JHK 2019

Zentralasien, die Sowjetunion und die Globalgeschichte der Dekolonisation

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 67-81 | Metropol Verlag

Autor/in: Moritz Florin

»Die Selbstauflösung der KPdSU kam fraglos einem Akt einzigartiger Selbstbefreiung einer Gesellschaft gleich. […] Und in diesem Zusammenhang möchte ich mit Ihnen einen Gedanken teilen, der mir in letzter Zeit häufig in den Sinn kommt. Wenn sich der Zerfall eines solchen Imperiums, wie es die Sowjetunion war und immer noch ist, aufs Große und Ganze gesehen so schmerzlos vollzieht, sehe ich darin eine Fügung höheren Schicksals. […] Ich kann nicht anders, als dies mit dem zu vergleichen, was mit Indien, Pakistan, Bangladesch und danach Sri Lanka geschehen ist, als das Britische Imperium zerfiel.«[1]

Dies schrieb Čingiz Ajtmatov, der bekannteste nichtrussische Schriftsteller der UdSSR, unmittelbar nach dem Augustputsch des Jahres 1991, der das Ende der KPdSU und damit der Sowjetunion besiegelte. Ajtmatov zufolge widersprach die Tatsache, dass die Sowjetunion mit vergleichsweise wenig Blutvergießen endete, keineswegs ihrem imperialen Charakter. Er reihte den Zerfall damit in jenes Narrativ der Befreiung ein, das bereits die Dekolonisationen in Asien und Afrika seit dem Zweiten Weltkrieg begleitet hatte.

Viele westliche Beobachter teilten damals Ajtmatovs Einschätzung. Das Buch Risse im Roten Imperium von Hélène Carrère d’Encausse schien die Blaupause zur Erklärung des Zerfalls zu liefern.[2] Auch wenn es durchaus Skeptiker gab, die das Ende der UdSSR weniger als Scheitern eines Imperiums, als vielmehr als Bankrott des Staatssozialismus interpretierten: Die Rede vom Auseinanderbrechen des »Sowjetimperiums«, seltener des »Roten Imperiums«, war in den 1990er-Jahren nicht nur in der Presse, sondern auch in der Wissenschaft gang und gäbe.[3] Bis heute sprechen zahlreiche Autoren von der Sowjetunion als »letztem Imperium«.[4] Auch haben sich Ansätze der postcolonial studies in die Post-Soviet-Studies eingeschlichen.[5] Die sogenannte Neue Imperialgeschichte um die Zeitschrift Ab Imperio hat auch der Forschung über die Sowjetunion neue Impulse verliehen.[6] Nicht zuletzt über die Frage, ob die frühe Sowjetunion als »(Kolonial-)Imperium« bezeichnet werden könne oder nicht, wurde intensiv diskutiert (mit offenem Ausgang).[7]

Offen bleibt dabei jedoch bislang, wie der Zusammenhang zwischen weltweiter Dekolonisation und Zerfall der Sowjetunion zu gewichten ist. So spielt der sowjetische Fall in Globalgeschichten der Dekolonisation bislang lediglich eine untergeordnete Rolle. Die internationale Forschung verortet den Endpunkt der weltweiten Dekolonisation wahlweise in der Unabhängigkeit Hongkongs und Macaos oder dem Ende der Apartheid in Südafrika, die Sowjetunion und Zentralasien oder der Nordkaukasus werden dabei allenfalls am Rande erwähnt.[8] Doch auch die Historiografie der späten Sowjetunion hat sich bislang kaum systematisch mit den Zusammenhängen zwischen Zerfall der Sowjetunion und Dekolonisation befasst. Zum Teil liegt dies sicher daran, dass die Historiografie zur Geschichte der späten Sowjetunion selbst noch ein relativ junges Feld ist, das lange Zeit im Schatten der Stalinismusforschung stand.[9] Zum Teil liegt dies aber auch an der Dominanz des Narrativs vom Kalten Krieg in der Außenpolitik. Der Zerfall der Sowjetunion bedeutete mithin keine Dekolonisation, sondern das Ende des Systemkonflikts. Dementsprechend bedient sich die Historiografie auch anderer Begriffe, wie etwa »Transformation«, »friedliche Revolution« oder in jüngerer Zeit auch »neoliberale Revolution«, um die Umbrüche seit dem Jahr 1989 zu beschreiben.[10]

Es gibt durchaus gute Gründe, die Zusammenhänge zwischen weltweiter Dekolonisation und Zerfall der Sowjetunion getrennt voneinander zu betrachten. Zu nennen ist etwa der ambivalente Status der Sowjetunion selbst, die international als antiimperialistischer Staat auftrat. Die Kritik am sowjetischen System, wie sie von Dissidenten formuliert wurde, verwies hingegen meist auf Defizite im Vergleich zum Westen. Die Auseinandersetzung mit dem sowjetischen und außersowjetischen Kolonialismus spielte dabei allenfalls eine untergeordnete Rolle.[11] Anders verhielt sich dies jedoch in Zentralasien sowie zum Teil auch im Kaukasus.[12] Die zentralasiatischen Unionsrepubliken waren stärker als die europäischen Gebiete der UdSSR in die Diskussion über das Ende der Imperien und die weltweite Dekolonisation integriert. Die Süd-Süd-Verflechtungen zwischen dem sowjetischen Zentralasien und den ehemaligen Kolonien in Asien und Afrika wirkten auf das Selbstverständnis der Menschen in Sowjetisch-Zentralasien, die ihre eigene Lage beinahe zwangsläufig mit jener der ehemaligen Kolonien in Asien und Afrika verglichen. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass auch die Historiografie zu Zentralasien in den letzten Jahren damit begonnen hat, die Zusammenhänge zwischen Dekolonisation und zentralasiatischer Geschichte auszuloten.[13]

Ziel dieses Aufsatzes ist es, einige dieser Forschungsergebnisse zusammenzufassen, um in einem zweiten Schritt mögliche Anknüpfungspunkte für den Transfer dieser Erkenntnisse in eine um Zentralasien erweiterte Globalgeschichte der Dekolonisation aufzuzeigen. Zentralasien war nach 1945 in zwei unterschiedliche Globalisierungsprojekte integriert: das sozialistische Modell einer klassenlosen Gesellschaft, das auf die Überwindung sozialer Ungleichheit abzielte, sowie das Modell der Dekolonisation, das auf die Idee nationaler Souveränität und kultureller Eigenständigkeit ausgerichtet war. Die politischen und kulturellen Eliten in Zentralasien konnten deshalb einerseits in der Dritten Welt als Botschafter des sowjetischen Globalisierungsprojektes auftreten, andererseits aber auch mit Verweis auf die Dekolonisation das Souveränitätsdefizit innerhalb der Sowjetunion kritisieren. Das Modell nationaler Souveränität war jedoch nur so lange attraktiv, wie es sich mit sozialer Entwicklung verknüpfen ließ. Die entscheidende Frage war deshalb weniger, inwieweit die vollständige Souveränität erstrebenswert war, sondern vielmehr, inwieweit es Alternativen zum sowjetischen Modell gab. Das Zögern der zentralasiatischen Republikführer, die Republiken im Jahr 1991 für vollständig unabhängig zu erklären, erklärt sich deshalb auch aus dem Mangel an naheliegenden Alternativen sozialer Entwicklung abseits des von den USA propagierten neoliberalen Modells.

 

1. Dekolonisation und die Sowjetunion

In vielerlei Hinsicht konnte der sowjetische Staat von sich behaupten, ein Wegbereiter des globalen Projektes der Dekolonisation zu sein: Anders als die europäischen Kolonialmächte am Ende des Ersten Weltkrieges, die das Selbstbestimmungsrecht der Völker lediglich selektiv in Osteuropa vorantrieben, hatten die Bolschewiki sich von Anfang an für die nationale Befreiung aller Völker, auch etwa der Völker Asiens, eingesetzt.[14] Auch deshalb wird in der neueren Forschung der Zerfall des Zarenreiches, in dessen Zuge die Bolschewiki an die Macht kamen, gelegentlich als Vorläufer der globalen Dekolonisation beschrieben.[15] In den 1920er- und 1930er-Jahren konnte sich der sowjetische Staat durchaus plausibel als Anwalt aller unterdrückten Völker der Erde präsentieren. Die Gründung der Kommunistischen Universität für die Arbeiter des Ostens in Moskau im Jahr 1921 war ein weiterer Beleg für das Engagement für die Revolution in Kolonien und abhängigen Gebieten in Asien.[16] Doch auch wenn die Sowjetunion eine wichtige Rolle als Vorbild spielte, entwickelten sich in den Kolonien auch Alternativen, auf deren Inhalt die Sowjetunion kaum Einfluss hatte. Insofern trat das sowjetische Modell zunehmend in Konkurrenz zu Konzepten von »nationaler Befreiung« bzw. »Dekolonisation«, die in Asien und Afrika selbst formuliert wurden.[17]

Dabei tauchte der Begriff der »Dekolonisation« (dekolonizacija) in der Sowjetunion bereits in den 1920er-Jahren auf, doch hatte er hier noch eine ganz eigene Bedeutung: Er bezeichnete die Umsiedlung oder Deportation europäischer (russischer, ukrainischer, deutscher u. a.) Siedler oder Kosaken aus Zentralasien oder dem Nordkaukasus nach Sibirien oder ins europäische Russland. Dekolonisation meinte hier also die zwangsweise Remigration von Kolonisten, was in der Forschung zu einigen Missverständnissen geführt hat.[18] Eine wiederum andere Bedeutung nahm der Begriff innerhalb der Debatten der Komintern an. So argumentierte der indische Kommunist Mahabendra Roy Mitte der 1920er-Jahre, dass in Indien bereits eine »Dekolonisation« stattfinde: Koloniale Abhängigkeitsverhältnisse würden zunehmend durch kapitalistische ersetzt. Deshalb sei eine soziale Revolution in Indien denkbar und zunehmend wahrscheinlich. Aus der Sicht der Leninʼschen Imperialismustheorie war eine solche Entwicklung hingegen schwer vorstellbar und die Komintern übernahm Roys Dekolonisationsbegriff nicht in ihr Programm.[19] Zwar wurde der Begriff der Dekolonisation gelegentlich synonym zu jenem der »nationalen Befreiung« verwandt. Weiter verbreitet war es jedoch auch in Zentralasien oder dem Nordkaukasus, von einem »revolutionären Prozess« und einem Prozess der »Befreiung geknechteter Völker« zu sprechen.[20]

Dies erklärt auch, warum sich der umständliche Begriff der »Dekolonisation« nach 1945 außerhalb der UdSSR als ein Gegenbegriff zur sowjetischen »nationalen Befreiung« etablieren konnte. Doch es war nicht nur der Begriff, den die Bolschewiki ablehnten, sondern allgemeiner die Vorstellung, dass die europäischen Kolonien ohne sozialistische Revolution befreit werden könnten.[21] Der sowjetische Umgang mit dem Begriff »Dekolonisation« blieb deshalb widersprüchlich: So verwandten manche sowjetische Autoren die Begriffe »Dekolonisation« und »nationale Befreiung« ab den 1960er-Jahren durchaus synonym.[22] Andere Autoren argumentierten jedoch, dass in den unabhängigen Staaten Asiens und Afrikas eine »ökonomische Dekolonisation«, das heißt die Überwindung (quasi)kolonialer Abhängigkeitsverhältnisse, erst noch stattfinden müsse.[23] Insofern werde der Begriff »Dekolonisation« im Westen vor allem dazu benutzt, weiterhin bestehende neo-koloniale Abhängigkeiten zu verschleiern.[24]

 

2. Zentralasien: Ein Vorbild für die Entwicklung ehemaliger Kolonien?

Die Sowjetunion sah also eine »formale« Unabhängigkeit keinesfalls als Selbstzweck an. Entscheidend war vielmehr das sozio-ökonomische Resultat. Die zentralasiatischen Sowjetrepubliken, die in den 1920er-Jahren als nationale Einheiten ins Leben gerufen wurden, galten der Propaganda als Musterbeispiele für eine »nationale Befreiung«. Völker, die »jahrhundertelang« unter feudaler, später dann kolonialer Unterdrückung gelitten hatten, würden dank der Revolution zu »sozialistischen Nationen«. Doch nicht nur das: Massive Investitionen in die Infrastruktur, in das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie in Großprojekte wie etwa den Staudammbau sollten die Überlegenheit des sowjetischen Modells belegen.[25] »Nationale Kader« bekleideten bereits seit den 1920er-Jahren zentrale Posten im Parteiapparat und in der Verwaltung, und die »Indigenisierung« der Herrschaftsapparate schritt auch nach 1945 weiter voran. Eine gewisse Angleichung des Lebensstandards von Zentrum und Peripherie war unübersehbar: Die Subventionierung des Wohnungsbaus und des Konsums – Waschmaschinen, Fernseher, Autos etc. – machte sich durchaus bemerkbar. Trotz des dauerhaften Ungleichgewichts innerhalb der UdSSR stand Zentralasien gerade auch im Vergleich zu den ehemaligen europäischen Kolonien in Asien und Afrika materiell gut da.[26]

Vor allem innenpolitisch ergaben sich durch die Dekolonisation neue Möglichkeiten. So nutzten die zentralasiatischen Parteiführungen die ihnen zuteil gewordene Vorbildfunktion gegenüber der Dritten Welt, um in Moskau für Investitionen in Zentralasien zu werben. Die weiterhin bestehenden Ungleichgewichte in der ökonomischen Entwicklung innerhalb der Sowjetunion seien angesichts des grundsätzlichen Gleichheitsversprechens des sowjetischen Staates nicht mehr hinnehmbar. Sie sollten deshalb durch zusätzliche Investitionen in sozialistische Großprojekte wie etwa den Staudammbau überwunden werden.[27] Insofern verlieh die Dekolonisation den zentralasiatischen Eliten einen neuen diskursiven Rahmen, um auf die Einlösung des sowjetischen Entwicklungsversprechens zu drängen.

Die Dekolonisation eröffnete zudem neue Kontakte: Regelmäßig wurden Delegationen aus den Ländern der sogenannten Dritten Welt nach Zentralasien geschickt, um ihnen die Erfolge des sowjetischen Entwicklungsmodells in den vormals rückständigen Kolonien des Zarenreiches vor Augen zu führen. Studierende aus Asien und Afrika wurden eingeladen, an den Universitäten von Taschkent, Dushanbe, Almaty oder Frunze zu studieren (für Studierende aus westlichen Ländern war es hingegen beinahe unmöglich, einen Studienplatz in Zentralasien zu erlangen). Umgekehrt nahmen Zentralasiaten regelmäßig an Konferenzen in Ländern der Dritten Welt teil und repräsentierten dabei den Erfolg sowjetischer Modernisierung.[28] Auch der eingangs erwähnte Čingiz Ajtmatov war ein solcher Botschafter des Erfolges des sowjetischen Entwicklungsmodells.

Einige Autoren haben darauf hingewiesen, dass viele Menschen in Zentralasien eben keinen Widerspruch darin gesehen hätten, zugleich Muslime und Sowjetbürger zu sein. Das oft bemühte Klischeebild ist der Wodka trinkende, zentralasiatische Muslim. Auch die offizielle Version eines sowjetischen, aufgeklärten Islam, wie sie von den während des Zweiten Weltkrieges gegründeten islamischen Geistlichen Verwaltungen (Duchovnye upravlenija) vertreten wurde, stand keineswegs in Gegensatz zum Alltagsislam. Vielmehr entwickelte sich eine ganz eigene Form eines sowjetischen Islam, der im Kontext des Kalten Krieges auch im Ausland als Modell propagiert werden konnte.[29] Eine einfache Opposition zwischen Muslimen und Slawen in der UdSSR hat es – so die neuere Forschung – nicht gegeben. [30] Dagegen ließen sich zentralasiatische Muftis im Kontext des Kalten Krieges und der Dekolonisation als Propagandisten eines vermeintlich überlegenen, säkularen Islams einspannen.[31]

Die Dekolonisation schuf also neue Verbindungslinien zwischen der Dritten Welt und Zentralasien. Diese wirkten sich zwangsläufig auch auf das Selbstverständnis zentralasiatischer Eliten aus. Dies konnte auf durchaus unerwartete Weise geschehen: Ein Teil der Eliten scheint die eigene Rolle als Vorreiter und Vorbild einer globalen Entwicklung durchaus ernstgenommen zu haben. Wie im folgenden Abschnitt zu sehen sein wird, ließ der globale Normenwandel jedoch auch Zentralasien nicht unberührt. Gerade weil enge Kontakte zu Vertretern ehemaliger Kolonien in Asien und Afrika bestanden, konnte das weiterhin bestehende Souveränitätsdefizit innerhalb der UdSSR nicht unbemerkt bleiben.

 

3. Kritik und Dekolonisation

Kritik am sowjetischen Modell entwickelte sich nach 1945 in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Einer davon war das Tauwetter und die Entstalinisierung: An der Peripherie der UdSSR überschnitten sich während des Tauwetters die Entstalinisierung und eine Grundsatzdebatte über die nationale Frage. Anlass waren die Widersprüche der sowjetischen Nationalitätenpolitik: So hatte der sowjetische Staat zunächst die positive Diskriminierung nationaler Kader, die Förderung von Literatur, Musik und Folklore nationaler Minderheiten und insgesamt die Affirmation ethnischer Differenz vorangetrieben. Diese Politik ging jedoch unter Stalin mit Repressionen nationaler Eliten einher, mit Russozentrismus in der Geschichtspolitik sowie während des Zweiten Weltkrieges mit Deportationen ethnischer Minderheiten wie der Tschetschenen, Inguschen, Koreaner oder Deutschen nach Zentralasien.[32] Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass zahlreiche Intellektuelle an der Peripherie die Entstalinisierung mit der Hoffnung auf Rückkehr zur Nationalitätenpolitik Lenins verknüpften. Lenin stand aus dieser Perspektive für nationale Befreiung, Stalin für Repression.

Interessanterweise bedienten sich die Debattenteilnehmer in Zentralasien immer wieder der weltweiten Dekolonisation als Argument, um Rehabilitierung, Aufarbeitung und Gerechtigkeit zu fordern. So bezogen sich Parteiführer und Intellektuelle etwa auf die Dekolonisation, wenn sie forderten, »Helden des nationalen Unabhängigkeitskampfes« zu rehabilitieren. Gemeint sein konnten damit Anführer wie Imam Schamil, die bereits im 19. Jahrhundert Aufstände gegen das Zarenreich angeführt hatten, oder aber Helden der Revolutionszeit, die sich im Aufbau der nationalen Teilrepubliken engagiert hatten, jedoch dem Terror zum Opfer gefallen waren.[33] Tschetschenische Aktivisten verglichen die Stalinʼschen Deportationen mit Sklaverei und Kolonialismus. Immer wieder verwiesen die Autoren dabei auf die offizielle Rhetorik, die sich für die Entkolonialisierung in Asien und Afrika starkmachte und den Rassismus des Westens anprangerte.[34] Zwar lässt sich durchaus vermuten, dass das Tauwetter die sowjetische Herrschaft vorläufig stabilisierte: Die Abkehr von Stalin ging einher mit einer rhetorischen Rückkehr zu Lenin und damit auch mit einer Kurskorrektur in der nationalen Frage. Viele Anliegen der Peripherien blieben jedoch unbeantwortet und sollten während der Perestroika noch einmal aufgegriffen werden.[35]

Auf längere Sicht waren es jedoch andere Fragen, die auch grundsätzliche Zweifel an den Prämissen des sowjetischen Modells der »nationalen Befreiung« schürten. Paradoxerweise ging es dabei unter anderem um die sowjetische Entwicklungspolitik, die eigentlich dazu gedacht war, die Ungleichheiten zwischen Zentrum und Peripherie zu überwinden. Das Problem war, dass die Wirtschaftsplanung auch nach der sogenannten Sovnarchoz-Reform Chruščevs weiterhin von den Entscheidungen und Prioritäten des Zentrums abhing. Dies führte etwa in Usbekistan und Turkmenistan zu einer bis heute nicht überwundenen Abhängigkeit vom Baumwollanbau mit teils katastrophalen ökologischen Konsequenzen. Ob man dies nun als (quasi)koloniales Wirtschaftssystem bezeichnen möchte, sei dahingestellt.[36] Allerdings konnte daraus die Wahrnehmung von wirtschaftlicher Fremdbestimmung abgeleitet werden. Eine echte Angleichung der Wirtschaftsstruktur an das Zentrum, die ja zu den Verheißungen des sowjetischen Projektes gehörte, war nicht absehbar. Die schwer zu überwindende Abhängigkeit von Rohstoffen bildet durchaus eine Parallele zu anderen kolonialen Kontexten.

In den 1970er-Jahren begannen zentralasiatische Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler sich zudem mit den kulturellen und sozialen Konsequenzen des sowjetischen Entwicklungsmodells auseinanderzusetzen. Einige von ihnen hatten als Wirtschaftsberater in der Dritten Welt Auslandserfahrungen gesammelt. Auch wenn sie als Propagandisten des sowjetischen Modells auftraten, eröffnete ihnen diese Erfahrung neue Perspektiven und Einsichten. Tadschikische Sozialwissenschaftler etwa stellten fest, dass viele der sowjetischen Großprojekte – etwa der Staudammbau – an der einheimischen Bevölkerung vorbeigingen. So zeigten Statistiken, dass die Landbevölkerung in Tadschikistan kaum bereit war, ihr ländliches Umfeld zu verlassen. Auf den Großbaustellen am Nurek-Staudamm in Tadschikistan oder Toktogul-Damm in Kirgistan waren hauptsächlich Ingenieure und Arbeiter aus anderen, nichtzentralasiatischen Republiken tätig, die Verkehrssprache war allgemein Russisch. Die Wissenschaftler folgerten daraus, dass die sowjetische Entwicklungspolitik, über deren Ausrichtung im Zentrum entschieden wurde, die Bedürfnisse der Einheimischen kaum berücksichtigte.[37] In Usbekistan debattierten Bodenkundler und Bewässerungsexperten über die gravierenden Umweltfolgen der Baumwollmonokulturen und des Ausbaus der Bewässerungssysteme, die vor allem die einheimische Bevölkerung betrafen.[38] Das Grundproblem des sozialistischen Entwicklungsmodells war demzufolge, dass es auf einer zentral festgelegten Planung basierte, die kaum in der Lage war, kulturelle Besonderheiten und Präferenzen zu berücksichtigen. Hinzu kam eine Tendenz, die eigenen Investitionen als einen Beitrag zur »Zivilisierung« vermeintlich »rückständiger« Bevölkerungsgruppen zu deklarieren. Die Vorstellungen davon, was als zivilisiert oder unzivilisiert zu gelten habe, waren jedoch stark von den kulturellen Vorlieben der Parteikader im Zentrum abhängig und beruhten dementsprechend auf russischen oder westeuropäischen Präferenzen.[39]

Nicht unbemerkt blieben innerhalb der Sowjetunion auch die Schriften westlicher Sowjetologen um den Zentralasienexperten Alexandre Bennigsen. Die zentrale These dieser Autoren lautete, dass die sowjetische Herrschaft gerade in den muslimischen Regionen als Fremdherrschaft quasikolonialer Art zu betrachten sei. Die Sowjetunion sei ein Imperium und es stelle sich die Frage, wieso sie dem »Gesetz der Dekolonisierung« bislang nicht zum Opfer gefallen sei. Während Gerhard Simon dies auf ein »Nebeneinander von Gewaltanwendung und Konzessionen« zurückführte,[40] vertraten Bennigsen und seine Mitstreiter die Ansicht, dass der Zusammenhalt der Sowjetunion vor allem mit dem demografischen Übergewicht der slawischen (oder auch europäischen) Bevölkerung zu erklären sei.[41] Der sowjetische Geheimdienst veranlasste daraufhin mehrere Untersuchungen, um zu überprüfen, welche Wirkung diese ausländische »Propaganda« auf Zentralasien habe. Zudem wurden zentralasiatische Autoren damit beauftragt, den ausländischen »Falsifikatoren« etwas entgegenzusetzen. [42] Der sowjetische Staat nahm diese ausländische Kritik durchaus ernst. Gefährlich war diese Kritik insofern, als sie auf eine tatsächliche Schwäche des sowjetischen Modells verwies, das bislang weder zur vollständigen wirtschaftlichen Angleichung von Zentrum und Peripherien noch zu vollständiger politischer Souveränität geführt hatte.

 

4. Der Zerfall der Sowjetunion und die Dekolonisation

Über die meisten der angesprochenen Probleme des sowjetischen Entwicklungsmodells diskutierten Experten und Politiker lediglich intern. Erst während der Perestroika mit der Politik der Glasnost gelangten die Debatten an eine breitere Öffentlichkeit. In kurzer Folge kamen alle entscheidenden Fragen zur Sprache: zunächst die Probleme des sowjetischen Wirtschaftsmodells, danach die massiven Umweltprobleme, blinde Flecken in der Geschichtspolitik und die Aufarbeitung des Stalinismus, der politische Zentralismus, die sprachliche »Russifizierung« in den Schulen sowie nicht zuletzt die Souveränität, die auch in Zentralasien unvollständig verwirklicht war.[43] Auch aus den anderen Republiken wurden Themen aufgegriffen. So dürfen die baltischen Republiken als Wegbereiter der Diskussion über Souveränität und Demokratiedefizit gelten. Auch im Zentrum selbst wurde über den Sinn und Unsinn der Entwicklungspolitik debattiert. So argumentierten etwa russisch-nationalistische Politiker, Zentralasien bürde dem sowjetischen Staat vor allem Kosten auf und es sei deshalb aus russischer Sicht besser, diese Republiken in die Unabhängigkeit zu entlassen.[44] Die Gesamtsumme der Widersprüche, die sich im Laufe der Jahrzehnte in der gesamten Union angesammelt hatte, kam also während der Perestroika auf den Tisch.

Die Perestroika hat manches gemein mit dem Zerfallsmoment anderer Imperien. So wird in der Literatur zur Dekolonisation gelegentlich von einem »late colonial shift« gesprochen, der dem Zerfall der großen Imperien vorangegangen sei. Martin Shipway definiert diesen folgendermaßen: »A shift from a view of colonial rule as ›normal‹ and a stable fixture in the foreseeable future, to one predicated on rapid, possibly violent or radical political change, even if that change was not always immediately conceived in terms of national independence.«[45] Alexei Yurchak hingegen hat unabhängig davon für die Sowjetunion von einer Diskursverschiebung (»discursive shift«) gesprochen: Durch die Perestroika sei aus Kritik politische Möglichkeit geworden. Ein Zusammenbruch des sowjetischen Systems, das zuvor als »unvergänglich« gegolten habe, sei auf einmal möglich erschienen, und die zuvor verhaltene antikoloniale Kritik am sowjetischen Staat habe eine neue politische Bedeutung bekommen.[46] Die Perestroika beendete die imperiale »Illusion der Permanenz« (Jansen/Osterhammel) sowohl im Zentrum als auch an der Peripherie.[47]

Nun wird in der Literatur gelegentlich argumentiert, dass es gerade in Zentralasien keine ausgeprägte Unabhängigkeitsstimmung gegeben habe. In einem Referendum im Jahr 1991 stimmte eine klare Mehrheit für den Erhalt einer reformierten Union. Auch die erstaunliche Gewaltlosigkeit des Zerfalls lasse es nicht zu, hier von einer Dekolonisation zu sprechen.[48] Nicht zuletzt die Tatsache, dass der Zerfall der UdSSR seinen Ausgang in Osteuropa und eben nicht in Zentralasien nahm, könnte als Argument gegen die Bedeutung der Dekolonisation ins Feld geführt werden. Dagegen sprechen jedoch mindestens drei Gründe:

Erstens ist es gar nicht so ungewöhnlich, dass keine gerade Linie von der antikolonialen Kritik zur Dekolonisation führt. Auch in Asien und Afrika diskutierten Eliten häufig erst dann ernsthaft über die Unabhängigkeit, als sie als Möglichkeit am Horizont erschien. Die Dekolonisation wurde erst denkbar, als die Legitimität dieses Herrschaftsmodells insgesamt zur Disposition stand.[49] Nichts anderes geschah in der Sowjetunion.

Zweitens brachte das sowjetische Projekt aus der Perspektive der Peripherie eben auch einen Gewinn in Form massiver Investitionen in Entwicklung und »Modernität«. Dieser reichte aber nicht aus, um das grundsätzliche Problem des Zentralismus auszuräumen. Die sowjetischen Investitionen hatten zwar einen im Vergleich zu anderen postkolonialen Staaten hohen materiellen Wohlstand gebracht, sie waren jedoch gekoppelt an bestimmte Vorstellungen davon, wie der Fortschritt zu gestalten sei. Diese Bevormundung war der zivilisatorischen Mission anderer Kolonialmächte, insbesondere auch in ihrer Spätphase nach 1945, nicht unähnlich. Dass die Sowjetunion vergleichsweise viel in Zentralasien investierte und auch Möglichkeiten für den Aufstieg indigener Kader schuf, mag den Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie abgeschwächt haben, aufgehoben wurde er dadurch jedoch keineswegs.

Drittens erscheint die Annahme, es habe keine Unabhängigkeitsstimmung in Zentralasien gegeben, zumindest fragwürdig. Auch in Zentralasien entstanden während der Perestroika Bewegungen, die das Zentrum kritisierten und mehr Souveränität einforderten. Diese verlangten zwar nur selten die vollständige Auflösung der UdSSR. Sie setzten sich jedoch für mehr Souveränität in nationalen Belangen ein. Auch im Bewusstsein, dass Zentralasien auf die Investitionen des Zentrums schwer verzichten konnte, strebten sie eher eine Neugründung einer weniger zentralistischen Union als die Unabhängigkeit an. All das ging einher mit einer zunehmend nationalistischen Rhetorik, die sich vor allem gegen Minderheiten richtete. Interethnische Gewalt im Transkaukasus, im zentralasiatischen Ferganatal oder auch in Tschetschenien oder Ossetien belegen dies (inwieweit langfristig etwa die Konflikte um die Krim und die Auseinandersetzungen in der Ostukraine in diesen Kontext gehören, sei dahingestellt).[50] Auch die Remigration zahlreicher Russen, Ukrainer oder Deutscher aus Zentralasien lässt sich mindestens teilweise als Folge einer zunehmend nationalistischen Stimmung und damit als Dekolonisationsmigration interpretieren.[51] Die Perestroika war also gerade an der Peripherie weitaus konfliktreicher, als es das Bild von der »friedlichen Revolution« suggeriert.

Dies alles erklärt auch, wieso es so naheliegend war, gerade aus zentralasiatischer Perspektive die Gemeinsamkeiten zwischen Dekolonisation und Zerfall der Sowjetunion zu betonen. Dabei war die Vergleichsperspektive, wie auch das Ajtmatov-Zitat am Anfang dieses Textes belegt, in Zentralasien zwangsläufig eine andere als in Ost- und Ostmitteleuropa: Zwar war auch in der Ukraine oder Polen gelegentlich die Rede vom imperialen Joch, das es abzuschütteln gelte. Bezugspunkt hier war jedoch eher der kapitalistische Westen als die postkoloniale Welt. Während viele Osteuropäer – Polen, Ungarn, Slowaken, Tschechen, Georgier, Litauer, Letten oder Esten – nach Westen strebten, war es in Zentralasien die Dritte Welt, die einerseits als abschreckendes Beispiel für Unterentwicklung und Instabilität, andererseits als Projektionsfläche für die Träume von nationaler Souveränität fungierte.

All dies mag auch erklären, wieso die Hoffnungen westlicher Regierungen auf die Entwicklung von Rechtsstaat und Demokratie in Zentralasien – von Kirgistan zunächst abgesehen – enttäuscht wurden. In vielerlei Hinsicht war die Unabhängigkeit Selbstzweck: Die alten Parteikader blieben an der Macht. Die neuen Regime stützten sich auf den alten Herrschaftsapparat, nun allerdings meist zugeschnitten auf eine Führungspersönlichkeit. All dies geschah mit Verweis auf die erlangte Unabhängigkeit und mit der Rückkehr zu vermeintlich authentischen »nationalen Traditionen«. Anstatt einen Weg nach Westen schlugen die Staaten einen Weg zu sich selbst ein.[52] Auch diese Suche nach einem eigenen Weg, der sich von der einstigen Kolonialmacht und allgemeiner vom »Westen« bewusst abgrenzt, spricht dafür, gerade die Unabhängigkeit Zentralasiens nicht nur im Kontext des endenden Ost-West-Konflikts, sondern auch des weiterhin bestehenden Konflikts zwischen einstigen Kolonialmächten und Kolonien zu deuten.  

 

5. Fazit

Einleitend wurde Čingiz Ajtmatov zitiert, der 1991 behauptete, die Sowjetunion sei ein Imperium wie jedes andere gewesen. Noch 1983 hatte er jedoch auf einem Plenum des Kirgisischen ZK das beinahe exakte Gegenteil verkündet: »Vor ein paar Tagen hatte ich ein Gespräch mit dem Korrespondenten der bekannten amerikanischen Zeitschrift Newsweek […] In unserem Gespräch fragte er mich plötzlich: Wie erklären sie sich, dass die Völker Zentralasiens den Einfluss der islamischen Volksrevolution in Iran nicht gespürt haben? Da sehen Sie, worüber die im Westen nachdenken: Insbesondere über den Faktor Islam. Ich musste ihm danach erklären, dass das, was er meint, bei niemandem auch nur ansatzweise eine Rolle spielt, weil es für eine solche Reaktion keine soziale oder religiöse Grundlage gibt. Wir bilden doch schon seit Langem eine monolithische staatsbürgerlich-politische Einheit des für uns alle gemeinsamen Vaterlandes, der Sowjetunion.«[53]

Nun könnte man dieses Zitat als Beleg für double-speak deuten: Ajtmatov sagte 1983 das, was der sowjetische Staat von ihm hören wollte. Erst 1991 konnte er die »Wahrheit« aussprechen. Alternativ könnte man das Zitat auch als einen Beleg dafür deuten, wie schnell sich die Illusion der Permanenz auflöste. Noch 1983 hielt es Ajtmatov für vollkommen unrealistisch, dass die Sowjetunion zerfallen könnte. Der Vergleich mit der islamischen Welt erschien ihm weit hergeholt, ja despektierlich. Im Jahr 1991 hingegen sah die Sache anders aus: Plötzlich lag der Vergleich mit der Dekolonisation nahe. Die Sowjetunion war ein Imperium und ihr Zerfall hierfür der letzte Beleg.

Doch ganz gleich wie man die beiden Zitate deutet, offenbart sich in Ajtmatovs öffentlichem Sinneswandel das Chamäleonhafte des sowjetischen Staatswesens: Je nach Sehepunkt konnte sie ihren Bewohnern wie ein Imperium oder wie das Gegenteil eines imperialen Staates, als eine Art Antiimperium erscheinen. Gerade weil die UdSSR jedoch ein Zwischendasein fristete, hatte sie in jeder Hinsicht teil an der Dekolonisation: als Vorreiterin nationaler Befreiung einerseits, als Nachzüglerin der Dekolonisation andererseits. Vor allem jedoch untergrub die Dekolonisation nach 1945 den sowjetischen Anspruch, das einzige erfolgreiche Modell einer postimperialen Ordnung geschaffen zu haben. Es gab spätestens seit den 1950er-Jahren eine globale Alternative auch in Asien und Afrika und diese lautete vollständige Unabhängigkeit. Die Sowjetunion setzte dem ein Entwicklungsversprechen entgegen, das immer mehr an Anziehungskraft verlor. Die Ironie bestand dabei darin, dass der sowjetische Staat Zentralasien eigentlich als Vorbild präsentieren wollte. Dadurch ermöglichte er jedoch Kontakte, die sich langfristig vor allem im Innern, d. h. in Zentralasien auswirkten.

Die Beschäftigung mit den Außenbeziehungen Zentralasiens in dieser Zeit verweist auf die vielfachen Überschneidungen zwischen den Globalisierungsprojekten der Dekolonisation und des sowjetischen Modells sozialer Entwicklung im Kontext des globalen Kalten Krieges. Der Widerspruch zwischen antiimperialistischem Anspruch und politischer Bevormundung, der die sowjetische Politik auch in der sogenannten Dritten Welt kennzeichnete, betraf auch Zentralasien. Das sowjetische Entwicklungsversprechen, so ließe sich zugespitzt formulieren, bedeutete immer auch einen Souveränitätsverlust. In Zentralasien war dieser lediglich besonders weit vorangeschritten. Dass die Unabhängigkeit erst relativ spät als Option erkannt wurde, erklärt sich dementsprechend aus dem Mangel an Alternativen. Der Tausch von Souveränität gegen Entwicklung wurde erst attraktiv, als das sowjetische Entwicklungsmodell bereits fast vollständig diskreditiert war. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion konnte sich die Region in das Globalisierungsprojekt sowohl der »Transformation« (bzw. »neoliberalen Revolution«) als auch der Dekolonisation einschreiben, sich damit also einerseits an ein westliches Modell von Demokratisierung und neoliberaler Wirtschaftsreform anlehnen, andererseits aber auch im Sinne der Dekolonisation von westlichen Modellen abgrenzen.

 


[1] Preodolet’ sebja [Überwinde dich selbst], in: Literaturnaja gazeta vom 11. September 1991.

[2] Zuerst erschienen auf Französisch: Hélène Carrère d’Encausse: L’empire éclaté. La révolte des nations en U.R.S.S., Paris 1978. Auf Deutsch erschienen als: Risse im Roten Imperium. Das Nationalitätenproblem in der Sowjetunion, München 1986.

[3] Für eine Analyse des Sprachgebrauchs im Jahr 1989 siehe Natalia Daniliouk: Fremdbilder in der Sprache. Konstruktion – Konnotation – Evolution. Das Russlandbild der Jahre 1961, 1989 und 2003 in ausgewählten deutschen Printmedien, Münster 2006, S. 106 f.

[4] Zuletzt etwa die bereits erwähnte Hélène Carrère d’Encausse: Six années qui ont changé le monde. 1985–1991, la chute de l’Empire soviétique [Sechs Jahre, die die Welt verändert haben. 1985–1991, der Sturz des Sowjetreichs], Paris 2015; siehe auch Serhii Plokhy: The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union, New York 2014.

[5] Siehe etwa Laura Adams: Can we Apply Postcolonial Theory to Central Asia?, in: Central Eurasian Studies Review 7 (2008), S. 2–8, sowie Sergej Abašin: Nacii i postkolonializm v Central’noj Azii dvadcatʼ let spustja. Pereosmsyslivaja kategorii analiza/praktiki [Nationen und Postkolonialismus in Zentralasien zwanzig Jahre nach dem Zerfall. Eine Neubewertung von Kategorien der Analyse und der Praxis], in: Ab Imperio 3 (2011), S. 193–210.

[6] Der zentrale programmatische Text in diesem Zusammenhang ist: Ilja V. Gerasimov: Novaja imperskaja istorija postsovetskogo prostranstva. Sbornik statej [Neue imperiale Geschichte des postsowjetischen Raums. Sammelband], Kasan 2004. Für einen Überblick über die neuere Forschung siehe Theodore R. Weeks: Nationality, Empire, and Politics in the Russian Empire and USSR. An Overview of Recent Publications, in: H-Soz-Kult, 29. Oktober 2012, www.hsozkult.de/literaturereview/id/forschungsberichte-1134.

[7] Siehe etwa Mark Beissinger: Soviet Empire as a ›Family Ressemblance‹, in: Slavic Review 65 (2006), S. 294–302; Adeeb Khalid: Backwardness and the Quest for Civilization. Early Soviet Central Asia in Comparative Perspective, in: Slavic Review 65 (2006), S. 231–251. In jüngerer Zeit auch Moritz Florin: Beyond Colonialism? Agency, Power, and the Making of Soviet Central Asia, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 4 (2017), S. 827–838.

[8] Im Zentrum derartiger Darstellungen steht üblicherweise das britische Weltreich, aber auch die Unabhängigkeit der Kolonien Frankreichs, Belgiens, der Niederlande oder Portugals wird berücksichtigt. Um nur einige Beispiele aus jüngerer Zeit zu nennen: Martin Thomas et al.: Crises of Empire. Decolonization and Europe’s Imperial States, 1918–1975, London 2008; Martin Thomas (Hg.): European Decolonization, Aldershot 2007; Dietmar Rothermund: The Routledge Companion to Decolonization, New York 2006; Martin Shipway: Decolonization and its Impact. A Comparative Approach to the End of the Colonial Empires, Malden, Mass. 2008. Einen anderen Ansatz verfolgen Jan Jansen und Jürgen Osterhammel, die das Ende des japanischen Imperiums in ihre Darstellung einbeziehen, die Sowjetunion aber explizit ausklammern. Siehe Jan Jansen/Jürgen Osterhammel: Dekolonisation. Das Ende der Imperien, München 2013, S. 18. Auch etwa in Sammelbänden zu Themen, die eng mit der Dekolonisation verbunden sind, findet das russische und sowjetische Beispiel kaum Berücksichtigung. Siehe etwa Wolfgang Reinhard (Hg.): Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse, München 1999; Wolfgang J. Mommsen (Hg.): Das Ende der Kolonialreiche. Dekolonisation und die Politik der Großmächte, Frankfurt a. M. 1990.

[9] Siehe Susanne Schattenberg: Von Chruščev zu Gorbačev. Die Sowjetunion zwischen Reform und Zusammenbruch, in: Neue Politische Literatur 55 (2010), S. 255–284.

[10] Siehe Philipp Ther: Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa, Berlin 2014.

[11] Für eine Zusammenfassung aktueller Forschung zum Thema der Dissidenz siehe Polly Jones: Socialist Worlds of Dissent and Discontent after Stalinism, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 15 (2014), H. 3, S. 637–652. Zu den Einstellungen sowjetischer Dissidenten zur Nationalitätenfrage siehe Yaroslav Bilinsky: Russian Dissidents and their Attitudes toward the non-Russian Nations, in: Nationalities Papers 11 (1983), H. 2, S. 190–204.

[12] Zum Dissens im Kaukasus siehe Zaur Gasimov: Dissidence and opposition in the Caucasus. Critics of the Soviet Regime in Georgia and Azerbaijan in the 1970s–early 1980s, in: The Caucasus & Globalization 3 (2009), H. 1, S. 165–172. Zu Dissidenz in Zentralasien siehe Moritz Florin: »Bei uns gab es keine Dissidenten«. Kritik und Dissidenz an der zentralasiatischen Peripherie, 1964–1982, in: Boris Belge/Martin Deuerlein (Hg.): Perspektiven auf die Brežnev-Zeit, Tübingen 2014, S. 179–202.

[13] Aktuelle Beispiele hierfür sind Artemy M. Kalinovsky: Laboratory of Socialist Development. Cold War Politics and Decolonization in Tajikistan, Ithaca 2018; Moritz Florin: Kirgistan und die sowjetische Moderne, Göttingen 2015.

[14] Siehe Tania Rafass: The Soviet Union. Federation or Empire? New York 2012, S. 98–116.

[15] Joshua Sanborn: Imperial Apocalypse. The Great War and the Destruction of the Russian Empire, Oxford 2014, S. 3–7. Sanborn verwendet jedoch einen weiten Dekolonisationsbegriff, der den Zerfall von Imperien seit dem 18. Jahrhundert miteinschließt. Für eine grundsätzliche Kritik an dieser Begriffsverwendung siehe Dietrich Beyrau: Rezension zu Joshua A. Sanborn: Imperial Apocalypse. The Great War and the Destruction of the Russian Empire, Oxford 2014, in: H-Soz-Kult, www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23737, 20. Januar 2016.

[16] Siehe etwa Masha Kirasirova: The ›East‹ as a Category of Bolshevik Ideology and Comintern Administration. Students of the Arab Section of the Communist University in the 1920s, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 18 (2017), H. 1, S. 7–34.

[17] Siehe etwa als Überblick: Pankaj Mishra: From the Ruins of Empire. The Intellectuals who Remade Asia, New York 2012. Während des Kalten Krieges ging auch von den Blockfreien eine Herausforderung aus. Über den Antikommunismus in Bandung siehe auch Lisandro E. Claudio: The anti-Communist Third World. Carlos Romulo and the other Bandung, in: Southeast Asian Studies 4 (2015), S. 125–156. Innerhalb der »Zweiten Welt« ging auch von China eine Herausforderung aus. Siehe Jeremy Friedman: Shadow Cold War. The Sino-Soviet Competition for the Third World, Chapel Hill 2015.

[18] Der Begriff der »Dekolonisation« taucht in der historischen Forschung zu Zentralasien gelegentlich auf, wobei die Autoren die frühsowjetische Bedeutung des Begriffs übernehmen. Siehe etwa Niccolò Pianciola: Décoloniser l’Asie Centrale? Bolcheviks et colons au Semireč’e (1920–1922) [Entkolonialisierung Zentralasiens? Bolschewiki und Siedler in Semirečʼe (1920–1922)], in: Cahiers du monde russe 45 (2008), H. 1–2, S. 101–144; Christian Teichmann: Macht der Unordnung. Stalins Herrschaft in Zentralasien 1920–1953, Hamburg 2016, S. 54–57.

[19] Siehe Manabendra Nath Roy: The Future of Indian Politics, London 1926; VI kongress kominterna, Bd. 4, Moskau 1929, S. 395 f. Zur Begriffsgeschichte siehe auch Todd Shepard: The Invention of Decolonization. The Algerian War and the Remaking of France, Ithaca 2005, S. 5.

[20] Christian Teichmann hat darauf hingewiesen, dass einige zentralasiatische Revolutionäre mit ihrer Verwendung des Begriffs eine Ablehnung der Nationalitätenpolitik der Bolschewiki signalisiert hätten. Allerdings bezieht er sich dabei nur auf eine einzige Rede, innerhalb derer der Begriff auftauchte: Teichmann: Macht der Unordnung (Anm. 18), S. 54–56. Es wäre zu überprüfen, ob es weitere derartige Beispiele für die Verwendung des Begriffes gibt. Forschungen etwa von Beatrice Penati deuten zudem eher darauf hin, dass der Begriff der Dekolonisation in den 1920er-Jahren im Gegensatz etwa zu jenem der »nationalen Befreiung« auch in den ideologischen Diskussionen kaum eine Rolle spielte. Beatrice Penati: Minuia Kapitalizm? Colonial heritage, territorial planning, and industrialisation in the debates on the development of Central Asia (1920s), unveröff. Paper zur Konferenz »Development and Modernization in the Soviet periphery«, Leiden, 25.–26. September 2015.

[21] Siehe Odd Arne Westad: The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of Our Times, Cambridge 2009, S. 213.

[22] Siehe etwa L. D. Jabločkov: Principy vnešnej politiki afrikanskich gosudarstv [Prinzipien der Außenpolitik afrikanischer Staaten], Moskau 1974, S. 82–83.

[23] A. A. Gromyko: Velikij Oktjabr i Afrika [Der Große Oktober und Afrika], Moskau 1980, S. 44.

[24] Siehe etwa B. A. Šabad: Krizis ideologii antikommunizma. Političeskij i filosofskij analiz novych javlenij [Die Ideologie des Antikommunismus in der Krise. Politische und philosophische Analyse neuer Phänomene], Moskau 1973, S. 151 f.; G. B. Starušenko etwa sprach von »Dekolonisation ohne Selbstbestimmung«, in: Mirovoj revoljucionnyj process i mezdunarodnoe pravo [Das Voranschreiten der Weltrevolution und das Völkerrecht], Moskau 1978, S. 73.

[25] Siehe etwa Artemy M. Kalinovsky: A Most Beautiful City for the Worldʼs Tallest Dam. Internationalism, Social Welfare, and Urban Utopia in Nurek, in: Cahiers du Monde russe 57 (2016), H. 4, S. 819–846.

[26] Alec Nove/J. A. Newith: The Soviet Middle East. A Communist Model for Development, New York 1966. Siehe auch Charles K. Wilber: The Soviet Model and Underdeveloped Countries, Chapel Hill 1969; Teresa Rakoswka-Harmstone: Soviet Central Asia. A Model of Non-Capitalist Development for the Third World, in: Yaacov Ro’i (Hg.): The USSR and the Muslim World, London 1984, S. 181–205. Zur Geschichte des Konsums in Zentralasien siehe auch Moritz Florin: Faites tomber les murs! La politique civilatrice de l’ère Brežnev dans les villages kirghiz [Reißt die Mauern nieder ! Die zivilisatorische Mission der Brežnev-Ära in kirgisischen Dörfern], in: Cahiers du monde russe 54 (2013), H. 1–2, S. 187–211.

[27] Artemy M. Kalinovsky: Not Some British Colony in Africa. The Politics of Decolonization and Modernization in Soviet Central Asia, 1955–1964, in: Ab Imperio 2 (2013), S. 191–222.

[28] Masha Kirasirova: »Sons of Muslims« in Moscow. Soviet Asian Mediators to the Foreign East, 1955–1962, in: Ab Imperio 4 (2011), S. 106–132; Moritz Deutschmann: Zentralasien, die sowjetische Nationalitätenpolitik und die Dekolonisation in der islamischen Welt, 1955–64, unveröff. Magisterarbeit, Humboldt-Universität zu Berlin, 2009; Constantin Katsakioris: L’Union soviétique et les intellectuels africains: Internationalisme, panafricanisme et négritude pendant les années de la decolonisation, 1955–1964 [Die Sowjetunion und afrikanische Intellektuelle: Internationalismus, Panafrikanismus und Négritude während der Dekolonisationsjahre, 1955–1964], in: Cahiers du monde russe 47 (2006), H. 1–2, S. 15–32.

[29] Bachtijar Babdžanov: Ob islame »chorošem« i islame »plochom«. Opyt personal’nogo učastija v religioznoj ekspertize [Über »guten« und »schlechten« Islam. Erfahrungen als Sachverständiger für religiöse Angelegenheiten], in: Alatoo Academic Studies 4 (2015), S. 34–47; ders.: Issledovanija »Vostoka« i sovetskij »orientalism«. Iz istorii Instituta vostokovedenija AN RUz [Die Erforschung des »Ostens« und der sowjetische »Orientalismus«. Aus der Geschichte des Instituts für Orientwissenschaften an der Akademie der Wissenschaften der usbekischen Sowjetrepublik], in: D. Alimova/U. Abdurasulov (Hg.): Istoričeskaja nauka v kontekste intellektual’nogo razvitija Central’noj Azii. Očerki istoriografii i istočnikovedenija [Geschichtswissenschaft im Kontext der intellektuellen Entwicklung Zentralasiens. Studien zu Historiografie und Quellenkunde], Taschkent 2014, S. 40–55. Beispiele sind auch zu finden in Yaacov Ro’i: Islam in the Soviet Union. From the Second World War to Gorbachev, New York 2000, S. 584–588.

[30] Sergej Abašin: Sovetskij kišlak. Meždu kolonializmom i modernizaciej [Ein sowjetischer Kischlak (Dorf in Zentralasien und Afghanistan). Zwischen Kolonialismus und Modernisierung], Moskau 2015, S. 498–611. Ders.: A prayer for rain: practicing being Soviet and Muslim, in: Journal of Islamic Studies 25 (2014), H. 2, S. 178–200; Eren Tasar: Islamically Informed Soviet Patriotism in Postwar Kyrgyzstan, in: Cahiers du monde Russe 52 (2011), H. 2–3, S. 387–404; Adeeb Khalid: Islam After Communism. Religion and Politics in Central Asia, Berkeley 2007.

[31] Kirasirova: Sons of Muslims (Anm. 28), S. 130.

[32] Die Zahl der Arbeiten zur russischen Nationalitätenpolitik der 1920er- und 1930er-Jahre wächst stetig. Auf die grundlegenden Ambivalenzen verweist Terry Martin: The Affirmative Action Empire. Nations and Nationalism in the Soviet Union, 1923–1939, Ithaca 2001. Zum Wiederaufleben des russischen Patriotismus unter Stalin siehe auch David Brandenberger: National Bolshevism. Stalinist Mass Culture and the Formation of Modern Russian National Identity, Cambridge, Mass. 2002.

[33] Claus Bech Hansen: The Ambivalent Empire. Soviet Rule in the Uzbek Soviet Socialist Republic, 1945–1964. Unpubl. PhD thesis. European University Institute, 2013, S. 220 ff.; Moritz Florin: What is Russia to us? Making Sense of Stalinism, Colonialism and Soviet Modernity in Kyrgyzstan, 1956–1965, in: Ab imperio 3 (2016), S. 165–189.

[34] Siehe Ja. S. Patiyev: Inguši. Deportacija, vozvraščenie, reabilitacija, 1944–2004: Dokumenty, materialy, kommentarii [Die Inguschen. Deportation, Rückkehr, Rehabilitierung, 1944-2004. Dokumente, Materialien, Kommentare], Magas 2004, S. 366. Siehe auch Moritz Florin: Defiant Victims. The Deportation of the Chechen and the Memory of Stalinism in the Soviet Union and Russia, in: Randall Hansen u. a. (Hg.): Authenticity and Victimhood in 20th Century History and Commemorative Culture, Toronto 2019.

[35] Dabei handelte es sich einerseits um blinde Flecken in der Aufarbeitung des Stalinismus, andererseits aber auch um ein weiterhin überaus russozentrisches Geschichtsbild, das kaum in der Lage war, die Erfahrungen der Peripherien angemessen zu berücksichtigen. Siehe etwa Lowell Tillett: The Great Friendship. Soviet Historians on the non-Russian Nationalities, Chapel Hill 1969.

[36] Als »internen Kolonialismus« bezeichnet etwa Benjamin Loring dieses System: Benjamin Loring: »Colonizers with Party Cards.« Soviet Internal Colonialism in Central Asia, 1917–1939, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 15 (2014), H. 1, S. 77–102. Für eine Diskussion dieser Frage siehe auch Julia Obertreis: Imperial Desert Dreams. Cotton Growing and Irrigation in Central Asia, 1860–1991, Göttingen 2017, S. 475.

[37] Über die Probleme bei der Motivierung Einheimischer, auf diesen Baustellen zu arbeiten, siehe Nancy Lubin: Labor and Nationality in Soviet Central Asia. An Uneasy Compromise, London 1984. Zu den intellektuellen Konsequenzen: Artemy M. Kalinovsky: Central Planning, Local Knowledge? Labor, Population, and the »Tajik School of Economics«, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History (2016), H. 3, S. 585–620, hier S. 589. Siehe auch ders.: Tractors, Power Lines, and the Welfare State. The Contradictions of Soviet Development in Post-World War II Tajikistan, in: Asiatische Studien 69 (2015), H. 3, S. 563–592.

[38] Obertreis: Imperial Desert Dreams (Anm. 36), S. 423 f.

[39] Siehe etwa Florin: Faites tomber les murs! (Anm. 26); Abašin: Sovetskij kišlak (Anm. 30), S. 402–503.

[40] Gerhard Simon: Nationalismus und Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion. Von der totalitären Diktatur zur nachstalinschen Gesellschaft, Köln 1986, S. 14.

[41] Zur Gruppe um Bennigsen gibt es eine kritische Übersichtsarbeit: Will Myer: Islam and Colonialism. Western Perspectives on Soviet Asia, London 2002, S. 125–155. Siehe auch Artemy M. Kalinovsky: Encouraging Resistance. Paul Henze, the Bennigsen School, and the Crisis of Détente, in: Michael Kemper/Artemy Kalinovsky (Hg.): Reassessing Orientalism. Interlocking Orientologies during the Cold War, London/New York 2015, S. 211–233.

[42] Zentralkomitee der KP Kirgistans an Andropov, 17. November 1972, Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Novejšej Istorii/Russisches Staatsarchiv für Zeitgeschichte (im Folgenden: RGANI), f. 5, op. 64, d. 70, ll. 62–78. Weitere Untersuchungen und Briefe am 8. Juli 1974, RGANI, f. 5. op. 67, d. 79, ll. 68–72 sowie am 1. September 1980, RGANI, f. 5, op. 77, d. 998, ll. 15–16. Eine Kommission in dieser Frage wurde im Jahr 1983 unter Andropov eingesetzt, dabei kam es auch zu ersten Entlassungen. Siehe auch: RGANI, f. 5, op. 77, d. 998, ll. 11–25.

[43] Einen Überblick bietet Mark Beissinger: Nationalist Mobilization and the Collapse of the Soviet State, Cambridge 2002. Eine Geschichte der Perestroika anhand des Beispiels Kirgistan ist Florin: Kirgistan und die sowjetische Moderne (Anm. 13), S. 209–246. Siehe auch Artemy Kalinovsky: Central Asia and the Emerging Anti-Colonial Critique of the late Soviet Era. Environmentalism, Nationalism and Protest, unveröff. Paper zur Konferenz »The Great Friendship: The Soviet Union as a Poly-Ethnic State, 1953–1991«, Moskau, 17. Februar 2017.

[44] Yitzhak M. Brudny: Reinventing Russia. Russian Nationalism and the Soviet State, 1953–1991, Cambridge, Mass. 1998, S. 147, 154.

[45] Martin Shipway: Decolonization and its Impact. A Comparative Approach to the End of the Colonial Empires, Oxford 2008, S. 13.

[46] Alexei Yurchak: Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton 2006.

[47] Jansen/Osterhammel: Dekolonisation (Anm. 8), S. 9.

[48] So etwa zuletzt auch die namhaften Autoren des Sammelbandes: Martin Malek/Anna Schor-Tschudnowskaja (Hg.): Der Zerfall der Sowjetunion. Ursachen – Begleiterscheinungen – Hintergründe, Baden-Baden 2013.

[49] Ebd. S. 72 f.; Shipway: Decolonization (Anm. 45), S. 13 f.

[50] Siehe allgemein: Beissinger: Nationalist Mobilization (Anm. 43); anhand des Beispiels Zentralasien: Florin: Kirgistan und die sowjetische Moderne (Anm. 13), S. 209–246.

[51] Zu verschiedenen Emigrationsmotiven siehe Graham Smith: Transnational Politics and the Politics of the Russian Diaspora, in: Ethnic and Racial Studies 22 (1999), H. 3, S. 500–523.

[52] Zum »nation-building« und den damit verbundenen kulturellen Strategien und Rhetoriken siehe etwa Laura L. Adams: The Spectacular State. Culture and National Identity in Uzbekistan, Durham 2010; Bhavna Davé: Kazakhstan. Ethnicity, Language and Power, London 2007.

[53] Protokol No. XII zasedanija plenuma CK KP Kirgizii, 28. Juli 1983, Central’nyj Gosudarstvennyj Archiv Političeskoj Dokumentacii Kyrgyzskoj Respubliki/Zentrales Staatsarchiv für Politische Dokumentation der Kirgisischen Republik, f. 56, op. 241, d. 7, ll. 104–105.

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Kurzbiografie

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