JHK 2015

Gizella Sándor. Eine Frau und drei Geheimdienste

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 39-56 | Metropol Verlag

Autor/in: Zoltán Boér

Zumeist sind männliche Agenten in Unterlagen von Staatssicherheitsdiensten überrepräsentiert. Verweise auf die Beteiligung von Frauen, weibliche Decknamen und Personalakten von Frauen haben dagegen Seltenheitswert. Zwar sind Fälle berühmter Agentinnen von mehreren Autoren untersucht worden, jedoch standen dafür niemals komplette Aktensammlungen der beschäftigenden Staatssicherheitsorgane zur Verfügung.

Im Folgenden wird der Lebensweg einer Frau, Gizella Sándor, geschildert, die sowohl in der Zeit vor 1944 als auch während der Pfeilkreuzlerdiktatur und schließlich im Stalinismus inoffizielle Mitarbeiterin der ungarischen Staatssicherheit und zeitweise eine führende Persönlichkeit im Machtgefüge der Staatspolizei war. Eine solche, über Diktaturen hinweg anhaltende »Karriere« einer Frau ist wahrscheinlich nicht nur in Ungarn ungewöhnlich. Der Fall von Gizella Sándor unterscheidet sich dabei wesentlich von denen anderer bekannter Agentinnen – wie zum Beispiel von Mata Hari –, weil er durch Primärquellen der Staatssicherheit sehr gut belegt ist.

Heimkehr aus den Niederlanden

Gizella Sándor wurde am 15. März 1915 in Budapest geboren.1 Weil ihr Vater, Kalman Sándor, aufgrund seines Verhaltens während der Räterepublik 1921 in die Niederlande emigrieren musste,2 folgte ihm Gizella 1924 nach. Ihre Mutter blieb mit ihrem Bruder in Ungarn. Als ihr Vater jedoch 1928 nach New York übersiedelte, kam sie in eine Pflegefamilie und lebte, bis sie die Schule beendet hatte, in Den Haag. Erst als 1932 ihr Bruder starb, kehrte sie nach Ungarn zurück. Dort nutzte die junge Frau den Ruf ihres Vaters, um Kontakte zu linksgerichteten Künstlern und Journalisten zu knüpfen, und wurde im Mai 1933 wegen illegaler kommunistischer Umtriebe angeklagt. Die Untersuchungen blieben jedoch ohne Ergebnis – sie war unschuldig und bezahlte dennoch einen hohen Preis: Gizella Sándor ließ sich anwerben und musste fortan über ihre ehemaligen Freunde Bericht erstatten. Bei der Polizei traf sie das erste Mal auf ihren zukünftigen Ehemann, den Ermittler Péter Hain,3 den sie im Januar 1940 heiratete. Durch die Ehe mit Hain war es ihr möglich, ein abwechslungsreiches gesellschaftliches Leben zu führen. Regelmäßig begleitete sie ihren Ehemann auf dessen Auslandsreisen, wo sie ihre Sprachkenntnisse bei Treffen mit den führenden Persönlichkeiten der damaligen Zeit aus Politik und Polizeiwesen, mit bekannten deutschen Unternehmern und Militärs gewinnbringend einsetzen konnte.

Nach der deutschen Besetzung Ungarns am 19. März 1944 wurde Gizella Hain Péterné, wie sie nach ihrer Heirat hieß, von Franz-Josef Huber aufgesucht,4 der sie für die verdeckte Zusammenarbeit anwarb: Sie sollte Informationen über die Tätigkeit ihres Ehemannes liefern. Im Sommer 1944 geriet die Ehe kurzfristig in eine Krise, eine Zeit lang lebten beide getrennt. Als jedoch die Front näher rückte, kehrte Gizella zu ihrem Ehemann zurück. In ihrer gemeinsamen Wohnung empfingen sie des Öfteren Gäste, darunter Brigadeführer Huber nebst Gattin und mehrfach auch Gábor Vajna,5 noch bevor dieser zum Innenminister ernannt wurde. Das Verhältnis zwischen Gizella Sándor und Vajna kann als kompliziert bezeichnet werden. Aus späteren Zeugenaussagen geht hervor, dass sie eine intime Beziehung unterhielten. Am 23. Dezember 1944 verließ das Ehepaar Hain gemeinsam Budapest. Bei Győr trennte man sich jedoch: Gizella Sándor begleitete ihren Mann und dessen Eltern nicht in das niederösterreichische Kilb, sondern ließ sich gemeinsam mit Vajna in der Pető-Villa in Szombathely nieder.6 Beim Herannahen der Frontlinie Ende März 1945 musste sie nach Gmunden in Österreich fliehen, wo sie erneut auf ihren Ehemann traf. Beide konnten sich bis zum 3. Juni 1945 am Attersee verstecken, gerieten dann jedoch in Salzburg in militärische Gefangenschaft.7

Leidensweg

Am 6. Dezember 1945 wurde Gizella Sándor, verheiratete Hain Péterné, mit der folgenden Begründung interniert: »War auch unabhängig von der politischen Funktion ihres Mannes für das faschistische System politisch aktiv. […] Unterstützte Péter Hain bei der Ausübung seines Dienstes. […] Stand in enger Beziehung zu dem späteren Pfeilkreuzler-Innenminister Gábor Vajna und zu dem deutschen Polizeigeneral und späteren Chef der Wiener Gestapo Huber. […] Vertiefte unter dem Regime der Pfeilkreuzler ihre Freundschaft zu Gábor Vajna weiter.«8 Die für die Internierung erforderlichen Beweise stammten überwiegend von den verhörten Zeugen. Der ehemals ihrem Ehemann unterstellte Ermittler István Cser war einer von ihnen.9 Am 15. November 1945 sagte er aus, dass Gizella Sándor mehrfach an offiziellen Empfängen ihres Mannes teilgenommen habe. In einem Fall, Cser war bei dieser Gelegenheit selbst in der Wohnung anwesend, habe sie unter konspirativen Umständen Vertraute ihres Mannes an einer Straßenbahnhaltestelle in Empfang genommen. Cser sagte weiterhin aus, dass Gizella Sándor bereits in den 1930er Jahren bei einer Aktion eingesetzt worden sei, bei der man unbedingt einen weiblichen Beobachter gebraucht habe.10 In der Aussage des Gendarmerieobersten László Hajnácskőy heißt es: »Ich habe mehrmals selbst miterlebt, dass Frau Hain im Raum anwesend war, während ich einen Vortrag hielt […]. Ich hatte den Eindruck, dass Frau Hain eine bestimmte politische Position innehatte. […] Noch in Buda habe ich – auch persönlich – erlebt, dass der Sekretär Vajna während des Vortrags telefonisch meldete, dass Frau Hain angekommen sei – und so wichtig der Vortrag auch war, er wurde sofort unterbrochen und Frau Hain wurde vorgelassen.«11

Vajna selbst konnte am 29. November 1945 verhört werden. Dabei berichtete er auch über die während der Flucht in Szombathely verbrachten Tage: »Péter Hain hielt sich nur wenig in Szombathely auf […] Er ließ […] mitteilen, dass er sich von seiner Frau scheiden lassen würde und ich sie heiraten solle. […] Das Ehepaar Hain hatte diese Mitteilung wahrscheinlich untereinander abgesprochen […]. Meiner Meinung nach hätte sich Frau Hain von ihrem Mann scheiden lassen […] und da ich Innenminister war, hätte sie mich auch geheiratet.«12

Im Internierungslager Kistarcsa stand Gizella Sándor anfänglich in ausgesprochen engem Kontakt mit der Witwe von Ferenc Szálasi, Gizella Lucz, und der Frau von Kálmán Hubay, Gizella Ischl.13 Die Beziehung verschlechterte sich jedoch mit der Zeit, und Gizella Lucz schrieb in ihren Memoiren über Gizella Sándor: »Sie war ein dreckiges Miststück und wir hassten sie wie die Pest.«14 1948 wurde Gizella Sándor von der Reviervorsteherin B. Varga in das Agentennetz eingeschleust, um erneut über Personen Bericht zu erstatten, die ihr Vertrauen schenkten.15

Wegen ihrer Schmuggelaktivitäten im Lager wurde Gizella Sándor im Jahr 1953 mehrfach verhört und regelmäßig mit dem Entzug von Vergünstigungen und mit Verboten bestraft. Ihre Lebensumstände waren alles andere als komfortabel, deshalb beantragte sie ihre Freilassung. Dabei stellte sie sich als unschuldiges Opfer dar. Sie habe lediglich ihren Ehemann begleitet. So auch am 7. August 1946: »Der ausschließliche Grund für meine Internierung ist, dass ich die Ehefrau von Péter Hain bin. Nachdem nun das Urteil an meinem Mann vollstreckt worden ist, erfüllt meine Internierung keinerlei Zweck mehr.«16 Sie war bemüht, ihre besondere Rolle im Kreise der Internierten aufrechtzuerhalten. Dabei half ihr ihr hoher Bildungsgrad. Zu mehreren weiblichen Internierten unterhielt sie auch intime Beziehungen.17 Einem Bericht vom 13. Oktober 1952 zufolge waren »ihre Laster: Sadismus, Homosexualität, sonstige sexuelle Perversionen, Alkohol«.18 Ein zwölf Monate zuvor, am 10. Oktober 1951, im Lager erstelltes
Schreiben führt ihre wichtigsten Eigenschaften und ihr Verhältnis zum herrschenden System und zum Amt für Staatssicherheit (Államvédelmi Hatóság, ÁVH) in Form einer vollständigen Persönlichkeitsbeschreibung auf: »Ihr Verhalten ist vollkommen janusköpfig. Während sie einerseits bemüht ist, in Bezug auf eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit einen positiven Eindruck zu erwecken, wann immer sich dazu eine Gelegenheit ergibt, organisiert sie andererseits gleichzeitig die Faschisten und verbreitet von außen kommende Gräuelmärchen […]. Es ist kein Zufall, dass die Saboteure gerade unter ihren besten und zuverlässigsten Leuten zu finden sind. […] Liebt einzig und allein sich selbst und verkauft alles und jeden, um ihr eigenes Wohlergehen zu sichern. Sie hasst das System und das ÁVH als dessen Verkörperung – dies umso mehr, als sie gezwungen ist, dem System um ihrer [Selbst]Erhaltung willen zu Diensten zu sein. […] Sie ist tief religiös und betrachtet dies unverständlicherweise als vereinbar mit ihrem mörderischen Ehemann und dem gewissenlosen Sumpf, in dem sie gelebt hat und auch hier im Lager weiter-
lebt.«19 Die Zeit und die stiefmütterlichen Umstände taten jedoch ihre Wirkung: »Sie beginnt zu feilschen und will um jeden Preis in Freiheit gelangen. Falls notwendig, will sie sich auch nützlich machen, wozu sie auch in jeder Hinsicht befähigt ist.«20 Aus einer kurzen Meldung geht allerdings hervor, dass die Staatssicherheitsoffiziere in Kistarcsa nicht unbedingt vom Erfolg ihrer Erziehungstätigkeit überzeugt waren: »Kluge, gerissene Gegnerin, suggestive Persönlichkeit. Tut so, als ob sie mit dem System Frieden schließen wollte und sich gebessert hätte. Ist sich darüber im Klaren, dass sie nur so weiterleben kann.«21

Am 22. Dezember 1953 fällte das Komitatsgericht Pest schließlich sein Urteil: Gizella Sándor, verwitwete Hain Péterné, wurde wegen des Kriegsverbrechens der Beihilfe zur Machtübernahme der Pfeilkreuzler zu zehn Jahren Gefängnis und zum Verbot der gesellschaftlichen Teilnahme sowie zur vollständigen Einziehung ihres Vermögens verurteilt. Die seit dem 3. Juli 1945 in Haft verbrachte Zeit wurde auf die Strafe angerechnet.22 Nach der Urteilsverkündung verlegte man Gizella Sándor zum Verbüßen ihrer noch verbleibenden Gefängnisstrafe nach Márianosztra.

»Semsei« betritt die Bühne

Vor ihrer Haftentlassung am 9. April 1955 wurde Gizella Sándor erneut verlegt. Dieses Mal nach Győr, wo sie mit dem Leiter der Hauptabteilung Untersuchung des Komitatspolizeipräsidiums, Oberleutnant József Németh, zusammentraf.23 Der ÁVH-Offizier brachte sie dazu, auch nach ihrer Freilassung weiter konspirativ mit den Staatssicherheitsorganen zusammenzuarbeiten. Bei der »Staatssicherheitstaufe« erhielt Gizella Sándor den Decknamen »Andrea Semsei«. Zwischen dem Führungsoffizier und der Agentin entwickelte sich rasch eine intime Beziehung. Németh bekannte sich öffentlich zu dieser Liaison und setzte damit seine Existenz und seine gesellschaftliche Reputation aufs Spiel – und verlor sie schließlich. In einem Bericht der Staatssicherheit heißt es: »Nach der Anwerbung der Agentin mit dem Decknamen Andrea Semsei ging er mit dieser eine sexuelle Beziehung ein und war auch trotz einer Verwarnung nicht bereit, die Beziehung mit der Agentin zu beenden.«24 Németh wurde schließlich im Januar 1956 aus dem ÁVH entlassen und aus der Staatspartei ausgeschlossen.25 »Semsei« zog nach Budapest, wo man am Újpest rakpart 7 eine Wohnung für sie gemietet hatte. Ihre Berichte lieferte sie im Allgemeinen mündlich; gelegentliche schriftliche Fassungen unterzeichnete sie mit
»Frau L.«.26 Sie berichete in erster Linie über ehemalige Offiziere und über ihre deklassierten Bekannten. Am 14. November 1956, zehn Tage nach dem Angriff der zur Niederschlagung der Revolution und des Freiheitskampfes von 1956 entsandten sowjetischen Truppen, informierte »Semsei« darüber, dass sie Pál Demény, den Vater einer ehemaligen Mitinsassin im Internierungslager, aufgesucht habe.27 Am 28. November 1956 erstattete sie Bericht über ein Treffen mit dem ehemaligen Hauptmann der technischen Truppen István Szaniszló, der 1944 in den Westen gegangen war. Das Treffen wurde durch eine Bekannte der Agentin vermittelt. Ziel war der kontinuierliche Informationsfluss zwischen den ehemaligen Offizieren. Um ihre Hilfsbereitschaft unter Beweis zu stellen, übergab »Semsei« die Kontaktdaten von Hauptmann Elek Hajdú und dessen Schwiegersohn, Oberstleutnant Antal Jakab. Szaniszló bat die Agentin schließlich, ihm vertrauenswürdige Funktionsträger in Großbetrieben zu suchen.28

Am 3. Dezember berichtete »Semsei« handschriftlich über ein Gespräch mit Antal Jakab. Dieses Treffen sollte von entscheidender Bedeutung für ihre spätere Tätigkeit sein. Jakab und sein Mitbewohner Hajdú brachten ihre große Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass »Semsei« nicht die Möglichkeit nutzte, Ungarn zu verlassen. Diese Bemerkung war während der darauffolgenden drei Wochen eines der schlagkräftigsten Argumente der Agentin gegenüber den Staatssicherheitsorganen: Es werde immer schwieriger, ihren Bekannten gegenüber Erklärungen dafür zu finden, dass sie in Ungarn bleibe.29 In einem Bericht vom 5. Dezember 1956 deutete die Agentin an, dass die einzige Lösung für sie die Emigration sei: »Ich muss darauf hinweisen, dass ich seit Monaten, seitdem ich ohne Stellung bin, unter extrem schwierigen finanziellen Bedingungen lebe und mich gegenwärtig nur durchschlagen kann, indem ich Tag für Tag einige meiner Kleidungsstücke verkaufe.« Abgesehen von ihren finanziellen Problemen führte sie auch ihre Motivation als Argument an: »Die Arbeit, die ich gegenwärtig verrichte, hat, gemessen an den Möglichkeiten, die ich im Ausland hätte, ein ausgesprochen niedriges Niveau. Aus diesem Grund ist mir der Gedanke gekommen, ins Ausland zu gehen.« Sie legte einen konkreten Plan für ihre Übersiedlung vor, in dem selbstverständlich auch József Németh auftauchte. In ihrer Begründung erläutert sie die dem ehemaligen Staatssicherheitsoffizier zugedachte Aufgabe: »Seine Rolle besteht im Kern darin, die Verbindung mit den Organen in Ungarn zu halten.« In Klammern fügte sie Folgendes hinzu: »Ich würde ihn – dauerhaft – bei den gegen Ungarn operierenden Nachrichtendiensten unterbringen, bei [Radio] Freies Europa usw.« Die Agentin erklärte sich bereit, die für diese Operation im Vorfeld notwendige Aufklärungsarbeit selbst zu leisten.30 Als Zielperson, über die sie Informationen sammeln und die geplante Unterbringung ihres Partners verwirklichen könne, gab die Agentin ihren in Westdeutschland lebenden Bekannten Walter Möllendorf an. Den deutschen Industriellen und seine Familie hatte sie 1938 während einer Reise nach Italien kennengelernt. Seit 1955 hatte Möllendorf sie mehrfach zu sich eingeladen und versprochen, sie zu unterstützen. Diese Zusage spielte auch eine Rolle bei ihrer späteren Übersiedlung.31

Am 10. Dezember 1956 meldete »Semsei« schriftlich, dass der in der Wohnung ihrer Mutter32 als Untermieter lebende Péter Korniss33 Flugblattaktionen durchführe und außerdem als Verbindungsmann zwischen Studenten und Arbeitern den Streik der Arbeiter in den Industriebetrieben organisiere. Der Führungsoffizier merkte an: »Péter Korniss ist radikal konterrevolutionär eingestellt und verbreitet feindliche Hetzpropaganda. An der Konterrevolution hat er bewaffnet teilgenommen. Er ist auch heute noch aktiv. […] Ich schlage vor, ihn noch heute Nacht in Gewahrsam zu nehmen und unverzüglich über seine Komplizen zu vernehmen und diese ebenfalls zuzuführen.«34 In ihrer zweiten Meldung vom selben Tag befasst sich die Agentin erneut mit ihrer Ausreise: »Was ist also der Grund dafür, dass ich das Land nicht verlasse? Es fällt mir immer schwerer, eine Erklärung zu geben. In meinem Falle ist es wirklich schwierig, eine Begründung zu finden, denn da ich weder Familie noch eine Arbeitsstelle habe, gibt es keinerlei Erklärung für irgendeine Art von Bindung. […] Auch meine Freunde im Ausland werden sich ohne Zweifel bereits wundern, und es wird immer schwieriger, zu erklären, warum ich nicht schon längst gekommen bin.« Abschließend schlägt sie sogar einen konkreten Zeitpunkt für ihre Ausreise vor: »Ich muss spätestens kommende Woche ausreisen, genauer gesagt zwischen dem 26. und dem 28. Dezember.«35

Die Umstände ihres Grenzübertritts können aus ihrer Anwerbeakte rekonstruiert werden. Laut einem am 21. Dezember 1956 erstellten zusammenfassenden Bericht wurden aufgrund ihrer Aufklärungstätigkeit unter anderem Péter Korniss, György O’sváth36 und Zoltán Csákányi verhaftet. Ihr Führungsoffizier »Keresztesi«, mit Klarnamen Oberleutnant László Kovács, beschrieb »Semsei« folgendermaßen: »Mittelgroße, hellblonde Frau von muskulöser, hagerer Statur mit länglichem Gesicht. Altersgemäßes Aussehen – 45 Jahre.37 Kleidet sich elegant. […] Mutig, erfinderisch, verfügt über eine sehr gute Kombinationsfähigkeit. Kann in einigen Angelegenheiten selbstständig entscheiden und bestimmen. Im Kreise der uns interessierenden Personen findet sie sich rasch zurecht. Kann mit jeder beliebigen Person auf beliebige Art und ohne moralische Skrupel Zweckbekanntschaften schließen.«38 Als einzige Bedingung für ihre Ausreise bat sich die Agentin aus, dass ihr Liebhaber sie begleiten dürfe. Ihrer eigenen Formulierung nach betrachtete sie es als ihre »moralische Pflicht«, den ehemaligen ÁVH-Mitarbeiter, der seit seiner Entlassung gezwungen war, als Polierer zu arbeiten, beruflich wieder auf die Beine zu bringen.39 Die Staatssicherheitsorgane zeigten sich als Partner: Németh wurde unter dem Decknamen »Győri«40 reaktiviert. »Semsei« erörterte am 21. Dezember 1956 ausführlich, welche Erklärung sie im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt für zweckmäßig halte, und ging dabei auch auf Dinge wie einen fingierten Nervenzusammenbruch nach der Ankunft ein: »Ich hoffe, so auch dem ausufernden Stellen von Fragen zu entgehen. Einen kleinen Weinkrampf kann ich immer produzieren, und auch mein Puls schlägt mit 120, wann immer ich das will.«41

Am 23. Dezember 1956 unterzeichnete »Semsei« im Innenministerium eine Vereinbarung, in der sie als Gizella Hain Péterné die folgende Aufgabe übernahm: Eindringen in die Organisation des westdeutschen Geheimdienstes (Bundesnachrichtendienst, BND). Die Aktion wurde in mehreren Schritten vorbereitet. Erste Station sollte Wien sein, das darauffolgende Ziel West-Berlin. In der zweigeteilten Stadt war für die Zeit ab dem 25. März 1957 eine persönliche Kontaktaufnahme vor dem Restaurant Budapest geplant. Am 25. eines jeden Monats um 14 Uhr würde ein Offizier der ungarischen Staatssicherheit »Semsei« die folgende Frage stellen: »Sagen Sie, sind Sie nicht in Holland zur Schule gegangen?« Und die Antwort sollte lauten: »Nein, ich habe meinen Abschluss in Berlin gemacht.« Falls die Agentin nicht bei den vereinbarten Treffen erscheinen könnte, sollte sie ihren Aufenthaltsort, begleitet von einer wenige Zeilen langen Grußformel, auf einer offenen Postkarte mitteilen. Die Postkarte sollte sie an die Adresse István Angyal, Budapest, VI. Bezirk, Rudas László utca 27 (heute Podmaniczky utca), Erdgeschoss, schicken.42 Mithilfe der Postkarte musste auch der Ort des nächsten Treffens übermittelt werden: Treffpunkt würde der Haupteingang des auf der Postkarte abgebildeten Gebäudes sein. Die Vereinbarung schloss mit den folgenden zwei Punkten: Der Agentin wurde zum einen garantiert, dass sie jederzeit nach Ungarn zurückkehren könne, und zum anderen, dass ihr im Falle ihrer Rückkehr ein »sorgenfreies Leben« ermöglicht werde.43 Németh unterschrieb vor seiner Ausreise ebenfalls eine Vereinbarung und stimmte darin der gleichen Aufgabe zu: Nach dem Aufbau einer Existenz war das Ziel die Kontaktaufnahme mit den gegnerischen Nachrichtendiensten. Am Ende seiner Vereinbarung findet sich die Zusicherung: »Obwohl die Aufgabe freiwillig auf patriotischer Grundlage übernommen wurde, garantieren wir für den Erfolgsfall Folgendes: […] Die Ehefrau44 bzw. die Familie erhält monatlich 800–1000 Forint, und es wird dafür gesorgt, dass sie ihren Arbeitsplatz behält.« Selbstverständlich wurde auch Németh die Möglichkeit der Heimkehr garantiert.45

Am 25. Dezember 1956 um 8 Uhr morgens verließ der Zug mit dem Paar den Budapester Ostbahnhof. Unter Einhaltung der Regeln der konspirativen Tätigkeit schlossen sich ihnen in Kelenföld zwei Offiziere der Staatssicherheit an: Major Márton und Hauptmann József Dömény, aus deren Meldung hervorgeht, dass man in guter Stimmung bis Mosonmagyaróvár reiste. Als man sich der Grenze näherte, nahmen die beiden Staatssicherheitsoffiziere Kontakt mit der Grenzwache in Mosonszentjános auf, von wo zu ihrer Unterstützung ein Unterleutnant geschickt wurde, der sie weiterführte. Um 18.30 Uhr überquerten die Agenten die Grenze des Eisernen Vorhangs. Die anwesenden Offiziere beobachteten noch zwanzig Minuten lang den Abschnitt. Den an der Aktion beteiligten Grenzsoldaten aus Mosonszentjános gegenüber blieb der konspirative Charakter der Angelegenheit gewahrt, sie wussten nicht, wen sie begleiteten. Hauptmann Dömény wies in seiner Meldung darauf hin, dass an diesem Tag in demselben Grenzabschnitt noch ungefähr 50 bis 60 weitere Personen illegal die Grenze überschritten hätten, jedoch sei man aufgrund der Wichtigkeit der Mission nicht eingeschritten.46

Der ungarische Nachrichtendienst schätzte die Bedeutung, die »Semsei« für ihn haben könnte, sehr hoch ein. Laut einer Meldung im Objektdossier der Berliner Residentur vom 11. Januar 1957 bestand die in Richtung Bundesrepublik agierende Spionageabteilung aus fünf Personen. Nach der Revolution wurde die Abteilung um fünf zusätzliche Mitarbeiter erweitert, zu denen auch »Semsei« gehörte.47 Major Péter Palotás legte in seiner Anweisung vom 24. März 1957 über die generelle Mission der Agentin hinaus folgende Aufgaben fest: »Nimmt Verbindung mit dem deutschen Industriellen Möllendorf und dem ehemaligen SS-General Huber auf und bemüht sich, über diese beiden Personen möglichst breite gesellschaftliche Kontakte aufzubauen, teils zur Anbahnung neuer Anwerbungen, teils zur Gesprächsaufklärung. Macht die Personen ausfindig, die in Ungarn im Auftrag der Gestapo tätig waren und nimmt mit ihnen wiederholt Kontakt auf, um sie persönlich besser kennenzulernen.« Der Agent »Győri« wird im Arbeitsplan nicht gesondert genannt.48 Der Führungsoffizier mit dem Decknamen »Károlyi« berichtete am 27. März 1957 über das erste Treffen mit den Agenten, bei dem »Semsei« über die Umstände ihres Grenzübertritts berichtete. Sie hatte außerdem mitgeteilt, dass sie Kontakt mit Möllendorf aufgenommen habe, der einverstanden gewesen sei, dass sie »Győri« mitgebracht hatte und ihr auch Geld zur Milderung ihrer problematischen finanziellen Situation geschickt habe. Der Industrielle habe vorgeschlagen, dass sie zur Erleichterung ihrer Übersiedlung nicht in ein Hotel, sondern in ein Flüchtlingslager ziehen solle. Dies lehnte »Semsei« jedoch ab: »Ihre Person sei zu wichtig, um in ein Lager zu ziehen, und wenn sie andernfalls keine Unterstützung erhalte, dann verzichte sie dankend, aber sie sei nicht bereit, in ein Lager zu gehen.« Am Ende des Treffens begann »Semsei«, über ihre finanzielle Lage zu klagen. Daraufhin übergab ihr der Führungsoffizier 2000 Schilling – viel zu wenig aus Sicht der Agentin; sie erhob auf mindestens die doppelte Summe Anspruch. Nach eigener Aussage hatte sie ihre finanziellen Probleme durch den Verkauf ihres 1945 versteckten Schmucks gelöst. Vor dem darauffolgenden Treffen hob der Führungsoffizier hervor, dass man »Semsei« dazu bewegen müsse, sich möglichst schnell einen Arbeitsplatz in der Bundesrepublik zu suchen, um so ihre Lebensumstände zu legalisieren.

Der Resident »Károlyi« berichtete in einer Meldung vom 24. April 1957 über ein Treffen mit der Agentin. »Semsei« teilte mit, dass sie, falls sich ihre Übersiedlung nicht kurzfristig bewerkstelligen lasse, einen Reisepass für einen zweiwöchigen Aufenthalt beantragen werde, um ihre Angelegenheit mithilfe ihrer anderweitigen Kontakte voranzubringen. Sie habe sich außerdem mit dem Wiener Mitarbeiter des Senders Radio Freies Europa (RFE), Gábor Tormai, getroffen, der ihr angeboten habe, für ein Honorar von 100 Dollar über ihre Erlebnisse in Ungarn zu berichten. Die Agentin sah diese Summe jedoch als zu niedrig an. Der Führungsoffizier teilte »Semsei« mit, dass man mit Einverständnis der Zentrale mit ihr in Österreich Kontakt halten werde, bis ihre Übersiedlung gelinge. Die für die zukünftige Kontaktaufnahme notwendige Information über ihren Aufenthaltsort könne sie den ungarischen Stellen per Postkarte übermitteln: »Das soll so ablaufen, dass sie in bestimmten Zeitabständen eine Postkarte an die Deckadresse schickt. Die erste Postkarte gibt sie in der Stadt auf, in der sie ihre Wohnung hat. In den Text der zweiten Postkarte arbeitet sie den Namen der Straße ein, in der sie wohnt, und in den Text der dritten Postkarte ihre Hausnummer. Die zweite und dritte Postkarte sollen möglichst nicht in der Stadt aufgegeben werden, in der sie wohnt. Wenn wir ein Treffen mit ihr anberaumen, schicken wir ihr eine Postkarte mit ungarischem Text und der Unterschrift /Kati/. Das Datum auf der Postkarte wird unterstrichen. 14 Tage nach dem unterstrichenen Datum erwarten wir sie zum Treffen am Kino ›Forum‹. Sicherheitstreffen um 15 und 16 Uhr bzw. an den darauffolgenden Tagen zur selben Zeit.« »Semsei« wurde die Aufgabe übertragen, herauszufinden, welche Angehörigen des ehemaligen Gestapo-Netzes für den deutschen Nachrichtendienst in Ungarn tätig waren. Falls »Győri« an interessante Informationen herankäme, dürften diese ebenfalls nur über »Semsei« an die ungarischen Stellen weitergegeben werden. Sie solle ihren Partner nicht über ihre Aufgabe informieren, sondern diese geheim halten. Sie wurde weiterhin beauftragt, mit einem befristet gültigen Reisepass in die Bundesrepublik zu reisen und außerdem Kontakte zum Wiener RFE-Büro aufzubauen. Zum Abschluss des Treffens erhielt die Agentin 3000 Schilling.49

Am 25. April 1957 trafen sich die Agentin und ihr Führungsoffizier erneut vor dem Wiener Kino »Forum«. »Semsei« hatte die Genehmigung zur Übersiedlung noch nicht erhalten, weshalb »Károlyi« ihr die Anweisung gab, mit dem befristet gültigen Reisepass auszureisen und mit der Erledigung ihrer Angelegenheiten zu beginnen. Am Ende des Berichts teilte »Károlyi« mit, dass »Semsei« im Vorfeld des Treffens die Konspiration ernsthaft kompromittiert habe, indem sie »Győri« mit nach Wien an den ursprünglich geplanten Ort des Treffens gebracht habe, sodass das Treffen nicht, wie gewöhnlich, im Café Elise stattfinden konnte, sondern an einen anderen Ort verlegt werden musste.50 Am darauffolgenden Tag erhielt »Semsei« einen Brief von Möllendorf, in dem er sie über den Stand ihrer Übersiedlung informierte. Es stellte sich heraus, dass die ins Ausland verbrachten ungarischen Agenten nicht den Anforderungen der Bundesrepublik entsprachen, da »Semsei« und »Győri« nicht der deutschen Minderheit in Ungarn entstammten und keine Verwandten mit deutscher Staatsangehörigkeit hatten. Möllendorf forderte sie auf, auf keinen Fall in der deutschen Botschaft in Wien vorzusprechen: Damit würden sie ihrer Sache nur schaden. Er wies darauf hin, dass man bei der Eröffnung des Übersiedlungsverfahrens Zeit verloren habe, weil Gizella Sándor den deutsch klingenden Namen ihres ehemaligen Gatten nicht erwähnt hatte. Außerdem bestätigte er, dass die Agentin richtig erkannt habe, dass sich das politische Klima gewandelt hatte: »Ich freue mich, dass auch du verstanden hast, dass die Freunde von damals heute überwiegend unauffindbar sind und dass man auch in Deutschland heute anders denkt.« Am Ende seines Briefes erwähnte er, dass er sowohl in Berlin als auch in Bonn die Antwort erhalten habe, dass sehr gründlich überprüft werden müsse, wem die deutsche Regierung Zuflucht gewähre, da viele Ungarn die Gastfreundschaft missbrauchten, weshalb diese Überprüfung längere Zeit in Anspruch nehme.51

Am 4. Juli 1957 kam es zu einem weiteren Treffen, bei dem »Semsei« über einen Brief berichtete, den sie an Möllendorf geschickt hatte, um die Dinge zu beschleunigen. Gemäß den ihr erteilten Anweisungen hatte sie ihren Antrag auf Ausstellung eines befristet gültigen Reisepasses bei der Polizei in Bruck eingereicht, wo man sie darüber informierte, dass sie den Pass bis zum 10. Juli erhalten werde. Für den Fall, dass ihre Übersiedlung in die Bundesrepublik nicht gelingen sollte, schlug die Agentin vor, in das an der österreichisch-deutschen Grenze gelegene Bregenz zu ziehen. Dort wolle sie ein Café betreiben, um so an interessante Informationen und Kontakte zu kommen. »Károlyi« reagierte inhaltlich nicht auf diesen Vorschlag, sondern trug der Agentin für den Fall, dass sie vor dem nächsten Treffen in die Bundesrepublik reisen könne, auf, eine Postkarte mit der Unterschrift »Ede Hoffmann« an die ungarische Botschaft zu schicken, auf der stand, dass Herr Hoffmann die Botschaft wegen seines Visums erst in der drauffolgenden Woche aufsuchen könne. Am dritten Tag nach dem Aufgabedatum dieser Mitteilung werde es zu einer Zusammenkunft kommen. Sollten sich die ungarischen Stellen mit ihr treffen wollen, könnten sie das mittels einer an die Anschrift Bruck, Kirchengasse 3, geschickten Grußkarte mitteilen. Am Ende des Treffens erhielt die Agentin 3000
Schilling. In den Zeilen zur Auswertung des Treffens am Ende seines Berichts bringt »Károlyi« zum Ausdruck, dass er den Umzug nach Bregenz für sinnvoll erachte, es jedoch für notwendig halte, dass die Agentin versuche, ihre Übersiedlung mit eigenen Kräften zu bewerkstelligen.52 Bei einem am 1. August 1957 durchgeführten Treffen wies der Führungsoffizier »Semsei« an, ihre weiteren Verbindungen zu nutzen, falls ihr Bekannter ihr nicht helfen könne.53 Die Agentin berichtete bei dieser Gelegenheit von einer Zusammenkunft mit einem Mann namens Ludvig Tichy, der die Wirtin der Agentin aufgesucht habe. Nachdem er sich wieder entfernt hatte, habe die Agentin von ihrer Freundin Kati erfahren, dass Tichy 1948 als Soldat aus der Tschechoslowakei in den Westen geflohen sei. Er habe in Frankfurt und später in Regensburg gelebt und in amerikanischen Diensten gestanden. Deshalb reise er häufig an die österreichisch-tschechoslowakische Grenze. Es war ihr gelungen, ein Foto von Tichy zu bekommen,54 das sie den ungarischen Stellen überab. Laut einer mit Bleistift verfassten Notiz ohne Unterschrift auf dem Bericht wurde eine Kopie der Meldung für die tschechoslowakischen Staatssicherheitsorgane angefertigt.55

Am 30. August 1957 erteilte Palotás dem in Wien eingesetzten Residenten »Károlyi« Anweisungen in Bezug auf die Agentin und listete folgende Aufgaben für sie auf: »Semsei reist unverzüglich nach Deutschland und nimmt persönlich Kontakt mit ihren alten Bekannten auf, um so die Genehmigung zur Übersiedlung zu erwirken. Sobald ihre Übersiedlung erfolgt ist, bemüht sie sich, Győri ebenfalls in die Bundesrepublik zu holen.«56

Loslösung

Am 12. September 1957 trafen sich die Agentin und ihr Führungsoffizier erneut. »Semsei« berichtete über ein Treffen mit Möllendorf. Der Deutsche habe nun gesagt, dass er ihr bei ihrer Übersiedlung nicht behilflich sein könne, da die Behörden die Ausgabe von Einwanderungsgenehmigungen für ungarische Emigranten inzwischen rigoroser handhabten. Nachdem sie diese Informationen erhalten hatte, habe sie »Győris« Vergangenheit als Mitarbeiter der Staatssicherheit offengelegt. Daraufhin habe sich Möllendorfs Haltung mit Hinblick darauf, dass er über Verbindungen zu den deutschen innenpolitischen Stellen verfüge, geändert. Der Führungsoffizier »Károlyi« forderte die Agentin auf, ausführlich schriftlich über dieses Ereignis zu berichten. Davon zeigte sich die Agentin sehr überrascht und versuchte, sich dieser Aufgabe zu entziehen. Sie war besorgt, dass die Meldung in die falschen Hände gelangen könnte. Laut dem Bericht trat »Semsei« dem Führungsoffizier gegenüber aggressiv auf und brachte erneut ihre finanziellen Sorgen zur Sprache. Sie begann, mit »doppelter Buchführung« zu drohen, woraufhin ihr »Károlyi« entgegnete, dass derartige Betrügereien rasch auffielen. In seiner Beurteilung schätzte der Führungsoffizier die Zuverlässigkeit der Agentin als fragwürdig ein und bewertete ihre Ansprüche in Bezug auf finanzielle Angelegenheiten als unbegründet. Er schlug ein neues Treffen vor, und für den Fall, dass dieses Treffen nicht zustandekäme, empfahl er den Abbruch der Verbindung. Er ersuchte die Zentrale, die Agentin bis zur Klärung der Angelegenheit nicht an seinen Kollegen »Sárosi« übergeben zu müssen. »Károlyis« Vorgesetzter antwortete wie folgt: »Abbruch sämtlicher Kontakte zu Semsei, keinen Pfennig mehr für sie. Falls sie sich bei der Botschaft meldet, dann mitteilen, dass wir von nun an nichts mehr mit ihr zu tun haben.«57 Damit wurde praktisch der Verlust der Verbindung bestätigt. Am 26. November 1957 stellte Major Pál Stassák in einem Bericht fest, dass die Staatssicherheit aus der Tätigkeit »Győris« keinen Nutzen gezogen habe, und am
5. Dezember 1957 schreibt Palotás: »Obwohl Semsei mit vielversprechender Perspektive eingesetzt wurde und über ausgesprochen interessante Möglichkeiten zu verfügen schien, hat sie doch die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt.« Die Offiziere der Wiener Residentur bekamen Anweisung, jeglichen Kontakt zu der Agentin abzubrechen. Zum vereinbarten Treffen sollten sie nicht erscheinen, da vorstellbar sei, dass sie bereits beobachtet würden. Falls »Semsei« in der Botschaft nach »Károlyi« frage, solle ihr mitgeteilt werden, dass dieser nicht mehr dort arbeite, außerdem solle man auf keine Bitten ihrerseits eingehen.58

Zwischen dem 5. Dezember 1957 und dem 30. Januar 1959 erfolgte in der Führungsakte keine Eintragung. »Semsei« gab während dieser Zeit nur eine Postkarte auf. Am
4. Februar 1958 schrieb sie: »Viele Grüße aus dem schönen Wien!«59 Palotás übermittelte Oberleutnant László Sas am 30. Januar 1959 eine deutliche Anweisung, da sich »Semsei« fünf Tage vor Erteilung des Befehls erneut per Postkarte angemeldet hatte – eine Provokation. Nach dem alten erprobten System wurde nun auf der Grundlage des vorher abgesprochenen Austauschs der Codewörter ein Treffen für den 13. des folgenden Monats, 14 Uhr, geplant. Nach einer Pause von 15 Monaten hatte »Semsei« mitgeteilt, dass sie Zugang zu Kreisen erlangt habe, in denen sie für die ungarischen Organe zufriedenstellend tätig werden könne: »Baby, endlich kann ich eine positive Mitteilung machen […]: Es ist mir nun doch gelungen, mich mit dem Geschäftspartner zu treffen, den ich gesucht habe [Möllendorf] und mit dessen Hilfe ich das geplante Geschäft nun endlich in die Wege leiten kann. Jóskas Fachkenntnisse sind ein großes Glück, denn mein zukünftiger Partner weiß sie sehr zu schätzen. […] Er hat Geld und möchte ein ähnliches Geschäft beginnen. Ich möchte das natürlich auch mit Pali [Stassák] gründlich durchsprechen, schließlich hat er mehr Erfahrung als Geschäftsmann, und ohne seine Ratschläge möchte ich die Sache nicht angehen.«60 Palotás erstellte eine aus neun Punkten bestehende Anweisung. Sas sollte nach dem Treffen unverzüglich schriftlich Bericht erstatten. Ein Sicherheitstreffen drei bis vier Tage nach dem ersten Treffen würde die Erteilung der Aufgaben zum Inhalt haben, die nach Erhalt von Informationen der Zentrale ausgearbeitet werden sollten. Sas wurde insbesondere darauf hingewiesen, nicht auf finanzielle Forderungen der Frau zu reagieren, sondern ihre Leistung erst bei einem späteren Treffen zu honorieren. Palotás machte Sas außerdem darauf aufmerksam, dass er, falls das Treffen durch eine Provokation gestört würde, sagen solle, dass ihn eine ungarische Frau angesprochen und um Auskünfte gebeten habe.61

Das letzte Treffen fand schließlich am 13. Februar 1959 in Wien statt. Nach dem Austausch der Codewörter entfernten sich die beiden Partner anweisungsgemäß vom Theater, wobei die Agentin ihrem Führungsoffizier zu Fuß folgte.62 Laut dem Bericht des Führungsoffiziers Sas sei »Semsei« zu Beginn des Treffens aggressiv aufgetreten, worauf der Offizier jedoch angemessen habe reagieren können. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass Möllendorf inzwischen verstorben war. »Semsei« war danach jedoch zu dem Schluss gelangt, dass sie sich von dem ehemaligen SS-General Huber einladen lassen könnte, um herauszufinden, welche Chancen für eine Übersiedlung bestünden. Das Gespräch in München kam nicht wie geplant zustande. Glücklicherweise habe sie jedoch den RFE-Mitarbeiter Dr. Zoltán Benkő bzw., genauer gesagt, dessen Frau getroffen. Sie habe dem Ehepaar die Kenntnisse und das Vorleben ihres in Wien verbliebenen Partners offengelegt und sich darüber beklagt, dass ihnen die deutsche Seite nicht helfen wolle.63 Das Ehepaar Benkő habe die Gelegenheit genutzt und sie in das Hotel Löwen geschickt, wo sie mit einem Offizier der deutschen Spionageabwehr zusammengetroffen sei. Tags darauf habe sie einen weiteren Mitarbeiter des deutschen Inneministeriums namens Rudolph Walter kennengelernt, dem gegenüber sie ihre Geschichte und die ihres Partner ebenfalls ausführlich dargelegt habe. Der Grund für die vollkommene Offenheit sei gewesen, dass sie Angst davor gehabt habe, dass die deutschen Sicherheitsorgane ihre Geschichte mithilfe anderer ungarischer Emigranten überprüfen könnten. Sie habe ähnliche Bitten an die deutschen Stellen gerichtet wie zuvor an die ungarischen: Die Übersiedlung ihres Geliebten und eine gesicherte Existenz. Sie sei am 25. November 1958 nach Salzburg zurückgekehrt und habe ihren Partner sofort zu sich bestellt, damit sich beide mit dem deutschen Offizier treffen könnten. Zu Beginn der Vernehmung habe sie gedolmetscht, später habe man jedoch einen amtlichen Dolmetscher hinzugezogen, um den ehemaligen Staatssicherheitsoffizier über Funktion, Aufbau und Mittel der ungarischen Staatssicherheitsorgane berichten zu lassen. Zum Anfertigen des Berichts habe man ihm sogar eine Schreibmaschine mit ungarischer Tastatur zur Verfügung gestellt. »Győri« habe über zwanzig Personen berichtet. Dazu meinte Walter: »Scheint vielversprechend, es ist lediglich nötig, dass er so schnell wie möglich Deutsch lernt.«64 Man habe sich darauf geeinigt, dass sich »Győri« unter einer Münchener Adresse anmelden könne und einen ausführlichen Vorschlag liefern solle, wen er unter seinen ehemaligen Kollegen als geeignet für eine Zusammenarbeit ansehe. In den zwei Monaten, die zwischen diesen Ereignissen und der Kontaktaufnahme mit den ungarischen Stellen vergangen waren, habe das Paar ausreichend Zeit gehabt, die Geschehnisse zu besprechen. Zu dieser Schlussfolgerung gelangte auch Sas. »Semsei«, die den ungarischen Stellen gegenüber nach wie vor loyal sei, habe um Anweisungen hinsichtlich ihres Verhaltens gebeten.65 Gemäß den Vorgaben der Zentrale plante Sas für den 1. Februar ein weiteres Sicherheitstreffen mit der Agentin. Dieses Treffen kam jedoch nicht zustande.66 Sas schloss seinen Bericht mit Bemerkungen ab, die er in drei Abschnitte gliederte, und analysierte und bewertete die Ereignisse. Er stellte fest, dass »Semsei« während des Gesprächs nicht ehrlich gewesen sei, sondern eine gut einstudierte Rolle gespielt habe. So habe sie beispielsweise, abweichend von ihrer sonstigen Art und Weise, bei diesem Gespäch nicht sofort finanzielle Forderungen gestellt. Seiner Einschätzung nach strebe die Agentin an, die Kontakte weiterhin aufrechtzuerhalten, wodurch sich ihr bescheidenes Auftreten erkläre. Er erwähnte auch weitere ungewöhnliche Umstände: So habe sich die Agentin nicht an Einzelheiten aus »Győris« Vernehmung erinnern können, außerdem isoliere sie ihren Partner von den ungarischen Stellen und wolle ausschließlich eine Vermittlungsfunktion ausüben. Am Ende des Berichts zieht Sas Bilanz: Den ungarischen Stellen bleibe kaum eine Wahl. Falls sie »Győri« entsprechende Materialien lieferten, würden sie in eine passive, einseitige Rolle gedrängt und könnten selbst nicht an Informationen gelangen. Falsche Informationen konnte man nicht liefern, da eine ganze Reihe von Mitarbeitern übergelaufen war und die Informationen durch sie verifiziert werden konnten. Daraus schlussfolgerte der Führungsoffizier: »Es ist in keinem Falle zweckmäßig, die Verbindung aufrechtzuerhalten, da wir dadurch fast nichts gewinnen, aber wesentlich mehr verlieren können.«67

In Freiheit

Nach dem Abbruch der Kontakte fertigte Major Gyula Rossz vor der Schließung des Arbeitsdossiers einen zusammenfassenden Bericht über die Agentin an:68 »Sie erklärte sich zur Zusammenarbeit bereit, weil sie eine operative Tätigkeit ausüben wollte. Während der Konterrevolution hielten wir mit ihr Verbindung, und auch während dieser Zeit erwies sie sich als ehrlich.«69 Laut den nach Ungarn geschickten Postkarten hielt sie sich am 22. Februar 1960 bereits in München auf, von wo aus sie sich am 5. und
19. März erneut meldete. Abgesehen von: »Es gibt viele Neuigkeiten.« und »Ich warte darauf, mich mit Pali treffen zu können.«, schickte sie keinerlei nützliche Informationen. Ihre letzte Meldung wurde am 17. April 1960 aufgegeben. Bei dieser Gelegenheit übersandte sie eine Postkarte von einem Ausflug und teilte ihre neue Anschrift und Telefonnummer mit.70 Die ungarischen Stellen reagierten nicht. Major Pál Stassák fertigte am 20. Juli 1963 die Entscheidung über den Abschluss der Dokumentation der Tätigkeit »Semseis« im Agentennetz aus und schlug vor, das Dossier zu archivieren.71 Vier Tage darauf wurde auf demselben Verfahrensweg eine Entscheidung über das Material zu József Németh getroffen. In seinem Falle wurde jedoch vorgeschlagen, das Arbeitsdossier zu vernichten.72

Was seitens des BND über die Spionageversuche der ungarischen Staatssicherheit registriert wurde, liegt noch im Dunkeln. Es ist unwahrscheinlich, dass der BND gar nichts über die Aktivitäten von »Semsei« und »Győri« wusste – schon allein, weil davon auszugehen ist, dass die beiden von Anfang an ein doppeltes Spiel mit den ungarischen Behörden gespielt haben.

Fazit

Gizella Sándor musste ihr Leben zwischen zwei Diktaturen und drei Geheimdiensten meistern. Dank ihrer skrupellosen Persönlichkeit gelang ihr dies mit Erfolg. Auch intellektuell war sie ihren Führungsoffizieren überlegen – in einer von Männern dominierten Welt der Politik und Geheimdienste, in der Frauen bestenfalls eine Nebenrolle spielten, in jedem Fall ein Vorteil.

Bei Gizella Sándor veränderte sich die Machtposition von einem untergeordneten Mitglied in einem Agentennetz hin zu einer praktischen Führungsfigur. Die unterdrückende Staatsmacht wurde sowohl vor als auch nach 1945 von dieser Frau um den Finger gewickelt. Dass diese Manipulationen fortdauernd möglich waren, ist ein Beweis für die Schwachstellen der Diktaturen, die in der alltäglichen Praxis bei Weitem nicht so totalitär auftreten konnten, wie ihre Handlungsmaxime es erfordert hätte.

Aus dem Ungarischen übersetzt von Wolfgang Rackebrandt

1∗ Dies ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung des ungarischen Originaltextes mit dem Titel »Aki a magyar Gestapo-vezér felesége (is) volt …«, erschienen in: Betekintő – Online journal of the Historical Archives of the Hungarian State Security 2014, H. 1, betekinto.hu/2014_1_boer, ges. am 11. August 2014.

1 In den Archivquellen ist auch das deutsche Paderborn als Geburtsort aufgeführt. Siehe Állambiztonsági Szolgálatok Történeti Levéltára/Historisches Archiv der Staatssicherheitsdienste (im Folgenden: ÁBTL) 2.2.1. I/40.7/971-972, Gizella Marianna Sándor (Hain Péterné).

2 Siehe Lebenslauf, 10. Oktober 1952, in: ÁBTL 3.1.9. V-43464, Hain Péterné, S. 33.

3 Péter Hain (1895–1946), 1924 bis 1938 Leiter der politischen Ermittlungsgruppe, 1938 bis 1940 Leiter der für die persönliche Sicherheit des Reichsverwesers zuständigen Ermittlungsgruppe. Erster Leiter des am 28. März 1944 aufgestellten landesweit tätigen Staatssicherheitsdienstes (Állambiztonsági Rendészet); im Juni 1944 wegen rechtswidriger Vorkommnisse im Rahmen der Tätigkeit des Amtes abgelöst. Hain verfügte über hervorragende Kontakte zu den deutschen Sicherheitsorganen sowie, dank seiner Bekanntschaft mit Innenminister Vajna, zu den Pfeilkreuzlern. Auf diese Weise erhielt er nach dem Putsch der Pfeilkreuzler vom 16. Oktober 1944 die Möglichkeit, den Staatssicherheitsdienst neu zu organisieren. Am 27. Juni 1946 wurde er als Kriegsverbrecher hingerichtet. Eine ausführliche Darstellung seiner Tätigkeit während des Krieges findet sich bei Szita Szabolcs: A Gestapo Magyarországon [Die Gestapo in Ungarn], Budapest 2002.

4 Franz-Josef Huber (1902–1975), SS-Brigadeführer, nach dem Anschluss Leiter der Staatspolizei auf dem Gebiet Österreichs, der Gestapo im Reichsgau Wien und der von Wien aus geführten Gestapo in den Reichsgauen Nieder- und Oberdonau. Er gehörte seit 1939 dem engeren Kreis um Himmler und Heydrich an und war als politischer Berater des Kommandeurs der Wehrkreise XVII und XVIII des Großdeutschen Reiches außerdem auch Grenzinspekteur dieser Wehrkreise und mithin verantwortlich für die Sicherung der Grenzen zur Slowakei, zu Ungarn, Jugoslawien, Italien und der Schweiz. Als Inspekteur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS pflegte er mit Hain ein ausgeprochen gutes Verhältnis und hatte dadurch großen Einfluss auf die Entwicklungen in Ungarn.

5 Gábor Vajna (1891–1946) war seit 1939 Parlamentsabgeordneter der Pfeilkreuzler und Leiter des landesweit tätigen sozialen Dienstes der Partei (Országos Szociális Pártszolgálat). Nach der Machtübernahme durch die Pfeilkreuzler am 16. Oktober 1944 wurde er Innenminister. Am 15. Mai 1945 geriet er in amerikanische Gefangenschaft, wurde an Ungarn ausgeliefert und am 12. März 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet.

6 Wohnsitz von Dr. Ernő Pető (1886–1959), Gründer und erster Direktor des Krankenhauses Szombathely. Er wurde im April 1944 aus dieser Position entlassen, konnte jedoch nach Kriegsende an seinen Arbeitsplatz und in sein Haus zurückkehren. 1952 wurde Pető erneut entlassen und nach Sárvár umgesiedelt. In seinem ehemaligen Wohnhaus ist gegenwärtig das Ausbildungszentrum des Markusovszky-Krankenhauses des Komitats Vas untergebracht. Ausführlichere Angaben zu Pető finden sich bei Széll Kálmán: Dr. Pető Ernő (1886–1959), a szombathelyi kórház elfelejtett megalapítója [Dr. Ernő Pető (1886–1959), der vergessene Gründer des Krankenhauses Szombathely], in: Orvosi Hetilap 141 (2000), H. 18, S. 971–976.

7 Siehe Lebenslauf, 10. Oktober 1952, in: ÁBTL 3.1.9. V-43464, Hain Péterné, S. 35/a.

8 Beschluss, 6. Dezember 1945, ebd., S. 141.

9 István Huba Cser (1908–1947) war in seiner Funktion als Inspekteur der Ermittler ein Vertrauter Hains. Bei Gründung des Staatssicherheitsdienstes gehörte er zu den Ersten, die von Hain protegiert wurden und erhielt von ihm den Posten des Leiters der für die politische Linke zuständigen Unterabteilung. Von Ende Oktober 1944 an war er Leiter der Abteilung Sabotageabwehr. 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Auslieferung wurde er 1946 vom ungarischen Volksgerichtshof wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und am 4. Juni 1947 hingerichtet.

10 Die näheren Umstände der Aktion gehen aus der Zeugenaussage nicht hervor.

11 Protokoll der Zeugenvernehmung von László Hajnácskőy, 20. November 1945, in: ÁBTL 3.1.9. V-43464, Hain Péterné, S. 15.

12 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Vajna bereits von seiner Ehefrau jüdischer Abstammung scheiden lassen, lebte jedoch nach wie vor gemeinsam mit ihr in einem Haushalt. Ausführlicher über Vajnas Ehefrau siehe www.huszadikszazad.hu/cikk/zsidoszarmazasu-a-kivegzett-nyilas-belugyminiszter-vajna-gabor-felesege, ges. am 8. Januar 2014.

13 Siehe Pál Zoltán: Internálások Magyarországon [Internierungen in Ungarn] (1945–1953), in: Kommentár 5 (2010), H. 2, S. 68.

14 Einzelheiten aus den Erinnerungen von Gizella Lucz finden sich bei Krisztián Ungváry: Szálasi Ferencné [Ferenc Szálasis Ehefrau], in: Múlt-Kor 3 (2012), H. 3, S. 68.

15 Siehe Umfeldstudie, 13. Oktober 1952, in: ÁBTL 3.1.9. V-43464, Hain Péterné, S. 32.

16 Am 27. Juni 1946 wurde ihr Ehemann hingerichtet. Siehe Zusammenfassender Bericht, 21. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 7.

17 Siehe Bericht, 10. Oktober 1951, ebd., S. 38.

18 Bericht, 13. Oktober 1952, ebd., S. 32.

19 Bericht, 10. Oktober 1951, ebd., S. 38 f.

20 Umfeldstudie, 13. Oktober 1952, ebd., S. 32.

21 Charakterisierung, ohne Datum, in: ÁBTL 3.1.9. V-43464, Hain Péterné, S. 44.

22 Siehe Urteil, 22. Dezember 1953, ebd., S. 68.

23 József Németh (1926–?) arbeitete ab 1945 für zwei Spielzeiten als Schauspielpraktikant am Pécser Theater. Im Oktober 1948 wechselte er als operativer Mitarbeiter zum ÁVH. Er wurde in Pécs, Szekszárd und Kaposvár eingesetzt, später als Untersuchungsoffizier in Budapest und Győr. Zum ersten Mal heiratete er 1946, dann nach seiner Scheidung erneut 1949. Siehe Zusammenfassender Bericht, 23. April 1957, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-586, »Győri«, S. 7.

24 Zusammenfassender Bericht, 23. April 1957, ebd., S. 15.

25 Bericht, 30. Oktober 1959, ebd., S. 7.

26 Siehe ÁBTL 3.2.3. Mt-474/1, »Semsei Andrea«, S. 17−123.

27 Pál Demény (1901–1991), während der Räterepublik Leiter der Arbeiterjugend im VII. Budapester Bezirk. Wurde 1919 verhaftet, kam jedoch nach zwei Monaten frei. 1938 wurde Demény wegen Verbreitung von Flugblättern mit Antikriegspropaganda angeklagt und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Am 7. Juli 1946 verurteilte ihn der Budapester Volksgerichtshof wegen strafbarer Handlungen gegen das Volk zu vier Jahren und sechs Monaten Zwangsarbeit. 1950 wurde er in Kistarcsa interniert. 1953 wurde er wegen verschwörerischer Handlungen erneut zu zehn Jahren Haft verurteilt, kam jedoch am 13. Oktober 1956 frei. Das letzte Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof Anfang 1957 aufgehoben, Deménys politische Rehabilitierung erfolgte jedoch erst 1989. 1990 wurde er zum Parlamentsabgeordneten gewählt. Siehe Bericht, 14. November 1956, in: ÁBTL 3.2.3 Mt-474/1, »Semsei Andrea«, S. 17.

28 Siehe Bericht, 28. November 1956, ebd., S. 14−16.

29 Siehe Bericht, 3. Dezember 1956, ebd., S. 20 f.

30 In ihrem Bericht erwähnt sie noch einen weiteren Mann, der im Ausland ebenfalls von Nutzen sein könnte: György Gábori, von dessen Übersiedlung die ungarischen Stellen jedoch absahen. Gábori war 1954 aus dem Agentennetz entfernt worden, was »Semsei« jedoch nicht wusste.

31 Siehe Zusammenfassender Bericht, 21. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Semsei Andrea«, S. 8.

32 Die Wohnung befand sich im Zentrum von Budapest, Apponyi tér 1, III. Etage, Wohnung 20.

33 Péter Korniss (geboren 1937) zog 1949 mit seiner Familie aus Kolozsvár (Klausenburg, Rumänien) nach Budapest. 1955 legte er sein Abitur ab und begann danach, an der juristischen Fakultät der Lóránd-Eötvös-Universität Budapest zu studieren. Während der Revolution war er Mitglied des dortigen Revolutionskomitees der Universität und wurde deshalb relegiert. Danach arbeitete er verschiedentlich als Hilfsarbeiter. Von 1958 an war er bei der Budapester Genossenschaft der Fotografen beschäftigt, zunächst als Hilfsarbeiter, dann, seit 1958, als Fotograf. Von 1961 an arbeitete er in der Redaktion der Frauenzeitschrift »Nők Lapja«, von 1986 bis 1991 als künstlerischer Leiter des Blattes. Danach setzte er seinen Berufsweg als Bildredakteur der Theaterfachzeitschrift »Színház« fort.

34 Bericht, 10. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.3. Mt-474/1, »Andrea Semsei«, S. 32 f.

35 Bericht, 18. Dezember 1956, ebd., S. 40 f.

36 György O’sváth (geb. 1931) wurde 1951 wegen verschwörerischer Aktivitäten und versuchten illegalen Grenzübertritts zu vier Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. 1954 wurde er freigelassen und beteiligte sich als einer der Führer des Christlichen Jugendbundes (Keresztény Ifjúsági Szövetség) und als Mitglied des Budapester Revolutionsrates aktiv an der Revolution von 1956. Vor den zu erwartenden Vergeltungsmaßnahmen floh er in den Westen. Er schloss sich der Ungarischen Christlich-Demokratischen Union (Magyar Kereszténydemokrata Unió) an und wurde deren Jugenddelegierter, später europäischer Hauptdelegierter. Von 1963 bis 1970 war er stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Christlich-Demokratischen Jungen Union und von 1975 bis 1982 Mitglied des außenpolitischen, schließlich des europapolitischen Ausschusses der Christlich-Demokratischen Union. 1990 arbeitete er auf Ersuchen von Ministerpräsident József Antall als dessen persönlicher Berater.

37 In Wirklichkeit war sie damals 41 Jahre alt.

38 Zusammenfassender Bericht, 21. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 8.

39 Zusammenfassender Bericht, 23. April 1957, ebd., S. 7.

40 Der Deckname verwies auf seinen ehemaligen Einsatzort.

41 Bericht, 21. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 28–31.

42 Vom 5. Januar bis zum 18. März 1957 war der Adressat der Briefe István Angyal. Vom 18. Oktober 1957 an gingen die Briefe jedoch an Frau Z. Réti.

43 Siehe Vereinbarung, 23. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 9 f.

44 Ilona Horváth war von 1947 bis 1952 Mitarbeiterin des ÁVH und später Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Budapest. Siehe Umfeldstudie, 22. Juli 1957, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-586, »Győri«, S. 19.

45 Siehe Vereinbarung, 23. Dezember 1956, ebd., S. 11 f.

46 Siehe Bericht, 29. Dezember 1956, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 11 f.

47 Siehe Arbeitsplan der Residentur Berlin, 11. Januar 1957, in: ÁBTL 3.2.6. 8-021/1, Residentur Berlin, operatives Organisationsdossier E., S. 9 f.

48 Siehe Arbeitsplan der Residentur für die zweite Jahreshälfte 1957, 25. Juni 1957, ebd., S. 67.

49 Siehe Bericht, 25. April 1957, ebd., S. 46−50.

50 Siehe ebd., S. 51 f.

51 Siehe Bericht, 26. April 1957, ebd., S. 56–61.

52 Siehe Bericht, 5. Juli 1957, ebd., S. 64 f.

53 Siehe Bericht, 7. August 1957, ebd., S. 66.

54 Siehe Foto in einem Umschlag, ohne Datum, ebd., S. 75/1.

55 Siehe Bericht, 7. August 1957, ebd., S. 76.

56 Anweisung, 30. August 1957, ebd., S. 77 f.

57 Bericht, 5. November 1957, ebd., S. 79–81.

58 Siehe ÁBTL 3.2.3. Mt-474/1. »Andrea Semsei«, Anweisung, 5. Dezember 1957, S. 82 f.

59 Postkarte, 4. Februar 1958, ebd., S. 75/2.

60 Postkarte, 30. Januar 1959, ebd., S. 84/10.

61 Siehe Anweisung, 30. Januar 1959, ebd., S. 116 f.

62 Siehe Bericht, 6. Februar 1959, ebd., S. 119.

63 Siehe ebd.

64 Ebd., S. 121.

65 »Semsei« hatte seit ihrer Ausreise ins Ausland keine schriftlichen Berichte geliefert, was ihr jedoch ohnehin untersagt war.

66 Siehe Bericht, 6. Februar 1959, in: ÁBTL 3.2.3. Mt-474/1, »Andrea Semsei«, S. 122.

67 Ebd., S. 123.

68 Siehe Bericht, 30. Oktober 1959, ebd., S. 99–104 bzw. Bericht, 30. Oktober 1959, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 71–76.

69 Bericht, 30. Oktober 1959, in: ÁBTL 3.2.3. Mt-474/1, »Andrea Semsei«, S. 100.

70 Siehe Postkarten zwischen 1957 und 1960, ebd., S. 75/2−3. und S. 84/1−13; sowie Postkarten zwischen 1957 und 1960, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-589, »Andrea Semsei«, S. 34/3–8.

71 Siehe Entscheidung, 20. Juli 1963, ebd., S. 85.

72 Siehe Entscheidung, 24. Juli 1963, in: ÁBTL 3.2.1. Bt-586, »Győri«, S. 23.

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