JHK 2017

Oktoberrevolution. "Flammenschrift auf Europas östlicher Wand"

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 31-52 | Metropol Verlag

Autor/in: Dietrich Beyrau

 

Oktoberrevolution. »Flammenschrift auf Europas östlicher Wand«[1]

 

I. Mythen und Narrative

Wenn heute an die Oktoberrevolution erinnert wird, so stehen sich zwei Formen des Erinnerns gegenüber, nicht ganz unverbunden miteinander, aber doch deutlich zu unterscheiden. Seit der Revolution selbst zirkulieren in Russland (und im Ausland) Legenden, Narrative und Phantasien über die Ursprünge und die Akteure der Revolution und – spätestens seit den 1960er-Jahren – entstand eine seriöse, wenn auch nicht vor-urteilsfreie Geschichtsschreibung. Zu den mythogenen Narrativen der Akteure, der Bolschewiki selbst, gehört die Kennzeichnung der Revolution als »proletarische« Revolution. Seit den 1950er-/1960er-Jahren wird sie als »Große Sozialistische Oktoberrevolution« in den offiziellen sowjetischen Narrativen und in der Historiografie gefeiert und gewürdigt. Daran wird unter russischen Historikern zum Teil bis heute festgehalten.[2] Die Bolschewiki fassten den Begriff »proletarisch« allerdings sehr weit; denn als Akteure zählten zum Proletariat nicht nur die intellektuelle Führungsriege, die nie in Fabriken gearbeitet hatte, sondern auch Kronstädter Matrosen und Soldaten der Garnisonen von Petrograd und Kronstadt, die – was die bewaffneten Aktionen in den Oktobertagen betrifft – über das Schicksal des bolschewistischen Umsturzes entschieden. Indem der 24./25. Oktober (nach dem gregorianischen) bzw. der 6./7. November (nach dem julianischen Kalender) in der Sowjetunion als Tag der Revolution mit Militärparaden gefeiert wurde, zeigte sich, wer im Nachhinein als eigentlicher »Sieger« in der Oktoberrevolution galt – das Militär als Repräsentant des im Bürgerkrieg entstandenen kriegerischen Machtstaates.[3] Sowjetische Narrative über die Oktoberrevolution wie ihre symbolischen Repräsentationen vereinseitigten die realen Vorgänge und Verhältnisse, verfälschten sie auch manchmal, wenn z.B. in der Stalinzeit die Rolle Stalins als einzigem Kampfgenossen Lenins hervorgehoben und die Februar- und Oktoberrevolution wie ein Vollzug leninscher Planungen dargestellt wurden.[4] Die sowjetischen Narrative lassen sich bis in die Historiografie hinein am besten als machtgestützte Camouflage deuten; Vorgänge und Realitäten hatten sich in das Prokrustesbett eines historischen Determinismus einzupassen: vom zielgerichteten Klassenkampf, von der Wachablösung des Feudalismus durch den Kapitalismus und dessen Überwindung durch den Sozialismus, dies alles eingebettet in ein dichotomisches Weltbild von Gut und Böse.[5]

In der späten Sowjetzeit verschoben sich die Akzente bereits, weil die weitere sowjetische staatsfromme Öffentlichkeit mit der Revolution und Lenin als Revolutionär nicht mehr viel anzufangen wusste. Stattdessen lag es im Interesse »patriotischer« Kreise inner- und außerhalb des KGB, die russisch-sowjetische Machtstaatlichkeit zu feiern und zu erinnern. In diesem Sinne wurden die Oktoberrevolution und Lenins Rolle umgedeutet. Lenin geriet zum Staatsmann und Staatsgründer, dem es um den Erhalt und die Neubegründung russischer Machtstaatlichkeit gegangen sei. Als die eigentlichen Zerstörer des Russischen Reiches im Ersten Weltkrieg galten nun Freimaurer und Liberale, die im Kampf um die Macht für die Diskreditierung der Monarchie und die Zerstörung des Zarenreiches von innen verantwortlich gemacht wurden. Die Partei der Bolschewiki habe das »große Russland« erneuert: »Entehrt durch das Zartum, bespuckt durch die einheimische Bourgeoisie, erhob es [Russland] sich [nach der Oktoberrevolution] wie eine Phönix aus der Asche. Die Macht [deržava] breitete ihre riesigen Flügel aus.«[6]

Die Diskreditierung der Oktoberrevolution und besonders der Person Lenins in der Zeit der Perestroika blieb oft genug »der Magie des revolutionären Manichäismus« verhaftet.[7] In diesem Sinne sprach auch Vladimir Putin am 27. Juni 2012 vor russischen Militärs vom »nationalen Verrat der bolschewistischen Führer«, die verantwortlich seien für die Niederlage Russlands im Ersten Weltkrieg.[8] Aber auch die These von der Verantwortung der Liberalen und Freimaurer für die Schwächung und Diskreditierung des alten Regimes wird im Umfeld der einflussreichen und regimekonformen Gesellschaft »Russkij Mir« (Russische Welt) bis heute kolportiert.[9] Liberale und Bolschewiki werden darüber hinaus als Erfüllungsgehilfen geopolitischer Strategien zuerst Deutschlands, dann der angelsächsichen Welt gesehen, die auf eine Abschnürung Russlands von den Meeren hinauslaufen. Außerdem werden sie verantwortlich gemacht für den Verlust russischen Einflusses in Osteuropa, zuerst im Frieden von Brest-Litovsk (3./16. März 1918), dann als Folge der Perestroika, die u.a. den »liberalen« Dissidenten angelastet wird.[10]

Populäre Titel bieten darüber hinaus seither alle möglichen Verschwörungstheorien an, mit denen die Niederlage im Ersten Weltkrieg und die Revolution erklärt werden. Sie knüpfen oft an zeitgenössische Gerüchte, Legenden und Pamphlete an, nicht zuletzt an die »Protokolle der Weisen von Zion«, welche den Hintergrund dafür bildeten, die bolschewistische Revolution als jüdische Verschwörung zu deuten.[11] Während seines Besuches in Sowjetrussland im September 1920 sah sich der Schriftsteller H. G. Wells veranlasst, sich von den damals auch in der angelsächsischen Presse verbreiteten Verschwörungstheorien zu distanzieren, welche die Bolschewiki als »Agenten eines mysteriösen Rassenkomplotts« sahen, als eine »Geheimgesellschaft, in welcher ein toller Mischmasch von Juden, Jesuiten, Freimaurern und Deutschen sein Wesen treibt.«[12]

Eine andere bizarre, aber offenbar einflussreiche Erzählung läuft darauf hinaus, dass neben den unvermeidlichen Freimaurern vor allem Großbritannien und die Entente verantwortlich gewesen seien für die Niederlage im Ersten Weltkrieg, für die Revolution und den Bürgerkrieg. Dies habe mit der Diskreditierung und Ermordung Rasputins begonnen, der sich für Frieden eingesetzt habe, und mit der ausbleibenden Hilfe für die Weißen und der verschwiegenen Hilfe für die Roten im Bürgerkrieg geendet. In Übereinstimmung mit der aktuellen Furcht vor »bunten« Revolutionen wird unterstellt, dass Revolutionen nie spontan entstünden, sondern immer sorgfältig von außen vorbereitet würden.[13] Was zurzeit in Russland nicht gesellschaftsfähig zu sein scheint, sind die seit der Zeit der Revolution in Russland wie im Ausland grassierenden Verschwörungstheorien, in denen vor allem Juden eine prominente Rolle spielten.

Den heterogenen Narrativen und Mythen scheint eine vergleichsweise stabile Einstellung in der großen Mehrheit der russischen Bevölkerung gegenüberzustehen. Dies wird allein an der Unzahl von Lenindenkmälern ersichtlicht, die in Russland – im Gegensatz zu den baltischen Ländern und neuerdings auch zur Ukraine – nicht gestürzt, sondern nach wie vor gepflegt und mit Blumen geschmückt werden. Denn die Mehrheit der russischen Bevölkerung hat nach wie vor ein positives Verhältnis sowohl zu Lenin als auch zur Oktoberrevolution. Mit beiden assoziiert sie eine positive Entwicklung im Sinne von Fortschritt und Modernisierung. [14]

Trotz aller neuerlichen autoritären und nationalistischen Zurichtung der russischen Gesellschaft koexistieren ohne allzu große Konflikte sehr unterschiedliche Vorstellungen und Bewertungen der ferneren Vergangenheit, die immer noch oder wieder im Schatten des Großen Vaterländischen Krieges steht.

 

II. Sowjets und bolschewistische Diktatur

Im Folgenden wird es nicht darum gehen, die Ereignisse der Revolution und des Bürgerkrieges erneut zu erzählen. Dazu existiert eine ausführliche, man kann wohl sagen erschöpfende Literatur.[15] Hier sollen stattdessen zentrale Fragen, die anhand der Revolution diskutiert werden, aufgenommen werden: die Frage nach der Kontinuität und Pfadabhängigkeit, nach der Modernisierung und der Bedeutung des nationalen Problems.

Viele Zeitgenossen und ebenso viele Historiker deuteten und deuten die Revolution einschließlich des Oktoberumsturzes als eine »Volksrevolution« oder als ein an die native tradition gebundenes Ereignis.[16] Dahinter steht die Vorstellung der seit Peter dem Großen gespaltenen russischen Kultur, einer europäisierten Elitenkultur und einer in Bewegung geratenen Volkskultur. Diese galt – wie bei Oswald Spengler[17] – als nicht europäisch und unzivilisiert. In ihrem Aufruhr gegen die Eliten wurde das »Volk« (narod) oft genug als unwissend, enthemmt oder auch als verführt (durch die nihilistische Intelligenzija) vorgestellt. In diesen Beobachtungen und Reflexionen brach sich der Schock über das Eindringen der plebejischen Unterschichten in die Räume der Schichten von Besitz und Bildung Bahn.[18] Der Plebejer machte nun Politik. Sie orientierte sich aber nicht an den Normen des europäischen Liberalismus und demokratischen Sozialismus. Die Rhetorik in den zahllosen Resolutionen von Fabriken, Soldatenkomitees, Landkomitees und Dorfversammlungen und das Verhalten deuten vielmehr auf ein Verständnis von Autorität, Volksherrschaft und Demokratie, das nicht den liberalen Vorstellungen von Gesetz, Verfahrensordnung und Repräsentation entsprach. Was aber beinhaltete der Ruf nach sozialer Demokratie, nach Sowjetdemokratie und schließlich nach Sowjetmacht? Er schloss Forderungen und Erwartungen ein wie die Sehnsucht nach einem Ende des Krieges, von der Bourgeoisie betrieben, nach Gleichberechtigung (gegen die Reste ständischer Unterschiede) und nach Egalität – nach Arbeiterkontrolle in den Betrieben, nach Umverteilung des Bodens zugunsten der »werktätigen« Bauern. Bourgeoisie und Adel waren nicht Teil der »sozialen Demokratie«. In der Konfrontation mit Gutsbesitzern, Kulaken auf dem Lande, mit Beamten, Managern, Unternehmern, Ingenieuren in den Städten, auch mit Priestern, kurz mit den Angehörigen der »Bourgeoisie«, den burzui, zeigte sich, dass die sozialistische Rhetorik vom Klassenkampf, oft auch in verballhornter Weise, in das öffentliche Sprechen eingegangen war.[19] Von anderer Seite wurden Sprache und Verhalten aber nur als blind wütender Klasseninstinkt oder einfach als kriminell erlebt.[20] Eine Bestätigung erfuhr letztere Sicht im »allrussischen Pogrom« der Oktobertage, in Saufexzessen beim Sturm auf Alkoholkeller und Weinlager, besonders häufig beschrieben im Zusammenhang mit der Besetzung des Winterpalais. Solche Szenen hatte es vielfach bereits gegen Ende des Krieges in den Frontgebieten und der Etappe gegeben, sie wiederholten sich dann im Bürgerkrieg. Das war die Rache vor allem der Soldaten, denen im Krieg Nüchternheit verordnet worden war, während Offiziere und Generäle sich an Wein und anderen Alkoholika erfreuen durften. [21]

Die vielfach beschriebenen Exzesse sind ebenso gut als Teil des zusammenbrechenden Staates, des Überlebenskampfes und der ungehemmten Ausbreitung von Kriminalität seit dem Sommer 1917 zu deuten. Schon während der Revolution von 1917 und noch intensiver in der Zeit des Bürgerkrieges lassen sich viele Gewaltexzesse sowohl aufseiten der Roten, der aufständischen Bauern, als auch auf weißer Seite als Teil einer sozialen Revanche »der da unten gegen die da oben« (und umgekehrt) beschreiben.

In den Resolutionen und Verlautbarungen vieler der neu entstandenen Sowjets und Komitees war 1917/18 von »sozialer Demokratie«, von »Diktatur der Demokratie« die Rede. Gemeint war die Forderung nach direkter Volksherrschaft: Dies bedeutete die Ausschaltung der bisher herrschenden Gruppen. Fast sang- und klanglos verschwanden die »liberalen« Institutionen des alten Regimes wie die städtischen Dumen, die Zemstva und das Justizsystem. Herrschaft wurde an »volksnahe« Repräsentanten ohne Anspruch auf Einhaltung von Verfahrensregeln bei den Wahlen oder bei der Verabschiedung von Gesetzen delegiert. Die Sowjets funktionierten als Resolutions- und manchmal auch als Entscheidungsmaschinen, ohne dass man recht wusste, wie Resolutionen und Beschlüsse zustande gekommen waren. Dies gilt für die Entstehung des berühmten Befehls Nr. 1, der für die Petrograder Garnison die Wahl der Offiziere vorschrieb, aber als Gesetz für die Armee insgesamt verstanden wurde.[22] Der Schriftsteller H. G. Wells fühlte sich 1920 in einer Versammlung des Petrograder Sowjets, in der über den Frieden mit Polen debattiert wurde, wie in einer Massenversammlung in der Londoner Queen`s Hall, nicht aber wie in einem gesetzgebenden oder beschließenden Parlament.[23] Viele Sowjets scheinen eher nach den informellen Mustern dörflicher Versammlungen (schod) funktioniert zu haben, als nach Regeln parlamentarischer Körperschaften. Die Sowjets bildeten sehr bald – wie schon der 2. Allrussische Sowjetkongress in den Tagen des Oktoberumsturzes – den Resonanzboden für Entscheidungen, die anderswo gefallen waren, nämlich in diesem Fall im Petrograder Militärrevolutionären Komitee. Dieses hatte den Sturz der Provisorischen Regierung beschlossen. Bald koexistierten der Rat der Volkskommissare und seine Apparate neben den Exekutivkomitees der Sowjets, wenn diese nicht von Militärrevolutionären Komitees abgelöst wurden. Hinzu kamen Parteiinstanzen, die sich häufig exekutive Funktionen aneigneten. In den exekutiven Organen unterschiedlichster Entstehung, manchmal nur umbenannte Behörden des alten Regimes, entstanden sehr bald Ämter, die mehr oder minder unabhängig von Meinungen und Stimmungen in den Sowjets agierten und diese ohne allzu große Mühen manipulierten. Bei zu großem Widerspruch wurden sie einfach entmachtet. Die Basis der »sozialen Demokratie« war instabil und bald nur noch mit dem materiellen Überleben beschäftigt. Dies erklärt die Leichtigkeit, mit der die Bolschewiki nach dem Oktober die maßgeblichen Sowjets und anderen Einrichtungen dominierten, manipulierten oder ersatzlos auflösten. Mit dem Fortgang der Revolution entstand daher eine funktionale Identität von Interessen der neuen exekutiven Organe mit der Revolution und schließlich auch mit den Bolschewiki. Sie waren diejenigen, die das Weiterbestehen der neu entstandenen Behörden am ehesten zu garantieren schienen. Dem absolutisme populaire[24] war insofern Genüge getan, als sich die neue Herrschaft volksnah und anti-elitär gab, aber keineswegs anti-autoritär. Wenn Lenin ein vollkommenes Unverständnis für Freiheit nachgesagt wird, so ging es auch der »Volksrevolution« nicht um Freiheit, sondern um die Beendigung des Krieges, Egalität, Gerechtigkeit und um den Sturz der alten Eliten. Die ersten Maßnahmen der Bolschewiki richteten sich nicht zufällig zuerst gegen die bürgerliche, bald überhaupt gegen die gegnerische Presse und schließlich auch gegen die Konstituierende Versammlung, die noch in regulären Wahlen zustande gekommen war. Für die Verteidigung dieser »bürgerlichen« Institutionen mochte sich aber kaum noch jemand engagieren.

Ganz verschwanden die Sowjets allerdings nicht aus der historischen Erinnerung. Dafür sorgte einerseits die camouflierende Selbstbezeichung der Sowjetunion. Andererseits tauchte die Forderung nach »echten« Sowjets, nach Räten und Rätedemokratie, in Krisen immer wieder auf: während des Matrosenaufstandes von Kronstadt 1921, auch im Zuge vieler Bauernaufstände im Bürgerkrieg. Jugoslawien positionierte sich nach dem Zerwürfnis mit der »bürokratisierten« Sowjetunion als Land des Selbstverwaltungs-Sozialismus, in dem Arbeiterräte einen maßgeblichen Einfluss auf die Betriebe haben sollten. Ein fernes Echo des Nimbus von Rätedemokratie war die Bildung von Arbeiterräten in Ungarn 1956, die sich durchaus als revolutionäre Organe verstanden, während sie in Polen seit 1956 für kurze Zeit eher als Mitbestimmungsorgane funktionierten. Ähnliches wurde 1968 in der Tschechoslowakei angestrebt. In der zusammenbrechenden Wirtschaft Polens etablierte sich 1980/81 ein Netz der sich selbst verwaltenden Betriebe. Zuletzt unternahm auch Gorbačёv Anläufe zur Wiederbelebung von Elementen der Rätedemokratie.[25]

 

III. Die Partei und ihre »Verbindung zu den Massen«

Im Rahmen der unterschiedlichen Betrachtungsweisen von Pfadabhängigkeit bzw. dem Weiterleben von Traditionen sind viele Aspekte von Gesellschaft und Politik in der Sowjetunion erklärt worden: das Fortleben autoritärer Herrschaftsverhältnisse, die ineffiziente Bürokratie, von Lenin und seinen Nachfolgern als »Bürokratismus« gescholten, die Intransparenz der Machtsphären und ihre kultische Repräsentation, die Anspruchslosigkeit und Leidensfähigkeit der russischen Bevölkerung.[26] Die Revolutionen von 1905 und 1917 durchbrachen wesentliche Komponenten dieser Traditionen. Dies gilt für die Verhöhnung der alten Autoritäten und mehr noch für die politische Aktivierung maßgeblicher Teile der Bevölkerung. Auch wenn das bolschewistische Regime mal autoritäre, mal diktatorische Züge annahm, so ist dies nicht gleichzusetzen mit dem Gehorsamsanspruch und Absolutismus des alten Regimes (bis 1905). Hatte dieses widerspruchslosen Gehorsam insbesondere von den unteren Schichten eingefordert, so ging die Parteitheorie und (bis zu einem gewissen Grad) auch die Herrschaftspraxis der Bolschewiki in den 1920er-Jahren von einem – wenn auch asymmetrischen – »Dialog« zwischen den Werktätigen und der Führung aus. Er wurde verwirklicht sowohl in innerparteilichen Debatten als auch in einem weiten Netz von Laienkorrespondenten, in nicht enden wollenden Beschwerden, Petitionen und Protesten an die Zeitungen und auch an die Mächtigen im Lande, dies allerdings oft in einer untertänigen Attitüde,[27] und nicht zuletzt in orchestrierten »Volksdiskussionen«, beispielhaft durchgeführt in den Verfassungsdiskussionen von 1936 und 1977.[28]

Lenins Parteitheorie, wie er sie in Was tun? (1902) und anderswo entwickelt hatte, nahm für die Partei die Funktion einer Avantgarde der Arbeiterklasse in Anspruch. Dabei wurde der Arbeiterklasse ein revolutionärer Instinkt unterstellt.[29] Dieser bedurfte allerdings, um ihn in die richtigen Bahnen zu lenken, der Führung durch die Partei der professionellen Revolutionäre mit ihrer höheren – marxistischen – Einsicht in den Geschichtsverlauf und die Gesetze des Klassenkampfes. Aber – so eine Standardformel, die auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur als leerer Appell immer wiederholt wurde – die Partei durfte die »Verbindung zu den Massen« nicht verlieren.[30] Sie hatte die Massen zu führen, aber auch auf ihre Bedürfnisse zu hören und sie zu berücksichtigen. Lenin und die bolschewistische Führung praktizierten diese Maximen während der Revolution, indem sie das Vorgehen »der Massen« auch dort hinnahmen, wo sie eigentlich eine andere politische Meinung vertraten. So konterte Lenin den Vorwurf, dass die Bolschewiki das Agrarprogramm ihrer Konkurrenten, der Sozialrevolutionäre, gestohlen hätten, mit dem Argument, dass die Sozialrevolutionäre ihr eigenes Programm verleugnet hätten und die Bolschewiki dem Willen der Bauern gefolgt seien. Dass die Bolschewiki die Revolution auf dem Lande in Wirklichkeit ebenso wenig wie andere politische Parteien steuern konnten, steht auf einem anderen Blatt.

»Verbindung mit den Massen« schien 1917 insofern realisiert, als aktivistische Teile vor allem in den Garnisonen und unter der Arbeiterschaft wesentliche Parolen der Bolschewiki aufgenommen hatten bzw. diese sich den Stimmungen in den Fabriken und der Armee anpassten und sie weiter radikalisierten. Der autoritäre Führungsanspruch der »Avantgarde« zeigte sich aber sehr schnell im Konzept einer hierarchischen Ordnung: Die Parteimitglieder hatten den aktivistischen, den politisch »bewussten« Kern des Regimes zu bilden, die Gewerkschaften und andere Verbände unter Führung und Kontrolle der Partei sollten als »Transmissionsriemen« funktionieren, d.h. sie hatten die Werktätigen zu instruieren und zu belehren und sozialistische Ideen zu vermitteln. »Politgramota«, politische Alphabetisierung wurde im Bürgerkrieg zur zentralen Praxis gegenüber den Rotarmisten und der Bevölkerung: Ihnen musste erklärt werden, warum sie die Revolution gemacht hatten, wozu sie gut war und wer die Feinde waren.

Parteimitgliedschaft war ein Privileg. Parteimitglieder unterlagen aber auch einer vergleichsweise strikten Kontrolle, Fehltritte und Abweichungen konnten durchaus sanktioniert werden. Von Parteimitgliedern wurde Disziplin und ein besonderes Engagement verlangt. Im Bürgerkrieg mussten sie sich mobilisieren lassen, und sie hatten sich periodischen Überprüfungen zu unterwerfen. Je nach Situation beinhaltete Parteimitgliedschaft schon sehr bald die Hinnahme einer Gesinnungs- und Verhaltenskontrolle. Dies galt spätestens seit dem X. Parteikongress (März 1921), als das Fraktionsverbot beschlossen wurde. Die Partei verstand sich seither als »monolithischer« Verband. Kurz zuvor hatte sich noch ein Teil der Delegierten an der Niederwerfung des Aufstands der Matrosen von Kronstadt beteiligt. Denn diese hatten Sowjetdemokratie statt bolschewistischer Diktatur gefordert. Die Partei blieb auch nach dem Bürgerkrieg ein Kampfverband. Angesichts der Feinde, von denen er sich nach wie vor umgeben sah, hatten Kommunisten »Menschen von besonderem Schlage« zu sein (Stalin).[31] Dagegen klang Lenins Beschwörung des Zusammenhalts der Untergrundpartei 1902 in Was tun? geradezu sentimental: »Wir schreiten als eng geschlossenes Häuflein, uns fest an den Händen haltend, auf steilem und mühevollem Weg dahin. Wir sind von allen Seiten von Feinden umgeben und müssen stets unter ihrem Feuer marschieren.«[32] Nach 1921 war die Partei zu einer in sich ausdifferenzierten Organisation geworden, die in zunehmendem Umfang als ein Netzwerk funktionierte, das zunächst vor allem in den Städten und in Industrie und Handel alle wichtigen Institutionen erfasste und kontrollierte.

Selbstverständlich ist von einer erheblichen Diskrepanz zwischen dem Modell der Partei, der Parteimitgliedschaft und den Alltagspraktiken auszugehen. Gleichwohl entwickelte die Partei über den später sogenannten demokratischen Zentralismus sehr spezifische Formen von Selbstkontrolle, Disziplin und von Delegierung politischer Vorgaben und Aufgaben. System und Praxis der Herrschaftsausübung unterschieden sich mithin wesentlich vom vorherigen System im Zarenreich. Angesichts der Veränderungen der sowjetischen Gesellschaft sollten sich die neuen Praktiken als erstaunlich langlebig, anpassungsfähig an wechselnde Situationen und als effizient (im Sinne des Regimes) erweisen. Dass diese Form autoritärer Herrschaft zunächst in der Despotie Stalins mündete, zeigt die Anfälligkeit des Avantgarde-Konzepts für viele Varianten autoritär-diktatorischer Herrschaft. Nach dem Tode des Despoten kanonisierte die Partei die »Leninschen Prinzipien«. In engen Grenzen etablierte sie ein oligarchisches System von checks and balances, das nach wie vor Wert auf die »Verbindung zu den Massen« legte.

 

IV. Das nationale Problem

Das Zarenreich war ein multinationales Reich, dessen Völker sich auf einem sehr unterschiedlichen Zivilisationsniveau befanden. Das Spektrum reichte von den (halb-)nomadischen Völkern Mittelasiens bis zu den schnell wachsenden neuen und alten urbanen Zentren europäischen Zuschnitts, neuen Industrieregionen wie am Don und kosmopolitischen Hafenstädten wie Riga und Odessa. Seit den 1880er-Jahren ließ sich die zarische Regierung auf eine Politik ein, die die Homogenisierung der Verwaltung mit unterschiedlich intensiv durchgesetzter Russifizierung der Behörden und kulturellen Einrichtungen in nicht-russischen Gebieten verband.[33] Damit handelte sich das Reich von seinen Kritikern den Ruf ein, ein »Gefängnis der Völker« zu sein und die emanzipatorischen Bestrebungen vor allem nicht-russischer Völker zu unterdrücken.

Die Sozialisten hatten sich dem Problem des Nationalismus zu stellen. Sie sahen ihn eigentlich eher als störenden Faktor im Klassenkampf. Angestoßen wurden die Diskussionen durch die nationalen Konflikte in der Habsburger Monarchie und durch den Streit um eine einheitliche oder national organisierte sozialistische Bewegung im Russischen Reich. Der Stellenwert der »nationalen Frage« für den Klassenkampf musste geklärt werden. Die österreichische Sozialdemokratie wollte mit dem Konzept einer Kulturautonomie für die Völker Österreichs die nationalen Gegensätze entschärfen. Dieses Konzept war vom Jüdischen Arbeiterbund in Polen und Russland propagiert worden. Dagegen plädierten Lenin und Stalin, der sich als Fachmann für nationale Fragen profiliert hatte, für das nationale Selbstbestimmungsrecht, d.h. auch für das Recht auf Separation jener Völker, die sich zur modernen Nation – mit eigener Sprache, Kultur und eigenem Territorium – entwickelt hatten. Nationalismus wurde als unvermeidlicher, allerdings transitorischer Faktor hingenommen, aber er stand in der Perspektive der Bolschewiki immer unter dem Verdacht von (Klein-)Bürgerlichkeit. In den Worten Stalins 1913: Der »nationale Organisationstypus« der Partei sei »eine Schule nationaler Borniertheit und Verknöcherung«. Die Partei habe eine Schule des Internationalismus zu sein, die Parteigenossen und die Arbeiter sollten »Glieder der einheitlichen Armee des Sozialismus« sein.[34] Der »internationalistische« Zuschnitt der Parteielite zeigte sich einerseits in dem hohen Anteil von Emigranten wie Lenin, Trockij und vielen anderen, aber auch in dem reichsweiten Einsatz von später führenden Bolschewiki, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Hierin ähnelte die neue Elite der gestürzten des Zarenreiches. Russen bildeten angesichts der quantitativen Verhältnisse in der Bevölkerung wieder die Mehrheit. An die Stelle der Deutschen und Polen, die sich überwiegend aus dem deutschbaltischen und dem polnischen Adel rekrutiert hatten, traten in der bolschewistischen Führung nun Vertreter vormals eher subalterner Völker, vor allem Juden und Letten, aber auch Angehörige der transkaukasischen Völker (Georgier und Armenier). Wegen ihres Vorsprungs im Grad der Urbanisierung (und Bildung) stellten Russen in den beiden ostslawischen Republiken und in Mittelasien wieder das dominierende Element in der Partei wie im Verwaltungsapparat, in der Ukraine und Weißrussland ergänzt durch einen vergleichsweise hohen Anteil von Juden.[35]

Während der Revolution (und im Bürgerkrieg) hatte sich gezeigt, dass nationale, auf Eigenstaatlichkeit zielende Bestrebungen unter den Völkern Russlands unterschiedlich intensiv zur Geltung kamen. Die Bolschewiki reagierten darauf, indem sie bereits Sowjetrussland als föderative Republik – der offizielle Name lautete »Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik« (RSFSR) – organisierten, und 1922 den gesamten Staat als Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zusammenfassten. Die Grundidee bestand darin, dass die staatlichen Sowjetorgane national organisiert sein sollten, während die Partei als geschlossener Verband ohne Rücksicht auf nationale Zugehörigkeit zentralistisch aufgebaut war, wenn auch aus praktischen Gründen in Territorien der Republiken organisiert. Da die neu geschaffenen nationalen Sowjetrepubliken de facto alle multinational waren, behalf man sich mit der Schaffung von autonomen Republiken und autonomen Gebieten oder – wie im Falle der Juden und anderer Streu-Nationalitäten – mit der Gewährung kulturautonomer Einrichtungen. Der Streit, der 1922 aus Anlass der georgischen Frage zwischen Stalin, seinem kaukasischen Anhang und Lenin ausgetragen wurde, drehte sich um die Rechte und Kompetenzen der Sowjetrepubliken. Sollten sie als eigenstaatliche Sowjetrepubliken (mit dem Recht auf Austritt aus der Union) organisiert werden oder eher als autonome Gebiete der RSFSR beitreten? Lenin sah in Stalins Entwürfen für eine Erweiterung der RSFSR die Gefahr eines Wiederauflebens des großrussischen Chauvinismus. Er brachte vergleichsweise viel Verständnis für den Nationalismus der bisher unterdrückten und benachteiligten Völker und für die Ansprüche der Sowjetrepubliken auf. Er fürchtete, dass die ohnehin gegebene Dominanz des russischen Elementes dem großrussischen Chauvinismus wieder zum Durchbruch verhelfen könnte.[36] Wie sich später zeigen sollte, waren diese Ängste nicht unbegründet. Immerhin ist in dem Versuch, die Völker und Territorien des ehemaligen Russischen Reiches föderativ zu organisieren, die Distanzierung vom alten Imperium erkennbar. In den 1920er-Jahren verstand sich die amtliche Politik als Geburtshelfer moderner Nationen mit eigener (standardisierter) Schriftsprache und Kultur und mit eigenen kommunistischen Kadern.[37] Die Zentralisierung der wichtigsten Wirtschaftszweige und schließlich die Durchsetzung einer zentralisierten Planwirtschaft degradierten die Sowjetrepubliken allerdings bald zu Befehlsempfängern aus Moskau, die um Ressourcen antichambrieren mussten. Das nationale Kolorit als Folklore durften sie allerdings behalten.[38]

 

V. Vom Welt- zum internationalen Bürgerkrieg?

Bereits die teils nationalen, teils sozialen Revolutionen an den Peripherien des alten Reiches und mehr noch die dortigen bewaffneten Auseinandersetzungen im Bürgerkrieg sprengten den Rahmen des alten Reiches. Diese Situation entsprach der Perspektive der Bolschewiki der ersten Generation. Lenin hatte schon seit Ausbruch des Weltkrieges dessen Umwandlung in einen internationalen Bürgerkrieg propagiert. Auf der Zimmerwalder Konferenz (5. bis 8. September 1915) hatte selbst die Mehrheit der sozialistischen Gegner des Burgfriedens und der Union sacrée Lenins Programm für einen internationalen Bürgerkrieg als »kindisch« bezeichnet.[39] Lenin hielt auch nach 1917 an dieser Idee fest. Die Russische Revolution sollte die Initialzündung liefern für die Revolution in Europa, aber auch in den Kolonien. Die internationale Revolution und der internationale Klassenkampf würden dem Imperialismus den Garaus machen. Diese Erwartungen erfüllten sich zwar nicht, aber der bolschewistische Umsturz hatte doch weitreichende Folgen, auch im Ausland.

Man kann von zwei Phasen der Wirkungsgeschichte der Russischen Revolution ausgehen: die zeitnahe Phase der 1920er- und 1930er-Jahre und die Fernwirkung bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

In ihrem Selbstverständnis sahen sich die Bolschewiki als Erben der Französischen Revolution, deren Symbole über die proletarische Marseillaise bis zum »Sturm auf das Winterpalais« (in Erinnerung an den Sturm auf die Bastille) sie sich aneigneten.[40] Nicht nur die Bolschewiki sahen in der Russischen Revolution »eines der größten welthistorischen Ereignisse. Es liegt nahe, sie mit der Französischen Revolution zu vergleichen, aber tatsächlich ist ihre Bedeutung noch größer«, urteilte der Philosoph Bertrand Russell nach seinem Besuch in Russland im Jahre 1920.[41] Die Bolschewiki verstanden sich als Zeugen und Akteure eines weltrevolutionären Prozesses, der mit der »bürgerlichen« Revolution in Frankreich begonnen und mit ihrer »proletarischen« Revolution fortgesetzt wurde – den Sozialismus fest im Blick. Die Russische Revolution galt nur als der Ausgangspunkt für eine Weltrevolution. In Russland als dem schwächsten Glied unter den imperialistischen Mächten bot sich spätestens seit der Revolution von 1905 die Perspektive, die immer noch revolutionär gestimmte Bauernschaft in eine antibürgerliche Revolution einzubinden und dieser damit jene Wucht zu geben, um das imperialistische Gehäuse zuerst lokal und dann weltweit zum Einsturz zu bringen.

Lenin unterschied sich von den Theoretikern und Praktikern der II. Internationale durch seine Sicht auf die Bauernschaft Russlands. Nach den Erfahrungen von 1905 erkannte er in ihr nicht nur ein rückständiges oder gar reaktionäres Element. Dies war der Blick der westlichen Marxisten auf die Bauernschaft ihrer Länder gewesen. Für Lenin dagegen war sie in einer vor- oder frühkapitalistischen Phase wie in Russland ein revolutionärer Faktor. Dies blieb ein zentrales Element revolutionärer Theorie über Lenin hinaus. Die Haltung zum Bauerntum war dabei durchaus zwiespältig: Als »antifeudaler« und revolutionärer Faktor in einer Phase des Übergangs zum Kapitalismus wurde es von Lenin und seinen Anhängern geschätzt, als Repräsentant von »Kleinbürgertum« wurde es wegen seines »instinktiven« reaktionären Strebens nach Besitz als Einfallstor des Kapitalismus in Russland wie anderswo gehasst. Nach Festigung der kommunistischen Macht in der Sowjetunion wie später in China wurde das »kleinbürgerliche« Bauerntum »als Klasse« liquidiert, wie es im Russischen hieß.[42]

Lenin und seine Anhänger hatten den Umsturz in Russland in Erwartung einer europäischen Revolution initiiert. Ihren dauerhaften Erfolg machten sie abhängig von Revolutionen in Europa, vor allem in Deutschland. Diese Erwartung trug den Bolschewiki den Vorwurf ein, Russland nur als Brennmaterial, als »Reisigbündel« für die Weltrevolution zu missbrauchen.[43] Noch 1920 verblüffte Lenin den zu Besuch in Sowjetrussland weilenden englischen Schriftsteller H. G. Wells mit der drängenden Frage, wann denn endlich in England die Revolution ausbreche. Wells sprach daher vom »Träumer im Kreml«.[44]

Die Erwartungen der Bolschewiki erfüllten sich bekanntlich nicht wie angestrebt. Aber in den seit 1917/18 von Hungerkrisen und Epidemien zerrütteten Staaten der Mittelmächte lieferten die Bolschewiki ein Modell oder wenigstens ein Vorbild, das mit oder ohne sowjetrussische Unterstützung zum Handeln motivierte. Hier seien nur der Spartakus-Aufstand vom Januar 1918, der kommunistische Putschversuch in Wien im April 1918, die kurzlebige Münchner Räterepublik (6./7. April 1918) und die Kämpfe im Ruhrgebiet vom März bis Mai 1920 erwähnt. Die lettische Sowjetrepublik (Januar bis April 1919) und das kommunistische Regime unter Bela Kun in Ungarn (März bis August 1919) scheiterten und der »weiße Terror« zeigte bereits viele Merkmale späterer faschistischer Gegenmobilisierung. Nach dem bulgarischen Putsch (22./23. September 1923) und dem »deutschen Oktober« (22. bis 24. Oktober 1923), den kläglichen Aufstandsversuchen in Hamburg, Sachsen und Thüringen, gab es in Europa einen letzten Putschversuch in Estland am 1. Dezember 1924. Große – vergebliche – Hoffnungen setzte man in der Sowjetunion zuletzt noch auf den Bergarbeiterstreik in England im Mai 1926. Inzwischen hatten sich aber die kommunistischen Aktivitäten und Hoffnungen auf China konzentriert. Sie mussten vorerst mit dem Massaker Chiang Kai-sheks in Schanghai und Nanking im März und April 1927 begraben werden. Das Scheitern aller kommunistischen Aufstände und Putsche und auch der Versuche, den Kommunismus zu exportieren, wie im Falle Polens 1920/21, bestätigten Stalins Linie vom Aufbau des Kommunismus in einem Lande.

Der Putschversuch in Bulgarien wie der »deutsche Oktober« waren schon nicht mehr nur spontane lokale Aktionen, sondern mit der Zentrale der Kommunistischen Internationale abgesprochen, wenn nicht gar – wie im Fall des »deutschen Oktober« – weitgehend mit Moskauer Hilfe organisiert worden. Die Hoffnungen auf eine Weltrevolution, die Lenins und Trockijs Politik zunächst beseelt hatten, waren mit Gründung der III. (Kommunistischen) Internationale (1919) institutionalisiert worden. Sie funktionierte spätestens seit dem »deutschen Oktober« als die revolutionäre (und geheimdienstliche) Nebenstelle sowjetischer Außenpolitik.[45] Ihr Erfolg bestand zu Beginn der 1920er-Jahre vor allem in der endgültigen Spaltung der sozialistischen Bewegungen in Europa. Der heftige und bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg anhaltende Streit drehte sich um die Mittel des Kampfes für die Rechte der arbeitenden Bevölkerung, um Demokratie und Diktatur, kurz um die Wege zum und um die Zielvorstellungen vom Sozialismus.[46] Als »Sektionen« der III. Internationale unterstellten sich die kommunistischen Parteien dem sowjetischen Kommando. Zugleich blieben sie dort, wo sie nicht verboten waren, ein bedeutender innenpolitischer Faktor, so in Deutschland bis 1933, seit den 1930er-Jahren vor allem in Frankreich, im Spanien des Bürgerkrieges und in den chinesischen Territorien, in denen sich die Kommunisten nach dem »Langen Marsch« etablieren konnten. In indirekter Weise fand mithin eine Diffusion des kommunistisch-revolutionären Impulses statt, der von der Oktoberrevolution ausgegangen war. Alle kommunistischen Parteien zehrten vom Mythos der Oktoberrevolution und von Lenin und Stalin als revolutionären Ikonen. Selbst in den abgelegenen kommunistisch beherrschten Regionen Chinas genoss Lenin in den 1920er- und 1930er-Jahren eine »fast göttliche Verehrung«.[47] Die Sowjetunion blieb als »Vaterland der Werktätigen« für die »gläubigen« Parteigenossen das Mekka des Weltkommunismus. Bis über die Zeit des Zweiten Weltkrieges hinaus gab die sowjetische Führung die großen strategischen Linien vor und hielt die Parteien oft auch in finanzieller Abhängigkeit.[48]

 

VI. Der Zweite Weltkrieg und die Fernwirkung der Oktoberrevolution

Die Oktoberrevolution und das folgende bolschewistische Regime waren Kinder des Krieges, und Krieg blieb die entscheidende Voraussetzung, sowohl für die Sicherung eines strategischen Vorfeldes für die Sowjetunion in Ost- und Mitteleuropa als auch für den Erfolg weiterer kommunistischer Revolutionen während des Zweiten Weltkrieges und danach. Das Scheitern der nationalsozialistischen Eroberungspolitik öffnete der Roten Armee die Räume Ost- und Mitteleuropas. Die Etablierung der Volksdemokratien und später der kommunistischen Regime lassen sich einerseits als Revolutionsexport und andererseits auch als Ausweitung und Sicherung der sowjetischen Machtsphäre durch Strukturangleichung verstehen. Aus der Sicht des Kremls war das eine vom anderen nicht zu trennen. Aber das Verhältnis zu kommunistischen Bewegungen und Revolutionen berücksichtigte dort, wo es nicht unmittelbar sowjetischem Einfluss unterlag, viel stärker die Reaktionen der USA. Kommunistischen Bewegungen konnte – am extremsten im griechischen Fall – die Unterstützung entzogen werden, wenn das Risiko der sowjetischen Seite zu hoch erschien.[49]

Kommunistische Revolutionen während des Zweiten Weltkrieges und danach waren erfolgreich in mehr oder minder autoritär regierten Ländern, deren herrschende Schichten durch die Kriege (und Besatzung) diskreditiert und geschwächt waren. Mehr noch als in Russland spielten bewaffnete Einheiten, zumeist aus der ländlichen und marginalisierten Bevölkerung rekrutiert, unter Führung kommunistischer Berufsrevolutionäre die entscheidende Rolle. In Jugoslawien wie in China verzichteten die Kommunisten während ihres Krieges gegen die deutsche und italienische Besatzung bzw. gegen Japan zunächst auf radikale Landreformen. Sie folgten damit der auf dem letzten (VII.) Kongress der Kommunistischen Internationale (Juli/August 1935) verkündeten Strategie der Volks- bzw. Einheitsfront. Im Kampf um die Macht wurden die kommunistischen Ziele nur indirekt propagiert, um auch antifaschistische und anti-imperialistische Kräfte einzubinden (und zu dominieren). Besonders in China lassen sich aber schon vor dem Krieg gegen Japan und besonders nach 1945 Anleihen bei Formen des sowjetischen Klassenkampfes beobachten. Den Komitees der Dorfarmut, die im Bürgerkrieg in Russland und der Ukraine Getreide zu requirieren und den Klassenkampf ins Dorf zu tragen hatten, entsprachen – in oft noch radikalerer Weise – in sowjetchinesischen Territorien der späten 1920er- und 1930er-Jahre der chinesische »Rachekannibalismus« genauso wie die Bitterniskampagnen seit 1946. Sie stellten die Dorfreichen und Dorfautoritäten öffentlich bloß, beschämten, quälten, verhafteten oder töteten sie auch. Die seit den 1920er-Jahren zuerst in der KPdSU praktizierte »Kritik und Selbstkritik« als eine Form öffentlicher Selbsterniedrigung wurde in China sehr viel ausgefeilter, intensiver (und wohl auch gewalttätiger) praktiziert als in der UdSSR.[50] Im Westen sind diese Verfahren, als sie an amerikanischen Kriegsgefangenen im Koreakrieg eingesetzt wurden, unter dem Begriff »Gehirnwäsche« bekannt geworden.[51]

Nur auf Kuba wurde eine diskreditierte Diktatur im Frieden durch eine Guerilla gestürzt, die mit dem Proletariat und auch der ländlichen Bevölkerung wenig zu tun hatte. Mit wachsendem zeitlichen Abstand wurde der unmittelbare Bezug zur russischen Oktoberrevolution als Modell von Revolution immer schwächer, ohne dass ihr Nimbus unter Kommunisten darunter gelitten hätte. [52] Die größten Erfolge erzielten die kommunistisch-revolutionären Bewegungen dort, wo sich ihre Streitkräfte auf die ländliche Bevölkerung stützen und sich die nationale Sache zu eigen machen konnten: im Kampf gegen die deutsche und italienische Besatzung in Europa, gegen die japanische in China und die koloniale Besatzung wie in Indochina. Die Unterstützung durch die Sowjetunion war wichtig, aber nicht entscheidend – dies gilt für die bedeutendsten Revolutionskriege in Jugoslawien, China und Vietnam.

Spätestens seit dem »Großen Terror« 1937/38 und vor allem seit dem Hitler-Stalin-Pakt wurde die revolutionär-bolschewistische Legitimität immer häufiger infrage gestellt. Der Einsatz der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg und das daraus gezogene Prestige im befreiten Europa überschatteten dann aber das unter revolutionär-bolschewistischen Aspekten zweifelhafte Verhalten der Sowjetunion vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg.[53] Denn nun war die Sowjetunion zur Supermacht aufgestiegen. Sie operierte mit formal verbündeten Staaten und einem riesigen Waffenarsenal. Soweit es die Politik der Koexistenz und die atomare Abschreckung zuließen, intervenierte sie weiterhin in fremden Staaten zur Unterstützung revolutionärer und anti-imperialistischer Bewegungen und Regime.[54] Aber mit der Entstehung mehr oder minder autonomer kommunistischer Zentren sah sich die Sowjetunion zugleich einer neuartigen Konkurrenz ausgesetzt. Man wetteiferte um das »revolutionärste« Programm und um die radikalsten Maßnahmen, den Imperialismus zu bekämpfen und den Kommunismus zu realisieren. Als Großmacht vor dem Zweiten Weltkrieg und als atomare Weltmacht danach waren für die Sowjetunion Programme revolutionärer Weltpolitik nur einer unter vielen anderen Faktoren, die ihre Politik bestimmten. Die chinesische Politik vom »Großen Sprung« 1959 bis 1961 bis zur Kulturrevolution (seit 1966) übertrumpfte die Sowjetunion in der Radikalität des Kampfes gegen das Alte und in der Annäherung ans kommunistische Stadium. Der »Selbstverwaltungs-Sozialismus« Jugoslawiens seit 1953 verstand sich als Alternative zum bürokratisierten Sozialismus der Sowjetunion.[55] Im chinesischen und kubanischen Fall kam die Kritik an der Politik der »friedlichen Koexistenz« hinzu, d.h. der Fortsetzung des Klassenkampfs unterhalb der Schwelle eines Atomkrieges.

 

VII. Sowjetischer Sozialismus als eine Variante der Hochmoderne

Die bolschewistische Revolution hatte auch einen »Subtext«: Er ist zu finden in der fast schon fetischistischen Wissenschafts- und Technikgläubigkeit der Bolschewiki und ihrer Nachfolger, in ihrem Glauben, Gesellschaft durch Technik und Wissenschaft steuern und formen zu können. In dieser Hinsicht waren die Bolschewiki typische Repräsentanten dessen, was James C. Scott als »Hochmoderne« (high modernity) bezeichnet hat.[56] Lenin und andere bolschewistische Führer waren fasziniert von der deutschen Kriegswirtschaft, die man für das höchste Stadium von Imperialismus hielt. Er müsse nur proletarisch gewendet werden, um in den Sozialismus zu gelangen. Lenins Vorstellungen von »Rechnungsführung und Kontrolle« waren in mancher Hinsicht den mechanistischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts näher als den wissenschaftlichen und technischen Theorien des 20. Jahrhunderts. Wenn in Deutschland nach 1918 Zivilisationskritik die öffentlichen Diskurse beherrschte, fanden die Bolschewiki und die wissenschaftlich-technischen Eliten des Landes in ihrem Einsatz und ihrer Begeisterung für Technik und Wissenschaft sehr leicht zusammen. Schon im Krieg hatten sich Angehörige der Akademie und andere Wissenschaftler für eine gesteuerte Entwicklung der Produktivkräfte Russlands (KEPS) eingesetzt, eine Organisation der vornehmlich angewandten Wissenschaften. Da es mit der Weltrevolution haperte, begeisterte sich Lenin für den Plan zur Elektrifizierung Russlands (GOELRO), einer gigantischen Organisation von Technikern und Wissenschaftlern. GOELRO sorgte für ihr Überleben in den Wirren des Bürgerkrieges, zeigte Perspektiven auf und gehört zu den mythischen Anfängen der Planwirtschaft.[57]

Stalin realisierte die Planwirtschaft in der ihm eigenen brutalen Weise: Durch Kollektivierung der Landwirtschaft wollte er den staatlichen Zugriff auf landwirtschaftliche Überschüsse sichern und alle verfügbaren Ressourcen auf die forcierte Industrialisierung lenken. Auch wenn im ersten »fallsüchtigen« Planjahrfünft der Plan im Chaos unterging, behielten Planung, staatliche Kontrolle und Steuerung der Wirtschaft, auch der bäuerlichen Landwirtschaft, eine große Anziehungskraft auch außerhalb der Sowjetunion und zum Teil auch unabhängig von den sowjetischen Planungserfahrungen. Dies betraf sowohl gigantische Vorhaben zur Umgestaltung der Natur als auch die Transformation von Gesellschaft, in der Regel zur besseren »Lesbarkeit« des Raumes und zur Kontrolle der zu Planungsobjekten degradierten »Werktätigen« in Industrie und Landwirtschaft. Die Planwirtschaft in der Sowjetunion, ihr »Sozialismus« wurde nicht nur zum mehr oder minder erzwungenen Modell in den von der Sowjetunion kontrollierten Volksdemokratien, sondern zum Vorbild auch außerhalb des direkten sowjetischen Einflusses. Dies gilt besonders für Entwicklungsprogramme in Ländern der sogenannten Dritten Welt, welche ähnlich wie seinerzeit Stalin die Rückständigkeit der unkontrollierbaren bäuerlichen Landwirtschaft überwinden, die Bevölkerung besser kontrollieren und das Land industrialisieren wollten.[58]

 

VIII. Abstoßungseffekte

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Abstoßungseffekte und der Abscheu allerdings von ebenso großer Bedeutung wie die Diffusion kommunistischer Ideologien und Bewegungen, wie sie die Revolution und die Etablierung der »proletarischen Diktatur« provozierten. Dies gilt für die Mehrheit in den sozialistischen Parteien, die insbesondere den diktatorischen Zuschnitt und die Gewalttätigkeit bolschewistischer Herrschaft kritisierten.[59] Diese Einstellung teilten sie mit den bürgerlich-liberalen Kreisen. Antikommunismus konnte aber, wie sich in den USA während der »red scare« zu Beginn der 1920er-Jahre und der McCarthy-Ära in den späten 1940er-Jahren zeigte, in eine Hexenjagd ausarten.[60]

Abstoßungseffekte, der negative Bezug auf die Oktoberrevolution und das sowjetische Regime sollten von noch größerer Tragweite in den nationalistischen, faschistischen und schließlich nationalsozialistischen Bewegungen werden. Sie alle reagierten auf die Herausforderungen der Moderne, der Bolschewismus aber auf die Herausforderungen des Mangels an Moderne – in der Sprache der Zeit: auf Rückständigkeit. Die bolschewistische Antwort wurde deshalb in allen autoritären Regimen der Zwischenkriegszeit ebenso wie im faschistischen Italien, im nationalsozialistischen Deutschland und im franquistischen Spanien als bedrohliche Provokation erfahren. Der Antikommunismus bildete dabei nicht die einzige, aber eine wesentliche Komponente der Legitimation der herrschenden Kreise mit unterschiedlich weitreichender Resonanz in der Bevölkerung. Es gab zwar keinen »kausalen Nexus« zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus, wohl aber ein Geflecht oft asymmetrischer und ungleichzeitiger Reaktionen. So waren im deutschen Fall Nationalismus, das Streben nach Vor- oder Weltherrschaft und der Antisemitismus wichtigere Faktoren als Anti-Bolschewismus. [61] Gleichwohl zehrten alle autoritären und diktatorischen Regime von den realen oder manchmal auch erfundenen Gräueln und bolschewistischen Zwangsmaßnahmen, von denen im Ausland berichtet wurde. Das Schlagwort vom »jüdischen Bolschewismus« kennzeichnet die verzerrte Wahrnehmung innerhalb wie außerhalb Russlands: Ein Merkmal der Revolution und bolschewistischen Herrschaft – die zeitweise starke Präsenz von Juden in den revolutionären Bewegungen nicht nur Russlands und in den sowjetischen Apparaten[62] – wurde verabsolutiert: Das Regime galt als »verjudet« und alle Juden als Kommunisten.[63] Judenhass und Antisemitismus spielten (mit Ausnahme Spaniens) nicht nur in Deutschland eine bedeutendere Rolle als Antibolschewismus. Der Judenhass oder der Antisemitismus bezogen sich dabei mehr auf die einheimischen Juden, Kommunisten (und Sozialisten) als auf Russland und die Sowjetunion. Die Reaktionen, die die Oktoberrevolution und das sowjetische Regime auf dem rechten und rechtsradikalen Spektrum provozierten, lassen sich als eine durch den Filter von Antisemitismus (und in Deutschland auch Antislawismus) geprägte Wahrnehmung, mithin als ein asymmetrisches Verhältnis kennzeichnen.[64] Übrigens wurde es auf beiden Seiten durch Fehlwahrnehmungen bestimmt. Man denke nur an die kommunistische Faschismus-Theorie, die Hitler, Mussolini und andere Diktatoren zu Marionetten des Kapitals erklärte, den Antisemitismus während des Zweiten Weltkrieges marginalisierte und nach 1947/48 fast völlig ausblendete.[65] Entscheidend für diese Fehlwahrnehmungen und Fehldeutungen mit ihren verheerenden Folgen waren in beiden Fällen die internen Konstellationen – relativ unabhängig vom Verhalten der jeweils anderen Seite.[66]

 

IX. Die Sowjetunion im amerikanischen Jahrhundert

Wären die Eroberungssucht und die Massenmorde des Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg nicht gewesen, könnte die deutsche Diktatur fast als ein Zwischenspiel des »kurzen« 20. Jahrhunderts erscheinen, oder wie es Boris Pasternak formulierte: das faschistische Deutschland als reaktionäre Anmerkung zum kommunistischen Regime.[67]

Hat man das ganze 20. Jahrhundert im Blick, dann spricht in der Tat viel dafür, vom amerikanischen Jahrhundert zu sprechen.[68] In dieser Perspektive kommt langfristig der Einbeziehung der USA in den Ersten Weltkrieg und Präsident Wilsons sogenannten 14 Punkten vom 18. Januar 1918 zur Neuordnung Europas und der Welt die entscheidende Bedeutung zu. Die Oktoberrevolution figuriert dann als die größte Herausforderung: Einerseits gab es Überschneidungen mit den 14 Punkten Wilsons, den Friedensappellen und mit der Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker – im russischen Fall radikalisiert –, indem auch den Kolonialvölkern das Selbstbestimmungsrecht zugestanden werden sollte. Darüber hinaus war die »Deklaration der Rechte des arbeitenden und ausgebeuteten Volkes« vom 29. Januar 1918[69] ein Gegenentwurf und eine Herausforderung gegenüber der kapitalistischen Welt und besonders gegenüber den USA.

In Überblicksdarstellungen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es noch 1980, dass »1917 der entscheidende Wendepunkt« gewesen sei. Eine alte Epoche ging zu Ende; eine neue Epoche, wenn man will, eine lange Phase des »Kalten Krieges von 1917 bis in unsere Zeit (mit einer Unterbrechung im Zweiten Weltkrieg) begann«, heißt es im Vorwort zu Erwin Hölzles Amerika und Russland. Entstehung ihres Weltgegensatzes.[70] Im Großen Ploetz von 1998/99 heißt es noch, dass der »Weltgegensatz« zwischen West und Ost mit der Russischen Revolution und dem Kriegseintritt der USA begonnen und bis in die 1980er-Jahre angedauert habe.[71] Nach dem Zweiten Weltkrieg feierten die sowjetischen Historiker unermüdlich, fast bis zum Ende der Sowjetunion die Oktoberrevolution als Wende in der Menschheitsgeschichte.[72] Die Zeit vor der Revolution galt als »Vorgeschichte« des unaufhaltsamen Aufstiegs des Sozialismus und des sozialistischen »Friedenslagers«.[73] Bis in die 1950er- und 1960er-Jahre hinein operierten die sowjetischen Statistiken mit dem Vergleich der Wirtschaftsdaten vor und nach der Revolution, um den Aufbruch in den Sozialismus sowie das Auf- und Überholen der westlichen Industrieländer zu dokumentieren.[74] Diese durch den Kalten Krieg bestimmte Perspektive verleitete dazu, die Bipolarität zwischen den USA und der UdSSR vorzuverlegen und die Oktoberrevolution als Bedingung des Sieges im »Großen Vaterländischen Krieg« zu feiern. Auf Dauer hat sich der Sozialismus mit dem Kern von Parteidiktatur und Planwirtschaft als Alternative zum Kapitalismus aber nicht behaupten können. Er war eher ein Umweg in die Moderne oder, wie es der Politikwissenschaftler Dieter Senghaas seinerzeit formulierte: Der Sozialismus habe »die Rolle einer entwicklungspolitischen Krücke für nachholende Entwicklung im peripher-kapitalistischen Umfeld« übernommen. Schon 1982 meinte er, dass der real existierende Sozialismus ohne Selbstkorrektur nicht überlebensfähig sei.[75] In der Sowjetunion ist sie gescheitert, in China war sie – jedenfalls aus der Sicht des Regimes – erfolgreich.

 

Der Vortrag wurde am 28. April 2016 im Rahmen der Reihe »Talking about a revolution! Die Oktoberrevolution: Geschichte – Instrumentalisierung – Rezeption« gehalten und ist nachzuhören unter:

http://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/oktoberrevolution-beyrau

 

 


[1] H. G. Wells: Nacht über Russland. Skizzen aus dem bolschewistischen Russland, Berlin 1922, S. 63.

[2] Siehe N. D. Erofeev: Sovremennaja otečestvennaja istoriografija russkoj revoljucii 1917 goda [Die gegenwärtige vaterländische Historiografie über die Russische Revolution von 1917], in: Novaja i Novejšaja Istorija (2009), H. 2, S. 92–108.

[3] Siehe Harald Bluhm (Hg.): Militarisierter Sozialismus, in: Berliner Debatte Initial 8 (1997), H. 6.

[4] Siehe Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki). Kurzer Lehrgang, Berlin 1946, S. 219–291.

[5] Siehe V. P. Naumov u.a. (Red.): Sovetskaja istoriografija velikoj Oktjabrʼskoj socialističeskoj revoljucii [Die sowjetische Historiografie zur Großen Sozialistischen Oktoberrevolution], Moskau 1981.

[6] Nikolaj N. Jakovlev: 1 avgusta 1914 [1. August 1914], Moskau 1974, S. 226. Zum weiteren Kontext siehe Nikolaj Mitrochin: Russkaja Partija. Dviženie russkich nacionalistov v SSSR 1953–1985 [Die russische Partei. Die Bewegung der russischen Nationalisten in der UdSSR 1953–1985], Moskau 2003, S. 549; Boris Kolonickij: 100 Jahre und kein Ende. Sowjetische Historiker und der Erste Weltkrieg, in: Osteuropa 64 (2014), H. 2–4, S. 369–388, hier S. 384 f.

[7] Dietrich Geyer (Hg.): Die Umwertung der sowjetischen Geschichte, Göttingen 1991; V. P. Buldakov: Istoriografičeskie metamorfozy »krasnogo Oktjabrja« [Die historiografischen Metamorphosen des »Roten Oktober«], in: G. A. Bordjugov (Red.): Istoričeskie issledovanija v Rossii. Tendencii poslednich let [Historische Untersuchungen in Russland. Tendenzen der letzten Jahre], Moskau 1996, S. 179–205, hier S. 196; Isabel de Keghel: Abschied vom sowjetischen Gründungsmythos – die Oktoberrevolution im Vergangenheitsdiskurs des spät- und postsowjetischen Russland, in: Bernd Faulenbach/Franz-Josef Jelich (Hg.): »Transformationen« der Erinnerungskulturen nach 1989, Essen 2006, S. 227–252.

[8] Vera Tolz: Modern Russian Memory of the Great War, 1914–20, in: Eric Lohr u.a. (Hg.): The Empire and Nationalism at War, Bloomington/Ind. 2014, S. 257.

[9] Ebd., S. 278–280.

[10] Natalija Naročnickaja: Velikie vojny XX veka [Die großen Kriege des 20. Jahrhunderts], Moskau 2010.

[11] Boris Kolonitskii: The Desacralization of the Monarchy: Rumors and »Political Pornography« During World War I, in: Igal Halfin (Hg.): Language and Revolution. Making Modern Political Identities, London – Portland, Or. 2002, S. 47–81; Marlène Laruelle: Conspiracy and Alternate History in Russia: A Nationalist Equation for Success?, in: The Russian Review 71 (2012), H. 4, S. 565–580, hier S. 570 f.

[12] Wells: Nacht über Russland (Anm. 1), S. 27.

[13] Nikolaj Starikov: 1917. Kto ubil Rossiju [Wer Russland ermordete], Moskau 2007 (Aufl. 4000); dass. unter einem neuen Titel: Likvidacija Rossii. Kto pomog krasnym pobeditʼ v graždanskoj vojne? [Die Liquidierung Russlands. Wer half den Roten im Bürgerkrieg zu siegen?], Moskau u.a. 2010 (Aufl. 5000).

[15] Siehe Edward Acton u.a. (Hg.): Critical Companion to the Russian Revolution 1914–1921, London u.a. 1997; Helmut Altrichter: Rußland 1917. Ein Land auf der Suche nach sich selbst, Paderborn u.a. 1997; Murray Frame u.a. (Hg.): Russian Culture in War and Revolution, 1914–1922, Bd. 1–2, Bloomington, Ind. 2014.

[16] Theodore von Laue: Westernization, Revolution and the Search for a Basis of Authority – Russia in 1917, in: Soviet Studies 19 (1967), H. 2, S. 155–180.

[17] Siehe Oswald Spengler: Das Doppelantlitz Russlands und die deutschen Ostprobleme (1922), in: ders.: Politische Schriften. Volksausgabe, München/Berlin 1934.

[18] Siehe Iz glubiny. Sbornik statej o russkoj revoljucii [1919] [De profundis. Sammlung von Artikeln über die Russische Revolution], Paris 1967; Dietrich Beyrau: Intelligenz und Dissens. Die russischen Bildungsschichten in der Sowjetunion 1917 bis 1985, Göttingen 1993, S. 27–39.

[19] Boris I. Kolonitskii: Antibourgeois Propaganda and the Anti-»burzhui« Consciousness in 1917, in: The Russian Review 53 (1994), H. 2, S. 183–196.

[20] Siehe Nikolaj N. Suchanow: 1917. Tagebuch der russischen Revolution, München 1967, S. 386; Teddy J. Uldricks: The Crowd in the Russian Revolution. Towards reassessing the nature of revolutionary leadership, in: Politics and Society 4 (1973/74), H. 3, S. 397–413, hier S. 405.

[21] Siehe Orlando Figes: A Peopleʼs Tragedy. The Russian revolution 1891–1924, London 1997, S. 494 f.; Vladimir Buldakov: Krasnaja smuta. Priroda i posledstvija revoljucionnogo nasilija [Die roten Wirren. Natur und Folgen der revolutionären Gewalt], Moskau 1997, S. 134 f.; Igor Narskij: Žiznʼ v katastrofe. Budni naselenija Urala v 1917–1922 gg. [Leben in der Katastrophe. Alltag der Bevölkerung im Uralgebiet 1917–1922], Moskau 2001, S. 424 f.

[22] Siehe Tsuyoshi Hasegawa: The February Revolution. Petrograd 1917, Seattle/London 1981, S. 398–404.

[23] Wells: Nacht über Russland (Anm. 1), S. 48–51.

[24] Marc Ferro: Des soviets au communisme bureaucratiqie. Les mécanismes dʼune subversion, Paris 1980, S. 164 f. u. 230 f.

[25] Siehe Bill Lomax: Hungary 1956, London 1976, S. 147–169; Viktoria Grevemeyer-Korb: Die polnische Diskussion um die Arbeiterräte, Berlin/Wiesbaden 1978; Leopold Grünwald (Hg.): CSSR im Umbruch. Berichte, Kommentare, Dokumentation, Wien u.a. 1968, S. 84–88; Melanie Tatur: Solidarnosc als Modernisierungsbewegung. Sozialstruktur und Konflikt in Polen, Frankfurt a.M./New York 1989, S. 163–175; Stefan Plaggenborg (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 5, I. Halbband, Stuttgart 2002, S. 534–537.

[26] Richard Pipes: US – Soviet Relations in the Era of Détente, Boulder, Colo. 1981; Ken Jowitt: Soviet Neotraditionalism. The Poltical Corruption of a Leninist Regime, in: Soviet Studies 35 (1983), H. 3, S. 275–297; Edward L. Keenan: Muscovite Political Folkways, in: The Russian Review 45 (1986), H. 2, S. 115–181.

[27] Siehe Aleksandr Jakovlevič Livšin/ Igor Borisovič Orlov (Red.): Pisʼma vo vlastʼ 1917–1927 [Briefe an die Macht 1917–1927], Moskau 1998; dies. (Red.): Pisʼma vo vlastʼ 1928–1939 [Briefe an die Macht 1928–1938], Moskau 2002; Jeffrey Brooks: Thank you, Comrade Stalin! Soviet Public Culture from Revolution to Cold War, Princeton, N. J. 2000.

[28] Arch J. Getty: State and Society under Stalin: Constitutions and Elections in the 1930s, in: Slavic Review 50 (1991), H. 1, S. 18–36; Wird die Sowjet-Union ein Rechtsstaat? Die Diskussion über eine neue Verfassung in der UdSSR, in: Der Spiegel vom 5. September 1977, S. 135–138. www.spiegel.de/spiegel/print/d-40831460.html, ges. am 23. Mai 2016; viele Beiträge zu Einzelaspekten der Verfassung(sdiskussion) in: Osteuropa 28 (1978) und Osteuropa-Archiv 1978, H. 1, A 1-A 53.

[29] Siehe Anna Krylova: Beyond the Spontaneity-Consciousness Paradigma: »Class Instinct« as a Promising Category of Historical Analysis, in: Slavic Review 62 (2003), H. 1, S. 1–23.

[30] W. I. Lenin: Über die Gewerkschaften … (1920), in: ders.: Werke, Bd. 32, Berlin 1961, S. 1–26, hier S. 4; J. W. Stalin: Über die Mängel der Parteiarbeit … (1937), in: ders.: Werke, Bd.14, Dortmund 1976, S. 119–160, hier S. 156; Hans-Henning Schröder: »Lebendige Verbindung mit den Massen«. Sowjetische Gesellschaftspolitik in der Ära Chruščev, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 34 (1986), H. 4, S. 523–560.

[31] J. Stalin: Zum Tode Lenins (26. Januar 1924), in: ders.: Werke, Bd. 6, Berlin 1952, S. 41–46, hier S. 41.

[32] W. I. Lenin: Was tun?, in: ders.: Werke, Bd. 5, Berlin 1955, S. 355–551, hier S. 364.

[33] Siehe Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall, München 1992.

[34] W. Stalin: Marxismus und nationale Frage (1913), in: ders.: Werke, Bd. 2, Berlin 1952, S. 266–333, hier S. 332.

[35] Siehe Dietrich Beyrau: Petrograd 25. Oktober 1917. Die russische Revolution und der Aufstieg des Kommunismus, München 2001, S. 202–204.

[36] Siehe V. I. Lenin: Pisʼma k s-ezdu [1922] [Briefe an den Parteitag], in: ders.: Polnoe sobranie sočinenij [Vollständige Sammlung der Werke], Bd. 45, Moskau 1964, S: 343–362, hier S. 356–358; Iz istorii obrazovanija SSSR [Aus der Geschichte der Entstehung der UdSSR], in: Izvestija CK KPSS 1989, H. 9, S. 191–218.

[37] Siehe Michael Kirkwood (Hg.): Language Planning in the Soviet Union, London 1989; Terry Martin: The Affirmative Action Empire. Nations and Nationalism in the Soviet Union 1923–1939, Ithaca, London 2001.

[38] Siehe Yuri Slezkine: The USSR as a communal apartment, or how a socialist state promoted ethnic nationalism, in: Slavic Review 53 (1994), H. 2, S. 414–452.

[39] Julius Braunthal: Geschichte der Internationale, Bd. 1–3, Berlin, Bonn 1978, Bd. 2, S. 61.

[40] Siehe Tamara Kondratieva: Bolshéviks et Jacobins: Itinéraire des analogies [Bolschewiki und Jakobiner. Analoge Wege], Paris 1989; Ludmilla Thomas: Nomen est omen. Sinn und Wirkung der Analogien zur Französischen Revolution in Lenins Texten, in: Zeitschrift für Geschichte 45 (1997), H. 10, S. 869–884.

[41] Bertrand Russell: Die Praxis und Theorie des Bolschewismus [1920], Darmstadt 1987, S. 25.

[42] Dietrich Beyrau: Janus in Bastschuhen. Die Bauern in der russischen Revolution 1905–1917, in: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), H. 4, S. 585–603; Athar Hussain: Tribe, Keith, Marxism and the Agrarian Question. Bd. 1: German Social Democracy and the Peasantry 1890–1907; Bd. 2: Russian Marxism and the Peasantry 1861–1930, Bd. 1–2, London 1981.

[43] Maxim Gorkij: Unzeitgemäße Gedanken über Kultur und Revolution, Frankfurt a.M. 1974, S. 134.

[44] Wells: Nacht über Russland (Anm. 1), S. 54.

[45] Siehe Bernhard H. Bayerlein: Das neue Babylon. Strukturen und Netzwerke der Kommunistischen Internationale und ihre Klassifizierung, in: Ulrich Mählert u.a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2004, Berlin 2004, S. 181–270; Tim Rees/Andrew Thorpe (Hg.): International Communism and Communist International, 1919–1943, Manchester, New York 1998; Hermann Weber u.a.: Deutschland, Russland, Komintern (= Archive des Kommunismus – Pfade des XX. Jahrhunderts, Bd. 1–3), Berlin, Boston 2014.

[46] Siehe Peter Lösche: Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie (1905–1920), Berlin 1967; Peter Lübbe: Kommunismus und Sozialdemokratie: Eine Streitschrift, Berlin u.a. 1978.

[47] Edgar Snow: Roter Stern über China, Frankfurt a.M. 1970, S. 452.

[48] Siehe Julius Braunthal: Geschichte der Internationale, Bd. 3, Berlin, Bonn 1978; Alexander Watlin: Die Komintern 1919–1929. Historische Studien, Mainz 1993; Kevin McDermott/Jeremy Agnew: The Comintern. A History of International Communism from Lenin to Stalin, London 1996; Klaus Heller/Jan Plamper (Hg.): Personality Cults in Stalinism. Personenkulte im Stalinismus, Göttingen 2004.

[49] Siehe Eva Schmidt-Hartmann (Hg.): Kommunismus und Osteuropa. Konzepte, Perspektiven und Interpretationen im Wandel, München 1994; Norman Naimark/Leonid Gibianski (Hg.): The Establishment of Communist Regimes in Eastern Europe 1944–1949, Boulder, Colo. 1997; Vladimir Tismaneanu (Hg.): Stalinism Revisited. The Establishment of Communist Regimes in East Central Europe, Budapest, New York 2009.

[50] Siehe Jean-Louis Margolin: China: Ein langer Marsch in die Nacht, in: Stéphane Courtois u.a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror, München, Zürich 1998, S. 511–608; Lorenz Erren: Zum Ursprung einiger Besonderheiten der sowjetischen Parteiöffentlichkeit. Der stalinistische Untertan und die Selbstkritik in den dreißiger Jahren, in: Gábor T. Rittersporn u.a. (Hg.): Sphären von Öffentlichkeit in Gesellschaften sowjetischen Typs, Frankfurt a.M. u.a. 2003, S. 131–163.

[51] Siehe Robert Jay Lifton: Thought Reform and the Psychology of Totalism: A Study of Brainwashing in China, New York 1961, 2. Aufl. Chapel Hill, London 1989.

[52] Siehe Robert Service: Comrades. A World History of Communism, London 2007; Archie Brown: The Rise and Fall of Communism, London 2009; David Priestland: The Red Flag: How Communism Changed the World, London 2009; Stephen A. Smith (Hg.): The Oxford Handbook of the History of Communism, Oxford 2014.

[53] Siehe Bernhard H. Bayerlein: »Der Verräter, Stalin, bist Du!« Vom Ende der linken Solidarität 1939–1941, Berlin 2008.

[54] Siehe Andrew Bennett: Condemned to Repetition? The Rise, Fall and Reprise of Soviet-Russian Military Interventionism, 1973–1996, Cambridge, Ma. 1999; Roger E. Kanet: The Superpower Quest for Empire. The Cold War and Soviet Support for »Wars of National Liberation«, in: Cold War History 6 (2006), H. 3, S. 331–352.

[55] Holm Sundhaussen: Geschichte Jugoslawiens, Stuttgart u.a. 1982, S. 161–172.

[56] James C. Scott: Seeing like a state. How certain schemes to improve the human condition have failed, New Haven, London 1998; David I. Hoffmann/Yanni Kotsonis (Hg.): Russian Modernity: Politics, Knowledge, Practices, Basingstoke, New York 2000.

[57] Siehe Heiko Haumann: Beginn der Planwirtschaft. Elektrifizierung, Wirtschaftsplanung und gesellschaftliche Entwicklung Sowjetrusslands 1917–1921, Düsseldorf 1974; Karl Schlögel: Jenseits des Großen Oktober. Das Laboratorium der Moderne. Petersburg 1909–1921, Berlin 1988, S. 277–316.

[58] Siehe Scott: Seeing like a state (Anm. 56), S. 223–307; siehe die Beiträge von Roger E. Kanet, Ragna Boden und Thomas Scheben, in: Bernd Greiner u.a. (Hg.): Ökonomie im Kalten Krieg, Bonn 2010.

[59] Siehe Lösche: Bolschewismus (Anm. 46); Lübbe: Kommunismus (Anm. 46), Anm. 43.

[60] Siehe Robert K. Murray: Red Scare. A Study in National Hysteria, Minneapolis 1955 (Reprint: Westport, Conn. 1980); Richard Gid Powers: Not without Honor. The History of American Anticommunism, New Haven 1995; Ann Hagedorn: Savage Peace. Hope and Fear in America, New York 2007.

[61] Siehe Ernst Nolte: Zwischen Geschichtslegende und Revisionismus?, in: »Historikerstreit«. Eine Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München, Zürich 1987, S. 13–35, bes. S. 31–35; Ernst Nolte: Der europäische Bürgerkrieg 1917–1945: Nationalsozialismus und Bolschewismus, Frankfurt a.M., Berlin 1987, S. 534–549, hier S. 547.

[62] Siehe Jonathan Frankel: The »Non-Jewish Jews« Revisited: Solzhenitsyn and the Issue of National Guilt, in: Richard Cohen/Jonathan Frankel/Stefani Hoffman (Hg.): Insiders and Outsiders. Dilemmas of the East European Jewry, Oxford, Portland 2010, S. 166–187; Jonathan Frankel/Dan Diner (Hg.): Dark Times, Dire Decision. Jews and Communism (= Studies in Contemporary Jewry. An Annual. XX), Oxford 2004; Oleg V. Budnickij: Rossijskie evrei meždu krasnymi i belymi (1917–1920) [Russische Juden zwischen den Weißen und den Roten], Moskau 2006, S. 52–157.

[63] Ulrich Herbeck: Das Feindbild vom »jüdischen Bolschewiken«: Zur Geschichte des russischen Antisemitismus vor und während der Russischen Revolution, Berlin 2009.

[64] Siehe Johannes Baur: »Die Revolution und die Weisen von Zion«. Zur Entwicklung des Russlandbildes in der frühen NSDAP, in: Gerd Koenen/Lew Kopelew (Hg.): Deutschland und die russische Revolution, München 1998, S. 165–190; Joachim Schröder: Der Erste Weltkrieg und der »jüdische Bolschewismus«, in: Gerd Krumeich: Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg, Essen 2010, S. 77–96.

[65] Siehe Frank Grüner: Die Tragödie von Babij Jar im sowjetischen Gedächtnis, in: Urs Heftrich/Heinz-Dietrich Löwe (Hg.): »Zerstörer des Schweigens«. Formen künstlerischer Erinnerung an die nationalsozialistische Rassen- und Vernichtungspolitik, Köln, Weimar 2006, S. 57–96; Karel C. Berkhoff: »Total Annihilation of the Jewish Population«. The Holocaust in the Soviet Media 1941–1945, in: Kritika 10 (2009), H. 1, S. 61–105; Wolfgang Wippermann: Zur Analyse des Faschismus: Die sozialistischen und kommunistischen Faschismustheorien 1921–1945, Frankfurt a.M. 1981, S. 59–98.

[66] Siehe Henry Rousso (Hg.): Stalinism & Nazism. History and Memory Compared, Lincoln, London 2004 (aus dem Franz.: Stalinisme et nazisme: histoire et mémoire comparées, Bruxelles 1999); Michael Geyer/Sheila Fitzpatrick (Hg.): Beyond Totalitarianism. Stalinism and Nazism Compared, Cambridge u.a. 2009.

[67] Evgenij B. Pasternak: Boris Pasternak. Materialy k biografii [Materialien zur Biografie], Moskau 1989, S. 51 f.

[68] Siehe Adam Tooze: The Deluge. The Great War and the Remaking of Global Order, 1916–1931, London 2014.

[69] Siehe Manfred Hellmann (Hg.): Die russische Revolution 1917, München 1964, S. 340–343.

[70] Vorwort von Günther Franz, in: Erwin Hölzle: Amerika und Russland. Entstehung ihres Weltgegensatzes, Göttingen u.a. 1980, S. 7.

[71] Der Große Ploetz, 32. Aufl. Darmstadt (Lizenzausgabe)/Freiburg 1998/99, S. 714.

[72] Siehe M. Džunusov (Red.): Korennoj perelom vo vsemirnoj istorii: sbornik statej o vsemirno-istoričeskom značenii Velikoj Oktjabrʼskoj socialističeskoj revoljucii [Der fundamentale Umsturz in der Weltgeschichte. Aufsatzsammlung über die welthistorische Bedeutung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution], Frunze 1958; Pavel A. Golub (Red.): Istoričeskij opyt trech rossijskich revoljucii. Bd. 3: Korennoj povorot v istorii čelovečestva: Velikaja Okjabrʼskaja socialističeskaja revoljucija [Die historische Erfahrung der drei russischen Revolutionen, Bd. 3: Der fundamentale Umsturz in der Menschheitsgeschichte: Die Große Sozialistische Oktoberrevolution], Moskau 1987; V.A. Vinogradov u.a. (Red.): Krasnyj Oktjabrʼ – korennoj perelom v istorii čelovečestva: Materialy naučnoj konferencii komissii istorikov SSSR i GDR (okt. 1987 g. Berlin) [»Roter Oktober« – Der fundamentale Umbruch in der Menschheitsgeschichte. Materialien der wissenschaftlichen Konferenz der Historiker der UdSSR und DDR (Okt. 1987 in Berlin)], Teil 1–2, Moskau 1988.

[73] Dietrich Geyer: Die russische Revolution. Historische Probleme und Perspektiven, Stuttgart u.a. 1968, S. 9 f.

[74] Siehe Dostiženija Sovetskoj vlasti za sorok let v cifrach. Statističeskij sbornik [Die Errungenschaften der Sowjetmacht in vierzig Jahren in Zahlen. Gesammelte Statistiken], Moskau 1957.

[75] Dieter Senghaas: Von Europa lernen. Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen, Frankfurt a.M. 1982, S. 305.

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