David Priestland: Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute
David Priestland ist das Kunststück gelungen, eine „Weltgeschichte des Kommunismus“ seit 1789 zu schreiben, die niemals langweilig, niemals ideologisch und dabei so faktenreich und empirisch weit ausgreifend daherkommt, dass wohl fast jeder daraus ungemein viel Nutzen ziehen kann. Spezialisten werden Priestlands außergewöhnliche Kenntnisse zu schätzen wissen, die auch ihnen – obwohl es unzählige Überblickswerke gibt – Unbekanntes darbieten, wenn er etwa Filme, schöngeistige Literatur oder realhistorische Vorgänge aus zahlreichen Ländern mehrerer Kontinente nicht nur zur Illustration, sondern zur Analyse heranzieht. Der Autor historisiert den Kommunismus – wobei sich die Singularform spätestens nach Priestland fast von selbst verbietet, so vielschichtig und vielfarbig er hier dargestellt wird – und versucht Antworten auf seine Entstehung zu finden sowie seine langandauernde Anziehungskraft in der ganzen Welt zu erklären. Er verortet die Ideen und kommunistische Praxis stets in globalen Zusammenhängen. So gerät seine Darstellung zu einer anregenden Analyse der historischen und aktuellen Debatte über das Verhältnis von „Freiheit“, „sozialer Gerechtigkeit“ und „Gleichheitsvorstellungen“. Gerade weil er in den Abschnitten über das 19. wie über das 20. Jahrhundert theoretische Debatten und realhistorische Vorgänge miteinander in Bezug setzt, kommt er dem Kommunismusphänomen weitaus näher auf die Spur als die meisten seiner Vorgänger. Er verliert sich nicht in Details, bietet davon aber überraschend viele aus der Weltgeschichte des Kommunismus. Da Priestland den engen Zusammenhang zwischen sozialer Ungerechtigkeit und kommunistischen Gleichheitsphantasien betont, die realen kommunistischen Machttechniken als ungerecht und zwangsläufig gegen die Gleichheitsutopie gerichtet kennzeichnet, erteilt er kommunistischen Theorien eine Absage. Sein Buch hat auch eine Bedeutung für aktuelle Debatten: Am Ende seines Buches schreibt der Autor, der Untergang des Kommunismus, die Revolutionen gegen den Kommunismus bedeuteten nicht den Sieg der herrschenden westlichen Gesellschaftsordnung. Nur die weitere Suche nach einer gerechten Weltordnung, nach sozialer Gerechtigkeit und dem Abbau der globalen Hierarchien könnten einen neuerlichen Aufschwung kommunistischer Ideen verhindern.
Informationen über den Rezensenten:
Ilko-Sascha Kowalczuk, geb. 1967 in Ost-Berlin, Zeithistoriker, lebt in Berlin, Autor zahleicher Bücher und anderer Publikationen.
Bibliografische Angabe
David Priestland: Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute, aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt, München: Siedler Verlag 2009.