JHK 2019

»Vereinigt in der internationalen Solidarität!«

Der Aufruf der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter an die »Kolonial«- und »Neger«-Seeleute in den frühen 1930er-Jahren

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 15-34 | Metropol Verlag

Autor/in: Holger Weiss

1. Einleitung

Zu Beginn des Jahres 1931 informierte die International Negro Workers’ Review ihre Leser über die Kämpfe der deutschen Hafenarbeiter in Hamburg gegen geplante Lohnkürzungen. In Großbritannien und Japan, so das Journal, planten die Reeder einen Angriff auf Seeleute und Hafenarbeiter. Die als »Sozialfaschisten« gebrandmarkten Führer und Bürokraten der nationalen Gewerkschaften wurden des Verrats an den Arbeitern beschuldigt, da sie sich mit den kapitalistischen Eigentümern verbündeten, die Lohnkürzungen unterstützten und die Klasse der Seearbeiter spalteten. Das sei keine Überraschung, erinnerte die Zeitschrift ihre Leser: Die reformistischen und »sozialfaschistischen« Gewerkschaftsbosse hätten schon immer die schwarzen und farbigen Seeleute verraten. Eine neue Ära radikaler internationaler Solidarität unter den Seearbeitern habe jedoch mit der Gründung der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter begonnen. Diese Organisation, so verkündete die Zeitschrift, sei die einzige, die bereit sei, gegen Lohnkürzungen und die Verschlechterung der Lebensbedingungen an Bord, »für gleiche Bezahlung und gleiche Bedingungen, für die vollkommene Gleichheit der Arbeiter aller Rassen« zu kämpfen – unabhängig von Glaubensbekenntnis oder Hautfarbe. Die Ankündigung endete mit dem Aufruf an die schwarzen Seeleute und Hafenarbeiter der ganzen Welt, sich mit den Hamburger Hafenarbeitern in einer Einheitsfront zu vereinen und, noch wichtiger, in die militanten Sektionen der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter einzutreten: »Vereint in der internationalen Solidarität! Kampf dem imperialistischen Krieg!«[1]

Ein ähnlicher, deutlich längerer Appell an die radikale internationale Solidarität unter Seeleuten erschien ein halbes Jahr später in The Negro Worker. Zwei wesentliche Punkte wurden in dem Artikel angesprochen. Erstens war der Kampf gegen den »imperialistischen Krieg«, d. h. die Kampagne gegen den (vermuteten) »imperialistischen« Angriffsplan gegen die Sowjetunion, Teil des täglichen Kampfes der maritimen Transportarbeiter zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen auf Schiffen, in Häfen und in der Transportindustrie. Den kapitalistischen Eigentümern wurde unterstellt, in der Schifffahrtsindustrie riesige Profite angehäuft zu haben und große Summen für Kriegsvorbereitungen auszugeben, während die Arbeiter von Lohnkürzungen, Beschleunigung, unterbesetzten Schiffen und miserablen Lebensbedingungen an Bord bedroht waren. Die am meisten Ausgebeuteten an Bord und an Land waren die Seeleute aus den Kolonien: »Für die Reeder sind sie nichts als Sklaven.« Die der Amsterdamer Internationale – d. h. dem Internationalen Gewerkschaftsbund mit Sitz in Amsterdam – angegliederten reformistischen Gewerkschaften wurden als Lakaien der kapitalistischen Eigentümer und »Sturmbrigaden und Kriegshetzer gegen die Sowjetunion« sowie als Unterstützer der Ausbeutung der kolonialen Arbeiter und Länder beschuldigt.

Zweitens bestand die einzige Möglichkeit, gegen die Ausbeutung anzukämpfen und der Kriegsgefahr entgegenzuwirken, darin, die radikale internationale Solidarität durch die Vereinigung der schwarzen und weißen Seeleute zu propagieren. Im Gegensatz zur reformistischen Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF), die beschuldigt wurde, »Rassenhass zu propagieren und die weißen gegen die kolonialen Seeleute aufzuhetzen«, wurde die Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH) als Bollwerk der Einheit und internationalen Solidarität zwischen farbigen und weißen Seeleuten dargestellt.[2]

Die International Negro Workers’ Review und The Negro Worker waren Sprachrohr des Internationalen Gewerkschaftskomitees der Negerarbeiter (International Trade Union Committee of Negro Workers, ITUCNW). Diese Organisation war während der ersten Internationalen Konferenz der Negerarbeiter im Juli 1930 in Hamburg gegründet worden. Sie stellte sich selbst als radikales antiimperialistisches und antikolonialistisches Organ dar, das gegen Rassenschranken und weiße Chauvinisten kämpfen wollte, die immer noch die Arbeiterschaft zum Vorteil der Unterdrücker und Ausbeuter spalteten.[3] Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Kontakte zu Gewerkschaftsorganisationen im afrikanischen Atlantik herzustellen und aufrechtzuerhalten. Anfangs präsentierte sie sich als eine radikale, unabhängige Körperschaft, doch schon bald wurde deutlich, dass die Organisation enge Beziehungen zur Roten Gewerkschaftsinternationale (RGI) unterhielt. Rückblickend erscheint die Organisation als Kopfgeburt der vereinten Bemühungen der Kommunistischen Internationale (Komintern), der RGI und einer Handvoll afro-karibischer/-amerikanischer Aktivisten. Sie war ursprünglich im Juli 1928 als Internationales Gewerkschaftskomitee der Negerarbeiter der RGI gegründet worden und hatte ihren Sitz in Moskau, wo das Komitee die Zeitschrift The Negro Worker veröffentlichte. Nach der Gründung des Internationalen Gewerkschaftskomitees der Negerarbeiter wurde die Moskauer Einheit in »Negerbüro« der RGI umbenannt, während sich der Sitz des (neuen) Internationalen Gewerkschaftskomitees der Negerarbeiter, Hamburger Komitee genannt, in der Rothesoodstraße 8 in Hamburg befand. Dies war auch die Adresse des Internationalen Seemannsclubs und des Hamburger Hafenbüros – und der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter. Letztgenannte Organisation war ebenfalls Teil der Roten Gewerkschaftsinternationale und im Oktober 1930 gegründet worden.[4]

Obwohl der Autor der Aufrufe an die »Neger«-Seeleute nicht bekannt ist, ist es offensichtlich, dass diese von jemandem im Hauptquartier der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter entworfen worden waren, d. h., die ISH benutzte das Journal des Internationalen Gewerkschaftskomitees der Negerarbeiter als Propagandavehikel. Eine Textanalyse der in der Zeitschrift veröffentlichten Artikel und Notizen zeigt deutlich, dass beide Aufrufe sich in Stil und Sprache durch die Verwendung der spezifisch kommunistischen Sprache während der Periode des Kampfes »Klasse gegen Klasse« einschließlich Phrasen wie »Sozialfaschismus« und durch die Forderung nach Einheit der schwarzen und weißen Arbeiter ähnelten. Das ist keine Überraschung, da die ITUCNW und die ISH von Moskau strikte Anweisungen zur Kooperation erhalten hatten; tatsächlich bestand eine der Hauptaufgaben des Hamburger Komitees darin, die ISH bei ihrer Agitations- und Propagandaarbeit unter schwarzen Seeleuten zu unterstützen.[5]

Der antirassistische, antichauvinistische und antiimperialistische Aufruf der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter richtete sich jedoch nicht nur an schwarze Seeleute, sondern an alle »farbigen« und »kolonialen« Seeleute. In der kommunistischen Rhetorik bezogen sich »farbige« und »koloniale« Seeleute auf Schwarze, d. h. afroamerikanische, karibische und afrikanische sowie nordafrikanische und arabische, indische, vietnamesische, indonesische und chinesische Seeleute und Hafenarbeiter. Forderungen nach proletarischer oder radikaler internationaler Solidarität kennzeichneten revolutionäre maritime Oppositionsgruppen innerhalb der reformistischen Gewerkschaften während der Zwischenkriegszeit. Solche Gruppen wurden zum großen Teil von einem kommunistischen Kern oder einer Fraktion dominiert oder kontrolliert, die ihrerseits unter der Kontrolle der nationalen Kommunistischen Partei und damit der Komintern und des RGI-Apparats in Moskau standen. David Featherstones Studie über die verborgene Geschichte und Geografie maritimer antikolonialer, antirassistischer und antifaschistischer Programme und Aktivitäten beleuchtet die Komplexität der radikalen (kommunistischen) Artikulation von Klasse und Rasse.[6] Mit Blick auf den britischen und den schwarz-atlantischen Kontext haben er sowie Marika Sherwood, Hakim Adi und Christian Høgsbjerg die Diskrepanz zwischen dem politischen Ruf nach colour-free und klassenbasiertem radikalen maritimen Internationalismus in der Öffentlichkeit und in Printmedien durch die Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter und den rassistischen Einstellungen und dem alltäglichen Rassismus, mit denen schwarze, indische oder chinesische Seemänner und Hafenarbeiter an ihrem Arbeitsplatz und durch kommunistische Gewerkschafts- und Parteiführer konfrontiert wurden, aufgezeigt.[7] Der vorliegende Beitrag möchte zu diesen Erkenntnissen beitragen und die Äußerungen der radikalen internationalen Solidarität der ISH gegenüber kolonialen Seearbeitern während der frühen 1930er-Jahre untersuchen. Der erste Teil des Artikels analysiert die Artikulation der colour-free radikalen internationalen Solidarität, wie sie sich in der Resolution über die Kolonialarbeit der ISH von 1931 sowie in ihrem »Appell an die schwarzen Seeleute und Hafenarbeiter« von 1932 darstellt. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Arbeit des Internationalen Seemannsclubs und der nationalen Sektionen der ISH unter den Seeleuten der Kolonien zwischen 1930 und 1933.

Die radikale internationale Solidarität der ISH, ihrer nationalen Sektionen und der Internationalen Seemannsvereine und ihrer Aktivitäten unter kolonialen maritimen Arbeitern hat bisher wenig akademisches Interesse gefunden. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die ISH nur ein kurzlebiger Versuch der RGI und der Komintern war, eine Gegenmacht zur Internationalen Transportarbeiter-Föderation aufzubauen. Die ISH war als Teil der »Klasse gegen Klasse«-Strategie etabliert worden, als Moskau reformistische/sozialistische/sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften als »Sozialfaschisten« brandmarkte und versuchte, eine sogenannte revolutionäre Gewerkschaftsopposition entweder als unabhängige Einheit innerhalb einer Gewerkschaft oder als unabhängige radikal/kommunistisch geführte Gewerkschaft zu bilden. Mit der offiziellen Wende zur sogenannten Volksfront-Taktik auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 kamen die verbalen Attacken gegen reformistisch geführte Gewerkschaften zu einem Ende.[8] Für die ISH und andere Organisationen der Komintern und der RGI, die ihren Sitz in Deutschland hatten, markierten die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und der Kurswechsel der sowjetischen Außenpolitik 1934 den Beginn eines taktischen Wandels. Nicht zuletzt wurde die ehemals vehement antikolonialistische und antiimperialistische Agenda der ISH heruntergespielt, wenn nicht ganz ausgesetzt.

Vor allem die gewerkschaftliche Organisation der Seeleute war eine Herausforderung, da die Tätigkeit der Gewerkschaften hauptsächlich auf das Festland ausgerichtet war, während Seeleute auf Schiffen arbeiteten, die selten ihre Heimathäfen anliefen. Außerdem wurden Seeleute lange Zeit als widerspenstige, individualistische und internationalistische Gruppe betrachtet, die wenig Interesse an organisierten Gewerkschaftsaktivitäten hatte. Eine weitere Herausforderung waren die an Land lebenden arbeitslosen Seeleute. Vor allem in den 1920er- und 1930er-Jahren waren sie für die damals existierenden reformistisch geführten Gewerkschaften eine problematische Gruppe: Empfänglich für radikale, d. h. kommunistische Agitation und Propaganda, könnten sie auf Gewerkschaftssitzungen zu einer »fünften Kolonne« werden und auf eine Politisierung der Gewerkschaftsaktivitäten drängen. Es ist nicht überraschend, dass viele führende Persönlichkeiten der ISH einen Hintergrund im »revolutionären Industrieunionismus« und im radikalen internationalen Syndikalismus der Wobblies, dem maritimen Zweig der Gewerkschaft der syndikalistischen Industriearbeiter der Welt (Industrial Workers of the World, IWW) vor dem und während des Ersten Weltkriegs, hatten.[9] Ein weiteres Handicap war, dass sozialdemokratische wie auch kommunistische Partei- und Gewerkschaftsführer die Wasserfront nur als sekundäres Arbeitsfeld betrachteten – in bloßen Zahlen stellten die maritimen Arbeiter nur einen kleinen Teil der Arbeitskräfte.[10] Wie Peter Cole und David Featherstone betonten, waren die offiziellen Seehandelsgewerkschaften in den USA, Großbritannien und anderswo, abgesehen von der maritimen Transportarbeitergewerkschaft, überwiegend exklusorisch und segregierend.[11]

Der Versuch der ISH, sich für radikale internationale Solidarität einzusetzen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Globalgeschichte kolonialer Seearbeiter und ihrer Radikalisierung in der Zwischenkriegszeit. Die Beschäftigung von Seeleuten verschiedener ethnischer Herkunft aus den Kolonien in Europa und Amerika hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Dynamik gewonnen. Besonders in der Ära der Dampfschiffe wurden asiatische, arabische, afrikanische und karibische Seeleute für ungelernte Arbeiten an Bord eingestellt.[12] In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren es bereits Zehntausende. Die größte Gruppe bildeten die sogenannten Laskars oder indischen Seeleute, die 1937 etwa ein Viertel der an Bord britischer Schiffe arbeitenden Seeleute ausmachten, d. h. etwa 44.000 von 142.000 Mann, während ihre Gesamtzahl in den 1930er-Jahren auf fast 235.000 geschätzt wurde.[13] Die Verhältnisse und Arbeitsbedingungen der kolonialen Seearbeiter waren diskriminierend, sie erhielten weniger Lohn, Wohnraum, Lebensmittel- und Frischwasserzulagen, Kriegsrisikozuschüsse usw. als weiße Seeleute; und während dies für alle Seeleute aus den Kolonien galt, standen die Laskars auf der untersten Stufe der Besatzungsmitglieder.[14] Ihre Lebensbedingungen waren nicht viel besser, wenn sie in den Häfen blieben oder dort lebten, da sie normalerweise in ärmeren Arbeitervierteln wohnten, wo sie segregierte ethnische Gemeinschaften bildeten und Rassendiskriminierung ausgesetzt waren.[15]

Rassendiskriminierung und weißer Chauvinismus gewannen an Dynamik, als in der Nachkriegszeit ein Konjunktureinbruch des britischen Handels und der Schifffahrt zu rassistischen Spannungen und Konflikten führte, die im Vereinigten Königreich in Ausschreitungen und Angriffen auf indische und schwarze (afrikanische und karibische) Seeleute mündeten.[16] Die britische Regierung reagierte 1920 auf die »Rassenunruhen« von 1919 mit der Einführung der »Coloured Alien Seamans’ Order«, einer Verfügung über farbige ausländische Seeleute, um die Beschäftigung ausländischer, insbesondere chinesischer, afrikanischer und karibischer Seeleute zu regulieren und zu begrenzen. Von der National Union of Seamen (NUS), die eher die diskriminierende Regierungspolitik unterstützte, kam wenig Unterstützung, was 1925 in der Änderung und Erweiterung der »Coloured Alien Seamans’ Order« und 1930 in der Einführung der PC5-Karte als einem System zur Registrierung von arbeitssuchenden Seeleuten gipfelte.[17]

War das Leben der kolonialen Seeleute in Großbritannien und an Bord britischer Schiffe in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren von Chauvinismus, Diskriminierung und Rassismus geprägt, so war die Situation anderswo nicht viel besser. In den USA wurden schwarze Seeleute durch die Jim-Crow-Gesetze im Süden der USA und durch weißen Chauvinismus und eklatanten Rassismus in den Seemannsgewerkschaften diskriminiert.[18] Chinesische und japanische Seeleute litten auf dem amerikanischen Pazifik genauso.[19] Einzige Ausnahme waren die Wobblies, die versuchten, asiatische und schwarze Seeleute zu gewinnen, und für einen rassenüberbrückenden Unionismus eintraten. Mitte der 1920er-Jahre hatte die Gewerkschaft der Industriearbeiter der Welt jedoch an Schwung verloren.[20] Auch in Frankreich galten schwarze und asiatische Seeleute und Hafenarbeiter als unqualifizierte Arbeiter zweiter Klasse.[21] Ein gemeinsamer Nenner unter den weißen Seeleuten war die Angst, ihren Arbeitsplatz an Arbeiter aus den Kolonien zu verlieren. Die Aufgabe der nationalen Gewerkschaften bestand daher darin, die Position ihrer Mitglieder zu verteidigen, statt das unrealistische Evangelium internationaler oder gar »rassischer« Solidarität zu predigen. Folglich führten der Börsencrash an der Wall Street 1929 und die globale Depression in den frühen 1930er-Jahren zu einer Verhärtung der diskriminierenden und chauvinistischen Politik der reformistischen/sozialistischen/syndikalistischen nationalen Gewerkschaftsführung. Nichtsdestoweniger begannen nun auch kommunistische Gewerkschaftsaktivisten und –führer, zu radikaler internationaler Solidarität und zur Einheit der maritimen Arbeiter, unabhängig von Rasse, Glaubensbekenntnis oder Hautfarbe, aufzurufen.[22]

 

2. Gegen Rassismus, Diskriminierung und weißen Chauvinismus

Die Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter war während der »Dritten Periode« der Komintern gegründet worden. Ende 1927 hatte das Exekutivkomitee der Komintern (EKKI) den »Linksschwenk« zur »Intensivierung des Klassenkampfes« angeregt, vor dem »Verrat der Sozialdemokratie« gewarnt und eine »Radikalisierung der Arbeiterklasse« gefordert. Nach der neuen Interpretation sollte die bürgerliche Stabilisierung einer neuen Welle des Klassenkampfes weichen, die der wohl bevorstehenden Radikalisierung der Arbeiterklasse geschuldet war. Die Bedingungen für revolutionäre Arbeit in den Kolonien und »Halbkolonien«, d. h. Indien und China, wurden 1928 auf dem VI. Weltkongress der Komintern diskutiert. Die Diskussionen führten zu einer neuen Strategie, die in den Thesen zur revolutionären Bewegung in den kolonialen und halbkolonialen Ländern, besser bekannt als Kolonialthesen, skizziert wurde. Das ultimative Ziel, erklärten die Kolonialthesen, sei die bedingungslose und vollständige Unabhängigkeit und Souveränität aller Kolonialvölker. Im Gegensatz zur früheren »Einheitsfront«-Politik der Komintern kritisierte die neue Strategie sowohl die europäischen Sozialdemokraten als auch die nationale Bourgeoisie in den Kolonien heftig, weil sie den antikolonialen Kampf verraten und eine Annäherung an die imperialistischen Mächte und die kapitalistischen Regierungen gesucht hatten. Stattdessen betonten die Kolonialthesen die Einheit zwischen der sozialistischen Weltrevolution und den arbeitenden Massen, dem Proletariat und den Bauern und den Kolonien. Folglich forderten die Kolonialthesen die Schaffung und Entwicklung von kommunistischen Parteien sowie Arbeiter- und Bauerngewerkschaften in den Kolonien und lehnten jegliche Zusammenarbeit mit nationalistischen Bewegungen ab. Die Leistung der kommunistischen Parteien in den Metropolen der Kolonialländer wurde erneut ebenso kritisiert wie hervorgehoben: Zu wenig war getan worden; zu viele versteckte Rassenbarrieren existierten. Stattdessen sollte die koloniale Arbeit der Parteien in den Metropolen entscheidend sein: Sie hatten die Aufgabe, ihre Aktivitäten in den Kolonien auszuweiten, die Bildung von Kolonialzentren in den Gewerkschaften zu unterstützen und sich besonders zu bemühen, den Bauernbewegungen revolutionären Charakter zu geben.[23]

Antikolonialismus, Antiimperialismus und Antirassismus sollten auch zu den Schlagworten der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter werden. Obwohl die ISH als Dachorganisation für revolutionäre maritime Gewerkschaften gegründet worden war, wurde die Notwendigkeit, in ihren nationalen Sektionen Seeleute der Kolonien zu erreichen und zu rekrutieren, zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben. Die nationalen Sektionen der ISH sollten verpflichtet werden, koloniale Einheiten zu schaffen und innerhalb der Sektionen jeglichen Rassismus zu verbieten. Daher bestand eine der ersten Aufgaben des ISH-Sekretariats darin, die Richtlinien für die Arbeit unter den Seeleuten der Kolonien zu entwerfen, die sogenannte Resolution über die Kolonialarbeit der Sektionen der ISH in den kapitalistischen Ländern, zu der sich alle nationalen Sektionen verpflichten mussten und die unter den Seeleuten der Kolonien veröffentlicht und verbreitet werden sollte.

Der Resolution über die Kolonialarbeit der ISH zufolge spalteten die Kapitalisten global und national die Reihen der Arbeiter und verhinderten nationale und internationale Solidarität. Außerdem griff sie die Gewerkschaftsbürokratie an, weil sie die Schifffahrtsindustrie und die Eigentümer unterstützte, bei der Ausbeutung der kolonialen Massen zu helfen und den Krieg gegen die revolutionäre Arbeiterklasse und die Sowjetunion vorzubereiten. »Dies ist besonders in der Schifffahrtsindustrie der Fall«, argumentierte die Resolution und griff Gewerkschaftsfunktionäre für ihre Unterstützung der Reeder an, Mannschaften einer bestimmten Nationalität zu Löhnen unterhalb der üblichen nationalen Sätze zu beschäftigen, während sie gleichzeitig rassistische und religiöse Vorurteile förderten und als Agents Provocateurs und Spione der Schiffseigentümer agierten. Die nationalen Sektionen der ISH sollten dagegen alle Formen von Rassenvorurteilen und weißem Chauvinismus ablehnen und der Spaltungstaktik der Reeder und der »sozialfaschistischen und faschistischen Gewerkschaftsfunktionäre« entgegentreten.[24] Das Hauptziel des verbalen Angriffs war die Internationale Transportarbeiter-Föderation, die beschuldigt wurde, weltweit die Reihen der Seearbeiter zu spalten und den Kampf für koloniale Unabhängigkeit zu bremsen. Deshalb wurden die nationalen Sektionen der ISH aufgefordert, eine Kampagne zur Entlarvung der ITF zu starten. Vor allem aber sollten die nationalen Sektionen der ISH die Seeleute der Kolonien organisieren und ausbilden, damit aus ihnen »militante Klassengewerkschaften« im Land hervorgingen. Aus diesem Grund forderte die Resolution die Aufnahme kolonialer und »farbiger« Seeleute »auf der Grundlage absoluter Gleichheit mit den Seeleuten imperialistischer Länder« und die Wahl kolonialer Seeleute in Schiffskomitees.[25]

Am wichtigsten war jedoch die Notwendigkeit, in den Häfen der imperialistischen Länder Ableger »militanter Klassengewerkschaften kolonialer und semikolonialer Länder« zu etablieren, d. h. lokale Abteilungen afrikanischer, indischer, chinesischer und anderer nationaler Seemannsgewerkschaften. Der Schlüsselgedanke war die Schaffung eines transnationalen Netzwerks kolonialer/semikolonialer Seemannsgewerkschaften, die mit den nationalen Seemannsgewerkschaften in Europa verbunden waren. In der Praxis sollten diese exterritorialen kolonialen/semikolonialen Abteilungen an den nationalen Stammsitz im jeweiligen Land angeschlossen werden, insbesondere im Vereinigten Königreich, in Frankreich, den Niederlanden, Belgien und den USA. »Einheit des Handelns« war die Leitlinie. Die kolonialen/semikolonialen Ableger sollten mit den nationalen Gewerkschaften zusammenarbeiten, doch während sie unter der Gerichtsbarkeit des Distrikts oder der nationalen Organe gemeinsam agierten, sollten sie die politische Linie der Gewerkschaft ihres Heimatlandes umsetzen, um die größtmögliche Hilfe im allgemeinen Kampf gegen den Imperialismus und ihre einheimischen Unterdrücker zu leisten und den Kampf für die vollständige nationale Unabhängigkeit zu verstärken.[26] Des Weiteren wies die Resolution zur Kolonialarbeit der ISH ihre Sektionen an, Kader für die Organisation von afrikanischen und anderen kolonialen Seeleuten zu entwickeln. Ebenso wichtig war die Notwendigkeit, die Mitglieder der nationalen Gewerkschaften in den imperialistischen Ländern über die Ausbeutung der Seeleute in den Kolonien und ihren täglichen Kampf gegen Rassismus und weißen Chauvinismus aufzuklären. Außerdem sollten in einem Hafen, in dem keine militante Klassenorganisation existierte, Organisationen kolonialer Seeleute gegründet werden. Diese Zweigstellen sollten unter der Kontrolle des ISH-Sekretariats in Hamburg stehen, »bis in dem betreffenden Hafen eine Klassenorganisation von Seeleuten gebildet wurde«.[27]

Die Resolution zur Kolonialarbeit war ein verbindliches Dokument, das dem Sekretariat und den nationalen Sektionen der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter als Richtlinie zur Agitation und Propagandaarbeit unter den Seeleuten der Kolonien dienen sollte. Es dauerte allerdings mehr als ein Jahr, bis die Resolution veröffentlicht und wirksam wurde. Eine erste Version war bereits Anfang 1931 vom ISH-Präsidenten George Hardy entworfen worden, musste jedoch wegen seiner Fehler und Defizite von James W. Ford und Liao Chengzhi korrigiert und umgeschrieben werden (Ford und Liao organisierten die Seeleute der Kolonien in Hamburg, siehe unten). Die neue Version wurde vom Exekutivkomitee der ISH auf einer Plenarsitzung im September 1931 bestätigt. Dennoch wurde auch der Text von Ford und Liao von Adolf Shelley, Leiter des sogenannten Illegalen Sekretariats der ISH, als unzureichend kritisiert, da er die konkreten Aufgaben der verschiedenen nationalen Sektionen der ISH nicht aufführte. Shelley entschloss sich daher, eine dritte Version des Textes zu verfassen und zur Beratung an das RGI-Sekretariat in Moskau zu senden. Diese Fassung der Resolution wurde schließlich auf dem Weltkongress der Seetransportarbeiter im Mai 1932 verabschiedet.[28]

Die Version von Ford und Liao wurde dennoch als Interimsdokument verwendet und unter anderem ins Chinesische und Indische übersetzt.[29] Etwa ein Jahr später diente sie als Vorlage für einen Appell an afrikanische und karibische Seeleute und Hafenarbeiter, der in The Negro Worker veröffentlicht wurde.[30] Im Einklang mit früheren Deklarationen begann der Aufruf mit der Betonung der Einheit der »weißen, schwarzen und gelben Wassertransportarbeiter« und lud sie alle zur Teilnahme am geplanten Weltkongress der ISH ein. Da die »Negerarbeiter in Afrika, England, Frankreich, Amerika und Westindien zu den am schlechtesten bezahlten und behandelten Sklaven der Reeder und anderer Kapitalisten gehören«, richtete sich die Aufforderung zur Teilnahme besonders an sie.[31]

Als Nächstes hob der Appell die Ausbeutung von aus den Kolonien stammenden Seeleuten an Bord und die wachsende Zahl arbeitsloser afrikanischer, afroamerikanischer und karibischer maritimer Arbeiter in Amerika, im Vereinigten Königreich und in Frankreich hervor. Das Elend war durch die ökonomische Depression und die Krise der Schifffahrtsindustrie verursacht worden, wurde aber durch die Maßnahmen der Aktionäre und Direktoren der Reedereien – Lohnsenkungen und eine Politik des »Teile und Herrsche«, d. h des Ausspielens weißer Matrosen gegen schwarze und gelbe – verschlimmert. Es überrascht nicht, dass gegen die nationalen Gewerkschaften und ihre Führer, die beschuldigt wurden, die Politik der Kapitalisten zu unterstützen und Rassenhass unter den weißen Seeleuten und Hafenarbeitern gegen ihre »kolonialen Klassenbrüder« zu fördern, eine Breitseite abgefeuert wurde. Die schlimmste Not, so räumte der Appell ein, litten die schwarzen Matrosen, sie erhielten die schwersten und schmutzigsten Arbeiten, bekamen niedrigere Löhne als weiße Seeleute, das schlechteste Essen und hatten die schrecklichsten Arbeitsbedingungen. Deshalb betonte der Appell, die ISH habe die klassenbewussten weißen Arbeiter aufgerufen, sich mit ihren »farbigen Brüdern in Amerika und in den Kolonien« zusammenzuschließen, um gegen die Ausbeutung, gegen Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung zu kämpfen. Was am Ende zählte, war die »Einheitsfront aller Seeleute und Hafenarbeiter, unabhängig von Hautfarbe, Nationalität oder Rasse«.[32]

Wer waren diese schwarzen Seeleute und an wen richtete sich der Aufruf der ISH? Wie in The Negro Worker veröffentlicht, wurde er im gesamten afrikanischen Atlantik verbreitet und in den USA, der Karibik und in Afrika gelesen. Er kritisierte und verurteilte die Arbeitsbedingungen im gesamten afrikanischen Atlantik, den »Verrat« reaktionärer Gewerkschaftsführer in den USA, die Ausbeutung schwarzer Seearbeiter in afrikanischen und karibischen Häfen durch die europäische Schifffahrtsindustrie. Der Appell erinnerte daran, dass sich die reformistischen nationalen Gewerkschaften im Vereinigten Königreich und in Frankreich von den schwarzen Arbeitern abgekehrt hätten. Dafür wurden die schwarzen Seeleute und Hafenarbeiter daran erinnert, dass die einzige Organisation, die ihre Rechte verteidigte und sie in ihre Reihen aufrief, die Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung war, und zwar die ISH und ihre angegliederten Sektionen wie die Marine Workersʼ Industrial Union in den USA, das Seamenʼs Minority Movement im Vereinigten Königreich, die Confédération Générale du Travail Unitaire (CGTU) in Frankreich und die African Trade Union Federation in Südafrika.[33]

Während der größte Teil des Appells der Resolution der ISH über die Kolonialarbeit folgte, enthielt der letzte Abschnitt ein neues Element, das in der Resolution nicht enthalten war, nämlich die Aufforderung, den Transport von Kriegsmaterial in den Fernen Osten zu boykottieren. Dieser Zusatz stand im Zusammenhang mit der Kampagne der Komintern und der RGI gegen den japanischen Angriff auf China im September 1931.[34] Den 1928 angenommenen Thesen über den imperialistischen Krieg der Komintern folgend, interpretierte der Appell die mandschurische Krise als Teil eines geplanten imperialistischen Angriffs auf die Sowjetunion, »das einzige von der Arbeiterklasse regierte Land, das einzige Land, das ein neues sozialistisches Regime errichtet, frei von Ausbeutung, Unterdrückung, Rassenhass und Arbeitslosigkeit«.[35]

Der Appell endete mit einer Sechs-Punkte-Liste von Forderungen, mit denen die ISH die schwarzen Seeleute aufforderte, sich ihren Reihen anzuschließen: Kampf gegen die Diskriminierung schwarzer Seeleute in den nationalen Gewerkschaften, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit unabhängig von Rasse, Hautfarbe oder Nationalität und für die Erhöhung der Löhne von Seeleuten aus den Kolonien. Außerdem wurden schwarze und weiße Seeleute aufgerufen, für ein Dreischichtsystem der Mannschaft an Deck und vier Schichten für die Mannschaft unter Deck, für den Siebenstundentag der Schiffswache, einen freien Tag an Land für jeden auf See verbrachten Sonntag, für Sozialversicherung auf Kosten der Reeder und des Staates, Arbeitslosengeld sowie kostenlose Verpflegung, Kleidung und Unterkunft für Arbeitslose zu kämpfen. Es überrascht nicht, dass die ISH eine Abschaffung der PC5-Karte[36] in Großbritannien forderte. Zuletzt wurden die schwarzen Seearbeiter aufgefordert, revolutionäre Schiffs- und Hafengruppen zu organisieren und sich den nationalen Sektionen der ISH anzuschließen.[37]

 

3. Die Interclubs und ihre Arbeit unter den Seeleuten aus den Kolonien

Herzstück der Arbeit unter Seeleuten aus den Kolonien war der International Seamen’s Club oder Interclub. In den 1920er-Jahren vom Internationalen Propaganda- und Aktionskomitee der Transportarbeiter gegründet, wurde er 1931 reorganisiert und dem ISH-Sekretariat in Hamburg unterstellt. Vor 1930 existierten nur wenige Clubs außerhalb der Sowjetunion: in Hamburg, Kopenhagen, Bordeaux, Marseille, Rotterdam und New York. Die ISH drängte auf deren Expansion, und bis 1931 waren mehr als zwanzig neue Interclubs auf der ganzen Welt entstanden.[38]

Die Interclubs dienten in erster Linie als Zentren für Massenagitation. Grundsätzlich sollte jeder Club aus mehreren nationalen Sektionen bestehen, die jeweils für eine bestimmte Gruppe ausländischer Seeleute gedacht waren. Das Ziel der Agitation und Propagandaarbeit unter den ausländischen Seeleuten war es, sie für die nationale revolutionäre Gewerkschaftsopposition und die Bildung von Zellen an Bord ihrer Schiffe zu gewinnen. Die Arbeit unter den ausländischen Seeleuten wurde daher von Interclub-Funktionären durchgeführt, die von ihrer jeweiligen nationalen Gewerkschaft in den Club entsandt worden waren.

In der Praxis verzeichneten nur einige Interclubs mehrere Sektionen. Zu den am besten organisierten gehörte der Hamburger Interclub, der sich in den Räumlichkeiten der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter und des Internationalen Gewerkschaftskomitees der Negerarbeiter in der Rothesoodstraße 8 befand. Zunächst war die Arbeit unter kolonialen Seeleuten in Hamburg vor allem auf chinesische Mannschaftsmitglieder ausgerichtet und lag in der Hand von Liao Chengzhi, der als Sonderfunktionär im Interclub tätig war. Seine Hauptaufgabe bestand darin, kommunistische Flugblätter auf Chinesisch zu verfassen und im Untergrund ein Kommunikationsnetzwerk zwischen China und verschiedenen europäischen Häfen zu bilden.[39] 1930 war er damit sehr erfolgreich, und der ISH-Sekretär Albert Walter prahlte in seiner Mitteilung an Moskau, dass zahlreiche neue Zellen entstanden seien und eine direkte Kommunikation mit China gesichert worden sei.[40] Die Folgen blieben jedoch oberflächlich und fragil, der kommunistische Einfluss auf chinesische Seeleute begrenzt, und die Mehrheit verharrte in einer Mischung aus nationalistischen und antikolonialen Gefühlen.[41]

Die Arbeit mit Seeleuten aus anderen Kolonien in Hamburg war schwach, wenn sie überhaupt stattfand. Dies lag zum Teil daran, dass nur wenige Seeleute aus Kolonien den Interclub besuchten, das Hauptproblem war jedoch das Fehlen ausländischer Funktionäre.[42] Im Januar 1931 begann Liao mit dem afroamerikanischen Gewerkschaftsfunktionär James W. Ford zusammenzuarbeiten. Sie gründeten die koloniale Sektion des Interclubs.[43] Ford war aus Moskau entsandt worden, um das Sekretariat des ITUCNW einzurichten. Er hatte mit Albert Walter, der ISH und dem Interclub zusammenzuarbeiten und wurde von Walter auch sofort mit der Arbeit unter afrikanischen und karibischen Seeleuten betraut. Ford war recht erfolgreich. Ein halbes Jahr später war er bereits in der Lage, Zellen auf mehr als einem Dutzend Schiffen zu errichten. Er sah seine Arbeitsbelastung jedoch kritisch; statt sich auf seine Aufgaben als Sekretär des ITUCNW zu konzentrieren, musste er hauptsächlich den Interclub bei seiner Agitation und Propaganda unterstützen. Fords scharfe Kritik erreichte Moskau und führte im September 1931 zu einer Neuorganisation der Arbeit in der Kolonialabteilung.[44]

Die Sitzung des ISH-Exekutivkomitees in Hamburg im September 1931 führte zu einer Revision der Arbeit der Interclubs unter den Seeleuten. Statt die Interclubs getrennt von den nationalen Sektionen zu betrachten, wurden diese nun angewiesen, die Interclubs bei der Verstärkung der lokalen Organisation ausländischer/kolonialer Seeleute zu unterstützen.[45] So sollte sich der Hamburger Interclub zusammen mit der deutschen Sektion der ISH auf die indischen und chinesischen Seeleute konzentrieren, während die Organisation afrikanischer und karibischer Seeleute in der gemeinsamen Verantwortung von Interclub und ITUCNW lag.[46] Darüber hinaus plante die ISH, zur Förderung ihrer Arbeit unter den Seeleuten aus den Kolonien Interclubs in Westafrika (Dakar und Freetown) sowie in der Karibik auf Jamaika und Trinidad zu gründen.[47] Schließlich wurde beschlossen, Liao als Instruktor der ISH nach Fernost zu schicken, um die Arbeit in China und Japan wiederzubeleben, während der sierra-leonische Seemann Foster Jones nach einer einmonatigen Tätigkeit als Funktionär beim Hamburger Interclub nach Westafrika geschickt werden sollte.[48]

Die Arbeit unter den Seeleuten der Kolonien setzte sich 1932 in Hamburg fort, blieb jedoch problematisch. George Padmore hatte Ford als Sekretär der ITUCNW abgelöst und war in der Zusammenarbeit mit der ISH und dem Interclub zurückhaltend. Stattdessen richtete er seine Energie auf die Stärkung seines eigenen Netzwerks im gesamten radikalen afrikanischen Atlantik. Während das ISH-Sekretariat die Tatsache einräumte, dass Padmores Hauptinteresse auf der Radikalisierung aller Arbeiter im schwarzen Atlantik lag, betonte es, dass die Arbeit unter schwarzen Seeleuten von den nationalen Sektionen der ISH und nicht von der ITUCNW geleitet werden sollte. Es überrascht nicht, dass in der Beziehung zwischen Padmore und dem ISH-Sekretariat bald Reibungen die Kooperation beeinträchtigten. Dies kam unter anderem zum Ausdruck, als Padmore dem ISH-Sekretariat mitteilte, die Gewerkschaft von British Guyana habe beschlossen, der ITUCNW beizutreten und bereite einen Streik vor. Die Antwort des ISH-Sekretariats war hart: Dies seien nicht die Rekrutierungsgebiete der ITUCNW. Die Pläne, einen Interclub in Dakar und Freetown zu eröffnen, gingen nach hinten los und wurden nie realisiert,[49] und Foster Jones, der 1931/32 sowohl Padmores als auch Walters Agent Provocateur in Westafrika war, geriet 1932 in Schwierigkeiten mit der britischen Polizei und konnte danach nicht mehr eingesetzt werden.[50] Nichtsdestoweniger zahlte sich die Arbeit unter den chinesischen Seeleuten weiter aus, und Liao und andere chinesische Funktionäre konnten lokale Niederlassungen in Hamburg, Rotterdam, Amsterdam, Antwerpen, London, den USA und auf Curaçao, das zu den Westindischen Inseln zählt, aufbauen.[51]

Hamburg war jedoch nie der ideale Ort für die Arbeit unter Seeleuten aus den Kolonien. Dies erkannte bereits der Präsident der ISH George Hardy, als er feststellte, dass, obwohl einer der größten Häfen der Welt, nur sehr wenige Seeleute aus den Kolonien Hamburg besuchten und keiner seinen Wohnsitz im Hafen hatte. Der zweite Nachteil war mit dem ersten verbunden: Nur wenige britische, holländische und amerikanische Schiffe, die in ihren Mannschaften Seeleute aus den Kolonien beschäftigten, liefen Hamburg an, die meisten lieber britische Häfen. Deshalb sei Hamburg nicht das ideale Drehkreuz für die ISH, und Hardy schlug die Verlegung des Hauptquartiers der ISH nach London vor.[52]

Hardys Plan wurde abgelehnt, teilweise aufgrund der Tatsache, dass die Bedingungen für Agitation und Propagandaarbeit in den Häfen des Vereinigten Königreichs noch problematischer waren. Die kommunistischen Partei- und Gewerkschaftsführer und -aktivisten im Vereinigten Königreich, besonders die Funktionäre des Seamen’s Minority Movement, der britischen Sektion der ISH, legten gegenüber Seeleuten aus den Kolonien eine chauvinistische, wenn nicht rassistische Haltung an den Tag. Das 1929 gegründete Seamen’s Minority Movement (SMM) wurde von Fred Thompson und George Hardy geleitet. Anfang 1931 zählte es etwa 3.000 Mitglieder, und die Indian Seamenʼs Union in London galt als »sympathisierende« Einheit der ISH.[53] Das Sekretariat der ISH wies das SMM an, dass die Arbeit unter den Seeleuten der Kolonien oberste Priorität habe. Dennoch kam nichts dabei heraus, da das SMM 1931/32 durch eine tiefe Kluft zwischen den Fraktionen von Hardy und Thompson paralysiert war. Ein Teil der Kritik am SMM richtete sich gegen dessen Zurückhaltung bei der Mobilisierung von schwarzen, arabischen und asiatischen Seeleuten; zu den schärfsten Kritikern zählten der barbadische Kommunist und Mitglied des SMM Chris Braithwaite (alias Chris Jones) sowie Harry O’Connell aus British Guyana. Während Braithwaite und O’Connell vor allem in Cardiff einige Erfolge bei der Organisierung schwarzer Seeleute erzielten, brachte die Führung der Kommunistischen Partei Großbritanniens und des SMM bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht viel Energie auf.[54] Außerdem wies Hardy die Forderung der ISH nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit zurück, da er dies für einen unrealistischen Anspruch hielt.[55]

Die Agitation und Propagandaarbeit in Großbritannien wurde auf dem Weltkongress der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter im Mai 1932 genauestens untersucht. George Padmore und Harry O’Connell übten heftige Kritik an der britischen Kommunistischen Partei und am SMM wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Organisierung der kolonialen, insbesondere der schwarzen Seeleute in Großbritannien und im afrikanischen Atlantik.[56] Darüber hinaus kritisierte Padmore auch die ISH für ihre Zurückhaltung gegenüber Seeleuten aus den Kolonien und forderte von der ISH und ihren angegliederten Sektionen vehement eine ernsthafte Anstrengung, diese zu organisieren und ihre rassistischen und chauvinistischen Einstellungen gegenüber den aus den Kolonien stammenden Seeleuten zu korrigieren. [57]

Während sich in England die Arbeit unter Seeleuten der Kolonien als herausfordernd, wenn nicht als problematisch erwies, war die Situation in Frankreich nicht viel besser. Im Gegensatz zum Vereinigten Königreich, wo weder die Kommunistische Partei noch das Minority Movement der Kolonialfrage viel Energie widmeten, unterstützte die Französische Kommunistische Partei antikoloniale und antiimperialistische Gruppen und Organisationen in Frankreich ganz offen. Einige Untertanen aus den französischen Kolonien wurden sogar Parteimitglieder oder sympathisierten mit den Kommunisten. Außerdem hatten die Kommunisten einen starken Rückhalt in der nationalen Arbeiterbewegung. Aus der Sicht der ISH waren daher die Arbeitsbedingungen in Frankreich vielversprechend. Vor allem in Marseille lebte eine große Gruppe von Seeleuten und Hafenarbeitern aus den Kolonien, folglich wurde die Stadt zum zentralen Ort für die Arbeit unter schwarzen und südostasiatischen maritimen Arbeitern erklärt.[58]

Die Arbeit mit schwarzen Seeleuten und Hafenarbeitern in Marseille gewann an Dynamik, als Garan Kouyaté seine Zusammenarbeit mit der ITUCNW- und ISH-Zentrale in Hamburg begann. Kouyaté war ein radikaler politischer Aktivist aus Französisch-Westafrika und Führer der Ligue de Défense de la Race Nègre (LDRN) in Frankreich. Er hatte James W. Ford schon 1929 getroffen. Im Juni 1931 hielt er sich zwei Wochen in Hamburg auf, unterstützte Ford in seiner Agitation und Propagandaarbeit unter schwarzen Matrosen und lieferte einen Bericht über die Arbeit unter Seeleuten aus den Kolonien in Frankreich. Es überrascht nicht, dass die ISH-Führung in ihm einen vielversprechenden Funktionär erkannte und beschloss, ihn mit der Reorganisation des Marseiller Interclubs zu beauftragen.[59]

Kouyaté hatte einen soliden Hintergrund als radikaler Aktivist und arbeitete schon 1930 unter schwarzen Seeleuten in Bordeaux, Marseille und Le Havre, wo er von der Französischen Kommunistischen Partei mit der Gründung von Sektionen der LDRN beauftragt worden war. Seine Aktivitäten wurden jedoch bald von der Partei und der kommunistischen CGTU kritisiert, sie würden die schwarzen und weißen Arbeiter spalten. Im Juli 1931 begann er in Marseille im Auftrag der Fédération Unitaire des Marins et Pêchers (FUMP), der französischen Sektion der ISH, sowie der ITUCNW zu arbeiten, um jene Einheiten, die er ein Jahr zuvor etabliert hatte, zum Beitritt in die FUMP und CGTU zu ermutigen.[60] In den nächsten Monaten hielt sich Kouyaté an die ISH-Agenda der Einheit von schwarzen und weißen Seearbeitern. In einem Beitrag für The Negro Worker artikulierte Kouyaté die »Klasse-gegen-Klasse«-Botschaft aus der Resolution der ISH zur Arbeit in den Kolonien: Die französischen reformistischen Gewerkschaftsführer würden weiße gegen nicht-weiße Seearbeiter mobilisieren, indem sie französischen Matrosen Priorität einräumten und die Repatriierung der ausländischen und aus den Kolonien stammenden Seeleute aus Frankreich forderten. Dennoch, so versicherte er seinen Lesern, war die Einheitsfront der revolutionären Seearbeiter in Frankreich unerschütterlich. Schwarze, indo-chinesische und arabische Seeleute kämen zu Hunderten zu den Treffen der örtlichen Filialen der FUMP, erklärte Kouyaté, und unterstützten den Aufruf zur Einheitsfront an Bord der Schiffe voll und ganz. »Auf diese Weise werden wir nicht nur ihr Verständnis für wirtschaftliche Kämpfe entwickeln, sondern auch die Einheitsfront der weißen und farbigen Arbeiter gegen Lohnkürzungen, gegen Arbeitslosigkeit, Hunger und gegen alle ministeriellen Dekrete, deren Urheber in Wirklichkeit die reformistischen Gewerkschaften sind, stärken.«[61] Es überrascht nicht, dass das Hamburger Sekretariat der ISH von seiner Erklärung beeindruckt war und forderte, dass Kouyaté den Interclub in Marseille leiten und Mitglied der FUMP-Führung werden solle.[62]

Während Marseille sich zum zentralen Knotenpunkt für die Arbeit unter schwarzen, arabischen und südostasiatischen Seeleuten sowie die Verbindungen zu den französischen Kolonien entwickelte, befand sich der dritte strategisch bedeutsame Interclub in Rotterdam. Besonderes Augenmerk galt dort der Arbeit unter chinesischen und indonesischen Seeleuten, da dieser Interclub für die Verbindungen nach Indonesien und Südostasien zuständig war.[63] Ähnlich wie in Marseille wurde der Interclub in Rotterdam nicht nur vom Sekretariat der ISH, sondern auch vom Hauptquartier der RGI in Moskau mit Instruktionen und Agitations- und Propagandamaterial versorgt.[64]

Die zentralen Knotenpunkte für die Arbeit unter chinesischen, koreanischen und japanischen Seeleuten im Pazifik waren Wladiwostok, Schanghai, San Francisco und Vancouver. Interclubs gab es in allen vier Hafenstädten. Sowohl das Sekretariat der RGI als auch das der ISH versuchten, deren Aktivitäten zu überwachen, unter anderem, indem sie die Kampagne gegen den japanischen Angriff auf China 1931/32 starteten und Einladungen zum Weltkongress der ISH verschickten.[65] Die Arbeit unter den Seeleuten aus den Kolonien erwies sich zumindest in Wladiwostok als schwierig, doch die Funktionäre versuchten ihr Bestes, um die japanische Ausgabe des Pan-Pacific Worker zu verbreiten.[66] Die Bedingungen für die Arbeit unter chinesischen und japanischen Seeleuten waren in den US-amerikanischen Pazifikhäfen etwas besser.[67] Die ISH verlagerte ihren Fokus daher auf San Francisco, wo das amerikanische Büro der Pan-Pazifischen Gewerkschaft gegründet wurde. 1932 ordnete der Sekretär der ISH Walter an, das Büro solle seine Aktivitäten nach Vancouver ausdehnen und die Arbeit unter japanischen und chinesischen Seeleuten beginnen.[68]

 

4. Schlussbemerkungen

Die Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter war ein typisches »Globalisierungsprojekt« der Roten Gewerkschaftsinternationale. 1930 als Dachorganisation für radikale maritime Gewerkschaften gegründet, bestand ihr Hauptziel in der Lenkung und Koordinierung der Aktivitäten der kommunistisch geführten revolutionären Gewerkschaftsopposition. Nur in einigen wenigen Ländern, in denen kommunistische Partei- und Gewerkschaftsaktivitäten legal waren, existierte die revolutionäre Opposition als unabhängige Gewerkschaft, u. a. in Deutschland, Frankreich und den USA. In anderen Ländern wie dem Vereinigten Königreich und in den skandinavischen Ländern war die revolutionäre Gewerkschaftsopposition innerhalb der bestehenden maritimen Gewerkschaften tätig.

Der gedankliche Ausgangspunkt der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter sowie ihrer nationalen Sektionen, d. h. der revolutionären Gewerkschaftsopposition, war die radikale Haltung gegenüber kapitalistischen Reedern, gegenüber der reformistischen Gewerkschaftsführung und letztlich der Internationalen Transportarbeiter-Föderation. Sowohl die ISH als auch die revolutionäre Gewerkschaftsopposition hielten sich an die »Klasse-gegen-Klasse«-These der Komintern; beide brandmarkten den Reformismus als Verrat an der Arbeiterklasse. Im Gegensatz zu echten syndikalistischen Traditionen der Selbstaktivität, Selbstorganisation und Selbstemanzipation von unten betonte jedoch die kommunistische Position der »Einheit von unten« die führende Rolle der Partei.

Im Prinzip betonte die Rhetorik der Kommunisten die Einheit der Arbeiterklasse. Weiße und nichtweiße Arbeiter sollten die gleichen Rechte haben und die gleiche Behandlung erhalten: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Eine solche Position war jedoch in den 1920er- und 1930er-Jahren in den nationalen Gewerkschaften der Seeleute auf der ganzen Welt sehr umstritten. Die globale Lage war geprägt von der Rationalisierung der Schifffahrtsindustrie, die durch Lohnsenkung und Reduzierung der Mannschaften der ökonomischen Depression im überseeischen Exporthandel zu begegnen versuchte. Maritime Gewerkschaften wurden in allen großen Seefahrernationen zu Bastionen der weißen Seeleute. Der Grundgedanke der nationalen Seeverkehrsgewerkschaften war die Förderung der Wohlfahrt und die Verteidigung der Löhne ihrer Mitglieder. Nichtmitglieder wurden als Konkurrenten auf einem schrumpfenden Arbeitsmarkt und potenzielle Streikbrecher gebrandmarkt, die negativ als blacklegs oder scabs bezeichnet wurden.

Die kommunistische Forderung nach internationaler Solidarität und gleichem Lohn für gleiche Arbeit richtete sich an die weißen und die nichtweißen Seeleute gleichermaßen. Während der Zwischenkriegszeit, als die reformistischen maritimen Gewerkschaftsführer und die sozialistischen/sozialdemokratischen Parteien, wenn überhaupt, nur Lippenbekenntnisse in Bezug auf Antikolonialismus, Antiimperialismus, Antirassismus und Antichauvinismus ablegten, präsentierten die Kommunisten eine politische Vision und einen Aktionsplan. Internationale Solidarität war bedingungslos ohne Rücksicht auf Hautfarbe, alle waren gleich, unabhängig von Hautfarbe, Rasse, Glaubensbekenntnis, Alter oder Geschlecht. Organisierte und unorganisierte, beschäftigte und arbeitslose Seeleute und Hafenarbeiter sollten sich in ihrer gemeinsamen Sache gegen die Ausbeutung durch Schiffskapitalisten und reformistische Gewerkschaftsführer unter dem Banner der revolutionären Gewerkschaftsopposition vereinen.

Die Verwirklichung internationaler Solidarität in der Praxis war viel schwieriger, wenn nicht unmöglich zu erreichen. Eine ungelöste Frage war der Status der Mitglieder der Schiffsbesatzung aus den Kolonien: Könnten sie Mitglieder in nationalen Gewerkschaften werden? Nationale Gewerkschaften wandten gewöhnlich eine strikte Trennung nach Hautfarbe an: Menschen aus französischen oder britischen Kolonien war die Mitgliedschaft verwehrt. Die Kommunisten versuchten – vergeblich – gegen deren Aussperrung aus den nationalen Gewerkschaften vorzugehen und appellierten an sie, sich den revolutionären gewerkschaftlichen Oppositionsgruppen oder Minderheitenbewegungen innerhalb der Gewerkschaften anzuschließen. Noch komplizierter war die Situation der indischen und chinesischen Seeleute. Niederlassungen ihrer nationalen Gewerkschaften gab es in mehreren europäischen Häfen, aber sollten diese Zweigstellen der revolutionären Gewerkschaftsopposition in Großbritannien, Frankreich oder Deutschland angeschlossen werden? Immer wieder musste die Führung der ISH ihre nationalen Sektionen daran erinnern, wie wichtig es sei, die Seeleute aus den Kolonien zu mobilisieren, und die Funktionäre der Internationalen Seemannsclubs dazu drängen, sich besonders auf die Arbeit unter diesen Seeleuten zu konzentrieren. Was als offene Frage bleibt, ist die Reaktion der Seeleute aus den Kolonien auf den kommunistischen Aufruf nach internationaler Solidarität. Viele von ihnen waren für die radikalen Forderungen durchaus empfänglich, wurden aber enttäuscht, als sich herausstellte, dass selbst die Kommunisten in den 1930er-Jahren im Sog der Realpolitik gefangen waren.

 


[1] NN: Negro Seamen and the German Harbour Workers, in: The International Negro Workers’ Review 1 (January 1931), Nr. 1, S. 5.

[2] NN: August First and the Negro Toilers, in: The Negro Worker 1 (July1931), Nr. 7, S. 4–6, Zitat S. 6.

[3] NN: The Aims of the International Trade Union Committee of Negro Workers, in: The Negro Worker 3 (October 1930), Special Number: The Hamburg Conference, S. 13 f.

[4] Über die ITUCNW siehe auch Holger Weiss: Framing a Radical African Atlantic. African American Agency, West African Intellectuals and the International Trade Union Committee of Negro Workers, Leiden/Boston 2014; über die ISH siehe Holger Weiss: The International of Seamen and Harbour Workers – A Radical Global Labour Union of the Waterfront or a Subversive World-Wide Web?, in: Holger Weiss (Hg.): International Communism and Transnational Solidarity. Radical Networks, Mass Movements and Global Politics, 1919–1939, Leiden/Boston 2017, S. 256–317.

[5] Entschließung zur Arbeit des Hamburger Komitees, Entwurf, 18. Oktober 1931, 534/3/668, 44-46, Rossijskij gosudarstvennyj archiv socialʼno-politiceskoj istorii/Russisches Staarsarchiv für Soziale und Politische Geschichte (im Folgenden: RGASPI), Moskau, und Beschluss über die Arbeit des Hamburger Gewerkschaftskomitees, Entwurf, 13. Dezember 1931, RGASPI 495/155/100, 29-31. Siehe auch Weiss: Framing a Radical African Atlantic (Anm. 4), S. 320–323.

[6] David Featherstone: Solidarity. Hidden Histories and Geographies of Internationalism, London 2012.

[7] Marika Sherwood: The Comintern, the CPGB, Colonies and Black Britans, in: Science & Society 60 (1996), Nr. 2, S. 137–163; Hakim Adi: The Comintern and Black Workers in Britain and France 1919–37, in: Immigrants and Minorities 28 (2010). Nr. 2–3, S. 224–245; Christian Høgsbjerg: Mariner, Renegade and Castaway: Chris Braithwaite, Seamen’s Organiser, Socialist and Militant Pan-Africanist, in: Race & Class 53 (2011), S. 36–57; David Featherstone: Maritime Labour and Subaltern Geographies of Internationalism: Black Internationalist Seafarers’ Organising in the Interwar Period, in: Political Geography 49 (2015), S. 7–16.

[8] Siehe ferner Rainer Tosstorff: Moscow Versus Amsterdam: Reflections on the History of the Profintern, in: Labour History Review 68 (2003), Nr. 1, S. 79–97; ders.: Profintern. Die Rote Gewerkschaftsinternationale 1920–1937, Paderborn 2004; ders.: The Red International of Labour Unions (RILU) 1920–1937, Leiden/Boston 2016.

[9] Peter Cole/David Struthers/Kenyon Zimmer (Hg.): Wobblies of the World. A Global History of the IWW, London 2017.

[10] Ludwig Eiber: Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Hansestadt Hamburg in den Jahren 1929 bis 1939. Werftarbeiter, Hafenarbeiter und Seeleute: Konformität, Opposition, Widerstand, Frankfurt a. M. 1997; Dieter Nelles: Widerstand und internationale Solidarität. Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) im Widerstand gegen Nationalsozialismus, Essen 2001.

[11] Peter Cole: Wobblies on the Waterfront: Interracial Unionism in Progressive-Era Philadelphia, Chicago 2007; David Featherstone: Resistance, Space and Political Identities: The Making of Counter-Global Networks, Chichester 2008.

[12] Jonathan Hyslop: Steamship Empire: Asian, African and British Sailors in the Merchant Marine c. 1885–1945, in: Journal of Asian and African Studies 44 (2009), Nr. 1, S. 49–67; Ravi Ahuja: Mobility and Containment: The Voyages of South Asian Seamen, c. 1900–1960, in: International Review of Social History 51 (2006), Nr. 14, S. 111–141. Siehe auch Diane Frost (Hg.): Ethnic Labour and British Imperial Trade: A History of Ethnic Seafarers in the UK, London 1995, und Ray Costello: Black Salt: Seafarers of African Descent on British Ships, Liverpool 2012.

[13] Gopalan Balachandran: Conflicts in the International Maritime Labour Market: British and Indian seamen, employers, and the state, 1830–1939, in: The Indian Economic & Social History Review 39 (2002), Nr. 1, S. 77.

[14] Marika Sherwood: Race, Nationality and Employment among Lascar Seamen, 1660 to 1945, in: Journal of Ethnic and Migration Studies 17 (1991), Nr. 2, S. 229–244; dies.: Lascar Struggles Against Discrimination in Britain 1923–45: The Work of N. J. Upadhyaya and Surat Alley, in: The Mariner’s Mirror 90 (2004), Nr. 4, S. 438–455.

[15] Diane Frost: Racism and Social Segregation: Settlement patterns of West African seamen in Liverpool since the nineteenth century, in: Journal of Ethnic and Migration Studies 22 (1996), Nr. 1, S. 85–95; dies.: Diasporan West African Communities: The Kru in Freetown and Liverpool, in: Review of African Political Economy 29 (2002), Nr. 92, S. 285–300; Gopalan Balachandran: Subaltern Cosmopolitanism, Racial Governance and Multiculturalism: Britain, c. 1900–45, in: Social History 39 (2014), Nr. 4, S. 528–546.

[16] Neil Evans: Across the Universe: Racial Violence and Post-war Crisis in Imperial Britain, 1919–25, in: Immigrants and Minorities 13 (1994), Nr. 2–3, S. 58–88; Diane Frost: Racism, Work, and Unemployment: West African Seamen in Liverpool, 1880s–1960s, in: Frost (Hg.): Ethnic Labour and British Imperial Trade (Anm. 12), S. 22–33; David Byrne: Class, Race, and Nation: The Politics of the »Arab Issue« in South Shields, 1919–39, in: ebd., S. 89–103.

[17] Laura Tabili: The Construction of Racial Difference in Twentieth-Century Britain: The Special Restriction (Coloured Alien Seamen) Order, 1925, in: Journal of British Studies 33 (1994), Nr. 1, S. 54–98; Tony Lane: The Political Imperatives of Bureaucracy and Empire: The Case of the Coloured Alien Seamen Order, 1925, in: Immigrants and Minorities 13 (1994), Nr. 2–3, S. 104–129; Kathleen Paul: Whitewashing Britain: Race and Citizenship in the Postwar Era, Ithaca, NY 1997. Siehe auch Anm. 36.

[18] Gerald Horne: Red Seas: Ferdinand Smith and Radical Black Sailors in the United States and Jamaica, New York/London 2005.

[19] Josephine Fowler: Japanese and Chinese Immigrant Activists: Organizing in American and International Communist Movements, 1919–1933, New Brunswick, NJ/London 2007.

[20] Ralph Darlington: Syndicalism and the Transition to Communism. An International Comparative Analysis, Aldershot/Burlington 2008. Siehe auch die Homepage des Projekts zur IWW-Geschichte depts.washington.edu/iww, ges. am 15. August 2017.

[21] Gérard Noiriel: Immigration, antisémitisme et racisme en France (XIXe–XXe siècle). Discours publics, humiliations privées [Einwanderung, Antisemitismus und Rassismus in Frankreich (19. bis 20. Jahrhundert). Öffentliche Reden, private Demütigungen], Paris 2007; Sylvain Pattieu: Souteneurs noirs à Marseille, 1918–1921. Contribution à l’histoire de la minorité noire en France [Schwarze Zuhälter in Marseille, 1918–1921. Beitrag zur Geschichte der schwarzen Minderheit in Frankreich], in: Annales. Histoire, Sciences Sociales 64 (2009), Nr. 6, S. 1361–1386.

[22] Joachim C. Häberlen: Between Global Aspirations and Local Realities: The global dimensions of interwar communism, in: Journal of Global History 7 (2012), Nr. 3, S. 415–437.

[23] Siehe auch John Callaghan: Colonies, Racism, the CPGB and the Comintern in the Inter-war Years, in: Science & Society 61 (Winter 1997–1998), Nr. 4, S. 513–525; ders.: Storm over Asia: Comintern Colonial Policy in the Third Period, in: Matthew Worley (Hg.): In Search of Revolution: International Communist Parties in the Third Period, London/New York 2004, S. 18–37; Fredrik Petersson: Imperialism and the Communist International, in: Journal of Labor and Society 20 (2017), Nr. 1, S. 23–42.

[24] Resolution zur Kolonialarbeit der Sektionen der I.S.H. in den kapitalistischen Ländern , RGASPI 495/25/1334, S. 1 f.

[25] Ebd., S. 2 f.

[26] Ebd., S. 3 f.

[27] Ebd., S. 4 f.

[28] Adolf [Shelley] an »Werte Genossen«, Hamburg, 24. November 1931, RGASPI 534/5/223, 86. Zum vollständigen Text siehe Resolution on the situation and struggles of the seamen and harbor workers in the colonial and semi-colonial countries and the tasks of the sections of the ISH, in: [ISH]: The World Unity Congress of the International Water Transport Workers and it’s Decisions, Hamburg 1932, S. 16–19.

[29] Ford an »Dear Comrades«, Hamburg, 4. Mai 1931, RGASPI 534/5/221, 64–67.

[30] NN: Appeal to Negro Seamen and Dockers, in: The Negro Worker 2 (April 1932), Nr. 4, S. 20–24.

[31] Ebd., S. 20.

[32] Ebd., S. 21.

[33] Ebd., S. 22 f.

[34] Siehe auch Holger Weiss: Against Japanese and Italian Imperialism: The Anti-war Campaigns of Communist International Trade Union Organizations, 1931–1936, in: Moving the Social: Journal of Social History and the History of Social Movements 60 (2018), S. 121–146.

[35] Appeal to Negro Seamen (Anm. 30), S. 24.

[36] Nach dem PC5- oder Port Consultant’s System benötigten alle Seeleute, die einen Job bekommen wollten, einen von der Shipping Federation und der National Union of Seamen (NUS) unterzeichneten Identifikationsnachweis. Das Ziel der 1922 eingeführten PC5-Karte war, nicht-weiße und nicht-britische Seeleute daran zu hindern, auf britischen Schiffen Arbeit zu finden. Siehe dazu Baruch Hirson/Loraine Vivian: The Seamen’s Strike of 1925 in Britain, South Africa and Australaisa, London 1992; Hyslop: Steamship Empire (Anm. 12).

[37] Appeal to Negro Seamen (Anm. 30), S. 24.

[38] Siehe dazu Weiss: The International of Seamen and Harbour Workers (Anm. 4), S. 267 f., 293.

[39] Jahresbericht des Hamburger Interclubs für 1930, RGASPI 534/5/216, 77–81. Zu Liao Chengzhi siehe Gregor Benton: Chinese Migrants and Internationalism. Forgotten histories 1917–1945, Abingdon 2007, S. 55.

[40] Bericht über die Arbeit unter den chinesischen Seeleuten, 1.–31. März 1930, 3.–28. April 1930, RGASPI 534/5/216, S. 36 f.

[41] Lars Amenda: Between Southern China and the North Sea: Maritime Labour and Chinese Migration in Continental Europe, 1890–1950, in: Sylvia Hahn/Stan Nadel (Hg.): Asian Migrants in Europe: Transcultural Connections, Göttingen 2014, S. 69.

[42] Monatsbericht des Hamburger Interclubs für Juni 1930, RGASPI 534/5/216, 38–39. Nach Angaben von Aitken und Rosenhaft lebte in den 1920er-Jahren eine unbestimmte Anzahl von Afrikanern in Hamburg, insbesondere in den Arbeitervierteln St. Pauli und Neustadt, und arbeitete im Hafen. Es ist jedoch unklar, in welchem Maße sie den Interclub besuchten. Siehe Robbie Aitken/Eve Rosenhaft: Black Germany. The Making and Unmaking of a Diaspora Community, 1884–1960, Cambridge 2013, S. 122.
[43] Arbeitsplan für die Internationale der Seeleute unter Kolonialarbeitern. Unmittelbare Aufgaben, undatiert, archiviert unter 28. Februar 1931, RGASPI 534/5/220, S. 77–80; Pflichten und Aufgaben der Sekretariatsmitglieder, 17. März 1931, RGASPI 534/5/220, S. 12–19.

[44] Weiss: Framing a Radical African Atlantic (Anm. 4), S. 341–345, 350–354.

[45] Adolf [Shelley] an »Werte Genossen«, Hamburg, 24. November 1931, RGASPI 534/5/223, 84–98.

[46] ISH, Beschlüsse der II. Plenarsitzung des Exekutivkomitees der ISH über die Aktivitäten und Aufgaben der Internationalen Seemannsclubs, September 1931, RGASPI 534/5/224, S. 197–198.

[47] NN: New Organizations for Negro Seamen, in: The Negro Worker 1 (October/November 1931), Nr. 10–11, S. 26 f.; Padmore an das ISH-Büro, 1. August 1932, und Henri [Luigi Polano] an Padmore, 3. August 1932, RGASPI 534/5/231, S. 2–4.

[48] Adolf [Shelley] an »Werte Genossen«, Hamburg, 24. November 1931, RGASPI 534/5/223, S. 84–98.

[49] Der Plan, in Freetown einen Interclub zu eröffnen, wurde ebenfalls 1932 diskutiert, aber auch aus diesem wurde nichts, siehe Walter/Stein/Adolf: Vorschläge zur Stärkung der organisatorischen Arbeit der ISH, Hamburg, 3. März 1932, RGASPI 534/5/230, S. 52–55.

[50] Weiss: Framing a Radical African Atlantic (Anm. 4), 371–379.

[51] Albert Walter: Kurzer Bericht des chinesischen Mitarbeiters im Interclub Hamburg, 12. November 1932, RGASPI 534/5/231, S. 72.

[52] Hardy an Lozovsky, Hamburg, 30. März 1931, RGASPI 534/5/220, S. 139–142.

[53] Materialien zur Arbeit der internationalen Komitees, undatiert [etwa 1931], RGASPI 534/2/92, S. 86 f.

[54] Siehe weiter Sherwood: The Comintern (Anm. 7); Adi: The Comintern and Black Workers (Anm. 7); Høgsbjerg: Mariner, Renegade & Castaway (Anm. 7); David Featherstone: Harry O’Connell, Maritime Labour and the Racialised Politics of Place, in: Race & Class 57 (2016), Nr. 3, S. 71–87.

[55] George Hardy: Those Stormy Years. Memoirs of the Fight for Freedom on Five Continents, London 1956, S. 217.

[56] Featherstone: Maritime Labour (Anm. 7), S. 11–13.

[57] Høgsbjerg: Mariner, Renegade & Castaway (Anm. 7), S. 36.

[58] Auguste Dumay: Rapport sur la question coloniale [Bericht über die koloniale Frage], Moskau, 13. September 1930, RGASPI 534/5/237, S. 49–55.

[59] NN [wahrscheinlich Adolf Shelley] an Pechmann [Leiter des europäischen Büros der RGI in Berlin], Vorschläge zur organisatorischen Arbeit der ISH, Hamburg, 13. Juni 1931, RGASPI 534/5/221, S. 155–161.

[60] Weiss: The International of Seamen and Harbour Workers (Anm. 4), S. 285.

[61] G. Kouyatte [Kouyaté]: Solidarity Between White and Colonial Sailors, in: The Negro Worker 2 (März 1932), Nr. 3, S. 27 f.

[62] NN: Vorschläge zur organisatorischen Arbeit der ISH, 3. März 1932, RGASPI 534/5/230, S. 52–55.

[63] Weiss: The International of Seamen and Harbour Workers (Anm. 4), S. 294.

[64] Zum Beispiel Instruktionen der Ost- und Kolonialabteilung der RGI an die ISH wegen eines Aufrufs an indo-chinesische Seeleute in Frankreich [auf Deutsch], Moskau, 5. Februar 1932, RGASPI 534/5/230, 26; Instruktionen des RGI-Sekretariats an die RGO [Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition] Holland wegen gemeinsamer Aktionen mit der ISH unter malaiischen und indonesischen Seeleuten, Februar 1933, RGASPI 534/6/62, S. 14–16.
[65] Ost- und Kolonialabteilung der RGI an Genossen Kennedy, 25. Januar 1932, RGASPI 539/4/412, S. 13, über einen Appell an japanische und koreanische Seeleute und den bevorstehenden Kongress der ISH. Kennedy war Leiter des Büros des Pan-Pazifischen Gewerkschaftssekretariats in Wladiwostok. Ebenso: Simpson an Walter, 3. März 1932, RGASPI 534/5/235, S. 19 f., über die Erklärung der ISH zum japanischen Angriff auf Schanghai. Simpson war Leiter des ISH-Büros in Wladiwostok. 
[66] Bericht von Kennedy über die Arbeit unter japanischen Seeleuten in Wladiwostok, 14. Februar 1932, RGASPI 534/4/415, S. 23–32.

[67] Siehe dazu Fowler: Japanese and Chinese Immigrant Activists (Anm. 19).

[68] N.N. an das amerikanische Büro des Pan-Pazifischen Gewerkschaftssekretariats/San Francisco, 9. Januar 1932, RGASPI 534/5/235, S. 107; ISH-Monatsbericht für Januar–Februar 1932, RGASPI 534/5/230, S. 42–48.

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