JHK 2021

Gesellschaft spielen?

Überlegungen zu Kontingenz und Herrschaftspraxis im real existierenden Sozialismus der DDR

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 19-36 | Metropol Verlag

Autor/in: Thomas Lindenberger

Ich bekenne: Wenn ich spiele, und das ist selten, dann nicht aus Leidenschaft, sondern um der Geselligkeit willen. Oder ich spiele gelegentlich ein Musikinstrument. Ich gehöre aber zu den vielen, die Spiele – etwa im Sport – gerne »verfolgen«, und sei es auch nur aus der Ferne. Möglicherweise hat das etwas mit der Historikerinnen und Historikern eigenen Neugierde zu tun. Sie interessieren sich von Berufs wegen unter anderem dafür, wie etwas (in der Vergangenheit) ausgeht: ein politischer Konflikt, ein Aufstand, eine Familiengeschichte, wohl wissend, dass es so wie erwartet, aber eben auch anders ausgehen könnte. Spielen in diesem Sinne (im Englischen game) ist unter anderem bewusstes Umgehen mit Kontingenz und macht den Unterhaltungswert von Brettspielen genauso wie von Sportwettkämpfen aus. Daneben trägt »Spielen« im Deutschen auch die Bedeutung der Annahme und Ausführung einer Rolle oder eines bestimmten Skripts oder Programms, im Englischen in der Regel mit play bezeichnet, in sich. Das schließt auch das Spielen eines Musikinstruments ein. Dieses Spielen hat naturgemäß eine enge Beziehung zur Persönlichkeitsentwicklung. Es erfordert Üben und Probehandeln im Umgang mit sozialen und materiellen Wirklichkeiten, zu denen diese Rollen, Skripte oder eben die Eigenschaften eines Instruments gehören. Daher nimmt Spielen im Sinne von playing in der Pädagogik eine zentrale Rolle ein. Eine Kindheit ohne Spielen gilt als Indikator extremen Mangels bis hin zur Vernachlässigung. Forschungen haben gezeigt, dass Kinder auch unter widrigsten Umständen nach Mitteln und Wegen sinnen, zu spielen und dabei ihre Wirklichkeit verarbeiten, lernen und mental wie physisch wachsen.[1]

Im Folgenden wird der Doppelsinn von Spielen im Sinne des play/game gedanklich auf die Wirklichkeitsordnungen der staatssozialistischen Diktatur in der DDR projiziert, um der Frage nachzugehen, inwiefern und in welchen Bereichen es mit Spielen unter der Herrschaft von Kommunisten eine besondere Bewandtnis hatte. Natürlich kann das nur in einer Zusammenstellung erster Arbeitshypothesen und symptomatischer Beobachtungen münden, aber da dieses Themenfeld unabhängig vom Fall der DDR bislang noch einer systematischen Ausarbeitung harrt, muss ein ungeschützter Anfang gewagt werden.

 

 

Diktatur und Spielen: Eine Antinomie?

 

Beginnt man vom Alltagsverstand her über das mögliche Verhältnis von Spielen und Diktatur nachzudenken, stellt sich bald ein Anfangsverdacht ein: Da liegen Spannung und Widerspruch vor, das »reimt« sich nicht ohne Weiteres. Spielen wohnt das Element der Freiwilligkeit und des Lustgewinns inne. Ein Spiel, das zu spielen man gezwungen wird, ist wenig vergnüglich und hat etwas Sinnwidriges an sich, und in einer Diktatur wird man bekanntlich zu vielem gezwungen: sehr oft dazu, bei der eigenen Unterdrückung, ja Erniedrigung, mitzuspielen, meist um zu verlieren – das nennt man dann wohl ein »Scheißspiel«.[2] So etwas kommt natürlich auch im Alltag von Demokratien vor, stößt dann aber – so hoffen wir es jedenfalls – als unvereinbar mit dem Gebot der Achtung der Menschwürde übel auf. Niemand sollte in einer freien Gesellschaft zu dieser Form der Beteiligung an seiner eigenen Zurücksetzung als Verlierer gezwungen werden.

 

Scheißspiel

von: Gerhard Gundermann

Album: Männer, Frauen und Maschinen, 1988

 

jeden morgen steigt mein völkchen in den ring

und dann schlägt es aufeinander ein

doch mit dem schlagen ist das ein besondres ding

jeder will der hammer keiner will der amboß sein

 

das is\ʼn scheißspiel

du und ich wir zwei wir machen nicht mehr mit dabei

das is\ʼn scheißspiel

und ab morgen bleiben unsre startlöcher frei

 

was mann in die hand bekommt wird ausgepreßt

brüste, kehlen, köpfe, portemonnaie

was nicht zusammenhält wird auseinandgefetzt

und abends geht mein völkchen in die knie

 

das is\ʼn scheißspiel ...

 

irgendwann ham wir mal in physik gelernt

daß druck den gleichen gegendruck erzeugt

wie kommt daß jeder nur auf seine fäuste schwört

bis einer vor dem andern seinen nacken beugt

 

das is\ʼn scheißspiel ...

 

Wie also kann in einer gesellschaftlichen Ordnung, der wir als Historikerinnen und Historiker ein im Vergleich zu unserer heutigen liberalen und rechtsstaatlich verfassten Gesellschaft ein hohes Maß an alltäglichem Zwang und illegitimer Staatsgewalt unterstellen, gespielt werden? Wahrhaftig gespielt werden, freiwillig, nur zum Lustgewinn und mit offenem Ausgang? Es geht dabei, wie schon betont, weniger um das Ob, sondern um das Wie des Spielens, um das, was es den Spielenden damals und an diesem Ort, der DDR, bedeutete und was uns selbst diese Bedeutungen heute noch sagen. Freiwilligkeit in Diktaturen ist von vornherein einem Regelungsvorbehalt unterworfen, da in ihnen der Grundsatz gilt: »Was nicht erlaubt ist, ist verboten.« (Anstelle des »Was nicht verboten ist, ist erlaubt« in liberalen Gemeinwesen.) Wie verhält es sich da mit der dem Spielen intrinsischen Freiwilligkeit? Wie macht sich dieser potenzielle Widerspruch praktisch bemerkbar, wenn wir eine konkrete Diktatur betrachten?

Diese Frage ist im Fall der kommunistischen Diktatur sogar von ungleich größerer Relevanz als für die von André Postert in seinem überaus lesenswerten Buch über Spiele in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitbehandelten Nazidiktatur.[3] Denn Diktatur ist bekanntlich nicht gleich Diktatur, trotz ihrer Gemeinsamkeiten. Diktaturen finden zu unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen welt- und zivilisationshistorischen Bedingungen statt und stellen daher auch unterschiedliche Kontexte des Spielens dar.

Die Frage nach der Bedeutung von play/game stellt im Fall der DDR im Vergleich zu dem des Nationalsozialismus aus zwei Gründen eine umfangreichere Herausforderung dar: Zum einen suchte der SED-Staat wie alle Diktaturen sowjetischen Typs[4] ein »freies Spiel der freien Kräfte« aus Prinzip zu unterbinden, während die NS-Diktatur dieses für die dynamische Entfaltung ihrer Herrschaftsausdehnung in den Dienst zu nehmen verstand. Das galt sowohl für die in die Rüstungs- und Kriegswirtschaft integrierte Konkurrenz privater Wirtschaftssubjekte[5] als auch im Hinblick auf die vielfältigen Rivalitäten zwischen den Herrschaftsapparaten.[6]

Zum anderen stellt die bedeutend längere Dauer der kommunistischen Diktaturen eine zusätzliche Herausforderung dar. Die SED-Diktatur durchlief mehrere Phasen der Regimeentwicklung von der Herrschaftsdurchsetzung mit terroristischen Mitteln über die innere Konsolidierung in der Post-Stalin-Ära und die sich bald darauf einstellende Stagnation einer »normalisierten« DDR-Gesellschaft[7] bis hin zum beschleunigten Verschleiß der Herrschaftsressourcen in der Spätphase. Nicht alle Befunde und Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen werden daher notwendigerweise für die DDR als Ganzes Geltung beanspruchen können, sondern nur für bestimmte Phasen ihrer Entwicklung.

Für unser Erkenntnisinteresse ist der Blick auf die DDR vor allem in ihrer langen mittleren Phase der Konsolidierung des Regimes nach dem Mauerbau lohnend. Sie war zunächst von einer Veralltäglichung des kommunistischen Utopieversprechens geprägt: Nun sollte, nachdem mit dem »antifaschistischen Schutzwall« der vorgeblichen Wühlarbeit von Westen her ein Riegel vorgeschoben war, der Übergang zur entwickelten sozialistischen Gesellschaft als unmittelbarer Vorstufe zum Kommunismus in Angriff genommen werden. Allen voran Walter Ulbricht, Erster Sekretär der SED und ab 1960 Staatsratsvorsitzender, drängte auf eine umfassende Reform des Wirtschaftssystems und die gezielte Mobilisierung gesellschaftlicher Gruppen – Industriearbeiter, Frauen, Jugend, Künstler und Intellektuelle – für eine breite Partizipation an der Realisierung dieser Utopie. Jedoch kam dieser Kurs kaum über erste Erfolge hinaus, da er unter dem strikten Herrschaftsvorbehalt der Partei stand. Deren Funktionärsschicht setzte bereits ab Mitte der 1960er-Jahre eine Rückkehr zu dirigistischen und zentralistischen Methoden durch, und als Erich Honecker 1971 Walter Ulbricht an der Spitze der SED ablöste, war der Verzicht auf weitere Reformexperimente vor allem im Bereich der Planwirtschaft festgelegt. Die offizielle Rede vom in der DDR erreichten »real existierenden Sozialismus« rückte die Utopie der kommunistischen Gesellschaft nun in weite Ferne. Sicherheit und Berechenbarkeit der Lebensumstände avancierten zum legitimitätsheischenden Versprechen des Regimes.[8] Die DDR erwarb nun rasch, wie der Schriftsteller Volker Braun 1972 eine seiner Theaterfiguren sagen ließ, den zweifelhaften Ruf, »das langweiligste Land der Welt« zu sein.[9] Ein Grund mehr für die Unteren, Zerstreuung zu suchen und zu spielen, und für die Oberen, das Spielen großzügig zu dulden?

 

 

Hypothesen zum Spielen in der DDR

 

Aufgrund der bisherigen durchaus umfassenden und differenzierten Kenntnisse über das Herrschaftssystem wie über die Gesellschaftsgeschichte der DDR lassen sich vorab Hypothesen darüber deduzieren, inwiefern Spielen im Staatssozialismus trivial und problematisch zugleich war.

(1) Der Herrschaftsanspruch der Kommunisten gründete in ihrem Glauben, die objektiven Gesetzmäßigkeiten historischer Entwicklung erkannt zu haben und als einzige befähigt und berufen zu sein, sie zum Wohle der Menschheit zu exekutieren. Zu diesem Zweck war der Einsatz von Gewalt legitim, um dieser höheren Erkenntnis auch gegen Uneinsichtige zum Durchbruch zu verhelfen. Der Verzicht auf Gewalt und Zwang hätte alternative, nicht gesetzmäßige Verläufe zugelassen, vor allem hätte er zum Verlust der bereits errungenen Herrschaftspositionen geführt, wozu es im Jahr 1989 auch kam. Damit wäre die Erfüllung des historischen Auftrags, den Entwicklungsnotwendigkeiten zum Durchbruch zu verhelfen, vereitelt gewesen, etwas, das um jeden Preis abzuwenden war. Kurzum: Nichts durfte dem Zufall überlassen werden, weder kurz- noch mittelfristig. Für ein »freies Spiel der freien Kräfte«, wie es in unterschiedlichen Ausprägungen und partiell kontrolliert und eingehegt für die bürgerliche Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert typisch geworden war, konnte es in der kommunistischen Vorstellung vom guten Regieren keinen Platz geben. Das galt für die Politik im engeren Sinne – daher keine ergebnisoffenen Wahlen –, und es galt vor allem für den ausgedehnten Herrschaftsbereich der verstaatlichten Ökonomie. Als Antithese zum kapitalistischen Markt herrschte hier der Plan, und zwar der allumfassende Plan, der alles bis ins letzte Detail regelte. Daher stellt sich über die Frage der zensurierenden Kontrolle des Spielens (s. Hypothese 3) hinaus die grundsätzliche Frage: Welchen Platz konnte die Grundtatsache der für das Spielen (im Sinne von game) konstitutiven Kontingenz in diesem weltanschaulichen Universum und folgerichtig auch in der daraus abgeleiteten Herrschaftspraxis einnehmen?

(2) Die soziale und technische Wirklichkeit der DDR war Teil der modernen industriellen Zivilisation, wie sie sich in West- und Mitteleuropa in der Neuzeit herausgebildet hatte. Spielen im umfassenden Sinne war seit jeher Teil dieser (aber natürlich nicht nur dieser) Zivilisation, und daran konnte und sollte die nach 1945 eingeführte neue Ordnung auch nichts ändern. Allgemein gilt: Das Spielen an sich bleibt von seiner Funktionsweise und inneren Logik her von den Wechselfällen der politischen Umgebung unberührt. Es gibt kein in sich »sozialistisches« oder »kapitalistisches« Spielen. Aus vorliegenden historischen Forschungen etwa von Pädagogikgeschichte und Volkskunde zeichnet sich vielmehr die enorme Plastizität des Spielens unter Beibehaltung der ihm innewohnenden Logiken ab. Auch das bereits erwähnte Buch von André Postert belegt seine enorme Vielfalt. Spiele und das Spielen schmiegen sich geradezu chamäleonartig den von Wirtschaftskonjunkturen, sozialen und politischen Katastrophen, von Krieg und Frieden erzeugten Wechseln von Situationen und Bedingungen, im Guten wie im Bösen an. Daher kann man im Medium des Spielens, der Spielsachen und der Spiele ohne Weiteres auch die Geschichte einer Epoche, in diesem Fall eines Halbjahrhunderts, erzählen.

(3) Allerdings unterlag das Spielen mit der Errichtung der SED-Diktatur ebenso wie alle anderen menschlichen Tätigkeiten deren im Grundsatz totalitären Regelungsansprüchen. Wie konsequent diese vor allem in der Ideologie formulierten Ansprüche auch in Bereiche eindrangen und diese umgestalteten, in denen Spielen von herausgehobener Bedeutung war, ist eine zweite, davon sorgsam zu unterscheidende Frage. In jedem Fall ist damit zu rechnen, dass im Bereich des Spielens wie in anderen Bereichen auch der Eigen-Sinn der Spielenden die konkrete Herrschaftspraxis mitprägte. Daher – so die Ausgangsvermutung – konnten die sozialen, kulturellen und auch ganz individuellen Bedeutungen, die Spielende in ihr Spielen hineinlegten oder die die Herrschenden darin zu erkennen glaubten, zu Reibungsflächen und Konflikten führen. Dieses Konfliktpotenzial ist für benachbarte Bereiche der kulturellen Praxis, etwa Literatur, bildnerische Kunst, Theater und Film, gut dokumentiert. Insbesondere die Inhalte der Spiele, also die Skripte, Wertorientierungen und Narrationen, die sowohl durch games wie plays in Szene gesetzt wurden, unterlagen, so ist zu vermuten, ebenso wie die Bereiche des übrigen Kulturschaffens einer amtlichen Zensur.

Im Folgenden soll versucht werden, die Plausibilität dieser Hypothesen anhand von drei Themen zu diskutieren:

  1. Zu rekonstruieren ist, ob im Innern der Ideologie des Marxismus-Leninismus (ML) als der für die kommunistischen Herrscher maßgeblichen Ideologie und Richtschnur überhaupt Platz für »Spiel« war, und wenn ja, welcher.
  1. Zu fragen ist, anhand einiger plausibler Beispiele, nach dem Platz des Spielens im sozialen Alltag des real existierenden Sozialismus. Denn dass es zwischen offizieller, partei-staatlicher Ideologie – Marxismus-Leninismus – und massenhaft gelebter Wirklichkeit einen Unterschied gab, dass in der gelebten Wirklichkeit Dinge ihren Platz und ihr Existenzrecht hatten, die im ML so nicht vorgesehen waren, das war eine Binsenweisheit, mit der Herrschende wie Herrschaftsunterworfene umzugehen gewohnt waren. Das müsste auch für das Spielen gegolten haben.
  2. Abschließend ist die Möglichkeit einer spezifischen Brisanz des Spielens unter den Bedingungen staatssozialistischer Diktatur zu diskutieren. Kollidierte der dem Spielen an sich innewohnende Eigen-Sinn von Spielenden mit den alltäglichen Zumutungen eines autokratischen Gemeinwesens wie dem Staatssozialismus?

 

 

»Wert und Gefahr des Spiels« im Marxismus-Leninismus

 

In den Annalen der Herrschafts- und Ideologiegeschichte der SED-Diktatur hat die philosophisch-systematische Betrachtung des Spiels durchaus ihren Platz, den sie erst zu Beginn der 1970er-Jahre verlor. In Konsequenz des kategorischen Herrschaftsmonopols der Partei kam es damals mit dem Amtsantritt von Erich Honecker und seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik zum Scheitern der Kybernetik als wissenschaftlich fundierter Methode guten sozialistischen Regierens. Damit wurden auch spieltheoretische Ansätze in der DDR außer Kurs gesetzt. Dafür stehen die Ideen und Bemühungen eines der führenden Philosophen der DDR, Georg Klaus.

Die Person dieses Professors für Logik und Erkenntnistheorie an der Humboldt- Universität zu Berlin verkörpert geradezu eine mögliche Symbiose von Spiel und Kommunismus. Als – heute würde man sagen: hochbegabter – Arbeitersohn, Jahrgang 1912, beginnt er 1932 ein Mathematikstudium, wird 1933 Schachmeister von Franken und beteiligt sich am kommunistischen Widerstand gegen die Nazis, weshalb er die Jahre bis 1939 in Gefängnis und KZ verbringt. Während seiner anschließenden Soldatenzeit wird er nebenbei Deutscher Vize-Schachmeister. Nach dem Krieg schließt er sein Studium ab und beginnt zunächst in Jena seine Hochschullehrerlaufbahn, um 1953 an die Humboldt-Universität zu Berlin zu wechseln. Er wird rasch einer der führenden Philosophen der DDR, nicht zuletzt bekannt durch das in etlichen Auflagen erscheinende gemeinsam mit Manfred Buhr herausgegebene Philosophische Wörterbuch. 1974 stirbt er.[10]

Klaus war schon seit Ende der 1950er-Jahre einer der herausragenden Protagonisten der Kybernetik und der Systemtheorie in der DDR. Nach dem Mauerbau drängte Walter Ulbricht auf Reformen der verstaatlichten Planwirtschaft, die auf eine Einführung von marktwirtschaftlichen Elementen und insbesondere auf eine größere Eigenständigkeit der unteren Wirtschaftseinheiten, also der Kombinate und Betriebe zielten. In diesem Reformklima schlug die Stunde der Kybernetik, die für einige Jahre zur inoffiziellen Leitwissenschaft innerhalb des Marxismus-Leninismus avancierte: Überall wurde in den Kategorien von Regelkreisen, Regelgrößen und Rückkopplungen gedacht, ob in der Ökonomie, in den Staatswissenschaften, der Pädagogik etc. Und als Teil dieser kybernetischen »Welle« veröffentlichte Georg Klaus 1968 ein Büchlein mit dem Titel Spieltheorie in philosophischer Sicht.[11] Er hatte diese in westlichen Ländern entwickelten Ansätze schon in den 1950er-Jahren intensiv rezipiert und kannte sich etwa mit den Werken John von Neumanns bestens aus. Sein Interesse galt – bei einem leidenschaftlichen Schachspieler nicht weiter überraschend – insbesondere den strategischen Spielen.

Für Klaus stellte die Spieltheorie einen Ansatz dar, um Planung konzeptionell zu optimieren, als Spiel-ohne-Plan: »Spiel ohne Plan ist in gewissem Umfang unerläßlich für die geistige Weiterentwicklung der Menschheit« und enthalte »als Teilbereich den wissenschaftlichen Vorlauf nicht nur in Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch in den Gesellschaftswissenschaften« (16). Damit könne das Trial-and-Error-Prinzip auch auf die Ebene der Theorien übertragen werden (ebd.). Unter der Überschrift »Wert und Gefahr des Spiels« scheute er sich nicht, die grundsätzliche Tragweite seines Ansatzes auszusprechen: »Wir sind heute geneigt, die Formulierung von der Freiheit als einer Einsicht in die Notwendigkeit in mancher Hinsicht zu ergänzen bzw. zu verbessern. Freiheit erscheint uns heute mehr als eine Einsicht in das Feld der Möglichkeiten. Mit solchen Möglichkeiten hat es die Spieltheorie zu tun.« (55)

Im Rahmen des historisch-materialistischen Kanons klang das dezidiert unorthodox. Diente das über den »Klassiker« Friedrich Engels in den ML eingeführte angebliche Hegel-Zitat doch seit eh und je als rhetorische Aushilfe,[12] wenn es galt, die faktischen Grenzen der Freiheiten im Realsozialismus zu rechtfertigen.[13] Auf der darauffolgenden Seite formulierte Klaus: »Strategische Spiele haben im Gegensatz zu reinen Würfelspielen und Glücksspielen und zu streng determinierten Spielen, die keine Auswahlmöglichkeiten offen lassen, den Vorzug, daß sie ein Betätigungsfeld menschlicher Freiheit sind. Das ist ihr Zauber, ihre Grenze – und ihre Gefahr.« (56)

Das Paradox, mit dem Klaus operierte, ist bekannt: Das marxistische Verständnis von Ökonomie war vor allem auf Kreisläufe der Reproduktion gerichtet. Das war eine der starken Seiten der Marxʼschen Analyse in Das Kapital, einschließlich seiner Kritik an den ruinösen Folgen des »freien Spiels der Kräfte«.

Die von der Partei der Arbeiterklasse gesteuerte Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft war mit ihrer zentralistisch-autoritären Logik, die ihr das Attribut »Kommandowirtschaft« eingebracht hatte, aber nicht in der Lage, Informationen mit einer Effizienz in Regelkreisläufen zu verarbeiten, die den Marktmechanismus hätte ersetzten können. Die kybernetischen Denkmodelle sollten bei der Suche nach Steuerungsmethoden helfen, die Raum für eigenständige Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten im Rahmen eines Regelkreises zuließen. In diesem Rahmen erschien die Spieltheorie als logischer Denkansatz, diese Suche nach einer Optimierung auf die Spitze zu treiben.

Die hochfliegenden Vorschläge der Kybernetik und der Wirtschaftsreformer in Partei und Staatsapparat, die sich auf ihre Ideen stützten, scheiterten jedoch spätestens, als Erich Honecker seinen politischen Ziehvater Walter Ulbricht 1971 mit Unterstützung der Moskauer Zentrale stürzte und wieder die Prinzipien einer dirigistischen, straff von oben nach unten durchorganisierten Kommandowirtschaft durchsetzte.[14] Die Germanistin Mechthild Coustillac hat vor einigen Jahren die schrittweise Diskreditierung der Kybernetik-Ansätze durch führende Parteifunktionäre schon in den Jahren vor dem Machtwechsel rekonstruiert.[15] Bereits im Mai 1967 hatte Günter Mittag, Sekretär des ZK für Wirtschaftsfragen, auf einer Beratung im Sekretariat des ZK der SED, an der auch der Generalsekretär Honecker und andere SED-Granden teilnahmen, an Heinz Liebscher, einen engen Mitarbeiter von Georg Klaus, die inquisitorische Frage gerichtet: »Genosse Liebscher, Sie sprechen im Zusammenhang mit der Anwendung der Kybernetik in der Gesellschaft immer von selbstregulierenden Systemen. Läuft das nicht, wenn man es ernst nimmt, darauf hinaus, die führende Rolle unserer Partei zu untergraben, um einer Spontaneität gesellschaftlicher Entwicklungen das Wort zu reden?«[16]

Einer »Spontaneität gesellschaftlicher Entwicklung das Wort zu reden« – das war in den Augen orthodoxer Marxisten-Leninisten fast schon gleichbedeutend mit Abfall vom Glauben, kleinbürgerlichem Anarchismus und vor allem drohendem Machtverlust. Ging es doch für die Tausenden von hauptamtlichen SED-Funktionären im alltäglichen Klein-Klein der Herrschaftsarbeit vor allem darum, überall und zu jeder Zeit die – in der Verfassung von 1968 verankerte – »führende Rolle der Partei« zur Geltung zu bringen[17] und vor allem – so die immer wieder in Quellen der SED und des SED-Staats anzutreffende Formulierung – »nichts dem Selbstlauf zu überlassen«.

So weit die Kritik an Klausʼ Gedankenexperimenten vom praktischen Standpunkt des Machterhalts. Aus höherer Warte ließ sich das auch als ein Hierarchieverhältnis innerhalb der Lehre vom ML und dessen Komponenten darstellen. Ein Jahr nach Erscheinen von Klausʼ Spieltheorie in philosophischer Sicht führte sein Kollege Erhard Albrecht in einer Rezension weltgeschichtliche Tatsachen gegen die Spieltheorie ins Feld: »Beweisen nicht gerade die welthistorischen Leistungen Lenins, der KPdSU und die schöpferische Weiterentwicklung des ML durch die SED, dass die Spieltheorie nicht dazu imstande ist, die komplizierten und vielseitigen Faktoren des Klassenkampfes und des Aufbaus der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftsordnung zu erfassen?«[18]

Ausbuchstabiert hieß das: Auf Grundlage der Spieltheorie wären Lenin und seine Mitstreiter im Oktober 1917 nie und nimmer auf den Gedanken verfallen, während jener »zehn Tage, die die Welt erschütterten«, in Petrograd die Macht an sich zu reißen und gewaltsam den Aufbau der Sowjetmacht in Angriff zu nehmen. Ganz in diesem Sinne dekretierte Kurt Hager, oberste Instanz der SED in Ideologiefragen, auf einer ZK-Tagung im April 1969: »Kybernetik, Systemtheorie, Operationsforschung usw. stehen mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen durchaus in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien des dialektischen Materialismus, aber sie sind nicht identisch mit der marxistisch-leninistischen Weltanschauung und können deren spezifische Aufgabe nicht ersetzen. Das muß mit aller Entschiedenheit betont werden. Die spezifische Aufgabe der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse ist durch keine andere Wissenschaft zu ersetzen.«[19]

Damit war auch die Spieltheorie wieder auf den Status des Glasperlenspiels zurückverwiesen, aus dem Klaus sie hatte herausholen wollen, um zur intellektuellen Ertüchtigung der Steuerung der DDR-Volkswirtschaft beizutragen. »Wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse« stand hier für den letztinstanzlichen Wahrheitsanspruch der Parteiführung. Dieser berief sich wiederum auf den durch die Errichtung der Sowjetmacht ab 1917 vollzogenen welthistorischen Auftrag der Arbeiterklasse, die Ausbeuterordnung des Kapitalismus gemäß den erkannten historischen Gesetzmäßigkeiten abzulösen und dabei auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen eine der einmal eroberten Herrschaftspositionen aufzugeben. Die Spieltheorie mochte im Bereich der Erkenntnistheorie (»dialektischer Materialismus«) ihre Berechtigung haben, in der Diktatur des Proletariats hatte sie nichts zu suchen.

Was sagt uns diese wissenschaftsgeschichtliche Episode über die DDR bzw. über den Staatssozialismus und sein Verhältnis zum Spiel? Gewiss nicht, dass Spielen an sich im Staatssozialismus nicht möglich gewesen sei – dagegen sprechen die überlieferte Alltagserfahrung ebenso wie mittlerweile zahlreiche Einzelstudien auch zur DDR. Sie belegt lediglich, dass im SED-Staat auf dem Feld der Ideologie und der Parteilehre ebenso wie im sozialen Alltag rigide Grenzziehungen exekutiert wurden, die sozialen Akteuren gleich welchen Status ein autoritatives »Bis hierher und nicht weiter« signalisierten. Das insbesondere für das strategische Spiel konstitutive Element des offenen Verlaufs und des offenen Ergebnisses – Gelingen oder Scheitern, Gewinn oder Verlust, Verlaufs- und Ergebnisvarianten A, B oder C – konnte nicht in die »wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse« integriert werden.

Damit ist zugleich eine Entgegensetzung zu Gesellschaftsordnungen mit Marktwirtschaften genannt: Während diese im Prinzip des Spielens eine wichtige Ressource für ihre Reproduktion als System sehen (bewusst auch als Wagnis verstanden, da das System gezielt von hartnäckigen Regelverletzern gefährdet werden kann), konnte dies eine kommunistische Diktatur sowjetischen Typs auf der Systemebene nicht zulassen. Nicht ohne Grund spricht man von demokratischen Spielregeln, aber nicht von diktatorischen Spielregeln. Eine der oft beobachteten Folgen dieser Fremdheit von ergebnisoffenen Verfahren und Diktatur ist die ungeregelte Herrschaftsnachfolge. Wie es weitergeht, wenn der Generalsekretär stirbt, weiß man eben nicht.

 

 

Gesellschaftlicher Alltag

 

Dennoch wurde – selbstverständlich – gespielt im Staatssozialismus bzw. in der kommunistischen Diktatur, aber – idealiter – nur in den durch diese gesetzten Grenzen.

Das mit den Grenzen ist hier nicht leichthin gesagt, sondern gerade in der Entgegensetzung zu liberalen Gesellschaften mit marktwirtschaftlicher Grundlage von erheblicher Bedeutung. Diese sind insgesamt von einer relativ weitreichenden Zuversicht in die Optimierung gesellschaftlicher Entscheidungsfindungen durch Regelanwendung ohne genaue vorherige Festlegung konkreter Ergebnisse gekennzeichnet. Dahinter liegen jahrhundertelange Erfahrungen mit im Einzelnen ergebnisoffenen, aber durch Regeln eingegrenzten Entscheidungsvorgängen, die in der liberalen Demokratie schließlich über die Gleichstellung aller Bürgerinnen und Bürger beim Mitspielen bis ganz nach oben durchschlagen. Dazu gehört auch die Grenzüberschreitung als Teil des Systems, also die strategische Regelverletzung, die ihrerseits zur Weiterentwicklung und Optimierung des Systems beiträgt. Genau diese auf Regeln bezogenen, aber dennoch ergebnisoffenen Praktiken, in der Reichweite und der Beteiligung eindeutige und vielfältige Grenzen zu ziehen, sind ein wesentliches Merkmal kommunistischer Diktaturen. Deswegen habe ich an anderer Stelle diesen Typus der staatssozialistischen Diktatur auch als eine »Diktatur der Grenzen« bezeichnet. Damit ist nicht nur die Grenze schlechthin, die äußere mit Stacheldraht und Schießbefehl gemeint, sondern die Tatsache der in den sozialen Alltag eingelassenen vielfachen Grenzziehungen zwischen Institutionen und deren Zuständigkeiten, die die Handlungsräume von Individuen bestimmen. [20]

Es folgen nun einige sehr vorläufige Beobachtungen und Überlegungen zum Spielen im von diesen Grenzen durchzogenen Alltag der staatssozialistischen Gesellschaft. Vorausgesetzt wird dabei, dass die staatssozialistischen Diktaturen über moderne Gesellschaften mit entsprechenden Öffentlichkeiten und Kommunikationsmitteln herrschten, in denen, basierend auf hochgradig differenzierter Arbeitsteilung, insbesondere auch alters-, berufs-, milieu- und geschlechtermäßig ausdifferenzierte Verhaltensweisen und Praxen der gesellschaftlichen Teilhabe etabliert waren. Spielen in all seinen angestammten Variationen und Zwecken war auf allen Ebenen entsprechend den Gewohnheiten einer modernen Industriegesellschaft eingelagert und fristete dort je nach Umständen ein mehr oder weniger unbehelligtes Dasein. Hier wurde es in den Dienst der großen Sache genommen, dort blieb es hingegen unbeachtet, wiederum anderswo wurde es lokal eingehegt oder auch nur geduldet.

Dabei gehört zum Spielen, dass es sowohl als abgesonderte Praxis, gewissermaßen zweckfrei, auftritt und zugleich in andere alltägliche Praxen integriert und mit deren Zwecken verknüpft ist. Auch dies ist für sich genommen nichts spezifisch »Sozialistisches«. Betrachten wir dazu nun exemplarisch einige Bereiche, in denen sich Spiel im Sinne von play und game im staatssozialistischen Alltag beobachten lässt.

 

 

Spielen und Erziehung

 

Spielen im Bereich der Erziehung konnte den kommunistischen Menschenlenkern nicht gleichgültig sein. Das ließ ihr grenzenloser Optimismus hinsichtlich der Erziehbarkeit der Menschen nicht zu. Für sie war die Frage des Erfolgs der großen Sache – neben der Lenkung der Produktion durch die Arbeiterklasse bzw. ihre Avantgarde, die Partei – vor allem eine Frage der Erziehung. Das galt für alle Altersgruppen, aber natürlich besonders für die im Sozialismus Geborenen. Menschliche Entwicklung vom Säugling über das Kleinkind und die Jugendlichen bis zum Erwachsenenalter kommt ohne Spielen nicht aus, das wussten natürlich auch die im Auftrag der Partei planenden und konzipierenden Pädagoginnen und Pädagogen.

Das ist für sich genommen ebenfalls nichts speziell Staatssozialistisches oder Diktatorisches. Die Spezifik ergibt sich hier eher durch bestimmte Optionen und Akzentsetzungen. Spiele können auf Agonalität und Konkurrenz beruhen – nur eine/r kann gewinnen – oder auf Kooperation und gemeinsamem Gewinn. In einem Fall wird – idealtypisch – eine Nullsummen-, im anderen eine Win-win-Logik bedient. Diese gegensätzlichen Spiellogiken lassen sich in der Vorstellung mit affinen Einstellungen und Wertvorstellungen verknüpfen, die wiederum bestimmte Milieus, Traditionen und damit Teile der Bevölkerung (Adel, Bauern, Bürger, Arbeiter, Angestellte, Städter …) repräsentieren. Man spricht vom »bürgerlichen« Individualismus und von den eher kollektivistischen Orientierungen der Arbeiter, auch wenn es sich dabei oftmals um Stereotype handelt, die einer näheren Betrachtung nicht standhalten.

Auch der Pädagogik im Staatsozialismus war klar, dass der Aufbau des Sozialismus das Spielen in seiner ganzen Vielfalt und Breite benötigte wie andere Gemeinwesen auch. Daher wurden gerade den Spielenden im Medium des Zeitvertreibs und der Zerstreuung immer auch Normen und ideologische Inhalte vermittelt. Und auch dies ist an und für sich nichts Diktatur-Spezifisches. Auch in einer liberalen Gesellschaft verbinden sich pädagogische Bemühungen um das Spielen mit Botschaften mehr oder weniger ideologischer Art, dienen der Einübung von Normen und sind mit gesellschaftlich für wünschenswert erachteten Haltungen verknüpft. Das Gegenstück zum Spielen im Dienst einer von einer Ideokratie funktionalisierten Spielpädagogik ist nicht das per se keinerlei höheren Zwecken unterstellte freie Spielen, sondern sind andere Zweckinhalte.

 

 

Wettbewerbe um Titel und Anerkennung

 

Es gibt eine dem Spiel affine Praxis, die für das Alltagsleben der DDR und staatssozialistischer Gesellschaften generell von zentraler gesellschaftspolitischer Bedeutung war und in die die kommunistische Obrigkeit erhebliche organisatorische, intellektuelle und symbolische Energien investierte: der sozialistische Wettbewerb.[21] Es handelte sich um einen überwiegend am Arbeitsplatz ausgetragenen Wettbewerb zwischen Arbeitskollektiven oder »Brigaden«, bei dem es darum ging, durch gemeinsam erbrachte Leistungen vor allem in der Produktion, aber auch in den Bereichen Fortbildung und Qualifikation sowie kulturelle Aktivitäten Anrechte auf materielle und ideelle Gratifikationen, also Geldprämien und Auszeichnungen, zu erringen. Der sozialistische Wettbewerb war Teil der für den totalitären Herrschaftsanspruch der Staatspartei charakteristischen Versuche der Massenmobilisierung, die – je länger der Sozialismus real existierte – umso routinierter und in den Ergebnissen kalkulierbarer zur Ausführung gelangten. Um den Spielcharakter dieses herrschaftlichen Steuerungsinstruments zu verstehen, lohnt ein kurzer Blick auf die mit diesen Wettbewerbsinszenierungen verkoppelten Logiken und Abläufe der zentralistischen Planwirtschaft.

Die zentralistische Erstellung der Planungsziele erfolgte in einem Kreislaufverfahren: Zunächst gab die Zentrale Plankommission pauschale Planziele für die von der Volkswirtschaft als Ganzes zu erbringenden wirtschaftlichen Leistungen vor. Diese Ziele mussten über die verschiedenen Wirtschaftszweige und Zwischenebenen bis hinunter auf die unterste Ebene der Betriebe und innerhalb der Betriebe auf die einzelnen Abteilungen, Werkstätten und Brigaden »heruntergebrochen« werden. Jede Einheit legte entsprechend diesen Forderungen von oben ihre speziellen Planziele fest und meldete diese Festlegung an die nächsthöhere Stufe, bis sie auf der obersten Ebene, der staatlichen Plankommission, zusammengefasst wurden. Die Kunst für die unteren Einheiten bestand darin, von sich aus die Planziele so anzusetzen, dass sie einigermaßen bequem übererfüllt werden konnten – das sicherte die Prämien und Auszeichnungen im sozialistischen Wettbewerb für Planüberfüllung. Zugleich war diese Übererfüllung in bestimmten Grenzen zu halten, denn bei einer deutlichen Übererfüllung drohte in der nächsten Runde eine entsprechende Neufestsetzung der Normen. Die Festlegung der Teilpläne stellte zusammen mit den im laufenden Planjahr erforderlichen Plankorrekturen die eigentliche Verhandlungspraxis innerhalb der Kommandowirtschaft dar. In diesen Verhandlungen konnten die Betriebe zuvor nicht offengelegte Zeit- und Personalreserven einsetzen, um Engpässe auszugleichen und vor allem die nominelle Planerfüllung und damit die Prämien sicherzustellen.[22]

Dass ökonomische Transparenz und der Realitätsbezug von Kostenfaktoren und Kennziffern dabei auf Strecke blieben, und dass diese Wirtschaftsweise systematisch erhebliche Effizienzverluste mit sich brachte, war allen Beteiligten bekannt. Auch daran, dass Mann und Frau mit den mühsam gesicherten Lohnprämien auf dem inländischen Markt am Ende relativ wenig anfangen konnten, weil das Warenangebot knapp und wenig attraktiv war, hatte man sich resigniert gewöhnt. Im gesamten Ostblock gab es zur Charakterisierung dieses Missverhältnisses zwischen niedriger Produktivität und Kaufkraftüberhang ein wohlbekanntes Sprichwort, das nicht unerwähnt bleiben darf, wenn es um »Gesellschaft spielen« im Staatssozialismus gehen soll: »Wir tun so, als ob wir arbeiten, und ihr tut so, als ob ihr uns bezahlt[23]

Die Wirklichkeit auf ein Rollenspiel zu reduzieren – denn nichts anderes tut dieser Ausspruch – ist eine gängige Methode, um die Wirklichkeit zu kritisieren, um die autoritär übertünchten Gegensätze zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenzulegen.

Vom Wettbewerb in der Produktion, der im sarkastischen Scherz als Schauspiel charakterisiert wurde, führt der Weg schlüssig zu dem Bereich gesellschaftlicher Praxis, in dem tatsächlich auf der Grundlage des Spielens mit viel Hingabe und Ernst Wettbewerbe ausgetragen werden: dem Sport. Bekanntlich wurde Sport in der DDR in den verschiedensten Ausprägungen gefördert, insbesondere aber der Leistungs- und Hochleistungssport mit den bekannten pathologischen Begleiterscheinungen.[24]

Im sozialistischen Wettbewerb ging es um Titel (»Brigade der sozialistischen Arbeit«), die in direkten Leistungsvergleichen zwischen Arbeitsbrigaden »gewonnen« wurden. Im Rahmen eines vorab festgelegten Regelwerks waren Einzelleistungen in verschiedenen Bereichen (Produktion, politisches und soziales Engagement, kulturelle Aktivitäten) zu erbringen, die gemessen und abgerechnet werden konnten. Dafür musste jede und jeder im Kollektiv mitziehen, denn es kam nicht nur auf die individuellen Leistungsträger an, sondern auf alle. Immerhin hing die Höhe der Prämien und anderer Lohnzusätze davon ab.

Im Leistungssport hingegen zählten individuelle Werte und Leistungen weitaus mehr. Das hing entscheidend damit zusammen, dass die wissenschaftlich gesteuerte Optimierung von Erfolgen in Einzelsportarten leichter ist als bei Mannschaftssportarten. Für das SED-Regime war Spitzenleistungssport ein unverzichtbarer Einsatz im Kampf um die internationale Anerkennung der DDR als vollwertiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft. Paradoxerweise erwies sich im Fall der DDR die Leistungsfähigkeit des sozialistischen Systems also in der wissenschaftlichen Perfektion und Akribie, mit der man in der Lage war, Individuen an die Spitze ihrer jeweiligen Disziplin zu trainieren und zu dopen. Mannschaftsspitzenleistungen ließen sich hingegen nicht in ähnlich zuverlässiger Weise mit kalkuliertem Mitteleinsatz optimieren. Nur intern, innerhalb der DDR, konnte der allmächtige Erich Mielke bei den Spielergebnissen seines Armee- und Polizeisportvereins Dynamo nachhelfen, damit der jahrein, jahraus DDR-Meister wurde;[25] international ging so etwas nicht.[26]

 

 

Geselliges Spielen

 

DDR-Bürger frönten, wie andere Wohlstandsbürger auch, der privaten Geselligkeit, möglichst in den eigenen vier Wänden oder auch in der überschaubaren Öffentlichkeit von Kneipen, Betriebskantinen und Campingplätzen. Brettspiele sind ein beliebtes Vehikel zur vielseitigen Gestaltung von Geselligkeit. Sie lassen sich mit Maren Röger als »kartonierte Möglichkeitsräume« fassen,[27] die mit den Spielverläufen zugleich Narrative in sich tragen. Dabei erzählen sich die Geschichten, indem sie gespielt werden, gemäß den jeweiligen Regeln mit Anfang, Mitte und Ende und je nach Aufwand mit spezifisch kontextualisierten Rollen, Episoden und strategischen Elementen. Bei einigen Gesellschaftsspielen geht die Geschichte, die sich entfaltet, mehr oder weniger ausschließlich ums Gewinnen oder Verlieren, bei anderen ist die Gewinnen-oder-Verlieren-Frage nur Mittel zum Zweck für eine kurzweilige Reise durch vorgestellte Welten, angefangen beim Kosmos über Szenarios der Menschheitsgeschichte bis hin zu utopischen Zukunftsvisionen. Die dafür konkretisierten und auszugestaltenden Realitätsausschnitte unterlagen, handelte es sich um ein im staatlichen Handel der DDR zu erwerbendes Spiel, im Prinzip derselben Art von Zensur wie die Produktion anderer fiktionaler Genres im Literatur-, Theater-, Film- und Kunstbetrieb mit ihren jeweiligen mehr oder weniger realitätsbezogenen Phantasiewelten.

Ein Blick in die umfangreiche Erforschung der Zensur im Literaturbetrieb der DDR zeigt, dass diese vor allem der gesteuerten Ermöglichung von Veröffentlichungen zur Versorgung des »Leselands DDR« diente und nur im seltenen Ausnahmefall der Verhinderung durch Zensur und Verbot.[28] Zensoren in der berühmten Hauptverwaltung Literatur, Verlage, Literaturexperten und staatlich alimentierte Autorinnen und Autoren waren durch ein umfangreiches Regelwerk beim Zustandekommen einer Publikation verbunden. Die Zensur von Romanen, Gedichten, Reportagen, Theaterstücken und Drehbüchern war immer auch ein permanentes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem einige wenige verbissen um das Ausschreiten der Grenzen, um den Randbereich des Erlaubten stritten, während der Mainstream in konstruktiver Zusammenarbeit solide, unanstößige Unterhaltungsware für die vielen Lesehungrigen auf den Weg brachte. Einiges deutet darauf hin, dass es im Bereich der Brettspiele nicht viel anders war, so die Tatsache, dass es auch hier, wie bei den Büchern, einen regelrechten Samisdat gab. Eine weitere Parallele ist darin zu erkennen, dass auch im Hinblick auf Spiele die Zensurverhältnisse von Ostblockland zu Ostblockland erheblich voneinander abwichen. So stand etwa im Fall der DDR der im Vergleich zur ČSSR[29] besonders rigorosen Zensur von Computerspielen ein umfangreicher Schwarzmarkt für aus der Bundesrepublik eingeschmuggelte Produkte gegenüber. Die Grenzen dieses Vergleichs liegen auch im Status der beteiligten Akteurinnen und Akteure begründet: Spiele-Erfinderinnen und -Erfinder kamen wohl kaum in den Genuss der den »Kulturschaffenden«, ob Schriftstellerinnen, Schriftsteller, Künstlerinnen, Künstler oder Schauspielerinnen und Schauspieler, als Gegenleistung für ihre politische Loyalität eingeräumten Privilegien und Alimentierungen. Sie waren Teil der Leichtindustrie und damit nachrangig.

Es geht also, so eine vorläufige Beobachtung, bei alltäglichem Wett-Spielen im Staatssozialismus entweder um Vereinnahmungen durch Überhöhung in eine Alles-oder-nichts-Konstellation: der sozialistische Wettbewerb, oder – im Bereich des Sports und seiner Wettbewerbe – um die Anerkennung der DDR und des von ihr erreichten »Weltniveaus« im Rahmen des im Zeichen der friedlichen Koexistenz stehenden Systemwettstreits. Sofern es um das Spielen der Geselligkeit halber ging, griffen dieselben Strategien der Einhegung und Domestizierung wie bei anderen kulturellen Praxen auch, die in erster Linie über die bevormundende Einteilung in zulässigem und gefördertem Mainstream und verpöntem, im Grenzfall repressierten Randbereich funktionierten.

 

 

Spielen – Kontingenz – Eigen-Sinn?

 

Herrschaft – als soziale Praxis verstanden – ist kein Spiel. Aber im Spielen kann Herrschaft durchaus Thema sein: Sie kann Teil der modellhaften oder virtuellen Nachbildung der Wirklichkeit sein, und das Spiel mit mehr oder weniger kritischem Potenzial aufladen. Darüber hinaus gibt es tradierte Rituale der gespielten Verkehrung von Herrschaftsbeziehungen wie den Karneval, die mit ihrer kalkulierten Ventilfunktion zur Stabilisierung von Herrschaft beitragen.[30]

Obwohl die Machtverhältnisse zwischen Gesellschaftsmitgliedern nicht im Spielen entstehen und festgelegt oder verändert werden, ist in ihm dennoch eine für soziales Handeln auch in Herrschaftsbeziehungen wesentliche Erfahrung angelegt: Spielen schärft die Sinne für die Offenheit von Verläufen, für Kontingenz, für das Zusammenspiel von Struktur und Ereignis und von Kausalität und Zufall. Spielen lehrt uns den Sinn für das »Wie es auch sein könnte«, trainiert unsere Neugierde darauf, wie eine Sache »ausgeht«, und erweitert Möglichkeiten der Selbst- und Fremdwahrnehmung: Wir erfahren auch im Spiel, wie es ist, zu verlieren oder zu gewinnen, wir lernen eigene Fähigkeiten und die der Mitmenschen kennen.

Vielleicht trägt Spielen ja auch dazu bei, die vage Vorstellung davon aufrechtzuerhalten, dass es auch einmal »ganz anders kommen« könnte? Einen Satz zu bilden mit »wenn es mal ganz anders kommt« – das war, zur falschen Zeit gegenüber der falschen Person geäußert, in der DDR keine hohle Phrase. Es war eine Anspielung auf den 17. Juni 1953 oder auch auf den ungarischen Volksaufstand in Budapest im Oktober 1956 – jedenfalls konnte es von denen so verstanden werden, die genau vor der Wiederholung eines solchen Ereignisses eine Heidenangst hatten, und das mit einer gewissen Berechtigung. Im persönlichen Streit, oftmals auch im Suff, geäußert, konnte man das als Machtphantasie Ohnmächtiger abtun. Die vielfach in DDR-Quellen überlieferten Äußerungen dieser Art wurden von den Sicherheitsorganen aber durchaus auch als Drohungen gelesen, die sie mitunter mit harten Strafen sanktionierten. Den Sinn für Kontingenz zu nähren und zu kultivieren, und sei es nur, um die durch ein gelenktes Mediensystem und die erzwungene Immobilität erzeugte Eintönigkeit zu durchbrechen, möglicherweise lag darin in staatssozialistischen Diktaturen wie der DDR ein subversives Potenzial. Orthodoxie und Dogmatismus als Teil der Staatsräson vertragen sich nicht mit den Maximen einer offenen Gesellschaft und einer offenen Welt, von denen viele DDR-Bürgerinnen und -Bürger allenfalls im Spiel träumten, die sie aber kaum erfahren konnten. Spielen übt den Umgang mit Freiheitsgraden, auch wenn es in den gegebenen Verhältnissen des Nicht-Spiels gebunden bleibt.

Abschließend sei ein kurzer Versuch gewagt, diesen Gedankengang mit dem von Alf Lüdtke entwickelten und von mir vor allem bei der Analyse von Herrschaftskonstellationen in der DDR angewandten Konzept des Eigen-Sinns zu verknüpfen.[31] Mit Eigen-Sinn bezeichnen wir die Fähigkeit von Herrschaftsunterworfenen, in Herrschaftsbeziehungen handelnd »bei sich« zu bleiben, also sich die Zwänge und Möglichkeiten, die ihnen in durch Herrschaft begrenzten Räumen gesetzt sind, anzueignen und ihr besonderes Tun und Lassen in einer Herrschaftsbeziehung mit ihrem eigenen Sinn auszustatten. Damit soll der in funktionalistischen bzw. idealtypischen Verständnissen von Herrschaft angelegten Reduktion von Verhaltensoptionen auf entweder blinden Gehorsam und vollständige ideologische Unterwerfung oder Verweigerung und widerständiger Obstruktion eine alternative Deutung entgegengesetzt werden, die der im historischen Feld beobachteten Vielfalt individueller Umgangsweisen mit Herrschaft gerecht wird. Bezeichnenderweise spielte in Lüdtkes Schlüsseltext zur Begründung dieses Konzepts Mitte der 1980er-Jahre, einer empirisch gesättigten Studie über den Arbeitsalltag von Industriearbeitern im späten Kaiserreich, das Spielen am Arbeitsplatz und in den Arbeitspausen eine zentrale Rolle. Neckereien, körperliches Kräftemessen und Initiationsrituale gehörten zum festen Repertoire an Verhaltensweisen, mit dem Zugehörigkeit, Hierarchien und Distanz sowohl der Arbeiter untereinander ausgehandelt und zugleich eigene Zeit und eigener Raum gegenüber der rigiden Fabrikordnung durchgesetzt wurden – ohne dass es darüber zur Infragestellung der Herrschaftsverhältnisse selbst kam.[32]

Wenn wir jetzt den Handlungsrahmen einer Herrschaftsbeziehung verlassen und uns in den Bereich der vorgestellten Realitäten und Rollen des Spiels begeben, lässt sich ohne Weiteres feststellen, dass derartiger Eigen-Sinn der Logik des Spielens an sich inhärent ist, ohne dass davon viel Aufhebens zu machen wäre. Was bei der Erforschung eines strikt hierarchisierten Handlungsraumes wie der Fabrik landläufigen Erwartungen widerspricht, daher ins Auge springt und zu analytischen Anstrengungen herausfordert, fällt kaum auf, wenn man es im herrschaftsentlasteten Raum einer Kneipe, eines Wohnzimmers oder eines öffentlichen Parks antrifft. Wir alle spielen dort aus den verschiedensten in uns selbst liegenden Motiven heraus, ohne dass wir es müssen, wir gewinnen dem Spiel – egal in welchem politisch-historischen Kontext wir das tun – einen mehr oder weniger begrenzten Sinn ab: Kurzweil, Entspannung, Geselligkeit, Ertüchtigung, ästhetischer Genuss, Selbsterfahrung. Interessant wird das Spielen im Staatssozialismus aus dieser Perspektive dort, wo derartiges Spiel und Herrschaftspraxis sich überlagern, ihre Grenzen sich verwischen, oder wo es zu Konflikten um die zulässigen Grenzen des Spiels kommt. Mit Hingabe Spielbetrieb und Spielen in den Grenzen eines Armeesportklubs, der Kulturbundsparte, am Arbeitsplatz oder aber unter den wachsamen Augen der Stasi außerhalb solcher »Massenorganisationen« durchzuziehen, das erforderte mit Sicherheit Eigen-Sinn, den das Regime gerade nicht für sich vereinnahmen konnte. Den Akteurinnen und Akteuren ging es dabei um das, was sie selbst betraf und wofür sie sich um ihrer selbst willen einsetzten, ungeachtet der damit verknüpften Loyalitätsbeteuerungen. Hauptsache, derartige politische Erwartungen konterkarierten diesen Sinn des Spielens nicht. Zugleich aber dienten etliche dieser Organisationen mit ihrer direkten Kontrolle durch den SED-Staat dazu, diese Lust am Eigen-Sinn anzusprechen, zu binden und auf der untersten Ebene der Machthierarchie zu fixieren und zu begrenzen. Dort konnte natürlich in der DDR nach Herzenslust gespielt werden, gehörte Spielen als »Eigensinn« zu jener »Freiheit, welche in der Knechtschaft stehen bleibt«.[33]

 


[1] Siehe André Postert: Kinderspiel – Glückspiel – Kriegsspiel. Große Geschichte in kleinen Dingen, 1900–1945, München 2018.

[2] Siehe Gerhard Gundermann: Scheißspiel [Liedtext], in: ders.: LP-Album »Männer, Frauen und Maschinen«, 1988; verlag.buschfunk.com/kuenstler/liedtexte/14_Gerhard_Gundermann/1268_Scheissspiel (ges. am 3. Juli 2020).

[3] Siehe Postert: Kinderspiel (Anm. 1).

[4] Der chinesische Typ kommunistischer Herrschaft in seiner gegenwärtigen Ausprägung der Verbindung von Parteidiktatur und Kapitalismus kann hier nicht berücksichtigt werden.

[5] Siehe Rüdiger Hachtmann: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933–1945, Göttingen 2012, S. 48–50.

[6] Bernhard Gotto: Polykratische Selbststabilisierung. Mittel- und Unterinstanzen in der NS-Diktatur, in: Rüdiger Hachtmann/Winfried Süß (Hg.): Hitlers Kommissare. Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur, Göttingen 2006, S. 28–50.

[7] Siehe Thomas Lindenberger: Normalisation between Experience, Expectation and Ostalgie: Observations on the East German Case, in: Christiane Brenner/Michal Pullmann/Anja Tippner (Hg.): After Utopia: Czechoslovak Normalization Between Experiment and Experience, 1968–1989 (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 41), Göttingen 2021.

[8] Siehe Sigrid Meuschel: Legitimation und Parteiherrschaft. Zum Paradox von Stabilität und Revolution in der DDR 1945–1989, Frankfurt a. M. 1993.

[10] Wikipedia-Eintrag zu »Georg Klaus« (ges. am 22. August 2020); Georg Klaus/Manfred Buhr (Hg.): Philosophisches Wörterbuch, 2 Bde., Leipzig 1964 (10. neubearb. u. erw. Aufl. 1974).

[11] Georg Klaus: Spieltheorie in philosophischer Sicht, Berlin 1968. – Die folgenden Seitenzahlen im Text beziehen sich auf diese Veröffentlichung.

[12] Friedrich Engels: Herrn Eugen Dühringʼs Umwälzung der Wissenschaft, MEW 20, Berlin 1962 [Erstv. 1878], S. 103, zit. n. www.mlwerke.de/me/me20/me20_032.htm (ges. am 22. August 2020).

[13] Siehe ideologiekritisch Helmut Fleischer: Die Idee der Historischen Notwendigkeit im Historischen Materialismus, in: Studies in Soviet Thought 2 (1962), H. 3, S. 181–203; sowie als ein Beispiel für viele, hier zur Rechtfertigung der Zensurpolitik: Alfred Kurella: Die Entscheidung des Künstlers für unser Morgen, in: Neues Deutschland vom 22. Dezember 1962, S. 4.

[14] Siehe Monika Kaiser: Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 bis 1972, Berlin 1997. Siehe jedoch die Studie über die bis in die 1980er-Jahre anhaltende Gültigkeit der Kybernetik für die Informationsverarbeitung speziell im Ministerium für Staatssicherheit von Christian Booß: Vom Scheitern der kybernetischen Utopie. Die Entwicklung von Überwachung und Informationsverarbeitung im MfS, Göttingen 2021.

[15] Mechthild Coustillac: Le jeu et la lutte des classes selon Georg Klaus (1912–1974). La réception de la théorie mathématique des jeux dans la République Démocratique Allemande des années 1960 [Das Spiel und der Klassenkampf nach Georg Klaus (1912–1974). Die Rezeption der mathematischen Spieltheorie in der Deutschen Demokratischen Republik in den 1960er-Jahren], in: Mechthild Coustillac/Françoise Knopper: Jeu, compétition et pouvoir dans l’espace germanique [Spiel, Wettbewerb und Macht im deutschsprachigen Raum], Paris 2012, S. 149–164. Im Folgenden beziehe ich mich auf die von Coustillac herangezogenen Quellen.

[16] Aus dem Gedächtnis zitiert von Heinz Liebscher: Fremd- oder Selbstregulation. Systemisches Denken in der DDR zwischen Wissenschaft und Ideologie, Münster 1995, S. 82.

[17] Die DDR ist demnach »die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen«. Siehe Art. 1 der Verfassung der DDR von 1968, in: www.verfassungen.de/ddr/verf68-i.htm (ges. am 22. August 2020).

[19] Kurt Hager: Grundfragen des geistigen Lebens im Sozialismus. Referat auf der 10. Tagung des ZK der SED, 28./29. April 1969, Berlin 1969, S. 49; Hervorhebung im Original.

[20] Siehe Thomas Lindenberger: Die Diktatur der Grenzen. Zur Einleitung, in: ders. (Hg.): Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 13–44.

[21] Siehe Thomas Reichel: »Sozialistisch arbeiten, lernen und leben«. Die Brigadebewegung in der DDR (1959–1989), Köln/Weimar/Wien 2011.

[22] Siehe André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004.

[24] Siehe Hans-Joachim Teichler (Hg.): Sport in der DDR: Eigensinn, Konflikte, Trends, Köln 2003.

[25] Ingolf Pleil: Mielke, Macht und Meisterschaft. Die »Bearbeitung« der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden durch das MfS 1978–1989, Berlin 2001.

[26] Das war, nur am Rande vermerkt, weniger eine speziell staatssozialistische als eine ostdeutsche Konstellation. Andere Ostblockstaaten haben bekanntlich in bestimmten Disziplinen hervorragende Mannschaftsleistungen gezeigt.

[27] Siehe den Beitrag von Maren Röger in diesem Band.

[28] Siehe Siegfried Lokatis : Verantwortliche Redaktion. Zensurwerkstätten der DDR, Stuttgart 2019.

[29] Siehe den Beitrag von Jaroslav Švelch in diesem Band.

[31] Siehe Alf Lüdtke: Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993; Thomas Lindenberger: Eigen-Sinn, Herrschaft und kein Widerstand. Version: 1.0 vom 2. September 2014, in: docupedia.de/zg/Eigensinn (ges. am 22. August 2020).

[32] Alf Lüdtke: Cash, coffee-breaks, horseplay. Eigensinn and politics among factory workers in Germany circa 1900, in: Michael Hanagan/Charles Stephenson (Hg.): Confrontation, class consciousness, and the labor process: studies in proletarian class formation, New York 1986, S. 65–95; dt. Fassung: dies.: Lohn, Pausen, Neckereien: Eigensinn und Politik bei Fabrikarbeitern in Deutschland um 1900, in: Lüdtke: Eigen-Sinn (Anm. 31), S. 120–160.

[33] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1975, S. 155; siehe zu Hegels Formulierung auch Thomas Lindenberger/Alf Lüdtke: Eigensinn: Handlungsräume und Herrschaftspraxis. Kollaborative Plattform zur Konzeption der Alltagsgeschichte im Anschluss an Alf Lüdtke (1943–2019), in: eigensinn.hypotheses.org (ges. am 22. August 2020).

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