Die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelten gemeinhin als das »Goldene Zeitalter des Wohlfahrtsstaats« in der industrialisierten Welt, als die Periode des forcierten Ausbaus sozialpolitischer Programme, dem erst mit den wirtschaftlichen Krisen der 1970er-Jahre der Treibstoff ausging. In den gleichen Zeitraum fiel die Hochphase des Kalten Krieges zwischen dem um die Sowjetunion gruppierten Block staatssozialistischer Länder einerseits und dem kapitalistisch-demokratischen Westen unter der Ägide der Vereinigten Staaten andererseits. Was lag angesichts dessen näher, als die zeitliche Koinzidenz im Sinne einer kausalen Beziehung auszudeuten und von einem ursächlichen Wirkungsverhältnis von Ost-West-Gegensatz und Wohlfahrtsstaatsexpansion auszugehen? Dafür sprach zunächst die Plausibilität des unterstellten Wirkungsmechanismus: Der Systemwettbewerb – das war die zugrundeliegende Überlegung – habe auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs den Ausbau sozialpolitischer Leistungen vorangetrieben. Sowohl der Osten als auch der Westen hätten auf diese Weise ihren Bürgern die Überlegenheit des eigenen Systems vor Augen führen wollen, die Regimekonkurrenz habe sich nicht nur im militärischen Wettrüsten, sondern ebenso in einem Wettlauf um den besseren Wohlfahrtsstaat niedergeschlagen. Untermauert fand sich diese Sichtweise zudem durch zeitgenössische Zitate, die einen expliziten Nexus zwischen Systemkonkurrenz und Wohlfahrtsstaatsexpansion herstellten: Im deutschen Kontext galt das insbesondere für das immer wieder angeführte Diktum des SPD-Bundestagsabgeordneten Ludwig Preller, nach dem »im Kalten Kriege […] die Bataillone der besseren Sozialleistungen« entschieden.[1]
Auch von der historischen und politikwissenschaftlichen Forschung ist die Verbindungslinie zwischen Kaltem Krieg und Wohlfahrtsstaatsentwicklung immer wieder gezogen worden. Direkt nach dem Ende des Kalten Krieges – 1990 – hatte der bekannte britische Historiker Eric Hobsbawm resümiert, dass der Wohlfahrtsstaat und das steigende Niveau an sozialer Sicherheit für alle in den westlichen Industrieländern insgesamt »the result of fear« gewesen seien und dass dabei die Angst vor einer »alternative that really existed and could really spread, notably in the form of Soviet communism« eine zentrale Rolle gespielt habe. Ohne die kommunistische Bedrohung sei nicht zu erklären, warum die westlichen Eliten den Kapitalismus nur retten zu können glaubten, indem sie auf Sozialpolitik und einen höheren Lebensstandard für die Massen setzten: »Whatever Stalin did to the Russians, he was good for the common people of the West.«[2] Schon vorher hatte Christoph Kleßmann im Hinblick auf das geteilte Deutschland konstatiert, dass »sich viele soziale Errungenschaften« der frühen Bundesrepublik »nur aus der Systemkonkurrenz mit der DDR und aus entsprechenden Legitimationsbedürfnissen herleiten« ließen.[3] Nach der Jahrtausendwende fügte sich die Vorstellung einer beidseits des Eisernen Vorhangs durch den Regimewettbewerb vorangetriebenen Sozialstaatsentwicklung vorzüglich in den Interpretationsrahmen der in den letzten beiden Jahrzehnten florierenden »Cold War Studies« ein, die davon ausgingen, dass kaum ein Bereich von Gesellschaft, Politik und Kultur vom Kalten Krieg unbeeinflusst geblieben war.[4] Schließlich konnten Herbert Obinger und Carina Schmitt in einer ökonometrischen Analyse auf der Grundlage eines größeren Ländersamples empirische Belege für einen Wohlfahrtsstaatswettlauf der beiden konkurrierenden Systeme finden.[5]
Dennoch wurde der unterstellte Wirkungszusammenhang von Kaltem Krieg und Wohlfahrtsstaatsausbau weit häufiger behauptet als am konkreten historischen Beispiel gezeigt – Studien, die eine direkte oder indirekte Auswirkung der Regimekonkurrenz auf den sozialpolitischen Entscheidungsprozess nachweisen, sind nach wie vor Mangelware. Der vorliegende Artikel versteht sich angesichts dessen als ein bescheidener Beitrag zur Verkleinerung dieser Forschungslücke. Er fragt nach der Bedeutung des Systemwettbewerbs für die Entwicklung der sozialstaatlichen Sicherungsarrangements in einem begrenzten historischen Fall: der Rentenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in den 1950er- bis 1970er-Jahren. Damit verbindet er einen vergleichenden Zugriff mit dem Fokus auf grenzüberschreitende Wechselwirkungen, die im deutsch-deutschen Fall üblicherweise als besonders ausgeprägt gelten dürfen, da sich der Kalte Krieg hier in einem gespaltenen Land abspielte, dessen beiden Teile sich permanent gegenseitig beobachteten und in vielfacher Weise aufeinander reagierten. Die Alterssicherung ist für eine derartige Untersuchung in besonderer Weise geeignet, weil sie, erstens, in beiden Staaten ein zentrales sozialpolitisches Problemfeld darstellte, das ganz ähnlich strukturiert war: In beiden Fällen war die Absicherung im Alter eine Kernaufgabe des Sozialstaats. Das galt für andere Risiken nicht: In der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik etwa bildete die Arbeitslosigkeit eine Herausforderung, die vom Wohlfahrtsstaat »nachsorgend« bearbeitet wurde, während sie in der »sozialistischen Arbeitsgesellschaft« der DDR mit ihrer staatlichen Arbeitsplatzgarantie gar nicht als sozialpolitisches Problem existierte.[6] Zweitens bietet der deutsch-deutsche Vergleich der Alterssicherungsproblematik für einen komparatistischen Zugriff auch deshalb besonders günstige Ausgangsbedingungen, weil beide Teilstaaten über das gleiche institutionelle Erbe verfügten: In beiden Fällen steht am Beginn das seit den 1880er-Jahren tradierte Sozialversicherungsmodell, das auch die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus weitgehend unbeschadet überstanden hatte, nach dem Zweiten Weltkrieg in den zwei deutschen Staaten dann aber auf ganz unterschiedlichen Wegen weiterentwickelt wurde. Welche Rolle dabei der Systemwettbewerb spielte, soll im Folgenden untersucht werden.
I. Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland
Nach einer Reihe von kleineren Ad-hoc-Rentenerhöhungen in den Anfangsjahren der jungen Bundesrepublik, die darauf abzielten, die soziale Not der meisten Alten wenigstens ansatzweise zu lindern, bildete die Adenauerʼsche Rentenreform von 1957 ein Schlüsselereignis in der Geschichte des bundesdeutschen Wohlfahrtsstaats. Sie brachte nicht nur eine deutliche Leistungsausweitung mit sich, welche die materielle Situation der meisten Alten deutlich verbesserte, sondern markierte auch deshalb eine Weichenstellung, weil sie die westdeutsche Rentenversicherung auf der Grundlage von zwei Ordnungsprinzipien völlig neu organisierte: Zum einen sollte die Rente in Zukunft nicht länger nur einen »Zuschuss« zum Lebensunterhalt darstellen und allein allenfalls ein Überleben an der Armutsgrenze sichern, sondern eine »Lohnersatzfunktion« besitzen; sie sollte mithin ein Einkommen garantieren, das sich an der Höhe der Bezüge im Berufsleben orientierte und die Fortführung der bisher gewohnten Lebenshaltung ermöglichte. Einher ging damit 1957 eine erhebliche Erhöhung der bereits gezahlten Renten um durchschnittlich etwa 60 Prozent. Zum anderen brachte die Rentenreform die »Dynamisierung« der Altersbezüge; ihre Höhe wurde nun laufend an das Wachstum der Löhne gekoppelt. Beide Grundprinzipien flossen in der das bundesdeutsche Rentensystem seither beherrschenden Leitidee der »Lebensstandardsicherung« zusammen, nach welcher der einzelne Arbeitnehmer den im Erwerbsleben erreichten sozialen Status auch im Alter aufrechterhalten können sollte. Eine »Epochenzäsur« stellte die Adenauerʼsche Rentenreform aber auch noch in anderer Hinsicht dar:[7] Erstens bedeutete sie auf der Finanzierungsseite die endgültige Abkehr vom bisher dominanten Konzept der Kapitaldeckung und den weitgehenden Übergang zum Umlageverfahren – die aktuellen Renten sollten nun nicht mehr aus den Erträgen des in der Vergangenheit angesammelten Kapitals, sondern aus den gegenwärtigen Rentenbeiträgen der erwerbstätigen Bevölkerung gedeckt werden. Zweitens behielt die Rentenreform zwar die organisatorische Trennung in Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung bei, glich aber ihr Leistungsrecht so gut wie vollständig an und leistete auf diese Weise einen Beitrag dazu, die überkommene Kluft zwischen beiden Kategorien von Arbeitnehmern zu verkleinern.
Welche Rolle spielte der Kalte Krieg für die grundlegende Neuordnung des bundesdeutschen Rentensystems? Die Forschungsliteratur, die sich mit den Auswirkungen der Systemkonkurrenz auf die westdeutsche Rentenpolitik auseinandersetzt, rekurriert üblicherweise auf nicht viel mehr als eine Handvoll immer wieder angeführter zeitgenössischer Zitate. Darunter ist stets das eingangs genannte Preller-Zitat genauso wie ein kurzer Ausschnitt aus einer Rede des SPD-Sozialexperten und -Bundestagsabgeordneten Ernst Schellenberg, der anlässlich der Vorstellung des sozialdemokratischen Konzepts zur Neuordnung der Alterssicherung hervorhob: »Aber das Allerwichtigste ist der andere Teil Deutschlands. Man spricht dort von sozialen Errungenschaften und macht damit Propaganda. Entgegnen wir dem durch Taten. Handeln wir so, daß die soziale Sicherung für unsere Alten und Arbeitsunfähigen in unserem Teil Deutschlands zum Vorbild für das ganze Deutschland werden kann.«[8] Einer gewissen Beliebtheit erfreuen sich in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Hauptvertreters der katholischen Soziallehre, Oswald von Nell-Breuning, der zugunsten des Umlageverfahrens ins Feld führte, dass dieses anders als das Kapitaldeckungsverfahren eine Übertragung des bundesdeutschen Rentensystems auf den Osten Deutschlands ohne Anlaufzeit ermögliche, und dann resümierte: »Wenn sie drüben, jenseits des eisernen Vorhangs, von diesem Plan und der ihn tragenden sittlichen Haltung sich ein zutreffendes Bild zu machen imstande sind, dann bedeutet er heute bereits einen Pluspunkt in ihrer Wertung der Bundesrepublik, und sie werden den Tag herbeiwünschen, an dem sie an ihm teilhaben dürfen.«[9] Abgerundet wird dieser tatsächlich auf die bundesdeutsche Rentenreform bezogene Zitatenschatz üblicherweise durch Belege, die Konrad Adenauers Position zum Ost-West-Gegensatz umreißen, allerdings keinen direkten rentenpolitischen Bezug besitzen: Ein wesentliches Ziel der bundesdeutschen Innenpolitik in den vorangegangenen Jahren sei es gewesen, führte der Bundeskanzler 1955 aus, »unser Volk wirtschaftlich und sozial widerstandsfähig zu machen und ihm damit eine stärkere Sicherheit gegen kommunistische Einflüsse und Unterwanderungen zu schaffen«.[10] Gleichzeitig gelte es mit Blick auf den anderen Teil Deutschlands – und auch hier wird ein sozialpolitischer Bezug mehr unterstellt, als dass er explizit wäre –, dafür zu sorgen, dass die Bundesrepublik »attraktiv« bleibe »für unsere Menschen in der Zone«.[11]
So weit, so gut. Die Zitate belegen, dass die Systemkonkurrenz im politischen Diskurs der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren omnipräsent war. Das sagt freilich noch nichts darüber aus, welches Gewicht der Ost-West-Spaltung in verschiedenen Argumentationskontexten zukam. Tatsächlich gewinnt man bei all jenen Zitaten, die eine klar sozialpolitische Stoßrichtung besitzen, den Eindruck, dass der Rekurs auf die DDR einem bereits vorgebrachten Argument zugunsten eines bestimmten Reformvorschlags noch zusätzlich Nachdruck verschaffen sollte und insofern eher eine legitimatorische als eine ausschlaggebende Funktion besaß. Vor allem aber spielte der Ost-West-Gegensatz im politischen Entscheidungsprozess, an dessen Ende die Rentenreform von 1957 stand, eine völlig untergeordnete Rolle. Das gilt bereits für die Definition des Problemkomplexes, auf den die Neuordnung der Alterssicherung reagierte. Sie war ganz auf Problemlagen im Innern der Bundesrepublik ausgerichtet. Erstens gab es unter den sozialpolitischen Experten ebenso wie unter den Parteien einen breiten Konsens darüber, dass der bundesdeutsche Sozialstaat nach der Anfangszeit, die auf die Bewältigung von Kriegsfolgen und unmittelbaren Notlagen ausgerichtet war, durch einen sogar für Fachleute undurchschaubaren »Sozialrechtsdschungel« und ein Regelungschaos geprägt war.[12] Angesichts dessen zielte die Regierung ursprünglich nicht nur auf eine Rentenreform, sondern auf eine »die Neukodifizierung des gesamten Sozialrechts« implizierende »Sozialreform an Haupt und Gliedern«.[13] Zweitens herrschte ebenso weitgehend Einigkeit darüber, dass die soziale Lage der großen Mehrheit der Alten in der frühen Bundesrepublik miserabel war. Die meisten alten Menschen, prangerten etwa die SPD-Abgeordneten im Bundestag an und ernteten damit keinen Widerspruch bei den Regierungsparteien, befänden sich in »Not und […] Elend«; die niedrigen Rentensätze böten »schon seit langem keine Existenzmöglichkeit mehr«.[14]
Im Rahmen des weiteren politischen Entscheidungsprozesses, in dem die Rentenreform von 1957 Gestalt gewann, kam dem Kalten Krieg ebenfalls keine herausgehobene Bedeutung zu. Auch hier sucht man den Verweis auf den Systemwettbewerb als motivatorischen Komplex weitgehend vergeblich – das gilt sowohl für die öffentlich geführten Debatten als auch die hinter verschlossenen Türen zum Ausdruck gebrachten Erwägungen der sozialpolitischen Schlüsselakteure. Weit wichtiger waren dagegen andere Beweggründe ganz unterschiedlicher Natur – unter ihnen etwa Adenauers Kalkül, die Rentenreform als Erfolgsausweis der Bundesregierung bei den bevorstehenden Wahlen zu nutzen, aber auch das Ziel, die als politisch gefährlich wahrgenommene Großgruppe der Alten zu pazifizieren. Als noch einflussreicher für die konkrete Ausgestaltung der Rentenreform erwiesen sich auf Dauer die normativen Vorstellungen der handelnden politischen Akteure. Von der historischen Forschung ist dabei zurecht das Streben nach sozialer Sicherheit betont und die Rentenreform als Versuch interpretiert worden, »den Zirkel von Alter und Armut grundsätzlich und auf Dauer zu durchbrechen«.[15] Eine mindestens ebenso große Rolle wie der Sicherheitsgedanke spielten Vorstellungen sozialer Gerechtigkeit – ohne sie lassen sich zentrale Eckpunkte der Neuordnung der Alterssicherung von 1957 nicht verstehen.
Ausschlaggebenden Einfluss bei der Neugestaltung des Rentensystems besaß der Gedanke der Leistungsgerechtigkeit, in dem sich der Grundsatz der Äquivalenz von Beiträgen und Rentenleistungen mit der Leitidee des Statuserhalts im Ruhestand traf.[16] Die Differenzierung der Beiträge und Leistungen nach Lohnklassen und damit das Äquivalenzprinzip waren in der deutschen Sozialversicherung von Beginn an verankert. Doch ging die Rentenreform von 1957 in ihrer Betonung des Leistungsprinzips deutlich über die deutsche Sozialstaatstradition hinaus, indem sie bei der Rentenberechnung den ursprünglich existierenden und nivellierend wirkenden Grundbetrag abschaffte und die Höhe der individuellen Rente nun ausschließlich von der Versicherungszeit und der während des Erwerbslebens erreichten relativen Lohnposition abhängig machte. Damit setzte sich innerhalb der Regierung jene – nicht zuletzt von Kurt Jantz, dem Leiter des Generalsekretariats für die Sozialreform, und Adenauer selbst vertretene – Position durch, die für eine die »Arbeitsleistung des Lebens« möglichst rein abbildende »Leistungsrente« und gegen Elemente eines sozialen Ausgleichs in der Rentenversicherung optierte.[17] Eng verkoppelt mit der Orientierung am Leistungsprinzip fand in der Neuordnung des bundesrepublikanischen Rentensystems eine starke Norm der Gleichheit zwischen den Generationen ihren Ausdruck, die sich in der Anbindung der Renten an die Einkommensentwicklung niederschlug. Sie basierte auf der Forderung nach Teilhabegerechtigkeit, nach der die Alten an dem wachsenden Wohlstand beteiligt werden sollten, dessen Grundlagen sie zu schaffen mitgeholfen hatten. Gleichzeitig wäre ohne die Teilhabe der Rentner an der Aufwärtsentwicklung der Löhne auch das Ziel der dauerhaften Stabilisierung einer am Leistungsprinzip ausgerichteten sozialen Ordnung im Alter von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.
Letztlich verständlich werden die starke Betonung des Leistungsprinzips und das Bestreben, ein System ausgeprägter und wohlfahrtsstaatlich hergestellter sozialer Ungleichheit im Alter zu implementieren, erst vor dem Hintergrund der Erosion gesellschaftlicher Hierarchien durch zwei Weltkriege und zwei Inflationen, die einen Gutteil der Eigenvorsorge für das Alter hinweggefegt hatten, auf die bislang gerade die bürgerlichen Schichten ihre Hoffnungen gegründet hatten, ihre bisherige soziale Position auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess zu konservieren. Angesichts dessen ist die Adenauerʼsche Rentenreform ganz wesentlich als der Versuch zu begreifen, jene soziale Hierarchie im Alter wiederherzustellen, die in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Unordnung geraten war. »Wir versuchen«, hatte Bundesarbeitsminister Anton Storch dieses die Regierung auf dem Gebiet der Alterssicherung leitende Ziel bereits 1954 vor dem Bundestag zum Ausdruck gebracht, »die Dinge, die uns zwei Weltkriege und die beiden Geldentwertungen oktruiert haben, in eine gerechtere Ordnung zu bringen«.[18] Die Rekonstruktion einer Ordnung sozialer Ungleichheit, in der jeder Alte den Platz einnehmen sollte, den er im Erwerbsleben erreicht hatte, und die die Folgen von Kriegen und Inflationen weitestmöglich ungeschehen machen sollte – das war es, worauf die Rentenreform von 1957 zielte. Insofern ging es weit mehr um die Reparatur der Vergangenheit als um die Konkurrenz mit dem sozialistischen Nachbarstaat.
Hatte der Regimewettbewerb auf dem Feld der Rentenpolitik schon in den 1950er-Jahren eine nur untergeordnete Rolle gespielt, verlor er in der Zeit danach vollends jede Bedeutung. Kennzeichnend für die bundesdeutsche Alterssicherungspolitik in der Phase bis Anfang der 1970er-Jahre war ein massiver Expansionsprozess, der sich sowohl auf den versicherten Personenkreis als auch das Leistungsniveau erstreckte. Die zentrale Antriebskraft für diesen beispiellosen Ausbau des gesetzlichen Rentensystems bildete dabei nicht der vergleichende Blick auf den Osten Deutschland, sondern ein selbstinduzierter Kompensationsmechanismus. Vor dem Hintergrund der enormen Popularität, die die Gesetzliche Rentenversicherung schon bald nach ihrer Neuordnung genoss, ging es in der bundesdeutschen Alterssicherungspolitik seit den 1960er-Jahren immer mehr darum, Ungleichheiten auszugleichen, die sie selbst produziert hatte, und Gruppen zu inkludieren, die bislang ausgeschlossen waren, nun aber Zugang zu dem für sie attraktiven System anstrebten – mochte es sich nun um Selbstständige, besser verdienende Angestellte oder freiwillig zu versichernde Hausfrauen handeln. Da jede Kompensationsmaßnahme ihrerseits das Potenzial besaß, neue Ungerechtigkeiten hervorzubringen, aus denen sich dann weitere Forderungen ableiten ließen, resultierte daraus eine sich selbst vorantreibende sozialpolitische Expansionsdynamik, die schließlich im parteipolitischen Überbietungswettkampf der Rentenreform von 1972 ihren Höhepunkt fand. Wenn in diesem Prozess überhaupt der Blick nach außen gerichtet wurde, so waren es eher die Länder West- und Nordeuropas, mit denen man sich verglich; die lamentablen Renten in der DDR dagegen waren um 1970 schon lange keine relevante Referenzgröße mehr für die westdeutsche Rentenpolitik.[19]
II. Rentenpolitik in der DDR
Völlig anders als in Westdeutschland sahen die Verhältnisse in der DDR aus. Die ostdeutsche Rentenpolitik der späten 1940er- und frühen 1950er-Jahre war durch eine merkwürdige Ambivalenz gekennzeichnet. Auf der einen Seite brach die sozialistische Führung radikal mit dem überkommenen Sozialversicherungssystem und beschritt schon vor der Staatsgründung den Weg zur Einheitssozialversicherung. Bis 1956 wurden die verschiedenen Zweige und Träger der Sozialversicherung in ein für alle Arbeiter und Angestellten zuständiges Einheitssystem integriert, das der Leitung durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) unterstand.[20] Daneben schuf man die Deutsche Versicherungsanstalt als Sozialversicherung für alle Bauern, Handwerker und Selbstständigen. Der rasche Übergang zur Einheitssozialversicherung war weniger das Resultat sowjetischer Einflussnahme als vielmehr die Anknüpfung an Pläne und Forderungen der politischen Linken aus der Zeit der Weimarer Republik. Zugleich sollte auf diese Weise dem westdeutschen System ein Alternativkonzept mit Vorbildfunktion gegenübergestellt werden.[21] Auf der anderen Seite jedoch übernahm die DDR zentrale Bestandteile des aus dem Kaiserreich stammenden Rentensystems weitgehend unverändert: Das galt etwa für die Beitragsfinanzierung, die hälftige Teilung der Beiträge zwischen Versicherten und Betrieben, die Zusammensetzung der Leistungen aus Sockel- und Steigerungsbetrag und damit auch die prinzipielle Abhängigkeit der Rentenhöhe von Beitragshöhe und Versicherungsdauer.
Ebenso wie das westdeutsche Rentensystem vor der Reform von 1957 kannte die Sozialversicherung der DDR – und zwar bis zu ihrem Untergang – keine regelmäßige Anpassung der Anwartschaften und Renten an die Lohnentwicklung, sondern lediglich diskretionäre Rentenerhöhungen nach Kassenlage und Maßgabe politischer Opportunität. Gleichzeitig hielt man bis 1989 und trotz steigender Löhne an der von Beginn an geltenden Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark fest. Beides zusammen verlieh dem DDR-Rentensystem einen hochgradig statischen Zuschnitt, der zur Folge hatte, dass die Renten der Pflichtversicherung hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückblieben und die meisten Alten in Ostdeutschland dauerhaft am Rande der Armut lebten. Besser gestellt waren lediglich die Mitglieder der zahlreichen Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, welche die DDR seit den 1950er-Jahren für die Mitarbeiter des »Staatsapparates«, die »Intelligenz« und andere der sozialistischen Führung wichtig erscheinende Berufsgruppen schuf, um sich ihre Loyalität zu sichern und – vor dem Mauerbau – die Abwanderung in den Westen zu verhindern.[22] Ebenso wie die »Ehrenpensionen« für »hervorragende Leistungen im Kampf um den Frieden und den Sozialismus« durchbrachen die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme das Prinzip der Einheitssozialversicherung mit ihrem für alle Bürger in gleicher Weise geltenden Leistungsrecht und schufen ein an Kriterien der Regimetreue und Bedeutung für den Aufbau des Staatssozialismus orientiertes Privilegiensystem.[23] An dieser politischen Zweiklassengesellschaft im Alter änderte auch die Ende der 1960er-Jahre eingeführte Freiwillige Zusatzrentenversicherung nicht grundsätzlich etwas. Ohnehin primär mit dem Ziel eingeführt, den bestehenden Kaufkraftüberhang abzuschöpfen, konnte sie in ihren Leistungen gerade hinsichtlich der besserverdienenden Akademiker bei Weitem nicht mit den bestehenden Sonderversorgungssystemen konkurrieren, die überdies zum Teil beitragsfrei waren.[24]
Auf den ersten Blick mag die Ausgestaltung des Alterssicherungssystems der DDR wie die folgerichtige Umsetzung eines durch ideologische und machtpolitische Überlegungen bestimmten Konzepts des »real existierenden Sozialismus« aussehen, die von der Regimekonkurrenz mit dem Westen weitgehend unbeeinflusst war. Dieser Eindruck erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als falsch – und das gilt gerade für die 1950er-Jahre. Wie der Historiker Dierk Hoffmann herausgearbeitet hat, beobachtete und diskutierte die SED-Führung die grundlegende Reform des bundesdeutschen Rentensystems von 1957 und die ihr vorangegangenen Debatten genau. Mehr noch: Sie sah sich durch die Entwicklung in der Bundesrepublik unter Druck gesetzt, selbst den in der Geschichte der DDR einzigen Anlauf zu nehmen, das eigene Rentensystem grundlegend zu ändern.[25] Einen ersten Aufschlag in dieser Frage machte in der Sitzung des Zentralkomitees der SED am 22. März 1956 der Sekretär für Wirtschaftspolitik, Gerhart Ziller, indem er statt der eigentlich für das nächste Jahr beabsichtigten einfachen Rentenerhöhung einen Umbau des Rentensystems vorschlug, der darauf hinauslaufen sollte, dass – so Zillers noch sehr tentativ wirkende Formulierung – »[j]eder, der unter den Bedingungen der Arbeiter-und-Bauern-Macht« in Rente ginge, »sagen wir einmal – 50 % des bisherigen Monatsgehalts« erhielte.[26] Wie sehr die sozialistische Führung unter dem Eindruck der Debatten im Westen stand, zeigten in der gleichen Sitzung auch die Ausführungen des ZK-Mitglieds Paul Verner, der auf die Vorhaltung, dass es sich bei den Rentenreformplänen von SPD und CDU in der Bundesrepublik nur um »Wahlagitation« handele, entgegnete: »Was heißt Wahlagitation? Natürlich hast du recht. Aber die Frage ist nicht, wie wir das sehen, sondern wie das auf die Arbeiterklasse und die Werktätigen in Westdeutschland wirkt.«[27] Einstweilen jedoch gelang es dem Ersten Sekretär Walter Ulbricht, die beginnende Reformdiskussion mit dem Hinweis auf die ungewisse zukünftige Finanzlage und die Priorität anderer Projekte wie der Arbeitszeitverkürzung und der Erhöhung der Arbeitsproduktivität abzubiegen. Überdies, so Ulbricht, würde es gar nichts bringen, eine Rente von 50 Prozent des Nettolohnes in Aussicht zu stellen, »weil die SPD aus demagogischen Gründen 75 % des Nettolohnes proklamiert« habe und »die CDU 60 %«.[28]
Vor dem Hintergrund der rasch voranschreitenden Rentenreform in der Bundesrepublik bildete das Politbüro dennoch kurz darauf eine Kommission, die sich mit der Neuordnung der DDR-Alterssicherung befassen sollte. Im Sommer 1956 setzte sich Ulbricht nun sogar an die Spitze der Reformbewegung und ließ in seinem im Neuen Deutschland veröffentlichten »Bericht des Politbüros« verlauten, dass »nicht nur eine Verbesserung der Renten, sondern eine Rentenreform vorbereitet werden soll«. Das »gegenwärtige, aus der kapitalistischen Zeit übernommene Rentenrecht« entspreche »nicht den Bedingungen unserer gesellschaftlichen Entwicklung«. Bereits »im Laufe des Jahres 1957« solle daher eine grundsätzliche Neuregelung der Alterssicherung in Angriff genommen werden, die auf »ein neues Pensionsrecht« ziele, »das auf sozialistischen Grundsätzen basiert«. »Die Schaffung dieses neuen Pensionsrechts sowie die generelle Erhöhung der Altrenten«, so Ulbricht, stellten »eine echte Sozialreform dar«. Leitidee der »Rentenreform« – schon der Gebrauch des in der offiziellen DDR-Sprache eigentlich unüblichen Begriffs verwies auf den Bezug zur Rentenpolitik im anderen Teil Deutschlands – sei das »sozialistische Leistungsprinzip«. In ihm verband sich die »Berechnung der Pensionen nach dem Durchschnittsverdienst von fünf Jahren« (gemeint waren die letzten fünf Erwerbsjahre) mit einer Staffelung der Nettolohnersatzrate nach der Lohnhöhe, sodass schlecht verdienende Arbeiterinnen und Arbeiter einen prozentual höheren Anteil ihres Einkommens als Rente erhalten sollten.[29]
Schon nach wenigen Monaten jedoch kam der Reformmotor ins Stocken. Zwar widmete das Neue Deutschland noch Ende Oktober 1956 ausgewählten Zuschriften von Bürgern breiten Raum, die sich mit den Rentenplänen der Regierung auseinandersetzten.[30] Doch betonten die offiziellen Verlautbarungen der SED-Führung zu dieser Zeit bereits wieder deutlich stärker die Frage der finanziellen Machbarkeit. Schließlich legte das Zentralkomitee der Volkskammer Anfang November einen Gesetzentwurf für eine allgemeine »Erhöhung der Altrenten ab 1. Dezember« zum Beschluss vor – und zwar nicht, wie es zunächst hieß, »im Rahmen«, sondern anstelle der »geplanten Rentenreform«.[31] Am Ende kam statt eines »neuen Pensionsrechts« – nicht zufällig hatte man mit dem Pensionsbegriff die Vorstellung »eines gesicherten Lebensabends« zu evozieren versucht, wie er zuvor »aus der kapitalistischen Zeit nur bei Beamten bekannt« war – also nur eine simple Rentenerhöhung.[32] Verantwortlich dafür zeichneten vor allem haushaltspolitische Überlegungen. Ministerpräsident Otto Grotewohl führte bei der Einbringung des Gesetzes vor der Volkskammer aus, dass eine Rentenerhöhung und eine Reform des Rentensystems zusammen zu hohe Kosten verursacht hätten. Die Regierung habe sich daher »[n]ach langen und reiflichen Überlegungen« dazu entschlossen, »jetzt fühlbar und spürbar ohne jede Aufteilung der zur Verfügung stehenden Mittel alles zur Verbesserung der Altrenten zu verbrauchen«. Beide Projekte gleichzeitig zu realisieren sei »nach dem gegenwärtigen Stand« der wirtschaftlichen Entwicklung »über unsere Kraft« gegangen: »Man muß klar und eindeutig sagen, damit es die ganze Bevölkerung weiß: unsere Staatsverwaltung und die Regierung haben kein Dukatenmännchen.«[33]
Mit dieser Episode hatte sich der Reformimpetus in der DDR-Rentenpolitik weitgehend erschöpft. Zwar kam es 1968 zu einer Reihe von Änderungen im Rentenrecht, zu denen auch die Einführung der Freiwilligen Zusatzversicherung gehörte;[34] eine grundlegende Reform aber war auch das nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass sowohl die SED-Führung als auch die DDR-Bürger den Ausbau der westdeutschen Alterssicherung weiterhin aufmerksam verfolgten, blieb vor allem das Problem der fehlenden Kopplung der Renten an die Lohnentwicklung bis zum Untergang des Arbeiter-und-Bauern-Staates ungelöst. Rentenpolitik im Osten Deutschlands reduzierte sich im Wesentlichen darauf, dass insbesondere die Mindestrenten von Zeit zu Zeit nach Gutdünken der Parteiführung erhöht wurden. Auf die Dauer führte das zu einer deutlichen Nivellierung des Rentensystems; immer mehr Rentenbezieher erhielten eine Rente, die so gering war, dass die geltende Mindestrentenregelung griff – Ende 1989 traf das auf 1,1 Millionen von 1,8 Millionen Altersrenten zu, vier Fünftel davon Renten von Frauen.[35] Gleichzeitig wurde die durchschnittliche Altersrente zunehmend von der Höhe der Mindestleistungen bestimmt.[36] Dabei erhielten Rentnerinnen und Rentner, die ausschließlich auf die Pflichtversicherung angewiesen waren – und das war die breite Mehrheit der Rentenbezieher –, eine Rente von lediglich rund 30 Prozent des durchschnittlichen Bruttoarbeitseinkommens – das gilt mit relativ geringen Schwankungen für die ganze Zeit der SED-Herrschaft.[37] In der Bundesrepublik begann mit der Rentenreform von 1957 ein kontinuierlicher Aufstieg der Alten in der gesellschaftlichen Einkommenspyramide. In der DDR dagegen blieb Alter für die meisten Menschen mit materieller Armut identisch. Darin drückte sich die Schwerpunktsetzung der sozialistischen Führung aus, und es zeigte den Charakter der DDR als einer radikal auf den Arbeitsprozess hin orientierten Gesellschaft. Die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Alten erschienen dabei als so überflüssig, dass man für ihre Versorgung nur die nötigsten Mittel aufwandte.
III. Fazit
Am Anfang stand die Frage nach der Bedeutung des Kalten Krieges für die Entwicklung des Wohlfahrtsstaats in Ost und West. Das konkrete historische Untersuchungsobjekt war dabei die Rentenpolitik in der DDR und der Bundesrepublik. Im Ergebnis ist die Aussage über den Zusammenhang von Regimekonkurrenz und Sozialpolitik in doppelter Weise zu differenzieren: Zum einen spielte der Systemwettbewerb in der DDR eine ungleich größere Rolle als in der Bundesrepublik.[38] Zwar trifft man auch in der westdeutschen sozialpolitischen Debatte immer wieder auf Verweise auf den anderen Teil Deutschlands; für den rentenpolitischen Entscheidungsprozess war das aber von ganz untergeordneter Bedeutung. Als viel wichtiger erwies sich hier das Ziel, die Alten am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben zu lassen und zugleich ein Rentensystem zu etablieren, dass die Statusunterschiede des Erwerbslebens ins Alter verlängerte. In der DDR dagegen bildete die bundesdeutsche Rentenreform von 1957 den entscheidenden Impuls für den in ihrer Geschichte einzigen – letztlich aber im Sand verlaufenden – Versuch, das eigene Alterssicherungssystem grundlegend zu reformieren. Zum anderen war der Einfluss des Kalten Krieges im Zeitverlauf nicht konstant. In den 1950er-Jahren war der Vergleich mit dem jeweils anderen System in beiden Teilen Deutschlands dauerpräsent. Danach nahm die Relevanz des Regimewettbewerbs in der Rentenpolitik kontinuierlich ab. Das gilt uneingeschränkt für die Bundesrepublik, wo andere westliche Gesellschaften nun als Referenzgröße viel wichtiger waren als der deutsche Nachbarstaat. Aber auch in der DDR verlor der Stachel der westdeutschen Konkurrenz in der Altersversorgung nach dem Mauerbau an Bedeutung.
Abstrahiert man von der diskursiven Prominenz des Kalten Krieges besonders in der Frühphase und fokussiert man auf die faktische institutionelle Entwicklung der jeweiligen Rentensysteme, zeigte sich die Rentenpolitik in beiden deutschen Staaten von der Regimekonkurrenz bemerkenswert unbeeinflusst. Während die Bundesrepublik den Weg zu einem System der Lebensstandardsicherung im Alter einschlug, in dem die meisten Alten erstmals in der Geschichte ihren Platz am Fuß der Einkommenshierarchie verlassen konnten, schuf die DDR ein Zweiklassensystem, in dem wenige aus politischen Gründen Privilegierte der breiten Masse von Rentnern gegenüberstanden, die die sozialistische Arbeitsgesellschaft ausgespien hatte und die nun in materiell prekären Verhältnissen lebte.
[1] Ludwig Preller: Unsere Forderung auf Soziale Sicherung. Rede auf dem Parteitag der SPD in Dortmund am 26. September 1952, in: Die Grundlagen des sozialen Gesamtplanes der SPD. Unsere Forderung auf Soziale Sicherung, Bonn 1952, S. 9–15, hier S. 14.
[2] Eric Hobsbawm: Goodbye to All That, in: Marxism Today 14 (1990), H. 10, S. 18–23, hier S. 21.
[3] Christoph Kleßmann: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955, Göttingen 1982, S. 16.
[4] Siehe Bernd Greiner: Kalter Krieg und »Cold War Studies«, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010, docupedia.de/zg/Cold_War_Studies (ges. am 8. Juli 2022).
[5] Siehe Herbert Obinger/Carina Schmitt: Guns and Butter? Regime Competition and the Welfare State during the Cold War, in: World Politics 63 (2010), H. 2, S. 246–270.
[6] Peter Hübner: Betriebe als Träger der Sozialpolitik, betriebliche Sozialpolitik, in: Christoph Kleßmann (Hg.): Deutsche Demokratische Republik. Politische Stabilisierung und wirtschaftliche Mobilisierung. 1961–1971 (= Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 9), Baden-Baden 2006, S. 721–762, hier S. 760.
[7] Hans Günther Hockerts: Der deutsche Sozialstaat. Entfaltung und Gefährdung seit 1945, Göttingen 2011, S. 71.
[8] Ernst Schellenberg: Der Weg der SPD zur Sozialreform. Auszug aus dem Referat vor dem Kölner Kongreß der SPD am 14.1.1956, in: Zeitschrift für Sozialreform 2 (1956), S. 38–40, hier S. 40, Hervorhebung im Original.
[9] Oswald von Nell-Breuning: Die Produktivitätsrente, in: Zeitschrift für Sozialreform 2 (1956), S. 97–101, hier S. 101. Sowohl Schellenberg als auch Nell-Breuning finden sich z. B. zitiert bei: Winfried Schmähl: Sicherung bei Alter, Invalidität und für Hinterbliebene, in: Günther Schulz (Hg.): Bundesrepublik Deutschland. Bewältigung der Kriegsfolgen, Rückkehr zur sozialpolitischen Normalität. 1949–1957 (= Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 3), Baden-Baden 2005, S. 357–437, hier S. 436.
[10] Vorwort Konrad Adenauers, in: Deutschland im Wiederaufbau. Tätigkeitsbericht der Bundesregierung, Bonn 1955, S. III–IV, hier S. IV, www.konrad-adenauer.de/seite/22-dezember-1955/ (ges. am 26. Juli 2022).
[11] Adenauer in der Sitzung Nr. 11, 13.1.1956, in: Adenauer: »Wir haben wirklich etwas geschaffen«. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes 1953 bis 1957, Düsseldorf 1990, S. 731.
[12] Die Quelle 5 (1954), S. 511. Zu den der Rentenreform von 1957 vorangegangenen Debatten siehe allgemein grundlegend Hans Günter Hockerts: Sozialpolitische Entscheidungen im Nachkriegsdeutschland. Alliierte und deutsche Sozialversicherungspolitik 1945 bis 1957, Stuttgart 1980.
[13] Beschluß in der 28. Kabinettssitzung am 6. April 1954, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 7: 1954, bearb. v. Ursula Hüllbüsch u. Thomas Trumpp, Boppard 1993, S. 154; Vermerk des Referats 7 des Bundeskanzleramts, 16. Dezember 1953, Bundesarchiv (im Folgenden: BArch), B 136/766.
[14] Lisa Korspeter (SPD), Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte 1/122, S. 4653 (1. März 1951).
[15] Hans Günter Hockerts: Integration der Gesellschaft: Gründungskrise und Sozialpolitik in der frühen Bundesrepublik, in: Zeitschrift für Sozialreform 32 (1986), S. 25–41, hier S. 38.
[16] Siehe hierzu und zum Folgenden: Cornelius Torp: Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat. Alter und Alterssicherung in Deutschland und Großbritannien von 1945 bis heute, Göttingen 2015; ders.: The Adenauer Government’s Pension Reform of 1957 – A Question of Justice, in: German History 34 (2016), S. 237–257.
[17] Kurt Jantz: Die Beschlüsse des Sozialkabinetts zur Sozialreform, in: Der Betriebs-Berater 11 (1956), H. 7, S. 217–219, hier S. 217. Siehe hierzu weiter die Marginalie Adenauers »Ich habe Bedenken« zu der Frage, ob »innerhalb der Rente ein gewisser sozialer Ausgleich geschaffen werden sollte«, Kanzlervorlage, 27.12.1955, BArch, B 136/1359; sowie 7. Sitzung des Ministerausschusses für die Sozialreform, 18.1.1956, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung: Ministerausschuß für die Sozialreform 1955–1960, bearb. v. Bettina Martin-Weber, München 1999, S. 146.
[18] Anton Storch (CDU), Bundestags-Drucksache 2/45, S. 2209 (24. September 1954).
[19] Siehe »Die Renten in der Zone bleiben niedrig«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Januar 1968.
[20] Siehe hierzu Dierk Hoffmann: Sozialpolitische Neuordnung in der SBZ/DDR. Der Umbau der Sozialversicherung 1945–1956, München 1996.
[21] Siehe Hockerts: Sozialstaat (Anm. 7), S. 226 f.; Hoffmann: Neuordnung (Anm. 20), S. 329–342.
[22] Siehe Dierk Hoffmann: Am Rande der sozialistischen Arbeitsgesellschaft. Rentner in der DDR 1945–1990, Erfurt 2010, S. 21–23; Gerhard A. Ritter: Die Rentenversicherung im Prozess der deutschen Wiedervereinigung, in: Eberhard Eichenhofer/Herbert Rische/Winfried Schmähl (Hg.): Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI, Köln 2012, S. 51–79, hier S. 53–55; Manfred G. Schmidt: Sozialpolitik der DDR, Wiesbaden 2004, S. 43–47.
[23] Verordnung über die Gewährung von Ehrenpensionen vom 28. August 1952, § 1 Abs. 2, Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 122, 5. September 1952, S. 823.
[24] Siehe Dierk Hoffmann: Verlierer der sozialistischen Arbeitsgesellschaft. Rentner und Behinderte in der SBZ/DDR, in: Stefan Grüner/Sabine Mecking (Hg.): Wirtschaftsräume und Lebenschancen. Wahrnehmung und Steuerung von sozialökonomischem Wandel in Deutschland 1945–2000, Berlin 2017, S. 269–283, hier S. 271 f.; Hoffmann: Am Rande (Anm. 22), S. 41–46.
[25] Siehe Dierk Hoffmann: Sozialistische Rentenreform? Die Debatte über die Verbesserung der Altersversorgung in der DDR 1956/57, in: Stefan Fisch/Ulrike Haerendel (Hg.): Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland. Beiträge zur Entstehung, Entwicklung und vergleichenden Einordnung der Alterssicherung im Sozialstaat, Berlin 2000, S. 293–309; Hoffmann: Verlierer (Anm. 24), S. 271; ders.: Lebensstandard, Alterssicherung und SED-Rentenpolitik. Zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Rentner in der DDR während der fünfziger Jahre, in: Deutschland Archiv 38 (2005), H. 3, S. 461–473, hier S. 469 f.
[26] Stenographische Niederschrift der 26. Tagung des Zentralkomitees der SED am Donnerstag, dem 22. März 1956, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), BA ZPA, IV 2/1/156, zit. nach Karl-Heinz Schmidt: Die Deutschlandpolitik der SED, in: Materialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«, hg. vom Deutschen Bundestag, Bd. V/3: Deutschlandpolitik, innerdeutsche Beziehungen und internationale Rahmenbedingungen, Baden-Baden 1995, S. 2114–2293, hier S. 2271.
[27] Ebd., S. 2273.
[28] Ebd., S. 2275.
[29] Über die Arbeit der SED nach dem XX. Parteitag der KPdSU und die bisherige Durchführung der Beschlüsse der 3. Parteikonferenz. Fortsetzung des Berichts des Politbüros, gegeben vom Ersten Sekretär des Zentralkomitees, Genossen Walter Ulbricht, in: Neues Deutschland vom 2. August 1956.
[30] Siehe Diskussion zur sozialistischen Pensions- und Rentenreform, in: Neues Deutschland vom 24. Oktober 1956.
[31] Sichert den Frieden nach innen und außen! Aus der Rede Walter Ulbrichts vor der Volkskammer – Neue Vorschläge des ZK der SED, in: Neues Deutschland vom 4. November 1956.
[32] Diskussion zur sozialistischen Pensions- und Rentenreform, in: Neues Deutschland vom 24. Oktober 1956.
[33] Die Werktätigen schufen die Voraussetzung. Aus der Rede des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, in: Neues Deutschland vom 17. November 1956. Siehe auch Dierk Hoffmann: Otto Grotewohl (1894–1964). Eine politische Biographie, München 2009, S. 509 f.
[34] Siehe Steffen Otte: Zwischen Versorgungsprinzip und Selbstvorsorge. Die Geschichte einer Reform des DDR-Rentensystems, in: Deutschland Archiv vom 2. März 2012, www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/126626/zwischen-versorgungsprinzip-und-selbstvorsorge/#footnote-reference-2 (ges. am 6. September 2022).
[35] Siehe Winfried Schmähl: Alterssicherungspolitik in Deutschland. Vorgeschichte und Entwicklung von 1945 bis 1998, Tübingen 2018, S. 863.
[36] Siehe Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.): Statistische Übersichten zur Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band SBZ/DDR, Verfasser: André Steiner unter Mitarbeit von Matthias Judt u. Thomas Reichel, Bonn 2006, S. 168, Tab. 4.1.3.1.a.
[37] Eigene Berechnungen nach ebd., S. 130, Tab. 1.2.1; S. 168, Tab. 4.1.3.1.a.
[38] Zu diesem Ergebnis kommen letztlich auch Winfried Süß: Soziale Sicherheit und soziale Ungleichheit in wohlfahrtsstaatlich formierten Gesellschaften, in: Frank Bösch (Hg.): Geteilte Geschichte. Ost- und Westdeutschland 1970–2000, Göttingen 2015, S. 153–193, hier S. 158 f.; Peter Hübner: Die deutsch-deutsche Sozialstaatskonkurrenz nach 1945, in: Martin Sabrow (Hg.): Die Krise des Sozialstaats, Leipzig 2007, S. 25–61, hier S. 31.