JHK 2018

Inhaltsverzeichnis

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»Es ist notwendig, dass klar und offen gesprochen wird.« Josef Strasser (1870–1935), ein demokratischer Kommunist in Österreich

Gabriella Hauch

[1]Josef Strasser war ein leidenschaftlicher Schachspieler – das ist eine der wenigen persönlichen Erinnerungen an diesen Akteur der österreichischen Arbeiterbewegung. So ärgerte sich einst sein Chefredakteur bei der sozialdemokratischen Arbeiter-Zeitung (AZ), Strasser während des Ersten Weltkriegs statt Artikel schreibend versunken über Spielzugberechnungen zu finden. Später, nun selbst Chefredakteur, allerdings des kommunistischen Zentralorgans, saß der Stammgast des Wiener Café Central…

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Allein gegen die Partei. Zbigniew Iwanów – der Rebell in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei 1980/81

Jakub Szumski

Im September 1987 war in der Kultura, der monatlich in Frankreich erscheinenden wichtigsten Zeitschrift der polnischen politischen Emigration, in der Rubrik »Briefe an die Redaktion« eine ungewöhnliche Anzeige zu lesen. Der in Texas lebende Wojciech Z. Kaminski informierte darin über den Tod des 39-jährigen Zbigniew Iwanów, mit dem er, ebenfalls Emigrant, bis dahin zusammen in einer US-Consulting-Firma gearbeitet hatte. Weil er sich nicht in der Lage sah, die komplizierte Biografie seines…

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Von den revolutionären Lagern zum sowjetischen GULag. Entwicklungspfade des sowjetischen Strafsystems

Zhanna Popova

Wie war das frühe sowjetische Strafsystem aufgebaut und auf welche Weise bereiteten die frühen Entwicklungen den Boden für die Errichtung des späteren sowjetischen Systems der Besserungsarbeitslager? Dieser Frage geht der Artikel nach, ohne jedoch dabei unter Berücksichtigung der aus historischer Langzeitperspektive offenkundig zentralen Bedeutung des GULag für das sowjetische System der Zwangsarbeit vornehmlich auf die politischen Erklärungen für seine Errichtung einzugehen; auch der Aspekt der…

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Für den »Roten Oktober«, gegen die Bolschewiki. Isaac Steinbergs Kampf für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz

Tobias Grill

»Der Sozialismus ist sittlicher Aktivismus. Nur als eine moralische Bewegung wird der Sozialismus den Menschen befreien oder gar nicht.«[1] Dieses Credo des aus dem Russischen Reich stammenden Linken Sozialrevolutionärs (LSR) Isaac Steinberg (1888‑1957) aus dem Jahr 1923 war Ausdruck seiner eigenen politischen Erfahrungen. Nach der Oktoberrevolution zunächst drei Monate lang als Volkskommissar für Justiz an einer Koalitionsregierung mit den Bolschewiki beteiligt, war Steinberg schließlich zu…

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Der Generalsekretär des Komsomol Aleksandr Kosarev als Förderer des sowjetischen Fußballs

Peter Kaiser

In einem seiner Artikel über Stalin und den Stalinismus vermerkte Jörg Baberowski mit pointierter Schärfe, die Beschäftigung mit dem Diktator und dessen Umgebung sei immer noch ein Desiderat der Forschung, weil die Historiker nur dann »die Rationalität der destruktiven Gewalt besser als bisher verstehen« werden, wenn sie sich Stalin und seinen Helfern als Menschen zuwenden. »Zu zeigen, wie der individuelle Mensch als Schöpfer und Geschöpf seiner Umgebung gewesen ist, das ist die eigentliche…

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Hermann Weber und die Stalinisierung des deutschen Kommunismus. Eine Rezeptionsgeschichte

Marcel Bois

Als Hermann Weber am 2. Juli 1968 zum Rigorosum antrat, hatte er gerade einmal fünf Semester lang studiert. Das Promotionsverfahren bei Erich Matthias an der Universität Mannheim schloss er trotzdem mit »summa cum laude« ab, lediglich zwei Jahre später habilitierte er sich hier. Schließlich wurde er im Jahr 1975 zum ordentlichen Professor am Lehrstuhl für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim berufen. Es war, wie er rückblickend schrieb, wohl »der schnellste…

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Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung 2018

Jörg Baberowski Prof. Dr. phil., geb. 1961 in Radolfzell. 1982 bis 1988 Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Göttingen, 1989 bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Osteuropäische Geschichte an der Universität Frankfurt a. M., 1994 Promotion an der Historischen Fakultät der Universität Frankfurt a. M., Titel der Dissertation: »Autokratie und Justiz. Zum Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Rückständigkeit im ausgehenden Zarenreich 1864–1914«; September 2000…

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Parteivorsitzender für drei Monate: Ernst Däumig (1866–1922) und das Rätesystem

Volker Stalmann

Die Geschichte der Kommunistischen Partei in der Weimarer Republik lässt sich als eine Geschichte der wachsenden Abhängigkeit von Moskau, von der im März 1919 gegründeten Kommunistischen Internationale und deren Exekutivkomitee (EKKI), beschreiben. Vermochte die Partei sich noch bis 1920 eine gewisse Eigenständigkeit zu bewahren und sich nach dem Zusammenschluss mit dem linken Flügel der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) als kommunistische Massenpartei zu positionieren, geriet sie…

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Das Parteikontrollkomitee und die Entstalinisierung. Zur Normalisierung der politischen Kultur der KPdSU ab 1953

Jochen Krüger

Im Frühjahr 1944 beschwerte sich ein gewisser Astafʼev vom Moskauer Stadtsowjet beim Parteikontrollkomitee (komitet partijnogo kontrolja, KPK)[1] über die Direktion der Fabrik Nr. 88 in Moskau, die Datschas von Frontsoldatenfamilien requirierte und an Mitarbeiter vergab, obwohl diese schon über Wohnraum verfügten.[2] Im November 1952 kam es im Arbeits- und Besserungslager Kargopolʼ, Oblastʼ Archangelʼsk, zu einem Hungerstreik mit über 500 Gefangenen, nachdem der Leiter einer Gefangenenbrigade…

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Demokratische Anfänge? Die frühe KPD und die falsche Prämisse der Stalinisierungsthese

Marcus Schönewald

[*]Die Stalinisierungsthese Hermann Webers hat die Entwicklung der KPD in der Weimarer Republik auf eine ebenso prägnante wie wirkmächtige Formel gebracht: Die KPD habe sich von einer relativ unabhängigen, radikal-sozialistischen Partei, in der innerparteiliche Demokratie eine Selbstverständlichkeit gewesen sei,[1]in »eine straff zentralisierte, monolithische Organisation« verwandelt, »in der die Führung mit Hilfe des eigenen Apparats diktatorisch herrschte und deren Politik sich den Interessen…

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Parlamentarische Integration versus Stalinisierung? Die KPD-Fraktion im Landtag von Thüringen 1920–1932

Timo Leimbach

Spaltung der thüringischen KPD-Landtagsfraktion An der 11. Jahreswende der Gründung der Kommunistischen Partei befindet sich die KPD. in einer tiefgehenden Krise. […] Diese Krise hat dazu geführt, daß das ZK. der KPD. über den Kopf der Parteimitgliedschaft hunderte der besten Parteifunktionäre gemaßregelt und ausgeschlossen hat. […] Die Krise der KPD. ist der Ausdruck für die Tatsache, daß sich die Strategie und Taktik der Partei immer mehr auf eine unmarxistische Einschätzung des politischen…

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Leo Koflers Ideologiekritik des Stalinismus und ihre Ursprünge in der frühen DDR

Christoph Jünke

Die mit dem Ende des einstmals real existierenden Sozialismus einsetzende sogenannte Archivrevolution der 1990er-Jahre hat zu einer umfangreichen Sammlung, Prüfung und Ordnung neuer Quellen und Tatsachen in der internationalen Kommunismusforschung geführt. Der Versuch jedoch, Ordnung auch in das Wesen der Erscheinungen zu bekommen und den historischen Stalinismus in seiner Einheit und Dynamik zu erfassen, ist damit nur unwesentlich vorangekommen. Die anhaltend kontroversen Debatten, ob der…

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Die Archivierung zweiter Ordnung. Werkstattbericht zur Übernahme und Erschließung des Nachlasses von Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Weber ins Archiv der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Thomas Drerup

Hermann Weber – ein Name, der zunächst durch etliche Pseudonyme verschleiert[1] und später mit vielen Titeln geschmückt worden ist: bei offiziellen Anlässen mit »Prof. Dr. Dr. h.c.«, auf Klappentexten dutzender Bücher sowie in ungezählten Zeitungsartikeln, Verlagsbroschüren und Veranstaltungsankündigungen mit »Nestor der historischen Kommunismus- und DDR-Forschung«. Nach jahrzehntelangen Schmähungen in Zeitungen und Fachzeitschriften der DDR, von denen »Renegat« noch eine der freundlichsten…