JHK 2013

Der Kampf gegen den Kommunismus im Norden. Die geheime Arbeit der dänischen Organisation »Die Firma«

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 153-168 | Aufbau Verlag

Autor/in: Peer Henrik Hansen

Mehr als sieben Jahre lang wurde ein kommunistischer Abgeordneter des dänischen Parla­ments in seiner Privatwohnung mitten in Kopenhagen abgehört. Während dieser Zeit saß in den Räumen im Stockwerk unter ihm stets eine kleine Gruppe von Leuten und hörte die Ge­spräche mit, die eine Etage höher geführt wurden. Verantwortlich für diese Aktion war eine Gruppe aus Mitgliedern einer streng geheimen antikommunistischen Organisation, die den Namen the firm, »die Firma«, trug und ursprünglich aus einer Vereinbarung zwischen den Nachrichtendiensten Dänemarks und der USA hervorgegangen war. Über mehr als 15 Jahre waren die Mitglieder der Firma an verschiedenen antikommunistischen Aktivitäten beteiligt. 1963 beendete die Organisation ihre Arbeit, ohne dass die meisten Dänen überhaupt von ihrer Existenz wussten, bis der ehemalige dänische Ministerpräsident Jens Otto Krag die Abhöraktion ausplauderte. Plötzlich war die Firma in den Schlagzeilen, die Zeitungen waren Anfang 1976 voll mit Artikeln über die geheime Organisation.

Basierend auf in den Vierziger- und Fünfzigerjahren entstandenen Originaldokumenten gibt dieser Artikel einen bisher einzigartigen Einblick in eine antikommunistische Organisation und ihre Aktivitäten. Die Geschichte der Firma handelt nicht nur von einer antikommunistischen Organisation. Sie ist auch die Ge­schichte einer geheimen Nachrichtenorganisation, die von dänischen und amerikanischen Nachrichtendiensten geschaffen wurde, die ein gemeinsames Ziel verband: Verfolgung, Studium und Schwächung der kommunistischen Parteien in Europa.

Wenn es um nachrichtendienstliche Themen geht, neigen viele Wissenschaftler dazu, sich auf die spektakulären Details zu konzentrieren. Natürlich werden in diesem Artikel auch besonders bemerkenswerte Aktionen untersucht, aber es ist ebenso wichtig, nicht zu vergessen, dass die Firma genauso viel Routinearbeit erledigen musste, »dröge« harte Arbeit, die gemacht werden musste, um zu entscheiden, wie mit den Kommunisten zu verfahren sei.

Wie ist es möglich, Zugang zur geheimen Welt der Firma zu erhalten? Im Laufe der Jahre haben einige Personen ihre Geschichte über die Firma und deren Aktivitäten erzählt. Darunter auch eine frühere Führungskraft, dank derer in den letzten dreizehn Jahren immer mehr Informationen öffentlich wurden. Daneben rückte eine umfassende Untersuchung des Inlandsgeheimdienstes der dänischen Polizei (Politiets Efterretningstjeneste, PET) und seiner Aktivitäten während des Kalten Krieges die Firma in ein neues Licht. Bislang hatte es keinen Zugang zu Archiven über die Firma gegeben, doch 2011 übergaben die Kinder von Arne Sejr, dem Leiter der Firma, die Reste seines per­sönlichen Archivs dem Museum Langelandsfort, dessen Ausstellung der Thematik des Kalten Krieges gewidmet ist. Dieses Archiv bildet gemeinsam mit dem von Niels Frommelt – ebenfalls einer der führenden Protagonisten der Firma – übergebenen Material die Grundlage für den vorliegenden Artikel.1

Startschwierigkeiten

Vor der Gründung der Firma schlossen die Vertreter des dänischen militärischen Nachrichtendienstes (Forsvarets Efterretningstjeneste, FE) und dessen US-amerikanischem Pendant CIA im November 1946 eine streng geheime Vereinbarung. Etwa ein Jahr lang hatte man Verhandlungen geführt in der Hoffnung, eine Grundlage für eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Diensten zu schaffen. In der nun getroffenen Vereinbarung ging es um Operationen hinter dem Eisernen Vorhang und die Entwicklung von Fernmelde- und elektronischer Aufklärung aber auch um die Schaffung einer antikommunistischen Organisation.2 Letztendlich wurde die Firma eingesetzt, um über kommunistische Aktivitäten informiert zu sein und antikom­munistische Propaganda zu betreiben. Später wurde die Angelegenheit von der CIA übernom­men und der US-Nachrichtendienst wurde intensiv in geheimdienstliche Tätigkeiten in Däne­mark eingebunden.

In der ersten Hälfte des Jahres 1947 wurden in Kopenhagen mehrere Gespräche geführt. Während des Sommers fanden Mitarbeiter des dänischen Nachrichtendienstes heraus, dass der Vertreter des amerikanischen Nachrichtendienstes in Kopenhagen, Adolf Lium, zwei dänische Veteranen der Widerstandsbewegung ausfindig gemacht und sie zu Leitern einer geheimen amerikanischen Nachrichtenorganisation ernannt hatte; zwei Dänen, die eine geheime »Untergrund«-Organisation gründen wollten. Lium hatte seinen dänischen Kollegen über diese Kontaktaufnahme informiert, aber der Chef des dänischen Nachrichtendienstes, Oberst Nordentoft, hatte dabei nicht den Eindruck gewonnen, dass die Amerikaner planten, eine eigene nachrichtendienstliche Organisation in Dänemark aufzubauen. Umso mehr waren die Dänen überrascht, als sie erfuhren, dass die Amerikaner die Zusammenarbeit mit einem jungen dänischen Veteranen des Zweiten Weltkriegs namens Arne Sejr aufgenommen hatten.

Zusammen mit einem anderen ehemaligen Freiheitskämpfer hatte Sejr seine Vorstellungen von einer neuen »Schläfer«-Widerstandsbewegung vorgebracht. Daraufhin wurde den Unterlagen in Arne Sejrs Privatarchiv zufolge tatsächlich Ende 1947/Anfang 1948 mit der Schaffung einer solchen Geheimorganisation begonnen. Zunächst hatte sich Sejr an die Amerikaner gewandt und um Unterstützung gebeten, dann begannen er und befreundete Veteranen, die das Projekt unterstützten, mit dem Aufbau der Organisation, die später als »die Firma« bekannt wurde. Die Aktivitäten der Firma umfassten 1. das Studium der kommunistischen Bewegungen, Ideologie und Methodik, 2. den Aufbau eines Stay-behind-Netzwerkes3 gemäß amerikanischen und britischen Erfahrungen und 3. die Einrichtung einer sogenannten Abteilung für psychologische »Verteidigung«, die den Fokus auf Kommunisten legte.4 Die Amerikaner hatten beschlossen, Sejr bei seinen Maßnahmen zur Schaffung einer geheimen »Schläfer«-Widerstandsbewegung in Friedenszeiten zu helfen und zu unterstützen.

Offensichtlich hatten der dänische und der amerikanische Nachrichtendienst jedoch unterschiedliche Vorstellungen von der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung. Die Dänen dachten, dass sie selbst eine geheime Stay-behind-Organisation vorbereiten sollten, die im Falle eines Krieges oder einer sowjetischen Invasion aktiviert werden könnte, und waren daher sehr überrascht, als sie herausfanden, dass die Amerikaner beabsichtigten, die Organisation ohne Beteiligung ihrer dänischen Kollegen zu betreiben. Damit war die ursprüngliche Abmachung über die Schaffung einer gemeinsamen geheimen Organisation hinfällig. Um die Probleme zu lösen, wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 1947 erneut Gespräche geführt. Commander P.A. Mørch und Per Winkel verlangten, dass ihnen für alle auf dänischem Boden geplanten Aktivitäten die Leitung übertragen werde: eine nicht verhandlungsfähige Forderung. Die Dänen würden niemals akzeptieren, dass die Amerikaner in Dänemark ihren eigenen Nachrichtendienst betrieben, ohne die Dänen über dessen Aktionen zu informieren. Alle US-Einsätze und -Aktivitäten in Dänemark sollten zumindest vom FE genehmigt werden. Man warnte die Amerikaner, dass außerhalb dänischer Kontrolle bzw. ohne dänische Genehmigung operierende Amerikaner und Dänen strafrechtlich verfolgt würden. Die Verhandlungen zwischen der CIA und dem FE wurden daraufhin abgebrochen, und der FE lieferte zunächst keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse mehr an die Amerikaner.5

»Stay-behind«-Maßnahmen

Die Dänen akzeptierten schließlich, dass Arne Sejr und Erik Husfeldt, ein international anerkannter Chirurg, ehemaliger Anführer des Widerstands gegen die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges und in der frühen Phase des Kalten Krieges für verschiedene US-Nachrichtendienste tätiger Geheimagent, die Stay-behind-Organisation leiten sollten, verlangten jedoch, dass dies in enger Zusammenarbeit mit dem dänischen Nachrichtendienstler Gustav Thomsen geschehe.

Viel war während der dänisch-amerikanischen Verhandlungen passiert. Im Frühjahr 1948 stand Europa infolge der kommunistischen Machtergreifung in der Tschechoslowakei unter Schock: Es war das zweite Mal innerhalb von zwei Jahren, dass der Westen mit Gerüchten über eine sowjetische Offensive in Richtung Westen konfrontiert wurde. Schon im August 1946 hatte ein Mitarbeiter der US-Botschaft in Kopenhagen mit einem dänischen Widerstandskämpfer des Zweiten Weltkriegs namens Frode Jakobsen Verbindung aufgenommen. Der Amerikaner wollte wissen, ob die Dänen erneut zum Kampf bereit wären, wenn die Russen kämen. Die Antwort lautete Ja!6 Jakobsen kontaktierte Erik Husfeldt, einen Kameraden aus gemeinsamer Widerstandszeit, und Generalmajor Aage Højland Christensen vom dänischen Heer, um ihnen von dieser Begegnung zu berichten. Ende der Vierzigerjahre entstanden zahlreiche private und geheime Organisationen, offensichtlich als Reaktion auf geheime kommunistische Aktivitäten.7

Als Gerüchte aufkamen, die Russen könnten Gebietsansprüche gegenüber der Türkei geltend machen und würden einen Truppenaufbau innerhalb wie außerhalb Europas betreiben, wurden führende Politiker in Washington plötzlich von einer »Kriegsangst« ergriffen.8 Trumans Berater hatten erklärt: »Wenn Länder in Mittel- und Südeuropa dem Druck nicht standhalten und gegenüber dem Kommunismus nachgeben, wird dasselbe auch in Skandinavien passieren.«9 Die Anspannung der Amerikaner war nicht nur gespielt. »Wir wissen heute, dass die Kriegsängste in den Jahren 1946 und 1948 in der Tat echt und nicht künstlich von der Regierung Truman erzeugt worden waren und dass die Sowjetunion den kommunistischen Parteien in Italien und Frankreich vor den Wahlen von 1948 erhebliche Unterstützung angeboten hatte, den Angriff Nordkoreas auf Südkorea gebilligt hatte, die Chinesen davon überzeugt hatte, sich an diesem Krieg zu beteiligen, und dessen Fortsetzung gefordert hatte, noch lange nachdem beide Nationen den Konflikt zu beenden wünschten«, so das Fazit des US-Wissenschaftlers Gregory Mitrovich in seiner Untersuchung der amerikanischen Versuche, den sowjetischen Einfluss im Ostblock in den Nachkriegsjahren zu unterminieren.10 Ehemals als Verschlusssache klassifiziertes Material aus den CIA-Archiven lässt ebenfalls die echte Sorge der USA hinsichtlich der sowjetischen Absichten im Frühjahr 1948 erkennen.11

Bald gingen Gerüchte bezüglich einer Großoffensive der sowjetischen Roten Armee um, sodass die Kontakte zwischen US-amerikanischen und dänischen Nachrichtenkreisen während der ersten Sommermonate wieder aufgenommen wurden. Im Mai kam es zu einem Treffen, bei dem die von den Amerikanern unterstützte Stay-behind-Organisation erörtert wurde. Mitarbeiter des dänischen Nachrichtendienstes kritisierten die ausgewählten Leiter der US-Organisation. Erik Husfeldt und Arne Sejr waren beide während des Zweiten Weltkriegs im dänischen Widerstand aktiv gewesen, gehörten jedoch nicht zu den »Professionellen«, wie der FE betonte. Die Amerikaner würden nicht die Geeignetsten für die Organisation bekommen.12 Dennoch akzeptierten die Dänen die amerikanische Entscheidung zunächst.

Jahrelang herrschte die Ansicht, die Firma operiere eigenständig, mit einigen verdeckten Kontakten zu Personen des etablierten Systems. Durch den Zugriff auf das Archiv von Arne Sejr müssen diese bisherigen Kenntnisse über die »offiziellen« Aktivitäten der Firma revidiert werden. Ein kleines aber wichtiges Puzzleteil zur Entwicklung einer neuen These über die Firma und ihren Status im etablierten System, ist der Dienstausweis ihres Leiters, Arne Sejr. Am 20. Dezember 1948 erhielt er einen Ausweis vom dänischen militärischen Nachrichtendienst, unterzeichnet von dessen Leiter Per Winkel als Bestätigung der Tätigkeit Sejrs für den Nachrichtendienst und mit der Bitte an jegliche Behörden oder Privatpersonen, ihn bei der Erfüllung seiner Pflichten zu unterstützen.13

Laut Arne Sejr begann der Aufbau der Geheimorganisation und des Stay-behind-Netzwerkes Ende 1947/Anfang 1948. Die Firma wurde beauftragt, die Schaffung einer Stay-behind-Organisation fortzusetzen und dabei den Schwerpunkt auf die Gewinnung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, Propagandamaßnahmen, Steuerhinterziehung und -flucht sowie Sabotage zu legen. Die Schaffung einer Stay-behind-Organisation erforderte umfangreiche Vorbereitungen. Landezonen mussten ausgewiesen, Flucht- und Ausweichrouten festgelegt und Codes erstellt werden. Die Firma bereitete auch einen Informationsdienst vor, damit die Dänen während einer sowjetischen Besetzung illegale Nachrichten empfangen könnten.14 Von 1948 bis 1951 war die Organisation auch damit beschäftigt, ausgewählte Mitarbeiter für diese neuartige Aufgabe im Fall einer sowjetischen Invasion in Dänemark auszubilden. Im Herbst 1951 traf der FE mit der CIA und dem britischen Geheimdienst MI-6 schließlich eine trilaterale Vereinbarung über nachrichtendienstliche Aktivitäten. Es wurde festgelegt, dass die Amerikaner keine eigene nachrichtendienstliche Organisation in Dänemark betreiben durften. Stattdessen sollten sie die Finanzierung einer derartigen Institution für Einsätze der Psychologischen Kriegsführung gegen die Kommunisten übernehmen. Damit endeten die Meinungsverschiedenheiten, die ehemals zu Problemen bei den amerikanisch-dänischen Aktivitäten geführt hatten. Man einigte sich darauf, dass die Amerikaner die Firma und ihre antikommunistischen Aktivitäten finanzieren sollten. Arne Sejr und Erik Husfeldt hatten bei den dänischen Stay-behind-Vorbereitungen bis 1951 eine wesentliche Rolle gespielt, im Rahmen der trilateralen Vereinbarung wurde jedoch nun beschlossen, dass sie ihre Stay-behind-Aktivitäten aufgrund der immer umfassenderen Einbeziehung Psychologischer Kriegsführung gänzlich dem FE überlassen sollten.15

Eine »neue« Firma

Anfang der Fünfzigerjahre wurde die Firma aufgefordert, ihren Schwerpunkt von der Vorbereitung auf eine sowjetische Invasion in Dänemark auf die aktuelle kommunistische Bedrohung zu verlagern. Die Psychologische Kriegsführung wurde zum wichtigsten Werkzeug, mit dem die Firma versuchte, die Dänische Kommunistische Partei (Danmarks Kommunistiske Parti, DKP) zu destabilisieren. Viele der Tätigkeiten wirkten sich jedoch nur indirekt auf die Handlungen der Kommunisten aus. Die Firma begann damit,

• kommunistische Ziele, Agenten, Methoden und Techniken zu studieren;

• eine Organisation für Spezialeinsätze (nach dem Vorbild der britischen SOE (Special Operations Executive) und der amerikanischen S.O. (Special Operations unter der Leitung des Amtes für strategische Dienste, OSS) aufzubauen und auszubilden;

• eine psychologische Verteidigung gegen den Kommunismus zu entwickeln.

Sejr versuchte, von der dänischen Regierung Geldmittel für seine Arbeit im Bereich der Psy­chologischen Kriegsführung und Verteidigung zu erhalten. 1951/52 sandte er einen Plan für Aktivitäten der Psychologischen Kriegsführung an den dänischen Ministerpräsidenten Erik Eriksen, Außenminister Ole Bjørn Kraft, Verteidigungsminister Harald Petersen und einige führende Politiker der Sozialdemokratischen Partei. Die Politiker unterstützten seine Bemü­hungen, wollten diese Unterstützung jedoch nicht durch finanzielle Hilfen für Sejrs Organi­sation untermauern. Auch wenn Sejrs sich in den Fünfzigerjahren wieder und wieder um ihre Mitwirkung bemühte, sollte sich daran nichts ändern.

Die Firma arbeitete eng mit der sozialdemokratischen Propagandaorganisation AIC zusammen, die die dänischen Kommunisten und ihre Aktivitäten seit 1944 überwacht hatte. Die AIC nutzte die sozialdemokratischen Vertreter in der Arbeiterbewegung zur Sammlung von Informationen über kommunistische Mitglieder und Aktivitäten am Arbeitsplatz. Sejr hielt engen Kontakt zu Urban Hansen, einem Sozialdemokraten in Schlüsselposition mit engen Beziehungen zum ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Hedtoft und dem späteren Ministerpräsidenten HC Hansen. Urban Hansen half der Firma bei der Bewältigung verschiedener praktischer Probleme. Niels Frommelt, der den kleinen nachrichtendienstlichen Bereich der Firma leitete, bediente sich stets der Archive der AIC oder des militärischen Nachrichtendienstes, wenn er Informationen über einen bestimmten Kommunisten benötigte. Wahrscheinlich verfügte der AIC über die umfangreichsten und besten Kenntnisse bezüglich der kommunistischen Bewegung in Dänemark, und somit bestand zwischen der AIC und der Firma ein natürliches Interesse an einer engen Zusammenarbeit.16

Nach eigenen Angaben arbeitete Sejr in allen der drei anfangs genannten Themenbereiche eng mit dem FE zusammen.17 Eine im Archiv Arne Sejrs gefundene Liste zeigt, dass es in der Firma ein Gremium bestehend aus acht Personen gab, die zusammen die Führungsgruppe bildeten. Dazu gehörten Erik Husfeldt, Ebbe Munck (Journalist, Diplomat und früherer Verbindungsoffizier zwischen dänischen und alliierten nachrichtendienstlichen Organisationen im Zweiten Weltkrieg) sowie T. K. Thomsen (ein führender dänischer Geschäftsmann, der während des Krieges Widerstandsaktivitäten finanziert hatte). Zu den führenden Persönlichkeiten zählte laut der Aufzeichnungen auch Anker Olesen, ein früherer Kamerad aus dem Widerstand, der 1955 starb. Somit muss die Liste vor 1955 erstellt worden sein. Außerdem werden unterschiedliche Ausschüsse und Abteilungen der Firma beschrieben, wie z. B.:

• »Psychologischer Ausschuss«,

• »Informationsdienst«,

• »Austauschbüro«,

• »Studienbüro«,

• »Organisation Kulturelle Front«.18

Von Anfang an studierte die Firma den kommunistischen Gegner. Mehrere Schriften waren Pflichtlektüre für die Mitglieder der Organisation. Bücher wie Lenins Staat und Revolution, John Somervilles Soviet philosophy: a study of theory and practice, Das Kommunistische Manifest und Stalin’s Slave Camps wurden gemeinsam mit verschiedenen dänischen Veröffentlichungen zur Weiterbildung der Firmenmitarbeiter eingesetzt. Dazu gehörte auch ein dänisches Buch über die Gusenko-Affäre in Kanada.19

Die genaue Beobachtung der Kommunisten

1953 begann die Firma mit einer wöchentlichen Auswertung der kommunistischen Zeitung Land og Folk [Land und Leute], und ordnete die Artikel verschiedenen »Linien« zu: Die Propagandalinie, die antiamerikanische Linie, die Antikriegslinie und die Antikapitalismuslinie waren nur einige der Kategorien, in die eingeteilt wurde, um einen Eindruck zu erhalten, wofür das kommunistische Blatt stand. Jeden dritten Monat wurde eine umfangreiche Propagandaanalyse aller Artikel in der Zeitung durchgeführt, die es ermöglichte, die Maßnah­men der kommunistischen Propaganda in Dänemark in einem größeren Zusammenhang zu sehen. An der Arbeit der wöchentlichen und vierteljährlichen Analyse, der Analyse der Fachzeitschriften und Magazine und der Erstellung von Sonderberichten waren zwölf Personen beteiligt. Sie erfolgte während der gesamten Fünfzigerjahre; die letzte bekannte Analyse stammt vom Juni 1961. Allerdings gibt es diesbezüglich kaum verlässliche Quellen, deshalb ist es möglich, dass die Arbeit auch noch nach diesem Datum fortgesetzt wurde.20

Aber: Wurden diese Analyseberichte jemals genutzt und wer erhielt sie? Es ist nicht möglich, eine umfassende Aufstellung aller Empfänger zu liefern, aber einige lassen sich feststellen, wie z. B. das dänische Außenministerium und die US-Botschaft in Dänemark. Gemäß den Unterlagen von Sejr erstellte die Firma in den ersten Jahren etwa 2300 Berichte und druckte ungefähr je 50 Exemplare. Diese Zahl stieg später auf 200 Exemplare an.

In den Archiven des dänischen Außenministeriums finden sich neben anderen antikommu­nistischen Dokumenten auch Unterlagen des dänischen Sicherheitsdienstes. Das vielleicht Interessanteste daran ist, dass sich diese Berichte bis ins US-Nationalarchiv zurückverfolgen lassen. 1958 erhielt die US-Botschaft Berichte aus der Firma und sandte sie in die Heimat; heute befinden sie sich zwischen all den anderen Akten, die aus Kopenhagen in die Vereinigten Staaten zurückgebracht wurden: Ein klares Indiz für die enge Beziehung zwischen der Firma und der US-Botschaft.21

Neben dem Studium der kommunistischen Veröffentlichungen richtete die Firma ein Archiv, eine Bibliothek und eine biografische Abteilung ein. Letztere war eigentlich ein Archiv, in dem Namen kommunistischer Gegner und Informationen über sie zusammengestellt wurden. Alles, was über kommunistische Tätigkeiten bekannt war, musste gesammelt und archiviert werden, damit die Firma über umfassende Informationen hinsichtlich kommunistischer Delegationen, die in die Sowjetunion geschickt wurden, Gruppen junger Studenten, die in den Ostblock reisten, und natürlich hinsichtlich kommunistischer Aktivitäten in der Arbeiterbewegung verfügte. Was das Sammeln von Namen und persönlichen Daten betraf, war klar, welche Art von Informationen gesichert werden musste:

• Alle Namen öffentlich bekannter Kommunisten und ihre Beziehung zur Partei,

• alle in Verbindung mit kommunistischen Frontorganisationen erwähnten Namen,

• alle Namen von Personen mit neutralistischen Ansichten,

• alle Presseinformationen zu organisatorischen Änderungen,

• Namen von Personen, die in ihren Schriften eine positive Haltung zur Demokratie zeigen.

Ein Beispiel für die nachrichtendienstlichen Maßnahmen der Firma findet sich im Archiv Arne Sejr, das eine Liste der Mitglieder des Zentralkomitees der DKP mit biografischen Ein­zelheiten zu Personen enthält, zum Beispiel Beschreibungen zu deren politischer Vergan­genheit und zu den Abläufen ihrer Reisen nach Osteuropa.22

Um kommunistische Propaganda und Aktivitäten abwehren zu können, musste man wissen, wen man als Feind vor sich hatte. Deshalb führte die Firma Lehrgänge für Personen außerhalb der Organisation durch, in denen den Teilnehmern die Theorie und Praxis des Kommunismus präsentiert wurden. Welche Ideologie steckte hinter der kommunistischen Propaganda, und auf welche Zeichen sollte man bei Kollegen achten? All dies diente Bildungszwecken. Informationen waren das, worauf es ankam.

In dem Versuch, die Kommunisten und ihre Propaganda zu bekämpfen, veröffentlichte die Firma mehrere Bücher, Broschüren und andere Publikationen. Die Organisation stand mit mindestens 28 Personen bei fast 20 dänischen Zeitungen und Presseagenturen in Kontakt. Ebenso unterhielt sie Beziehungen zu über 15 Organisationen und Verbänden, die auf die eine oder andere Art bei unterschiedlichen Aktivitäten und Operationen genutzt werden konnten.23

Übersetzungen und die internationale Perspektive

Neben der Schaffung einer dänischen Sektion des Kongresses für Kulturelle Freiheit hatte die Firma verschiedene internationale Kontakte und war an der Arbeit des Koordinierenden Sekretariats der Nationalen Studentenvereinigungen (COSEC) in der niederländischen Stadt Leiden beteiligt.24

Offensichtlich war die Firma auch überaus aktiv, was ausländische Veröffentlichungen angeht. Die Sejr-Unterlagen deuten darauf hin, dass die Firma sieben bis acht Personen beschäftigte, die alle Arten von Material, das ursprünglich auf Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch, Polnisch und Russisch verfasst worden war, ins Dänische übersetzten. Das Studium der kommunistischen Presse erfolgte in vier Kategorien: 1. national, 2. europäisch, 3. Kominform und 4. sowjetisch.

Die Akten von Arne Sejr enthalten mehrere Übersetzungen aus sowjetischen Zeitungen, Magazinen und amtlichen Texten. Eine junge Frau versorgte Sejr mit diesen Übersetzungen und Berichten über die Veränderungen in der sowjetischen Propaganda. Analysen über die politische Lage in der Sowjetunion wurden häufig erstellt.25 Bei einem Artikel aus der Komsomolskaja Prawda über »Kuba – ein Gefangenenlager« hob die Übersetzerin das »auffallende und zielstrebige Kopieren der westlichen Presse bei ihren Berichten über den Terror in Ungarn« hervor. Die Übersetzerin wies in diesem Beispiel auch auf die Tatsache hin, dass die verwendeten Bilder auf die übliche sowjetische Art und Weise gefälscht und manipuliert worden seien.26 Bei der Arbeit an den Übersetzungen analysierte die junge Frau auch die sowjetische Außenpolitik und die Gefahren der sowjetischen Jugendfeste in Moskau. Aus einem Briefwechsel im Jahre 1956 zwischen Sejr und der Frau geht hervor, dass beide Kontakt mit der russischen Emigrantenorganisation NTS (Nazionalno-trudowoj sojus rossijskich solidaristow/Nationaler Bund des Schaffens Russländischer Solidaristen) hatten und es anscheinend zu einem Treffen zwischen einem gewissen A. Konovetz und Sejr kam, als der Däne die NTS in Frankfurt besuchte.27

Laut Arne Sejr wurde die Firma in einem bestimmten Fall dazu eingesetzt, Informationen über das Militärrecht in der Sowjetunion zu erlangen, damit Ministerpräsident HC Hansen sie in einer politischen Debatte verwenden konnte. Das Archiv enthält Originaldokumente, die Sejrs spätere Schilderung stützen.28

Die antikommunistische Perspektive der Firma war weit und beinhaltete umfassende Studien über die Lage in der Sowjetunion, die Entwicklung der sowjetischen Kommunistischen Partei und Propagandamaßnahmen. Die Firma erstellte eine vierteljährliche Analyse mit Schwerpunkt auf der internationalen Arbeit der kommunistischen Bewegung. Sie berichtete auch über schwedische und dänische kommunistische Magazine und Zeitschriften und deren Darstellung des internationalen Geschehens. Die Firma nutzte ihre umfassenden Studien der dänischen kommunistischen Zeitung Land og Folk für eine vergleichende Studie zu den Übereinstimmungen und Unterschieden zwischen der dänischen Zeitung und ihrer schwedischen Entsprechung Ny Dag [Neuer Tag].29

Das Sammeln von Informationen, das Studium von Zeitungen und die Analyse der kommunistischen Position im In- und Ausland gehörten in der Firma zur täglichen Arbeit. Gelegentlich war die Firma auch an streng geheimen Operationen beteiligt, darunter zwei – »Operation Cage« [Operation Käfig] und »Black Letters« [Schwarze Briefe] –, die von ausgewählten Angehörigen der Firma initiiert und durchgeführt wurden.

»Operation Cage« – Abhören des Kommunistenführers

1952 startete die Firma eine lange andauernde und gewagte Operation. Sie begann damit, dass die Wohnung von Alfred Jensen, Vizeparteivorsitzender der Dänischen Kommunistischen Partei und langjähriges Mitglied des dänischen Parlaments, verwanzt wurde. Wie es allerdings genau dazu kam, ist unklar. »An einem Tag im Frühjahr 1952 unterhielt ich mich mit Urban Hansen […] und er machte mir klar, wer über uns wohnte, was wir nicht gewusst hatten«, erinnert sich Sejr. Es war klar, dass ein solcher Zufall nicht ungenutzt bleiben durfte. »Uns bot sich die Möglichkeit, ein zum politischen Stab gehörendes Mitglied der DKP abzuhören. So würden wir etwas über den psychologischen Innenzustand der Partei und die Beziehung der Führungskräfte untereinander erfahren können. Wir könnten etwas über die Zusammenarbeit mit und den Einsatz von Front- und Deckorganisationen erfahren und darüber, inwieweit die DKP von der Mutterbasis Sowjetunion aus gesteuert wurde, sowie über die Kontakte zwischen ihnen«, führt Sejr aus.30

Ein paar Monate später lief die Maßnahme an. Mithilfe der CIA-Kontakte an der US-Bot­schaft wurden ein Mikrofon installiert und ein Tonbandgerät angeschlossen. Da die Amerikaner die Aktion bezahlten, war es möglich, Leute abzustellen, die das Tonbandgerät das ganze Jahr hindurch bedienten. Niels Frommelt übernahm die tägliche Leitung der Abhörmaßnahmen und stellte eine kleine Gruppe von Leuten zusammen, die dasaßen, die Gespräche im Stockwerk über ihnen abhörten und das Tonbandgerät einschalteten, sobald etwas Interessantes besprochen wurde. Im Laufe der Jahre wurden mehrere Personen im Schichtdienst in der unteren Wohnung eingesetzt, um das kommunistische Paar abzuhören. Alles, was oben passierte, wurde aufgeschrieben und in Journalen festgehalten, die neben den Tonbandaufnahmen geführt wurden und heute Einblicke in das Alltagsleben von Alfred Jensen und seiner Frau geben.31

Alfred Jensen gehörte zum harten Kern der DKP, und immer, wenn er bei einem geheimen Treffen mit anderen Mitgliedern, jedoch ohne den Vorsitzenden Aksel Larsen gewesen war, kam er nach Hause zurück und wurde von seiner Frau begrüßt, die schon mit Kaffee auf ihn wartete. Dann berichtete er ihr von dem Treffen und gab wieder, wer was gesagt hatte. Alle geheimen Gespräche wurden wiederholt, während sie Kaffee tranken, und ein Stockwerk tiefer lief das eingeschaltete Tonbandgerät.

Die Dänische Kommunistische Partei wurde häufig von der sowjetischen Botschaft informiert, wenn etwas international Bedeutsames bevorstand, damit die Partei Vorkehrungen treffen konnte. Ein gutes Beispiel dafür ist die Warnung vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Ungarn, über die Alfred Jensen und einige andere Angehörige des harten Kerns informiert wurden.32 Ebenfalls hatte man sie bezüglich des Ausschlusses von Molotov gewarnt. Am wichtigsten war aber, dass die Abhörmaßnahme eine schwerwiegende Spaltung innerhalb der Partei zwischen den Anhängern des harten Kerns und den Anhängern des Vorsitzenden Aksel Larsen enthüllte.

In den nächsten acht Jahren verfolgte und meldete die Firma jede Bewegung in der oberen Wohnung. Abschriften der Gespräche wurden in dreifacher Ausfertigung erstellt: eine für Arne Sejr, eine für Niels Frommelt und eine für die Amerikaner, die in der US-Botschaft für die CIA übersetzt wurde.33

Operation »Black Letters«

Nach einiger Zeit kam jemand in der Firma auf die Idee, die durch die Abhöraktion ge­wonnenen Informationen zu nutzen. Man fing an, Briefe zu schreiben, die vorgeblich von einem unzufriedenen Mitglied der Kommunistischen Partei stammten. Eine Mischung aus Tatsachen, Fiktion, Lügen und Gerüchten bildete den Inhalt der Briefe, und sie nahmen stets führende Personen der Partei zum Ziel. Etwa wurde angeprangert, dass die Führung der Partei keine Versuche dulden würde, den harten Kern zu kritisieren, oder dass einfache Parteimit­glieder nicht die Anerkennung bekämen, die sie aufgrund der ungeheuren Mühen verdient hätten, die sie auf sich nähmen, um die Partei am Laufen zu halten. In anderen Briefen wurde den führenden Parteimitgliedern vorgeworfen, sie würden mehr Zeit damit verbringen, sich gegenseitig zu bekämpfen, als damit, sich der Stärkung der Partei und der Belohnung der einfachen Parteimitglieder zu widmen, die die Partei zusammenhielten. Die Firma versuchte auch, den Graben zwischen dem Vorsitzenden Aksel Larsen und den Angehörigen des harten Kerns zu vergrößern.

Die Briefe beruhten hauptsächlich auf Informationen, die durch die Abhöraktion in der Wohnung von Alfred Jensen gewonnen worden waren. Allerdings war die Firma höchstwahrscheinlich in der Lage, diese Informationen durch weitere aus anderen Teilen der kommunistischen Organisation zu ergänzen. Offensichtlich hatte die Firma Informanten in der Kommunistischen Partei. Das Material im Archiv Sejr bestätigt, dass die Firma in der Lage war, zusammenfassende Berichte darüber zu erstellen, was sich auf verschiedenen Konferenzen und Besprechungen ereignet hatte, die von – vielfach als kommunistische Frontorganisationen betrachteten – dänischen Friedensorganisationen durchgeführt worden waren.34

Niels Frommelt war an eine Liste mit Abonnenten der kommunistischen Zeitung Land og Folk gelangt, und so war es möglich, Hunderte von Kopien der Briefe an einfache Parteimitglieder der Kommunistischen Partei zu senden. Mehrere Zeitungen hörten von diesem merkwürdigen Brief, den einige Kommunisten im Briefkasten vorgefunden hatten.35

Offiziell nahm die kommunistische Führung die Briefe nicht ernst, aber durch die »Operation Cage« erfuhr die Firma, dass der harte Kern sie tatsächlich sehr ernst nahm, hatten sie für ihn doch einen hohen Wiedererkennungswert. Niels Frommelt erinnert sich, wie Alfred Jensen und seine Frau eines Nachts einen der Briefe lasen und Alfred Jensen plötzlich polterte: »Woher zum Teufel wissen die das?«36

Bis in die Fünfzigerjahre veröffentlichte die Firma zehn Briefe, die Paranoia und Misstrauen unter den Kommunisten bewirkten. Tatsächlich sorgten die Briefe für eine Verschärfung der an sich schon schlechten Situation. Die Partei hatte genug eigene Probleme, aber die internationale Lage machte es für die Kommunisten nicht gerade leichter. Sie verhielten sich Moskau gegenüber loyal und unterstützten den Kreml, wenn es notwendig war. Deshalb würde die dänische Partei Probleme bekommen, wenn sie sich dazu entschlösse, Maßnahmen der Sowjets zu unterstützen, die im Westen Proteste auslösten.

»… wütend auf Chruščëv …«

Auf dem XX. Kongress der KPdSU im Februar 1956 enthüllte Nikita Chruščëv einige von Stalins Verbrechen gegen das sowjetische Volk. Dies geschah hinter verschlossenen Türen, aber dennoch waren westliche Presseagenturen in der Lage, den sowjetischen Führer zu zitieren. In der Wohnung von Alfred Jensen traf sich eine Gruppe führender Parteimitglieder, um die Lage zu erörtern. Jensens Frau, Ragnhild Andersen, war zornig. »Ich bin wütend auf Chruščëv«, sagte sie und verlangte die Wahrheit zu erfahren, und nicht nur westliche Pressegerüchte und Propaganda. Später im selben Jahr stand Aksel Larsen im Mittelpunkt einer Unterhaltung in der Wohnung, wobei das Ehepaar darin übereinstimmte, die Partei sei so viel mehr als nur der Vorsitzende Aksel Larsen.

Im Oktober 1956 hatten die Kommunisten schon genug Probleme, als die sowjetischen Streitkräfte in Ungarn einmarschierten, um den ungarischen Versuch, den Warschauer Pakt zu verlassen, im Keim zu ersticken. Der Einmarsch wurde in der ganzen Welt verurteilt, aber in der dänischen Kommunistischen Partei blieb die Loyalität gegenüber Moskau mehr oder weniger intakt. Ein Artikel in der Parteizeitung hatte die Führung in Moskau zwar beleidigt, weil er als Kritik an den sowjetischen Kommunisten verstanden werden konnte, aber nach diesem Zwischenfall verhielten sich die dänischen Genossen linientreu. Und sie zeigten ihre Loyalität gegenüber Moskau so unmissverständlich, dass es bei der DKP zu Parteiaustritten kam. Mehrere Mitarbeiter der Parteizeitung hatten aus Protest ihre Arbeit niedergelegt.37 Die Black Letters hatten es den Kommunisten schwer gemacht, aber ihre anhaltende Loyalität gegenüber Moskau hatte das Ganze noch verschlimmert.

Sowohl der XX. Parteikongress in Moskau als auch der sowjetische Einmarsch in Ungarn hatten den Parteivorsitzenden Aksel Larsen auf eine neue Idee für die Partei gebracht. Er begann darüber zu sprechen, wie man neue Wege zur Schaffung einer neuen Parteilinie finden könnte, was aber dazu führte, dass der harte Kern der Partei Larsens Einfluss noch weiter minimierte, weshalb dessen Unzufriedenheit mit der Partei nur noch weiter wuchs. In den nächsten Jahren wurde Larsens Position in der Partei immer weiter geschwächt, und im Herbst 1958 wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Während des Sommers hatte Niels Frommelt aus den Abhörmaßnahmen gewonnene Informationen heimlich an seinen persönli­chen Freund und Kontaktmann bei der Zeitung Information übergeben, der auf diesem Weg beinahe täglich neue Geheimnisse über die Kommunistische Partei enthüllen konnte. Die Zeitung druckte Berichte über heimliche Verhandlungen innerhalb des harten Kerns und über Entscheidungen, die definitiv eine Zeit lang hätten geheim bleiben sollen. Diese Enthüllungen hatten die Spannungen unter den Kommunisten unerträglich werden lassen: Das führte zu dem erwarteten Sturz Larsens. Das war, was die CIA wollte. Sie hatte schon vorher versucht, mit Aksel Larsen Kontakt aufzunehmen, und nach seinem Parteiausschluss begann er, sich regelmäßig mit Mitarbeitern der CIA zu treffen und sie über kommunistische Aktivitäten in Dänemark und im Ausland zu informieren.

Das Ende der Operation – und der Firma

Bis heute ist nicht klar, warum es dazu kam: Im Januar 1959 betrat Arne Sejr die Wohnung unter der Alfred Jensens und tauschte die Schlösser aus. Niels Frommelt war in der Firma nun Geschichte, und eine lange Freundschaft zwischen Sejr und Frommelt ging zu Ende. Als Sejr die Operation beendete, stellten die Amerikaner die finanzielle Unterstützung für die Firma ein – ein großer Rückschlag für die Organisation. Sejr versuchte, von dänischen Unternehmen finanzielle Unterstützung zu erhalten, konnte auch einige Spenden und Beiträge bekommen, jedoch nicht genug, um den früheren Umfang zu wahren.38 Seine Versuche hatten nur begrenzten Erfolg. Die Firma war im Laufe der Jahre groß geworden und hatte einen solchen Umfang angenommen, dass sie ohne die finanzielle Unterstützung der Amerikaner unmöglich überleben konnte.

1962 tauchte ein weiteres Problem auf. Der Leiter des dänischen militärischen Nachrichtendienstes, Oberst H. M. Lunding, erfuhr von der Abhöraktion Alfred Jensens, über die er durch seinen Stellvertreter, Commander P. A. Mørch, nicht informiert worden war. Jetzt wurde Frommelt einbestellt und aufgefordert, vor Lunding eine Erklärung abzugeben. Lunding war wütend und wandte sich an die sozialdemokratische Regierung, die eine heimliche Untersuchung anordnete. Der Inlandsgeheimdienst der dänischen Polizei wurde beauftragt, alle Beteiligten zu vernehmen und den Fall zu untersuchen, aber es war ihm nicht gestattet, die Verbindungen zwischen der Firma und führenden Politikern zu beleuchten. Dementsprechend wurden letztlich Arne Sejr und Commander Mørch als Hauptverantwortliche für die illegale Abhöraktion »Operation Cage« benannt. Strafrechtlich verfolgt wurde jedoch niemand.39

Nach Abschluss der Untersuchung im Jahre 1963 wurde Arne Sejr »gezwungen«, ein Dokument zu unterzeichnen und damit auf alle künftigen nachrichtendienstlichen Aktivitäten zu verzichten. Seine Tage als Leiter einer geheimen Nachrichtenorganisation waren vorbei, er musste ein neues Leben beginnen. Arne Sejr blieb politisch aktiv und war einer der führenden Köpfe hinter verschiedenen Fachzeitschriften. Daneben führte er Sicherheitslehrgänge für ver­schiedene Gruppen der dänischen Streitkräfte durch und verfolgte weiterhin die Entwicklung in der internationalen Szene. Sein Leben war gekennzeichnet vom Kampf zwischen Demokratie und Totalitarismus.

Die Tochter von Arne Sejr erinnert sich, er sei zu Tode erschrocken gewesen, als er einen anonymen Telefonanruf erhielt, in dem die anrufende Person wiederholte: »Ich schicke Ihnen viele Grüße aus der DDR … Ich schicke Ihnen viele Grüße aus der DDR …« Sejr war so verstört, dass er versuchte, seiner Tochter eine Reise nach Berlin zu verbieten.40

Wie so viele andere nachrichtendienstlich tätige Personen nahm Sejr viele seiner Geheimnisse mit ins Grab. Daher bleibt zu hoffen, dass noch weitere persönliche Archive auftauchen und zugänglich gemacht werden, die es uns erlauben, ein klareres Bild des antikommunistischen Kampfes im Norden zu zeichnen.

Aus dem Englischen übersetzt durch das Bundessprachenamt


1 Die Firma ist vom Autor dieses Beitrages in der auf Dänisch abgefassten Monografie Firmaets Største Bedrift [Die größte Leistung der Firma], Kopenhagen 2005, beschrieben worden. Für eine Charakterisierung in englischer Sprache siehe »›Upstairs and Downstairs‹ – The Forgotten CIA Operations in Copenhagen«, in: International Journal of Intelligence and Counter Intelligence 19 (Winter 2006/2007), H. 4. Zum PET und zur Firma siehe Morten Heiberg: Stay-Behind og Firmaet: Efterretningsvæsen og private antikommunistiske organisationer i Danmark 1945–1989 [Stay-behind und die Firma: Nachrichtendienst und private antikommunistische Organisationen in Dänemark 1945–1989], Kopenhagen 2009.

2 Siehe Rigsarkivet/Dänisches Staatsarchiv (im Folgenden: DSA), FE-Archiv, Archivboxen PA Mørch, Archivbox Nr. 2. Undatierte Kurzmitteilung von Oberst Einar M. Nordentoft an den FE.

3 »Stay-behind-Organisationen, teilweise auch Überrollgruppen genannt, sind militärische Widerstandsorganisationen, die für den Fall der Besetzung eines Staates oder von Teilen seines Territoriums durch feindliche Truppen nachrichtendienstliche Aufklärung in den besetzten Gebieten leisten und Sabotageakte im Hinterland verüben sollen.«, de.wikipedia.org/wiki/Stay-behind-Organisation, ges. am 8. Oktober 2012.

4 Siehe Cold War Museum Langelandsfort (im Folgenden: CWML), Privatarchiv Arne Sejr, Archivbox 1, undatierter vertraulicher Bericht (4 Seiten).

5 Siehe DSA, FE-Archiv, Archivboxen PA Mørch, Archivbox Nr. 2, undatierte Kurzmitteilung von Oberst Einar M. Nordentoft für den FE; Heiberg: Stay-Behind (Anm. 1), S. 63.

6 Siehe Land og Folk [Land und Leute] vom 29. November 1990 [dänische kommunistische Zeitung]. Information vom 30. November 1990 [dänische Zeitung].

7 Zu Besatzungsvorbereitungen und Stay-behind siehe Wilhelm Christmas-Møller: Obersten og Kommandøren [Der Oberst und der Kapitän], Kopenhagen 1995, S. 99–103. Siehe auch Peer Henrik Hansen: Firmaets (Anm. 1), S. 32–34. Die Originalunterlagen befinden sich im Archiv des Dänischen Widerstandsmuseums. Siehe auch Weekendavisen vom 9. bis 15. August 2002 [dänische Zeitung].

8 Zur Angst vor sowjetischen Aktivitäten siehe Eduard Mark: »The War Scare of 1946 and Its Consequences«, in: Diplomatic History 21 (Sommer 1997), H. 3; ders.: »The Turkish War Scare of 1946«, in: Melvyn P. Leffler/David S. Painter (Hg.): Origins of the Cold War – An international History, 2. Aufl. New York 2005, S. 112–133.

9 Melvyn P. Leffler: The Specter of Communism, New York 1997, S. 56–58.

10 Gregory Mitrovich: Undermining the Kremlin, Ithaca 2000, S. 177.

11 Siehe William R. Harris: »March Crisis 1948, act I«, in: Studies in Intelligence, Band 10, Herbst 1966; ders.: »March Crisis 1948, act II«, in: Studies in Intelligence, Band 11, Frühjahr 1967.

12 Siehe DSA, Archiv des dänischen Geheimdienstes, Archivboxen PA Mørch, Archivbox Nr. 2, Protokoll vom 26. Mai 1948.

13 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 9. Ausweis ausgestellt am 20. Dezember 1948.

14 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 11. Verschiedene Organisationsdokumente.

15 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma 
(29 Seiten). Heiberg: Stay-Behind (Anm. 1), S. 29, 41.

16 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma 
(29 Seiten), Seite 7. Außerdem Interview mit Niels Frommelt: Der Autor dieses Berichts interviewte Niels Frommelt mehrmals zwischen 1999 und 2005. Bei einem dieser Interviews zeigte Frommelt eines der Dokumente, die er vom Nachrichtendienst bekommen hatte. Dieses Dokument ist für den Autor die Bestätigung für die Behauptung Frommelts, er sei in der Lage gewesen, Informationen aus dem Archiv des Nachrichtendienstes zu bekommen.

17 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma 
(29 Seiten), S. 1.

18 CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 7: Die Organisation der Firma und verschiedene Berichte.

19 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2, Anmerkungen zur Arbeit der Firma.

20 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 7: Die Organisation der Firma und verschiedene Berichte. Siehe auch Akte 15.

21 National Archives II, College Park, RG 58, entry UD 2386, Archivbox 43, undatierter Bericht aus dem dritten Quartal des Jahres 1958 mit dem Titel »Quarterly Analysis of Land og Folk«.

22 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 19. Undatierte Liste der Mitglieder des Zentral-
komitees der DKP. [Wahrscheinlich aus dem Jahr 1953.]

23 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3. Undatierter Bericht.

24 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma 
(29 Seiten), S. 13. Siehe auch Archivbox 3, Akte 27.

25 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 70.

26 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 4, Übersetzung und Analyse des Artikels in der Komsomolskaja Prawda vom 1. März 1957.

27 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 6, Schreiben vom 24. Oktober 1956.

28 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma 
(29 Seiten), S. 12. Archivbox 3, Akte 21, 26, 70.

29 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 62, 66.

30 CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma (29 Seiten), S. 9.

31 Siehe ebd., S. 9–11.

32 Siehe Freddy Madsen: Vilje til Forandring – Mit liv som kommunist [Der Wille zum Wandel – Mein Leben als Kommunist], Kopenhagen 2002, S. 72.

33 Interview mit Niels Frommelt.

34 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 69–70. Interview mit Niels Frommelt.

35 Siehe zum Beispiel Berlingske Aftenavis vom 19. Dezember 1953; Social-Demokraten vom 19. Dezember 1953, B.T. vom 19. Dezember 1953; Information vom 19. Dezember 1953; Land og Folk vom 8. März 1954; Social-Demokraten vom 8. März 1954; Information vom 11. März 1954; Land og Folk vom 
12. März 1954; B.T. vom 15. Dezember 1954; Land og Folk vom 15. Dezember 1954.

36 CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 2. Undatierter vertraulicher Bericht über die Firma (29 Seiten), 
S. 14 f. Interview mit Niels Frommelt.

37 Siehe Kurt Jacobsen: Aksel Larsen – en politisk biografi [Aksel Larsen – ein politische Biografie], Kopenhagen/Valby 1993; Bent Jensen: De fremmede i dansk avisdebat – fra 1870’erne til 1990’erne 
[Die Ausländer in der dänischen Zeitungsdebatte – von den 1870er Jahren bis in die 1990er Jahre], Kopenhagen 2000.

38 Siehe CWML, Archiv Arne Sejr, Archivbox 3, Akte 31.

39 Siehe Heiberg: Stay-Behind (Anm. 1).

40 Interview, das der Autor dieses Beitrags mit Jørgen Sejr und Birgitte Sejr im August 2001 geführt hat.

Inhalt – JHK 2013

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