JHK 2016

Als trotzkistischer Verschwörer an der sowjetischen Botschaft in Berlin: Der »Bucharinist« Sergej Bessonov und der dritte Moskauer Schauprozess

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 57-74 | Metropol Verlag

Autor/in: Matthias Bürgel

[*] Die drei großen Moskauer Schauprozesse bildeten von 1936 bis 1938 den öffentlich inszenierten Höhepunkt des Großen Terrors unter Stalins Regie. Im Zentrum des dritten und wichtigsten Schauprozesses gegen den »Block der Rechten und Trotzkisten« vom 2. bis 13. März 1938 standen neben dem abwesenden Trockij, der als größter »Volksfeind« galt, die früheren Politbüromitglieder Nikolaj Bucharin und Aleksej Rykov sowie Christian Rakowski, ein »enger Mitarbeiter« Trockijs aus der Zeit der Emigration.[1] Mit ihnen auf der Anklagebank saß auch Sergej Bessonov, der in den 1930er Jahren in Berlin als Rat an der sowjetischen Handelsvertretung (1930–1932) und der Bevollmächtigten Vertretung (1933–1937) tätig gewesen war.[2] Von der Planung bis zum eigentlichen, mehrfach veränderten Prozess-Szenario wurde ihm die besondere Rolle zugewiesen, die Verbindung zwischen den »Trotzkisten« (Rakowski) und den »Rechten« (Bucharin, Rykov) herzustellen.[3]

Die gegen Bessonov im Prozess erhobenen Vorwürfe reichten – wie bei allen Angeklagten – weit in seine Biografie zurück.[4] Um die vagen, größtenteils abstrusen Anklagepunkte zu stützen, sollte der Prozess die »verbrecherische Vergangenheit« der Angeklagten »aufdecken«; dazu wurden nachträglich noch Passagen in die Verhörprotokolle eingefügt, z. B. mit »entlarvenden Details« zur familiären Herkunft.[5] Bei Bessonov war besonders dessen frühere Mitgliedschaft in der Partei der Sozialisten-Revolutionäre (PSR) Thema. Ob sein Partei-Engagement der Grund dafür war, dass der damals 20-Jährige 1912 Russland Richtung Schweiz verlassen musste bzw. auf eigenen Wunsch verließ, ist unklar.[6] Auch sind die genauen Umstände seiner Rückkehr zwei Jahre später unbekannt (möglicherweise gab die Generalamnestie zum 300-jährigen Jubiläum der Romanov-Dynastie von 1913 den Anstoß).[7] Nach seiner Verbannung aus St. Petersburg/Petrograd[8] nach Vologda unterhielt Bessonov zwischen 1914 und 1915 Kontakte zu Sergej Maslov, einem anderen PSR-Mitglied.[9] In der Abendsitzung des Prozesses vom 5. März 1938 behauptete Bessonov, sich im Sommer 1935 mit Maslov in Prag getroffen zu haben;[10] in Wirklichkeit erstreckte sich ihre Bekanntschaft nur bis 1918.[11]

Bis heute ist über die Person Sergej Bessonov (1892–1941) wenig bekannt. Zu Unrecht wird er nicht selten als »Altbolschewik« bezeichnet.[12] Wer war er wirklich? Was führte zu seiner Verhaftung am 28. Februar 1937, nur einen Tag nachdem bereits Bucharin und Rykov festgenommen worden waren? Hat sich Bessonov tatsächlich als »Altbolschewik« (um Grigorij Zinovʼev und Lew Kamenew) gebärdet, sich mit Bucharin verbündet oder gar Kontakte zu Trockij gepflegt? Wenn ja, dann wäre der dritte Schauprozess in seiner Funktion als Instrument der gezielten Ausschaltung von ehemaligen Genossen Lenins bestätigt. Wenn nicht, wäre die Zielsetzung des Prozesses eher als eine Inszenierungskampagne mit großer symbolischer Bedeutung zu betrachten, in der die angeklagten Revolutionäre vor dem Hintergrund gefälschter Details in ihren Lebensläufen und weitgehend unabhängig von ihren (zuletzt) ausgeübten Tätigkeiten im Partei- und Staatsapparat als »ausländische Agenten«, »Konterrevolutionäre« und »nutzlose Schädlinge« »entlarvt« werden sollten.

Um der Person Bessonov näherzukommen, wurden unterschiedliche Quellen herangezogen: Archivmaterial, Tageszeitungen und Zeitschriften aus Ekaterinburg und Moskau; daneben auch Beiträge, die im Zuge des wiedererstarkten Interesses an der von 1927 bis 1929 geführten Debatte mit dem Ökonomen Isaak Rubin als Interpreten der Marxschen Werttheorie entstanden, in der Bessonov als einer der Hauptopponenten aufgetreten war, wie auch in den Auseinandersetzungen zur Tarif- und Transportpolitik (1928–1930); ferner Material von und über Bessonov aus seiner Zeit an der Berliner Handels- und Bevollmächtigten Vertretung; darüber hinaus wurden sowohl neuere Erkenntnisse über die Planung und Inszenierung des Prozesses sowie an den Prozessprotokollen vorgenommene Manipulationen[13] als auch eine jüngst neu erschienene kommentierte Publikation eines bis 2011 im Archiv des Präsidenten der Russländischen Föderation in Moskau aufbewahrten Stenogramms des dritten Moskauer Schauprozesses mit zusätzlichen Dokumenten hinzugezogen.[14]

 

Bessonov in den 1920er Jahren

Bessonovs Vernehmung vom 2. März 1938 zielte darauf ab, seine »ablehnende Haltung« als »Sozialrevolutionär« zur »Oktoberrevolution« und zur Kommunistischen Partei sowie seine »entschiedene Ablehnung« des Friedensvertrages von Brest-Litowsk von 1918 offenzulegen, um so die weiteren Ausführungen des Angeklagten als notwendige, letztlich aber nichtige Rechtfertigung für den späten Eintritt (erst 1920) in die RKP(b) (Russländische Kommunistische Partei der Bolschewiki) erscheinen zu lassen. Neben der vorhandenen Schul- bzw. Hochschulbildung und der Tatsache, dass Bessonov im Bürgerkrieg der Roten Armee angehörte, bot das rote Parteibuch beste Voraussetzungen, um nach der Demobilisierung Anfang 1921 im März in das neu gegründete Institut der Roten Professur (IKP) in Moskau aufgenommen zu werden. Dort studierte er an der Abteilung für Ökonomie.[15]

Im Sommer 1922 trat Bessonov im bolschewistischen Schauprozess gegen ein Dutzend führende PSR-Mitglieder als Zeuge auf.[16] Anscheinend zählte er damals zu den Unterstützern der Anklage.[17] Im Jahr darauf erschien eine größere (studentische) Abhandlung, in der er sich u. a. mit der Kritik an Rosa Luxemburgs Akkumulation des Kapitals (1913) durch den Ökonomen jüdischer Herkunft Šolom Dvolajckij, einen seiner Lehrer am IKP, auseinandersetzte.[18] Als einer der besten Absolventen reiste Bessonov im Januar 1924 für Studien nach Berlin und London. Nach seiner Rückkehr schickte ihn die für den IKP-Absolventeneinsatz zuständige Organisations- und Verteilungsabteilung des CK der RKP(b) im Dezember als Kandidaten für den vakanten Posten des Rektors an die noch junge Uraler Universität nach Sverdlovsk, wie die Stadt Ekaterinburg seit November 1924 offiziell hieß. Somit gelangte er, wie viele der ersten IKP-Absolventen, sofort in eine einflussreiche Leitungsposition.[19] In seinem Amt als Rektor sah er sich gezwungen, die veränderten Maßstäbe beim »sozialistischen Aufbau« zurechtzurücken. Ein ehemaliger, 1921 zum Studium an die Universität beorderter Kommandeur der Roten Armee erinnert sich: »1924–1925 [...] In dieser Zeit wurden Fragen der studentischen Kultur sehr kontrovers diskutiert. Damals galt es als besonders schick, eine gewisse Nachlässigkeit in der Kleidung zur Schau zu stellen, nach dem Motto: ›Wir, das sehen Sie doch, sind proletarische Studenten.‹ […] Ich erinnere mich an die mitreißende, zornige Rede des Rektors dagegen: ›Proletarischer Student heißt also: Hemdkragen aufgeknöpft, Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, die Füße stinken muffig? Unsinn! Ein Student muss ordentlich und adrett sein.‹«[20]

Mit seiner gepflegten Erscheinung verschaffte sich der »junge und energische Professor-Kommunist« Respekt. [21] Darüber hinaus galt er als herausragender Tribun. Neben seinem Amt als Rektor an der Uraler Universität lehrte Bessonov auch an der noch sehr jungen Ural-Sibirischen Kommunistischen Universität (ebenfalls in Sverdlovsk). In der regionalen Parteizeitschrift Uralʼskij kommunist (Uraler Kommunist) erschien Mitte Januar 1925 eine Abrechnung mit den (früheren) Überlegungen Trockijs.[22] Als Rektor der Uraler Universität äußerte er sich kurz darauf auch in der parteinahen Regionalzeitung Uralʼskij rabočij (Uraler Arbeiter) über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft; seine Feststellung, die russische Hochschule bilde immer noch viel mehr »Wissende« als »Könnende« aus, stieß auf allgemeine Zustimmung.[23] Im Mai 1925 wurde die groß angelegte, im Oktober 1920 ins Leben gerufene Gebietsuniversität mit ihren zwei noch verbliebenen technischen Fakultäten zu einem Polytechnischen Institut. Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums der Hochschule forderte Bessonov die Uraler Betriebe auf, das Institut weiter in seinem Aufbau zu unterstützen, ebenso aber auch »das wissenschaftliche Denken der Professoren und Dozenten sowie die wissenschaftliche Ausrüstung des Instituts auf die Erforschung der natürlichen Reichtümer des Urals auszurichten, auf die Ausarbeitung von Methoden zu deren Nutzung, auf die Lösung anstehender technischer Probleme, auf die laufende Erfüllung industrieller Bedürfnisse«.[24]

Als Ergebnis seines Auslandsaufenthalts im Rahmen des Studiums am IKP erschien im Frühjahr 1925 in Sverdlovsk eine neunzigseitige Broschüre.[25] Auf der Grundlage »interessanter persönlicher Beobachtungen«, so befand der verantwortliche Redakteur des Organs der proletarischen Studentenschaft am Uraler Polytechnischen Institut, habe der Autor dort »frische Eindrücke einer Reise nach England« verarbeitet, dieser einstigen »Zarin der Welt«, diesem ersten »kapitalistischen Land«, das sich auf dem absteigenden Ast befinde und seine Vormachtstellung schon an den amerikanischen »Yankee« abgegeben habe.[26] Die Broschüre sei in einer »ungewöhnlich leichten und bildhaften Sprache verfasst« und präsentiere eine »große Materialfülle über Englands Wirtschaft: seine Finanzen, seinen Staatshaushalt, die Lage der größten Industriezweige – Kohle, Metallurgie, Textilien – und seine Arbeitslosigkeit«. Besondere Aufmerksamkeit widme der Autor auch dem Handel. Alles in allem brächten die präsentierten Zahlen dem Leser nahe, dass Englands Stern untergegangen sei, dass sich das Land im Niedergang befinde, dass der englische Imperialismus von inneren und äußeren Widersprüchen zerrissen werde. Außerdem fänden sich auch Belege dafür, dass sich der Klassenkampf in England verstärke; nicht nur das Bewusstsein der englischen Arbeiter habe zugenommen, sondern auch die Autorität der Kommunistischen Partei gegenüber den menschewistischen Kompromisslern unter Führung von Ramsay MacDonald.

Als gewichtige(re) Arbeit legte Bessonov ein Jahr später einen ausführlichen, in Moskau veröffentlichten Kommentar zu einem Teilabschnitt aus dem Marxschen Kapital vor.[27] »Die vorliegende Arbeit«, so ist dem Vorwort zu entnehmen, »ist das Nebenprodukt einer Studienreise des Autors im Auftrag des Instituts der Roten Professur im Jahr 1924.«[28] Sie wurde von der wissenschaftlichen Fachwelt wohlwollend aufgenommen;[29] später galt sie als eines der Hauptwerke der Gruppe der sogenannten Mechanisten. Um einen Einblick in die von Lenin geprägte Gedankenwelt Bessonovs zu bekommen, ist es wichtig, die dort am Ende geäußerte fundamentale Kritik  am (west-)europäischen Kapitalismus darzulegen: »Zum Schluss sollten wir beim heutigen Stadium des Kapitalismus verweilen, in dem die von ihm geschaffenen gigantischen Produktivkräfte sich im wörtlichen Sinne des Wortes gegen sich selbst richten. Die Widersprüche von Konkurrenz und Markt haben den Kapitalismus in ein System monopolistischer Unternehmerverbände verwandelt. Der Konkurrenzkampf zwischen ihnen wird von einer unvermeidlichen Einmischung der Staatsmacht, dieses Exekutivkomitees aus Imperialisten, begleitet und äußert sich auf neuer, erweiterter Grundlage in der Kolonialpolitik, in der Zollpolitik und schließlich in Kriegen.«[30]

Getrieben vom immerwährenden Konkurrenzkampf, sah der Autor das kapitalistische System unvermeidlich auf einen Weltbürgerkrieg zusteuern: »Krieg ist der einzige Weg zur Lösung der imperialistischen Widersprüche. Aber der Krieg ist nichts anderes als die Verwendung aller vorhandenen Produktivkräfte zur Vernichtung dieser Kräfte. Ein zukünftiger, heranreifender chemischer Luftkrieg wird wahrscheinlich die Verwüstung der reichsten Industriegebiete der Welt nach sich ziehen. Die höchsten Errungenschaften kapitalistischer Technik wenden sich gegen diese Technik, und die Abnahme, der Verfall der Produktivkräfte stellt eine unvermeidliche Folge ihrer kolossalen Entwicklung unter kapitalistischen Bedingungen dar.«

Im Endergebnis, so resümiert er düster, um gleichzeitig die Zukunft zu prognostizieren, »geraten die Produktivkräfte im Kapitalismus in eine Situation, die ihre weitere Entwicklung unmöglich macht. Ein Wechsel der gesellschaftlichen Bedingungen, die Schaffung einer sozialistischen und der auf sie folgenden kommunistischen Gesellschaft stellt den einzigen Ausweg für die Menschheit dar.«[31]

Der jungen Sowjetunion prophezeite Bessonov eine große Zukunft.[32] Zum 100-jährigen Eisenbahnjubiläum erschien im Oktober 1925 in der Moskauer Wirtschaftszeitschrift Planovoe chozjajstvo (Die Planwirtschaft) ein erster Aufsatz von ihm.[33] Bis Ende 1929, dem Höhepunkt seines Einflusses, vollzog sich Bessonovs Aufstieg als Eisenbahn-Experte mit zahlreichen Aufsätzen in diversen Zeitschriften, in denen er eine rationale Regionalisierung des Transportsystems und eine damit einhergehende Annäherung von Stadt und Land forderte.[34] Die Vereinigten Staaten von Amerika waren dabei das Maß aller Dinge: »Die Vereinigten Staaten erlangten im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts die Führung in der Weltproduktion dank der Ausnützung all jener industriellen und technischen Erfahrungen, die Europa im 19. Jahrhundert aufgespeichert hatte. Die Sowjetunion endlich, die im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts in eine Epoche der sozialistischen Industrialisierung des Landes eintritt, beginnt dabei mit der Verwertung der modernsten amerikanischen Erfahrungen.«[35]

Der Glaube an das (zukünftige) industrielle Potenzial des eigenen Landes gründete laut Bessonov auf der »räumlichen Verschiebung des Schwerpunktes des technischen und wirtschaftlichen Fortschrittes von einem Lande nach einem anderen«; dieser Theorie zufolge gelte: »Je jünger ein Land in industrieller Hinsicht, desto größere Aussichten hat es – günstige natürliche Bedingungen und Zustrom erforderlichen Kapitals vorausgesetzt –, nach Ablauf einer gewissen Frist, neue Weltrekorde in Produktion und Technik aufzustellen, da ja seine Entwicklung jene höchste Stufe der Technik, die bereits von den älteren Industrieländern erreicht worden war, zu ihrem Ausgangspunkte zu machen vermag.«

Aller von ihm im Laufe der Analysen selbst aufgezeigten Flexibilität des Kapitalismus zum Trotz, nährte er – in Anlehnung an Lenin – weiterhin den Zweifel am Fortbestand des kapitalistischen Systems, betonte die ihm innewohnenden, sich selbst zersetzenden Kräfte. Zu den beobachtbaren Widersprüchen (monopolistische Tendenzen, Massenentlassungen usw.) rechnete er auch die Fordschen Produktionsmethoden in den USA.[36]

Wie viele »Ikapisten« (nach der Abkürzung IKP) fühlte sich Bessonov als ergebener Parteiarbeiter und Vorkämpfer an der »ideologischen Front«.[37] Er stürzte sich mit der für sie typischen wissenschaftlichen Attitüde in die ihm zugeteilte Aufgabe. »Entgegen der eingebürgerten Tradition ohne den Schatten eines Widerstands« sei er in den Ural gefahren.[38] Aber nach zwei Jahren als Rektor bat er den Direktor des IKP, Michail Pokrovskij, inständig, ihn als Lehrer an das IKP nach Moskau zu holen, da er in seiner Verwaltungsfunktion anfange, »als Wissenschaftler nicht mehr auf dem Laufenden zu sein«.[39] Er habe nur noch administrative Aufgaben zu erfüllen; das Parteikomitee wolle ihn in einer lediglich wirtschaftsleitenden Funktion in der Region einsetzen. Offensichtlich hatte Bessonov schon zuvor, zu Beginn des Frühjahrs 1926, versucht, in Moskau seine Abberufung durchzusetzen: »Da wir der technischen Hochschule im Ural größte Bedeutung beimessen«, hatte der damalige Vorsitzende des Uraler Gebietskomitees der VKP(b) Daniil Sulimov darauf in einem Brief an das Volkskommissariat für Aufklärung erwidert, »können wir dem Weggang von Bessonov bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich das Uraler Polytechnische Institut völlig etabliert hat, nicht zustimmen.«[40] Bessonov musste noch bis Mai 1927 in Sverdlovsk ausharren, bevor er wieder an die Abteilung für Ökonomie des IKP in verantwortlicher Position zurückkehren durfte und sich wissenschaftlichen Aufgaben und Auseinandersetzungen widmen konnte. [41] Im Mittelpunkt der damaligen Diskussion stand Rubins Hauptwerk Očerki po teorii stoimosti Marksa (Studien zur Marxschen Werttheorie).[42]

Schon im Juni 1927 hatte am Moskauer Institut für Ökonomie eine erste Debatte mit dem Marx-Forscher Isaak Rubin, einem Absolventen der ökonomischen Abteilung jüdischer Herkunft an der juristischen Fakultät der Universität von St. Petersburg, stattgefunden.[43] Im Februar 1928 wurde das IKP zum Schauplatz einer erneuten Diskussion.[44] Bessonov behauptete dort in seinem Korreferat, die »Mimikry des antimarxistischen Wesens« in den Ansichten Rubins entlarvt zu haben.[45] Nach den Vorträgen der beiden Kontrahenten folgten die Kommentare einzelner Teilnehmer.[46] In seinem Schlusswort diagnostizierte Bessonov bei Aleksandr Bogdanov, der seit Beginn der 1920er Jahre als Verfasser von Werken zur politischen Ökonomie und zur Organisationstheorie aufgetreten war, »mechanistischen Materialismus«, weil dieser sich gar nicht die Mühe mache, die Produktivkräfte von den Produktionsverhältnissen zu trennen, beide also als Einheit sehe; die Ansichten Rubins bezeichnete er als »Idealismus«, noch dazu als »metaphysischen«, weil dieser die Produktivkräfte abgetrennt von den Produktionsverhältnissen betrachte und beide nur in ihren Unterschieden sehe.[47] Er warnte vor der Gefahr, welche die Lehre Bogdanovs nach wie vor in sich berge; vor allem aber lehnte er die von Rubin vertretenen Ansichten kategorisch ab, in ihnen sah er die aktuelle Hauptgefahr, die »zerschlagen werden [muss und wird]«.[48]

Anfang 1929 erschien Bessonovs Duplik auf Rubins »Replik auf meine Kritiker« in der 3. Auflage (1928) seiner Očerki po teorii stoimosti Marksa (Studien zur Marxschen Werttheorie) in den beiden ersten Heften der Zeitschrift Problemy ėkonomiki (Probleme der Wirtschaft), dem neu gegründeten Organ der wirtschaftlichen Sektion der Kommunistischen Akademie.[49] Bessonov gehörte dem Redaktionskollegium dieses Organs noch bis 1930 an. Seine dortigen Äußerungen zeigen, wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung zum ideologischen Schlagabtausch mutierte.[50] Als Hauptvertreter der im Herbst 1929 schwer gerügten Gruppe der »Mechanisten« war er nun ebenfalls gezwungen, öffentlich Selbstkritik zu üben.[51] Die Hetzjagd auf Rubin gipfelte im Begriff der »Rubinščina«, der polemisch überspitzt für seine angeblich idealistische Entstellung des Marxismus stand.[52]

Ebenso war Bessonov an der Demontage Nikolaj Bucharins beteiligt,[53] insbesondere Mitte 1929, vor dem Börsensturz und seinen bekannten Folgen für die Weltwirtschaft, als er dessen Einschätzungen über die positive Entwicklung des zeitgenössischen Kapitalismus kritisierte. So nahm er neben Bucharin an einer Diskussion teil, die auf Initiative des Instituts für Weltwirtschaft und Weltpolitik im Oktober 1929 vor einem tausend Teilnehmer zählenden Publikum in der Kommunistischen Akademie stattfand.[54]

 

Als Rat an der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin

In den vorliegenden Quellen finden sich keine Hinweise darauf, auf wessen Initiative bzw. Fürsprache Bessonov, der noch im Juli 1930 als Mitglied des Präsidiums der Kommunistischen Akademie bestätigt wurde, im Frühjahr 1930 nach Berlin geschickt worden war. Die Handelsvertretung der UdSSR war allein schon zahlenmäßig die bedeutendste sowjetische Einrichtung in Berlin.[55] Sie besaß eine eigene Zeitschrift, in der sowjetische Autoren und deutsche Mitarbeiter regelmäßig über die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen und über Investitionsmöglichkeiten in der Sowjetunion informierten.[56] Anfang der 1930er Jahre, als Berichte über Zahlungsschwierigkeiten die umfangreichen Handelsbeziehungen mit Deutschland zu gefährden drohten, wurde von sowjetischer Seite versucht, diese Informationen zu widerlegen.[57] Im April 1931 sprach Bessonov im Zusammenhang mit einer Reise von deutschen Industriellen in die Sowjetunion[58] auf Einladung der Gesellschaft der Freunde des neuen Russland vor dem Berliner Reichswirtschaftsrat.[59] Die Weltwirtschaftskrise machte den sowjetischen Fünfjahresplan vor dem Hintergrund der vermeintlichen Erfolge der Planwirtschaft zu einem unverhofften Exportschlager.[60] Die Einführung von Planelementen wurde als Ausweg aus der Krise gesehen, wofür sich mittlerweile auch US-amerikanische Forschungsinstitute interessierten.[61] »Symptomatisch« für dieses Interesse war der internationale »World Social Economic Planning«-Kongress, der vom 23. bis 29. August 1931 in Amsterdam tagte.[62]

Ein »weiteres Symptom« für das Interesse an der Planwirtschaft in der Sowjetunion war in Deutschland die Gründung einer erstmals im Sommer 1931 ins Gespräch gebrachten Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft (Arplan) im Oktober 1931.[63] Anfang 1932 fand in Berlin eine zweitägige Arplan-Tagung statt, an der sich über 50 Personen beteiligten.[64] Bessonov belebte diese erste konstituierende Tagung mit drei Vorträgen. In Berlin traf man sich von nun an regelmäßig; auf der ersten dieser nachfolgenden Sitzungen referierte Bessonov über das sowjetische Plansystem.[65] Anscheinend versuchte er, ähnlich wie die Vertreter der sowjetischen Delegation in Amsterdam, den Teilnehmern den prinzipiellen Unterschied zwischen einer partiell kapitalistischen und der genuin volkswirtschaftlichen Planung in der Sowjetunion zu vermitteln, die auf der Nationalisierung der Produktionsmittel und dem Prinzip der »Diktatur des Proletariats« beruhe.[66] Für den Spätsommer wurde für die Arplan-Mitglieder eine Reise in die Sowjetunion organisiert, an der letztlich 24 von ihnen teilnahmen.[67] Bessonov, der an der Planung der Reise beteiligt war, gilt als »geistiger Vater«[68] dieser besonderen »deutsch-sowjetischen Allianz«.[69] Sein gesamtes propagandistisches Wirken in Deutschland in dieser Zeit war auf eine weitere »Befestigung und Verstärkung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der UdSSR« ausgerichtet.[70]

 

Als Rat an der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Berlin

Nach einem kurzen Intermezzo als Stellvertretender Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in London kehrte Bessonov im Mai 1933 nach Berlin zurück, dieses Mal als Rat des Bevollmächtigten Vertreters. Bei seiner Ernennung spielte der positive Eindruck, den er in der Berliner Handelsvertretung hinterlassen hatte, eine entscheidende Rolle. Ebenso wichtig war die Tatsache, dass er über exzellente Sprachkenntnisse und eine ausgewiesene Deutschland-Expertise verfügte.[71] Wie die Bemerkung gegen eine »einrassige Führungsspitze der Bevollmächtigten Vertretung« zeigt, sah man in ihm aber vor allem auch ein aktuell notwendiges Gegengewicht zum Bevollmächtigten Vertreter und Juden Lev Chinčuk.[72] Zu den personellen Umbesetzungen, die im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten (NKID) 1933/34 vorgenommen wurden, gehörte im Juni 1934 auch Chinčuks Ablösung.[73] Das Amt des Ersten Stellvertreters des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten war im Mai 1934 an Nikolaj Krestinskij übergegangen, der bis September 1930 Bevollmächtigter Vertreter in Berlin war und anschließend – bis März 1937 – dem als Volkskommissar im NKID agierenden Litvinov als Nachfolger von Georgij Čičerin diente. Noch bis 1939 wurde am grundlegenden Kaderaustausch im NKID festgehalten.[74]

Auf die Arbeit von Bessonov an der Seite von David Kandelaki, dem von Stalin mit Sonderbefugnissen ausgestatteten Leiter der sowjetischen Handelsvertretung (1934–1937), kann an dieser Stelle nicht ausführlicher eingegangen werden. Fakt ist aber, dass seit Ende der 1960er Jahre die wiederholte Wiedergabe einer von Bessonovs Aussagen dazu führte, ihn zum Vordenker eines deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts zu stilisieren.[75] Später wurde auch im deutschsprachigen Raum auf Bessonovs speziellen diplomatischen Vorstoß hingewiesen: Er habe in einem Gespräch im Dezember 1935 »einen zweiseitigen Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Sowjetrußland« (als Ergänzung zum Berliner Vertrag) vorgeschlagen, zur Abmilderung dieser Position aber darauf hingewiesen, es handele sich dabei um seine private Meinung.[76] Spätere, zu Beginn der 1990er Jahre erschienene Aufsätze, insbesondere die von Lev Bezymenskij und Nikolaj Abramov, nahmen sich gezielt der »Sondermission Kandelaki« (1935–1937) und Bessonovs Rolle darin an.[77]

In der Zeit ab 1936 waren – aus innenpolitischen Gründen – von verantwortlichen Mitarbeitern des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten (NKVD) und anderer staatlicher Einrichtungen Überprüfungen unter den Mitarbeitern im NKID durchgeführt und Listen mit »vorbelasteten« Personen erstellt worden. Die Forschung hat schon früh auf die Unhaltbarkeit der These hingewiesen, wonach Stalin mit den Säuberungsmaßnahmen in erster Linie bezweckt habe, die Gegner einer sich anbahnenden Partnerschaft mit Hitler zu beseitigen.[78] Heute zugängliche Dokumente, die in die Planungsphase des Großen Terrors fallen, belegen diese Auffassung: »Nicht die Präferenz für eine bestimmte außenpolitische Linie, sondern die Zugehörigkeit zu einer von mehreren eher personalpolitisch definierten Risikogruppen setzte demnach den Sanktionsmechanismus des NKVD in Gang.«[79] Der fehlende Rückhalt bzw. die ausbleibende Unterstützung für Bessonov als Botschaftsrat in Berlin drückte sich jetzt darin aus, dass auch er gleich nach seiner Abberufung in die Sowjetunion verhaftet und zu einem Opfer staatlicher Repression wurde.[80]

 

Bessonovs Rolle im Prozess

Als Botschaftsrat in Berlin wirkte Bessonov bis Januar 1937, als ihn ein Telegramm zur unverzüglichen Rückkehr in die Sowjetunion aufforderte. Dass er dieser Abberufung Folge leistete, führte er später auch im Prozess am 11. März 1938 in seinem »letzten Wort« zu seinen Gunsten an.[81] Er hatte, wie ein Zellengenosse später berichtete, keinerlei Verdacht geschöpft.[82] Am 2. März 1938 wurde Bessonov, nachdem Krestinskij zum Prozessauftakt plötzlich und für alle überraschend sein erzwungenes Geständnis widerrufen hatte, als Erster vernommen. Vom Staatlichen Ankläger, dem Generalstaatsanwalt der UdSSR Andrej Vyšinskij, wurde Bessonov aufgefordert, »in einigen Worten« (einführende) Angaben zu seiner Person zu machen:[83]

Bessonov:       Ich wurde 1892 in der Stadt Kiržač, im Gouvernement Vladimir, geboren. Ich besuchte die Priesterschule in Vladimir und das [dortige] Priesterseminar, dann wurde ich ins Ausland geschickt.

Vyšinskij:        Haben Sie das Priesterseminar beendet?

Bessonov:      Nein. Ich wurde zweimal ausgeschlossen.

Vyšinskij:        Wie erklärt es sich aber, dass Sie gerade das Priesterseminar besucht haben?

Bessonov:      Mein Vater war Küster, deshalb besuchte ich erst die Priesterschule und dann das Priesterseminar.[84]

Vyšinskij:        Von wem wurden Sie ins Ausland geschickt?

Bessonov:      Von dem Moskauer Mäzen Šachov, 1912.

Vyšinskij:        1912? Und danach?[85]

Bessonov:      Danach kehrte ich nach Russland zurück, um ein Diplom zu bekommen. [Dann] wurde [ich] ins Gouvernement Vologda verbannt, weil ich mich an der Organisation der Sozialrevolutionäre beteiligt hatte.

Vyšinskij:        Sie sind 1912 in die Partei der Sozialrevolutionäre eingetreten?

Bessonov:      Ja.

Vyšinskij:        Und blieben [dann] in dieser Partei bis ...?

Bessonov:      Bis 1918.

Vyšinskij:       Die Oktoberrevolution hat Sie also in den Reihen der Sozialrevolutionäre überrascht?

Bessonov:      Ja.

Vyšinskij:        Ihre Einstellung zur Oktoberrevolution?

Bessonov:      Die eines Sozialrevolutionärs.

Vyšinskij:        Das heißt?

Bessonov:      Zusammen mit den anderen Sozialrevolutionären habe ich die Oktoberrevolution abgelehnt. Im August 1918 habe ich [aber] mit den Sozialrevolutionären gebrochen und das im Oktober 1918 auch offiziell erklärt.

Vyšinskij:        Aber bis 1918?

Bessonov:      Bis 1918 habe ich die Auffassungen der Partei der Sozialrevolutionäre voll und ganz geteilt, mit Ausnahme der Kriegsperiode, als ich für Kapitulation plädierte.[86]

Vyšinskij:        In dieser Zeit war Ihre Einstellung zur Oktoberrevolution, zur Kommunistischen Partei wie? Bejahend oder ablehnend?

Bessonov:      Ablehnend.

Vyšinskij:        Worin bestand Ihre ablehnende Haltung?

Bessonov:      Im Auftrag des Stadt- und Gebietskomitees der Partei der Sozialrevolutionäre in Vologda trat ich auf Versammlungen als Referent auf, entwickelte und begründete die sozialrevolutionären Positionen zur Oktoberrevolution und zu den aktuellen Ereignissen. Meinen letzten öffentlichen Auftritt hatte ich anlässlich des Brester Friedens.

Vyšinskij:        Worin bestand dieser Auftritt?

Bessonov:      Ich lehnte den Abschluss des Brester Friedens mit aller Deutlichkeit und entschieden ab.

Vyšinskij:        Und 1919?

Bessonov:      1919 unterstützte ich voll und ganz die Position der Sowjetmacht und trat als Freiwilliger in die Rote Armee ein.

Vyšinskij:        Wann sind Sie in die Kommunistische Partei eingetreten?

Bessonov:       1920, im Mai.

 

Im weiteren Verlauf der Vernehmungen beschuldigte Bessonov Bucharin, Rykov und auch Krestinskij und führte aus, wie die Botschaft Unter den Linden angeblich als »Verbindungspunkt« der trotzkistischen Verschwörung genutzt worden sei.[87] Mit der Feststellung des Chefanklägers Vyšinskij, das ganze Land fordere, dass »die Spione und Verräter« erschossen werden müssten, und mit dem Heilsversprechen, das Volk werde, »geführt von unserem geliebten Führer und Lehrer – dem großen Stalin –, den vom Schmutz und Unrat der Vergangenheit gesäuberten Weg gehen, vorwärts und immer weiter vorwärts, dem Kommunismus entgegen«, erreichte das Prozessgeschehen am 11. März 1938 seinen Höhepunkt.[88] In der Folge wurden Bucharin und Rykov zu Führern des »Blocks der Rechten und Trotzkisten« erklärt und zusammen mit Rakowski, Krestinskij und 15 weiteren Angeklagten zur Höchststrafe, Tod durch Erschießen, verurteilt; drei Angeklagte erhielten Haftstrafen von 25, 20 bzw. 15 Jahren, Bessonov mit 15 Jahren die geringste in diesem Prozess verhängte Strafe.

Über Bessonovs anschließende Lagerhaft auf den Solovki-Inseln wird berichtet, er habe seine Leidensgenossen davor gewarnt, sich über den Sinn des Großen Terrors falschen Hoffnungen hinzugeben: »Urteilt selbst, wie viele große Politiker ausgemerzt, wie viele unserer besten Heerführer vernichtet wurden. Glaubt ihr etwa, sie haben sich irgendetwas zuschulden kommen lassen? Aber man hat sie doch physisch vernichtet!«[89] Er warf seinen Leidensgenossen Naivität vor, weil sie darauf hofften, ihre Urteile würden noch revidiert und die Wahrheit ans Licht kommen.

Wegen der strategischen Nähe zur Frontlinie zu Finnland wurde nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im Spätherbst 1939 mit der Ausschiffung der Häftlinge begonnen. Bessonov kam im November in das Zentralgefängnis von Orël, in dem er knapp zwei Jahre verbrachte. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion verhängte Stalin am 8. September 1941 über alle 161 politischen Gefangenen nachträglich die Todesstrafe, neben Bessonov auch über die damals im Prozess mitangeklagten, vom Tod durch Erschießen verschont gebliebenen, ebenfalls zu Haftstrafen (von 25 bzw. 20 Jahren) Verurteilten Dmitrij Pletnëv, einen der drei im »Bucharin-Prozess« angeklagten Kremlärzte, und Rakowski. 157 Häftlinge kamen am 11. September in einer von Mitarbeitern des NKVD durchgeführten Massenerschießung in einem nahe Orël gelegenen Waldgebiet ums Leben, die vier übrigen wurden in der Zeit zwischen dem 13. und 18. September an ihrem jeweiligen Aufenthaltsort ermordet.[90]

 

Fazit

Die hitzig geführte Debatte mit Rubin und seinen Anhängern, die sich an einer scheinbar harmlosen Differenzierung entzündete,[91] sich aber zunehmend verhärtete, zeigt mit Blick auf den Werdegang Sergej Bessonovs, wie sehr die »Ikapisten« als Katalysatoren des Stalinismus vor allem hinsichtlich Ideologie und Wissenschaft wirkten.[92] Auch in den intensiv geführten Auseinandersetzungen um die Richtung in der sowjetrussischen Eisenbahn-Politik machte Bessonov keinen Hehl aus seiner Verachtung für die alten Spezialisten.[93] Zweifellos hat er vor dem Hintergrund der 1927 aufflammenden Diskussion über die ökonomische Richtung der UdSSR in der »Übergangsperiode zum Sozialismus« zur Verschärfung des ideologischen Klimas beigetragen. Gleichzeitig lässt sich mit Blick auf seine Ausreise aus Sowjetrussland im Frühjahr 1930 schlussfolgern, dass der »Utopist« Bessonov nun selbst von den Realitäten infolge der extremen, Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre mit Gewalt durchgesetzten Industrialisierung und Kollektivierung und den für ihre Durchsetzung notwendigen Argumentationsmustern überrannt wurde.

Die weiteren (Karriere-)Schritte Bessonovs verdeutlichen die Problematik für die Forschung, sich einerseits bei der Würdigung seiner Tätigkeit in Berlin nicht von seiner angeblichen Rolle als Vordenker »eines sowjetisch-deutschen Nichtangriffspakts« irreführen zu lassen,[94] ohne andererseits seinen Einfluss und die Bedeutung seiner (groß-)industriellen Kontakte sowie seine Leistungen bei den Handelsvereinbarungen der UdSSR mit Deutschland in der Endphase der Weimarer Republik und der schwierigen Zeit im Dritten Reich zu schmälern. Schließlich ereilte Bessonov ein Schicksal, das er mit vielen Botschaftern und Botschaftsangehörigen teilte. Warum aber fand sich ein ideologisch so hervorragend geschulter Gefolgsmann Lenins, der auch Polemiken mit Trockij und Bucharin nicht scheute, ein solch kompromissloser Verteidiger der Agrar- und Industrialisierungspolitik Stalins schließlich auf der Anklagebank wieder? Haben ihn seine ideologische Schulung, sein rhetorisches Talent und seine Tätigkeiten ab 1930 in Deutschland zu einer Gefahr für spätere Kurskorrekturen gemacht? Warum hat man ihn dann nicht schon 1938 entsprechend abgeurteilt? Wohl deshalb, weil seine Dienste auf der Anklagebank gebraucht wurden und das abschließende milde Urteil in seiner breiten Wirkung gewollt war.[95]

Die angeführten Belege verdeutlichen, dass die Ankläger es im Rahmen des Prozesses und der darin angewandten Vernehmungsmethoden besonders auf Bessonovs Vergangenheit als Mitglied bzw. Anhänger der Partei der Sozialisten-Revolutionäre abgesehen hatten.[96] In dem inszenierten Verfahren des Schauprozesses, das einem festgelegten Drehbuch folgte, in dem genau vorgeschrieben war, wie die Angeklagten ihre »verbrecherische Tätigkeit« zu periodisieren hatten,[97] vermischen sich die angebliche politische Opposition (in der Vergangenheit) und die tatsächliche Biografie Bessonovs vor dem Hintergrund seines bisherigen Lebens. Anders aber als beispielsweise bei Rakowski, der ab Juli 1927 als einer der »Führer« der sogenannten Linken Opposition aktiv gegen Stalins Regime aufgetreten und im November aus dem CK der VKP(b) sowie im Dezember aus der Partei entfernt und Anfang 1928 nach Astrachan, später nach Barnaul verbannt worden war,[98] war Bessonovs »Ikapisten«-Karriere bis 1937 zwar nicht frei von Anfeindungen, aber doch ohne Parteiverfahren geblieben.[99] Rakowski durfte nach seiner »Lossagung von Trockij« im Februar 1934 bereits im Frühjahr desselben Jahres wieder nach Moskau zurückkehren und wurde dort Leiter der Lehreinrichtungen des Volkskommissariats für Gesundheitswesen. Im August 1936 durfte bzw. musste er sich öffentlich für seine »lange Freundschaft« mit Trockij entschuldigen und forderte im Zusammenhang mit dem ersten Moskauer Schauprozess gegen das »trotzkistisch-sinowjewistische terroristische Zentrum« die Erschießung aller »Trotzkisten-Agenten der deutschen Gestapo«.[100] Damit hatte er sich im Vorfeld des Prozesses – mehr oder weniger demonstrativ – als ein geeigneter Angeklagter erwiesen.[101]

Der Vorwurf, Bessonov habe angeblich »einige Jahre hindurch« von Berlin aus »eine heimliche Aktivität« für die »Linke Opposition« betrieben, hält sich bis heute, lässt sich aber aufgrund des untersuchten Quellenmaterials nicht belegen.[102] Die Behauptung, Bessonovs Unterstützung der »Linken Opposition« sei der Grund für die Verhaftung im Februar 1937 gewesen, ist insofern als eine erneute, posthume Diffamierung zu werten, die wohl nur dadurch erklärt werden kann, dass Bessonovs Tätigkeit als Berliner Botschaftsrat, zu der auch Reisen ins benachbarte Ausland gehörten, zumindest theoretisch genügend Angriffsfläche bot, ihm eine tragende Rolle in einem angeblichen »Block der Rechten und Trotzkisten« anzudichten. Alle gegen Bessonov vorgebrachten Vorwürfe sind später als haltlos zurückgenommen worden.[103] Am 7. Februar 1966 hob das Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR das Urteil gegen ihn auf und am 5. August stellte die Parteikontrollkommission des CK der KPdSU seine Parteimitgliedschaft wieder her. Damit war Bessonov formell und auch politisch rehabilitiert.

 


[*]            Ich danke Lutz-Dieter Behrendt, Devi Dumbadze, Wladislaw Hedeler, Valerija Mazur und Sergej Sluč für ihre Unterstützung im Vorfeld.

[1]           Zu Rakowski siehe Pierre Broué: Zur Geschichte der Linken Opposition (1923–1928), in: Leo Trotzki: Schriften, Bd. 3.1, Hamburg 1997, S. 9–22, hier S. 9, zu Bessonov S. 17.

[2]           Für eine Liste aller 21 Angeklagten dieses Prozesses siehe Wladislaw Hedeler: Chronik der Moskauer Schauprozesse 1936, 1937 und 1938. Planung, Inszenierung und Wirkung, Berlin 2003, S. 461; für ihre Kurzbiografien siehe Izvestija CK KPSS [Nachrichten des CK der UdSSR] 1989, Nr. 5, S. 69–92, dort S. 86–92; auf Deutsch in: Schauprozesse unter Stalin 1932–1952. Zustandekommen, Hintergründe, Opfer. Mit einem Vorwort von Horst Schützler, Berlin 1990, S. 354–373; dazu auch Hedeler: Chronik, S. XXVII.

[3]            Siehe Roy Medwedew: Das Urteil der Geschichte. Stalin und Stalinismus, Berlin 1992, Bd. 1, S. 53; auch Wladislaw Hedeler: Ezhovʼs Scenario for the Great Terror and the Falsified Record of the Third Moscow Trial, in: Stalinʼs Terror. High Politics and Mass Repression in the Soviet Union, hrsg. von Barry McLoughlin u. a., Basingstoke u. a. 2003, S. 34–55, hier S. 48.

[4]             Siehe  ebd., S. 44 u. 46.

[5]        Siehe Wladislaw Hedeler: Nikolai Bucharin. Stalins tragischer Opponent. Eine politische Biographie, Berlin 2014, S. 504.

[6]           Siehe Rossijskij gosudarstvennyj archiv socialʼno-političeskoj istorii/Russisches Staatsarchiv für sozial-politische Geschichte (im Folgenden: RGASPI), f. 17, op. 100, d. 8082-115286, l. 6: ein am 14. Mai 1933 von Bessonov verfasster Lebenslauf, aus dem zu entnehmen ist, dass er in der Zeit von 1912 bis 1914 an der Universität Bern studierte. Angaben zum genauen Studieninhalt gibt es dort nicht. Die Recherchen des Verfassers im Archiv der Universität Bern ergaben allerdings keinen Hinweis auf Bessonov.

[7]           Dem oben genannten Lebenslauf zufolge setzte Bessonov 1914 sein Studium an der Universität von St. Petersburg bzw. Petrograd fort, an welcher Fakultät ist unklar.

[8]           Wegen eines Auftritts bei einer studentischen Versammlung, der als Beispiel für die »revolutionäre Vergangenheit« des Angeklagten nicht im Prozess erwähnt wurde.

[9]           Siehe T. M. Dimoni/I. A. Vinogradov: Političeskaja dejatelʼnostʼ S.S. Maslova [Die politische Tätigkeit von S.S. Maslov], in: Vologda. Kraevedčeskij alʼmanach [Heimatkundlicher Almanach] 4 (2003), S. 81–94.

[10]          Siehe Prozessbericht über die Strafsache des antisowjetischen »Blocks der Rechten und Trotzkisten«, verhandelt vor dem Militärkollegium des Obersten Gerichtshofes der UdSSR vom 2.–13. März 1938, Мoskau 1938, S. 398 f.

[11]          Siehe den Beitrag »V Rossiju – za pravdoj: Sergej Maslov i ego vremja« [Nach Russland – für die Wahrheit: Sergej Maslov und seine Zeit] in Radio Svoboda vom 8. Januar 2007, verfasst vom Historiker und ehemaligen Radio Svoboda-Korrespondenten Michail Sokolov, unter www.svoboda.mobi/a/371933.html, ges. am 13. August 2015.

[12]          Siehe beispielsweise Wadim S. Rogowin: Die Partei der Hingerichteten, Essen 1999, S. 513.

[13]          Siehe  Wladislaw Hedeler: Szenarien des Großen Terrors. Die Vorbereitung der Moskauer Prozesse durch das Politbüro der KPdSU(B) und die Führung des NKWD, in: Moskau 1938. Szenarien des Großen Terrors, hrsg. von Klaus Kinner, Schkeuditz 1999, S. 9–28; ferner ders.: Chronik (Anm. 2), S. XXVII–XXXVII.

[14]          Siehe Process Bucharina 1938 g. Sbornik dokumentov [Der Bucharin-Prozess von 1938. Eine Sammlung von Dokumenten], hrsg. von Ž.V. Artamonova/N.V. Petrov, Moskau 2013; dazu auch Hedeler: Nikolai Bucharin (Anm. 5), S. 19.

[15]          Einzelheiten zur Geschichte und Aufgabenstellung des IKP siehe Lutz-Dieter Behrendt: Die Institute der Roten Professur. Kaderschmieden der sowjetischen Parteiintelligenz (1921–1938), in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 45 (1997), H. 4, S. 597–621.

[16]          Siehe den von Bessonov am 28. Januar 1937 ausgefüllten Fragebogen für die Kaderregistratur im RGASPI, f. 17, op. 100, d. 8082-115286, n.pag.

[17]          Siehe Marc Jansen: A Show Trial under Lenin. The Trial of the Socialist Revolutionaries, Moscow 1922, Amsterdam 1982, S. 77.

[18]          Siehe S. Bessonov: Starye svideteli novogo spora (K teorii Rozy Ljuksemburg, Marks i Lenin) [Alte Zeugen eines neuen Streits (Zur Theorie von Rosa Luxemburg, Marx und Lenin)], in: Krasnaja novʼ [Rotes Neuland] 1923, H. 4, S. 228–245 u. H. 5, S. 228–242.

[19]          Siehe Lutz-Dieter Behrendt: Der Nachlaß der Roten Kaderschmiede. Die Lebensläufe der Absolventen des Instituts der Roten Professur, in: Dietrich Beyrau (Hg.): Im Dschungel der Macht. Intellektuelle Professionen unter Stalin und Hitler, Göttingen 2000, S. 157–169, hier S. 158.

[20]          Zit. nach M. E. Glavackij: Istorija roždenija Uralʼskogo universiteta [Die Entstehungsgeschichte der Uraler Universität], Ekaterinburg 2000, S. 160.

[21]          Zit. nach Student-rabočij [Arbeiter-Student] 1925, H. 2–3, S. 35.

[22]          Siehe S. Bessonov: Trockizm i krestʼjanstvo [Trotzkismus und Bauernschaft], in: Uralʼskij kommunist [Uraler Kommunist] 1925, H. 23–24, S. 9–12.

[23]          Uralʼskij rabočij [Uraler Arbeiter] Nr. 14 vom 17. Januar 1925; für die Zustimmung siehe z. B. Student-rabočij (Anm. 21), S. 93.

[24]          Uralʼskij rabočij [Uraler Arbeiter] Nr. 240 vom 18. Oktober 1925.

[25]          Siehe S. A. Bessonov: Sovremennaja Anglija [Das heutige England], Sverdlovsk 1925.

[26]          Student-rabočij [Arbeiter-Student] 1925, H. 5, S. 72. Alle weiteren Zitate ebd.

[27]          Siehe S. A. Bessonov: Razvitie mašin. § 2 trinadcatoj glavy I toma »Kapitala« Marksa. S primečanijami S.A. Bessonova, rektora Uralʼskogo politechničeskogo instituta [Die Entwicklung der Maschinen: Paragraph 2 von Kapitel 13 in Band I des »Kapitals« von Marx: Mit Anmerkungen von S.A. Bessonov, Rektor des Uraler Polytechnischen Instituts], Moskau 1926.

[28]          Ebd., S. 3.

[29]          Siehe Planovoe chozjajstvo [Die Planwirtschaft] 1926, H. 9, S. 215–217.

[30]          Siehe Bessonov: Razvitie mašin (Anm. 27), S. 440. Das folgende Zitat ebd. (Hervorhebung im Original).

[31]          Ebd., S. 441.

[32]          Siehe dazu auch Kengo Nagatsuna: A Utopian-Ideologue in Soviet Industrialisation. S. A. Bessonov and Transport Reconstruction Debates, 1928–1930, ein 1989 an der Universität von Birmingham präsentiertes (unveröffentlichtes) Manuskript. Ich danke Arfon Rees für die Bereitstellung des Manuskripts.

[33]          Siehe Planovoe chozjajstvo [Die Planwirtschaft] 1925, H. 10, S. 143–160.

[34]          Siehe auch E. A. Rees: Stalinism and Soviet Rail Transport, 1928–1941, London 1995, S. 20.

[35]          Zit. nach S. A. Bessonov: Zur Frage des technischen Fortschritts im modernen Kapitalismus, in: Unter dem Banner des Marxismus 2 (1928), H. 1–2, S. 120–139, hier S. 121, folgende Zitate ebd. (Hervorhebung im Original).

[36]          Siehe ebd., S. 136–138; auch in Chozjajstvo Urala [Die Wirtschaft des Urals], 1926, H. 13–14, S. 190–192.

[37]          Behrendt: Der Nachlaß der Roten Kaderschmiede (Anm. 19), S. 168.

[38]          Brief vom 12. Dezember 1926, siehe Rossijskij centralʼnyj muzej sovremennoj istorii Rossii/Russisches Zentralmuseum für Zeitgeschichte Russlands, f. 48, Nr. 31642/317, l. 202-15, zit. bei Lutz-Dieter Behrendt: Institute der Roten Professur und sowjetische Nationalitätenpolitik, in: Kultursoziologie. Aspekte – Analysen – Argumente 10 (2001), H. 2, S. 119–156, hier S. 144.

[39]          Redigierte Übersetzung einer Zusammenfassung des Originals (zur Verfügung gestellt von Lutz-Dieter Behrendt am 8. Juli 2009) nach ebd., S. 145.

[40]          Zit. nach Uralʼskij Politechničeskij Institut im. S. M. Kirova 1920–1970. Istoričeskij očerk [Das Uraler Polytechnische S.M. Kirov-Institut 1920–1970. Eine historische Skizze], Sverdlovsk 1970, S. 58.

[41]          Nach eigenen Angaben (siehe RGASPI, f. 17, op. 100, d. 8082-115286) war er ab Mai 1927 Leiter der Abteilung für Ökonomie des IKP.

[42]          Siehe Ljudmila L. Vasina: Rubin und sein Manuskript über die Geldtheorie von Marx, in: Carl-Erich Vollgraf u.a. (Hg.): Isaak Ilʼjič Rubin. Marxforscher – Ökonom – Verbannter (1886–1937), Hamburg 2012, S. 119–138.

[43]          Siehe Devi Dumbadze: Sachliche Vermittlung und soziale Form. I. I. Rubins Rekonstruktion der marxschen Theorie des Warenfetischismus, in: ders. u. a. (Hg.): Kritik der politischen Philosophie. Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat II, Münster 2010, S. 191 (Anm. 9).

[44]          Siehe ebd.; auch Behrendt: Die Institute der Roten Professur (Anm. 15), S. 617 (Anm. 125). Rubins Vortrag und die anschließende Diskussion wurden in dem Dokumentationsband I. I. Rubin: Abstraktnyj trud i stoimostʼ v sisteme Marksa. Doklad i ego obsuždenie v Institute ėkonomiki [Abstrakte Arbeit und abstrakter Wert im Marxschen System. Vortrag und Diskussion im Institut der Ökonomie], Moskau 1928 veröffentlicht. Als einzelner Text erschien Rubins Vortrag unter dem Titel »Abstraktnyj trud i stoimostʼ v sisteme Marksa«, in: Pod znamenem marksizma [Unter dem Banner des Marxismus] 1927, H. 6, S. 88–119, auf Deutsch in: I. I. Rubin/S. A. Bessonow u. a.: Dialektik der Kategorien. Debatte in der UdSSR (1927–29), Berlin 1975, S. 7–54. Die in diesem Band enthaltene Debatte (S. 55–135) erschien in Russland erst später unter dem Titel »Dialektičeskoe razvitie kategorij v ėkonomičeskoj sisteme Marksa« [Die dialektische Entwicklung der Kategorien im ökonomischen System von Marx], in: Problemy ėkonomiki [Probleme der Wirtschaft] 1929, H. 4–5, S. 203–238.

[45]          Rubin/Bessonow: Dialektik der Kategorien (Anm. 44), S. 70.

[46]          Siehe ebd., S. 79–124, zu Bessonovs Razvitie mašin (Anm. 27), S. 90 u. 107.

[47]          Ebd., S. 126.

[48]          Ebd., S. 130.

[49]          Siehe S. A. Bessonov: Protiv vycholaščivanija marksizma (K 3-mu izdaniju »Očerkov« I. Rubina) [Gegen die Kastrierung des Marxismus (Zur 3. Auflage der »Skizzen« von I. Rubin)], in: Problemy ėkonomiki [Probleme der Wirtschaft] 1929, H. 1, S. 123–144 u. H. 2, S. 78–117.

[50]          Siehe auch Behrendt: Die Institute der Roten Professur (Anm. 15), S. 616 f.

[51]          Siehe ebd., S. 617; auch L. D. Širokorad: Die politische Ökonomie des Sozialismus in der UdSSR während der Übergangsepoche. Methodologische Probleme, Berlin 1977, S. 66.

[52]          Siehe den Sammelband Rubinščina ili marksizm? Protiv idealizma i metafiziki v političeskoj ėkonomiki [Rubinščina oder Marxismus? Gegen Idealismus und Metaphysik in der politischen Ökonomie], hrsg. von S.A. Bessonov/A.F. Kon, Moskau u. a. 1930 , darin auch S. A. Bessonov: Slova i dela I. Rubina [Worte und Taten von I. Rubin], S. 7–47. Ausführlicher zur »Rubinščina« siehe auch Wladislaw Hedeler, in: Vollgraf u. a. (Hg.): Isaak Ilʼjič Rubin (Anm. 42), S. 139–144, auch Ivan Boldyrev/Martin Kragh: The Fate of Social Sciences in Soviet Russia. The Case of Isaak Ilʼich Rubin. Higher School of Economics Research Paper No. WP BPR 17/HUM/2013, verfügbar unter: ssrn.com/abstract=2236122, ges. am 13. August 2015.

[53]          Siehe S. Bessonov: Ponjatie mirovogo chozjajstva v koncepcii t. Bucharina [Das Weltwirtschaftsverständnis in der Konzeption des Genossen Bucharin], in: Problemy ėkonomiki [Probleme der Wirtschaft] 1929, H. 9, S. 35–48; ders.: Nakoplenie i rezervy (O »zametkach ėkonomista« tov. Bucharina) [Akkumulation und Rücklagen (»Über die Bemerkungen eines Ökonomen« des Genossen Bucharin)], in: Bolʼševik 1929, H. 20, S. 45–63.

[54]          Siehe »Organizovannyj kapitalizm«. Diskussija v Komakademii [»Organisierter Kapitalismus«. Eine Diskussion in der Kommunistischen Akademie], 2. Aufl. Moskau 1930, S. 3 f., zu Bessonovs Einwänden S. 109–116; dazu auch Gerhard Duda: Jenö Varga und die Geschichte des Instituts für Weltwirtschaft und Weltpolitik in Moskau 1921–1970, Berlin 1994, S. 75–77. Laut Behrendt (Mitteilung vom 8. Juli 2009) war Bessonov im Januar 1930 in die Akademie aufgenommen worden.

[55]          Siehe Karl Schlögel: Berlin – Ostbahnhof Europas. Russen und Deutsche in ihrem Jahrhundert, Berlin 1998, S. 117.

[56]          Siehe Christoph Mick: Sowjetische Propaganda, Fünfjahrplan und deutsche Rußlandpolitik, Stuttgart 1995, S. 277.

[57]          Siehe S. Bessonow: Zur Finanzierung der Sowjetbestellungen in Deutschland, in: Sowjetwirtschaft und Außenhandel 10 (1931), H. 8, S. 6–8; auch Mick: Sowjetische Propaganda (Anm. 56), S. 277.

[58]          Siehe Günter Rosenfeld: Sowjetunion und Deutschland 1922–1933, Berlin 1984, S. 399–410; auch Gerd Koenen: Utopie der Säuberung. Was war der Kommunismus?, Berlin 1998, S. 192; ferner Matthias Heeke: Reisen zu den Sowjets. Der ausländische Tourismus in Rußland 1921–1941, Münster 2003, S. 57 f.

[59]          Siehe S. Bessonoff: Die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen, in: Das Neue Russland 8 (1931), H. 4–5, S. 7–14.

[60]          Siehe Mick: Sowjetische Propaganda (Anm. 56), S. 279 f.

[61]          Siehe ebd.; auch: Sovetsko-germanskie naučnye svjazi vremeni Vejmarskoj respubliki [Sowjetisch-deutsche Wissenschaftsbeziehungen während der Weimarer Republik], Sankt Petersburg 2001, S. 198.

[62]          V. V. Obolenski-Ossinski: Der planwirtschaftliche Kongreß in Amsterdam und seine Leistung, in: Der Rote Aufbau 4 (1931), H. 16, S. 695–700; Zitat in Mick: Sowjetische Propaganda (Anm. 56), S. 279.

[63]          Ebd. (Anm. 977).

[64]          Siehe Dr. Klaus Mehnert, Memorandum über die »Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjet-russischen Planwirtschaft«, 8. Januar 1932, in: Gerd Voigt: Rußland in der deutschen Geschichtsschreibung. 1843–1945, Berlin 1994, S. 381–382, hier S. 381. Zur Arplan-Entstehungsgeschichte siehe Mick: Sowjetische Propaganda (Anm. 56), S. 237 f.; Schlögel: Berlin (Anm. 55), S. 126–128.

[65]          Siehe Mick: Sowjetische Propaganda (Anm. 56), S. 238.

[66]          Sovetsko-germanskie naučnye svjazi (Anm. 61), S. 203.

[67]          Siehe Protokolle der Studienreise nach der Sowjet-Union vom 20. August bis 12. September 1932, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Sowjetrussischen Planwirtschaft (Arplan), Berlin 1932.

[68]          Schlögel: Berlin (Anm. 55), S. 133.

[69]          Mick: Sowjetische Propaganda (Anm. 56), S. 238; Schlögel: Berlin (Anm. 55), S. 127 f.; Koenen: Utopie (Anm. 58), S. 192 f.; ferner Sovetsko-germanskie naučnye svjazi (Anm. 61), S. 199–203; ebenso Michael David-Fox: Annäherung der Extreme. Die UdSSR und die Rechtsintellektuellen vor 1933, in: Osteuropa 59 (2009), H. 7–8, S. 115–124, hier S. 119–122; ders.: Showcasing the Great Experiment. Cultural Diplomacy and Western Visitors to the Soviet Union, 1921–1941, New York 2012, S. 249–262.

[70]          S. Bessonoff: Über die Grundlagen des Rapallovertrages, in: Das Neue Russland 9 (1932), H. 5–6, S. 11–15, hier S. 14.

[71]          Hinweise darauf finden sich in den ersten beiden Teilbänden der auf vier Bände angelegten Sammlung Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941. Dokumente aus russischen und deutschen Archiven. Hrsg. von Sergej Slutsch u. a., München 2014, Nr. 45, S. 242 f. u. Nr. 89, S. 370–372, hier S. 372.

[72]          Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Maksim Litvinov an Stalin vom 1. April 1933, in ebd. Nr. 45, S. 242.

[73]          Siehe Viktor Knoll: Das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten im Prozess außenpolitischer Entscheidungsfindungen in den zwanziger und dreißiger Jahren, in: Zwischen Tradition und Revolution. Determinanten und Strukturen sowjetischer Außenpolitik 1917–1941. Hrsg. von Ludmila Thomas u. a., Stuttgart 2000, S. 73–154, hier S. 142 f.

[74]          Siehe Sergej Slutsch: Deutschland und die UdSSR 1918–1939. Motive und Folgen außenpolitischer Entscheidungen, in: Hans-Adolf Jacobsen u. a. (Hg.): Deutsch-russische Zeitenwende. Krieg und Frieden 1941–1995, Baden-Baden 1995, S. 28–90, hier S. 68 f.

[75]          Siehe z. B. Der Spiegel Nr. 32 vom 7. August 1989, S. 84–105, zu Bessonov S. 97.

[76]          Bianka Pietrow: Stalinismus – Sicherheit – Offensive. Das Dritte Reich in der Konzeption der sowjetischen Außenpolitik 1933–1941, Melsungen 1983, zu Bessonov S. 49; ohne explizite Erwähnung Bessonovs siehe Bianka Pietrow-Ennker: Stalin-Regime und Außenpolitik in den dreißiger Jahren, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 33 (1985), H. 4, S. 495–517, hier S. 508 f. (Anm. 34); für den genauen Kontext und gesamten Wortlaut siehe die Aufzeichnungen von Conrad Roediger vom 21. Dezember 1935, in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, Serie C, Bd. 4, 2, Göttingen 1975, S. 913–915, Zitat S. 915.

[77]          Siehe Lew Besymenski: Geheimmission in Stalins Auftrag? David Kandelaki und die sowjetisch-deutschen Beziehungen Mitte der dreißiger Jahre, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 40 (1992), H. 3, S. 339–357, zu Bessonov S. 341 f., 344 f. u. 350; N. A. Abramov/L. A. Bezymenskij: Osobaja missija Davida Kandelaki [Die Sondermission von David Kandelaki], in: Voprosy istorii 1995, H. 4–5, S. 144–156, zu Bessonov S. 146–149. Auch der zweite Band von Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941 (Anm. 71) wird laut Carola Tischler (Mitteilung vom 8. Dezember 2014) eine Reihe von Dokumenten von Bessonov enthalten.

[78]          Siehe Knoll: Das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten (Anm. 73), S. 148.

[79]          Ebd., S. 149.

[80]          Siehe auch Hedeler: Chronik (Anm. 2), S. 179; zu Bessonovs Leiden im Butyrka-Gefängnis siehe Medwedew: Das Urteil der Geschichte (Anm. 3), Bd. 2, S. 67; sowie Hedeler: Chronik (Anm. 2), S. 369.

[81]          Siehe Prozessbericht (Anm. 10), S. 775–778, hier S. 778.

[82]          Siehe Suren Gazarjan: Ėto ne dolžno povtoritʼsja. Dokumentalʼnaja povestʼ [Das darf sich nicht wiederholen. Eine Dokumentarerzählung], in: Zvezda [Der Stern] 1989, H. 1, S. 3–80, hier S. 77.

[83]          Siehe Prozessbericht (Anm. 10), S. 40. Dieses und die folgenden Zitate (ebd., S. 40–42) werden in einer vom Verfasser redigierten Übersetzung wiedergegeben.

[84]          Bessonovs Vater war in erster Linie Buchbinder und arbeitete nur zeitweilig als Küster (Mitteilung von Behrendt am 8. Juli 2009); siehe auch Schauprozesse unter Stalin (Anm. 2), S. 367. Der kursivierte Teil fehlt in dem Vernehmungsprotokoll, das am 3. März in der Pravda veröffentlicht wurde (siehe Pravda Nr. 61 vom 3. März 1938); er wurde für den offiziellen Prozessbericht nachträglich eingefügt.

[85]          Häufiges Nachfragen des Anklägers, wie in dieser nachträglich eingefügten Passage, sollte dem Procedere den Anschein größerer Präzision verleihen.

[86]             Bessonov diente von November 1915 bis Mai 1917 in der alten Armee, siehe Schauprozesse unter Stalin (Anm. 2), S. 367; für die Monatsangaben siehe Fragebogen für die Kaderregistratur, RGASPI, f. 17, op. 100, d. 8082-115286 (Anm. 16). Der hier kursivierte Teil ist nachträglich eingefügt worden, höchstwahrscheinlich, weil der Übergang zur bejahenden Antwort des Angeklagten auf die Frage nach der ablehnenden Einstellung zur »Oktoberrevolution« und zur Kommunistischen Partei als besser gelungen eingeschätzt wurde.

[87]          Siehe Prozessbericht (Anm. 10), S. 42–56 u. 62–71, Zitat S. 67; auch Schlögel: Berlin (Anm. 55), S. 133.

[88]          Prozessbericht (Anm. 10), S. 754.

[89]          Zit. nach Gazarjan: Ėto ne dolžno povtoritʼsja (Anm. 82), S. 77.

[90]          Siehe Izvestija CK KPSS [Nachrichten des CK der UdSSR] 1990, Nr. 11, S. 124–131.

[91]          Siehe auch Dumbadze: Sachliche Vermittlung (Anm. 43), S. 191 f.

[92]          Siehe Lutz-Dieter Behrendt: Die »roten Professoren« und der Große Terror, in: Kinner (Hg.): Moskau 1938 (Anm. 13), S. 72–83; ders.: Der Nachlaß der Roten Kaderschmiede (Anm. 19), S. 163.

[93]          Siehe Nagatsuna: A Utopian-Ideologue in Soviet Industrialisation (Anm. 32), S. 20.

[94]          Zuletzt von Wadim S. Rogowin: Weltrevolution und Weltkrieg, Essen 2002, S. 124.

[95]          Siehe dazu Koenen: Utopie (Anm. 58), S. 235.

[96]          Kritisch zu Bessonovs Vergangenheit als »Sozialrevolutionär« siehe Process Bucharina (Anm. 14), S. 801.

[97]          Siehe Hedeler: Nikolai Bucharin (Anm. 5), S. 504.

[98]          Siehe Georgij Černjavskij/Michail Stančev/Maria Tortika (Lobanova): Žiznennyj putʼ Christiana Rakovskogo 1873–1941. Evropeizm i bolʼševizm. Neokončennaja duėlʼ [Der Lebensweg des Christian Rakowski 1873–1941. Europäismus und Bolschewismus. Ein unvollendetes Duell], Moskau 2014.

[99]          Zu den Auseinandersetzungen in der Tarif- und Transportpolitik siehe Nagatsuna: A Utopian-Ideologue in Soviet Industrialisation (Anm. 32), S. 27–30 u. 33, zu späteren Anschuldigungen S. 35 f.; dazu auch Rees: Stalinism and Soviet Rail Transport (Anm. 34), S. 27 f., 33 u. 37, zu Anfeindungen S. 46 u. 50. Für eine Übersicht der zwischen 1936 und 1938 Repressalien ausgesetzten Absolventen, die 1924 am IKP ihren Abschluss machten, siehe Behrendt: Die Institute der Roten Professur (Anm. 15), S. 620; allgemein auch ders.: Die »roten Professoren« und der Große Terror, in: Kinner (Hg.): Moskau 1938 (Anm. 13), S. 77, Erklärungen zu den Repressalien gegen die Ikapisten S. 77 f.

[100]         Pravda Nr. 230 vom 21. August 1936; dazu auch Černjavskij u. a.: Žiznennyj putʼ Christiana Rakovskogo (Anm. 98), S. 491. Doch selbst dieses unrühmliche, Stalin preisende, wahrscheinlich erzwungene Bekenntnis verlängerte Rakowskis Verbleiben in Freiheit nur um etwas mehr als fünf Monate.

[101]         Siehe dazu auch Koenen: Utopie (Anm. 58), S. 237.

[102]         Pierre Broué: Histoire de lʼInternationale Communiste. 1919–1941 [Geschichte der Kommunistischen Internationale. 1919–1941], Paris 1997, S. 461; auch ders.: Zur Geschichte der Linken Opposition (Anm. 1), S. 17.

[103]         Siehe auch die lange Zeit geheim gehaltene Untersuchung von I. Serov aus dem Jahr 1956, in: Process Bucharina (Anm. 14), S. 832–858, zu Bessonov S. 833 f., 837–839, 850–852 u. 857 f.

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