JHK 2021

Skat in der DDR

Zwischen Glücksspiel, Sport und deutscher Einheit

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 135-155 | Metropol Verlag

Autor/in: Sabine Stach

2016 wurde eine Freizeitbeschäftigung ins bundesweite Verzeichnis des UNESCO-Kulturerbes aufgenommen, die die meisten Deutschen zumindest dem Namen nach kennen: das Skatspielen. In der Begründung heißt es: »Das Skatspiel führt Menschen verschiedener Altersgruppen, Nationalitäten und Bevölkerungsschichten zusammen, fördert soziale Kompetenzen und Gemeinschaftlichkeit, bringt Spaß und Freude und trägt zur Erholung vom Alltag bei. Das Skatspiel wird von Generation zu Generation häufig innerfamiliär weitergegeben.«[1]  

Auch in der DDR erfreute sich das Kartenspiel quer durch die Bevölkerung großer Beliebtheit. Laut der Berliner Tageszeitung Neue Zeit spielte Mitte der 1970er-Jahre jeder Dritte Skat.[2] Zahlreiche Erinnerungen, Biografien und andere Quellen zeugen von der Popularität des Spiels in der Arbeiterschaft, aber auch im Bildungsbürgertum, unter Mitgliedern des Zentralkomitees ebenso wie in kirchlichen Kreisen.[3] Gespielt wurde zu Hause, in der Kneipe, im Garten, im Urlaub, in der Armee, im Betrieb und nicht zuletzt im Rahmen öffentlicher Wettkämpfe. Tatsächlich ging die Praxis des Skatspielens im »Arbeiter- und Bauernstaat« weit über private Spielrunden hinaus: Beim »Preisskat« kamen ab 1963 manchmal mehrere Tausend Spielerinnen und Spieler zusammen, um ihre Kräfte zu messen und im besten Fall einen der begehrten Sach- oder Geldpreise mit nach Hause zu nehmen.

Das ideelle und institutionelle Zentrum der Skatleidenschaft liegt im thüringischen Altenburg, wo das Spiel der Legende nach im 19. Jahrhundert erfunden wurde. Hier haben sich 1899 der »Deutsche Skatverband« und 1927 das »Deutsche Skatgericht« gegründet, ebenso sind die traditionsreiche Altenburger Spielkartenfabrik und das Spielkartenmuseum in der Stadt ansässig.[4] Ab den 1960er-Jahren nutzte die DDR das internationale Renommee der »Skatstadt« Altenburg gezielt zur Imagebildung. Wiederholt berichtete die Presse, dass das Spielkartenmuseum 1962 über 30 000 Besucherinnen und Besucher empfangen habe und mit Einrichtungen in ganz Europa kooperiere. Ebenfalls mit Stolz wurde auf den Export der Spielkarten in 86 Länder hingewiesen.[5] Eine besondere Rolle kam hierbei dem »urdeutschen« Skatspiel zu: Mit ihm verfügte die DDR über einen nationalen Erinnerungsort, mit dem sie – lange vor der Wiederaneignung des Preußen-Erbes unter Erich Honecker – Anspruch auf ein Stück gesamtdeutsche Geschichte erheben konnte.

Trotz des hohen Verbreitungsgrades, der selbst die Nomenklatura umfasste, war das Spiel in der DDR alles andere als unumstritten. Gerade weil Skat den Rang eines Volkssports einnahm, wurden sowohl staatlicherseits als auch aus der Bevölkerung immer wieder ideologisch begründete Bedenken an der Spielleidenschaft laut. Zwar galt das Spiel durchaus als proletarisch, seine soziale Verankerung war aber mindestens zweifelhaft. Obwohl das Skatblatt die feudale Ordnung auf den Kopf stellt – hier schlagen die »Buben« die »Könige« – genossen Skatspielerinnen und Skatspieler nicht gerade einen revolutionären Ruf.[6] Im Gegenteil, schon 1920 hatte Kurt Tucholsky festgestellt: »Wenn dem Deutschen so recht wohl ums Herz ist, dann singt er nicht. Dann spielt er Skat.«[7] Noch hinderlicher war das Image eines Trink- und Glücksspiels, das dem Skat seit seiner Institutionalisierung im Kaiserreich anhing. Selbst auf der spielpraktischen Ebene lässt sich das Kartenspiel als problematisch beschreiben. So sieht der Historiker Stefan Wolle darin eine Art spieltheoretische Simulation des Alltags in der DDR: Im Skat komme es auf Glück gepaart mit Geschicklichkeit und Erfahrung an – lauter Eigenschaften, die man im Alltagsleben der DDR gebraucht habe, die aber nicht unbedingt in Einklang mit den öffentlichen Losungen vom Erfolg der Planwirtschaft und den Tugenden des sozialistischen Menschen standen.[8]

Das Skatspielen stellte, gerade mit Blick auf die sozialistische Persönlichkeitsbildung, eine ambivalente Angelegenheit für den Staat dar. Als Altenburger Kulturerbe und sportlicher Wettkampf war das Spiel staatlicherseits akzeptiert, als kulturelle Praxis hingegen nur bedingt erwünscht. Obwohl das Traditionsspiel seit Mitte der 1960er-Jahre im Wettkampfwesen enorm an Popularität gewann und im Rahmen von Mannschaftsturnieren, betrieblichen Zirkeln und DDR-weiten Großveranstaltungen zum Massensport wurde, sollte die Institutionalisierung einen bestimmten Punkt nicht überschreiten. Weder unter dem Dach des Deutsches Turn- und Sportbundes noch des Kulturbundes durfte ein zentraler Skatverband gegründet werden. Die landesweite Spielkultur wurde stattdessen, wie andere Hobbys und Spezialistenkulturen auch, auf regionaler Ebene in sogenannte Skataktive kanalisiert. Das Verhältnis zwischen Staat und Skat blieb bis zum Ende der DDR gespalten oder, wie Detlef Hoffmann in seiner Geschichte des Skatspiels etwas vage schreibt: »Das Verhältnis der in der DDR Regierenden zum Skat blieb ungeklärt; auf jeden Fall hatte man Berührungsängste.«[9]

Diesen »Berührungsängsten« soll hier auf den Grund gegangen werden. Warum wurde Skat trotz seiner großen Popularität nie, wie Schach in der Sowjetunion, als Sportwettkampf in den Systemwettbewerb eingebracht? Was stand der vollen Anerkennung des Spiels aus ideologischer, sozialer und institutioneller Perspektive entgegen? Anders als bei Stefan Wolle soll im Folgenden nicht vom Inhalt des Spiels her argumentiert werden. Vielmehr scheint die ambivalente Beurteilung aufgrund von zwei anderen Aspekten erklärbar: der Tradition als deutschem Nationalspiel sowie der Spielkultur, die in mehrfacher Hinsicht im Widerspruch zum sozialistischen Menschenbild sowie dem Ideal einer nützlichen Freizeitgestaltung stand.

Da die Spezifik des »Skatens« im Staatssozialismus bislang keinerlei historiografisches Interesse erfahren hat, ist dieser Beitrag eher als ein erster kursorischer Einblick in ein neues Forschungsfeld zu verstehen. Empirisch beruhen die Befunde auf der Durchsicht eines Privatarchivs,[10] einiger Akten staatlicher Provenienz,[11] einem Zeitzeugeninterview[12] sowie diverser Presseliteratur. Nach einer kurzen Vorstellung des Skatspiels wird zuerst auf die historischen Ursprünge und die institutionelle Geschichte des Spiels im geteilten Deutschland eingegangen. Im Weiteren steht dann das Problem der Definition und der moralischen Beurteilung des Spiels im Mittelpunkt, das von seinen Gegnern als Zeitverschwendung und abzulehnendes Glücksspiel kritisiert und von seinen Verfechtern als mathematisch bildende, sinnvolle Freizeitbeschäftigung, ja als Sport, verstanden wurde. Der Beitrag schließt mit einer kurzen konsumgeschichtlichen Reflexion des Preisskats ab.

 

 

Das Spiel

 

Neben Würfel- und Brettspielen gehören Kartenspiele zu den ältesten Spielformen überhaupt. Es gibt einerseits Ablege- und Anlegespiele wie zum Beispiel »Quartett«, »Mau-Mau« oder »Rommé«, andererseits Stichspiele wie »Bridge« und »Skat«.[13] Wie bei den meisten Kartenspielen kennen die Skatspielerinnen und Skatspieler nur ihre eigenen Karten und versuchen, diese zum eigenen Vorteil auszuspielen. Der Erfolg hängt dabei von einer Mischung aus Zufall und Können ab. Dem konkreten Verhältnis zwischen Glück und Geschick sollte in der DDR – wie noch gezeigt werden wird – eine entscheidende Bedeutung in der Beurteilung des Spiels zukommen.

Das Skatblatt setzt sich aus 32 Karten zusammen, die unterschiedliche Farbsymbole bzw. Kartenwerte tragen. Gespielt wird, je nach regionaler Tradition, mit »deutschem« oder »französischem« Bild.[14] Während in Nord- und Westdeutschland von Beginn an das französische Blatt vorherrschte, wird in Mittel- und Süddeutschland bis heute häufiger mit deutschem Blatt gespielt.[15] In den 1960er-Jahren brachte die Spielkartenfabrik Altenburg zudem das »Altenburger Bild« auf den Markt, das sich am deutschen Blatt orientiert und bis heute in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verbreitet ist.

Für das Spiel werden drei – beim »Geberskat« vier – Mitspielerinnen oder Mitspieler benötigt; gespielt werden in der Regel mehrere Runden aus drei (oder vier) Einzelspielen. Ein Einzelspiel setzt sich dabei aus verschiedenen Phasen zusammen: Zuerst müssen die Karten auf eine bestimmte Art gemischt und gegeben werden, danach findet das »Reizen« statt, das bestimmt, wer allein und wer als Paar spielt. Nach jedem Spiel werden die Sieg- oder Verlustpunkte errechnet und es beginnt eine neue Runde. Im Turnierskat, der eine vorher festgelegte Anzahl von Runden umfasst, hat sich hierfür ein erweitertes Punktesystem etabliert, um eine möglichst faire, vom Glück unabhängige Platzvergabe zu sichern. Im Detail sind die Regeln, die eine in der Geschichte immer wieder überarbeitete »Skatordnung« festschreibt, sehr komplex. Spielanleitungen füllen nicht selten ganze Bücher; in strittigen Auslegungsfragen kann das erwähnte Skatgericht hinzugezogen werden.

Für eine Runde Skat reicht es allerdings nicht aus, sich am Regelwerk des Spiels zu orientieren. Auch eine bestimmte Art der Kommunikation und des Sozialverhaltens sind Teil der Spielkultur. Typisch sind etwa die Skatsprüche, mit denen einzelne Stiche kommentiert werden: Von eher neutralen Weisheiten wie »Ein Herz hat ein jeder« und »Der Alte brachte die Sieben und die Achte« reicht die Bandbreite bis zu derberen Ausdrücken à la »Hosen runter!« oder »Geteilter Arsch«. Darüber hinaus verbindet sich das Spiel bis heute für viele mit der Vorstellung eines Männervergnügens, begleitet von exzessivem Rauchen und Trinken. Seinen Ursprung hat dieses Bild in der Geschichte des Skats, die eng mit deutsch-nationalistischen Männlichkeitskulturen des 19. Jahrhunderts verwoben ist.

Die Vorstellung vom Skat als »Männerspiel« hält sich bis heute. Ohne dass dazu valide Zahlen vorliegen, scheint die Spielleidenschaft im privaten wie im Turnierskat in der Tat unter Männern wesentlich größer zu sein. Die vielen Beispiele von Skat spielenden Frauen erscheinen eher als Ausnahmen, die die Regel bestätigen.[16] Dies gilt auch für die DDR und den organisierten Skat, von dem hier vor allem die Rede sein wird. Zwar nahmen an den Wettkämpfen auch Frauen teil, insgesamt war ihre Zahl jedoch verschwindend gering.[17] Berichte über Damenskatklubs oder den Erfolg einzelner Spielerinnen – 1977 ging der Karl-Marx-Städter Hauptpreis an eine Frau[18] – lesen sich daher vor allem als Hinweise auf ihre Exzeptionalität.[19] ((Abb. 1: Männer beim Skatspiel, Frauen beim Abwasch)))

 

 

Spiel und Nation: »Einheitsskat« im geteilten Deutschland

 

Eine erste Schwierigkeit für die volle Anerkennung des Skats in der DDR ergab sich aus seiner ideellen und institutionellen Verfasstheit als Nationalspiel der Deutschen. Anfang des 19. Jahrhunderts durch einen Hofadvokaten des sachsen-altenburgischen Herzogs in der Stadt Altenburg »erfunden«, hat sich das Spiel wohl aus verschiedenen älteren Spielen, darunter »Schafskopf«, »L’Hombre« und »Tarock«, entwickelt.[20] Schnell breitete es sich aus und wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts von den verschiedensten Gesellschaftsschichten gespielt. Im Gegensatz zu vielen anderen Kartenspielen fanden Skatrunden jedoch weniger im Familienkreis als bei Männertreffen statt. Zur Bekanntheit des Spiels trugen unter anderem Studenten aus Sachsen und Thüringen bei, die es mit an ihre Universitäten brachten.

Durch die schnelle Ausbreitung entwickelten sich viele unterschiedliche Spielweisen, sodass bereits um 1850 erste Bestrebungen nach einer Vereinheitlichung der Spielregeln laut wurden. Dieser Ruf nach einem »Einheitsskat« verband sich nach der Reichseinigung 1871 aufs Engste mit dem Gedanken der deutschen Nation und äußerte sich im Wunsch nach einem einenden Dachverband für das »Nationalspiel«. In der Diskussion um die Zentralisierung des Skats standen sich dabei zwei widerstreitende Lager gegenüber: die Sachsen-Thüringer, die auf der Nutzung des deutschen bzw. sächsischen Blattes beharrten, und die liberaleren Preußen, die sich für das französische Blatt starkmachten. Als Forum ihrer Debatten dienten ihnen die ab 1886 stattfindenden »Skatkongresse«. Beim dritten gesamtdeutschen Treffen 1899 in Halle kam es schließlich zur Gründung des »Deutschen Skatverbands e.V.«. Gerahmt von Trinkgelagen und Gesang, waren die Kongresse im Kaiserreich geprägt von der nationalistischen und imperialistischen Haltung des deutsch-nationalen Lagers unter den Skatspielern. Auch ihre Gegenspieler wünschten sich eine Vereinheitlichung der Turnierregeln, lehnten die nationalistische Rhetorik und die Überhöhung des »deutschen Blatts« aber ab.[21]

Wenngleich nun weniger patriotisch unterfüttert, ging das Ringen um ein gemeinsames Regelwerk auch nach dem Ersten Weltkrieg weiter. Aus diesem Grund berief der Verband ein Skatgericht ein, das die Vereinheitlichung der Turniere absichern sollte. Zur wesentlichen Förderin und Unterstützerin des Spiels und seiner Normierung entwickelte sich neben dem Verband in dieser Zeit die Spielkartenindustrie. Der Kartenhersteller in Altenburg fungierte als wichtiger Mäzen des Verbandes und war eng mit dem 1923 gegründeten Spielkartenmuseum verbunden.[22] Mit dem Zweiten Weltkrieg kam das Vereinsleben – nicht aber das Spielen selbst[23] – zum Stillstand.

Im Osten wie im Westen knüpften die Turnierspielerinnen und Turnierspieler nach dem Krieg unter unterschiedlichen Voraussetzungen an die Vorkriegstradition an. Anfängliche Versuche, wieder eine gemeinsame Struktur aufzubauen, stellten sich relativ schnell als unrealistisch heraus. So kam es 1950 auf dem 15. Skatkongress in Bielefeld zwar zur Neugründung des »Deutschen Skatverbands e.V., Sitz Altenburg/Thür.«, zu dessen Vorsitzendem der Altenburger Erich Fuchs[24] gewählt wurde. Es durfte aber weder ein Landesverband Ost gegründet werden, noch konnte der 16. Kongress, wie ursprünglich geplant, 1951 in Altenburg stattfinden. Spätestens mit Fuchsʼ Übersiedlung 1953 nach Bielefeld starb die Idee eines gesamtdeutschen Verbandes.[25] Die Teilung Deutschlands ging einher mit der Teilung der Skatnation.

Es war offen, in welcher Form das organisierte Skatspiel in der DDR selbst wiederbelebt werden könnte. Waren bereits kurz nach dem Krieg Skatmeisterschaften in der Regie lokaler Sportämter abgehalten worden,[26] verstärkte der Blick auf die westdeutsche Entwicklung den Wunsch nach einer landesweiten Struktur auch im Osten. Wie vor dem Krieg gingen entsprechende Initiativen von der Stadt Altenburg aus.[27] So stellte der zuständige Sekretär für Kultur bei der Bezirksleitung der SED Leipzig – wohl auf Anregung der Spielkartenfabrik und des Spielkartenmuseums – 1956 die Gründung eines DDR-Skatverbandes zur Diskussion. Weil man diesem Vorhaben offenbar wenig Erfolgsaussichten zuschrieb, wurde die Idee in späteren Beratungen zwischen Vertretern der Kulturabteilungen auf Bezirks- und Kreisebene mit dem Altenburger Bürgermeister auf den Vorschlag reduziert, zunächst das Skatgericht wiederzubeleben. Als Begründung dafür diente dessen internationale Bekanntheit: Obwohl auch das Gericht in Bielefeld neu gegründet worden war, trafen zahlreiche Briefe, in denen Spielerinnen und Spieler aus aller Welt Hilfe in Regelfragen suchten, nach wie vor in Altenburg ein.[28] Ein entsprechender Antrag wurde vom Ministerium für Kultur offenbar positiv entschieden. Jedenfalls rief der Rat der Stadt Altenburg 1962 wieder ein Skatgericht ins Leben, das nun formal als »Aktiv der Ständigen Kommission Kultur beim Rat der Stadt« firmierte. ((Abb. 2 + 3: Das Skatgericht bei seinem wöchentlichen Treffen))

Während gegen die Arbeit des Skatgerichts keine Bedenken bestanden, war eine zentrale Organisation unerwünscht. Ungeachtet der Tatsache, dass es im Osten gar keinen Verband gab, forderte die Hauptverwaltung der Volkspolizei ihr Pendant auf Bezirksebene im Oktober 1958 zur Durchführung »alle[r] erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Tätigkeit des ›Skatverbandes Altenburg‹« auf. Zugleich müsse gewährleistet sein, dass durch die Einrichtung eines Skatgerichts »nicht die Bildung von Skatvereinigungen gefördert« werde.[29] Langfristig hatte diese Strategie keinen Erfolg: Der Gründung des Skatgerichts folgten zahlreiche »Skataktive«, die in der ganzen DDR unter dem Dach des Kulturbundes, der Nationalen Front oder einzelner Betriebe tätig waren. Diese Gruppen engagierten sich insbesondere bei der Ausrichtung von Turnieren und arbeiteten dabei eng mit dem Skatgericht zusammen, das keineswegs nur für die Entscheidung strittiger Regelfragen zuständig war. Vielmehr fungierte es, so der damalige Skatrichter Hans Jäschke, in Abwesenheit eines offiziellen Verbandes als »führender Kopf« aller ostdeutschen Skataktive.[30] Das Gericht hielt wöchentlich öffentliche Sitzungen in Altenburg, aber auch außerhalb ab, seine Mitglieder leiteten Wettbewerbe in der ganzen DDR.

Als Sport wurde das Skatspiel weder in der Bundesrepublik noch in der DDR anerkannt. Dennoch etablierte sich beiderseits der Grenze ein intensives Wettkampfleben. Die in der DDR veranstalteten Turniere übertrafen die Größe bundesdeutscher Wettbewerbe dabei um ein Vielfaches. Bereits zum ersten DDR-weiten Großturnier 1963 reisten über 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Altenburg an. Die größten Wettbewerbe veranstaltete das Skataktiv in Karl-Marx-Stadt, wo die Nationale Front ab 1965 alljährlich als Hauptpreis einen PKW der Marke Trabant stiftete. Seit den 1960er-Jahren wuchs das Interesse an diesen Wettbewerben kontinuierlich. Den Höhepunkt erreichte die Entwicklung Ende der 1980er-Jahre: 1988 meldeten sich zum Turnier in Karl-Marx-Stadt 8461 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.[31] Die Mitglieder des Skatgerichts brachte die wachsende Popularität an die Grenzen ihrer Kapazitäten.[32] Zugleich erhielt das Gremium so viel öffentliche Anerkennung für seine Arbeit, dass die Altenburger 1964 einen erneuten Versuch zur Gründung eines Verbandes wagten.[33] Auch dieser blieb jedoch erfolglos. ((Abb. 4: Altenburger Mannschaftsmeisterschaft 1982))

Hatten sich die Wege der ost- und westdeutschen Skatspieler seit den 1950er-Jahren institutionell getrennt, blieben sie de facto in informellen Netzwerken, privaten Begegnungen und – in geringerem Ausmaß – im Wettkampf verbunden. Die Arbeit an einem in ganz Deutschland verbindlichen Regelwerk brach auch nach dem Mauerbau nicht ab: Von Beginn an stimmte das Skatgericht in Altenburg alle strittigen Entscheidungen mit seinen Bielefelder Kollegen ab.[34] Hans Jäschke, Mitglied und zeitweise Vorsitzender des ostdeutschen Gerichts, wurde außerdem regelmäßig von westdeutschen Journalisten besucht, die über das Geschehen in der DDR berichten wollten.[35] Eine ganz andere Art der grenzüberschreitenden Kommunikation hat darüber hinaus der Journalist Henry Bernhard für seine Dokumentation »Skat unterm Stacheldraht«[36] recherchiert: Er erzählt darin die Geschichte von DDR-Arbeitern und -Grenzsoldaten sowie westdeutschen Zollbeamten und Grenzpolizisten, die sich 1981 regelmäßig zu gemeinsamen Skatrunden am Grenzstein zwischen Plauen und Hof zusammensetzten.[37]

Jenseits des informellen Austausches gab es auch offizielle Kooperationen und Begegnungen, etwa im Verlags- und Turnierwesen. So erschien eine Reihe von Skatbüchern sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik.[38] Bis mindestens 1968 konnten westdeutsche Spielerinnen und Spieler regulär an den Großturnieren der DDR teilnehmen.[39] Bereits zum zweiten Großturnier 1964 wurden 80 Spielerinnen und Spieler aus der Bundesrepublik erwartet.[40] Ihre Teilnahme wurde in enger Abstimmung mit den lokalen Behörden organisiert, wie ein Schreiben des Altenburger Skataktivs an alle, die zum Gelingen des Turniers beigetragen hatten, zeigt: Gedankt wird darin insbesondere für die »Hilfe, die uns die Kreisleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und die Mitarbeiter des Rates des Kreises bei der Arbeit mit den westdeutschen Skatfreunden gewährten«. Weiter heißt es: »Besonders hervorheben möchten wir die vorbildliche Organisation der gastronomischen Betreuung durch die HO [Staatliche Handelsorganisation] in Verbindung mit der Konsumgenossenschaft und die zuvorkommende Art, in der unsere westdeutschen Skatfreunde besonders im Ratskeller bedient worden sind. (…) Dank gebührt der Deutschen Notenbank für die Beratung beim Geldumtausch (…).«[41]

In Richtung Bundesrepublik war der Austausch freilich nicht so reibungslos möglich, obwohl das Interesse groß war. So gingen in den 1980er-Jahren zahlreiche Anfragen von westdeutschen Skatklubs, aber auch der »International Skat Playersʼ Association« in Altenburg ein, die gern Partnerschaften mit DDR-Skataktiven aufbauen wollten.[42] Aus Hans Jäschkes umfangreicher Korrespondenz geht hervor, dass zwar gemeinsame Spiele in der DDR möglich waren, Fahrten in die Bundesrepublik jedoch kaum. Noch im Mai 1989 half der Altenburger dem Skat-Club in Bergen-Enkheim, ein Treffen in der DDR zu initiieren, und schrieb zugleich an die dortigen Akteure: »Ein Gegenbesuch ist vorerst sicherlich nicht zu erwarten.«[43] Dennoch gab es immer wieder Versuche, Turniere in der Bundesrepublik zu besuchen. Meist scheiterten sie jedoch an der Reisegenehmigung, wie auch im Falle Jäschkes, der im April 1989 zu einem Turnier auf Norderney eingeladen worden war. Den Organisator des Turniers zitierte die Nordwest-Zeitung daraufhin wie folgt: »Wir erleben erneut eine herbe Enttäuschung. Im Rahmen von Glasnost und etwas Reiseerleichterung haben wir das Skatgericht aus Altenburg in der DDR eingeladen. Aber wieder einmal sagte die politische Seite kurzfristig ›Nein‹. Wir sind unheimlich frustriert. Skat ist doch kein politisches Spiel!«[44]

Bemerkenswert ist sein resignierter Nachsatz, der dem Spiel eine politische Relevanz abspricht. Diese Annahme ist für die DDR höchst diskutabel, denn für ihren »totalitären Gestaltungswillen« in allen Lebensbereichen war ein Spiel mit ungeklärtem Status durchaus ein politisches Problem.[45] Darüber hinaus betraf das anhaltende Streben nach dem »Einheitsskat« letztlich die hochsensible deutsch-deutsche Frage.

Auf der einen Seite ließ es sich die DDR nicht nehmen, den Skat als Trumpf im kulturaußenpolitischen Wettkampf mit der Bundesrepublik auszuspielen, in dem man als Hüter des deutschen Kulturerbes auftrat. Auf der anderen Seite galt es aber auch, sich von der durch das Vereinswesen verkörperten nationalistischen Tradition des Skats klar abzugrenzen. Der Umgang mit dem Turnierskat war daher von Beginn an doppelzüngig. Mit der Einführung der »Neuen Deutschen Skatkarte«, die der VEB Altenburger Spielkartenfabrik 1964 auf den Markt brachte, sollten etwa die »bisherigen überlebten deutschen Spielkarten« [46] ersetzt und das deutsch-nationale Image – nicht zuletzt mit Blick auf den Export – überwunden werden. Zugleich beriefen sich sowohl das Skatgericht als auch die staatliche Presse immer wieder auf die Geschichte des Spiels und stilisierten sich gegenüber der Bundesrepublik zum Alleinerben des Skats. So verwies die Einladung zum DDR-weiten Turnier 1964, die sich auch an Interessierte aus der Bundesrepublik richtete, ausdrücklich auf die 150-jährige Tradition des Spieles, das sich zum »heutigen Nationalkartenspiel aller Deutschen in der ganzen Welt entwickelt« habe, und stellte im selben Atemzug klar, welches Skatgericht das echte sei: »Dessen Sitz war und ist die Skatstadt Altenburg.«[47] Genugtuung spricht auch aus zahlreichen Beschreibungen dieses Gremiums in der Presse: Durchweg betonen diese die hohe Anzahl der Anfragen, die das Gericht nicht nur aus der DDR und entferntesten Orten der Welt, sondern ebenso aus Westdeutschland erhalte.[48] Die Autorität des Altenburger Organs, so die klare Botschaft, stelle die seines Bielefelder Pendants deutlich in den Schatten.

1977 wurde schließlich in Altenburg das Jubiläum »50 Jahre Skatgericht« begangen, zu dem Skataktive aus der ganzen DDR als Gratulanten anreisten.[49] Dass die »Richter« ihre Ämter erst seit 1962 innehatten und im regelmäßigen Austausch mit ihren bundesrepublikanischen Kollegen standen, spielte dabei keine Rolle. Tatsächlich verlief der jahrelange postalische Austausch weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Erst als in Altenburg Ende der 1980er-Jahre eine sprachliche Überarbeitung des alten Regelwerks vorbereitet wurde, führte das in der Presse der Bundesrepublik zu einem Aufschrei. »Skat-Revolution« titelte etwa die Bild-Zeitung im Juli 1989 und meldete: »Das weltweit anerkannte Skat-Gericht in Altenburg (›DDR‹) will die Regeln ändern – das Spiel müsse ›niveauvoller‹ werden. Die neuen Regeln sollen ab 1990 gelten.«[50] Was hier wie ein Alleingang der Ostseite klingt, fand de facto in Zusammenarbeit zwischen Ost und West statt, denn auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gab es dieselben Unklarheiten über bestimmte Punktwertungen und Spielweisen.[51]

Letztlich wurde erst 1999 eine neue, gemeinsame Skatordnung verabschiedet. An westdeutschen Turnieren nahmen Ostdeutsche schon ab Dezember 1989 wieder teil. Ein erstes persönliches Treffen zwischen den Skatgerichten konnte 1990 in Bielefeld stattfinden. Ebenso wie die ersten gemeinsamen Turniere wurde es von der bundesdeutschen Presse als Wiedervereinigung der deutschen Skatnation gefeiert.[52] Was »von oben« getrennt worden sei, habe kulturell als gemeinsames Erbe überdauert. Rückblickend erscheint die parallele Tradierung des Kulturguts, vor allem aber die informelle Abstimmung zwischen Bielefeld und Altenburg, in dieser Lesart als eine Vorwegnahme der deutschen Einheit.[53]

 

 

Zweifelhafte Spielkultur: Skat zwischen Glücksspiel und Sport

 

Jenseits der institutionellen Ebene, die aufgrund der nationalistischen Tradition des Verbandes und der deutsch-deutschen Frage problematisch war, bestand die größte Unsicherheit in der DDR darin, wie das Spiel in sozialer und politischer Hinsicht einzuordnen sei. Das sozialistische Ideal sah die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Arbeit und Freizeit vor. Die freie Zeit sollte einerseits der Regeneration der Arbeitskraft, andererseits der Förderung der einheitlichen, schöpferischen Persönlichkeit dienen.[54] War Skatspielen also eine »sinnvolle« Freizeitbeschäftigung, die deshalb zu fördern sei? Oder war es ein vom Glück abhängiges Kneipenspiel, bei dem Trinker und Raucher ihre Zeit totschlugen und ihr Geld zum Fenster rauswarfen?

Tatsächlich war die Reputation des Skatspiels bis in die 1960er-Jahre nicht die beste. Vorurteile über das Vulgäre des Spiels und die Trinkfreudigkeit seiner Spieler finden sich immer wieder in öffentlichen Debatten über die »richtige«, sozialistische Art der Freizeitgestaltung. 1961 etwa berichtete das Neue Deutschland von einem Besuch Walter Ulbrichts in Leipzig, bei dem dieser mit Einwohnerinnen und Einwohnern eines Stadtviertels über die Entwicklung des kulturellen Lebens gesprochen habe. In seinen Ausführungen diente ihm Skat als Negativbeispiel einer passiven, ungesunden Freizeitgestaltung, wie die Zeitung schreibt: »Walter Ulbricht legte dar, daß niemand in der DDR daran denkt, die Freizeit zu beschneiden. Jedoch ist es für den einzelnen wie für die Gesellschaft sinnvoller, wenn der Mensch nach der Arbeit sich bei sportlicher oder künstlerischer Betätigung erholt, statt in der Kneipe ein Bier nach dem anderen in sich hineinzugießen und Skat zu dreschen (was übrigens jeder Arzt mit Freuden bestätigen wird).«[55]

Ebenso problematisch war die Tatsache, dass sowohl im Preisskat als auch in vielen privaten Runden um Geld gespielt wurde. Glücksspiel war, abgesehen von der staatlichen Aufbaulotterie und Pferderennen, in der DDR verboten. 1968 wurde die Regelung für privates Glücksspiel zwar gelockert, ab 1988 jedoch wieder eingeschränkt.[56] Skat selbst galt zwar nicht als Glücksspiel, denn dies – so wurde 1957 juristisch geklärt – lasse sich nicht über die Höhe des Geldeinsatzes bestimmen, sondern allein über den Grad, nach dem die Gewinnchancen von Geschicklichkeit bestimmt seien.[57] Unabhängig von der rechtlichen Regelung war das Spielen um Geld aber moralisch zweifelhaft und wurde in pädagogischen Empfehlungen als gefährliches »Hasardspiel« in der DDR abgelehnt.[58] Wohl in diesem Sinne findet sich Skat in einem Regel-Handbuch für Gesellschaftsspiele von 1971 zwar erläutert, aber mit der Alterseinschränkung »erst ab 18 Jahren« versehen.[59]

Auch die Spielerinnen und Spieler selbst schien das Problem, ob es sich beim Skat nun um ein Glücksspiel handele oder nicht, aus verschiedenen Gründen zu interessieren. Einerseits ging es ihnen schlicht um den rechtlichen Status von Spielschulden,[60] andererseits um eine Absolution ihrer Spielleidenschaft mit Blick auf den intellektuellen Anspruch des Spieles. So finden sich wiederholt Leserbriefe und Debatten in der Presse, die sich um das Verhältnis von Zufall und Geschicklichkeit drehen. In der Regel kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es »halb und halb« um Glück und Verstand gehe.[61] Während die Wettbewerbe das Zufallsmoment über ihre Turnierordnungen minimierten und daher nicht unter Glücksspielverdacht standen, mussten sich die veranstaltenden Skataktive mit der Praxis des »5-Pfennig-Pausenskats« auseinandersetzen.[62] Erst 1989 wurde hier eine endgültige Regelung gefunden: Die Jahrestagung der Skataktive in Apolda fasste den Beschluss, das Spielen um Geld am Rande von Turnieren gänzlich zu verbieten.[63]

Hier gerät die disziplinierende Aufgabe der Skataktive und des Skatgerichts in den Blick. Die Schlichtung von Streitfragen ebenso wie die ordnungsgemäße Organisation von Turnieren sollten offenbar helfen, das Image des Skats zu verbessern. »Wir wollen viele unserer Skater vom hohen Alkoholkonsum wegbringen und die Geldeinsätze in vernünftigen Grenzen halten«, zitiert Der Morgen 1964 den Direktor der Altenburger Spielkartenfabrik und Vertreter des Skatgerichtes.[64] Denselben Anspruch formulierten auch die Autoren der von der Altenburger Spielkartenfabrik herausgegebenen Skatordnung in ihrem Vorwort zur 9. Auflage: »Stundenlanges ›Klitschen‹ in tabak- und alkoholgeschwängerter, stickiger Luft ist der gleiche Verstoß gegen die Spielregeln wie unzulässige Hasardeinsätze, und alle Kartenspieler, die der Freude am Spiel huldigen, mögen beharrlich gegen beides kämpfen. Wenn dieses Regelbüchlein dazu beiträgt, hat es seinen Zweck erfüllt.«[65]

Den Verfechterinnen und Verfechtern des Skatspiels ging es um eine Aufwertung des Skatspiels zum kollektiven Denk-, ja sogar Mannschaftssport.[66] Im Gegensatz zu Ulbrichts Vorwurf der passiven Zeitverschwendung betonten sie die geistige Aktivität, die das Spiel verlange und die damit einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Förderung mathematischer Fähigkeiten, sondern der sozialistischen Gesellschaft im Ganzen leiste. Zunehmend bemühte man sich, den Wettkampfskat vom Erbe des Kneipenspiels zu reinigen. Ab Mitte der 1970er-Jahre richteten die Veranstalter daher zunehmend Turnierlokalitäten für Nichtraucherinnen und Nichtraucher ein.[67] Zugleich rückte nach und nach die Nachwuchsförderung in den Blick. In den 1980er-Jahren berichtete die Presse mehrfach über den »Klub der vier Wenzel«, der Schülerinnen und Schüler in Altenburg an das Spiel heranführen sollte.[68] Daneben erschienen regelmäßig Skaträtsel in den Zeitungsbeilagen, die das Spiel als mathematische Knobelei präsentierten.[69] Die eigene Lust am Spiel ließ sich in diesem Sinne als Schulung des »logischen Denkens« adeln, wie ein Bericht im Neuen Deutschland über die republikweite Mathematik-Olympiade 1964 mit Blick auf die Pausenbeschäftigung der »mathematischen Jugend« feststellte.[70]

Das Ringen um die Anerkennung des Spiels spiegelt auch eine Diskussion wider, die im Magazin der Humboldt-Universität dokumentiert wurde. In der Rubrik »Leser und Wissenschaftler im Gespräch» beantworteten drei Professoren die Anfrage eines Lesers aus Oschatz: »Ist Skatspielen Vergeudung von Freizeit?« Durchweg erteilten sie dem Spiel ihren Segen. In der Antwort eines Pädagogen heißt es etwa: »Skat ist ein intelligentes, anregendes, abwechslungsreiches, vergnügliches Spiel, in vielem (z.B. von der Logik her) dem Schach verwandt, doch glücklicherweise nicht so anstrengend und so ernst.«[71] Als eine Art Kronzeuge für diese Sichtweise fungierte der Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann, der den Veranstaltern des ersten DDR-weiten Skatturniers 1963 mit einem Telegramm ideellen Beistand geleistet hatte. In seinem Schreiben nach Altenburg hieß es: »Soweit dieses die Kombinationsfähigkeit entwickelnde und die Phantasie anregende alte deutsche Spiel als Mittel der Entspannung zu sinnvoller Freizeitausfüllung genutzt wird, kann man mit bestem Wissen Skatfreund sein. So haben es auch viele bedeutende Geistesschaffende verstanden, darunter Richard Strauß, der dem Skat in seiner Oper ›Intermezzo‹ ein bleibendes künstlerisches Denkmal gesetzt hat.«[72] ((Abb. 5: Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann zu Besuch beim Altenburger Skatgericht, Juni 1964))

Diese Aussage, die später immer wieder in Presse und Skatbüchern als Beleg für die staatliche Sanktionierung der Spielleidenschaft angeführt wurde,[73] ist nicht nur mit Blick auf den Aufschwung des landesweiten Turnierwesens ab Mitte der 1960er-Jahre interessant. Dieckmann steckt hier zugleich den oben diskutierten Rahmen einer legitimen nationalen Rhetorik ab, wenn er nicht auf die Verbandsgeschichte des »alten deutschen Spiels« verweist, sondern auf dessen Rolle als ideelles, inspirierendes Kulturgut der Deutschen.

Inwiefern sich die Vertreter des organisierten Skats mit ihrer Betonung des geistigen Anspruchs und des sportlichen Wettkampfs einer erwünschten Rhetorik anpassten, lässt sich nicht pauschal beantworten. In jedem Fall korrespondiert die Argumentation der Turnierspielerinnen und Turnierspieler mit der in vielen hier versammelten Beiträgen aufgezeigten Tendenz einer Verzweckung des Spiels im Staatssozialismus.[74] Nicht das Spielen selbst nahm eine besondere »sozialistische« Form an, sondern dessen diskursive Eingrenzung: Wie andere Spiele sollte auch Skat der Erziehung, der intellektuellen Förderung und der Kultivierung des sportlichen Wettbewerbs dienen. Eine solche Vorstellung vom Spiel als Mittel zum Zweck stellt letztlich jedoch seinen genuinen Spielcharakter infrage. So hebt Johan Huizinga in seiner klassischen Definition gerade die Tatsache, dass das Spiel sein »Ziel in sich selbst« habe, als grundlegend heraus.[75] Im Sport und da, wo Spiel zu einem ernsthaften, komplexen Wettkampf wird, sieht er die Grenze des Spielens erreicht, was er interessanterweise an einem Kartenspiel – dem Bridge – und dessen gesellschaftlicher Rolle festmacht: »[B]eim Bridge hat sich die moderne Technik des Spiels bemächtigt. Mit Handbüchern und Systemen, mit großen Meistern und Berufstrainern ist es eine Sache von tödlichem Ernst geworden. (…) Die Stelle, die das Bridge im heutigen Leben einnimmt, bedeutet dem Anschein nach eine ungeheure Stärkung des spielhaften Elements in unserer Kultur. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Um wirklich zu spielen, muß der Mensch, solange er spielt, wieder Kind sein. Kann man dies von der Hingabe an ein so außerordentlich raffiniertes Scharfsinnsspiel behaupten?«[76]

Die abschließende, rhetorische Frage, die Huizinga stellt, lässt sich ohne Weiteres auch auf das Skatspiel übertragen. Zum Kind sollten die Skatspielerinnen und Skatspieler nicht werden, eher schon sollten Kinder mittels Skat zu intelligenten Erwachsenen werden. Gerade weil das zweckfreie Spiel unter Erwachsenen – zumindest mit Blick auf die Produktion von Gesellschaftsspielen – in der DDR keinen hohen Stellenwert genoss,[77] bemühten sich die Verfechterinnen und Verfechter des Skats offenbar darum, sein Spielelement rhetorisch zu minimieren und stattdessen den Wettkampfcharakter herauszuheben.

Eine andere Aufwertungsstrategie betraf die durch Dieckmann angesprochene Kreativität, die Skat erfordere. Nach den gescheiterten Verbandsinitiativen in den 1950er- bzw. 1960er-Jahren unternahmen die organisierten Skatspielerinnen und Skatspieler in den 1980er-Jahren erneut einen Versuch, ihre Position durch die offizielle Integration in die kulturelle Massenarbeit zu stärken. Diesmal knüpften sie an die Idee des »kulturellen Volksschaffens« an, um als Verband in den Kulturbund aufgenommen zu werden. Auch diese Strategie, das Spiel zu einer »schöpferischen Tätigkeit« umzudeuten, lief letztlich auf die Negierung eines wichtigen Spielelements – hier der prinzipiellen Unproduktivität des Spiels[78] – hinaus. Auch sie scheiterte, wie ein abschlägiger Bescheid des Kulturbundes vom Januar 1987 belegt. Skat, so die Begründung, passe nicht ins kulturpolitische Profil der Organisation. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Gründung eines Skatverbandes Forderungen anderer Gruppen, etwa aus den Bereichen Astronomie, Ornithologie, Aquaristik, Numismatik etc., nach sich ziehen würde. Im Schreiben des 1. Bundessekretärs des Kulturbundes heißt es konkret: »Die Skatspieler in den Kulturbund der DDR zu integrieren, hieße, das geistige, wissenschaftliche, bündnispolitische Profil der Organisation zu verändern und die weltanschaulichen, ethischen, philosophischen Fragen aus dem politischen Zentrum unserer Arbeit zu verdrängen.«[79]

 

 

Der Preisskat: Konsumpolitische Anmerkungen

 

Die Bedenken des Kulturbundes, ob die Skatspielerinnen und Skatspieler in das »weltanschauliche und ethische« Profil der Organisation passten, lassen sich nicht zuletzt aus konsumpolitischer Perspektive analysieren. Nicht nur das private Spielen um Geld, auch die Vergabe hoher Geld- und Sachpreise, die am Ende eines jeden Großturniers stand, weckten Zweifel an der ideologischen Konformität des Preisskats. Zu gewinnen gab es neben Reisen in die Sowjetunion, nach Polen oder Ungarn sowie Spargutscheinen vor allem Waren des »gehobenen Bedarfs«, darunter Fernseher, Waschmaschinen, Kühlschränke oder gar Autos.[80] Diese Preise wurden zu großen Teilen aus den Startgeldern finanziert, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Anmeldung zum Turnier bezahlen mussten. Beim 8. Altenburger Skatturnier 1970 betrug der Einsatz 20 Mark, die Gewinne lagen zwischen 50 und 5000 Mark und stellten laut Tagespresse eine nicht unwesentliche Teilnahmemotivation dar: »Die Chancen, einen Preis mit nach Hause zu nehmen, stehen dabei 1:10, denn 300 Geldpreise warten auf die Besten von 3000 Spielern, von denen natürlich ausnahmslos jedermann daran gelegen ist, sich den 1. Preis – 5000 Mark – zu erspielen.«[81] Auch die Einladung des HO-Kreisbetriebs Apolda zu einem Skatturnier in der Vorweihnachtszeit, die bereits aus dem Jahr 1963 stammt, liest sich erstaunlich materialistisch: »Diese Zeit ist für die Auswahl des Weihnachtsgeschenkes für die Braut, Gattin, Mutter oder auch für die Verbesserung der eigenen Finanzlage vor Weihnachten entscheidend, wozu ein Gewinn im Preisskat beitragen kann. Die Gewinnchancen liegen in den ersten 10 Preisen bei einem Wert von ca. 12 000 DM. Insgesamt werden 250 Preise ausgespielt.«[82] ((Abb. 6: Ausstellung der Preise im Vorfeld des 1. Altenburger Skatturniers 1963; Abb. 7: Preisverleihung beim 1. Altenburger Skatturnier 1963))

Das sozialistische Gesellschaftsideal schloss spätestens ab den 1960er-Jahren den Anspruch ein, eine Alternative zum westlichen Wohlstandsmodell zu entwickeln. Ausgangspunkt der Konsumpolitik war die Idee einer umfassenden Bedürfnisbefriedigung, deren Endziel in der Angleichung des Lebensstandards lag: Unter den Bedingungen der klassen- und ständelosen Gesellschaft – so die Utopie – sollte Konsum nicht länger als Mittel der Repräsentation einer privilegierten Schicht, sondern dem Wohlbefinden aller Menschen dienen.[83] Jede Form eines »demonstrativen Konsums« war daher moralisch verpönt.[84] Die Preisvergabe am Ende der großen Turniere sprach allerdings eine andere Sprache. Auch wenn die Sach- und Geldpreise als Wettkampfprämien über jeden Luxus-Verdacht erhaben waren, wurde ihr hoher Wert selbst in der Bundesrepublik mit Argwohn betrachtet. »Die Staffelung der Preise (…) läßt eine andere Einstellung zur Preisgestaltung erkennen, als der Deutsche Skatverband in Bielefeld sie vertritt«, kommentierte etwa der Reisekorrespondent Rudolf Schleich die Praxis in seinem Bericht über Altenburg mit deutlicher Distanz. [85] Als »saftige Gewinne in der Größenordnung einer mittleren Wohltätigkeits-Tombola« charakterisierte der Spiegel 1978 die Preise.[86]

Wie die Existenz von Intershops, Delikat- und Exquisitläden führte die Preisvergabe im Turnierskat einen systematischen Widerspruch der DDR-Konsumpolitik vor Augen.[87] Denn mit den Prämien wurden vor allem solche Konsumgüter distribuiert, deren Anschaffung mit langen Wartezeiten oder hohen finanziellen Hürden verbunden war. Nicht ohne Grund spielte die Ladenkette HO, die Mangelwaren zu hohen Preisen anbot, eine zentrale Rolle bei der Ausrichtung vieler Turniere.[88] Hier zeigt sich deutlich, wie das sozialistische Ideal der materiellen Egalität in der Realität mit einer »Politik der zwei Preisklassen« kollidierte, in der zwischen Standard und gehobenem Bedarf differenziert wurde: Die Waschmaschinen, Kühlschränke, Fernseher und Autos, die als Wettkampfprämien vergeben wurden, gehörten dem Preis nach zum Exklusivbedarf, obwohl sie längst zum Grundbedarf geworden waren. Dieser Widerspruch lag laut Ina Merkel im Festpreisprinzip selbst begründet, über das die DDR zwar einen minimalen Lebensstandard für alle sichern, nicht aber soziale Differenzierung habe eliminieren können.[89] Dass das Skatspielen nicht nur ein Anlass zum gemeinsamen Rauchen und Trinken war, sondern auch als Exklave des Konsums diente, war seiner vollständigen Anerkennung als Denksport sicher nicht förderlich.

 

 

Fazit und Ausblick

 

Obwohl in der DDR omnipräsent und im Wettkampfbetrieb gesellschaftlich gefördert, war die staatliche Position zum Skat ambivalent. Seiner Eignung als sozialistischer Freizeitpraxis widersprach zum einen sein schlechtes Image als Trink- und Glücksspiel, das auch die Betonung des geistigen Anspruchs nie gänzlich ausräumen konnte. Zum anderen musste der Staat das gesamtdeutsche Erbe des Verbandsskats einhegen, denn dieser stand mit seiner nationalistischen Tradition der Staatsräson des »antifaschistischen« und »antiimperialistischen« Landes entgegen. Eine zentrale Organisation aller Skatspielerinnen und Skatspieler in der DDR war allein aus diesem Grund problematisch. Zugleich konnte der Skat als Massenphänomen auf lokaler Ebene sehr viel besser kanalisiert und kontrolliert werden. So durfte das Altenburger Skatgericht zwar landesweite Großveranstaltungen organisieren, international korrespondieren sowie Spielerinnen und Spieler aus der Bundesrepublik empfangen und wurde für seine disziplinierende Rolle vom Staat geschätzt. Ein eigener Verband im Rahmen des Sport- und Turnbundes oder des Kulturbundes ging aber weit über den Institutionalisierungsgrad hinaus, den man den Skatspielerinnen und Skatspielern zugestand.

Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle Akteure ab Mitte der 1960er-Jahre einigen konnten, war der Status des Spiels als lokales Kulturerbe. Auch wenn die Meinungen darüber, ob Skat als Spiel, als Glücksspiel oder als Sport zu verstehen sei, auseinandergingen, deckten sich die Interessen der Turnierspielerinnen und Turnierspieler in einem Punkt von Anfang an mit denen des Staates: dem Bestreben, die »Skatstadt« Altenburg international zu vermarkten. Die Altenburger Spielkarten stellten nicht nur ein wichtiges Konsumgut auf dem Binnenmarkt, sondern auch ein populäres Exportgut dar. Als Großveranstaltungen kam den landesweiten Turnieren darüber hinaus eine nicht zu unterschätzende touristische Funktion zu, die das lokale Gastgewerbe oft tagelang auslastete.

Der hier gewählte Fokus auf den institutionellen Status des Skats und die diskursive Aushandlung seines Spielcharakters lässt natürlich zahlreiche andere Perspektiven unberücksichtigt, unter denen das Thema Skat in der DDR ebenso betrachtet werden kann. Dazu gehört etwa eine Analyse der sozialen Praxis des Spielens in unterschiedlichen Milieus, die neue gesellschaftsgeschichtliche Einblicke verspräche: So schuf die Vertraulichkeit der Skatrunde einen geschützten Raum zur Artikulation politischer Überzeugungen im Privaten, aber auch am Stammtisch. Den höchsten SED-Funktionären diente sie als Gelegenheit, unter sechs bzw. acht Augen informell politische Themen zu erörtern,[90] den Oppositionellen als Alibi für abendliche Treffen.[91] Darüber hinaus konnte das Spiel selbst zum Modus der Subversion werden, wenn es in einem autoritären System demonstrativ performt wurde.[92] So transportierten dem Skatvokabular entnommene Spruchweisheiten wie »Kontra!« und »Re!«, »Bloß nicht überreizen« oder »Hör auf zu mauern« in der DDR eine zweite diktaturspezifische Sinnebene.

 

 


[1] Bundesweites Verzeichnis immaterielles Kulturerbe. Skat spielen, in: www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/skat-spielen (ges. am 15. April 2020).

[2] Wer fair und klug spielt, hat Chancen, in: Neue Zeit Nr. 203 (1977), S. 12.

[3] Über Erich Honeckers Skatrunde berichtete 1985 der Spiegel. Dazu gehörte auch Robert Menzel, ehemaliger Mithäftling Honeckers und seit 1971 Mitglied des ZKs der SED. Der vierte Mann, in: Der Spiegel Nr. 50 vom 9. Dezember 1985, S. 23; Andreas Malycha: Die SED in der Ära Honecker. Machtstrukturen, Entscheidungen und Konfliktfelder in der Staatspartei 1971–1989, Berlin/Boston 2014, S. 28. Laut Ilko-Sascha Kowalczuk war auch Manfred Stolpe, langjähriger Leiter des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirche in der DDR, ein leidenschaftlicher Skatspieler: Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR, München 2009, S. 204. Viele Hinweise auf das private Skatspiel finden sich in alltagsgeschichtlichen Quellen, darunter das Onlinearchiv privater Schmalfilme aus der DDR (https://open-memory-box.de/ [ges. am 22. April 2020], Schlagwort »Karten spielen«). In meinem sächsischen Heimatdorf trafen sich einmal wöchentlich diverse Männer-Skatrunden, darunter der Pfarrer und der Bürgermeister. Ich selbst lernte das Spiel bereits als Grundschülerin von meinem Vater.

[4] Die »Herzogliche Sächsische Altenburger Concessionierte Spielkartenfabrik« war 1932 mit der Stralsunder Fabrik zusammengelegt worden. 1946 wurde die »Vereinigte Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabrik« enteignet und in Mannheim neu gegründet. In Altenburg wurde die Produktion zunächst als landeseigener Betrieb, ab 1957 als volkseigener Betrieb unter dem Namen »Altenburger Spielkartenfabrik, Altenburg Thüringen« wiederaufgenommen.

[5] Siehe u. a. Altenburg: Großes Treffen der Skatfreunde, in: National-Zeitung vom 25. September 1963.

[6] Bis heute gilt das Spiel eher als »sozialdemokratisch«. Von Gustav Heinemann bis hin zu Johannes Rau und Gerhard Schröder bekannten sich einige namhafte SPD-Politiker zu ihrer Skatleidenschaft. Siehe etwa Matthias Stolz: Über Kartenspiele, in: Zeitmagazin Nr. 51 vom 6. Dezember 2017.

[7] Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke, Bd. 2 (1919–1920), Reinbek 1993, S. 446. Für diesen Hinweis danke ich Thomas Lindenberger.

[8] Stefan Wolle: Bei Grand spielste Ässe, wenn de keene hast, hälste die Fresse, in: Michael Geithner/Martin Thiele (Hg.): Nachgemacht. Spielekopien aus der DDR, Berlin 2013, S. 123–126, hier S. 126.

[9] Detlef Hoffmann/Margot Dietrich: Das Skatspiel. Geschichte – Bilder – Regeln, München/Luzern 1982, S. 138.

[10] Es handelt sich um das Privatarchiv von Hans Jäschke, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des Altenburger Skatgerichts, das heute in der EWA (Energie- und Wasserversorgung) Altenburg GmbH liegt und auf Anfrage zugänglich ist.

[11] V. a. Akten des Ministeriums für Kultur und des Kulturbunds der DDR im Bundesarchiv.

[12] Interview der Autorin mit Hans Jäschke am 8. August 2019.

[13] Rüdiger Fikentscher: Der spielende Mensch – Homo ludens, in: ders. (Hg.): Spielkulturen in Europa, Halle (Saale) 2018, S. 9–18, hier S. 17.

[14] Das deutsche Blatt trägt die Farben Eichel, Grün (bzw. »Blatt«), Rot (bzw. »Herz«) und Schellen. Dem entsprechen die Farben Kreuz, Pik, Herz (bzw. »Rot«) und Karo im französischen Blatt. Auch im Kartenwert gibt es unterschiedliche Symbole: Das deutsche Bild beinhaltet »Unter« und »Ober«, das französische stattdessen »Buben« und »Damen«.

[15] Die Meinungsverschiedenheiten darüber, was das »richtige« Skatblatt sei, führten immer wieder zu Kompromissvorschlägen bei der Abhaltung überregionaler Wettkämpfe, darunter die »Kongress-Karte« oder das offizielle Turnierblatt des aktuellen Skatverbandes, die beide Farbsysteme zu vereinen versuchen. Hoffmann/Dietrich: Skatspiel (Anm. 9), S. 86 f.

[16] Siehe auch die publizistische Darstellung etwa in: Gabriela Herpell: Die Kartenspielerin, in: Magazin der Süddeutschen Zeitung Nr. 11 vom 12. Oktober 2012; Lioba Lepping: Kartenspielen in Köln. Skat spielt man nicht mit einer Frau, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 29. Januar 2015.

[17] Nur 12 von 2500 Teilnehmenden waren 1966 Frauen. »In der Skatarena wird gereizt«, Zeitungsausschnitt, undat., Archiv Hans Jäschke, EWA Altenburg (im Folgenden: Archiv Jäschke), Ordner 1963–1970.

[18] Auf Weltniveau, in: Der Spiegel Nr. 2 vom 9. Januar 1978, S. 76 f., hier S. 77.

[19] Damenskatklub Altenburg, in: Beilage zur Leipziger Volkszeitung vom 31. Oktober 1964. Siehe auch die Bildunterschrift »Teilnehmerinnen – nichts ungewöhnliches bei großen Turnieren« Berliner Asse stachen …, in: BZ am Abend vom 1. Oktober 1968. Bezeichnend ist auch der Titel des Artikels über eine Nachwuchsgruppe in Altenburg: Mario Beck: Buben sind erwünscht und Damen auch willkommen, in: Tribüne vom 3. Juli 1989.

[20] Zur Geschichte des Skatspiels siehe Hoffmann/Dietrich: Skatspiel (Anm. 9), S. 6–153; Günter Kirschbach/Rolf Lisker/Hans-Heinrich Benner: Das Skatbuch. Spiel mit deutschem Blatt. Für Anfänger und Fortgeschrittene, Berlin 1980, S. 10–16.

[21] Als 1901 die Nutzung des französischen Blattes auf dem vierten Skatkongress in Magdeburg gänzlich untersagt wurde, blieben viele Kritiker dem Treffen fern. Hoffmann/Dietrich: Skatspiel (Anm. 9), S. 59–104.

[22] Ebd., S. 115–120.

[23] Im Gegenteil trugen die Soldaten beider Weltkriege erheblich zur weiteren Verbreitung des Spiels bei. Die Spielkartenfabrikation zählte zur »kriegswichtigen Industrie«. Es wurde eigens eine »Deutsche Kriegskarte« produziert. Zum Skatspiel im Schützengraben siehe ebd., S. 104–107.

[24] Er hatte das Amt bereits vor dem Krieg innegehabt.

[25] Hoffmann/Dietrich: Skatspiel (Anm. 9), S. 136–138.

[26] Schreiben des Sportamtes Weissenfels an das Amt für Volksbildung bei der Zentralverwaltung Berlin vom 12. Februar 1947, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (im Folgenden: SAPMO-BArch), Bundesarchiv, DR2/633, unpag.

[27] Die Stadt gehörte zum Bezirk Leipzig.

[28] Aktennotiz der Abteilung Örtliche Organe, Inspektion und Grundsatzfragen kulturelle Massenarbeit Berlin vom 21. Oktober 1958, SAPMO-BArch, DO1/87279, unpag.

[29] »Deutscher Skatverband Altenburg« – Schreiben der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei, Abteilung Erlaubniswesen an die Bezirksbehörde Deutsche Volkspolizei, Abteilung Erlaubniswesen in Leipzig vom 28. Oktober 1958, SAPMO-BArch, DO 1/87279, unpag.

[30] Interview der Autorin mit Hans Jäschke am 8. August 2019.

[31] Mitteilungsblatt Nr. 4 der Skataktive der DDR, Archiv Jäschke, Ordner 1989/1990.

[32] Sonderpreis für den Parkmeister, in: Sächsisches Tageblatt vom 1. September 1964.

[33] Einem Schreiben der Leipziger Polizei an das Ministerium des Inneren zufolge arbeiteten die Mitglieder von Skataktiv bzw. Skatgericht in Altenburg 1964 an einer »Denkschrift, die den Nachweis über die politisch-ökonomische Notwendigkeit der Bildung eines Skatverbandes zum Inhalt hat«. Schreiben der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Leipzig, Abteilung K, Dezernat E an das Ministerium des Innern, HA Kriminalpolizei, Abt. Erlaubniswesen vom 25. August 1964, SAPMO-BArch, DI 1/87279. Über die Verbandsinitiative hatte zuvor die Zeitung »Der Morgen« berichtet: Gut Blatt in Altenburg, in: Der Morgen vom 18. Juni 1964.

[34] Siehe etwa Georg Wilkening: Blick in die Geschichte des Skatspiels und des Deutschen Skatverbandes, in: Der Skatfreund 30 (1985) H. 5, S. 4–11; Skatgesetze sind noch uneinheitlich, in: Kölnische Rundschau vom 15. Dezember 1965. Auch Hans Jäschke berichtete im Gespräch von der kontinuierlichen Abstimmung mit den Bielefelder Kollegen, Interview der Autorin mit Hans Jäschke am 8. August 2019.

[35] Das Privatarchiv von Hans Jäschke ist ein eindrücklicher Spiegel seiner guten Vernetzung mit westdeutschen Journalisten und Skatspielern: Neben Schreiben im Namen des Skatgerichts finden sich darin private Korrespondenzen und zahlreiche Zeitungsausschnitte aus der Bundesrepublik. Nicht wenige dieser Artikel beruhen auf Besuchen bei Jäschke. 

[36] Skat unterm Stacheldraht, Buch und Regie: Henry Bernhard, MDR/ARD, Hamburg 2009, 45 Min. [Zeitangabe bei Produktionsfirma: yucca-filmproduktion.de/fi_skat.html].

[37] Skat unterm Stacheldraht, MDR, 18. August 2010, in: www.mdr.de/zeitreise/stoebern/damals/Grenzbegegnungen-Skat-unterm-Stacheldraht100.html (ges. am 22. April 2020).

[38] Das Skatbuch von Günter Kirschbach, das in der DDR in vielen Auflagen im Tribüne-Verlag erschien, wurde auch im westdeutschen Falken-Verlag herausgegeben. Aus der Korrespondenz des FDGB-Verlags Tribüne geht hervor, dass der Autor u. a. wegen der »Exportchance« eine Überarbeitung des Buches für das Spielen mit französischem Blatt vorschlug. Schreiben des Autors an den Verlag vom 30. Juni 1970, SAPMO-BArch, DY78/2273.

[39] Laut einem »Spiegel«-Bericht hatten die westdeutschen Skatspielerinnen und Skatspieler 1968 das Turnier in der DDR aus Protest gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei boykottiert und hätten danach nicht mehr einreisen können. »Auf Weltniveau« (Anm. 18).

[40] Schreiben der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Leipzig, Abteilung K, Dezernat E an das Ministerium des Innern, HA Kriminalpolizei, Abt. Erlaubniswesen vom 25. August 1964, SAPMO-BArch, DI 1/87279.

[41] Schreiben des Skataktivs der Skatstadt Altenburg, November 1964, Archiv Jäschke, Ordner 1963–1970.

[42] Schreiben von Klaus Scholz (1. Vorsitzender der International Skat Players Association) an das Skatgericht Altenburg vom 15. Mai 1986, Archiv Jäschke, Ordner 1971–1989.

[43] Brief von Hans Jäschke an den Skat-Club Bergen-Enkheim vom 8. Mai 1989, Archiv Jäschke, Ordner 1989/1990.

[44] Skat ist doch kein politisches Spiel, in: Nordwest-Zeitung vom 14. April 1989.

[45] Thomas Lindenberger: Die Diktatur der Grenzen. Zur Einleitung, in: ders. (Hg.): Herrschaft und Eigensinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 13–44, hier S. 14.

[46] Es gibt neue Skatkarten, in: Der Morgen vom 18. Juni 1964.

[47] Die Skatstadt Altenburg ruft! Einladung zum Turnier am 27.9.1964, Archiv Jäschke, Ordner 1963–1970.

[48] Siehe etwa Skat-Könner am Werk, in: Freiheit vom 6. Februar 1964; Begehrte Justiz, in: Neues Deutschland vom 8. Januar 1965 u. a.

[49] 50 Jahre Skatgericht im Dienste der Skatwelt, in: Tribüne Nr. 15 vom 17. Juni 1977. Siehe auch die Fotodokumentation des Ereignisses im Archiv Jäschke, Ordner 1971–1989.

[50] Skat-Revolution, in: Bild vom 15. Juli 1989.

[51] Siehe etwa den differenzierten Artikel: Hubert Wolf: Skat-Spielregeln in Ost und West sollen entrümpelt werden, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, undat. im Archiv Jäschke, Ordner 1971–1989. Außerdem Korrespondenz Jäschkes mit Skatfreunden aus der Bundesrepublik, darunter mit dem Skatschiedsrichter Manfred Tietz aus Berlin vom 21. Juli 1989 und vom 8. August 1989, Archiv Jäschke, Ordner 1989/1990.

[52] Als »historischer Wettkampf« erscheint das erste westdeutsche Turnier mit ostdeutscher Beteiligung retrospektiv bei David Weyand: Ost ist Trumpf, in: Der Spiegel vom 26. November 2014. Siehe auch viele weitere Artikel in der Tagespresse und in Skatmagazinen, etwa: Erstes Treffen der beiden deutschen Skatgerichte, in: Bayern-Skatrundschau vom Februar 1990; Der Skat verbindet über die Grenzen, in: Westfalen-Blatt Nr. 292, Archiv Jäschke Ordner 1989/1990.

[53] Siehe die Artikel der »Welt«-Autorin Ulli Kulke: Welthauptstand des Skats, in: Die Welt vom 1. Juli 2009, S. 8.; dies.: In den Weltkriegen galt Skat als kriegswichtig, in: Die Welt vom 8. Juni 2013.

[54] Arnd Bauerkämper: Die Sozialgeschichte der DDR, München 2005, S. 18.

[55] K.H. Hagen: Bildung ist das höchste Gut, in: Neues Deutschland vom 12. Dezember 1961.

[56] Marcus Merkel: Glücksspiel in der DDR, in: ders./Ulrike Häußer (Hg.): Vergnügen in der DDR, Berlin 2009, S. 125–142.

[57] Neue Justiz 1957, S. 59. Die Festlegung präzisierte § 284a des Strafgesetzbuches über gewerbliches Glücksspiel.

[58] Rudolf Dietze: Was spielen wir?, Berlin 1971, S. 15.

[59] Ebd., S. 296.

[60] G. Sch.: Skatspiel, Glücksspiele und Spielschuldklagen, in: Neue Zeit, (nach 1968) undat., Archiv Jäschke, Ordner 1963–1970.

[61] U. a. »Gut Blatt« in Altenburg, in: Der Morgen vom 18. Juni 1964.

[62] Diese Praxis war offenbar von der Zeitung »Tribüne« kritisiert worden. Schreiben von Frank Schettler (Tribüne) an Rudi Gerth (Skatgericht) vom 2. März 1978, Archiv Jäschke, Ordner 1971–1989.

[63] Mitteilungsblatt Nr. 4 der Skataktive der DDR, Archiv Jäschke, Ordner 1989/1990.

[64] »Gut Blatt« in Altenburg, in: Der Morgen vom 18. Juni 1964.

[65] Spielregelbüchlein mit Skatordnung, hrsg. von der Spielkartenfabrik Altenburg, o. J., S. 3 f., hier S. 4.

[66] Obwohl im Skat üblicherweise Einzelspielerinnen und Einzelspieler gegeneinander antraten, wurden zunehmend Mannschaftsturniere organisiert. Skatmannschaftsmeisterschaften 1966, in: Aufbau (Zeitung des VEB Teerverarbeitungswerk Rositz) vom 6. Dezember 1966.

[67] Allerdings waren 1975 weniger als die Hälfte der Lokale für Nichtraucher geeignet. Siehe Grenzwert für einen Preis 2500 bis 2600 Punkte, in: Tribüne vom 17. Oktober 1975.

[68] Grand ouvert im Stundenplan, in: Thüringische Landeszeitung vom 24. Juni 1989; Beck: Buben (Anm. 19). Darüber hinaus konnte man 1965/66 in Altenburg einen Volkshochschulkurs »Skat« belegen, Archiv Jäschke, Ordner 1963–1971.

[69] Etwa in der Rubrik »Achtzehn … zwanzig … Unsere Ecke für den Skatfreund« in »Mitteldeutsche Neueste Nachrichten«.

[70] »Zunächst fanden wir ein Mädchen und zwei Jungen, die genußvoll einen zünftigen Skat droschen. ›Och‹, sagten sie, ›das macht Spaß, und außerdem fördert Skat bei Mathematikern das logische Denken.‹« Otto Hauser: Mathematik, Bitterfeld und eine wahre Anekdote, in: Neues Deutschland vom 10. Mai 1964, S. 4.

[71] Des Teufels Gebetbuch, in: Uni im Magazin, undat. im Archiv Jäschke, Ordner 1961–1970.

[72] Kirschbach/Lisker/Benner: Skatbuch (Anm. 20), S. 14.

[73] Ebd.; »Gut Blatt!« in Altenburg, in: Der Morgen vom 18. Juni 1964; Das Skatgericht organisiert die DDR-offenen Skatturniere, in: Tribüne vom 14. August 1970.

[74] Siehe dazu auch die Einleitung zu Beginn dieses Bandes.

[75] Johan Huizinga: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Reinbek b. Hamburg 2004 (zuerst 1938), S. 37.

[76] Ebd., S. 214 f.

[77] Siehe den Beitrag von Martin Thiele-Schwez in diesem Band. Siehe auch J. Peter Lemcke: Spiele in der SBZ und der DDR oder Sind Spiele gefährlich?, in: Christa Pieske u. a.: Arbeitskreis Bild Druck Papier. Tagungsband Dresden 2005, Münster u. a. 2005, S. 103–110, hier S. 106 f.

[78] Roger Callois: Definition und Einteilung der Spiele (1958), in: Hans Scheuerl (Hg.): Theorien des Spiels, Weinheim 1997, S. 157–165, hier S. 163. Als »unproduktive Betätigung« endet das Spiel Callois zufolge bei einer Situation, »die identisch ist mit der zu Beginn des Spiels«.

[79] Schreiben von Karl-Heinz Schulmeister an den Minister für Kultur, Berlin vom 12. Januar 1987, SAPMO-BArch, DY 27/6747, Bd. 6.

[80] Siehe etwa die Einladung zum Skatturnier 1964 in Altenburg mit einer Liste der Sachpreise, Archiv Jäschke, Ordner 1963–1971.

[81] Jeder der 3000 Teilnehmer will den 1. Preis von 5000 Mark, in: Mitteldeutsche Neueste Nachrichten [?] vom August 1970, Zeitungsausschnitt im Archiv Jäschke, Ordner 1963–1971.

[82] Skatkomitee des HO-Kreisbetriebs Apolda: Einladung und Anmeldeformular zum 5. Großen Skatturnier am 24. November 1963 in Apolda, Archiv Jäschke, Ordner 1963–1970.

[83] Ina Merkel: Luxus im Staatssozialismus. Eine widersinnige Fragestellung?, in: Reinhold Reith/Thorsten Meyer (Hg.): »Luxus und Konsum« – eine historische Annäherung, Münster u. a. 2003, S. 221–236, hier S. 226 f.

[84] Ebd., S. 222.

[85] Rudolf Schleich: Zu Besuch bei Altenburger Königen. Ein Reisebericht, maschinenschriftliches Manuskript, 9 Seiten, ca. 1987, Archiv Jäschke, Ordner 1971–1989, unpag.

[86] Auf Weltniveau (Anm. 18).

[87] Siehe dazu Merkel: Luxus (Anm. 83), S. 229–235.

[88] Laut dem bereits zitierten Artikel im »Spiegel« war der erste Preisskat die Erfindung eines HO-Chefs in Apolda, der auf diese Weise den Absatz seines Ladens erhöhen wollte. Auf Weltniveau (Anm. 18).

[89] Merkel: Luxus (Anm. 83), S. 230.

[90] Der vierte Mann, in: Der Spiegel Nr. 50 vom 9. Dezember 1985, S. 23 f.

[91] Angeblich wurden politische Treffen der Opposition häufig als private Skatabende getarnt. Karl Wilhelm Fricke/Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.): Opposition und Widerstand in der DDR. Politische Lebensbilder, München 2002, S. 98 f.

[92] Siehe Anne Dippel: Gesellschaftsspiele. Anthropologische Überlegungen zur Funktion von Spielen für gemeinschaftlichen Zusammenhalt, in: Rüdiger Fikentscher (Hg.): Spielkulturen in Europa, Halle (Saale) 2018, S. 19–31, hier S. 23; Wolle: Bei Grand spielste Ässe (Anm. 8), S. 126.

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Kurzbiografie

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