JHK 2016

Das 4. illegale Zentralkomitee der KPÖ 1942 – ein Konstrukt der Wiener Gestapo

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 131-148 | Metropol

Autor/in: Hans Schafranek

Unter Zeitgenossen, aber auch in breiten Kreisen der Publizistik nach 1945 wurde häufig ein Bild gezeichnet und tradiert, dem zufolge die Gestapo als »allmächtig« und »allgegenwärtig« erscheint. Ersteres trifft sicherlich in einem hohen Maße zu. Die Gestapo ordnete massenhaft Hinrichtungen und Einweisungen in Konzentrationslager an, sie konnte nach Belieben Häftlinge ganz oder teilweise der Justiz entziehen oder nach dem Ende einer vom Gericht verhängten Haftstrafe wieder für unbeschränkte Zeit in Gewahrsam nehmen. Als Mythos hingegen entpuppt sich ihre vermeintliche »Allgegenwärtigkeit«. Eine solche Annahme lässt sich schon durch die – verglichen mit den Polizeiapparaten anderer totalitärer Diktaturen – knappen personellen Ressourcen widerlegen. Ende 1938 verfügte die Gestapo-Leitstelle Wien (unter Einschluss der Außenstellen St. Pölten, Wiener Neustadt und Znaim) über etwa 400 Beamte; in den Kriegsjahren stieg diese Zahl auf 900, und in derselben Größenordnung bewegte sich die Anzahl der Mitarbeiter im übrigen Österreich (ab 1938: »Ostmark«, ab 1942: »Donau- und Alpengaue«).

Als isolierte, von der Bevölkerung abgekapselte »Enklave« hätte dieser terroristische Repressionsapparat niemals jene mörderische Effizienz entfalten können, mittels derer er vermochte, sowohl den organisierten politischen Widerstand als auch individuelle oppositionelle Regungen und systemkritische Handlungen/Äußerungen im sozialen bzw. privaten Alltag aufzuspüren und zu kriminalisieren. Um dies zu erreichen, bedurfte es vor allem zweier Voraussetzungen. Zum einen wurden die Gestapo oder vorgeschaltete lokale Parteiinstanzen zu einer Anlaufstelle für Tausende freiwillige Denunzianten, deren Meldungen häufig die einzige Informationsquelle bei Bagatelldelikten waren (Abhören feindlicher Rundfunksender, regimekritische Witze, defätistische Äußerungen usw.) und gleichwohl jahrelange Haftstrafen oder sogar Todesurteile für die Betroffenen nach sich ziehen konnten. In aller Regel gelang es diesen »Naderern« jedoch nicht bzw. war es auch nicht ihre Aufgabe, Widerstandsgruppen aufzuspüren und im Dienst der Polizei zu unterwandern. Zu diesem Zweck setzte die Gestapo als wichtigste und gefährlichste Waffe gezielt und systematisch Spitzel ein, die als V-Leute (Vertrauensleute) oder – in Österreich – auch als Konfidenten bezeichnet wurden.

Bei der Institutionalisierung und Zentralisierung des Spitzelapparates spielte die Wiener Gestapo eine Vorreiterrolle. Auch bei der Wiener Gestapo unterhielten die mit »Gegnerbekämpfung« befassten Exekutivreferate Spitzel, die sie gegenüber den anderen Abteilungen weitestgehend abschirmten. Im »Altreich« wehrten sich bis weit in die Kriegsjahre viele dieser Gestapo-Abteilungen erfolgreich dagegen, »ihre« V-Leute an ein eigenes, ausschließlich mit dem Einsatz von Spitzeln befasstes Referat (II N, ab 1942: IV N) abzutreten, während in Wien bereits im Herbst 1938 das N-Referat (= Nachrichtenreferat) entstand und die entsprechenden Agenden an sich zog. Allerdings verlief diese personelle und organisatorische Umstrukturierung auch bei der Gestapo-Leitstelle Wien nicht ohne Spannungen und Widerstände, eine restlose Unterstellung unter das N-Referat gelang auch hier nicht.[1]

Obwohl die Zahl jener Spitzel, die im Zuständigkeitsbereich der Gestapo-Leitstelle (Wien, Niederösterreich, Burgenland) agierten, 500 bis 600 kaum überschritten haben dürfte,[2] von denen lediglich etwa 130 namentlich bekannt sind,[3] sperrt sich deren Lebensweg, sofern er überhaupt in den Quellen überliefert ist, in hohem Maße gegen eine Typologisierung. Zu unterschiedlich waren die Motive, um freiwillig oder gezwungenermaßen in den Dienst der Gestapo zu treten, zu unterschiedlich auch die Methoden der individuellen Rekrutierung, um ein starres typologisches Schema zu entwickeln. Die Bandbreite reichte von geltungssüchtigen Jugendlichen, die ohne Auftrag, aus eigenem Antrieb oppositionelle Zirkel ausspähten und sich mit ihrem Wissen später der Gestapo andienten,[4] bis hin zu kommunistischen Spitzenfunktionären, die sich in der Todeszelle von der Gestapo »umdrehen« ließen, um einen Aufschub der Vollstreckung des Todesurteils zu erwirken.[5] Unternimmt man – mit großem Vorbehalt – dennoch den Versuch einer gruppenspezifischen Differenzierung, so sind grobmaschig vor allem zwei unterschiedliche typologische Hintergründe auszumachen: Es gab unter den Gestapo-Konfidenten einige Kriminelle, die zum Teil bereits während des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes Spitzeldienste für die österreichische Staatspolizei geleistet hatten und nach 1938 von der Gestapo übernommen wurden. Das Gros der Erfolg versprechenden V-Leute wurde jedoch unter politischen Aktivisten rekrutiert, die sich gegen den Nationalsozialismus betätigt hatten und oft während der Haft in den Dienst der Gestapo gezwungen wurden. Teils infolge der Erfahrung physischer Misshandlungen, aufgrund einer ansonsten drohenden Einlieferung ins Konzentrationslager, durch die Androhung von Repressalien gegen Familienangehörige oder auch durch die Aussicht auf frühzeitige Haftentlassung – die Gestapo verstand es, die Spirale der Erpressung immer weiter zu drehen und willfährige Kreaturen zu produzieren. Sie durchliefen sukzessive eine Metamorphose von Opfern zu Tätern und begannen im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Macht ihrer Auftraggeber zu partizipieren, auch wenn es sich nur um eine »geborgte« und jederzeit aufkündbare Machtteilhabe handelte.[6]

Die gesamte kommunistische Bewegung in Österreich war in einem kaum vorstellbaren Ausmaß von Konfidenten durchsetzt, wobei der Infiltrationsgrad mit der personellen bzw. organisatorischen Nähe zu zentralen, meist von Auslandsemissären gegründeten Leitungsinstanzen erheblich zunahm. Dies gilt insbesondere für das (seit der Annexion Österreichs 1938) dritte, bis Januar 1941 existierende Zentralkomitee. Von den 1507 Personen, die im Jahr 1941 wegen kommunistischer Betätigung im Bereich der Gestapo-Leitstelle Wien verhaftet wurden,[7] waren (nach Berechnungen des Verf.) etwa 700 bis 800 direkt oder indirekt dem Konto von nur zwei Spitzeln zuzuschreiben. 1942 ging die Wiener Gestapo indes noch einen entscheidenden Schritt weiter. Sie unterwanderte nicht nur – in unterschiedlichem Ausmaß – die bestehenden Organisationen, sondern hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung eines neuen Leitungsgremiums, des vierten Zentralkomitees der KPÖ, das in der kurzen Phase seiner Existenz (April bis Juli 1942) rege organisatorische Aktivitäten entfaltete.[8]

Die Wahl des Untersuchungsgegenstandes sollte jedoch nicht zu dem Fehlschluss verleiten, eine systematische Unterwanderung von Widerstandsnetzen durch die Gestapo sei ein Spezifikum der kommunistischen Untergrundbewegung gewesen, wie von manchen deutschen Historikern behauptet oder suggeriert wurde.[9] Auch der sozialistische Widerstand blieb gegenüber den Infiltrationstechniken der Gestapo nicht resistent,[10] ebenso wenig wie konservative, katholische und legitimistische Gruppierungen, überparteiliche oder militärische oppositionelle Strukturen.[11]

Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht eine Reihe von Fragestellungen, die hier nur kurz angeführt werden können. Welche methodischen oder sonstigen Probleme bzw. Hindernisse standen und stehen teilweise noch immer einer gründlichen Erforschung des Themenkomplexes »Gestapo und V-Leute« entgegen? Welche V-Leute setzte die Wiener Gestapo bei der Bekämpfung des kommunistischen Widerstandes ein? Wie erfolgreich »operierten« Gestapo-Spitzel im kommunistischen Untergrund? Auf welche Weise gelang es der Gestapo, nicht nur bestehende Widerstandsgruppen zu infiltrieren, sondern mithilfe ihrer V-Leute ein eigenes »kommunistisches« Leitungsgremium zu installieren und damit auch dessen organisatorische Ausdehnung vollständig zu steuern und zu kontrollieren? Insbesondere dieser Aspekt bedarf einer detaillierten Untersuchung, da es sich bei der Gründung eines »kommunistischen Zentralkomitees« durch die Wiener Gestapo um ein Phänomen handelt, das im gesamten NS-Herrschaftsbereich einzigartig ist.

 

I. Methodische und quellenkritische Aspekte

Vor mehr als 20 Jahren benannte Klaus-Michael Mallmann psychologische, politische und »volkspädagogische« Faktoren, die schlüssig begründeten, weshalb in der Widerstandsforschung dem Phänomen V-Leute über Jahrzehnte nur sehr geringe Bedeutung beigemessen wurde.[12] Auch wenn die entsprechenden Forschungen in Deutschland und Österreich mittlerweile beachtliche Fortschritte erzielt haben, bleiben bei der Untersuchung dieser Thematik »immanente Barrieren« bestehen,[13] von denen im Folgenden nur einige wenige skizziert werden.

Die Gestapo bzw. NS-Justiz versuchten im Regelfall alle personenbezogenen Spuren der Spitzeltätigkeit vermeintlicher »Widerstandskämpfer« a priori aus den Dokumenten des Verfolgungsapparats zu verbannen. War dies ohne ein eklatantes dokumentarisches Zerreißen des verfolgten Tatkomplexes nicht möglich – etwa durch eine offensichtliche Schlüsselrolle des V-Mannes, dessen Deckname und/oder Beschreibung in den Verhören von vielen Beschuldigten immer wieder angeführt wurden –, so hieß es in den jeweiligen Vernehmungsniederschriften oder Abschlussberichten mit stereotyper Regelmäßigkeit, der Betreffende sei »noch nicht ausgeforscht«, obwohl die Gestapo natürlich genau wusste, um wen es sich handelte. Denn V-Leute durften mit ihren Opfern nicht konfrontiert werden, weder physisch (etwa durch Gegenüberstellungen oder bei Gerichtsverfahren) noch dokumentarisch, auch Gestapo-intern nicht. Jede polizeiliche Bloßstellung eines Spitzels hätte ihn für zukünftige Aufgaben disqualifiziert. In einigen Fällen bedeuten bei der Spurensuche nach (mutmaßlichen) Spitzeln gravierende Auslassungen in den Dokumenten einen erheblichen Erkenntniswert, etwa, wenn ein in den Vernehmungsprotokollen mehrmals genannter anonymer »Tatbeteiligter« in der Anklageschrift bzw. im Urteil überhaupt nicht mehr in Erscheinung tritt. Man könnte die daraus resultierende, in diesem Beitrag verfolgte methodische Vorgehensweise als personelle und funktionelle Identifikation durch Vernetzung von Leerstellen bezeichnen, so paradox dies vielleicht auch klingen mag. Diese Identifizierung bezieht sich jedoch zunächst nur auf die Decknamen. In einem zweiten Arbeitsschritt war es erforderlich, die solcherart gewonnenen Erkenntnisse mit allen verfügbaren Quellen zu verknüpfen, die nach 1945 entstanden sind. Diese Kombination erwies sich in methodischer Hinsicht – weit über den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes hinaus – als sehr fruchtbar, da es dadurch mit wenigen Ausnahmen gelang, alle V-Leute zu identifizieren, bei denen Klarnamen, Gestapo-Decknamen und/oder »I-Namen« (Decknamen innerhalb der illegalen kommunistischen Bewegung) nicht schon zu Beginn der Untersuchung eindeutig zugeordnet werden konnten.

 

II. Unter den Augen der Gestapo: Kommunistische Organisationsansätze nach der Liquidierung der 3. illegalen Leitung

Zwischen Juli 1940 und Januar 1941 versuchte der Schlosser Erwin Puschmann (Decknamen: »Gerber«, »Zmudlok«), ein Auslandsemissär der KPÖ und fähiger Organisator, eine Vielzahl rivalisierender und nicht zuletzt durch die Auswirkungen des Hitler-Stalin-Paktes miteinander politisch zerstrittener KP-Gruppen in Wien zu einigen, was ihm ebenso gelang wie die organisatorische Ausdehnung und Verankerung des Wiener Leitungsgremiums in einigen Bundesländern, vor allem in der Steiermark und in Niederösterreich. Seit der Festnahme Puschmanns am 22. Januar 1941 rollte eine Verhaftungswelle über die genannten Bundesländer hinweg, die erst im Oktober zum Stillstand kam. In Wien wurden 536 Personen wegen kommunistischer Betätigung verhaftet, in Niederösterreich waren es 217 – insgesamt dürften allein dieser zentralen »Aktion« weit über 1000 Aktivisten zum Opfer gefallen sein.

Die Zerschlagung dieses Zentralkomitees und der von ihm geschaffenen organisatorischen Strukturen wurde zu einem erheblichen Teil durch die Infiltrationstätigkeit von nur zwei V-Leuten der Gestapo verursacht, nämlich dem ehemaligen Spanienkämpfer und Journalisten Kurt Koppel (»Glaser«, »Klaser«;[14] I-Name: »Ossi«[15]) sowie seiner Lebensgefährtin Margarete Kahane (»Sonja«, »Gretl«, »Maid«, »Olga«).[16]

Auch zwei weitere, in personeller Hinsicht eng miteinander verknüpfte Ansätze, mithilfe von Auslandsemissären der Komintern die KPÖ zu reorganisieren, standen unter keinem guten Stern. Die Mission Leo Gablers, der seit 1935 dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Jugend-Internationale angehörte, endete nach zweimonatiger intensiver Tätigkeit jäh am 20. Oktober 1941, als die Gestapo Gabler aufspürte und in den folgenden Tagen zahlreiche Mitarbeiter und Quartiergeber bzw. Quartiervermittler festnahm.[17]

 

III. Gestapo-Spitzel als Initiatoren des 4. Zentralkomitees der KPÖ

In einer älteren Darstellung wird die innerparteiliche Situation in Wien nach dem Aufrollen des von Puschmann geführten Zentralkomitees, der Stadtleitung und zahlreicher Bezirksleitungen wie folgt beschrieben: »Nach dem verhängnisvollen Schlag gegen die Führung im Jahre 1941 sammelte sich die Partei um eine neue Aktionsgruppe, die zweifellos früher schon für den – inzwischen eingetretenen – Notfall als Parallelorganisation eingerichtet worden war. Es dauerte nur wenige Monate, bis sich aus den Überbleibseln der Wiener Organisation die neugeschaffene Zentrale, das Zentralkomitee der KPÖ, konstituierte.«[18]

Im Lichte neuer Quellen[19] lässt sich eine solche Sichtweise nicht aufrechterhalten. Die neu gewonnenen Erkenntnisse lassen eine bereits früher vertretene Auffassung zur unumstößlichen Gewissheit werden:[20] Das 4. illegale ZK, dem nur eine dreimonatige Lebensdauer (April bis Juli 1942) beschieden war, entstand weder durch Einflussnahme des KP-Auslandsapparats noch aufgrund einer Vernetzung autochthoner Widerstandszellen im Land selbst, sondern als direktes Resultat der Tätigkeit von Gestapo-Spitzeln.

Im Herbst/Winter 1941 bestand eine Vielzahl isolierter kommunistischer Zellen, Gruppen und Grüppchen, die nach dem Abreißen der organisatorischen Verbindungen nach »oben« auf sich allein gestellt waren. Sie versanken jedoch keineswegs in Apathie und Interessenlosigkeit, sondern suchten nach neuen Kontakten, um die illegale Agitation und Propaganda fortzusetzen bzw. auf eine neue organisatorische Grundlage zu stellen. Diese aktivistische Stimmung wurde gewiss auch durch das Stocken des deutschen Vormarsches auf Moskau begünstigt und bestärkt. Der Gestapo war diese Konstellation durchaus bewusst, und sie bemühte sich, diese Lücken durch den gezielten Einsatz von V-Leuten zu besetzen.

Kurt Koppel, der gemeinsam mit Margarete Kahane die Hauptverantwortung für die innerparteiliche Katastrophe trug, war zu diesem Zeitpunkt bereits »verbrannt«, denn seine fatale Rolle blieb den Häftlingen im Landesgericht nicht verborgen und bot ununterbrochen Gesprächsstoff. Durch den im Dezember 1941 verhafteten Alfred Monz, der im Landesgericht I mit Franz Sebek und Erwin Puschmann engen Kontakt hatte, ist bekannt, dass schließlich auch der führende KPÖ-Funktionär von Koppels Schuld überzeugt war.[21] Erna und Fritz Hedrich, die für Julius Kornweitz ein illegales Quartier besorgt hatten – Fritz Hedrich und die Quartiergeberin wurden deswegen zum Tode verurteilt und im Februar 1944 enthauptet[22] – schmiedeten vor ihrer Verhaftung am 23. Oktober 1941 wochenlang Pläne, wie der Gestapo-Konfident am besten beseitigt werden könnte.[23] Über Kassiber aus dem Wiener Landesgericht verständigt, brach ein anderer, im Gefängnis Stein (Niederösterreich) einsitzender Häftling sogar aus, um gemeinsam mit Fritz Schwager (später ebenfalls V-Mann der Gestapo) »Ossi« in eine Falle zu locken und zu »liquidieren«.[24] Dieser Fall ist auch durch Vernehmungsprotokolle der Gestapo und andere zeitgenössische Dokumente im Detail überliefert.[25] Dem wichtigsten Konfidenten im kommunistischen Untergrund war also der Boden zu heiß geworden, deshalb zog ihn sein Auftraggeber Lambert Leutgeb (Leiter des N-Referats) aus Wien ab, und »Ossi« wurde nach Kroatien versetzt.[26]

Trotz der zuvor erwähnten Hemmnisse, die beim Studium des Komplexes »V-Leute« insgesamt und vor allem bei der Identifizierung dieser Personen sehr oft eine mühevolle detektivische Kleinarbeit erfordern, lässt sich eindeutig nachweisen, wen die Wiener Gestapo als »Nachfolger« Koppels der vor allem im Kommunistischen Jugendverband »operierenden« Kahane an die Seite stellte, nämlich Josef Koutny (»Edi«[27], »Joschi«) und dessen um drei Jahre älteren Bruder Leopold (geb. 1911, »Walter«,[28] »Bill«,[29] »Lux«[30]).

Josef Koutny, ein Metallgießer, war bereits seit 1929 im Kommunistischen Jugendverband (KJV) aktiv und betätigte sich sowohl unter dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime als auch nach dem »Anschluss« intensiv für die KPÖ, vor allem in Wien-Favoriten, aber auch in anderen Bezirken, wie etwa in Floridsdorf, wo er und sein Bruder im Eisenbahn-Ausbesserungswerk beschäftigt waren.[31] Wann und unter welchen Umständen er »gebrochen« und für die Gestapo rekrutiert wurde, lässt sich nicht genau sagen. Im Januar 1942 wurden die beiden Brüder verhaftet und bereits wenige Tage später wieder freigelassen, angeblich gegen »Gelöbnis«.[32] In dem einzigen vorliegenden, eher belanglosen Vernehmungsprotokoll Josef Koutnys nach Kriegsende behauptete der Untersuchungshäftling lakonisch, er sei nach dieser kurzen Gestapo-Haft V-Mann geworden.[33] Tatsächlich handelte es sich dabei offensichtlich um eine Schutzbehauptung, denn zu jener Zeit war Koutny bereits einige Monate als Spitzel in Widerstandsgruppen aktiv bzw. entsandte ihm unterstehende Gestapo-Informanten in diese Zirkel.[34] Entweder die Verhaftung erfolgte nur zum Schein, um ihn nicht auffliegen zu lassen, oder aber es handelte sich um einen Disziplinierungsakt, weil er vielleicht einige seiner (früheren) Genossen »geschont«, d.h. seinem Auftraggeber Leutgeb verschwiegen hatte.[35]

Ab September 1941 unterhielt der Zahntechniker Franz Jirak, eines der fünf »echten« Mitglieder des späteren ZK, regelmäßige Kontakte mit einem vermeintlichen KP-Aktivisten, der in allen Gestapo-Dokumenten nur als »kleiner Mann« geführt wird.[36] Die Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes und vor allem die politisch-organisatorische Rolle, die der »kleine Mann« einnahm, deuten auf Leopold Koutny. Er ließ gegenüber Jirak durchblicken, mit der Wiener Stadtleitung der KPÖ in Verbindung zu stehen.[37]

Ende März 1942 schien den Brüdern Koutny bzw. dem N-Referat der Gestapo die Zeit reif, um ein neues »kommunistisches« Leitungsgremium aus der Taufe zu heben, dem neben Jirak der Färbergehilfe Adolf Neustadtl (»Max«, »Dolferl«), der Strickermeister Anton Gajda (»Pick«, »Raupenzüchter«)[38] sowie der Bäckergehilfe Emil Voreiter (»Dobner«, »Feinreiter«) angehören sollten, ferner Franz Däninger, der eine KP-Zelle in der Schutzpolizei gegründet hatte.[39] Die arglose Apothekenhelferin Maria Sip stellte auf Bitte von Gajda, mit dem sie eine Beziehung unterhielt, ihre Wohnung (Mariahilferstraße 158, Wien XV.) für die konstituierende Sitzung am 2. April 1942 und sechs weitere Zusammenkünfte zur Verfügung,[40] nahm aber an den Besprechungen selbst nicht teil.[41]

Besonders aufschlussreich sind die Vernehmungsprotokolle Jiraks, der über jede einzelne der elf ZK-Sitzungen, an denen er in der Zeit vom 2. April bis 16. Juni 1942 teilnahm, in einer Genauigkeit berichtete, zu der ihn wohl nicht sein Gedächtnis befähigte, sondern nur die Vorhaltungen der Gestapo, d.h. die Berichte ihrer V-Leute. Einen Tag nach seiner Verhaftung, am 15. Juli 1942, gab er zu Protokoll: »Ende März 1942 teilte er [der ›kleine Mann‹, H.S.] mir mit, dass beabsichtigt sei, ein neues Zentralkomitee (ZK) der KPÖ zu gründen, und er habe mich hierfür vorgeschlagen […] Auf meine Frage, warum er gerade mich für das ZK vorgeschlagen habe und er diese Funktion nicht selbst übernehme, erwiderte er, er habe mich eben vorgeschlagen und [ich] müsse nun die Funktion übernehmen. Nachdem ich wissen wollte, was ich dabei zu tun habe, sagte er, dies werde ich alles erfahren, von jenem Manne, den er mir noch heute vorstellen werde. […] Um 21 h erwartete mich dann der kleine Mann vor dem Handel-Kino und führte mich in eine Wohnung im Hause, das ein oder zwei Häuser vom Handel-Kino gürtelwärts liegt. Die Wohnung befand sich im II. oder III. Stockwerk und bestand aus mehreren Zimmern. Es wurde uns von einer ›Frau‹ [es folgt Beschreibung und handschriftlicher Zusatz: ›Frau Sip‹],[42] die vermutlich die Wohnungsinhaberin war, [geöffnet]. Sie führte uns in das Wohnzimmer, in dem schon vier Herren anwesend waren. Von diesen Männern sind mir später nur von zwei ihre Decknamen bekannt geworden. Und zwar: 1.) ›Pick‹ [es folgen Beschreibung und handschriftlicher Zusatz: ›Anton Gajda‹]

2.) ›Dolferl‹ [es folgen Beschreibung und handschriftlicher Zusatz: ›Neustadtl‹].[43] Diesen Mann erkenne ich an Hand des mir vorgelegten Lichtbildes von Adolf Neustadtl […]

3.) Ein ›Mann‹ [es folgt Beschreibung von Emil Voreiter ]

4.) Ein ›Mann‹ [es folgen Beschreibung und handschriftlicher Zusatz: ›Däninger‹].

Die Frau, die uns die Wohnungstür geöffnet hatte, trat nicht in das Zimmer ein, während ich und der kleine Mann, den ich von nun an den ›Wiener Mann‹ nenne,[44] bei den übrigen Männern Platz nahmen. Der ›Wiener Mann‹, der vorher schon an der Aussprache beteiligt war und mich nur von der Straße herausgeholt hatte, setzte nun seine Debatte mit den übrigen 4 Männern in meiner Gegenwart fort. Soweit ich mich erinnere, wurde dort über die Einteilung des Wiener Gemeindegebietes gesprochen. Aus dem Gespräch konnte ich entnehmen, dass das Wiener Stadtgebiet in 3 Sektoren eingeteilt wurde […] Es war dies eigentlich die konstituierende Sitzung des ZK.«[45]

Offensichtlich wollte Jirak bei diesem siebenstündigen Verhör, dessen Niederschrift elf maschinengeschriebene Seiten umfasste, in Unkenntnis der verräterischen Rolle des Koutny-Duos den eigentlichen Drahtzieher des Unternehmens, Josef Koutny, noch heraushalten, indem er den »kleinen Mann« (Leopold Koutny) und den »Stadtmann« bzw. »Wiener Mann« (Josef Koutny) zu einer Person verschmolz. Bereits tags darauf musste er diese Version berichtigen.[46]

Bei der zweiten Sitzung am 9. April 1942, an der Josef Koutny,[47] Gajda, Neustadtl und Jirak teilnahmen, fasste man den Beschluss, keinen ständigen Vorsitzenden zu bestimmen, sondern den Vorsitz abwechselnd zu führen. Darüber hinaus wurde jedem Anwesenden (bis auf Jirak) bereits ein bestimmtes Arbeitsgebiet zugewiesen: Koutny hatte das Stadtgebiet Wien zu »bearbeiten«, d.h., er fungierte fortan als KPÖ-Organisationsleiter; Gajda war für die Provinz zuständig, und Neustadtl übernahm zunächst den Kommunistischen Jugendverband. Koutny berichtete, er habe bereits zwei Männer, denen er die Leitung eines Sektors übertragen könne. Den Sektor 3 übernehme er vorläufig selbst. Gajda wusste zu berichten, »dass ihm in der abgelaufenen Woche von dem ›Wiener Mann‹ ein Mann zugeführt worden sei, der ihm erzählt habe, er hätte eine Verbindung nach Kapfenberg und St. Pölten gehabt«.[48] Der Gestapo-Konfident verlor also keine Zeit, seine Fühler in jene zwei Bundesländer auszustrecken, deren kommunistische Widerstandsnetze neben Wien im Jahr zuvor die schwersten Verluste hatten hinnehmen müssen.

Bei der dritten Sitzung am 19. April 1942, die in einem Gartenhaus in Kierling stattfand, wurde Margarete Kahane eingeführt, ferner Friedrich Mastny,[49] ein führender Funktionär des KJV. Der Jugendverband wurde systematisch von Kahane unterwandert, und wahrscheinlich war es auch in diesem Fall Koutny, der ihr den Zutritt verschafft hatte.[50]

Es würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, näher auf die organisatorischen wie personellen Querverbindungen dieses Zentralkomitees einzugehen, über dessen Aktivitäten Woche für Woche dem N-Referat der Gestapo berichtet wurde und die überaus detailreich überliefert sind.[51] Lediglich auf zwei Aspekte soll hier verwiesen werden. Durch Gajda, Däninger und Sip, die seit Herbst 1940 miteinander bekannt waren, kam eine personelle bzw. organisatorische Anbindung eines ab Herbst 1941 im Untergrund wirkenden, vornehmlich aus Ärzten bestehenden Zirkels zustande, der sogenannten Intellektuellengruppe, zu der u.a. Dr. Adalbert Springer, Dr. Fritz Ryvarden, Dr. Karl Sommer, Dr. Ida Markusfeld und Johann Riedl gehörten.[52] In der Anfangsphase war Dr. Leopold Knopf, ein jüdischer Arzt, die treibende Kraft, und eine Passage in den protokollierten Verhören von Maria Sip deutet darauf hin, dass nicht alle Juden ahnungslos den Weg in die Vernichtungslager antraten: »Anfang des Jahres 1942 habe ich von Knopf einen Geldbetrag von RM 1.000,– zur Aufbewahrung übernommen. Er teilte mir gleichzeitig mit, dass er wahrscheinlich nach Polen abgeschoben werde und wenn dies der Fall sei, so könne ich den erwähnten Betrag von ihm als Geschenk betrachten.«[53]

In einer Atmosphäre wachsenden gegenseitigen Misstrauens wollte sich Jirak aus dem Zentralkomitee zurückziehen, doch der »Wiener Mann«, also Josef Koutny, zerstreute in einem Gespräch unter vier Augen seine Bedenken, sodass er sich überreden ließ, an einer weiteren Sitzung teilzunehmen, und anschließend in den Urlaub fuhr. Außerhalb der ZK-Sitzungen traf er sich auch mit Kahane (»Maid«), die Bedenken gegen Neustadtl äußerte, weil sie nicht verstehe, wie es möglich sei, dass sich dieser ohne Dokumente so lange in Wien aufhalten könne. Jirak entgegnete ihr, »Dolferl« wohne bei Bekannten und werde wöchentlich aus Mitteln der KPÖ mit 10 RM unterstützt.[54] Der Hintergrund dieses angedeuteten scheinbaren »Verdachts« gewinnt eine andere Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass Neustadtl am 17. Mai 1941 aus der Haft geflüchtet war und als einziges ZK-Mitglied nicht am polizeilich gemeldeten Wohnsitz lebte.[55] Wahrscheinlich hatte ihn die Gestapo durch die Beschreibungen Kahanes oder Koutnys bereits ins Visier genommen und versuchte mittels ihrer Konfidentin, auf die geschilderte Weise seinen aktuellen Unterschlupf zu eruieren. Recht widersprüchlich erscheint zunächst eine weitere Bemerkung Kahanes, die sich bei Jirak darüber beschwerte, dass der »Wiener Mann« alle Verbindungen an sich zu reißen versuche. Aber Koutnys Position als Org-Leiter war aufgrund seiner »Erfolge« unangefochten, und Kahane konnte, wenn ihre Bemerkung ein perfider Test war, mit Jiraks Antwort vollauf zufrieden sein: »Ich sagte ihr dazu, dass dies eigentlich seine Aufgabe als ›Wiener Mann‹ sei.«[56]

Am 10. Juli 1942 traf Jirak zum letzten Mal mit Josef Koutny zusammen und wunderte sich darüber, dass dieser seine Adresse kannte. Erneut forderte der Gestapo-Spitzel den KP-Funktionär auf, zu den ZK-Sitzungen zu erscheinen.[57]

Für die Gestapo bestand akuter Handlungsbedarf, nachdem Neustadtl die Absicht geäußert hatte, in der Erwartung einer baldigen Festnahme nach Innsbruck zu flüchten, und dabei ausgerechnet Kahane ins Vertrauen zog, die bei der Flucht mitwirken sollte. Die folgenden dramatischen Ereignisse gehen detailliert aus der Vernehmung von Maria Sip sowie einer Zusammenfassung aus dem über sie verfassten Schlussbericht hervor:[58] »Am Abend kam Neustadtl selbst in die Wohnung der Sip, um mit dieser und Gajda zu beraten, was er tun solle. Schliesslich willigte die Sip ein, den Neustadtl bei ihr nächtigen zu lassen […]. Da auch Gajda die Absicht hatte zu flüchten, übergab ihm Maria Sip einen Betrag von RM 1.000,–, die sie von Dr. Knopf erhalten hatte. Davon folgte Gajda am 11.7.1942 dem Neustadtl sowie dem ›Wiener Mann‹ je RM 300,– aus und behielt den Rest von RM 400,– für sich.

Am 13.7.1942 begab sich Maria Sip über Aufforderung des Gajda zu Däninger, um diesen von dem Vorgefallenen zu unterrichten und zu ersuchen, durch das Meldeamt das ›Dirndl‹ oder die ›Gretl‹, die bei einem gewissen Glaser in der Wurmsergasse wohnen soll und mit der Neustadtl und Gajda noch einmal sprechen wollten, ausfindig zu machen, was Däninger zu tun versprach. Däninger stellte darauf fest, dass ein Glaser wohl in der Meiselstrasse 15–17, aber nicht in der Wurmsergasse wohnte. Dies teilte die Sip dem Gajda noch am 13.7.1942 mit.

Darauf wurden Gajda und Neustadtl noch am 13.7.1942 und Maria Sip, Franz Däninger und Franz Jirak am 14.7.1942 festgenommen.«[59]

Adolf Neustadtl und Emil Voreiter erhängten sich in der Haft am 23. März 1943, die übrigen Mitglieder des Zentralkomitees wurden zum Tode verurteilt und enthauptet, ebenso Maria Sip, Leopold Ecker, Veriand Kernau, Friedrich Mastny, Adalbert Springer, Johann Riedl und viele andere.[60] Zehn Tage nach Verkündung des Todesurteils betonte Jirak in einer Eingabe: »Nun waren diese Zusammenkünfte gar nicht von Kommunisten einberufen, sondern von Provokateuren, die mich einfangen und der Gestapo überliefern wollten […] Ich bemerke, dass ich zu diesen Zusammenkünften überhaupt nur gegangen bin, weil mich die Provokateure, die ich dem Namen nach gar nicht kenne, immer und immer wieder gedrängt haben.«[61]

Schließt man die bereits Ende Mai 1942 aufgerollten Gruppen des KJV mit ein, kommt man wahrscheinlich auf 200 bis 250 KP-Aktivisten und Sympathisanten, die in Verbindung mit dem 4. Zentralkomitee standen und ab Mitte Juli 1942 festgenommen wurden.[62]

Anders als bei der Aufrollung des 3. Zentralkomitees hinterließen die Gestapo-Spitzel im Juli 1942 jedoch nicht »nur« einen organisatorischen Trümmerhaufen. Kurz vor dem Untergang der vierten zentralen Leitung konstituierte sich, wie ein Organisationsdiagramm des Kommunismus-Referats der Wiener Gestapo zeigt, eine »provisorische Wiener Stadtleitung der KPÖ«, die aus vier Leitungsmitgliedern bestand. Einer dieser vier Funktionäre war Alois Larva[63] – V-Mann der Gestapo und Vertrauter von Koutny, dem er in der Hierarchie der Spitzel unterstand.[64] Die Kontinuität eines »Ablegers« des ZK ging also direkt mit einer Kontinuität der Gestapo-Präsenz einher. Der wichtigste »echte« Mitarbeiter, Hermann Plackholm, war Hauptwachtmeister der Wiener Feuerschutzpolizei und wurde am 2. Februar 1943 festgenommen. In der schon zitierten Darstellung lesen wir: »Die Polizei hatte bei dieser Aktion Glück, denn sie war eher zufällig auf diese Gruppe gestoßen.«[65]

Das kann man nach Kenntnis der Zusammensetzung des Leitungsgremiums wohl ausschließen.

 

Die lange Leine des Verfolgungsapparats: Alois Weidinger und die Gruppe »Kral«

Am 24. Juli 1941 nahm die Gestapo den im Radio-Werk Horny als Vorarbeiter beschäftigten Georg Weidinger fest,[66] einen KP-Aktivisten mit unspektakulärer politischer Vergangenheit.[67] Die kurze Haft und seine Anwerbung als Gestapo-Konfident schilderte er 1947 im Gewahrsam der österreichischen Behörden:[68] »Hier wurde nun behauptet, dass ich Schleichhandel in größerem Ausmaße betreibe und wandte sich dann das Verhör meiner politischen Betätigung zu. Es wurde mir vorgehalten, dass ich mich aktiv für die KPÖ betätige und angeblich an der Sprengung eines Telefonkioskes in der inneren Stadt beteiligt gewesen wäre. Ich stritt diese Anschuldigungen ab und wurde mit den üblichen Gestapomethoden behandelt und mir schließlich eindeutig nachgewiesen, dass ich Verbindungen zu anderen KP-Mitgliedern aufrechterhalte. Da ich trotz der vorgehaltenen Beweise hartnäckig leugnete, erklärte mir schließlich der Gestaporeferent, dass ich ohnehin verloren sei. […] Ich könnte mich und meine Familie nur dadurch retten, dass ich für die Gestapo tätig sei. Da ich mich weigerte, die Rolle eines Denunzianten zu spielen, wurde mir versichert, dass ich lediglich in bereits bestehende Widerstandsgruppen eingebaut werden würde und ich durch meine Tätigkeit sogar helfen könnte, diese Leute vor unbedachter Betätigung zu warnen.[69]

In Anbetracht der gegebenen Lage erklärte ich mich schließlich bereit, das mir gestellte Angebot anzunehmen, verpflichtete mich schriftlich zu strengstem Stillschweigen und wurde sodann mit dem Bemerken enthaftet, dass ich weiteres hören würde. Ca. im September 1941 wurde ich schriftlich zur Gestapo vorgeladen und mir von einem Referenten namens Schweighofer die Mitteilung gemacht, dass ich in Zukunft den Decknamen ›Rudolf‹ führe, unter welchem ich mich auch bei Anrufen durch die Gestapo zu melden hatte. Durch Schweighofer wurde ich mit ›Joszy‹ (richtiger Name Koutny) zusammengeführt und von diesem dann meiner eigentlichen Tätigkeit zugeführt.«[70]

Ende 1941 wurde Weidinger von Koutny in eine kommunistische Gruppe im 13. Bezirk eingeschleust, als deren Leiter Matthias Göth (Deckname »Kral«), ein Gemeindeangestellter, fungierte. Da Koutny die personelle Zusammensetzung dieses Zirkels im Wesentlichen bereits erkundet hatte, zog er sich aus ihm zurück und erteilte Weidinger den Auftrag, gemeinsam mit »Kral« zu weiteren Widerstandsgruppen Kontakt aufzunehmen bzw. abgerissene Verbindungen wiederherzustellen.[71] Auf diese Weise kamen Kontakte mit einer kommunistischen Betriebszelle (Leitung Robert Fritsch) in der Firma GÖC und einer von Willibald Haas geführten Gruppe in Liesing zustande.[72] Die Zusammenkünfte zwischen dem Gestapo-Spitzel und Göth fanden zumeist in dessen Wohnung statt.

Im Rahmen der vom 4. illegalen ZK zügig in Angriff genommenen Reorganisierung wurde »Kral« als Bezirksleiter für den 13. Bezirk eingesetzt oder bestätigt. Zusammen mit dem 14. (Wölfel) und 15. Bezirk (Robert Fritsch) bildete Göths Bezirk den Wiener KPÖ-Sektor II, zu dessen Leiter das ZK-Mitglied Gajda den Funktionär Alexander Rosenheim bestimmte. »Kral« nahm auch im April 1942 an einer Funktionärsbesprechung teil, bei der Gajda, Plackholm, Rosenheim, Wölfel und einige andere diese organisatorische Umstrukturierung erörterten.[73] Göth sagte 1947 aus, er habe mit »Robert« (Deckname Weidingers ab 1942) bis knapp vor Kriegsende in ständiger Verbindung gestanden.[74]

Warum wurde er nicht verhaftet? Die Gestapo kannte seine politische Rolle, seine Adresse und wusste, dass die Namen Göth und »Kral« für ein und dieselbe Person standen. Daraus machten die Gestapo-Beamten auch gegenüber Anna Koller keinen Hehl, als diese im März 1943 am Morzinplatz lange Verhöre über sich ergehen lassen musste.[75]

Außerdem fällt auf, dass sowohl in den Dokumenten der Gestapo als auch der NS-Justiz ausschließlich der Deckname »Kral« zu finden ist. In allen vergleichbaren Konstellationen wurde mit einer solchen Verschleierung ein V-Mann abgeschirmt. Aber Göth war kein Polizeispitzel, die Gründe für die »Schonung« des KP-Bezirksleiters und einiger seiner Mitstreiter waren ganz anderer Natur, auch wenn sich diese Gründe erst aus den Entwicklungen der Jahre 1943/44 erschließen.

Die Gruppe »Kral« diente in dieser späteren Periode als eine Art Auffangbecken für sowjetische Funk- und Fallschirmagenten,[76] und mit Weidingers Präsenz war gewährleistet, dass die Kontrolle sowohl über die Gruppenmitglieder als auch (teilweise) über Außenkontakte hergestellt wurde bzw. erhalten blieb. Auslandsemissäre der KPÖ bzw. Funk- und Fallschirmagenten bedurften einer intakten Infrastruktur (Quartiergeber, Kuriere, Verbindungsleute), um auf dieser Grundlage auch selbstständig weitere Verbindungen zu knüpfen und politische bzw. organisatorische Aufgaben in Angriff zu nehmen, von denen z. B. Unterstützer wie »Kral« nichts wussten. »Qualifizierte« V-Leute waren eher dünn gesät, und es hätte – bei einer restlosen Zerschlagung der ursprünglichen Unterstützergruppe (Göth) – seitens der Gestapo eines kaum zu bewältigenden logistischen und personellen Aufwands bedurft, um nachfolgenden Auslandsemissären bis zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung eine »neue« organisatorische Existenzgrundlage zu verschaffen. Aber auch nach der Verhaftung von Funk- und Fallschirmagenten erwies sich die Existenz einer »echten«, von der Gestapo allerdings völlig kontrollierten Widerstandsgruppe als (nachrichtendienstlicher) Vorteil für den NS-Verfolgungsapparat. Die im Gestapo-Gewahrsam befindlichen Kundschafter wurden zu sogenannten Funkspielen mit der Moskauer Leitstelle gezwungen, und bei diesem Funkverkehr wäre es – zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg – sehr schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen, glaubwürdige Falschmeldungen über eine »Unterstützergruppe« zu senden, die überhaupt nicht mehr existierte. Deshalb konnten »Kral« und einige Angehörige seiner Gruppe bis Kriegsende ungehindert agieren, ohne zu ahnen, dass sie der Gestapo faktisch als Werkzeug für die Durchführung größerer und wichtigerer »Aktionen« dienten.

Bis 1943 blieb Weidinger in der Firma Horny beschäftigt, aber auf Dauer vertrug sich dies nicht mit den wachsenden Aufgaben, die ihm Lambert Leutgeb (Leiter des Gestapo-Referats IV N) bzw. dessen Stellvertreter, Johann Schweighofer, zugedacht hatten. Als er zur Wehrmacht eingezogen werden sollte, intervenierte Leutgeb umgehend, und der V-Mann wurde »uk«[77] gestellt. Über das Referat IV N wurde ihm eine auf den Namen »Robert Nemec« lautende Kennkarte ausgestellt. Ab dieser Zeit war er »hauptberuflich« für die Gestapo tätig und erhielt ein monatliches Netto-Gehalt von 300 Reichsmark, ferner Pauschalspesenvergütungen in Höhe von 100 bis 150 Reichsmark pro Monat sowie Zigarettenzuteilungen und Urlauber-Lebensmittelkarten. Außerdem trug Weidinger ständig eine von der Gestapo zur Verfügung gestellte Schusswaffe bei sich.[78]

 

IV. Was wurde aus den Hauptakteuren nach 1945?

1946 leiteten die österreichischen Behörden gegen Lambert Leutgeb ein Verfahren ein, und zwar nach den Paragrafen 10 und 11 (Illegalität) des NS-Verbotsgesetzes sowie nach Paragraf 3 (Misshandlungen) und Paragraf 7 (Denunziation) des Kriegsverbrechergesetzes (KVG). Dieses Verfahren wurde allerdings am 1. Juli 1947 abgebrochen, da Leutgeb von der sowjetischen Besatzungsmacht an Jugoslawien ausgeliefert worden war. 1948 klagte ihn ein Belgrader Militärgericht wegen seiner Tätigkeit gegen jugoslawische Widerstandsgruppen in der »Ostmark«, Kroatien und Slowenien an. Mit ihm auf der Anklagebank saß Josef Koutny, dem vor allem zur Last gelegt wurde, dass er in provokatorischer Weise die Fluchtvorbereitungen zahlreicher jugoslawischer Zwangsarbeiter »unterstützt« hatte (sogar mit Reisepässen), um sie unmittelbar vor der Flucht an die Gestapo auszuliefern. Zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, wurde Leutgeb jedoch bereits im November 1952 wieder freigelassen und nach Österreich abgeschoben. Das 1947 abgebrochene Verfahren wurde von den österreichischen Justizbehörden nicht wieder aufgenommen, sodass er in Österreich völlig unbehelligt blieb. Zuletzt arbeitete der frühere Gestapo-Referatsleiter als Küchenchef des Restaurants Festung Hohe Salzburg, bevor er 1960 in Pension ging.[79]

Die Informationen über die Nachkriegstätigkeit der wichtigsten V-Leute im kommunistischen Widerstand sind recht dürftig, wohl auch deshalb, weil keiner von ihnen in Österreich verurteilt wurde. Einem Bericht der Polizeidirektion Wien (1947) ist Folgendes zu entnehmen: »Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Terrorregimes flüchteten die Gebrüder Koutny aus Wien. Während sich Josef Koutny nach einiger Zeit den hiesigen Sicherheitsbehörden stellte und auf Begehren der sowjetrussischen Besatzungsmacht ausgeliefert wurde, ist Koutny Leopold bis zum heutigen Tage flüchtig.«[80] 1957 wurde im Zuge der Amnestie für NS-Täter das seit 1947 anhängige Verfahren eingestellt.[81]

Georg Weidinger verbrachte die Jahre 1948 bis 1955 in sowjetischer Haft und kehrte nach dem Österreichischen Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 aus Moskau nach Österreich zurück. Kurt Koppel blieb bis 1944 in Kroatien. Nach den dortigen »Einsätzen« war er wiederum als V-Mann für die Gestapo tätig, diesmal im Rahmen der Abteilung VI E (Abwehr).[82] Seine Spur verliert sich Ende April 1945, als er sich in Bad Aussee aufhielt, dem kurzfristigen Rückzugsgebiet für zahlreiche schwer belastete Nationalsozialisten. Berichte, denen zufolge er nach Kriegsende vom britischen Geheimdienst angeworben wurde und sich in Ägypten oder Palästina betätigte, konnten nicht verifiziert werden. Margarete Kahane, die sich kurz vor Kriegsende ebenfalls nach Bad Aussee zurückgezogen hatte, wurde aus der amerikanischen Besatzungszone nach Wien entführt und ins Gefängnis eingeliefert, wo sie ihre zweite Tochter zur Welt brachte. Als das Kind alt genug war, um abgestillt zu werden, wurde sie nach Jugoslawien ausgeliefert, da sie der Gestapo auch Partisanen ans Messer geliefert hatte. Kahane verstarb 1950 in jugoslawischer Haft. Ob sie hingerichtet wurde oder einer Krankheit erlag, geht aus dem Totenschein nicht hervor.[83]

 


[1] Siehe Franz Weisz: Die V-Männer der Gestapoleitstelle Wien. Organisation, Personalstruktur, Arbeitsweise, in: Zeitgeschichte, 40 (November/Dezember 2013), H. 6, S. 339.

[2] Siehe Diana Albu/Franz Weisz: Spitzel und Spitzelwesen der Gestapo in Wien von 1938 bis 1945, in: Wiener Geschichtsblätter, 54 (1999), H. 3, S. 169–208, hier S. 175.

[3] In seiner 16 Bände umfassenden Dissertation zur Wiener Gestapo führte Franz Weisz bereits 77 Gestapo-Spitzel namentlich auf (unter Einschluss einiger damals in dieser Funktion noch nicht bekannter V-Leute des Sicherheitsdienstes (SD) bzw. der Abwehrstelle Wien). Siehe Franz Weisz: Die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Wien 1938–1945. Organisation, Arbeitsweise und personale Belange, Phil. Diss., Universität Wien 1991, Beilage Nr. 39 (nicht pag.). Ein überaus bemerkenswerter Fund gelang dem Historiker Thomas Mang, der im Archiv der Republik Slowenien (Ljubljana) ein undatiertes Vernehmungsprotokoll von Lambert Leutgeb (ehem. Leiter des Nachrichten-Referats der Gestapo Wien) entdeckte, das u.a. kurze Beschreibungen von 59 V-Leuten seiner früheren Dienststelle enthält. Siehe Thomas Mang: »Er brachte sehr gute und schöne Nachrichten« – Leutgebs V-Leute der Gestapo, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (im Folgenden: DÖW) (Hg.): Österreichische Akteure im Nationalsozialismus, Wien 2014, S. 165–193. Mehr als die Hälfte der darin angeführten Personen war bis dato völlig unbekannt.

[4] In Wien beispielhaft etwa Eduard Pamperl (geb. 1919), Franz Pachhammer (geb. 1921) und Alfred Ziganek (geb. 1924). Zu deren unheilvollem Wirken siehe Hans Schafranek: Drei Gestapo-Spitzel und ein eifriger Kriminalbeamter. Die Infiltration und Zerschlagung des KJV Wien-Baumgarten (1940) und der KPÖ-Bezirksleitung Wien-Leopldstadt (1940/41) durch V-Leute der Gestapo, DÖW (Hg.): Jahrbuch 2009, Wien 2009, S. 253–264 und 274–277.

[5] Beispielhaft etwa der Fall des früheren KPÖ-Polbüromitglieds Karl Zwifelhofer. Siehe dazu Hans Schafranek: V-Leute und »Verräter«. Die Unterwanderung kommunistischer Widerstandsgruppen durch Konfidenten der Wiener Gestapo, in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 36 (September 2000), H. 3, S. 300–349, hier S. 312–316 und 334–339.

[6] Im Regelfall bestand diese »Aufkündigung« darin, dass die Gestapo nicht intervenierte, wenn V-Leute, die nichts mehr »lieferten«, zum Dienst in der Wehrmacht eingezogen wurden.

[7] Siehe Bericht der Gestapo Wien bei der Tagung der N- und IV-A-1-Referenten der Ostmark, 20. 3. 1944, DÖW, Akte 5.080, n.pag.

[8] Der Terminus »Zentralkomitee« wird wiederholt in den Gestapo-Vernehmungsprotokollen der verhafteten Mitglieder dieses Gremiums verwendet. Man könnte diese organisatorische Struktur auch als »Inlandsleitung« oder »Zentrale Leitung« der KPÖ bezeichnen, um eine Verwechslung mit der übergeordneten Instanz, dem im Moskauer Exil tätigen Zentralkomitee der KPÖ zu vermeiden. Soweit der quellennahe Begriff »ZK« oder »Zentralkomitee« in der Folge verwendet wird, bezieht er sich ausschließlich auf die in Österreich tätige Organisation.

[9] Siehe etwa Hartmut Mehringer: Die KPD in Bayern 1919–1945. Vorgeschichte, Verfolgung und Widerstand, in: Martin Broszat/Hartmut Mehringer (Hg.): Bayern in der NS-Zeit, Bd. 5, München 1983, S. 1–286, hier S. 157; Edith Höpfner: Stuttgarter Arbeiterbewegung. Zwischen Republik und Faschismus, Stuttgart 1984, S. 71.

[10] Zur Unterwanderung sozialistischer Widerstandskreise im »Altreich« und in der Emigration siehe Siegfried Grundmann: Die V-Leute des Gestapo-Kommissars Sattler, Berlin 2010.

[11] Der Verf. arbeitet an einer Gesamtdarstellung zur Unterwanderung des antifaschistischen Widerstandes in Österreich (1938–1945) durch V-Leute der Gestapo. Die bisherigen Forschungen ergaben, dass in besonders starkem Ausmaß auch legitimistische Gruppierungen ins Visier der Gestapo gerieten, obwohl sie zahlenmäßig weitaus schwächer waren als der KP-orientierte Widerstand. Dieser starke Fokus resultierte aus vermuteten oder tatsächlichen Verbindungen zu dem nach Frankreich emigrierten Otto von Habsburg, dessen realen politischen Einfluss die Gestapo überschätzte.

[12] Klaus-Michael Mallmann: Die V-Leute der Gestapo. Umrisse einer kollektiven Biographie, in: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hg.): Die Gestapo. Mythos und Realität, Darmstadt 1995, S. 268–287, hier S. 274. Darin hebt er u.a. einen wichtigen Faktor hervor, »der das Interesse an diesem Fragenkomplex dämpfte. Gemeint ist die moralisch erbauende Dimension, die der Widerstandsforschung vielfach eigen war und ist, deren pathetische Projektion des absolut Guten in ihre Subjekte, deren verklärende Vorstellung eines allzeit vorbildhaften, unerschütterlich heroischen Widerstandes. Daß die Regimegegner jeder Couleur stets auch durch V-Leute zersetzt und infiltriert werden konnten und dies real auch wurden, vertrug sich nicht mit derlei denkmalhafter Überhöhung, führte zur beschriebenen Minimalisierung, ja sogar zur Exterritorialisierung des Phänomens. Im besonderen – wenn auch keineswegs ausschließlich – traf dieser purifizierte Antifaschismus auf die Historiographie der DDR zu […]«.

[13] Ebd.

[14] Unter dem Pseudonym Konrad H. Klaser veröffentliche Koppel auch zwei Bücher: Spione, Bomben und Verschwörer in der serbischen Politik, Zagreb 1941; ders.: Mörder am Frieden. Agonie der Balkananarchie. Ein Tatsachenbericht, Zagreb 1942. Diesen Hinweis verdanke ich Franz Weisz.

[15] Den Decknamen »Ossi« verwendete Koppel seit 1936 im illegalen Kommunistischen Jugendverband (daher die damals gängige Bezeichnung »I-Name«), während die von der Gestapo ausgestellte Kennkarte auf den Namen »Glaser« lautete.

[16] Siehe dazu ausführlich Hans Schafranek: V-Leute und »Verräter« (Anm. 5), S. 300–349; ders.: Die Infiltration des antifaschistischen Widerstandes durch V-Leute der Gestapo. Am Beispiel des 3. illegalen ZK der KPÖ und ihrer Verbindungsnetze (1940/41), in: Andreas Baumgartner/Isabella Girstmair/Verena Kaselitz (Hg.): Wer widerstand? Biografien von WiderstandskämpferInnen aus ganz Europa im KZ Mauthausen und Beiträge zum Internationalen Symposium 2008, Wien 2008, S. 129–137.

[17] Siehe Hans Schafranek: Julius Kornweitz und Leo Gabler – Auslandsemissäre der KPÖ im Visier der Gestapo, DÖW (Hg.): Jahrbuch 2011, Wien 2011, S. 185–208, hier S. 201.

[18] Radomir Luza: Der Widerstand in Österreich 1938–1945, Wien 1984, S. 158.

[19] Vor allem aus der Außenstelle des Bundesarchivs in Dahlwitz-Hoppegarten (Vernehmungsprotokolle und Berichte der Gestapo-Leitstelle Wien) und dem Zentralarchiv des früheren KGB in Moskau.

[20] Zu der Indizienkette, die eine solche Auffassung begründete, siehe Schafranek: V-Leute und »Verräter« (Anm. 5), S. 329–331.

[21] Siehe Niederschrift der Einvernahme mit Zeugeneinvernahme von Alfred Monz, 8. 3. 1949, DÖW, Spanienkämpfer-Sammlung, Dossier Kurt Koppel.

[22] Siehe Urteil des Volksgerichtshofs gegen Friedrich Hedrich, Hermine Zaynard, Margarete Brzobohaty, 30. 9. 1943, DÖW, Akte 3.405.

[23] Siehe Interview des Verf. mit Erna Hedrich (1984), Teil 3, Transkript, S. 15.

[24] Siehe Interview des Verf. mit Jaroslav Brezik (1984), Teil 3, Transkript, S. 13–27.

[25] Siehe Staatspolizeileitstelle Wien, Vernehmungsprotokoll Friedrich Schwager, 1. 12. 1942, Bundesarchiv, Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten (im Folgenden: BArch ZA D-H) ZB II, Akt 694; Urteil des VGH, 5. Senat, gegen Friedrich Schwager, 20. 2. 1943, BArch ZA D-H, VGH 2.651.

[26] Siehe Protokoll der Einvernahme von Rosa Friedl durch die Staatspolizei, Ref. 1/d, 6. 8. 1945, DÖW, Akte 19.685.

[27] Zur Identifizierung siehe Vernehmung Georg Weidinger durch Oberstleutnant Bojtschenko, Moskau, 17. 9. 1948 (russ.), Zentralarchiv des FSB (russischer Inlandsgeheimdienst, vormals KGB-Archiv), Ermittlungs- und Strafakte des MGB (Ministerium für Staatssicherheit) in der Angelegenheit Georg Weidinger. Die Identität von »Edi« und Josef Koutny wurde auch durch eine Aussage von Rosa Friedl (ehemalige Sekretärin von Lambert Leutgeb im N-Referat der Gestapo) bestätigt.

[28] Zur Identifizierung siehe Bericht der Polizeidirektion Wien, Abt. I, 11. 6. 1947, Wiener Stadt- und Landesarchiv (im Folgenden: WStLA), Vg 8e Vr 166/53.

[29] Zur Identifizierung siehe Vernehmung Georg Weidinger, Wien, 28. 7. 1947, Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakte des MGB in der Angelegenheit Georg Weidinger.

[30] Zur Identifizierung siehe Vernehmung Georg Weidinger durch Oberstleutnant Bojtschenko, 17. 9. 1948, Moskau, Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakte Georg Weidinger. Um Verwechslungen zu vermeiden, ist darauf hinzuweisen, dass im kommunistischen Untergrund Wiens noch ein zweites »Spitzelpaar« der Gestapo mit den Decknamen »Edi« und »Lux« tätig war, nämlich Eduard Pamperl und Josef Pachhammer. Ein dritter »Edi«, der 1939/40 illegale Gruppen der Revolutionären Sozialisten bespitzelte, war der frühere, seit 1934 als Verräter par excellence geltende Schutzbund-Kommandant Eduard Korbel.

[31] Siehe Zeugenaussage Johann Schweighofer, Protokoll der Hauptverhandlung gegen Alois Larva, 5. 4. 1948, WStLA, Vg 12i Vr 459/47.

[32] Tagesberichte der Gestapo-Leitstelle Wien Nr. 6 (14. 1.–15. 1. 1942) und Nr. 7 (16. 1.–17. 1. 1942), DÖW; Zeugenaussage Schweighofer, 5. 4. 1948, WStLA, Vg 12i Vr 459/47.

[33] Ebd., Polizeidirektion Wien, Staatspolizei, Referat I/a, Einvernahme Josef Koutny, 22. 12. 1945.

[34] Georg Weidinger sagte am 17. September 1948 in sowjetischer Haft aus, die Brüder Koutny seien 1940 oder 1941 von der Gestapo als Agenten angeworben worden. Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakte Georg Weidinger.

[35] Diese Auffassung vertritt Franz Weisz, mit dem der Verf. zahlreiche einschlägige Gespräche geführt hat.

[36] Auch der 130-seitige Schlussbericht der Gestapo-Leitstelle Wien (IV A1), in dem die Tätigkeit von 29 namentlich genannten KPÖ-Funktionären dargestellt wird, belässt es bei dieser vagen Formulierung. Siehe Schlussbericht betr. Organisation des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Österreichs, 10. 10. 1943, S. 11 f., Bundesarchiv Berlin (im Folgenden: BArch) R 58/3.982. Siehe auch Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim VGH gegen Franz Jirak und Karl Baubelik, 10. 2. 1943, DÖW, Akte 4.178.

[37] Siehe Gestapo-Schlussbericht, 10. 10. 1943, BArch R 58/3.982.

[38] Den Kontakt zwischen Koutny und Gajda hatte zuvor Anna Koller, eine Aktivistin aus der Gruppe »Kral«, vermittelt. Bericht der Staatspolizeilichen Exekutive an die Staatsanwaltschaft Wien, 6. 8. 1947, WStLA, 31 Vr 624/56.

[39] Siehe Bericht über die Tätigkeit der Gruppe Däninger, o.D., DÖW, Akte 1.131.

[40] Fünf weitere ZK-Sitzungen fanden in der Wohnung von Johann Graf (Johnstraße), im Edenbad (Hütteldorf) und einem Schrebergarten in Liesing statt.

[41] Siehe Aktenvermerk Kriminalsekretär Wedl, 13. 7. 1942; Bericht Gestapo Wien, IV A 1, 14. 7. 1942; Vorführungsnote Maria Sip, 14. 7. 1942; Vernehmungsprotokolle Maria Sip, 23. 7. 1942 und 1. 10. 1942; Schlussbericht Maria Sip, 13. 1. 1943; alle Dokumente: BArch ZA D-H, VGH 4.062/Bd. 1.

[42] Die Anführungsstriche wurden in Gestapo-Protokollen stets verwendet, wenn die vernommene Person den Namen nicht wusste bzw. preisgab. Die jeweilige Bezeichnung erschien dann nochmals nebst der Seitenangabe des Protokolls in der Liste der identifizierten bzw. nicht identifizierten Personen.

[43] Der handschriftliche Zusatz des Gestapo-Beamten, an sich schon ungewöhnlich, war in diesem Fall eigentlich völlig überflüssig, weil Jirak anhand des Fotos ohnehin Neustadtl identifizierte. Er bestärkt jedoch die Vermutung, dass das Foto zuvor Kahane vorgelegt wurde, die ihn eindeutig wiedererkannte, sodass Jiraks Aussage lediglich das bestätigte, was die Gestapo schon längst wusste.

[44] Mit Bezeichnungen dieser Art war in der Illegalität jeweils nicht die Herkunft gemeint, sondern der organisationsinterne Zuständigkeitsbereich, was sich etwa auch in Formulierungen wie »Provinzmann«, »Kreismann«, »Bezirksmann« usw. niederschlägt.

[45] Vernehmungsprotokoll Franz Jirak, 15. 7. 1942, BArch ZA D-H, VGH 4.195/Bd. 4.

[46] Siehe ebd., Vernehmungsprotokoll Franz Jirak, 16. 7. 1942.

[47] Zur Identifizierung Koutnys als ZK-Mitglied siehe auch Vernehmung Georg Weidinger durch Oberstleutnant Bojtschenko, 17. 9. 1948, Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakt Georg Weidinger.

[48] Vernehmungsprotokoll Franz Jirak, 16. 7. 1942, BArch ZA D-H, VGH 4. 195/Bd. 4.

[49] Siehe ebd., Vernehmungsprotokoll Franz Jirak, 15. 7. 1942.

[50] Siehe Niederschrift der Zeugenvernehmungen mit Anna Opferkuh, 22. 2. 1949 und Anna Bienstock, 22. 2. 1949, DÖW, Spanienkämpfer-Sammlung, Dossier Kurt Koppel.

[51] Siehe Vernehmungsprotokolle Franz Jirak, 15. 7. 1942, 16. 7. 1942, 18. 7. 1942, 19. 7. 1942 (zwei Protokolle), 21. 7. 1942 (zwei Protokolle), 29. 9. 1942, BArch ZA D-H, VGH 4. 195/Bd. 4; Schlussbericht betr. Organisation des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Österreichs, 10. 10. 1943, BArch R 58/3.982.

[52] Siehe Staatspolizeileitstelle Wien, Vernehmungsprotokoll Maria Sip, 23. 7. 1942; Schlussbericht Maria Sip, 13. 1. 1943; Vorführungsnote Karl Sommer, 20. 2. 1943; Der Oberreichsanwalt beim VGH, 7J 213/43, Anklageschrift gegen Karl Sommer und Johann Riedl, 23. 4. 1943, BArch ZA D-H, VGH 4.062/Bd. 1.

[53] Ebd., Vernehmungsprotokoll Maria Sip, 23. 7. 1942.

[54] Vernehmungsprotokoll Franz Jirak, 21. 7. 1942, BArch ZA D-H, VGH 4.195, Bd. 4.

[55] Siehe Staatspolizei-Leitstelle Wien, IV A, Schlussbericht betr. Organisation des Zentral-Komitees (ZK) der Kommunistischen Partei Österreichs und der Provisorischen Wiener Stadtleitung der KPÖ, 10. 10. 1943, S. 106, BArch R 58/3.982.

[56] Vernehmungsprotokoll Franz Jirak, 21. 7. 1942, BArch ZA D-H, VGH 4.195, Bd. 4.

[57] Ebd. (2. Protokoll).

[58] Siehe Vernehmungsprotokoll Maria Sip, 23. 7. 1942, BArch ZA D-H, VGH 4.062/Bd. 1.

[59] Ebd., Schlussbericht betr. Maria Sip, 13. 1. 1943.

[60] Siehe Staatspolizeileitstelle Wien, Aktenvermerk, 9. 10. 1943, BArch ZA D-H, VGH 4.195/Bd. 4.

[61] Niederschrift Jirak, aufgenommen beim Landesgericht Wien, 20. 3. 1944, VGH 4.195/Bd. 1.

[62] Ausweislich der im DÖW aufbewahrten Tagesberichte der Gestapo-Leitstelle fanden Festnahmen im Kontext dieser Gruppierung bis Juli 1943 statt.

[63] Siehe Staatspolizei-Leitstelle Wien, IV A 1, Anhang zum Schlussbericht vom 10. 10. 1943, BArch R 58/3.982.

[64] Siehe dazu ausführlich das Verfahren gegen Alois Larva, WStLA, Vg 12i Vr 495/47.

[65] Luza: Widerstand (Anm. 18), S. 159.

[66] Siehe Staatspolizeileitstelle Wien, Tagesrapport Nr. 12 vom 25. bis 27. Juli 1941, DÖW, 5.732/d.

[67] 1907 geboren, gehörte Weidinger seit 1921 der Sozialistischen Arbeiterjugend und später der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) an. Nach deren Verbot schloss er sich 1934 der KPÖ an und war in Wien-Simmering, seinem Wohnbezirk, am Vertrieb von illegalen Flugblättern beteiligt. Zeitweilig fungierte er auch als Kassier der Roten Hilfe im Bezirk.

[68] Weidinger wurde 1948 der sowjetischen Besatzungsmacht übergeben und in die UdSSR deportiert. Seine Strafakte im Moskauer FSB-Archiv enthält nicht nur die Niederschriften der in sowjetischer Haft durchgeführten Vernehmungen, sondern auch – teils auszugsweise, teils vollständige – Vernehmungsprotokolle und Zeugenaussagen dritter Personen, die aus den Ermittlungsakten der österreichischen Behörden stammen. Dies zum Verständnis der Quellenangaben in den folgenden Anmerkungen.

[69] Diese Schutzbehauptung bedarf eigentlich kaum eines Kommentars. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass besonders in Wien etliche V-Leute noch über den ihnen ursprünglich zugedachten Aufgabenkreis der Bespitzelung hinaus agierten, da sie sich – teils aus eigenem Antrieb, teils im Einvernehmen mit dem N-Referat der Gestapo – als Agents provocateurs betätigten und dadurch zu einer erheblichen Radikalisierung der unterwanderten Widerstandsgruppen beitrugen, z. B. durch die Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen. Als Beispiel für einen besonders »erfolgreichen« Agent provocateur sei hier der im konservativen Widerstand tätige Burgschauspieler Otto Hartmann genannt, der für die Verhaftung von annähernd 300 Personen verantwortlich war und Ende 1947 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

[70] Auszug einer Vernehmungsniederschrift, o. D. [Juli 1947] mit Georg Weidinger, Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakte Georg Weidinger.

[71] Siehe ebd., Vernehmungsprotokoll Georg Weidinger, 28. 7. 1947.

[72] Siehe ebd.; ferner: Bundes-Polizeidirektion Wien, Abt. I, Niederschrift Zeugeneinvernahme Willibald Haas, 19. 7. 1947, WStLA, 31 Vr 624/56.

[73] Siehe Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim VGH gegen Alexander Rosenheim, Rudolf Kirchberger, Robert Fritsch, Maria Pitschko und Josef Hubinek, 30. 11. 1943, DÖW, Akte 4.290.

[74] Niederschrift der Zeugenaussage Matthias Göth, 16. 7. 1947, Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakte Georg Weidinger.

[75] Siehe ebd., Niederschrift der Zeugenaussage Anna Koller, 17. 7. 1947.

[76] Zur Aufdeckung einer Reihe von KPÖ-Funktionären durch Weidinger und Koutny in diesem Kontext (1943/44) siehe Hans Schafranek: Wiener Gestapo-Spitzel im Umfeld sowjetischer Funk- und Fallschirmagenten und als Mitbegründer der 4. illegalen Inlandsleitung der KPÖ (1942), in: Zeitgeschichte (November/Dezember 2013), H. 6, S. 332 f.

[77] »unabkömmlich«, d. h. zurückgestellt.

[78] Siehe Vernehmungsprotokoll Georg Weidinger, 29. 7. 1947, Zentralarchiv des FSB, Ermittlungs- und Strafakte Georg Weidinger.

[79] Siehe Christine Cézanne-Thauss: Ein Wiener Gestapobeamter und seine Spitzel. Zur Biographie und Tätigkeit Lambert Leutgebs, Leiter des Nachrichtenreferats der Gestapoleitstelle Wien. Diplomarbeit an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, April 2003, S. 130.

[80] Bericht der Polizeidirektion Wien, Abt. I, 11. 6. 1947, WStLA, Vg 8e Vr 166/1955.

[81] Siehe ebd., Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien, 8. 4. 1957.

[82] Siehe Thomas Mang: »Er brachte sehr gute und schöne Nachrichten« (Anm. 3), S. 173.

[83] Siehe Cézanne-Thauss: Ein Wiener Gestapobeamter und seine Spitzel (Anm. 79), S. 198 f.

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