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Im Bereich Lesen finden Sie einen kommentierten Querschnitt von Büchern und Online-Ressourcen zur Geschichte des Kommunismus.

 

Die umfangreiche wissenschaftliche Literatur wird in der Unterkategorie Analyse gesammelt und ausgehend von wichtigen Autorinnen und Autoren sowie für die Forschung relevanten Werken laufend erweitert. Thematisch und methodisch unterschiedliche Ansätze werden berücksichtigt und inhaltlich ausgerichtete Websites vorgestellt.

Bei Quellen sind Hinweise auf Quelleneditionen und Online-Portale aufgelistet, über die der Zugriff auf Originalquellen möglich ist. Die Website kommunismusgeschichte.de stellt nur wenige Quellen selbst zur Verfügung, sondern lotst den User gezielt zu weiterführenden Portalen.

Die Biografien und Autobiografien kommunistischer Führer, Politiker und Oppositioneller werden bei Biografien eingeführt und immer in kurzen Texten angeteasert und mit Rezensionen verlinkt. Romane und Erzählungen finden Sie bei Belletristik, wo zunächst Neuerscheinungen eingepflegt werden.

Bei LiesMich! sind die Kurzrezensionen renommierter Wissenschaftler, Historiker und Journalisten versammelt, die Ihre „Lieblingsbücher“ zur Kommunismusgeschichte vorstellen. Die Rezensionen stellen neue und alte Forschungsliteratur, Biografien und Romane vor, die es immer wieder wert sind, gelesen zu werden.

 

Ausstellung Artikel

Feindbild Sozialdemokratie.

Wie ein SED-Theorieorgan zur politischen Verfolgung aufrief

Ulrich Mählert

Ausriss des Titels und der ersten Zeilen des Artikels von Hans Teubner. Die Abbildung hat rein illustrativen Charakter

Im April 2026 jährt sich die erzwungene Vereinigung der SPD mit der KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zum achtzigsten Mal. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED‑Diktatur bereitet aus diesem Anlass gemeinsam mit Stefan Wolle die Poster‑Ausstellung „Die Partei hat immer recht. Die SED im Alltag der DDR“ vor, die bereits vorbestellt werden kann. https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/dieSEDimAlltag

Der bevorstehende Jahrestag lenkt den Blick auf einen Text aus der Frühphase der SED, der die Verfolgung von Sozialdemokraten innerhalb der SED ideologisch legitimierte: Hans Teubners Aufsatz „Wachsamkeit und politische Weitsicht. Die Gefahren des Trotzkismus und Sozialdemokratismus und die Zerschlagung ihrer Agenturen“, erschienen im Juli 1949 in der SED-Theoriezeitschrift EinheitDer Aufsatz entstand unmittelbar nach der 1. Parteikonferenz der SED im Januar 1949, auf der die Führung verkündete, die Partei nach sowjetischem Vorbild in eine „Partei neuen Typus“ zu verwandeln. Teubner, ein seit den frühen 1920er‑Jahren erprobter kommunistischer Kader, entwickelte den Begriff „Sozialdemokratismus“ zum sicherheitspolitischen Feindbild. In dem Artikel werden Sozialdemokraten und Trotzkisten gleichermaßen als „Agenten des anglo‑amerikanischen Imperialismus“ diffamiert; damit waren Vertreter sozialdemokratischer Positionen keine Diskussionspartner mehr, sondern „Spione“, „Diversanten“ oder potenzielle „Attentäter“. Wer so etikettiert wird, soll nicht überzeugt, sondern „unschädlich gemacht“ werden. Teubner beruft sich ausdrücklich auf die „restlose Vernichtung der Trotzkisten“ in der Sowjetunion und erklärt dieses Vorgehen zum Vorbild für die sowjetische Besatzungszone.

Die Wortwahl verweist auf die Moskauer Schauprozesse der dreißiger Jahre und verdeutlicht den Bruch mit jeder Form innerparteilicher Pluralität. Teubner konnte dabei auf seine eigene Biografie zurückgreifen: Ausbildung an der Internationalen Leninschule, Tätigkeit für die Komintern, Beteiligung an Disziplinierungsaktionen gegen oppositionelle Gruppen – all das prädestinierte ihn, die neue Dogmatik in scharfe Parolen zu gießen. Seine Warnung vor „sozialdemokratistischen Agenturen“ war an eine Parteibasis adressiert, in der noch immer mehrere Hunderttausend vormals sozialdemokratische Mitglieder organisiert waren. Mit dem Aufsatz wurde ihnen unmissverständlich bedeutet, dass sozialdemokratische Traditionen in der SED keinen Platz mehr haben.

Die Folgen zeigten sich rasch. In immer neuen Parteisäuberungen wurden frühere SPD‑Funktionäre unter dem Vorwurf der „Schumacher‑Agententätigkeit“, gemaßregelt, aus der Partei ausgeschlossen und vielfach auch verhaftet. Die Waldheim‑Prozesse und die Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit im Februar 1950 knüpften direkt an jene Logik an, die Teubner propagiert hatte: Politische Opposition wurde in ein strafrechtliches Delikt umdefiniert; der Begriff des Klassenfeinds ersetzte das Recht auf abweichende Meinung. Damit war der Weg zur stalinistisch homogenen Kaderpartei endgültig beschritten.

Ironischerweise geriet Teubner bald selbst in das Schwungrad der Säuberungen. Sein lose belegter Kontakt zum angeblichen US-amerikanischen Superspion Noel Field reichte aus, um ihn 1950/51 aller Ämter zu entheben und ihn innerparteilich als Sicherheitsrisiko zu brandmarken. Der Kader, der die Ausschaltung anderer gefordert hatte, wurde nun selbst ausgeschaltet – ein exemplarischer Beleg für die unerbittliche Dynamik stalinistischer Verdachtspolitik.

Teubners Aufsatz markiert somit mehr als eine der vielen ideologischen Zuspitzungen in jenen Jahren: Er dokumentiert den Moment, in dem die SED den offenen Bruch mit der sozialdemokratischen Tradition vollzog und Repression zum legitimen Mittel ihrer Machtpolitik erklärte. Die Erinnerung daran ist unerlässlich, weil sie zeigt, wie totalitärer Druck jeden Rest an innerparteilichem Pluralismus zerstören konnte – und wie rasch diejenigen, die den Druck erzeugen, selbst unter seine Räder gerieten.