, denunzierte dessen Londoner Vertreter als Leute, die die Interessen ihrer Feudalkaste im Auge hätten, und rückte sie auch sonst in schlechtes Licht. Daraufhin fragte Stalin ihn, was man denn mit ihnen machen könne, er kenne sie ja. Beneš antwortete, er sei davon überzeugt und hoffe, dass sie nach dem Krieg vernünftig werden würden, was Stalin mit der Bemerkung quittierte: »Aber nur nach einem dritten Krieg.« Etwas später betonte Beneš, die polnischen Exilpolitiker hätten ihn wiederholt vor »den Russen« gewarnt. Als er ihrem Chef, Stanisław Mikołajczyk, den Text des Beistandspakts mit der UdSSR gezeigt habe, sei dieser »entsetzt« gewesen und habe gefragt, ob er »denn Teil Russlands werden« wolle. Die anschließende Bemerkung, die Polen hegten allgemein gegenüber der UdSSR größten Argwohn, veranlasste Stalin zu dem empörten Ausruf: »Idioten!« und zu der Frage: »… was können wir tun? Wo sind Polen zu finden, mit denen man reden kann?«38

Die konkreten Vereinbarungen wurden mit Molotov getroffen. Beneš eröffnete das Gespräch mit dem Versprechen, dass »in Fragen von großer Bedeutung« die Vertreter der ČSR »immer auf eine den Vertretern der Sowjetregierung genehme Art sprechen und handeln werden«, und sicherte »loyale Zusammenarbeit und aufeinander abgestimmtes Handeln bei allen künftigen Vorhaben« zu. Er bat um die Klärung der Frage, wie mit den Deutschen und Ungarn in der ČSR zu verfahren sei. Auch wollte er wissen, wie die UdSSR zum deutschen Problem stehe. Er wolle zwar nicht in die Details ihrer Politik eindringen, doch müsse er die Erfordernisse der Zusammenarbeit kennen, damit sein Land den gleichen Standpunkt einnehmen könne wie die Sowjetunion. Beide Politiker waren sich einig, dass man Deutschland zerstückeln und so weit wie möglich schwächen müsse. Zusätzlich verlangte Beneš Bestrafungen. Er bereite schon jetzt Maßnahmen vor, etwa indem er Listen mit den Namen von Kriegsverbrechern erstellen lasse. Wie die UdSSR wolle auch die ČSR die Deutschen sehr hart anfassen, doch viele im Westen wollten ihr dabei Grenzen setzen. Für das Münchner Abkommen, die Invasion der Wehrmacht und alles Folgende seien die Sudetendeutschen verantwortlich und müssten in erster Linie die Verantwortung für den Krieg übernehmen. Ihre Bestrafung sei daher die Hauptsache. Bei allem wolle man sich nach der UdSSR richten.

Als weiteres Problem nannte Beneš die Ungarn. In der ČSR herrsche die verbreitete Ansicht, dass diese zu verschwinden hätten. Er sei jedoch nicht so radikal, sondern wolle sich dem sowjetischen Kurs anpassen. In Ungarn müsse es eine innere Revolution zur Beseitigung des Feudalismus geben. Deshalb müsse dieses Land von der Roten Armee besetzt werden und dürfe nicht, wie es nach dem letzten Krieg der Fall gewesen sei, in die Hand der Briten kommen, die sich von der Feudalkaste hätten vereinnahmen lassen. Insgesamt forderte Beneš eine »moralische und politische Restitution« für die ČSR. Nicht nur die Grenzen seien in den früheren Stand zu versetzen. Nötig und »sehr wichtig« sei auch die Entfernung der Minderheiten. Stalin habe dem schon beim Staatsbankett zugestimmt. Gelöst werden müsse vor allem das Problem der Sudetendeutschen. Deren »Enklave« reiche bis auf 60 Kilometer an Prag heran. Das dürfe nicht so bleiben. Sogar die Briten sähen ein, dass man nicht zur Lage von 1938 zurückkehren könne. Sie befürworteten zwar eine Aussiedlung, forderten aber einen genauen Plan. Dessen Vorlage habe er verzögert, um zunächst zu erfahren, wie die UdSSR dazu stehe. Das Verlangen nach ethnischer Säuberung begründete Beneš auch mit der Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Wandels. 70 Prozent der Deutschen in der ČSR seien »reiche Leute«. Sie müssten das Land vor allen anderen verlassen, denn sie seien allesamt »Faschisten«. Die Tschechen dagegen seien Demokraten, und selbst die wenigen Reichen unter ihnen könnten als Teil der demokratischen Nation gelten.

Beneš hob nochmals hervor, die deutsche Bevölkerung habe den Krieg begonnen und müsse dafür bestraft werden. Er zog einen generell formulierten Vertreibungsplan aus der Tasche und fügte hinzu, mehr als die darin genannten Prinzipien ließen sich nicht festlegen, wenn man nicht ein ganzes Buch füllen wolle. In der folgenden Diskussion nannte er die Entfernung der nationalen Minderheiten aus der ČSR ein Vorbild, dem andere Siegernationen – die Griechen, Jugoslawen und Polen – ebenfalls folgen sollten, um ihre Probleme zu lösen, und wiederholte, »die schuldigen Deutschen« müssten verschwinden. Beneš war bereit, die Unterstützung des Vertreibungsplans durch die UdSSR mit Maßnahmen im Innern zu honorieren, und versprach, die deutschen Ländereien, Fabriken, Stahlwerke und Banken in staatliche Verwaltung zu nehmen. Die Enteignungen sollten auch auf die Tschechen ausgedehnt werden. Molotov fragte, ob er denn glaube, diese würden zustimmen. Beneš räumte ein, dass Schwierigkeiten zu erwarten seien, meinte aber zuversichtlich, die Enteignung der Deutschen werde eine generelle Nationalisierung einleiten und nicht nur zu einer Tschechisierung, sondern auch zum Beginn einer großen sozialen Transformation führen. Die Frage nach einer Bodenreform beantwortete er damit, dass der Besitz von höchstens 25 Hektar Acker- und Waldland erlaubt werden solle.

Auch unabhängig vom Thema nationale Minderheiten wünschte Beneš eine Einmischung der UdSSR in die inneren Angelegenheiten seines Landes. Er forderte sie dazu auf, »Druck auf unsere Regierung auszuüben und alle Slowaken bestrafen zu lassen, die Verantwortung tragen für den Krieg gegen die Sowjetunion«, dem sich ihr – 1939 neben dem »Protektorat Böhmen und Mähren« der deutschen Besatzer errichteter – Staat angeschlossen hatte. Anscheinend wollte er dem politischen, administrativen und ethnischen Zentralismus der Tschechen in der ČSR endgültig zum Sieg verhelfen. Er verurteilte die Slowaken so heftig, dass Molotov einwandte, man könne diese doch nicht »einfach in einen Topf wie die Deutschen und die Ungarn werfen«.39

In einem zweiten Gespräch mit dem sowjetischen Außenminister betonte Beneš nochmals die Bereitschaft zu unbedingter Gefolgschaft. Früher habe man sich in Prag nach Frankreich orientiert, jetzt aber sei eine enge militärische Kooperation mit der UdSSR nötig. Daran seien Militärplanung, Militärtheorie, Bewaffnung, Luftabwehr, Flugplatzbau usw. anzupassen, ebenso die Wirtschaft. Der Außenhandel mit der UdSSR müsse intensiviert werden; Probleme wie Arbeitslosigkeit ließen sich nur mit ihrer Hilfe lösen. Lieferungen aus dem Osten sollten die Abhängigkeit vom Westen beseitigen. Mit Blick auf die Beziehungen zu Österreich, Rumänien, Jugoslawien, Frankreich und Italien versicherte Beneš, sein Land werde nichts ohne Abstimmung mit der Sowjetunion tun. Er sprach auch von der Möglichkeit, dass sich die ČSR aus militärstrategischen Gründen einige benachbarte Gebiete angliedern könnte, und verlangte, die Ungarn aus der Slowakei zu entfernen und dort Grenzkorrekturen vorzunehmen.40

Zuletzt zog man Bilanz. Molotov bekräftigte, die UdSSR erkenne die staatliche und territoriale Integrität der ČSR an. Beneš rechtfertigte die geplante Vertreibung der deutschen Bevölkerung nochmals mit der Erklärung, diese habe »großen und primären Anteil an der Schuld Deutschlands an diesem Krieg«. Das gegen sie gerichtete Vorgehen sei »eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber der ČSR« und »eine Absicherung dagegen, dass das Deutsche Reich die deutschen Minderheiten wieder zur Vorbereitung seiner aggressiven Pläne gegen den Frieden und das Slawentum benutzen könnte«. Die Tschechoslowakei werde dadurch in die Lage versetzt, »militärisch die Sicherheit ihrer Grenzen zu gewährleisten«, das »Problem der Reparationen« zu regeln und eine »Basis für die Lösung großer sozialer Aufgaben« zu schaffen. Die sowjetische Seite stellte fest, sie habe für »dieses Lebensproblem der ČSR« volles Verständnis und trage »mit ihrer Unterstützung zu dessen Lösung« bei. Stalin erklärte, dass es in allen mit Molotov besprochenen Fragen volle Übereinstimmung gebe. Er billigte ausdrücklich den Inhalt der Memoranden, die Beneš zu den militärischen und wirtschaftlichen Problemen und zum Bevölkerungstransfer vorgelegt habe. Die Einzelheiten würden »weiter studiert und von Fachleuten beider Staaten erörtert« werden.41

Stalin stellte die peinliche Frage, wieso es in der ČSR keine Partisanenbewegung wie in den anderen Ländern gebe. Beneš erwiderte, das wolle man nach dem Krieg besser machen und »das Leben auf neuen Grundlagen erwecken«. Mit seiner Antwort gab der sowjetische Führer zu erkennen, dass er einen politisch-gesellschaftlichen Umsturz in der Tschechoslowakei für nötig erachtete. Man dürfe die Erneuerung nicht der »alten Demokratie« überlassen, die »nicht lebensfähig« sei und »wegfallen« müsse. Stattdessen müsse man einen »Schritt nach vorn« tun, welcher »der neuen Entwicklung und dem neuen Sachstand« entspreche. Die Slowakei solle »fest an die Hand genommen« werden, um ihr keinen Separatismus mehr zu gestatten. Beneš erklärte, »unter wissenschaftlichem Gesichtspunkt« bestehe kein Unterschied zwischen der tschechischen und slowakischen Sprache, und versicherte, eine Selbstständigkeit der Slowaken komme nicht in Betracht, denn sie gehörten zur Tschechoslowakei. Weiter sprach man über die Politik Großbritanniens, der USA, des künftigen Deutschlands, Ungarns und Rumäniens, über eine Verbesserung der geheimdienstlichen Zusammenarbeit und über ein von der UdSSR unterbreites Memorandum über militärische und wirtschaftliche Kooperation.42

Die Vereinbarungen wurden in einem Protokoll festgehalten, das auf Entwürfen von Beneš beruhte, aus denen anschließend alles gestrichen worden war, was die sowjetischen Verpflichtungen klar umschrieben hätte.43 Der Pakt vom 12. Dezember solle eine genaue Abstimmung in allen beiderseitig interessierenden Angelegenheiten der internationalen Politik und eine enge militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit herbeiführen. Man stimme voll darin überein, dass neue deutsche Aggressionsversuche durch geeignete Maßnahmen verhindert werden müssten, unter anderem durch vollständige Entwaffnung und »entsprechende Veränderungen der inneren Struktur«. Der Schaden, den andere Länder erlitten hätten, sei voll zu ersetzen. Der vorgesehene Bevölkerungstransfer lasse der ČSR Gerechtigkeit zuteil werden und garantiere, dass die deutsche Minderheit nicht mehr zur »Vorbereitung aggressiver Pläne gegen den Frieden und das Slawentum« missbraucht werde. Er gewährleiste die militärische Sicherung der Grenzen, löse das Reparationsproblem und schaffe »Grundlagen für das große Programm der sozialen Reform«, das die Regierung der ČSR ins Auge fasse, »um die Aufgabe der nationalen, wirtschaftlichen und sozialen Konsolidierung der Republik zum endgültigen Abschluss zu bringen«.44

Außer Deutschland sei auch Ungarn zu bestrafen. Es müsse »primär durch die sowjetische Armee« besetzt werden, denn eine »friedliche Zusammenarbeit zwischen Ungarn und den demokratischen Ländern« wäre »ohne fundamentale Änderungen an Ungarns bestehendem Feudalsystem nicht möglich«. Die UdSSR sprach sich für »ein starkes und unabhängiges Polen« aus und fügte hinzu, »nur eine wahrhaft demokratische polnische Regierung in vollem Einvernehmen mit dem polnischen Volk« könne künftig eine »fruchtbare Zusammenarbeit« gewährleisten. Für Österreich sei eine Zukunft als »unabhängiger und wirtschaftlich voll lebensfähiger Staat« ohne Auflagen in Bezug auf die innere Ordnung vorgesehen.45 Es bestand auch Einvernehmen darüber, dass Polen für die Abtretung seiner Ostgebiete an die UdSSR mit der Übertragung ostdeutschen Territoriums – Oberschlesiens und der Gebiete bis zur Oder – entschädigt werden solle.46

Beneš sah seine Erwartungen durch die Resultate der Verhandlungen übertroffen und glaubte seine Ansicht bestätigt, dass die UdSSR die frühere Konzeption aufgegeben habe, »den Frieden zu untergraben« und »den Kommunismus in andere Staaten einzupflanzen«. Ihre Führer seien »sowjetische Patrioten«, die das Recht und den Willen zur Teilnahme an den Entscheidungen in der Welt hätten.47 Ihre Erklärungen über die Abkehr von der Komintern-Politik, über die positive Einstellung zur Religion und zur Zusammenarbeit mit dem Westen, über die slawische Idee und diese als bloße Taktik anzusehen, waren demnach ein fundamentaler Fehler. Die UdSSR sei unaufhaltsam und unumkehrbar auf das Ziel eines neuen dezentralisierten russischen Imperiums ausgerichtet, das allen anderen Völkern einen festen Platz im Geiste einer neuen Volksdemokratie einräume. Aus dem Krieg werde eine neue Sowjetunion hervorgehen. Diese werde ihr wirtschaftliches und gesellschaftliches System voll bewahren, politisch aber eine völlig neue Gestalt erhalten, die Führung der Slawen übernehmen und eine gänzlich neue Situation in der Welt herbeiführen. Der ČSR bringe man große Sympathie entgegen, und der Vertrag mit ihr sei der Anfang einer neuen, für alle Slawen sehr wichtigen Phase. Beneš war der Euphorie nahe. Wie er seiner Exilregierung in London mitteilte, seien alle Probleme »so klar, so entschieden und mit solcher Herzlichkeit und in so harmonischer Zusammenarbeit bezüglich der Zukunft« erörtert worden.48

Obwohl sich Beneš dezidiert um sowjetische Stellungnahmen zu inneren Problemen seines Landes bemüht hatte, war davon in den Vereinbarungen keine Rede. Im Kreml war man darauf bedacht, sich nicht dem Odium auszusetzen, die UdSSR nehme auf die Angelegenheiten eines befreundeten Staates Einfluss. Die Aufgabe, in diesen Fragen ihren Willen gegenüber der ČSR zur Geltung zu bringen, wurde dem Chef der tschechoslowakischen Kommunisten im Moskauer Exil, Klement Gottwald, zugewiesen. Durch ihn konnte die UdSSR Forderungen stellen, ohne nach außen gegen den vertraglichen Einmischungsverzicht zu verstoßen.

Verhandlungen mit der kommunistischen Exilführung

Auch Beneš wollte die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (Komunistická strana Československa, KPČ) einbeziehen. Er brachte ihr zwar keine Sympathie entgegen, hielt aber die Zusammenarbeit mit ihr um des Verhältnisses zur UdSSR willen für angebracht. Dabei glaubte er, die Kommunisten durch die Bereitschaft zur Übernahme wichtiger Teile ihres Programms und die »Beschäftigung« ihrer Funktionäre in verantwortlichen Positionen »schlucken und verdauen« zu können. Durch seine guten Beziehungen zu ihren sowjetischen Mentoren werde er in der Lage sein, sie unter Kontrolle zu halten. Die KPČ bestärkte ihn in dieser Zuversicht, indem sie – gemäß Stalins Konzept – verbale Zurückhaltung übte und nichts über ihr Endziel verlauten ließ. Sie sprach nur von einer »neuen Demokratie«, die auch Wirtschaft und Gesellschaft erfassen müsse, und stellte kurzfristige Forderungen, ohne das Wort »Sozialismus« in den Mund zu nehmen. Das scheinbare Entgegenkommen überzeugte Beneš vollends von der Richtigkeit seiner Umarmungsstrategie. Als ihr Freund und Förderer erklärte er die Kommunisten, die nie mehr als 13 Prozent der Stimmen erhalten und bei den letzten Wahlen deutliche Verluste erlitten hatten, zur künftig stärksten Partei in der ČSR, aus deren Reihen er den Regierungschef ernennen werde.49

Beneš berichtete Gottwald und seinen Leuten zunächst mit sichtlicher Befriedigung von den Gesprächen mit Stalin und Molotov und zog das Fazit, das Problem der Deutschen werde in der künftigen Republik definitiv gelöst werden. Die Niederlage Deutschlands biete eine einzigartige Gelegenheit zur »radikalen Säuberung« des Staatsgebiets »vom deutschen Element«. Die ČSR werde »ein Nationalstaat, ein slawischer Staat« sein. Das deutsche Eigentum – Badeorte, Bergwerke, Fabriken und landwirtschaftliche Großbetriebe – werde in staatliche Verwaltung übernommen werden. »Es wird eine nationale Revolution sein, verbunden mit einer sozialen Revolution. Die Maßnahmen nationalen Charakters und die Maßnahmen gegen vermögende Deutsche werden den Weg für radikale wirtschaftliche Eingriffe und soziale Veränderungen in den tschechischen Gebieten öffnen.« Die ČSR müsse in jeder Hinsicht in die Hände des Volkes übergehen. Mit der ungarischen Bevölkerung sei ähnlich zu verfahren, doch bereite dies weniger Schwierigkeiten, weil man sie mit den Slowaken in Ungarn austauschen könne. Gottwald war mit dieser Ausrichtung einverstanden, hielt aber, was die Deutschen betraf, ein »stärker taktisches Vorgehen« und »größere Vorsicht« für richtig. Es sei etwa an ein Recht zur Option für die ČSR oder eine individuelle Überprüfung zu denken. Zur Begründung der Strafen gegen sie solle man nicht die Nationalität, sondern Schuld gegenüber der Demokratie, der Republik und dem Volk anführen. Beneš stimmte dieser Taktik zu.50

Der Präsident informierte die Kommunisten in allen Einzelheiten über seine Mitarbeiter und Weggenossen in London und verhehlte nicht, dass er die Ansichten der meisten als politisch rückständig ansah. Er forderte die KPČ, die bislang nur in seinem Staatsrat vertreten war, zur Beteiligung an der Exilregierung auf und erklärte, diese wolle bei Kriegsende zurücktreten, aber ihre Funktionen weiter ausüben, bis aufgrund der Parlaments- und Präsidentenwahlen eine neue Staatsspitze geschaffen sei. Gottwald erklärte, das Kabinett in London habe keine Legitimation und müsse seine Befugnisse sofort abgeben, wenn man wieder in der ČSR sei. Er setzte durch, dass sofort eine provisorische Regierung zu bilden sei, die bis zu den Wahlen und zur Konstituierung ordentlicher Verfassungsorgane amtieren werde. Dies werde etwa drei Monate dauern, so Beneš. Er selbst wolle erst zwei Wochen später zurückkehren, damit sich das Volk vorher gehörig »austoben« könne, ehe er dann für Ordnung sorge. Seiner Ansicht nach waren alle schuldig Gewordenen, alle Verräter sogleich aus dem Staatsapparat zu entfernen. Das Volk werde am besten wissen, wer zu bestrafen sei, und solle die Möglichkeit zur Abrechnung erhalten. Generell könne man den Beamtenapparat selbst in der Slowakei (wo 1939 das mit Hitler verbündete Tiso-Regime die Herrschaft übernommen hatte) nicht antasten, sondern müsse die Säuberung auf später verschieben, um sie dann systematisch durchzuführen.

Die Kommunisten und Beneš stimmten darin überein, dass fundamentale Veränderungen an der Staatsstruktur erforderlich waren. In Böhmen und Mähren wurde eine »Revolution«, ein »Kampf« vorgesehen. Das »Volk« sollte »mit den Deutschen aus dem Reich und mit unseren Deutschen« gründlich abrechnen und so einer sowohl nationalen als auch sozialen Revolution den Weg bereiten. Dementsprechend wurde die Bildung von Nationalkomitees ins Auge gefasst, die als unmittelbare Organe des Volkes auf lokaler und regionaler Ebene die dortigen Behörden kontrollierten. Damit sollte eine zweite Exekutive neben der traditionellen staatlichen Macht entstehen, die dieser die Amtsgewalt streitig machte. Das lief auf jene Doppelherrschaft hinaus, derer sich Lenin 1917 in Russland als Sprungbrett zur Machtergreifung bedient hatte. Die Nationalkomitees sollten zusammen mit den Parteien, die noch im Untergrund existierten, und neuen »Parteikomplexen«, deren Entstehung man erwartete, Vorschläge hinsichtlich der Zusammensetzung der provisorischen Regierung machen.

Beneš plädierte für eine sozialistische Einheitspartei aus Kommunisten, Sozialdemokraten und seinen Nationalen Sozialisten (als Partner, der die Unterstützung der bürgerlichen Kräfte gewährleisten würde). Das kam für die KPČ von vornherein nicht in Betracht, denn im Kreml hatte man festgelegt, dass es zunächst zu einer »Aktionseinheit der beiden Arbeiterparteien« kommen sollte, die gemeinsame Positionen gegenüber den bürgerlichen Parteien festlegen würde. Dabei hatten sich die Kommunisten mit den Sozialdemokraten lediglich zu einem Bündnis zusammenzuschließen, in dem ihre organisatorische Selbstständigkeit unbedingt gewahrt blieb, und eine Fusion erst dann zu vollziehen, wenn sie imstande waren, die in ihre Reihen aufzunehmenden anderen Sozialisten politisch zu »verdauen«, so dass die stalinistisch ausgerichtete Parteistruktur und Politiklinie sich voll durchsetzen ließ. Beneš schlug nun vor, ein Linksbündnis aus Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalen Sozialisten könne unter Führung der KPČ bis zu den Wahlen die Amtsgeschäfte übernehmen. Auch das war mit dem sowjetischen Konzept nicht zu vereinbaren, denn dieses sah vor, zunächst den Anschein zu erwecken, dass man auf eine alle Demokraten umfassende Ordnung hinarbeite. Aus diesem Grund lehnte es Gottwald auch ab, an die Spitze der provisorischen Regierung zu treten. Er forderte aber für seine Partei die Ministerien des Innern und der Verteidigung, also die Machtressorts, die über die Polizei und das Militär verfügten. Beneš stimmte persönlich zu, schränkte aber ein, die Regelung hänge nicht nur von ihm, sondern auch von den anderen Blockpartnern ab.

Was das Parteiensystem betraf, setzte sich Gottwald, wie von Stalin vorgesehen, dafür ein, dass außer den Arbeitern auch die »bürgerlichen« Kreise, die Katholiken und Bauern eine Vertretung erhalten müssten. In dem Memorandum, das er den Beratungen zugrunde legte, hieß es weiter, der »führende Block der Arbeiterparteien« solle keine linke Politik betreiben, sondern als »Vertretung der ganzen Nation« auftreten. Die Agrarpartei, die vor 1938 die stärkste Kraft in der ČSR gewesen war und deswegen den Kommunisten als gefährlichster Rivale galt, wurde der »reaktionären« Orientierung beschuldigt. Darum sei ihr kein Recht zur Beteiligung am politischen Leben zuzubilligen. Eine neue Partei müsse die Bauern vertreten. Beneš erhob keinen Einspruch.51

Diese Abmachungen brachten die KPČ der angestrebten Macht entscheidend näher. Gottwald war sehr zufrieden. Abschließend erklärte er, man sei auf einem »guten Weg«, und fügte hinzu, die Fragen der künftigen Regierungsarbeit ließen sich am besten klären, wenn aus London eine Delegation nach Moskau komme. Die Vertreter der drei Linksparteien könnten dort die Zusammenarbeit im Block und das gemeinsame Programm besprechen und Entwürfe dazu formulieren. Deshalb sollte die Federführung bei der Planung des staatlichen Aufbaus nicht bei den Exilpolitikern, sondern bei der KPČ und dem sowjetischen Parteiapparat liegen. Die Abgesandten aus London würden sich lediglich an der Diskussion beteiligen können, nachdem die grundlegenden Konzepte und Papiere schon ausgearbeitet vorlagen. Beneš stimmte dem Verfahren zu. Sein Einverständnis ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass er durch den Vorwurf unter Druck gesetzt worden war, seine Pflicht als Präsident der ČSR verletzt zu haben, als er 1938 auf militärischen Widerstand gegen Hitler verzichtet habe. Auch rügten die Kommunisten, er ignoriere die Realität, indem er die Slowaken zusammen mit den Tschechen zu einem Volk erkläre. Sie besäßen jedoch eine eigene nationale Identität, die einen autonomen Status innerhalb des Staates erfordere. Bezüglich der Beratungen in Moskau benannte Beneš als seine Vertreter den stellvertretenden Vorsitzenden seines Staatsrates, den Kommunisten Václav Nosek, den Nationalen Sozialisten Josef David und den linken Sozialdemokraten Bohumil Laušman. Man könne eventuell auch einen von ihrem rechten Flügel und Pfarrer František Hála von der Slowakischen Volkspartei hinzuziehen. Dagegen erhob sich kein Widerspruch.52

Im ausgehenden Winter 1944 erhielt die Londoner Exilregierung aus den USA den Entwurf eines Abkommens über das Vorgehen der alliierten Truppen auf dem Gebiet der ČSR. Beneš und Gottwald lehnten jedoch eine mit den Verbündeten vereinbarte Regelung ab. Wie die Führung im Kreml gingen sie davon aus, dass ihr Land von der UdSSR befreit werden würde, und wollten verhindern, dass die Westmächte Einfluss nehmen könnten. Mit Unterstützung des Botschafters in Moskau, Zdeněk Fierlinger, verhinderte die UdSSR eine Regelung, bis ihre Streitkräfte tschechoslowakisches Gebiet erreicht hatten, und schloss dann mit dem Argument, dass es um das Vorgehen ihrer Truppen gehe, die anderen Staaten vom Abschluss des entsprechenden Abkommen mit der ČSR aus. Durch seine Mithilfe machte Beneš erneut deutlich, dass er sein Land allein in sowjetische Hände geben wollte. Die Westmächte sollten dort in keiner Weise mitzureden haben. Nur die UdSSR würde zuständig sein.53 Daraufhin sah sich der Oberbefehlshaber der anglo-amerikanischen Streitkräfte, General Eisenhower, im Frühjahr 1945 veranlasst, seine Truppen vom Vorstoß nach Prag abzuhalten. Er und seine Leute würden in der ČSR ohnehin nichts zu sagen haben. Daher hatte das Leben seiner Soldaten Vorrang.54

Zu Beginn des Jahres 1945 traten die Beratungen über die künftige Innenpolitik der ČSR in die entscheidende Phase. Am 23. Januar wies Stalin Gottwald in einem Gespräch nochmals darauf hin, dass der Umgang mit Beneš größte Behutsamkeit notwendig mache. Angesichts der Probleme im Verhältnis zu den USA und zu Großbritannien, die sich durch den Konflikt mit der polnischen Exilregierung ergeben hätten, sei es wichtiger denn je, Misshelligkeiten in den Beziehungen zu Beneš zu vermeiden, damit dem Bündnis eine weitere Belastung erspart werde. Welche konkrete Regelung deshalb im Kreml für richtig gehalten wurde, teilte der Leiter der zuständigen Abteilung des sowjetischen Zentralkomitees, Georgi Dimitrov, dem KPČ-Chef am 1. Februar mit. Daraufhin forcierten Gottwald und das ZK die Arbeit an dem Entwurf, der dem Exilpräsidenten bei den bevorstehenden Gesprächen in Moskau unterbreitet werden sollte.55 Auf eine Nachricht Fierlingers hin erklärte Beneš der Kremführung am 14. Februar, er stehe zur Abreise bereit. Zu diesem Zeitpunkt sah er den ins Auge gefassten Verhandlungen nicht länger mit dem gewohnten Optimismus entgegen. Angesichts des Verlaufs des Drei-Mächte-Gipfels in Jalta bezweifelte er erstmals, dass sich die UdSSR an demokratischen Zielen orientiere und dass Großbritannien und die USA die demokratischen Kräfte hinreichend unterstützten.56

Die Gespräche des tschechoslowakischen Präsidenten in Moskau begannen am 21. März mit Erörterungen über den Anschluss des ukrainisch besiedelten Karpatengebiets an die UdSSR. Das war eine herbe Enttäuschung, denn Beneš war bis dahin aufgrund der früheren Zusage der Kremlführung, die ČSR in den Grenzen von 1938 wiederherzustellen, von der Annahme ausgegangen, diese Region werde als autonome Region weiter dazugehören. Nach ihrer Eroberung durch die Rote Armee war aber unter geheimdienstlicher Regie eine »Volksbewegung« entstanden, welche die Eingliederung in die Ukrainische Sowjetrepublik forderte. Beneš sah sich dadurch genötigt, der Abtretung zuzustimmen. Um den Anschein der Freiwilligkeit zu wahren, wurde die Vereinbarung bis zur Durchführung des zur Rechtfertigung vorgesehenen Referendums geheim gehalten.57

Ab 24. März besprachen Beneš und Gottwald das künftige Regierungsprogramm. Der KPČ-Chef stützte sich auf das Memorandum, das seine Partei zusammen mit dem sowjetischen ZK-Apparat formuliert und danach mit Dimitrov besprochen hatte und das abschließend von Stalin und Molotov gebilligt worden war. Damit konnten sich die Kommunisten auf eine detailliert ausgearbeitete Verhandlungsgrundlage stützen, während Beneš ohne schriftliche Unterlagen dastand. Die Vorschläge des Kremls waren daher alleiniger Bezugspunkt der Diskussion; an ihnen wurde nur noch wenig geändert. Damit bestimmte das sowjetische Konzept die Entscheidungen über die innerstaatliche Ausrichtung der künftigen ČSR.58 Ihm lag die interne Anweisung zugrunde, die »Frage der Sowjetisierung der Tschechoslowakei« müsse zurückgestellt werden, um »das Volk selbst« aufgrund seiner eigenen Entwicklung auf den »Weg zur Sowjetmacht« zu bringen.59

Dimitrov hatte Gottwald schon im Dezember 1944 erklärt, seine Partei dürfe weder die Einführung des Sowjetsystems noch Maßnahmen fordern, die sich erkennbar gegen die bürgerlich-demokratische Ordnung richteten. Sie müsse sich ein nationales und patriotisches Aussehen geben und sich allein gegen den »Faschismus« der Deutschen und der »Verräter« im Lande wenden. Die »Frage der Sowjetisierung« sei erst zu stellen, wenn »die Zeit reif« sei. Die ČSR müsse »sich selber auf den Weg zur sowjetischen Macht durch eine systematische politische und ideologische Vorbereitung hinführen«. Dem sollten »unter anderem der [Parteien-]Block und die Zusammenarbeit mit demokratischen Elementen dienen«. Man müsse die Kräfte »mäßigen«, die sich stärker beeilen wollten.60 Demnach durfte es keine klassenkämpferischen Töne geben. Zwar sollten etwa Enteignungen vorgenommen werden, doch waren diese zu Strafen für die »[Nations-]Verräter aus den Reihen der Bank-, Industrie- und Agrarmagnaten« zu erklären. Als Begründung für Parteiverbote wurde Verrat am Staat vorgesehen. Nur den als Kooperationspartner betrachteten Mitgliedern der Nationalen Front – den Kommunisten, den zu enger Verbundenheit mit ihnen verpflichteten Sozialdemokraten, den Nationalen Sozialisten, den Katholiken und der Slowakischen Volkspartei – war das Recht zu politischer Betätigung einzuräumen. Alle anderen, vor allem die Agrarpartei, waren davon auszuschließen. Auf der Basis dieser Einschränkungen, vor allem des Verbots, erschienen Wahlen akzeptabel. Nationalkomitees sollten der Bevölkerung eine breite Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten erlauben. Unter Hinweis darauf, dass darüber schon im Dezember 1943 ein grundlegendes Einvernehmen bestanden habe, setzten die Kommunisten alle Forderungen durch.61

Gemäß sowjetischer Instruktion lehnte Gottwald den ihm von Beneš angetragenen Vorsitz des Ministerrats ab mit der Begründung, er wolle den Eindruck des Strebens nach Parteidiktatur vermeiden. An seiner Stelle wurde der linke Sozialdemokrat Fierlinger vorgesehen, der stets die Positionen der UdSSR unterstützte und für viele Kenner der Verhältnisse faktisch ein Kommunist war. Als Verteidigungsminister wurde Svoboda nominiert, der die Aufnahme in die KPČ beantragt hatte, aber mit dem Argument abgewiesen worden war, er solle wegen des optischen Gleichgewichts als Parteiloser auftreten. An die Spitze des Innenressorts, dem vor allem die bewaffneten Polizeien unterstehen sollten, kam ein Kommunist – und zwar auf Dimitrovs »Empfehlung« nicht der allzu exponierte Generalsekretär der Partei, Rudolf Slánský, sondern der weniger bekannte Genosse Nosek. Auch die wegen ihres Einflusses auf die Öffentlichkeit wichtigen Ministerien für Information, Landwirtschaft sowie Arbeit und Fürsorge gingen an Kommunisten, während das Ressort für Schulwesen und Volksaufklärung der Leitung des ihnen nahe stehenden Schriftstellers, Historikers und Musikwissenschaftlers Zdene˘k Nejedlý anvertraut wurde. Nur in der Außenpolitik konnte Beneš seinen Kandidaten, Jan Masaryk, durchsetzen. Der andere ihm eng verbundene Parteifreund, Hubert Ripka, einige nicht an die UdSSR gebundene Sozialdemokraten sowie die Katholiken und die Slowakische Volkspartei wurden mit politisch marginalen Ministerien abgespeist. Um den Anschein von Ausgewogenheit zu wahren, verzichtete die KPČ auf die Mehrheit im Kabinett. Ihr genügte die Kontrolle über die entscheidenden Positionen.62

Die Besetzung der Regierungsposten zeigte Beneš, dass er eine politische Niederlage erlitten hatte. Dieses Ergebnis enttäuschte ihn zutiefst. Auch deprimierte es ihn, dass sich Stalin und Molotov nicht von der – ihren früheren Zusagen widersprechenden – Annexion der Karpato-Ukraine hatten abbringen lassen. Sein Vertrauen in die Kremlführung war erschüttert. Ihm kamen Zweifel, ob die Ausrichtung auf die UdSSR noch ihren Zweck erfüllte. Trotzdem hielt Beneš an der unbedingten Zusammenarbeit mit der Kremlführung fest und gab sich der Hoffnung hin, der schlechten Erfahrung werde künftig Besseres folgen.63 War er nicht bereit, sich sein Scheitern einzugestehen, oder sah er keine Möglichkeit, die beharrlich verfolgte Richtung zu ändern?

Entwicklungen vor Ausbruch des Kalten Krieges

Am 2. April 1945 fasste das Staatliche Verteidigungskomitee der UdSSR unter Stalins Vorsitz den Beschluss, eine NKVD-Einheit von 350 Mann zum Schutz von Beneš und der anderen Politiker der ČSR abzustellen.64 Drei Tage später gaben diese in Anwesenheit des künftigen sowjetischen Botschafters, Valerian Zorin, in Košice (Kaschau) die Zusammensetzung der provisorischen Regierung bekannt. In dem am Vortag verkündeten Aktionsprogramm hieß es, man werde »eine Wiederherstellung – in welcher Form auch immer – jener politischen Parteien nicht zulassen, die sich so schwer an den Interessen des Volkes und der Republik vergangen haben«. Das betraf nicht nur die Agrarpartei, sondern auch andere »bürgerliche« Gruppen, vor allem die Slowakische Volkspartei, die in diesem Landesteil früher die Mehrheit gehabt hatte. Die Kräfte, deren Tätigkeit erlaubt wurde, bildeten einen »Nationalen Block des arbeitenden städtischen und ländlichen Volkes«. Nach dessen Beschluss vom Juni wurden »sämtliche gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen, kulturellen […] und anderen unabhängigen Organisationen sowie Jugendorganisationen« von Anfang an »als nationale Einheitsorganisationen« aufgebaut. Die Gerichte erhielten den Auftrag, die »Kollaborateure« und »Verräter« zu bestrafen.65 Von einem Gespräch mit Stalin im August 1946 brachte Gottwald die auch für die anderen sowjetisch eroberten Länder gültige Leitlinie mit, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Wege zum Sozialismus gebe, mithin auch die ČSR bestimmen könne, wie sie vorgehen wolle. Die anderen Parteien nahmen das befriedigt zur Kenntnis, weil sie irrtümlich glaubten, die zugestandene Eigenentscheidung betreffe auch das Ziel.66

Den Slowaken war im Programm von Košice Gleichberechtigung mit den Tschechen und territoriale Autonomie zugestanden worden. Ihre Regierung konnte manche Entscheidungen selbstständig treffen. Die Regierung des Gesamtstaates amtierte als Organ der »nationalen Einheit«. Sie verhinderte, dass in Böhmen und Mähren Ersatz für die Agrarpartei geschaffen wurde, deren Wählerschaft die Kommunisten an sich zu binden hofften. Auf nachdrückliches Verlangen von Beneš beschloss sie, sowohl die totale Enteignung der »ausgesiedelten« Deutschen als auch die Verstaatlichung des Bankwesens und der Industrie. Die Gerichte sprachen Tausende von Todesurteilen und langen Haftstrafen aus. Wenn den Beschuldigten kein Fehlverhalten nachzuweisen war, genügte zumeist schon die Anklage, um sie aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Die Säuberungen betrafen gleichermaßen die Bereiche von Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Die – weitgehend von KPČ-Kadern kontrollierten – Massenorganisationen, vor allem die Gewerkschaften, beanspruchten die Kompetenzen von Parteien und stärkten damit die Kommunisten in der Auseinandersetzung mit ihren politischen Konkurrenten. Die allgemeine Begeisterung über den Neuanfang im Zeichen der wiederhergestellten Eigenstaatlichkeit ließ den innenpolitischen Asymmetrien wenig Aufmerksamkeit zuteil werden. Auch waren die Zugehörigkeit der ČSR zum Einflussbereich der UdSSR und die starke Präsenz ihrer geheimdienstlichen Organe zu berücksichtigen. Fast generell stimmte man Beneš darin zu, dass der notwendige Schutz vor einer mutmaßlich erneut zu erwartenden deutschen Aggression das Risiko eines Konflikts mit dem Kreml und seinen Parteigängern verbiete.67

Die Kommunisten verschafften sich in den Nationalkomitees, die auf lokaler und regionaler Ebene die Kontrolle über die Industrie, die Politik und die Verwaltung übernahmen, eine beherrschende Stellung und etablierten damit eine Herrschaftsstruktur neben den staatlichen Hierarchien. Durch die Aneignung exekutiver Funktionen vor Ort unterminierten sie die Ministerien, von denen manche zudem so sehr auf die Gewerkschaften angewiesen waren, dass sie nur aufgrund des Einvernehmens mit diesen handeln konnten. Nur soweit die Ressorts über eigene Machtapparate – wie insbesondere Polizei oder Armee – verfügten, waren sie zur eigenständigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben imstande. Die Nationalkomitees regelten im jeweiligen Gebiet Versorgung und Preise, unterstellten die Staatsorgane ihrer Aufsicht, instruierten die Verwaltung und erschütterten die Autorität der Beamten durch viele Interventionen. Zwar konnten sie nach eigener Angabe den »Einfluss der alten Demokratie« aus der Zwischenkriegszeit »nicht völlig« beseitigen, schränkten ihn aber »erheblich« ein. Die Verstaatlichung der Banken, Versicherungen und Industriefirmen ab 400, oft auch nur 250 Beschäftigten (66 Prozent der Betriebe mit 75 Prozent der Gesamtproduktion) erlaubte es den Komitees, administrative Positionen zu besetzen, Arbeitsplätze zu vergeben und die Ausrichtung der beginnenden sozialistischen Wirtschaftsplanung zu bestimmen. Die KPČ stellte 80 Prozent der Bezirks- und über 55 Prozent der Ortsvorsitzenden und dominierte die Einheitsgewerkschaften. Der Umstand, dass die bürgerliche Mittelklasse durch die Beseitigung des deutschen – wie zuvor schon des jüdischen – Elements und die zunehmende Abhängigkeit vom nationalisierten Wirtschaftssektor geschwächt war, stärkte die Macht der kommunistisch gesteuerten Organisationen weiter.68

»[D]ie Vertreibung der Deutschen, die Durchführung der Bodenreform und die Einführung der neuen Agrarpolitik« gaben den Nationalkomitees und damit weitestgehend der KPČ ein starkes materielles Fundament. Sie verfügten über die konfiszierten Vermögen und gaben die enteigneten Ländereien an Klienten weiter. Aus dem Besitz der Minderheiten und der »tschechische[n] und slowakische[n] Verräter« wurden 170 000 Familien mit insgesamt 1,7 Millionen Hektar ausgestattet. Aufgrund der für das Bodeneigentum festgelegten Obergrenzen wurden weitere 0,5 Millionen Hektar Gutsbesitzer- und Kirchenland verteilt. Die KPČ nutzte die Positionen, die sie auf diese Weise gewonnen hatte, um die »Differenzierung auf dem Dorf« voranzutreiben, das heißt die Wohlhabenden gesellschaftlich zu isolieren und so politisch zu entmachten. Insbesondere sollten damit von Anfang an die Bedingungen für eine Kollektivierung der Landwirtschaft geschaffen werden, die zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen war. Die Kommunisten stützten sich auf den »Verband der tschechoslowakischen Landwirte«, mit dessen Aufbau sie im Mai 1945 begonnen hatten und der statt der nicht zugelassenen Agrarpartei als Interessenvertretung der bäuerlichen Bevölkerung dienen sollte. Als die KPČ die Kontrolle über die Dörfer zu erringen versuchte, stieß sie auf den heftigen Widerstand der bürgerlichen Kräfte, die dort seit jeher ihre Hochburgen hatten. Es kam zu Mobilisierung und Gegenmobilisierung. Als der kommunistische Landwirtschaftsminister schließlich die Amtsgewalt für seine Partei einsetzte, erfolgte eine parlamentarische Rüge.69

Vor diesem Hintergrund fanden am 26. Mai 1946 landesweite Wahlen statt. Die KPČ erhielt mit 38 Prozent der Stimmen die relative Mehrheit. Damit hatte sie nun eine klare Legitimation für die Ernennung Gottwalds zum Regierungschef. Höchst ärgerlich war, dass in der Slowakei die meisten Wähler für die Demokratische Partei votiert hatten. Die Kommunisten waren mit ihrem Bemühen um die dort vorherrschende Landbevölkerung gescheitert. Sie hatten zwar im März 1945 gegen Beneš die Autonomie der Slowakei durchgesetzt, sahen diese aber jetzt als Hindernis auf dem Weg zur Macht. Gottwald versuchte die Demokratische Partei durch den Vorwurf zu diskreditieren, sie biete den Funktionären der früheren Slowakischen Volkspartei, also »reaktionären« Kräften der Vorkriegszeit, eine politische Plattform und stelle sich damit in Gegensatz zu der eingeleiteten demokratischen Erneuerung. Die Konsequenz, sie aus dem Amt zu jagen, verfolgte er wegen der Westmächte nicht weiter.70

Auch sonst war die KPČ vielfach unzufrieden, weil ihr autoritäres, die Interessen der anderen Parteien weithin missachtendes Vorgehen von Anfang an viele Widerstände hervorrief. Der Sozialistische Block, der die Sozialdemokratische Partei (SPČ) an die Kommunisten binden sollte, war schon Ende 1945 zerbrochen, weil seine Existenz von keiner Besatzungsmacht gewährleistet wurde. Weil es diese nicht gab, waren zudem die Mitglieder der Nationalen Front nicht so wie in den sowjetisch okkupierten Ländern zum Konsens mit den Kommunisten gezwungen. Diese konnten das politische Vorgehen nur dadurch teilweise ihrer Kontrolle unterwerfen, indem sie von den anderen Parteien ein unbedingtes Eintreten für die von ihnen durchgesetzten Beschlüsse verlangten. Mit dem Argument, es könne Misstrauensvoten nicht gegen einzelne Minister, sondern nur gegen die Regierung insgesamt geben, schützten sie aber ihre Ressortchefs vor parlamentarischen Misstrauensvoten. Diese prinzipiellen Differenzen führten zu ständigen Konflikten.71

Die Auseinandersetzungen verschärften sich, als die Kommunisten nach ihrem Erfolg bei den Wahlen von 1946 ihre Ansprüche erhöhten. Das Verhältnis zu den Sozialdemokraten geriet in eine akute Krise. Sogar der linke Fierlinger-Flügel verweigerte der KPČ die Gefolgschaft, als sie auf bedingungslose Unterordnung bestand. Die Mittelgruppe der SPČ war ohnehin zusammen mit den rechten Kräften nicht mehr zur gemeinsamen Frontstellung gegen die Bürgerlichen bereit. Die Kommunisten warfen der anderen Seite daraufhin vor, sie wolle mit den anderen Mitgliedern des Nationalen Blocks eine feindliche Gruppe bilden. Deshalb habe man alles darangesetzt, Fierlinger als Parteivorsitzenden abzulösen. Das Bemühen sei zwar erfolglos geblieben, werde aber fortgesetzt. Die Kommunisten wollten sich die Sozialdemokraten dadurch gefügig machen, indem sie mit Unterstützung durch deren – meist der Linie der KPČ folgenden – Gewerkschaftsfunktionäre nicht nur den linken Flügel, sondern auch die Mitte fest an sich binden wollten und die rechten Kräfte durch deren »Entlarvung« als »Reaktionäre« zu isolieren versuchten. Dem lag die Einschätzung zugrunde, dass sich die Konflikte zwischen den zwei Arbeiterparteien negativ auf die übrige Nationale Front und ihre Haltung zur kommunistischen Politik auswirke. Den Anhängern von Beneš, den Nationalen Sozialisten, wurde vorgeworfen, sie träten zwar nach außen hin für die Kooperation ein, blockierten diese aber faktisch zusammen mit den anderen bürgerlichen Kräften. Die KPČ griff zur Durchsetzung ihrer Politik zu ihrem gewohnten Mittel: der Spaltung der Gegner. So bemühten sie sich, gegen die »faschistische Clique« an der Spitze der Katholiken deren Gewerkschaftsfunktionäre und linken Geistlichen zu mobilisieren.72

Im Brennpunkt des Kampfes um die Macht standen von Anfang an die Sicherheitskräfte. Am 20. Juni 1945 löste der kommunistische Innenminister unter Berufung auf das Programm von Košice die Gendarmerie, die uniformierte Staatspolizei und die lokalen Polizeiorgane auf. An ihrer Stelle wurden als Instrumente der Zentralgewalt eine uniformierte allgemeine Polizei und ein mit Vorrechten ausgestatteter geheimer Staatssicherheits- und Nachrichtendienst geschaffen. Die Leitung lag jeweils bei kommunistischen Kadern. Diese übernahmen das frühere Personal nur so weit, wie sie nach sorgfältiger Loyalitätsprüfung dessen politische Zuverlässigkeit feststellten. Neu wurden nur die eigenen Leute eingestellt. Die Sicherheitskräfte, die Ermittlungen, Festnahmen und Hausdurchsuchungen nach eigenem Ermessen vornehmen konnten, wurden daher von der KPČ geführt. Sie befassten sich vornehmlich mit dem Kampf gegen die Widersacher ihrer Partei.73

Die Armee unterstand zwar rechtlich Präsident Beneš, der als Oberbefehlshaber über ihren Einsatz zu bestimmen hatte, doch die Entscheidung der Struktur- und Personalfragen lag in der Hand von Verteidigungsminister Svoboda, der, wie der tschechische Historiker Jan Kalous hervorhebt, den Kommunisten »bedingungslos ergeben« war.74 Zwei neue Organe mit zuverlässigen Kadern der KPČ an ihrer Spitze trieben den Veränderungsprozess in den Streitkräften voran, indem sie die militärischen Positionen mit ihren Leuten besetzten: die 5. Abteilung des Generalstabs und die Hauptverwaltung für Erziehung und Aufklärung. Erstere befasste sich vor allem mit der Sammlung von Informationen, die sich gegen politisch unerwünschte Militärs verwenden ließen, und führte aufgrund der so oder auf andere Weise gewonnenen Erkenntnisse Säuberungen durch. Die Hauptverwaltung baute ein Netz von Politoffizieren auf, die in der Truppe eine zweite Befehlskette neben den operativen Kommandeuren bildeten. Diese »Reformen« stärkten die Macht des Personals, das Svoboda in der UdSSR rekrutiert und geführt hatte, und drängten den Einfluss derer zurück, die während des Krieges in westlichen Streitkräften gedient hatten oder während der Protektoratszeit im Lande geblieben waren.75 Das Ausmaß, in dem sich die KPČ zu etablieren vermochte, wird an der Tatsache deutlich, dass ihr ein Drittel der Generäle angehörte. Im mittleren und unteren Offizierskorps war sie weniger stark vertreten. Die kommunistische Führung monierte, zwar sei Minister Svoboda ein Freund der UdSSR und stimme den Auffassungen der Partei meist zu, agiere aber »nicht fest genug« und weiche oft vor dem »Druck der rechten Kräfte« zurück.76

Die Führung der KPČ konstatierte voller Ärger, dass ihre Partei in den meisten Ministerien und den ihnen unterstehenden Zentralbehörden personell relativ schwach vertreten war. Weithin säßen dort die »Vertreter der alten reaktionären Bürokratie«. Außer im Verteidigungsressort hielt sie die Lage nur in den Ministerien für Landwirtschaft, Information, Inneres und Finanzen für befriedigend. Am schlechtesten schienen die Verhältnisse in Masaryks Außenministerium. Dort wende man sich sogar gegen das Bündnis der KPČ mit der sowjetischen Partei. Keines dieser Probleme erschütterte freilich die Siegesgewissheit der Kommunisten. Sie stützten sich nicht nur darauf, dass sie die UdSSR hinter sich wussten. Sie sahen ihre Chancen wesentlich auch dadurch gegeben, dass es ihnen die Doppelherrschaft und die vertreibungsbedingten Enteignungen erlaubten, ihre Macht gegenüber den »Reaktionären« in der Staatsbürokratie systematisch auszubauen.77 Ungeachtet aller Vorteile aufseiten der KPČ, war die sowjetische Führung wegen der »Verschärfung des Klassenkampfs« besorgt.78 Ihr entscheidendes Problem war, dass sie in der ČSR zwar viele Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die innere Lage hatte, aber – anders als im besetzten Osteuropa79 – die Widerstände nicht einfach brechen und ausschalten konnte.

Konfrontation, Krise und Umsturz in Prag

Der amerikanische Außenminister George Marshall stellte am 6. Juni 1947 der Öffentlichkeit das seither mit seinem Namen verbundene europäische Hilfsprogramm vor. Dieses bot auch der UdSSR materielle Unterstützung an. Darauf hatte man im Kreml seit 1945 gehofft. Stalin dachte daher zunächst an eine Teilnahme seines Landes, machte dann aber einen Rückzieher, als er den Berichten seines Geheimdienstes und anderen Informationen entnahm, die Empfänger hätten ihre Wirtschaftspolitik aufeinander abzustimmen. Demnach würden die Mittel nicht frei verfügbar sein. Das lief nach sowjetischer Auffassung auf eine völlig unannehmbare ökonomische Fremdkontrolle hinaus, die umso schlimmer erschien, als sie mutmaßlich auch die Reparationslieferungen aus den besetzten Ländern umfassen würde. Dazu kam die Sorge, die sich bietenden materiellen Vorteile könnten dazu führen, dass die Gefolgschaftsstaaten dem sowjetischen Einfluss entglitten.80 So gesehen, war die amerikanische Offerte eine politische Kriegserklärung an die Adresse der UdSSR. Stalin ließ demgemäß seinen engsten Mitarbeiter, Andrej Ždanov, auf der Gründungstagung des Kommunistischen Informationsbüros (Kominform) am 25. September verkünden, die Lager des Sozialismus und Imperialismus stünden sich in unerbittlicher Feindschaft gegenüber. Die Kommunisten dürften keine Kompromisse mit dem westlichen Gegner schließen, sondern müssten ihn rücksichtslos bekämpfen.81

Zu Stalins Sorge gab es im Falle der ČSR konkreten Anlass. Ende Frühjahr 1947 waren dort Industrie und Landwirtschaft in eine schwere Krise geraten. Es kam zu Versorgungsengpässen, unter denen die Arbeiterschaft, die Klientel der Kommunisten, besonders zu leiden hatte. Als sich noch eine sowjetische Beteiligung abzuzeichnen schien, entschied sich Prag für die Annahme der amerikanischen Hilfe. Zu diesem Zeitpunkt, Anfang Juli, hatte es Stalin sich aber schon anders überlegt. Er bestellte Ministerpräsident Gottwald und Außenminister Masaryk nach Moskau. Dort machte er zunächst dem kommunistischen Regierungschef äußerst heftige Vorwürfe in einem Gespräch, das er mit ihm allein führte. Demnach hatte dieser sich von den Politikern der anderen Parteien, die im Kreml bereits als Verbündete der Feinde im Westen galten, ins Schlepptau nehmen lassen. Von dieser Seite, so erklärte der sowjetische Führer, seien Veränderungen in Vorbereitung, welche die ČSR aus dem Einflussbereich der UdSSR herausbrechen sollten. Er bezweifelte, dass die KPČ, wie geplant, bei der Wahl im kommenden Jahr den Sieg erringen könne, um so an die Macht zu kommen. Stattdessen drohe ihr das Schicksal der französischen und italienischen Kommunisten, die von der Macht ausgeschlossen worden waren. In einem weiteren Gespräch, zu dem Masaryk hinzugezogen wurde, machte Stalin klar, dass die ČSR ihre Bereitschaft zur Beteiligung am Marshall-Plan widerrufen musste.82 Zu Hause stellte die KPČ ihre Mitverantwortung dafür in Abrede; alle Schuld liege bei den anderen Parteien.83

Am 21. August legte Gottwald überdies dem Führungsgremium seiner Partei ein Konzept für eine politische Großoffensive im Herbst vor. Eingangs unterstellte er den anderen Parteien die Absicht, das Regierungsprogramm zu sabotieren und eine politische Krise vorzubereiten. Sie hätten eine Offensive eingeleitet; der entscheidende Zusammenstoß werde schon vor den Wahlen im nächsten Jahr erfolgen. Damit ergäben sich drei Möglichkeiten. Wenig wahrscheinlich seien vorverlegte Wahlen und die Einsetzung einer vorläufigen Beamtenregierung. Sollte es doch dazu kommen, werde die KPČ in bewährter Weise einen Generalstreik ausrufen. Auch mit der zweiten Eventualität, dem Auszug der Gegner aus der Regierung, sei kaum zu rechnen. Dem könne man zudem mit der Auflösung des Parlaments, der Ausschreibung von Neuwahlen und der Bildung einer Übergangsregierung mit Vertretern der Massenorganisationen begegnen. Gottwald sah weiterhin vor, die anderen Parteien durch den Aufbau von Linksgruppen in ihren Reihen zu spalten, ihre Führungen unter Druck zu setzen, den Sozialistischen Block zu erneuern und die Nationale Front »von der Reaktion« zu säubern. Die Durchsetzung des Machtmonopols sollte in Kürze erfolgen.84

Die Führung der KPČ versicherte auf der Kominform-Tagung im September, sie werde aus der sowjetischen Kritik am Kurs der kommunistischen Parteien die nötigen Lehren ziehen. Sie sei entschlossen, die schon eingeleitete »Gegenoffensive gegen die Reaktion« in der ČSR »zu verstärken und weiter zu entfalten«, und werde alles tun, um diese »aus ihren Positionen zu entfernen« und als [westliche] »Verräter-Agentur zu entlarven«. Sie beabsichtige, mithilfe der »breiten Volksmassen« die »Reaktion zu zerschlagen«, d. h., ganz zu vernichten. Vor allem in der Slowakei als Schwachstelle des volksdemokratischen Regimes müsse man die Feinde besiegen. Das werde sich auf das »Kräfteverhältnis zwischen den fortschrittlichen und reaktionären Kräften insgesamt« positiv auswirken und der KPČ »helfen, eine Reihe von Problemen in Böhmen und Mähren zu entscheiden«. Es sei vor allem erforderlich, die von Beneš unterstützten »reaktionären Cliquen der Nationalen Sozialisten und der Katholischen Partei« zu bekämpfen. Diese versuchten, die Orientierung der Außenpolitik »umzukehren« und den Marshall-Plan als vorteilhaft für die ČSR hinzustellen.85

Die lautstark propagierte Ablehnung der Marshall-Plan-Hilfe durch die KPČ stieß angesichts der Versorgungskrise bei der Bevölkerung auf Unverständnis. Auch aus anderen Motiven verringerte sich die Unterstützung für die Kommunisten erheblich. So stieß das Bemühen um Durchsetzung der Bodenreform (die für Stalin entscheidende Bedeutung hatte) auf unüberwindlichen Widerstand, als es nicht mehr um die Enteignung der Deutschen, sondern um die Beschränkung tschechischen und slowakischen Landbesitzes ging. Das vielfach eigenmächtige oder gar gesetzwidrige Vorgehen der KPČ, wenn die Zustimmung in der Nationalen Front ausblieb, rief weithin Ablehnung und Abwehr hervor. Durch ihre massive, auf Machterhalt und Alleinherrschaft ausgerichtete Propagandakampagne im Herbst konnten die Kommunisten den negativen Trend nicht wenden. Die anderen Parteien wurden in der allgemeinen Ablehnung bestärkt, mit der sie eine Machtergreifung verhindern und die Demokratie retten wollten. Dennoch unternahmen sie – anders als Gottwald erwartet hatte – nichts, um kommunistische Attacken und Übergriffe zunichte zu machen und deren Fortsetzung zu verhindern. Sie stellten sich auch nicht auf Auseinandersetzungen ein, die mit Mitteln der physischen Macht geführt werden würden, sondern konzentrierten sich allein auf das Bestreben, der KPČ in den Wahlen des kommenden Jahres eine Niederlage zu bereiten.

Während die Kommunisten die Vorbereitungen für den Endkampf um die Macht einleiteten und mit Blick darauf die gesellschaftlichen Organisationen, vor allem die Gewerkschaften, zu mobilisieren begannen, blieben ihre Gegner – die Sozialdemokraten, Nationalen Sozialisten und slowakischen Demokraten – untätig. Sie wollten sich nicht dem Vorwurf aussetzen, dass sie entgegen den Abmachungen von 1945 über die Nationale Front Oppositionsbildung betrieben. Sie verzichteten darauf, sich gegen die ständigen Provokationen der Kommunisten energisch zur Wehr zu setzen, und gaben immer wieder nach, auch wenn es um wichtige Fragen ging. Beneš vermied mit Rücksicht auf die UdSSR klare Stellungnahmen. Er rief nur zu Toleranz und Verträglichkeit auf, ohne sich öffentlich zu den demokratischen Parteien zu bekennen. Deren Chefs berieten mit ihm, gewannen ihn aber nicht als Führer für ihre Sache. Seine Passivität trat eklatant zutage, als er einen Verfassungsbruch der KPČ widerstandslos hinnahm, der die politischen Verhältnisse im Land entscheidend veränderte: die aufgrund einer geheimen Anweisung Stalins von Anfang Oktober 1947 eigenmächtig durchgeführte Absetzung der slowakischen Regionalregierung und die damit verbundene Aufhebung der slowakischen Autonomie. Trotz aller Duldsamkeit galt Beneš den Prager Kommunisten und der Führung in Moskau als feindlicher »Agent des anglo-amerikanischen Imperialismus«.86

Im Kreml war man über die Lage in der ČSR sehr besorgt.87 Der angestrebte Sieg der KPČ war nicht mehr zu erwarten, wenn man das Land dem politischen Selbstlauf überließ. Eine Wende konnte nach amtlicher Einschätzung nur noch herbeigeführt werden, indem die UdSSR direkt eingriff. Es wurde eine für Sondereinsätze vorgesehene Geheimpolizeibrigade in Zivilkleidung mit 400 Mann nach Prag gebracht, die den Auftrag erhielt, den Umsturz vorzubereiten und Gottwald zu schützen. Anfang 1948 rief Molotov Pavel Sudoplatov, den Leiter der für die ČSR zuständigen Abteilung des Geheimdienstes, zu sich ins Außenministerium und befahl ihm, sich nach Prag zu begeben und dort eine geheime Zusammenkunft mit Beneš zu arrangieren, um ihm den Rücktritt und die Übergabe seiner Befugnisse an den KPČ-Chef nahezulegen. Falls er sich weigere, habe er damit zu rechnen, dass man der Öffentlichkeit die Quittung für die ihm 1938 gezahlten 10 000 US-Dollar, das Abkommen von 1935 über die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit der UdSSR und die Vereinbarung über die Abtretung der Karpato-Ukraine von 1945 präsentiere. Damit würde er allen politischen Kredit verlieren. Das sei ohne Diskussion mitzuteilen. Einer der Mitarbeiter Sudoplatovs, der frühere Prager Resident Pëtr Zubov, der seitdem eine gute Beziehung zu Beneš hatte und daher am leichtesten geheimen Zugang erlangen konnte, führte den Auftrag aus. Er erklärte dem Präsidenten, nur sein Amtsverzicht könne unabsehbares Blutvergießen verhindern, das zudem völlig sinnlos wäre, weil der Sieg der neuen Ordnung unausweichlich sei. Er solle in Würde abtreten und der ČSR den Bürgerkrieg ersparen.88

In der Tat bestand nur wenig Aussicht, dass sich die kommunistische Machtergreifung noch abwenden ließ. Seit 1945 hatte die KPČ eine überaus starke Machtposition aufgebaut. Sie stützte sich – außer auf die Geheimdienste von ČSR und UdSSR – vor allem auf das Potenzial der Massenorganisationen, vor allem der Gewerkschaften, auf zentralisierte Polizeiorgane und auf erhebliche Teile der Armee. Der Präsident war zwar offiziell Oberkommandierender der Streitkräfte, doch würden seinem Befehl nur die alten Militärs folgen, während die Kader aus Svobodas Brigade in der UdSSR, das neu eingestellte Personal und die Politoffiziere auf der anderen Seite standen. Maßgebliche Ministerien waren in kommunistischer Hand, und die Nationalkomitees nahmen den Ressorts die Macht auf regionaler und lokaler Ebene aus der Hand, falls unerwünschte Weisungen erfolgten. Beneš kannte diese Sachlage nur teilweise. Er war lange Zeit nicht zum Rücktritt bereit, ohne jedoch zu versuchen, die Herausforderung mit konkreten Akten abzuwehren. Er blieb weiter passiv.

Am 13. Februar leitete der kommunistische Innenminister die offene Krise ein, indem er die acht der KPČ noch nicht angehörenden Bezirkspolizeichefs entließ. Der Diskussion darüber entzog er sich, indem er den Kabinettssitzungen fernblieb. Die demokratischen Parteien boykottierten daraufhin ihrerseits die Regierungsarbeit und reichten, als das die KPČ nicht zum Einlenken veranlasste, bei Beneš ihren Rücktritt ein. Der Präsident nahm die Gesuche nicht an, lehnte Gottwalds Forderung nach Ernennung neuer Minister ab und versicherte immer wieder, er werde den Pressionen nicht nachgeben. Das veranlasste die Kommunisten dazu, mithilfe der Gewerkschaften einen allgemeinen Streik zu organisieren, ihre Gefolgschaft in den bewaffneten Organen in Kampfbereitschaft zu versetzen und Beneš massenhaft Telegramme und Resolutionen zuzuleiten. Auf dem Höhepunkt des Konflikts teilte Svoboda dem Präsidenten mit, er werde die Truppen nicht »gegen das Volk«, d. h. gegen die Streikenden, einsetzen. Der Kreml unterstrich durch die Entsendung des stellvertretenden Außenministers Valerian Zorin am 19. Februar sein Interesse am Geschehen. Auch erklärte in Prag ein General aus Moskau öffentlich, die ČSR müsse sich in einer Welt, in der die »imperialistischen Kräfte« im Kampf mit den »Kräften der Freiheit, des Fortschritts und der Volksdemokratie« lägen, mit der UdSSR so eng wie möglich zusammenschließen. Beneš blieb weiter untätig. Am 25. Februar kapitulierte er schließlich und übergab Gottwald die Präsidentschaft.89 Die uneingeschränkte Einführung des Sowjetsystems folgte auf dem Fuße.

Fazit der Interaktion zwischen Beneš und Stalin

Schon in den Dreißigerjahren hatte sich Beneš auf eine enge Zusammenarbeit mit der UdSSR festgelegt. Dabei ging er von der subjektiven Gewissheit aus, dass die Sowjetunion längst die revolutionären Anfänge hinter sich gelassen habe und keine Ausdehnung ihrer Herrschaft und ihres Systems anstrebe. Als Hitler den großen Bevölkerungsanteil der Deutschen zur Waffe machte, die er mit vollem Erfolg gegen die ČSR einsetzte, hielt Beneš die Bindung an die UdSSR vollends für unerlässlich. Als glühender Nationalist, dem der faktisch multiethnische Charakter des tschechoslowakischen Nationalstaates seit jeher ein Dorn im Auge gewesen war, kam er zu der Überzeugung, dass die Minderheiten, vor allem die Deutschen, unbedingt entfernt werden müssten. Gegen die Vertreibung einer Bevölkerung von mehreren Millionen hatte man in den westlichen Hauptstädten große Vorbehalte. Wie Beneš zu Recht vermutete, hatte Stalin keine solchen Hemmungen. Daher erschien er als besserer Ansprechpartner für das nationale Anliegen, die Deutschen aus der ČSR »auszusiedeln«. Das bestätigte sich in den Verhandlungen. Die Verwirklichung des Plans hing davon ab, dass die Tschechoslowakei nicht von westlichen Streitkräften, sondern von der Roten Armee befreit wurde. Deshalb setzte sich Beneš mit aller Energie auch dafür ein.

Die Zusammenarbeit fand ihren Ausdruck in einer Übereinkunft über die Beziehung zwischen beiden Staaten und über den politischen Wiederaufbau in der ČSR. Stalin hatte ein klares Konzept über das Vorgehen in den Ländern, die sich bei Kriegsende in der Hand der Roten Armee befinden würden. Überall außer in Österreich, dem durch eine Vorzugsbehandlung die Vorteile der Trennung von Deutschland demonstriert werden sollten, war die Sowjetisierung das Endziel. Das machte im Normalfall ein Besatzungsregime von langer Dauer erforderlich. So verfuhr Stalin auch mit Polen, obwohl es Verbündetenstatus hatte, denn es war als Tor nach Deutschland und Westeuropa von entscheidender Bedeutung, und die UdSSR verfügte dort über keinen einheimischen Verbündeten mit Gewicht, der die Durchsetzung seines Systems und der damit verknüpften Oberherrschaft gewährleistet hätte. In der ČSR dagegen konnte sich Stalin auf Beneš stützen, der sich der UdSSR in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik unterordnete und die Forderungen der sowjetisch gelenkten KPČ erfüllte. Ohne dass es eines Besatzungsregimes bedurfte, entstand die Ausgangslage für den Transformationsprozess, den Stalin ins Auge gefasst hatte. Der Präsident verschaffte den Kommunisten eine dominante politische Position hinter der Fassade einer Mehrparteiendemokratie westlichen Zuschnitts. Zugleich kamen die Mittel der physischen Gewalt in ihre Hand. Der Rückgriff darauf und die Aktionen des sowjetischen Geheimdienstes entschieden den Machtkampf in der ČSR, als sich zeigte, dass wichtige Instrumente von Stalins Konzept wie der Konsens im Parteienblock ohne den Zwang eines Besatzungsregimes nicht funktionierten, und der Sieg der KPČ daher auf andere Weise nicht mehr zuverlässig gewährleistet erschien.

Beneš spielte im Vertrauen auf seine unfehlbare Urteilsfähigkeit, das durch den Schock nach dem voreiligen Siegesgefühl im September 1938 nicht erschüttert worden war,90 die ihm von Stalin zugewiesene Rolle in dem Glauben, dieser verfolge in der ČSR das gleiche Ziel wie er: die Verwirklichung eines demokratischen Sozialismus im ethnisch gesäuberten Nationalstaat. Diese Gewissheit schöpfte er daraus, dass in Moskau vom Aufbau einer »neuen Demokratie« die Rede war, die sich auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse erstrecken müsse. Seine Unkenntnis des Sowjetsystems und der operativen Vorstellungen des Kremls verhinderten die Erkenntnis, dass die von dieser Seite vorgesehenen Maßnahmen auf ein völlig anderes Ziel ausgerichtet waren. Als sich das Vorgehen der UdSSR und der KPČ konkret abzeichnete, kamen Beneš einige Zweifel daran, dass die eingeleitete Entwicklung seinen Vorstellungen entsprach. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch schon zu sehr auf den Kurs des Zusammengehens mit Stalin festgelegt, als dass ihm eine Umorientierung möglich erschienen wäre. Er hatte sein Schicksal und das seines Landes voll in sowjetische Hände gelegt und sah sich veranlasst, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten, bis die Rücktrittsforderung aus Moskau seiner Karriere und der Illusion einer nationalstaatlich-demokratischen Zukunft des Landes ein Ende setzte.


1* Dem Aufsatz liegt – neben in Übersetzung publizierten Archivalien – primär Sekundärliteratur zugrunde, die, auf tschechische, sowjetische, britische, polnische und weitere Primärquellen gestützt, einzelne Aspekte des Themas beleuchtet und auf dieser breiten Basis ein zusammenfassendes Urteil über die bislang noch nicht behandelte Gesamtfragestellung ermöglicht.

1 Näheres bei R. M. Douglas: »Ordnungsgemäße Überführung«. Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, München 2012, S. 21–28.

2 Siehe Istorija Kommunističeskogo Internacionala 1919–1943. Dokumentaľnye očerki [Die Geschichte der Kommunistischen Internationale. Dokumentarische Grundzüge], hg. von der Russischen Akademie der Wissenschaften und vom Institut für Allgemeine Geschichte, Moskau 2002, S. 67–71.

3 Boris Sokolov: Tuchačevskij, Moskau 2008, S. 390.

4 Jaroslav Papoušek: Dr. Edvard Beneš. Sein Leben, Prag 1937, S. 199; Karel Kaplan: Der kurze Marsch. Kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei 1945–1948, Wien 1981, S. 21. Im letztgenannten Buch wird der tschechische Begriff národní socialismu mit »Volkssozialismus« übersetzt. Korrekt ist aber allein »Nationaler Sozialismus«, andernfalls müsste im Tschechischen lidový socialismu stehen.

5 V.V. Mar’ina: Čechoslovacko-sovetskie otnošenija v diplomatičeskich peregovorach 1939–1945 gg. (Die tschechoslowakisch-sowjetischen Beziehungen in den diplomatischen Gesprächen 1939–1955, in: Novaja i novejšaja istorija, 2000, H. 4, S. 146, 149.

6 Siehe ebd., S. 146; Zbyne˘k Zeman/Antonín Klimt: The Life of Edvard Beneš 1884–1948. Czechoslovakia in Peace and War, Oxford 1997, S. 177 f.

7 Sokolov: Tuchačevskij (Anm. 3), S. 388–390.

8 Siehe Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 128.

9 Siehe Pavel Sudoplatov: Razvedka i Kreml’. Zapiski neželatel’nogo svidetelja [Die Aufklärung und der Kreml. Aufzeichnungen eines unerwünschten Zeugen], Moskau 1996, S. 265 f., 275; ders.: Specoperacii. Lubjanka i Kreml’ 1930–1950 gody [Sonderoperationen. Die Lubjanka und der Kreml] , Moskau 1998, S. 140 f.; Detlef Brandes: Die Exilpolitik von Edvard Beneš 1939–1945, in: Arnold Suppan/Elisabeth Vyslonzil (Hg.): Edvard Beneš und die tschechoslowakische Außenpolitik 1918–1948, Frankfurt a. M. 2002, S. 163; Chad Bryant: Prague in Black. Nazi Rule and Czech Nationalism, Cambridge, MA/London 2007, S. 129 f.; Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 84 f.

10 Siehe Igor Lukes: Czechoslovakia between Stalin and Hitler. The Diplomacy of Edvard Beneš in the 1930s, New York/Oxford 1996, S. 139–256; Hugh Ragsdale: The Soviets, the Munich Crisis and the Coming of World War II, Cambridge 2004, S. 134–137; Keith Neilson: Britain, Soviet Russia and the Collapse of the Versailles Order, 1919–1939, Cambridge/New York 2006, S. 212–317; Douglas: »Ordnungsgemäße Überführung« (Anm. 1), S. 20 f.

11 Der Einsatz sowjetischer Truppen zur Verteidigung der ČSR hätte die Nutzung polnischen und/oder rumänischen Territoriums erfordert. Weder in Warschau noch in Bukarest war man bereit, dies zu genehmigen, vor allem weil man fürchtete, die Rote Armee würde dem Kreml als Sowjetisierungsinstrument dienen.

12 Für Aussagen des NKVD-Generals, der die Übergabe auftragsgemäß veranlasste, siehe Sudoplatov: Razvedka (Anm. 9), S. 265 f.; ders.: Specoperacii (Anm. 9), S. 367; Pawel Anatoljewitsch Sudoplatow/Anatolij Sudoplatow: Der Handlanger der Macht. Enthüllungen eines KGB-Generals, Düsseldorf 1994, S. 101 f. Zur Glaubwürdigkeit siehe die einleitenden Ausführungen ebd., S. 7–25.

13 Siehe Neilson: Britain, Soviet Russia and the Collapse (Anm. 10), S. 31–38; Mar’ina: Čechoslovacko-sovetskie otnošenija (Anm. 5), S. 149.

14 Douglas: »Ordnungsgemäße Überführung« (Anm. 1), S. 31 f.

15 Ebd., S. 31–56.

16 Siehe Milan Hulik: Historie: Špion kteremu nelze ve˘řit [Geschichte: Der Spion, dem man nicht glauben kann], neviditelnypes.lidovky.cz/historie-spion-kteremu-nelze-verit-d64-/p_spolecnost.asp, ges. am 17. Oktober 2012; Bryant: Prague in Black (Anm. 9), S. 167–169.

17 Siehe Douglas: »Ordnungsgemäße Überführung« (Anm. 1), S. 38–41.

18 V.V. Mar’ina: Zakarpatskaja Ukraina (Podkarpatskaja Rus’) v politike Beneša i Stalins. 1939–1945 gg. Dokumentaľnyj očerk [Die Ukraine jenseits der Karpaten (die Karpaten-Rus’) in der Politik von Beneš und Stalin. 1939–1945], Moskau 2003, S. 26 f.

19 Zusammenfassende Darstellung bei Gerhard Wettig: Stalin and the Cold War in Europe. The Emergence and Development of East-West Conflict, 1939–1953, Lanham 2008, S. 12–23.

20 Istorija Kommunističeskogo Internacionala (Anm. 2), S. 71–73. Stalins Lagebeurteilung bei Abschluss des Pakts mit Hitler 1939 lässt sich seinen Ausführungen gegenüber leitenden Komintern-Funktionären am 7. September 1939 und Dimitrovs folgendem Instruktionsentwurf entnehmen, siehe die Wiedergabe in: Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933–1943, hg. von Bernhard H. Bayerlein, Berlin 2000, S. 273–275; Krisztián Ungváry: Die Weisungen der Komintern nach dem Ribbentrop-Molotov-Pakt an die kommunistischen Parteien am 30. Dezember 1939 – die bisher unbekannten Aufzeichnungen von Zoltán Schönherz, in: Ulrich Mählert (Hg.) u. a.: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2010, Berlin 2010, S. 267–274. Siehe die Äußerungen von Botschafter Majskij gegenüber Beneš, in: Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 135 f.

21 Äußerung Stalins gegenüber führenden jugoslawischen Kommunisten im März 1946 laut Milovan Djilas: Conversations with Stalin, New York 1962, S. 114.

22 Siehe Gerhard Wettig (Hg.): Der Tjuľpanov-Bericht. Sowjetische Besatzungspolitik in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg (Einleitung), Göttingen 2012, S. 12–16.

23 Siehe Stefan Creuzberger/Manfred Görtemaker (Hg.): Gleichschaltung unter Stalin? Die Entwicklung der Parteien im östlichen Europa 1944–1949, Paderborn 2002; Donal O’Sullivan: Stalins »Cordon Sanitaire«. Die sowjetische Osteuropapolitik und die Reaktionen des Westens 1939–1949, Paderborn 2003.

24 Siehe Wettig: Der Tjuľpanov-Bericht (Anm. 22), S. 16–20.

25 Gespräch Stalins am 24. Mai 1946 mit Bolesław Bierut und Edward Osóbka-Morawski, in: Vostočnaja Evropa v dokumentach rossijskich archivov 1944–1953 gg. [Osteuropa in den Dokumenten russischer Archive 1944–1953), hg. von der Russischen Akademie der Wissenschaften u. a., Band 1, Moskau 1997, S. 457 f.

26 Das Verhältnis zu Polen wurde nicht nur von der traditionellen russischen Feindschaft, sondern auch davon bestimmt, dass die UdSSR dieses Land als Tor nach Deutschland und Westeuropa unbedingt brauchte.

27 Siehe V.V. Mar’ina: Slavjanskaja ideja v gody vtoroj mirovoj vojny [Die slawische Idee in den Jahren des Zweiten Weltkriegs], in: Slavjanskij vopros: Vechi istorii [Die slawische Frage. Wegmarken der Geschichte], hg. von Rossijskaja Akademija nauk, Istitut slvajanovedenija i balkanistiki, Moskau 1997, S. 172.

28 Siehe ebd., S. 173; M. Ju. Dostaľ: Slavistika meždu proletarskim internacionalizmom i slavjanskoj ideej (1941–1948) [Slawistik zwischen proletarischem Internationalismus und slawischer Idee], in: Slavjanovedenie, 2007, H. 2, S. 18–27. Zur Vorgeschichte siehe M. Ju. Dostaľ: Slavistika meždu proletarskim internacionalizmom i slavjanskoj ideej (1917–1941) [Slawistik zwischen proletarischem Internationalismus und slawischer Idee (1917–1941)], in: Slavjanskij almanach, hg. vom Ministerium für Kultur und Massenkommunikation der Russländischen Föderation, Moskau 2007, S. 114–140.

29 Siehe Marek Kazimierz Kamiński: Edvard Beneš we współpracy z Kremlem. Polityka zagraniczna władz czechosłowackich na emigracji 1943–1945 [Edvard Beneš im Zusammenwirken mit dem Kreml. Die Außenpolitik der tschechoslowakischen Exilregierung 1943–1945] , Warschau 2009, S. 76; Mar’ina: Slavjanskaja ideja (Anm. 27), S. 174–177.

30 Siehe Mar’ina: Čechoslovacko-sovetskie otnošenija (Anm. 5), S. 146 f.

31 Siehe Berija an Stalin, 2. November 1940, in: V.N. Chaustov/V.P. Naumov/N.S. Plotnikova (Bearb.): Rossija XX vek. Dokumenty. Ljubjanka. Stalin i NKVD – IKGB – GUKR »Smerš« 1939 – mart 1946 [Russland im XX. Jahrhundert. Dokumente. Die Lubjanka. Stalin und das NKVD – das IKGB – die GUKR »Tod den Spionen« (= Geheimpolizeien der UdSSR) 1939 – März 1946] , Moskau 2006, S. 143.

32 Nach kurzer Tätigkeit im tschechischen Widerstand war Svoboda 1939 nach Krakau gegangen und hatte dort eine tschechoslowakische Einheit aufgebaut, die im September zunächst gegen die Deutschen kämpfte und nach dem sowjetischen Einmarsch in Ostpolen in die Hände der Roten Armee geriet. Svoboda veranlasste die ihn vernehmenden Smerš-Funktionäre zu einem Anruf in Moskau mit einer von ihm genannten Nummer. Während die mit ihm gefangenen polnischen Offiziere erschossen wurden, brachte man ihn in die sowjetische Hauptstadt, wo man ihm Privilegien gewährte. Siehe en.wikipedia.org/wiki/Ludv%C3%ADk_Svoboda, ges. am 17. Oktober 2012.

33 Siehe Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 32–75.

34 Vojtech Mastny: Moskaus Weg zum Kalten Krieg. Von der Kriegsallianz zur sowjetischen Vormachtstellung in Osteuropa, München/Wien 1980, S. 163–166. Vertragstext: Louise W. Holborn (Hg.): War and Peace Aims of the United Nations. From Casablanca to Tokyo Bay, Boston 1948, S. 761 f.

35 Siehe V.V. Mar’ina: Peregovory Ė. Beneša v Moskve (dekabr’ 1943 g.) [Die Verhandlungen von E. Beneš in Moskau (Dezember 1943)] , in: Voprosy istorii, 2002, H. 1, S. 6.

36 Ebd., S. 6 f.; Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 76; Mastny: Moskaus Weg (Anm. 34), S. 167 (Zitat).

37 Ebd., S. 78 f.; Mar’ina: Čechoslovacko-sovetskie otnošenija (Anm. 5), S. 149.

38 Ebd., S. 149 f.; Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 79–82; Minutes of a conversation with Stalin in the Moscow theater on December 12, 1943, in: Vojtech Mastny: The Beneš-Stalin-Molotov Conversations in December 1943. New Documents, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Neue Folge 20 (1972), S. 376–380. Die Protokolle wurden in tschechischer Sprache von Beneš Kanzleichef Jan Smutný aufgezeichnet und von Mastny ins Englische übertragen. Diese Fassung der Smutný-Protokolle wird hier und im Folgenden zugrunde gelegt.

39 Minutes of a political conversation held on December 14, 1943, at 4:00 p.m., in Molotov’s office, ebd., 
S. 380–386, siehe Mastny: Moskaus Weg (Anm. 34), S. 168. Als Auszug aus der deutschen Übersetzung des Protokolls siehe Odsun – die Vertreibung der Sudetendeutschen, hg. vom Sudetendeutschen Archiv, Bd. 2 (1939–1946), München 2010, S. 425–428. Der von Beneš an Molotov übergebene Zehn-Punkte-Plan legte das Vorgehen in groben Zügen fest. Die Sudetendeutschen sollten als Staatsbürger des [Deutschen] Reiches (zu denen sie aufgrund der Abtretung des Sudetenlandes geworden waren) das Land verlassen. Das Eigentum, das sie bis auf noch festzulegende Teile zurückzulassen hätten, stehe als Reparation der ČSR zu. Deutschland sei zu Entschädigungszahlungen an die Betroffenen zu verpflichten (ebd., S. 428–430).

40 Minutes of a second conversation with Molotov held in Moscow on December 16, 1943, from 5:00 to 7:30 p.m., in: Mastny: The Beneš-Stalin-Molotov Conversations (Anm. 38), S. 388–398. Siehe die deutsche Übersetzung der Aufzeichnung des sowjetischen Diplomaten Viktor Lebedev in: Odsun (Anm. 39), S. 430–433.

41 Auszug aus den Smutný-Protokollen der Gespräche am 18. Dezember 1943, in: Mastny: The Beneš-Stalin-Molotov Conversations (Anm. 38), S. 433 f.

42 Siehe Mar’ina: Čechoslovacko-sovetskie otnošenija (Anm. 5), S. 150; Mar’ina: Peregovory (Anm. 35), S. 9; Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 91 f.

43 Siehe ebd., S. 90–92.

44 Text des Protokolls vom 18. Dezember 1943, in: Mastny: The Beneš-Stalin-Molotov Conversations (Anm. 38), S. 399–402.

45 Ebd., S. 400–402.

46 Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 188.

47 Ebd., S. 187 f.; Mar’ina: Peregovory (Anm. 35), S. 8.

48 Ebd., S. 9 f.

49 Mastny: Moskaus Weg (Anm. 34), S. 169 f.; Kaplan: Der kurze Marsch (Anm. 4), S. 24.

50 Siehe Douglas: »Ordnungsgemäße Überführung« (Anm. 1), S. 45, 49; Kamiński: Edvard Beneš 
(Anm. 29), S. 96 f.; Gottwald an die KPČ im Londoner Exil (Auszug, hier die Zitate), 21. Dezember 1943, in: Odsun (Anm. 39), S. 435 f.

51 Siehe Protokoll der Delegation der Moskauer Exil-KPČ über die Verhandlungen mit Beneš (Auszug), 
13. bis 20. Dezember 1943, ebd., S. 424 f.; Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 189 f.; Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 93–98.

52 Siehe ebd., S. 97 f.; Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 189 f.

53 Siehe Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 133–144.

54 Analog dazu verzichtete Eisenhower in Deutschland darauf, über die Elbe nach Osten vorzustoßen, nachdem in einem Abkommen festgelegt worden war, dass diese Gebiete von der UdSSR besetzt werden würden.

55 Siehe Mar’ina: Zakarpatskaja Ukraina (Anm. 18), S. 134.

56 Siehe Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 250.

57 Siehe ebd., S. 251–253; Mar’ina: Zakarpatskaja Ukraina (Anm. 18), S. 136–145.

58 Siehe ebd., S. 145 f.; Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 256 f.

59 Ebd., S. 218.

60 Siehe Jiří Kocian: Vom Kaschauer Programm zum Prager Putsch. Die politischen Parteien in der Tschechoslowakei 1944–1948, in: Creuzberger/Görtemaker: Gleichschaltung unter Stalin? (Anm. 23), S. 304 f. (Fn. 8); Miroslav Bouček/Miloš Klimeš/Marta Vartíkova: Program revoluce [Das Programm der Revolution], Prag 1975, S. 234. Als deutsche Parallele zu dem Kurs, den Dimitrov der KPČ verordnet hatte, siehe den auf ihn und Stalin zurückgehenden Aufruf des ZK der KPD vom 11. Juni 1945, wiedergegeben in: Peter Erler/Horst Laude/Manfred Wilke (Hg.): »Nach Hitler kommen wir«. Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegsdeutschland, Berlin 1994, S. 390–397.

61 Siehe Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 256 f.; Mar’ina: Slavjanskaja ideja (Anm. 27), S. 177 f.; Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 193–217.

62 Siehe Kamiński: Edvard Beneš (Anm. 29), S. 257 f.

63 Siehe ebd., S. 259 f.

64 Siehe ebd., S. 260.

65 Kocian: Vom Kaschauer Programm zum Prager Putsch (Anm. 60), S. 302–304, 307.

66 Siehe Kaplan: Der kurze Marsch (Anm. 4), S. 27 f.

67 Ebd., S. 35 f.; Kocian: Vom Kaschauer Programm zum Prager Putsch (Anm. 60), S. 307–309.

68 Siehe Bericht Slánskýs auf der Kominform-Gründungstagung, 23. September 1947, in: Giuliano Procacci (Hg.): The Cominform. Minutes of the Three Conferences 1947/1948/1949 (russ. Originaltext und engl. Übersetzung), Mailand 1994, S. 128–133 (Zitate stets nach dem russischen Originaltext); Bryant: Prague in Black (Anm. 9), S. 254 f.

69 Siehe Bericht von Slánský, 23. September 1947, in: Procacci (Hg.): The Cominform (Anm. 68), S. 134–137; Šárka Rokosová: Die Liquidierung der privaten Landwirtschaft auf dem Amtsweg, in: Pavel Žáček/Bernd Faulenbach/Ulrich Mählert (Hg.): Die Tschechoslowakei 1945/48 bis 1989. Studien zu kommunistischer Herrschaft und Repression, Leipzig 2008, S. 29–31; Kocian: Vom Kaschauer Programm zum Prager Putsch (Anm. 60), S. 313.

70 Siehe ebd., S. 312 f.

71 Siehe Kaplan: Der kurze Marsch (Anm. 4), S. 34–40.

72 Siehe Bericht von Slánský, 23. September 1947, in: Procacci (Hg.): The Cominform (Anm. 68), S. 142–145.

73 Siehe Jan Kalous: Der tschechoslowakische Sicherheitsapparat in den Jahren 1945 bis 1948, in: Žáček/Faulenbach/Mählert: Die Tschechoslowakei (Anm. 69), S. 87–97.

74 Ebd., S. 86.

75 Siehe ebd., S. 85 f.; I. Bilek: K voprosu o sovetizacii čechoslovackoj armii do fevralja 1948 g. [Zur Frage der Sowjetisierung der tschechoslowakischen Armee vor Februar 1948] , in: G.N. Sevostjanov (Hg.): Fevral’ 1948. Moskva i Praga. Vzgljad čerez polveka [Der Februar 1948. Moskau und Prag. Ansicht nach einem halben Jahrhundert], Moskau 1998, S. 110–117.

76 Bericht Slánskýs, 23. September 1947, in: Procacci: The Cominform (Anm. 68), S. 142 f.

77 Siehe ebd., S. 145 f.

78 Siehe V. Mar’ina: VKP(b) i KPČ: ot doverija do podozreditel’nosti. 1945–1948 gg. [Die VKP(B) und die KPČ: Vom Vertrauen zum Argwohn. 1945–1948], in: Sevostjanov: Fevral’ (Anm. 75), S. 34–39.

79 Die sowjetischen Truppen hatten Ende 1945 die ČSR als einen Staat geräumt, der im Gegensatz zu Ungarn, Rumänien und Bulgarien den Status eines Verbündeten hatte und im Gegensatz zu Polen im Kreml weder als ein zutiefst feindliches Land noch als ein für die Verbindung zur deutschen Sowjetzone unerlässliches Gebiet galt.

80 Siehe M.M. Narinskij: SSSR i plan Maršalla [Die UdSSR und der Marshall-Plan], in: M.M. Narinskij (Hg.): Cholodnaja vojna. Novy podchody, novye dokumenty [Der Kalte Krieg. Neue (Forschungs-)Ansätze, neue Dokumente], Moskau 1995, S. 172–181; Sudoplatov: Razvedka (Anm. 9), S. 276; Sudoplatov: Specoperacii (Anm. 9), S. 377–381.

81 Bericht von Andrej Ždanov »Über die internationale Situation«, 25. September 1947, in: Procacci: The Cominform (Anm. 67), S. 216–251.

82 Siehe Kaplan: Der kurze Marsch (Anm. 4), S. 120; Protokoll des Gesprächs Stalins mit Gottwald und Masaryk, 9. Juli 1947, in: Sovetskij faktor v Vostočnoj Evrope. Dokumenty [Der sowjetische Faktor in Osteuropa. Dokumente], Bd. I, hg. von Rossijskaja političeskaja ėncikopedija u. a., Moskau 1999, S. 462–465.

83 Kocian: Vom Kaschauer Programm zum Prager Putsch (Anm. 60), S. 313 f.; Zbyne˘k Zeman: The Declining Years. Beneš and Diplomacy after 1945, in: Suppan/Vyslonzil: Edvard Beneš (Anm. 9), S. 186 f.

84 Siehe Kaplan: Der kurze Marsch (Anm. 4), S. 120–122.

85 Stellungnahme Slánskýs auf der Kominform-Tagung, 26. September 1947, in: Procacci: The Cominform (Anm. 68), S. 280–287.

86 Vostočnaja Evropa (Anm. 25), S. 649–656, 661–664; Sovetskij faktor v Vostočnoj Evrope (Anm. 81), S. 496–503, 514–532; Kaplan: Der kurze Marsch (Anm. 4), S. 122–200; Mar’ina: VKP(b) i KPČ 
(Anm. 78), S. 39 f.; Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 263 f.; Kocian: Vom Kaschauer Programm zum Prager Putsch (Anm. 60), S. 311–315; Walter Ullmann: Beneš between East and West, in: H. Gordon Skilling (Hg.): Czechoslovakia 1918–1988. Seventy Years from Independence, Houndmills/London 1991, S. 59; O’Sullivan: »Cordon Sanitaire« (Anm. 23), S. 348 f.; Wettig: Stalin and the Cold War (Anm. 19), S. 152 f.

87 Siehe G.P. Muraško: Fevral’skij političeskij krizis v Čechoslovakii i sovetskij factor [Die Februar-Krise in der Tschechoslowakei und der sowjetische Faktor], in: Sevostjanov: Fevral’ (Anm. 75), S. 54–56.

88 Ebd., S. 56 f.; Sudoplatov: Razvedka (Anm. 9), S. 277 f.; Sudoplatov: Specoperacii (Anm. 9), S. 383–385, 478; P. Sudoplatow/A. Sudoplatow: Der Handlanger (Anm. 12), S. 268–270.

89 Siehe Zeman/Klimt: The Life of Edvard Beneš (Anm. 6), S. 264–268; Kaplan: Der kurze Marsch 
(Anm. 4), S. 201–242; Muraško: Fevral’skij političeskij krizis (Anm. 87), S. 56–58.

90 Siehe Ragsdale: The Soviets, the Munich Crisis and the Coming of World War II (Anm. 10), S. 22 f.

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