JHK 2020

Inhaltsverzeichnis

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Das westdeutsche und das chinesische »Wirtschaftswunder«: Der Wettstreit um die Interpretation von Ludwig Erhards Wirtschaftspolitik in Chinas Preisreformdebatte der 1980er-Jahre

Isabella M. Weber

[1]Die westdeutsche Nachkriegszeit und die chinesische Reformära teilen das Potenzial, einen historischen Beweis für die Leistungsfähigkeit einer rasanten Marktliberalisierung zu liefern und sind als solche Projektionsflächen für ordo- und neoliberale Ordnungsvorstellungen. Der Ordoliberalismus ist dabei eine Spielart des Neoliberalismus, die die Ordnungsfunktion des Staates bei der Sicherstellung der Rahmenbedingungen für den Marktmechanismus in den Vordergrund stellt. Welche theoretische…

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Von Revolution zu Reform: Transfers zwischen China und Tansanias »Afrikanischem Sozialismus« von antiimperialistischer Solidarität bis Neoliberalismus

Eric Burton

Wenn heutzutage von sino-afrikanischen Beziehungen die Rede ist, werden deren Wurzeln in den 1960er-Jahren oft vergessen – ebenso die Tatsache, dass sich Staatssozialismen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg über die kommunistische Welt in Osteuropa und Ostasien hinaus pluralisierten und diversifizierten. Allein in Afrika haben Regierungen von 35 Staaten ihre Politik und angestrebte Gesellschaftsform zeitweilig als sozialistisch bezeichnet.[1] Diese sozialistischen Projekte waren oft…

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Energie, die Sowjetunion und der Kampf um Kapital nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems

Oscar Sanchez-Sibony

Die Teilnehmer der Konferenz von Bretton Woods wollten 1944 viele Dinge durchsetzen, die nicht alle miteinander vereinbar waren. Aber sie verband ein gemeinsames Ziel: ein funktionierendes, dauerhaftes weltweites System konvertierbarer Währungen mit festgelegten Wechselkursen. Dieses Ziel blieb unerreicht. Über 15 Jahre schlugen zahlreiche Versuche fehl – auch noch, als die beiden Hauptgestalter der Nachkriegsarchitektur der Weltwirtschaft, Harry Dexter White und John Maynard Keynes, schon lange…

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Vorwort: Chinas Reform und Öffnung im globalen Kontext

Felix Wemheuer

»It’s the economy, stupid.« Interner Slogan des Wahlkampfteams von Bill Clinton aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf 1992 »Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das allerwichtigste, das ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung. Der Kapitalismus hat eine Arbeitsproduktivität geschaffen, wie sie unter dem Feudalismus unbekannt war. Der Kapitalismus kann endgültig besiegt werden und wird dadurch endgültig besiegt werden, dass der Sozialismus eine neue, weit höhere…

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Chinas »kostbarste Ressource«? Die chinesische Diasporapolitik und die Rolle der Auslandschinesen im Reformprozess

Carsten Schäfer

Die Einführung des »Marktsozialismus« in der Volksrepublik China mit der Reform- und Öffnungspolitik ab 1978 gilt als Grundlage für den Aufstieg des »Reichs der Mitte« zur neuen Weltmacht. Im gleichen Jahr setzte in China ein bis 2017 anhaltendes jährliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich neun Prozent ein. Entfielen 1980 noch weniger als zwei Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts auf China, sind es heute mehr als 18 Prozent. Während sich das Regime in China behaupten konnte,…

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Die Entwicklungspfade der Wirtschaftsreformen in China und Kuba

Martin K. Dimitrov

Für gewöhnlich wird behauptet, dass die kubanische Führung Wirtschaftsreformen im Stile Chinas konsequent verweigert hat.[1] Noch vor einem Jahrzehnt entsprach dies den Tatsachen. Seit 2008 ist es jedoch zu einer kontinuierlichen Ausweitung des Privatsektors und entsprechend zu einem Rückgang im Bereich der staatlichen Beschäftigung gekommen. Die wachsende Bedeutung des Privatsektors (der, wenn man von der Landwirtschaft absieht, gegenwärtig ein Viertel aller Arbeitskräfte beschäftigt) hat zur…

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Technology Gap, transnationale Integrationsbemühungen und nationale Egoismen: Der Aufbruch des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe in das digitale Zeitalter

Felix Herrmann

Ab Mitte der 1960er-Jahre wurde offenbar, dass der Rückstand der Sowjetunion gegenüber den USA auf dem Feld der Computertechnologie zunehmend größer wurde. Während sich in den USA aus staatlich finanzierten Rüstungsprojekten eine schnell wachsende Industrie entwickelt hatte, die mit extrem kurzen Innovationszyklen immer mehr Aspekte in Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig veränderte, dominierte in der UdSSR die Kleinserienfertigung durch miteinander konkurrierende akademische und militärnahe…

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Über den »Marktsozialismus« hinaus: Ein Vergleich der chinesischen Reform und Öffnung mit den Reformzyklen in Osteuropa seit den 1960er-Jahren

Felix Wemheuer

»Die These vom Vorrang der Politik hat zeitweise auch bei uns dazu geführt, dass die politischen Zielstellungen und bestimmte Wünsche bei der Festlegung der ökonomischen Aufgaben vorherrschten, dass die Pläne nicht immer ausreichend technisch und ökonomisch begründet waren, dass sie nicht immer den materiellen Möglichkeiten entsprachen. Es wurden bei uns schon Maßnahmen durchgeführt mit Rücksicht darauf, was in Westdeutschland dazu gesagt wird […]. Aber in der Tat haben jetzt die ökonomischen…

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Die chinesischen Reformen unter Deng Xiaoping und ihre Auswirkungen auf die bulgarischen Wirtschaftsreformen in den 1980er-Jahren

Evgenij Kandilarov

I. Gorbačëvs Perestroika und Deng Xiaopings Reformen Warum scheiterte die Perestroika Gorbačëvs, nicht jedoch die Reformpolitik Deng Xiaopings? Grundgedanke und Strategie der Wirtschaftsreformen, die auf eine Dezentralisierung, Liberalisierung, Modernisierung und Öffnung abzielten, waren sehr ähnlich, in einigen Punkten sogar identisch. Im Wesentlichen bauten die chinesischen Reformen in der Praxis auf dem bereits in den 1960er-Jahren durchgeführten Versuch auf, das sozialistische…

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Anpassungen der Wirtschaftspolitik in der Volksrepublik China: die Scharnierjahre 1974/1975

Philippe Lionnet

I. Geplanter Außenhandel: Die VR China und der Rest der Welt in den 1970er-Jahren Die Bedeutung der berühmten dritten Plenarsitzung des 11. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) 1978 im Jiangxi-Hotel in Peking, auf der Deng Xiaoping Hua Guofeng als führende Persönlichkeit der KPCh ablöste, ist als zentraler Wendepunkt der chinesischen Zeitgeschichte in der Forschung weitgehend unbestritten.[1] Sie steht in direktem Zusammenhang mit einer Reihe von wirtschaftspolitischen…

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Nichtanerkennung zu eigenen Lasten? Die DDR und die EWG in den »langen 1970er-Jahren«

Maximilian Graf

I. Deutsch-deutsche und europäische Grundlagen             Das Verhältnis der DDR zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde bis kurz vor Vollzug der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 kontrovers diskutiert. Vielen galt die DDR aufgrund der Besonderheiten des innerdeutschen Handels als »13. Mitglied« der EWG.[1] Helmut Schmidt sprach Anfang der 1980er-Jahre von der »mittelbaren« bzw. »indirekten« Mitgliedschaft der DDR.[2] Westdeutsche Politiker betonten gegenüber Dritten aber stets…

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Vergessene Partner im Reformprozess: Der Dialog der VR China mit reform-kommunistischen Strömungen in Osteuropa (1977–1987)

Susanne Weigelin-Schwiedrzik/Liu Hong

Im Dezember 1978 traf das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) Entscheidungen, die heute für den Beginn der Periode von Reform und Öffnung stehen. Unter der Führung Deng Xiaopings entschied sich die KPCh für eine politische Linie, die den Schwerpunkt auf den ökonomischen Aufbau legte. Der Begriff Reform stand dabei für die Umgestaltung des Wirtschaftssystems, während der Begriff Öffnung eine umfassende Hinwendung zur Außenwelt im Sinne einer Öffnung des Marktes für…

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»Rette sich, wer kann!« Die wirtschaftlichen Reformanläufe der polnischen Kommunisten in den 1980er-Jahren

Florian Peters

Die globale Geschichte der staatssozialistischen Wirtschaftsreformen beginnt zweifellos nicht im Polen der 1980er-Jahre. Auch können die Reformanläufe der polnischen Kommunisten kaum als die wagemutigsten oder gar ökonomisch erfolgreichsten Versuche gelten, die inhärenten Widersprüche der sozialistischen Planwirtschaft in den Griff zu bekommen. Dennoch stechen sie in einer Hinsicht hervor, und dies nicht nur im osteuropäischen, sondern auch im globalen Kontext: Nirgendwo sonst waren ökonomische…

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Im Schatten Moskaus: Die ungarisch-chinesischen Handelsbeziehungen während des Kalten Krieges

Péter Vámos

Am 31. Mai 1949, zwei Wochen nach dem Wahlsieg der Partei der Ungarischen Werktätigen (MDP, Magyar Dolgozók Pártja), schlug der ungarische Botschafter in Moskau, Erik Molnár, dem Außenministerium in Budapest vor, über Moskau für eine zwei- bis dreiköpfige Delegation Visa für eine Reise in das Freie China zu beantragen, um Handelsbeziehungen anzubahnen.[1] Die ungarische Regierung unterstützte diese Initiative. Als jedoch die Genehmigung des sowjetischen Außenministeriums Mitte August immer noch…

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Autorinnen und Autoren des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung 2020

Autorinnen und Autoren des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung 2020 Eric Burton Dr. phil., geb. 1987. 2008–2014 Studium der Internationalen Entwicklung und der Kultur- und Sozialanthropologie in Wien und Daressalam. Promotion 2018 zur Geschichte der entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen Tansania und den beiden deutschen Staaten. 2017–2018 Gastforscher am The Leibniz ScienceCampus »Eastern Europe – Global Area« (EEGA) an der Universität Leipzig. Mitarbeiter in…