JHK 2015

Inhaltsverzeichnis

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Gizella Sándor. Eine Frau und drei Geheimdienste

Zoltán Boér

Zumeist sind männliche Agenten in Unterlagen von Staatssicherheitsdiensten überrepräsentiert. Verweise auf die Beteiligung von Frauen, weibliche Decknamen und Personalakten von Frauen haben dagegen Seltenheitswert. Zwar sind Fälle berühmter Agentinnen von mehreren Autoren untersucht worden, jedoch standen dafür niemals komplette Aktensammlungen der beschäftigenden Staatssicherheitsorgane zur Verfügung. Im Folgenden wird der Lebensweg einer Frau, Gizella Sándor, geschildert, die sowohl in der…

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Frauenschicksale am Eisernen Vorhang. Die tschechisch-österreichische Grenze zwischen 1948 und 1963

Dieter Bacher / Philipp Lesiak

Bei der wissenschaftlichen Betrachtung der Biografien von Menschen und Ereignisse beiderseits und entlang des 485 km langen Grenzabschnittes zwischen Österreich und der Tschechoslowakei in den ersten Jahren des Kalten Krieges wurde bisher kaum auf »weibliche« Aspekte eingegangen.1 Frauen und ihre Schicksale finden zwar immer wieder Eingang in die einschlägige Literatur zu Flüchtlingen, Schleppern, Agenten oder Opfern am Eisernen Vorhang,2 treten dabei aber nie wirklich aus dem Schatten der…

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»Es war mir nicht möglich, zu schweigen über das Erlebte.« Über die Bedeutung des Kravčenko-Prozesses 1949 in Paris für die politische Entwicklung Margarete Buber-Neumanns

Sebastian Voigt

Am 23. Februar 1949 betrat Margarete Buber-Neumann den Gerichtssaal der 17. Strafkammer in Paris. Sie war geladen, um in einem Zivilverfahren für den Kläger auszusagen. Als Zeugen der Gegenseite traten unter anderem auf: der Chemie-Nobelpreisträger und Hochkommissar für Atomtechnologie Frédéric Joliot-Curie, der ehemalige Résistance-Kämpfer und Schriftsteller Jean Bruller, der unter dem Pseudonym Vercors mit seinem 1942 verfassten Roman Le silence de la mer (Das Schweigen des Meeres)…

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Neues zum »Spiegel-Manifest« von 1977/78. Zwei Stasi-Dokumente werfen Fragen auf

Siegfried Suckut

Erweist sich der Versuch, einen Begriff klar zu definieren und operationabel zu machen, als aussichtslos, wird in den Sozialwissenschaften gern von dem Versuch gesprochen, einen Pudding an die Wand zu nageln.1 In der Geschichtswissenschaft geht es in der Regel um andere unüberwindbare Forschungsbarrieren, vorrangig um Informationsdefizite, die es trotz allen Bemühens nicht erlauben, Sachverhalte zu klären, sei es aus Quellenmangel, sei es, dass sich noch lebende Akteure widersprüchlich äußern,…

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung 2015 und Danksagung

Jörg Baberowski Prof., Dr. phil., geb. 1961 in Radolfzell, 1982 bis 1988 Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Göttingen, 1989 bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Osteuropäische Geschichte an der Universität Frankfurt/M., 1994 Promotion an der Historischen Fakultät der Universität Frankfurt/M., Titel der Dissertation: »Autokratie und Justiz. Zum Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Rückständigkeit im ausgehenden Zarenreich 1864–1914«; September 2000…

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Statt eines Vorworts: Nachruf auf Hermann Weber

Ulrich Mählert

Am 29. Dezember 2014 ist der Begründer des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Weber im Alter von 86 Jahren in Mannheim verstorben. Herausgeber, Beiräte und Redaktion trauern um einen Kollegen und Freund, der die Arbeit des Jahrbuchs bis zuletzt mit seinem Rat sowie als Autor begleitet hat. Es ist Hermann Weber zu verdanken, dass sich das Jahrbuch mit mittlerweile 22 Ausgaben zur wichtigsten deutschsprachigen Plattform der internationalen historischen…

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Frauen als »Verräterinnen«. Ukrainische Nationalistinnen im Konflikt mit den kommunistischen Sicherheitsorganen und dem eigenen Geheimdienst

Olena Petrenko

Sie blieben zu dritt im Wald zurück. Die Kundschaftergruppe der Ukrainischen Aufstandsarmee (Ukrajinska Powstanska Armija, UPA),1 der sie angehörten, hatte im Sommer 1947 die polnisch-tschechoslowakische Grenze überquert, ohne die drei Frauen mitzunehmen. »Myroslawa«, »Sonja« und »Paranja« wurden auf Befehl der Organisationsleiterin der Ostkarpatengegend,2 »Chrystja«,3 auf dem polnischen Territorium ohne Geld oder Dokumente zurückgelassen. Sie zogen lange durch den Wald, nahmen…

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Konservative Frauenbewegung. Das »Frauenstreikkomitee« des postsowjetischen Separatismus im moldauischen Dnjestr-Tal

Jan Zofka

»Wir, die Frauen der Moldauischen Sozialistischen Sowjetischen Dnjestr-Republik, sind auf die Gleise gegangen und haben die Eisenbahn mit dem Ziel blockiert, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aller Republiken und der Welt auf die Akte der Willkür und der Gesetzlosigkeit durch die Führung der Republik Moldova gegen das Volk und die Deputierten aller Ebenen der Dnjestr-Republik zu richten. Versteht, zum Protest hat uns der weibliche Instinkt geführt, der uns sagt, dass unsere Söhne, unsere…

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Der rote Thanatos: Nekrosymbolismus in der sowjetischen Kultur

Svetlana Malyševa

Seit Philippe Ariès haben Arbeiten zur historischen Thanatologie innerhalb der kulturhistorischen Forschung eigentlich einen festen Platz. Die Geschichte des Sterbens und des Todes im kommunistischen Russland wurde jedoch eher selten beleuchtet;1 wenn, dann nur hinsichtlich einzelner Aspekte.2 Dabei lassen sich aus der Geschichte des Sterbens sowie durch die Analyse des sich in Ritualen, Symbolen, offiziellen Narrativen, in der Alltagspraxis und den Verhaltensnormen manifestierenden…

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Gemeinsame Wurzeln und getrennte Wege. Zum historischen Selbstverständnis von SPD und Linkspartei

Klaus Schönhoven

Die Erkenntnis, dass man seine Vergangenheit nicht einfach abschütteln kann, dass sie immer ein Stück von einem bleiben wird, mit dem man leben muss, ist eine Binsenweisheit. Über die Nachwirkungen der Vergangenheit in unserem individuellen Bewusstsein und in unseren gesellschaftlichen Orientierungen, in unseren persönlichen Erinnerungen und Erfahrungsbildern gibt es mittlerweile eine breit gefächerte Forschungsliteratur. Die von Marcel Proust in seinem siebenbändigen Romanwerk Auf der Suche…

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Die Frauenpolitik der Kommunistischen Partei Chinas und das Problem der »Frauenbefreiung« (1920er bis 1940er Jahre)

Nicola Spakowski

Die Frauenpolitik der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zwischen Parteigründung (1921) und Staatsgründung (1949) wird in der feministischen Forschung bis heute mehrheitlich negativ beurteilt. In China selbst wird dabei vergleichsweise konkret – oft auch im Rückblick auf die eigene Erfahrung – die von der Partei vorgenommene Gleichsetzung von »Frauenbefreiung« und Teilhabe an der Produktion hinterfragt.1 Westliche Forscherinnen und Forscher gehen auf das grundsätzliche Spannungsfeld zwischen…

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Frauen in den kommunistischen Parteien PPR/PZPR – die Paradoxe der Frauenpolitik in Polen 1945–1960

Natalia Jarska

Im Jahr 1918 erhielten Frauen in Polen das Wahlrecht, das ihnen – so das allgemeine Empfinden – angesichts ihres erheblichen Anteils an den Unabhängigkeitsbewegungen, die zur Wiederherstellung der Staatlichkeit geführt hatten, zustand. In den zwei folgenden Jahrzehnten der Zwischenkriegszeit blieb das politische Engagement von Frauen hingegen bescheiden. Zwar erlebten die den politischen Lagern zugehörigen Frauenorganisationen eine Blüte, aber die Erfahrung einer direkten politischen Beteiligung…

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Die Schwestern Gehrmann. Zwei deutsche Kommunistinnen zwischen Engagement und Resignation

Tanja Stern

Die Schwestern Magdalena (1899–1969) und Charlotte (1901–1985) Gehrmann gehörten zum Fußvolk der Geschichte. Weder beruflich noch politisch hatten sie je bedeutende Positionen inne; doch ihre Biografien als Frauen und als Kommunistinnen der ersten Stunde spiegeln über das Individuelle hinaus fast lehrbuchhaft all das wider, was deutschen Kommunisten im 20. Jahrhundert widerfahren konnte.1 Die beiden Schwestern wachsen in einer Berliner Arbeiterfamilie auf. Die resolute Mutter Berta Gehrmann…

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Wilhelm Lamszus’ Reflexionen über die Ursachen kommunistischer Gewaltherrschaft

Andreas Pehnke

Wilhelm Lamszus engagierte sich über ein halbes Jahrhundert hinweg als Schriftsteller und Schulreformer für Frieden, Völkerverständigung sowie pädagogischen Fortschritt. Dennoch ist er weitgehend in Vergessenheit geraten. Verantwortlich für die begrenzte Rezeption seines Werkes ist vor allem der Ost-West-Konflikt. Das Aufkommen des Kalten Krieges seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als sich mit den vormalig Alliierten nun – geführt von den USA auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen…

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DDR-Geschichte als Kommunismusgeschichte begreifen: Plädoyer für eine Perspektiverweiterung

Anna Kaminsky

25 Jahre nach der Friedlichen Revolution hat sich im vereinten Deutschland eine hoch differenzierte »Aufarbeitungslandschaft« herausgebildet. Vielerorts informieren Museen und Gedenkstätten über Opposition und Repression im SED-Staat sowie über das DDR-Grenzregime. Nach einem Boom in den 1990er Jahren ist die Forschung zur DDR-Geschichte im Gegensatz dazu jedoch stark rückläufig. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Hochschullehre, die stets ein Spiegelbild aktueller Forschungsinteressen…

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Frauen im Widerstandsnetzwerk um Karl Hudomalj. Die »Anti-Hitler-Bewegung Österreichs« 1942–1944

Hans Schafranek

Der Widerstand gegen das NS-Regime nach der Annexion Österreichs im März 1938 wies eine Reihe von Besonderheiten auf, die seine Ausgangsbedingungen im Vergleich mit anderen besetzten europäischen Ländern unter der NS-Herrschaft erheblich erschwerten. Erstens war dem »Anschluss« Österreichs 1938 die fünfjährige Diktatur des »Austrofaschismus« vorangegangen, ein Regime, das nach der militärischen Niederschlagung des Republikanischen Schutzbundes (Wehrformation der Sozialdemokratischen…

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Anders unter Gleichen. Frauen, Männer und Weiblichkeit im italienischen Kommunismus der Nachkriegszeit

Claudia Christiane Gatzka

In der Filmsaga Don Camillo und Peppone, die in den 1950er und 1960er Jahren das italienische Kinopublikum begeisterte, wendet sich der verzweifelte Ehemann einer Kommunistin hilfesuchend an Don Camillo. Er droht damit, seine Frau umzubringen, wenn der Geistliche, der die beiden einst traute, keinen Rat weiß, um ihn aus seiner Unterdrückung zu befreien. Die »verdammte Politik« habe ihm die Frau verdorben, früher sei sie nicht so gewesen. »Sie war ein tüchtiges Mädchen, fleißig und sehr häuslich.…

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Edith Anderson, die Frauen und die Kommunistische Partei der USA

Birgit Schmidt

Zu einem literarischen Geheimtipp wurden die 2007 vom Basisdruck Verlag erstmals herausgegebenen Erinnerungen der amerikanischen Schriftstellerin und Journalistin Edith Anderson. In Liebe im Exil beschreibt sie ihr Leben in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), wohin sie ihrem Ehemann, dem deutschen Kommunisten Max Schroeder, 1947 gefolgt war, und in der DDR. Aber Anderson war nicht allein aus Liebe nach Ostdeutschland gegangen. Sie wollte arbeiten. Und auch sie war Kommunistin, Mitglied der…

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Sowjetbürger werden oder packen – Stalin und der Exodus der Russlanddeutschen im Spiegel der Akten des Auswärtigen Amts

Wilhelm Mensing

Mit den großen Zwangsumsiedlungen beginnen 1941 für die in der Sowjetunion ansässigen Deutschen die Repressionen – so stellt es nicht nur die Geschichtsschreibung dar, so hält es auch die deutsche Erinnerungskultur fest. Noch im Sommer des Jahres 2011 formulierte die damalige bayerische Sozialministerin, Christine Haderthauer, bei einer Veranstaltung zum Gedenken an »70 Jahre Deportation der Deutschen aus Russland«: »Für die Russlanddeutschen ist der 28. August 1941 ein tragischer Einschnitt in…

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Neue Untersuchungen über Linke Kommunisten in der KPD

Wladislaw Hedeler

Marcel Bois: Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Eine Gesamtdarstellung, Essen: Klartext Verlag 2014, 614 S., ISBN 978-3-8375-1282-3 Ralf Hoffrogge: Werner Scholem. Eine politische Biographie (1895–1940), Konstanz: UVK  Verlagsgesellschaft 2014, 496 S., ISBN 978-3-86764-505-8 Mario Keßler: Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kommunisten (1895–1961) (= Zeithistorische Studien, Bd. 51), Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2013, 759 S., ISBN…