I. Diskurse über die Legitimität der Stasi
In der Historiografie kommunistischer Geheimpolizeien spielt die Frage ihrer Selbstlegitimationen und die Wahrnehmung als Akteure durch die Bevölkerung nur eine untergeordnete Rolle. Meist beschränken sich Analysen des »Geistes« der Staatssicherheitsdienste auf den Hinweis, dass er sich aus der kommunistischen Ideologie speiste und mithin ein Kontinuum in der Geschichte der Sowjetunion und ihres Einflussbereiches darstellte. Umstritten ist höchstens, welcher Klassiker des Marxismus-Leninismus welchen Anteil an der Ausformung der sowjetischen Geheimpolizei und ihrer »Bruderorgane« hatte.
Dieser Beitrag nähert sich der Frage nach Legitimation, Selbstverständnis und öffentlicher Repräsentation der Staatssicherheit aus einer anderen Perspektive: Im Zentrum stehen zeitgenössische Diskurse innerhalb der Geheimpolizei und in der Öffentlichkeit der DDR. In dieser Diskurswelt spielte die top down vermittelte kommunistische Ideologie zwar eine wichtige Rolle. Die Organisationskultur der Staatssicherheit war jedoch auch durch eine Vielzahl von weiteren Einflüssen geprägt. Sie wird hier als »Tschekismus« bezeichnet. Der Begriff lehnt sich an die Selbstbezeichnung der Angehörigen der 1917 gegründeten »Außerordentlichen Allrussischen Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage« im revolutionären Russland als »Tschekisten« an.[1] Diese tschekistische Organisationskultur diente der Feindbildvermittlung sowie der Begründung alltäglicher operativer Praktiken. Sie trug zur Motivation der Mitarbeiter bei und regulierte das verdeckte oder offene Auftreten in der DDR-Gesellschaft. Dabei lassen sich vier Diskurssphären unterscheiden:
1. Der Offizialdiskurs der Führung von Partei und Geheimpolizei begründete und legitimierte die Existenz, die strategische Ausrichtung und die Einsatzformen des geheimen Vorgehens. Historischer Ausgangspunkt war der mythologische Verweis auf die angebliche revolutionäre Reinheit und Kraft der Geheimpolizei der Bolschewiki, der Tscheka, ihres ersten Führers Feliks Dzierżyński sowie ihre »außerordentliche« Rolle als Waffe der Kommunistischen Partei. Dieser Mythos verband die ideologischen Konzepte des Marxismus-Leninismus mit Eigenschaften wie männlicher Härte und der Befähigung zum Klassenhass. Wesentliche Elemente dieses Diskurses waren:
- Er begründete die Notwendigkeit einer Geheimpolizei mit der marxistischen und leninistischen Revolutions-, Staats- und Imperialismustheorie.
- Er konkretisierte und begründete die daraus abgeleiteten Feinddefinitionen und Feindbilder.
- Er ordnete die von der Geheimpolizei ausgeübten oder angedrohten Gewalt- und Zwangsmaßnahmen sowie die verdeckten Ausforschungsmethoden ethisch-moralisch ein.
- Er formulierte eine Erwartungshaltung an die breitere Bevölkerung zum Verhalten gegenüber den sichtbaren oder verdeckten Maßnahmen der Geheimpolizei und der persönlichen Mitwirkung daran.
- Er schuf ein Profil öffentlicher Repräsentation. Hierzu gehörte die Zuweisung eines Platzes in der rituellen Hierarchie der Partei- und Staatsinstitutionen, wie z. B. der Rang des Chefs der Geheimpolizei in den Parteigremien oder gegenüber den Repräsentanten der anderen bewaffneten Organe. Zum öffentlichen Erscheinungsbild gehörten weitere Elemente wie die Mitarbeiteranwerbung, die Medienberichte über Feindaktivitäten und Verfolgungsmaßnahmen sowie das Image-Building in Kultur- und Unterhaltungsformaten, wie z. B. TV-Serien und Kriminalromanen.[2]
2. Eine zweite Diskurssphäre war die interne Selbstdarstellung, die mit der öffentlichen Offizialrepräsentation korrespondierte, aber nicht identisch war. Das MfS hatte die Aufgabe, den Mitarbeitern Handlungsnormen und Motivation zu vermitteln, die politische Linie in konkrete Handlungsanweisungen zu übersetzen, Angebote zu machen, um das Selbstverständnis als Geheimpolizisten zu formen und weiterzuentwickeln, also z. B. das Avantgardebewusstsein zu fördern, aber auch Härten und Anstrengungen des Dienstes zu kompensieren. Möglicherweise ging es dabei auch um Deutungsangebote im Fall von Skrupeln oder Zweifeln in bzw. an der konkreten Verfolgungstätigkeit.
Diesen beiden Seiten standen zwei informelle Diskursräume gegenüber:
3. Unter den MfS-Mitarbeitern selbst existierte eine informelle Alltagskultur, die die offiziellen Leitbilder aufnahm, aber auch umformte: Sie setzte Prioritäten und interpretierte die offiziellen Vorgaben, entwickelte eigene Rituale und informelle Regularien, etwa zum Alkoholkonsum, zur Behandlung von Häftlingen, zum Genuss materieller Vorteile und Privilegien. Sie prägte auch Ansehen und informelle Hierarchien zwischen den verschiedenen Dienstzweigen, wie etwa die Kontrastierung von »Partisanen« versus »Analytikern« oder den Nimbus der elitären Auslandsspionage gegenüber den schlichten Gefängniswärtern. Dies war der eigentliche Kernbereich der Stasi-eigenen cop culture,[3] im Rahmen dessen z. B. in den 1950er-Jahren ausgehandelt wurde, inwieweit physische Folter – jenseits der offiziellen internen Vorgaben zur Einhaltung der »Gesetzlichkeit« – als legitimes Mittel galt. Darunter fielen z. B. auch Fragen zu tatsächlichen Umgangsformen mit Informanten.[4]
4. Schließlich formte sich in der Gesellschaft ein Ensemble von Bildern und Diskursen über das Wirken der Staatssicherheit, das aus persönlichen Begegnungen, Gerüchten und informell tradierten Sichtweisen sowie Medienberichten aus Ost und West gespeist war. Hier lässt sich nicht von einem einheitlichen Diskurs sprechen, sondern vielmehr von einer potenziellen Vielfalt von Diskursen in unterschiedlichen Sphären der Gesellschaft: die Szene von Dissidenten, Künstlern und Unangepassten, die oftmals direkt in das Visier der Staatssicherheit gerieten; die Funktionäre, Militärs und Fachleute, die im Beruf häufiger mit dem Geheimdienst in Berührung kamen; Vertreter der Kirchen, die mit Partei und Staatssicherheit verhandelten und sich ihren verdeckten Steuerungsambitionen stellen mussten; und auch der politisch unauffällige Teil der Bevölkerung, der sporadisch mit Praktiken der Alltagsüberwachung der Geheimpolizei in Berührung kam.
Gemeinsam ist all diesen Diskursen, dass sie wesentlich durch die Aura der Geheimhaltung geprägt waren, oder genauer: durch das Wechselspiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit.[5] Neben den jeweiligen inhaltlichen Konnotationen kam also die Oszillation von Tabu und abgestuften Formen der Artikulation hinzu, die ein breites Feld von Assoziationen eröffnet, aber zugleich besonders schwierig zu erschließen ist.[6]
Eine solche Annäherung an die diskursive Konstituierung der »Staatssicherheit« in den öffentlichen, halböffentlichen und privaten Räumen der Gesellschaft reicht über den klassischen Blick hinaus, der sich auf Topoi wie die »Ideologie« konzentriert und ein relativ stabiles System von politisch-theoretischen Glaubenssätzen des Sowjetkommunismus unterstellt. Es ist in der Tat fraglich, ob überhaupt von einer eigenständigen »tschekistischen Ideologie« die Rede sein kann, die sich vom Marxismus-Leninismus abheben lässt. Der Zugang über die Tschekismus-Diskurse ermöglicht hingegen eine dynamischere Betrachtung. Er präjudiziert kein Primat der Ideologie, sondern untersucht die performative Seite des Wechselspiels zwischen den skizzierten vier Dimensionen. Die sich wandelnde Repräsentation der Staatssicherheit in den Staatsmedien beeinflusste wiederum Selbstbild und Arbeitsverständnis der MfS-Mitarbeiter, aber auch die Bereitschaft der Bevölkerung, an Überwachungsaktivitäten als Informanten mitzuwirken, ihnen auszuweichen oder aber resistente Haltungen auszuprägen.
Ein Einwand gegen eine solche Analyse sei vorweg angesprochen: Letztlich wirkte die Staatssicherheit stets mehr durch ihre Taten als durch ihre Worte, und dies relativiert zwangsläufig den Stellenwert von »Diskursen« über ihre Legitimität. Insofern ließen sich die Veränderungen im Laufe der Zeit in den Offizialdiskursen als Oberflächenphänomene abtun. Ähnliches gilt für die internen Verhältnisse in den Polizeiapparaten: Sie waren nach strikten Regeln organisiert und insgesamt darauf ausgerichtet, persönliche Befindlichkeiten als handlungswirksame Faktoren gerade auszuschalten.[7] Da aber für diese Apparate die selbstständige und kreative Tätigkeit ihrer Mitarbeiter als Führungsoffiziere, Vernehmer usw. wichtig war, kam es auch auf der Ebene interner Diskurse darauf an, den Einsatzwillen und das Legitimitätsdenken diskursiv ständig zu erneuern. Besonders in Krisenzeiten wurden Art und Reichweite der Legitimation von Repression relevant. Dies gilt etwa für die Konsequenzen der Entstalinisierung Mitte der 1950er-Jahre, die intern zu Verunsicherungen und im nächsten Schritt zu einer revitalisierten Neudefinition »tschekistischer« Tätigkeit führten, und ebenso für die finale Systemkrise der 1980er-Jahre.[8]
Im Zentrum dieses Beitrags steht diese letzte Phase der DDR-Geschichte von Mitte der 1970er-Jahre bis 1989/90, die hier als »Spätsozialismus« verstanden wird.[9] Ihr ging die poststalinistische Periode voraus, die 1956 begann und – je nach Definitionskriterium – mit dem Niedergang reformerischer und ökonomisch-technizistischer Zukunftsentwürfe Ende der 1960er- bis Mitte der 1970er-Jahre endete.[10] Die Periode des Spätsozialismus war im Falle der DDR durch stabile Machtstrukturen bei fortschreitendem wirtschaftlichem Niedergang gekennzeichnet. An die Stelle von utopischen Zukunftsszenarien trat ein Verlust an Steuerungspotenzialen des Regimes, der sich gesellschaftlich u. a. in Lethargie, West- und Konsumorientierung, »antipolitischen« Formen der Verweigerung und einer Verselbstständigung des rituellen öffentlichen Lebens niederschlug. Aus Sicht der Geheimpolizei gingen diese Veränderungen mit einer wachsenden Abhängigkeit vom Westen und damit der Einbindung Ostdeutschlands in den globalen Menschenrechtsdiskurs einher.
II. Mitte der 1970er-Jahre: Der Tschekismus auf seinem Höhepunkt
1977 war ein Jubiläumsjahr, in das der 100. Geburtstag von Feliks Dzierżyński und der 60. Gründungstag der Tscheka fielen. Es steht in mehrfacher Hinsicht für den Höhepunkt des Einflusses und der Macht der Staatssicherheit. Es war auch das Jahr, in dem die sichtbaren Bezüge auf die tschekistische Tradition am deutlichsten zutage traten. Seit der Gründung der Stasi im Jahr 1950 bezeichneten sich die Angehörigen der ostdeutschen Geheimpolizei intern als »Tschekisten« – also als Repräsentanten einer »außerordentlichen« Machtstruktur, die die kommunistische Herrschaft im sowjetisch besetzten Deutschland errichten und sichern sollten. Sie verstanden sich als »Genossen erster Kategorie«, wie es der erste Stasi-Chef Wilhelm Zaisser nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 formulierte.[11] Die öffentliche Ritualisierung dieser Tradition wurde bereits 1967 bei den Feierlichkeiten zum 50. Gründungstag der Tscheka offensichtlich. In diesem Jahr wurde das MfS-Wachregiment Berlin mit dem Ehrennamen »Feliks Dzierżyński« versehen. Ab 1970 bezeichnete die Führung von SED und MfS die Mitarbeiter der Stasi öffentlich als »Tschekisten der DDR« oder »deutsche Tschekisten« – eine Formulierung, die KGB-Delegationen wohlwollend zur Kenntnis nahmen, sich aber interessanterweise nicht zu eigen machten.[12] Die Zelebrierung der tschekistischen Tradition durch die Stasi wies Besonderheiten auf, die sie vom KGB, aber auch von anderen Geheimpolizeien des Ostblocks unterschied.
Im Gegensatz zur Sowjetunion, wo – wie Julie Fedor gezeigt hat[13] – der Personenkult um den Tscheka-Gründer Dzierżyński dazu diente, das Modell eines »sauberen« KGB nach Stalin und Berija neu zu formulieren, hatte die Tscheka-Tradition in Ostdeutschland eine andere Funktion: Sie symbolisierte das Bemühen der Stasi, sich als besonders verlässlicher Partner der sowjetischen Geheimpolizei darzustellen, sozusagen als »Bruderorgan erster Kategorie«. Dahinter stand auch das Ziel der Stasi, sich von der Unzuverlässigkeit der tschechoslowakischen Geheimpolizei im Jahr 1968 abzugrenzen. Die Bezugnahmen waren im Vergleich zu anderen Ostblockländern (mit Ausnahme Bulgariens und bis zu einem gewissen Grad Polens, Dzierżyńskis Herkunftsland) relativ explizit, in Relation zur Sowjetunion selbst jedoch beschränkt. Bei einigen offiziellen Anlässen wurde intensiv auf die sowjetische Tradition verwiesen. Im Jahr 1977 gab es beispielsweise eine Sonderbriefmarke und eine Reihe von Buchveröffentlichungen über die Tscheka und ihre Traditionen. Es wurden jedoch keine Denkmäler für Dzierżyński errichtet, und in den im ganzen Land entstehenden Neubausiedlungen wurden nur sehr wenige Straßen nach ihm benannt. Diese relative Zurückhaltung erklärt sich aus der ambivalenten Haltung der ostdeutschen Führung gegenüber dem Tschekismus. Zwar legte sie – und zwar insbesondere die führenden MfS-Mitarbeiter selbst – Wert darauf, die Nähe zur sowjetischen Tradition zu betonen, doch hatten solche Feiern des Tschekismus stets auch den Beigeschmack der Rolle als Erfüllungsgehilfe der fremden Hegemonie. Es gab wirkungsvollere Anknüpfungspunkte für die Konstruktion einer Identität der Geheimpolizei, insbesondere den Antifaschismus. Die ideale Heldenfigur für Identitätserzählungen war daher nicht der Tscheka-Mann des russischen Bürgerkrieges, sondern der deutsche Kommunist, der im Zweiten Weltkrieg als Partisan an der Seite der Sowjetarmee gegen die Nazis gekämpft hatte. Dafür stand etwa der Chef der militärischen Spionageabwehr der Stasi, Generalleutnant Karl Kleinjung, der als Partisan an der Tötung des deutschen Generalkommissars Wilhelm Kube 1943 in Minsk beteiligt war. Noch Mitte der 1970er-Jahre gab es eine Handvoll solcher Männer in der MfS-Führung. Als sie allmählich in den Ruhestand gingen, wurden ihre Lebensgeschichten für Rekrutierungszwecke mobilisiert, um das Image der Stasi als Institution zu verbessern.[14]
Ein ausführliches Bild von den zeitgenössischen Konnotationen dieses Kults zeichnet etwa die von der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) ausgearbeitete Musterrede für die im Ministerium abzuhaltenden Dienstversammlungen anlässlich des Jahrestages. Dabei diente die Figur Dzierżyńskis als Projektionsfläche für den gesamten Wertekanon der tschekistischen Sicherheitskultur.[15] Den Grundton bildete die Kombination von revolutionärem Enthusiasmus und militärischen Tugenden. Dzierżyński sei ein »der Kommunistischen Partei treu ergebener Soldat« gewesen, »erfüllt von revolutionärer Leidenschaft und nie versiegender Energie, von Entschlossenheit und Unversöhnlichkeit gegenüber den Feinden des Volkes«. Es folgten die aus der Sowjetunion bekannten historisierenden Assoziationen, Dzierżyński sei ein »proletarischer Jakobiner« gewesen, und zugleich ein »Ritter der Revolution«.[16] Er stünde für »Schwert und Flamme«, dieses »Wahrzeichen des harten Kampfes und des leuchtenden Geistes«. Schließlich hieß es mahnend: »Seinem revolutionären Optimismus, seinem leidenschaftlichen Kämpfertum und seiner Selbstaufopferung für unsere Sache gilt es verstärkt nachzueifern.«[17]
Diesen Tugenden der Härte und Militanz standen die positiven Fluchtpunkte des Schaffens Dzierżyńskis gegenüber: »Wie Rosa Luxemburg« sei er einer der populärsten Führer der polnischen Arbeiterklasse gewesen, habe als Volkskommissar für Verkehrswesen und Leiter des Obersten Volkswirtschaftsrates stets die Verbindung zu den Arbeitern gesucht. Als ikonischer Kontrapunkt wurde sein Engagement als Initiator und Vorsitzender der »Kommission zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder« hervorgehoben.[18] Dzierżyński sei, anders als von der Bourgeoisie voller Hass behauptet, kein »Anbeter der Gewalt«, kein »unmenschlicher Fanatiker des Terrors« gewesen. Vielmehr: »Die Härte des Vorgehens der Tscheka gegen die Feinde liegt keineswegs im Charakter der Sowjetmacht. Allein das unmenschliche, grausame Vorgehen der Konterrevolution zwingt die Tscheka, schonungslos zu sein. […] In Wahrheit war Dzierzynski ein glühender Verfechter der Sache der Menschlichkeit. Nichts ist menschlicher als der Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung und imperialistischen Krieg, dem er sich zeitlebens verschrieb.«[19] Noch immer gelte Dzierżyńskis Diktum: »Wer gefühllos geworden ist, taugt nicht mehr für die Arbeit in der Tscheka.«[20] Im Weiteren wurde dann, immer unter Bezug auf Dzierżyński, der aktuelle Horizont von Zielen und Maximen der tschekistischen Sicherheitskultur Mitte der 1970er-Jahre abgeschritten, gegen den Eurokommunismus, für Massenwachsamkeit und »revolutionäre Gesetzlichkeit«.[21] Als Antwort auf die damals von Dissidenten wie Wolf Biermann zitierte »scheinrevolutionäre« Forderung Rosa Luxemburgs nach der »Freiheit der Andersdenkenden« hieß es: »›Die Revolution‹ – so Dzierzynski – ›kann denen nicht ihre Freiheit geben, die sie erwürgen wollen.‹ Freiheit für die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen, aber nicht für deren Feinde. Eine solche klare Freiheitsauffassung, eine solche Unversöhnlichkeit gegenüber den Feinden schloss auch die konsequente Anwendung der revolutionären Gewalt bis hin zur Anwendung des ›Roten Terrors‹ ein, der – wie Dzierzynski später schrieb – nichts anderes war ›als der Ausdruck des Willens der ärmsten Bauernschaft und des Proletariats, jegliche Versuche eines Aufstandes zu unterbinden und zu siegen‹.«[22]
Deutlich wird, wie intensiv die ikonografischen Arbeiten am Dzierżyński-Kult darauf abgestimmt waren, einerseits den Kontrast zwischen den Zeiten der bolschewistischen Revolution und dem Stillstand des »real existierenden Sozialismus« zu überbrücken, und andererseits mit der Betonung des emotional unterlegten Humanismus angesichts des aufkommenden Menschenrechtsdiskurses Legitimation in den eigenen Reihen zu stiften.
Die Kombination von Dzierżyński-Kult, dem gemeinsamen Antifaschismus und – als drittem Element – der Sowjetspionage im Kalten Krieg stellt eine Broschüre des Bereichs Agitation des MfS zehn Jahre später, unter dem Titel »Geboren im Feuer der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. 70 Jahre Kampf sowjetischer Tschekisten für den Frieden und die Sicherung des Sozialismus« dar. Die Zielgruppe dieser Broschüre ist nicht eindeutig. Sie war offenbar für einen größeren Leserkreis auch außerhalb des Ministeriums gedacht, unter anderem für die Nachwuchswerbung. Zunächst wird die Gründung der Tscheka 1917 gegen den »Weißen Terror« geschildert, verbunden mit der Kinderhilfsaktion Dzierżyńskis 1921 (»Tschekisten – Humanisten. Alles für die Rettung der Kinder!«) und der Gründung der Komsomol-Organisation der Tscheka 1920. Darauf folgen zwei größere Schwerpunkte: erstens die Interbrigaden des Spanischen Bürgerkriegs sowie die Spione und Partisanen im Zweiten Weltkrieg, und zweitens das Wirken von sowjetischen »Kundschaftern« im Kalten Krieg (Rudolf Abel, Kim Philby, Heinz Felfe, George Blake) und die Leistungen der KGB-Spionageabwehr bei der Enttarnung des amerikanischen »Maulwurfs« Oleg Penʼkovskij 1962.[23] Mit dem Dreisprung von Revolution, Zweitem Weltkrieg und Kaltem Krieg wurde einerseits die Kontinuitätslinie des Kampfes gegen die imperialistische Bedrohung der Sowjetunion hergestellt. Andererseits waren die Kapitel des »Großen Terrors« damit komplett aus der tschekistischen Traditionslinie ausgeblendet und die innenpolitische Rolle der sowjetischen Geheimpolizei konsequent aus der Perspektive eines Kampfes gegen äußere Feinde beschrieben.
III. Der verborgene Wandel der Organisationskultur
Ende der 1970er-Jahre erreichte die Stasi das Maximum in Bezug auf ihren Ressourcenzuwachs und ihre »prophylaktische« Präsenz in der Gesellschaft: Die Organisation verfügte über rund 80 000 hauptamtliche Mitarbeiter, ein Netz von etwa 180 000 Informanten und anderen »inoffiziell« verpflichteten Zuarbeitern. Diese Expansion erfolgte zwar im Verborgenen, aber in der Gesellschaft war das Bewusstsein vorhanden, dass der Staatssicherheitsapparat überall präsent war, wie ein »kratzendes Unterhemd«, wie es Jens Reich in einem 1987 im Westen veröffentlichten Tamisdat-Artikel treffend beschrieb.[24]
Einen wesentlichen Einfluss auf die in der DDR-Bevölkerung kursierenden Bilder von der Staatssicherheit hatten – neben persönlichen Erlebnissen mit den Repräsentanten des MfS bei Anwerbeversuchen oder Erkundungen über Nachbarn und Arbeitskollegen – das westdeutsche Radio und Fernsehen. Ihre Inhalte waren in dieser Phase durch die Auseinandersetzung des DDR-Staates mit der reformkommunistischen Dissidenz um Robert Havemann und Wolf Biermann sowie Rudolf Bahro geprägt. Die Verhaftungswelle nach der Ausbürgerung Biermanns hatte starken Einfluss auf das Bild von der Staatssicherheit, später noch verstärkt durch die eindrücklichen Haftberichte der in den Westen abgeschobenen Anhänger Biermanns.[25] Damit war die »weiße Folter« in der Stasi-Untersuchungshaft auf den Kanälen der Westmedien präsent. Ungefähr zur gleichen Zeit gingen auch zahlreiche Berichte über festgenommene oder in die DDR zurückgezogene DDR-Spione durch die Medien, erst der prominente Fall des Kanzleramtsspions Günter Guillaume, dann eine Reihe von Mitarbeiterinnen Bonner Ministerien, die per Rasterfahndung ins Visier von Polizei und Verfassungsschutz geraten waren. Die Schlagzeilen unterstrichen das Image der Staatssicherheit als einem der leistungsfähigsten Geheimdienste der Welt – oder wie es Richard Meier, der Chef der westdeutschen Spionageabwehr, 1979 mit einem gewissen Understatement anerkennend formulierte: »Der Stasi ist kein leichter Gegner«.[26]
In den folgenden Jahren entwickelten sich jedoch neue Spannungen und Problemfelder. Durch den Ausbau des Apparats und das sukzessive Ausscheiden seiner Gründungsmitglieder wurde der Anteil derjenigen Offiziere, die im »Klassenkampf« der 1950er-Jahre direkt mit den sowjetischen Instrukteuren zusammengearbeitet hatten, immer kleiner. Mit dem schrittweisen Abdanken der Gründergeneration aus dem MfS verschob sich der Horizont des Selbstverständnisses. Dies war kein harter Bruch, sondern ein schrittweiser Wandel vom persönlichen Erfahrungswissen zur Traditionsbindung aus zweiter und dritter Hand.[27] Die mittlere Generation von MfS-Mitarbeitern, die von den Jugenderinnerungen der 1950er-Jahre geprägt war und mittlerweile die höheren Ränge des Ministeriums besetzte, holte nun verstärkt ihre Söhne in den Dienst.[28] Bei aller Betonung der alten tschekistischen Tugenden ergab sich aus den politischen und lebensweltlichen Rahmenbedingungen des MfS-Dienstes dieser Phase eine Kaderprägung, die für den risiko- und entbehrungsbereiten Kämpfer weit weniger Raum ließ als für einen Nachwuchs, der über die typisch staatssozialistische Mischung von Subalternität und Machtbewusstsein verfügte. Damit prägte zunehmend ein »beamtenhaftes« Statusdenken die Dienstauffassung, verbunden mit dem Wissen um die materiellen Privilegien, die der Einstieg beim MfS mit sich brachte.
Die Akzentverschiebungen in der Bewusstseinslage registrierten Mitarbeiter aufmerksam. So heißt es in einer internen Studie zur Personalentwicklung aus dem Jahr 1975: »In der Zeit des ›kalten Krieges‹ und ganz besonders der offenen Grenzen nach Westberlin wurde der politisch-operative Mitarbeiter auf Linie II [Spionageabwehr] in seiner politisch-operativen Arbeit öfter unmittelbar mit dem Feind konfrontiert. Die Zahl der festgenommenen Spione und Agenten war hoch, die Angehörigen haben öfter dem personifizierten Feind gegenübergestanden, als das in der gegenwärtigen Klassenkampfsituation der Fall ist und sein kann. Damals, als er glaubte stark genug zu sein, um die DDR frontal angreifen zu können, zeigte der Feind auch in der subversiven Tätigkeit sein brutales, offen feindliches Gesicht. [...] Das muss durch geeignete Formen der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit bei den jungen Angehörigen ausgeglichen werden. [...] Den jungen politisch-operativen Mitarbeitern fehlen nicht nur Klassenkampferfahrungen, sondern allgemein politisch-operative und Lebenserfahrungen. [...] Das reale Feindbild muss für alle Angehörigen verstandsmäßig begründet und gefühlsmäßig durchdrungen sein. [...] Für die Entwicklung des Feindbildes kommt es darauf an, das Gefühl des Hasses auf den imperialistischen Klassenfeind, Misstrauen für alle seine Worte und Taten, Abscheu und Zorn gegenüber seinen Verbrechen an der Menschheit und das Gefühl der Klassenwachsamkeit zu wecken.«[29]
Ein altgedienter Mitarbeiter erinnerte sich später an den schleichenden Wandel: »Vielleicht klingt es nicht sehr klug, wenn ich moniere, dass in der Folgezeit [seit Anfang der siebziger Jahre] zu viele Intellektuelle zu uns kamen. Was ich damit meine, werde ich zu erklären versuchen. Mich hatte mein Parteisekretär zum MfS geschickt und wir waren eine verschworene Gemeinschaft, in der sich jeder über den Erfolg des anderen freute. Nun kamen junge Leute, die zwar studiert hatten, aber denen es – aus meiner Sicht – oft an der inneren Einstellung fehlte, die für unsere Arbeit unumgänglich war. Für sie war die Tätigkeit schon fast ein ›Job‹.«[30]
Privilegien allein konnten den weltanschaulichen Legitimationskern des Tschekismus nicht stabilisieren. Minister Erich Mielke war sich dieses Umstandes wohl bewusst und forderte kategorisch, aber ein bisschen hilflos, die Besinnung auf alte Werte: »Notwendig ist [die] Verstärkung der politisch-ideologischen und erzieherischen Arbeit im MfS. [Es] geht nicht an, mit Schlagworten zu arbeiten, sondern mehr innere Überzeugung und konsequente Parteilichkeit aus dem Innern heraus ist notwendig. [...] Es gilt, die alte kommunistische Einstellung wieder zu schaffen (Vergleich mit Bemühungen der KPdSU, ist auch hier noch längerer Prozess). [...] [Die] Genossen müssen stärker gegen westliche Einflüsse immunisiert werden.«[31]
Doch private Interessen und materielle Vorteile gewannen an Stellenwert: »Auf Parteiversammlungen im MfS wurde laut ›Wir Tschekisten‹ gerufen, aber beim Rausgehen dachte man schon an der Tür: Wo krieg’ ich den Grill her, wo die Holzkohle für das Wochenende auf der Datsche?«,[32] so ein ehemaliger Offizier der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe. Auch ein Oberleutnant der Militärabwehr (Jahrgang 1953) erinnert sich: »Aus heutiger Sicht sage ich mir, je wackliger das System wurde, desto mehr war es angewiesen auf Massenanwerbungen und Versprechungen aus materieller Sicht, Geld, Studium, Karriere.«[33]
IV. Die relative Zivilisierung des Systemkonflikts
Die entscheidende Herausforderung für das MfS bestand darin, Wachsamkeit und Kampfbereitschaft unter den Bedingungen einer ziviler werdenden Konfliktkultur zwischen Ost und West fortzuschreiben. Die offene Gewaltförmigkeit des »europäischen Bürgerkriegs« bis 1945,[34] aber auch die direkten Konfrontationen des Kalten Kriegs bis zur Kuba-Krise 1962 bestimmten nicht mehr dominant die Lebenswelt der MfS-Mitarbeiter. Umso wichtiger war es, das Feindbilddenken auch und gerade im Umfeld von Entspannungspolitik und blockübergreifender Verständigung aufrechtzuerhalten und mit Beispielen für die fortdauernde Bedrohung zu füttern.
Als der wirtschaftliche Druck zunahm und die DDR immer abhängiger von westlicher Hilfe wurde, stellten die Zugeständnisse an die westliche Menschenrechtspolitik, die die DDR im KSZE-Prozess machte, zunehmend die Narrative infrage, die der Stasi-Mission zugrunde lagen, einschließlich des Konzepts der »außerordentlichen Gewalt«.[35] Das Haftregime verlor grundsätzlich nichts von seiner Härte und von den dabei eingesetzten psychischen Zwangsmitteln. Allerdings fühlten sich das Gefängnispersonal und die Vernehmer durch die Wellen, die die Biermann-Affäre schlug, unter Druck. Der damit verbundene öffentliche Aufruhr hatte Folgen: Die in den Publikationen von Jürgen Fuchs angeprangerten Methoden des psychischen Drucks waren in seinem und anderen Fällen aus MfS-Sicht nicht besonders erfolgreich gewesen. Intern war sogar von einer »weichen Welle« im Umgang mit den Häftlingen der Biermann-Proteste die Rede, die das Personal verunsichere. Zudem erwiesen sich die Untersuchungshäftlinge generell als selbstbewusster und begannen, sich durch Vorbereitung und gegenseitige Informationen besser auf die Haftsituation vorzubereiten, was die Verhörtechniken zu unterlaufen begann.[36] Während die DDR noch jährlich etwa 2000 bis 3000 politische Straftäter inhaftierte (von denen die meisten versucht hatten, in den Westen zu fliehen oder ihre Ausreise voranzutreiben), wurden diese Gefangenen nicht mehr hingerichtet oder zu langen Haftstrafen verurteilt, sondern in der Regel nach ein bis zwei Jahren in den Westen verkauft.[37] In der Folge fühlten sich die Vernehmer in ihrer Aufgabe degradiert. Damit verknüpft war eine immer stärkere Betonung formal korrekter Behandlung, die bei den jüngeren Jura- und Kriminalistik-Absolventen der zivilen Universitäten vermehrt zu beobachten war.
Es ist dieser Kontext, auf den Minister Mielke bei einem Treffen mit der Stasi-Führung im Jahr 1982 mit dem alten tschekistischen Reflex reagierte, als er sagte: »Wenn wir nicht gerade jetzt hier in der DDR wären […], wenn ich so in [der] glücklichen Lage wäre wie in der Sowjetunion, dann würde ich einige erschießen lassen. Revolutionäre Gesetzlichkeit, damit ihr wisst, nicht etwa den Prozess machen, so meine ich [das].«[38] Die Legitimität der »außerordentlichen Intervention« – einschließlich des staatlich sanktionierten Mordes – erodierte in der politischen Realität der späten DDR nach und nach. In den internen Diskursen standen die Potenziale tschekistischer Legitimation in Konkurrenz mit der prägenden Kraft einer durch die Westmedien in die DDR importierten, in die Handlungsentscheidungen der SED-Führung hineinwirkenden Vermeidungsstrategie – zumindest faktisch. Die Option auf direkte Gewaltakte jenseits der »sozialistischen Gesetzlichkeit« war für das Selbstverständnis des MfS weiterhin essenziell. Aber sie war zunehmend verkapselt und in die Traditionspflege verlagert, kam nur noch selten als konkrete Handlungsstrategie in Betracht.
V. Die öffentliche Wahrnehmung in den 1980er-Jahren
Die schwindende Strahlkraft der Stasi zeigte sich in der Darstellung des Geheimdienstes und der von ihm bekämpften Feinde in den ostdeutschen Medien. 1981 wurde der letzte ostdeutsche Fernsehfilm über die Auslandsspionage unter dem Titel »Feuerdrachen« ausgestrahlt.[39] Im Mittelpunkt des Mehrteilers steht ein Komplott des Mossad, der mithilfe des westdeutschen Geheimdienstes und der CIA Uran nach Israel schmuggeln will; natürlich wird das Komplott von Stasi-Agenten aufgedeckt. Der Film knüpft an die Optik zeitgenössischer Hollywood-Produktionen an, einschließlich von Drehorten im Westen. Nicht zuletzt bediente er sich deutlich antisemitischer Stereotype von jüdisch-kapitalistischen Politikern. Unter dem Druck der wachsenden finanziellen Abhängigkeit von der Bundesrepublik und dem Bestreben des Parteichefs Erich Honecker um Anerkennung unterließ das DDR-Fernsehen danach solche »Kundschafterfilme«.[40] Auch eine Reihe zur inneren Feindbekämpfung in den 1950er-Jahren stieß auf Widerstand: MfS-Filmspezialisten gingen davon aus, »dass diese Stoffe zurzeit nicht gewollt sind [...]. ›Man sei nicht an einer Aufarbeitung des Kalten Krieges interessiert, dies störe die gegenwärtige Politik‹«, beschrieben sie die Haltung in ZK und Chefetage des DDR-Fernsehens.[41] An ihre Stelle traten Repräsentationen von MfS-Mitarbeitern als kriminalpolizeinahe Ermittler, die professionell und kooperativ ihre Fälle lösten.[42]
In der Zeitung Neues Deutschland wurde der Staatssicherheitsapparat fast ausschließlich in Zusammenhängen der repräsentativen Politik erwähnt, etwa in Artikeln über die Beförderung von Generälen, während die Rolle der Stasi bei der Suche nach »Spionen« und »Feinden«, die zuvor immer eine herausragende Rolle gespielt hatte, kaum noch zur Sprache kam. Auffällig ist daneben ein Artikel unter dem Titel »Junge Tschekisten kamen mit gewichtigen Taten«, der über ein »Kampfmeeting« der FDJ-Organisation im MfS mit dem Minister Erich Mielke anlässlich des Nationalen Jugendfestivals im Juni 1984 berichtet. Der Artikel folgt durchweg den Regeln der rituellen öffentlichen Repräsentation: »Eindrucksvoll unterstrichen die jungen Mitarbeiter des MfS die Bereitschaft und Entschlossenheit, mit Elan und hoher Einsatzbereitschaft vorbildliche Ergebnisse für die Sicherung der Arbeiter-und-Bauern-Macht zu erzielen, als junge Revolutionäre ihr Bestes für die Sache des Sozialismus und des Friedens zu geben«, heißt es.[43] Dass überhaupt die »jungen Tschekisten« zum Thema gemacht wurden, erklärt sich offenkundig aus dem Nachwuchsmangel des MfS aufgrund des Unwillens von Jugendlichen, ihre Westkontakte aufzugeben und sich der Disziplin des Geheimapparates zu unterwerfen.
Im Kontrast dazu hatte die DDR die Hoheit über die Berichterstattung über oppositionelle »Feindtätigkeit« fast ganz aufgegeben: Nach der Verhaftung von Dissidenten der Initiative Frieden und Menschenrechte sowie von Ausreiseantragstellern im Umfeld der staatlichen Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 1988 war in einer dürren Meldung nur von den »zuständigen Organen der DDR« die Rede, die diese wegen »landesverräterische[r] Beziehungen« inhaftiert hätten.[44] Wer wissen wollte, was geschehen war, informierte sich in Westradio und -fernsehen. Langfristig hatte sich auch die Sprache der Parteizeitung insgesamt verändert. Traditionelle Schlagworte aus dem Kontext der Staatssicherheit, wie »Wachsamkeit« und »Feinde«, verloren in zwei Schüben, nach 1968 und dann wieder ab 1980, immer mehr an Bedeutung.
VI. Perestroika und die finale Krise 1985–1989
Das Konzept des Tschekismus und der Verweis auf die (Waffen-)Brüderschaft mit dem KGB verlor weiter an Kontur, als der KGB unter Gorbačёv gezwungen war, seine Rolle in öffentlicher Diskussion und Kritik neu zu definieren. Sowohl die sowjetische Öffnung als auch die Westpolitik der SED und das gemeinsam mit der westdeutschen Sozialdemokratie verfasste Papier »Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit« vom August 1987 waren mit öffentlichen Absichtserklärungen zum Verzicht auf Feindbilder verbunden.[45] Die eingeführte Sicherheitskultur wurde damit inkonsistent, ohne dass SED- und MfS-Führung in der Lage gewesen wären, sie auf neuer Basis zu reformulieren. Die SED-Führung war sich dieser Inkonsistenz offenbar durchaus bewusst, wusste aber keinen Ausweg außer der Proklamation des »Sozialismus in den Farben der DDR«.
Das Themenheft der SED-Theoriezeitschrift Einheit unter eben dieser Überschrift vom Juni 1989 deutete eine Distanzierung vom sowjetischen Modell auf dem Gebiet der Staatssicherheit nur an: Der Leiter der SED-Akademie für Gesellschaftswissenschaften Otto Reinhold hielt darin fest, dass es ein »allgemeingültiges Modell des Sozialismus nicht gibt und nicht geben kann«.[46] Mit Blick auf die Feindtätigkeit und ihre Bekämpfung betonte er, dass die DDR (wie er offenbar meinte: im Gegensatz zur Sowjetunion) den Sozialismus an der »Trennungslinie der beiden Gesellschaftssysteme« gestalte und diese Tatsache »auch in Zukunft folgenreich« sein werde.[47] Der SED-Jurist Michael Benjamin erinnerte daran, dass »Verfassungstreue als oberstes Prinzip für jeden Bürger unabdingbar [...] ist« und dass »allen Versuchen, subjektive Rechte gegen den Sozialismus zu missbrauchen [...], entschieden entgegengetreten« werde.[48]
Die Einheit rundete diesen Versuch, die alte Sicherheitsdoktrin unter dem Deckmantel der »Farben der DDR« zu reformulieren, mit der demonstrativen Aufnahme eines Artikels des sowjetischen Militärhistorikers Machmut A. Garelov ab. Er beschwor darin unter dem Titel »Woher kommt die Gefahr?« die Bedrohung durch einen von den USA dominierten Westen.[49]
So hielt die DDR bis zum Zusammenbruch des Ostblocks 1989 an der traditionellen Sicherheitsdoktrin fest, konnte sie aber aufgrund ihrer schmaler werdenden politischen und wirtschaftlichen Spielräume nicht mehr kohärent anwenden. Zu erkennen ist eine sukzessive Sklerotisierung des Tschekismus als handlungsleitende Doktrin, die mit ihrer Kampfesrhetorik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend anachronistisch wurde und einer Haltung der Besitzstandswahrung Platz machte.
Der Dzierżyński-Kult, der in wachsendem Umfang zur Kompensation betrieben wurde, erreichte die Mitarbeiter offenbar kaum. Aus der Entspannungspolitik und der Rücksichtnahme der SED-Führung im Umgang mit prominenten Dissidenten und Oppositionellen ergab sich eine zunehmende Frustration der Offiziere, deren unablässig geforderte Dienstbereitschaft kaum noch zu nachhaltigen Erfolgen führte. Zudem entging auch den MfS-Mitarbeitern nicht, dass das sozialistische System ökonomisch und politisch in eine Sackgasse geraten war.
VII. Der gescheiterte Übergang zum Postkommunismus
Insgesamt ergibt sich also das Bild einer äußerlich stabilen, aber in seiner inneren Funktionsweise nur noch eingeschränkt wirksamen Sicherheitskultur des Tschekismus. Die Routinen des Überwachungsstaates gegen die aufbegehrenden Bürger liefen zunächst weiter, aber in der Konfrontation mit den Massendemonstrationen im Oktober 1989 fand sich innerhalb des MfS-Apparates keine lenkende Kraft, die einen Gegenschlag zu organisieren und führen bereit gewesen wäre. Das MfS-Personal geriet vielmehr unter dem Druck der massiven Forderungen nach einer Auflösung der Geheimpolizei in einen Strudel fortschreitender Anpassungsversuche ihrer Aufgabenverständnisse und der damit einhergehenden Bilder von Feinden und Volk.[50]
Diese Orientierungsversuche erfolgten meist unter Rückgriff auf legalistische Selbstversicherungen. Die MfS-Offiziere suchten Halt in vermeintlich unstrittigen, »rechtsstaatlichen« Referenzen wie der Berufung auf Verfassung und Gesetze der DDR. Gängig war nun auch der Verweis auf die Legitimität westlicher, »imperialistischer« Geheimdienste, wie die Ämter für Verfassungsschutz in Westdeutschland – eine Gleichsetzung, die gerade aufgrund der Überhöhung des Tschekismus noch kurz zuvor verpönt war. Dort, wo die Staatssicherheit offenkundig die »Gesetzlichkeit« verletzt hatte, gingen damit Rückzug und Selbstkritik sowie eine Distanzierung von der »Sicherheitsdoktrin« der »führenden« Partei einher, die unzulässigerweise politische Auseinandersetzungen mit geheimpolizeilicher Verfolgung ersetzt hätte. Alle diese Versuche, der Institution als Ganzes neuen Halt zu geben, scheiterten bekanntlich und endeten im Beschluss des Ministerrates der DDR vom Januar 1990, das Ministerium vollständig aufzulösen.
Seiner institutionellen Hülle beraubt, entwickelte sich der traditionelle Tschekismus unter den sich selbst überlassenen – nun ehemaligen – MfS-Mitarbeitern in neue Richtungen. Sie wurden später teilweise von sowjetischen Tschekisten inspiriert, denen es gelang, ihr Selbstverständnis zu »entkommunisieren« und unter der Ägide des neuen autoritären Staates in Russland neu zu beleben. Während die Vereinigung mit Westdeutschland solchen Bestrebungen in Ostdeutschland schnell ein Ende bereitete, bleibt es aufschlussreich zu beobachten, wie der revolutionäre Kommunismus in den Weltanschauungen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter durch abgewandelte Selbst- und Berufsverständnisse ersetzt wurde. Konkret lassen sich in den Debatten nach 1990 drei Umdeutungen des ostdeutschen Tschekismus bei ehemaligen Stasi-Mitarbeitern erkennen.
Die erste Reaktion war – wenn auch isoliert – die Rückbesinnung auf das Erbe Lenins und Dzierżyńskis. Diese Interpretationslinie, die dem Dzierżyński-Kult des Poststalinismus nach 1956 ähnelte, vertrat Wolfgang Hartmann, ein ehemals in Westdeutschland stationierter MfS-Agent, in seinem Artikel »Das Erbe Dzierzynskis – oder weshalb seine Nachdenklichkeit abhanden kam«, publiziert in der Theoriezeitschrift der PDS. Der Artikel hebt Dzierżyńskis angebliche Bemühungen um eine humane und milde Behandlung von Gefangenen sowie die Sorge um den Niedergang der Tscheka-Organisation hervor. Hartmann zitiert Aussagen von Dzierżyńskis Frau Zofia über dessen »Sensibilität« und fragt: »War in unser Denken auch die Nachdenklichkeit Dzierzynskis eingegangen, mit der er die immanenten Gefahren der Entartung eines Apparates sah, welcher mit so großer Macht ausgestattet war?« [51] Dieser Appell an ehemalige Stasi-Mitarbeiter ist vor allem interessant, weil er auf keinerlei Resonanz stieß. Es gab offenbar keinen Weg zurück zum »reinen« Idealismus der kommunistischen Revolution. Lenin und Dzierżyński waren tot – zumindest im offiziellen Diskurs der ehemaligen Stasi-Offiziere.
Eine zweite Variante kann als »Business-Tschekismus« bezeichnet werden. Ihn verkörperten Mitarbeiter aus dem Netz von Außenhandel und MfS, die seit den 1970er-Jahren in die Beschaffung von Devisen für die DDR involviert waren. Diese ehemaligen MfS-Mitarbeiter nutzten ihr kulturelles und soziales Kapital als Tschekisten für eine enge Zusammenarbeit mit russischen Unternehmen und arbeiteten später als Repräsentanten für Firmen wie Gazprom und Nord Stream 2 in Deutschland. Der mittlerweile prominenteste Vertreter unter ihnen ist Matthias Warnig, der die Energiepolitik Putins im engen Austausch mit den jeweiligen Bundesregierungen umsetzte.[52] Sie können mithin als deutscher Ableger des neuen, großrussisch-imperialen Tschekismus interpretiert werden, der heute die KGB-Netzwerke um den Autokraten Vladimir Putin prägt.[53]
Eine dritte Variante war die retrospektive Interpretation der eigenen MfS-Tätigkeit als »normales« staatliches Handeln; also gerade die Negierung eines besonderen kommunistischen Geistes. Diese Reaktion war besonders für jüngere Offiziere typisch, die eine starke staatliche Autorität befürworteten und nun vor allem ihre Professionalität als Polizisten, Leibwächter und Geheimdienstler betonten. Nur für eine Minderheit (von etwa 2000 der zuletzt rund 91 000 MfS-Mitarbeiter) ebnete diese Neuinterpretation ihres Selbstverständnisses den Weg in den Dienst der westdeutschen Sicherheitskräfte. Solche ehemaligen Stasi-Mitarbeiter fanden bei ihren westdeutschen Kollegen auch deshalb regelmäßig Anerkennung, weil sie sich als loyal und zugleich fachlich kompetent präsentierten.[54] Der größere Teil hatte jedoch mit dem äußerst negativen Ruf der DDR-Staatssicherheit im vereinigten Deutschland zu kämpfen und war auf eine berufliche Zukunft im privatwirtschaftlichen Sektor angewiesen, unter anderem in der Sicherheitsbranche.
Diese Variationen eines postkommunistischen Tschekismus bedürften einer genaueren Analyse. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei vor allem um Reaktionen im Streben nach beruflicher Zukunftssicherung handelte. Aber die »Dekommunisierung« des eigenen Selbstverständnisses lässt sich nicht auf eine solche reine Zweckanpassung reduzieren. Sie verweist auf die anderen Traditionsbestände der tschekistischen Sicherheitskultur jenseits der marxistisch-leninistischen Ideologie. Wie die massive Unterstützung ehemaliger MfS-Angehöriger für ihren früheren »Waffenbruder« Vladimir Putin und den russischen Krieg gegen die Ukraine zeigt, konnte und kann man auch jenseits der kommunistischen Ideologie weiterhin leidenschaftlicher Tschekist sein.[55]
VIII. Fazit
Die Entwicklung der tschekistischen Organisationskultur des Ministeriums für Staatssicherheit in den anderthalb Jahrzehnten vor dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems zeigt auf den ersten Blick ein hohes Maß an demonstrativer ideologischer Kontinuität, auf den zweiten Blick jedoch einen subkutanen Wandel. In Reaktion auf politische Entwicklungen, aber auch Verschiebungen in den mentalen Anforderungen an den Beruf des kommunistischen Geheimpolizisten änderten sich die offiziellen und informellen, internen und öffentlichen Diskurse und Legitimationen. Der spätsozialistische Tschekismus war im Falle der DDR geprägt von einer »ultrastabilen« Verfestigung des Sicherheitsregimes bei fortschreitendem Handlungs- und Sinnverlust seiner Mitarbeiter und Erosionserscheinungen in der öffentlichen Repräsentation der »Feindbekämpfung«. In den Reihen der Staatssicherheit lässt sich zudem eine fortschreitende Umwertung der verschiedenen Legitimationselemente erkennen, die sich mit dem Zerfall der alten Ordnung in eine etatistische Ideologie des geheimpolizeilichen und geheimdienstlichen Professionalismus transformierte.
[1] Siehe Jens Gieseke: Ideologie, tschekistische, in: Roger Engelmann u. a. (Hg.): Das MfS-Lexikon. Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR, Berlin 2016, Online-Version: www.stasi-unterlagen-archiv.de/mfs-lexikon/detail/ideologie-tschekistische/ (ges. am 6. September 2022). Für eine breitere Diskussion des Konzepts siehe Jens Gieseke: The Post-Stalinist Mode of Chekism. Communist Secret Police Forces and Regime Change after Mass Terror, in: Securitas Imperii 37 (2020), H. 2, S. 16–37, securitas-imperii-journal.com/wp-content/uploads/2021/02/SI_37_s16-37-1.pdf (ges. am 6. September 2022). Mein Dank für kritische Diskussionen geht an Tomas Sniegon, Amir Weiner, Nikita Petrov und die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Panels »The Ideology of Chekism from the Cold War Soviet Bloc to Putinʼs Russia« auf der ASEEES Convention in San Francisco 2019 sowie an die Arbeitsgruppe »Cultures of Surveillance« des EU-Netzwerks NEP4Dissent, besonders an Muriel Blaive und José Maria Faraldo.
[2] Für Einzelheiten zu diesen Aspekten siehe Jens Gieseke: Die Sichtbarkeit der geheimen Polizei. Zur öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung der Staatssicherheit im DDR-Alltag, in: Helge Heidemeyer (Hg.): »Akten‑Einsichten«. Beiträge zum historischen Ort der Staatssicherheit, Festschrift für Roger Engelmann zum 60. Geburtstag, Berlin 2016, S. 100–117; Andreas Kötzing (Hg.): Bilder der Allmacht. Die Staatssicherheit in Film und Fernsehen, Göttingen 2018; siehe auch das AHRC-Projekt »Knowing the Secret Police« von Anselma Gallinat, Sara Jones und Joanne Sayner, Newcastle/Birmingham; siehe auch die Filmdokumentation »The Open Secret« von Nick Jordan und Jacob Cartwright, 2022, verfügbar auf Vimeo: vimeo.com/694940535.
[3] Der Begriff geht zurück auf die Analyse informeller Diskurse in Polizeiformationen; siehe Rafael Behr: Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei, 2. Aufl. Wiesbaden 2008.
[4] Siehe Martin Wieser: IM-Arbeit und das Problem der »Verbrüderung«. Überlegungen zum Verhältnis von Norm und Praxis der Operativen Psychologie, in: Andreas Maercker/Jens Gieseke (Hg.): Psychologie als Instrument der SED-Diktatur. Theorien – Praktiken – Akteure – Opfer, Göttingen/Bern 2021, S. 129–145.
[5] Siehe Burkard Sievers: Geheimnis und Geheimhaltung in sozialen Systemen, Opladen/Wiesbaden 1974, S. 19–35.
[6] Siehe Gieseke: Die Sichtbarkeit der geheimen Polizei (Anm. 2); Stefan Wolle: Leben mit der Stasi. Das Ministerium für Staatssicherheit im Alltag, in: Helga Schultz/Hans-Jürgen Wagener (Hg.): Die DDR im Rückblick. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Berlin 2007, S. 79–91.
[7] Siehe die Narrative in Uwe Krähnke u. a.: Im Dienst der Staatssicherheit. Eine soziologische Studie über die hauptamtlichen Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes, Frankfurt a. M. 2017.
[8] Siehe für die Sowjetunion: Julie Fedor: Russia and the Cult of State Security. The Chekist Tradition, From Lenin to Putin, London 2011. Für das MfS: Jens Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit. Personalstruktur und Lebenswelt 1950–1989/90, Berlin 2000, S. 197–220.
[9] Siehe für den internationalen Kontext: Alexei Yurchak: Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, New Haven 2005. Stephen Kotkin/Jan T. Gross: Uncivil Society. 1989 and the Implosion of the Communist Establishment, New York 2009.
[10] Siehe Pavel Kolář: Der Poststalinismus. Ideologie und Utopie einer Epoche (= Zeithistorische Studien, Bd. 57), Köln u. a. 2016.
[11] Rede von Wilhelm Zaisser auf dem 15. Plenum des ZK der SED, 24.–26.7.1953; Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (im Folgenden: SAPMO-BArch), DY 30 IV 2/1/119, S. 187–201, hier S. 190.
[12] Siehe Erich Mielke: Kompromissloser Kampf gegen die Feinde des Friedens und des Sozialismus, in: Neues Deutschland vom 8. Februar 1970, S. 4; Glückwünsche an J. W. Andropow. Telegramm zum 60. Geburtstag, in: Neues Deutschland vom 15. Juni 1974, S. 1; Zentralkomitee gratuliert Genossen Erich Mielke. Herzlicher Glückwunsch zum 70. Geburtstag, in: Neues Deutschland vom 28. Dezember 1977, S. 1.
[13] Siehe Fedor: Russia and the Cult of State Security (Anm. 8).
[14] Aus diesem Genre: »Menschen, ich habe euch geliebt – seid wachsam!« Erinnerungen an Robert Korb, o. O. 1981; Gustav Szinda: Das Leben eines Revolutionärs – Gustav Szinda erinnert sich. Aufgeschrieben von Helmut Sakowski, Leipzig 1989.
[15] Siehe [Kein Autor] Rededisposition für Dienstversammlungen zum 100. Geburtstag F. E. Dzierzynskis 1977, Bundesarchiv (im Folgenden: BArch), MfS, ZAIG 4776.
[16] Ebd., S. 8.
[17] Ebd., S. 15.
[18] Ebd., S. 9 und 11.
[19] Ebd., S. 29 f.
[20] Ebd., S. 31.
[21] Ebd., S. 20–28.
[22] Ebd., S. 28 f.
[23] Tatsachen – Personen – Hintergründe, Dokumentation der Presseabteilung des Ministeriums für Staatssicherheit: Geboren im Feuer der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. 70 Jahre Kampf sowjetischer Tschekisten für den Frieden und die Sicherung des Sozialismus, o. O. 1987.
[24] Jens Reich: Sicherheit und Feigheit – der Käfer im Brennglas, in: Walter Süß/Siegfried Suckut (Hg): Staatspartei und Staatssicherheit. Zum Verhältnis von SED und MfS, Berlin 1997, S. 25–37. Zuerst 1989 veröffentlicht unter dem Pseudonym Thomas Asperger in: Lettre international (Sommer 1989), H. 5.
[25] Siehe Jürgen Fuchs: Vernehmungsprotokolle. November '76 bis September '77, Reinbek 1978.
[26] Paul Lersch: »Der Stasi ist kein leichter Gegner«. Spiegel-Gespräch mit Verfassungsschutz-Präsident Meier und Abteilungsleiter Hellenbroich, in: Der Spiegel, Nr. 12 vom 18. März 1979, S. 27–33.
[27] Siehe die Statements in: Gisela Karau: Stasiprotokolle. Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern des »Ministeriums für Staatssicherheit« der DDR, Frankfurt a. M. 1992. Ariane Riecker u. a.: Stasi intim. Gespräche mit ehemaligen MfS-Angehörigen, Leipzig 1990. Christina Wilkening: Staat im Staate. Auskünfte ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, Berlin/Weimar 1990.
[28] Der Klarheit halber sei darauf verwiesen, dass die männliche Form hier bewusst gewählt wurde. Die intergenerationelle Rekrutierung vollzog sich vorwiegend unter den rund 85 Prozent männlichen MfS-Mitarbeitern.
[29] Rolf Bauer/Wolfgang Härtling: Diplomarbeit an der Juristischen Hochschule (JHS) Potsdam-Eiche 1975. »Einige Gesichtspunkte für die klassenmäßige Erziehung politisch-operativer Mitarbeiter des MfS, insbesondere der Linie II unter den neuen politisch-operativen Lagebedingungen«, BArch, MfS, GVS JHS MF 74/75.
[30] Hans Hesse: Ich war beim MfS, o. O. 1997, S. 83 f. Der Offizier, geboren 1923 als Sohn eines Maurers und selbst gelernter Schlosser, war 1954 zum MfS gekommen und leitete von 1960 bis 1985 ein Referat der Abteilung II (Spionageabwehr) in der Bezirksverwaltung Cottbus.
[31] »Stichwortprotokoll der Ausführungen des Genossen Minister«, Kollegiumssitzung am 8. Juni 1983; BStU, MfS, SdM 1567, Bl. 48–57, hier Bl. 54.
[32] Zit. nach Anne Worst: Heisses Herz – kühler Verstand? Ein Leben im Dienst der Stasi, in: Bernd Wilczek (Hg.): Berlin – Hauptstadt der DDR 1949–1989. Utopie und Realität, Baden-Baden 1995, S. 113–135, hier S. 123 f.
[33] Gerd R., Oberleutnant, in: Karau: Stasiprotokolle (Anm. 27), S. 35–51, hier S. 37.
[34] Siehe Enzo Traverso: Im Bann der Gewalt. Der europäische Bürgerkrieg 1914–1945, München 2008.
[35] Siehe Douglas Selvage/Walter Süß: Staatssicherheit und KSZE-Prozess. MfS zwischen SED und KGB (1972–1989), Göttingen 2019.
[36] Siehe Karin Passens: MfS-Untersuchungshaft. Funktionen und Entwicklung von 1971 bis 1989, Berlin 2012, S. 147 und 198–212.
[37] Siehe Jan Philipp Wölbern: Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63–1989. Zwischen Menschenhandel und humanitären Aktionen, Göttingen 2013.
[38] Zitiert aus einem Tonbandmitschnitt von 1984, in: Joachim Walther (Hg.): Erich Mielke – ein deutscher Jäger, München 1995 (Audio-Kassette).
[39] »Feuerdrachen«. Fernsehproduktion, DDR 1981, Regisseur: Peter Hagen.
[40] Siehe Sebastian Haller: Unsicherheit als mediale Konstruktion. Die Repräsentation des Ministeriums für Staatssicherheit in den 1980er Jahren in Filmen des Fernsehens der DDR, in: Andreas Kötzing (Hg.): Bilder der Allmacht. Die Staatssicherheit in Film und Fernsehen, Göttingen 2018, S. 146–161.
[41] Zit. nach ebd., S. 150.
[42] Ebd., S. 156–161.
[43] »Junge Tschekisten kamen mit gewichtigen Taten. Kampfmeeting mit Armeegeneral Erich Mielke«, in: Neues Deutschland vom 9./10. Juni 1984, S. 4.
[44] »Ermittlungsverfahren wegen landesverräterischer Beziehungen«, in: Neues Deutschland vom 26. Januar 1988, S. 2.
[45] Siehe hierzu die Diplomarbeit eines Offiziersschülers: Uwe Hasenbein: Zum tschekistischen Feindbild und damit verbundene Probleme bei der Herausbildung des Berufsethos bei Offiziersschülern der Hochschule des MfS, BStU, MfS, JHS 21431, JHS April 1989.
[46] Otto Reinhold: Zur Gesellschaftskonzeption der SED, in: Einheit 44 (1989), H. 6, S. 483–489, hier S. 485.
[47] Ebd., S. 486.
[48] Michael Benjamin: Die Deutsche Demokratische Republik – ein sozialistischer Rechtsstaat, in: Einheit 44 (1989), H. 6, S. 532–537, hier S. 537.
[49] M. A. Garelow: Woher droht Gefahr?, in: Einheit 44 (1989), H. 6, S. 573–589. Die russische Originalversion war erschienen unter dem Titel: Otkuda Ugroza, in: Voenno-istoričeskij Žurnal (1989), H. 2, S. 16–25.
[50] Siehe Walter Süß: Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern, Berlin 1999.
[51] Wolfgang Hartmann: »Das Erbe Dzierzynskis« – oder weshalb seine Nachdenklichkeit abhanden kam. Persönliche Reflexionen und Fragen an Meinesgleichen, in: Utopie kreativ (1997), H. 83, S. 5–19, hier S. 6.
[52] Matthias Warnig, de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Warnig (ges. am 8. Juni 2022); »Gazprom-Manager wollte Berichte über falsche eidesstattliche Versicherung aus dem Internet löschen lassen«, www.energie-chronik.de/121111.htm (ges. am 8. Juni 2022); Jürgen Dahlkamp u. a.: Giftiger Cocktail, in: Der Spiegel, Nr. 35 vom 24. August 2008, online: www.spiegel.de/wirtschaft/giftiger-cocktail-a-0d479906-0002-0001-0000-000059403043-amp (ges. am 8. Juni 2022).
[53] Siehe das journalistische Porträt von Catherine Belton: Putin’s People. How the KGB Took Back Russia and Then Took on the West, London 2020; sowie Andrei Soldatov/Irina Borogan: The New Nobility. The Restoration of Russia’s Security State and the Enduring Legacy of the KGB, New York 2010.
[54] Siehe z. B. zur Integration von MfS-Absolventen des Kriminalistik-Studiums an der Humboldt-Universität in das Landeskriminalamt Brandenburg Thorsten Metzner/Peter Tiede: Politiker streiten über frühere Stasi-Leute beim LKA, in: Der Tagesspiegel vom 4. Juli 2009; zum Kontext Burghard Ciesla: Arglistige Täuschung. Ehemalige Stasi-Mitarbeiter in der Polizei des Landes Brandenburg nach 1990, Berlin 2016. Zur Debatte in der Gewerkschaft der Polizei siehe GdP-Bundeskriminalamt: Kreisgruppe BStU, www.gdp.de/gdp/gdpbka.nsf/id/DE_KG-BStU (ges. am 5. Juli 2022).
[55] Siehe Erklärung des Vorstandes der Gesellschaft für rechtliche und humanitäre Unterstützung, 1.3.2022; www.grh-ev.org/fileadmin/user_upload/GRH/Aktuelles/GRH.Erklaerung_zu_den_Ereignissen_in_der_Ukraine.pdf (ges. am 6. September 2022). Es gab jedoch auch einzelne Gegenstimmen, unter anderem vom langjährigen Sprecher des MfS-Insiderkomitees, Oberst Wolfgang Schmidt, Diskussionsbeitrag in: GRH-Information Nr. 1/2022, S. 14. Mitgliederversammlung der GRH, 5.3.2022, S. 24 f.; siehe www.grh-ev.org/fileadmin/user_upload/GRH/Informationen/Information_1-2022.pdf (ges. am 6. September 2022).