Rezension

Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik

Rezensent: Marcel Bois

Titelseite von Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. 2 Bände. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt 1969.

In der DDR galt der Historiker Hermann Weber als Renegat. Schon während seines Studiums an der SED-Parteihochschule (1947–1949) war er Chefredakteur der FDJ-Zeitung in der Bundesrepublik. Doch schon bald gelangte er zu der Überzeugung, dass eine „bessere Welt“ nicht „durch eine Diktatur zu erreichen ist“. Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik arbeitete er für die FDJ. Vor dem geplanten Bruch mit dem Kommunismus sowjetischer Prägung verhaftete man ihn und andere Funktionäre der seit 1951 verbotenen Organisation. Auf seine Entlassung im Jahr 1954 folgte der Ausschluss aus der KPD. Anders als viele enttäuschte Parteigänger wurde Weber jedoch keineswegs zum glühenden Antikommunisten, sondern suchte weiterhin den Kontakt zu Oppositionellen der Bewegung. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass der Stalinismus nicht die einzige Möglichkeit des Kommunismus ist“, betonte er später. Ende der 1950er-Jahre begann sich Weber wissenschaftlich mit seinen ehemaligen Genossinnen und Genossen zu befassen. 1968 promovierte er an der Universität Mannheim mit einer Arbeit über „Veränderungen der innerparteilichen Struktur der Kommunistischen Partei Deutschlands (1924-1929)“. Ein Jahr später wurde sie unter dem Titel „Die Wandlung des deutschen Kommunismus“ publiziert. Anknüpfend an Ossip K. Flechtheims Studien zeigte Weber hier auf, dass sich die inneren Strukturen der KPD im Laufe der Weimarer Republik „grundlegend veränderten“. Den durch die Sowjetunion (über die Komintern) gesteuerten „Wandel von einer Partei mit einem hohen Maß innerer Demokratie“ in „eine disziplinierte Partei mit zentralisierter Befehlsgewalt“ bezeichnete Weber als „Stalinisierung“. Diese Transformation hat er im wenig beachteten zweiten Band auch sozialhistorisch analysiert. So verdeutlichte er, wie der KPD-Apparat große Teile des Führungskorps austauschte. Die KPD der frühen 1930er-Jahre hatte also nicht nur ideologisch kaum noch etwas mit Partei zu tun, die um die Jahreswende 1918/19 von Rosa Luxemburg und anderen gegründet worden war. „Die Wandlung des deutschen Kommunismus“ wurde schnell zum Standardwerk. Nach 1990 haben Historiker gelegentlich Webers These vom demokratischen Frühkommunismus in Frage gestellt. Doch überzeugend widerlegen konnte bislang niemand das Konzept. Im Gegenteil: Die Öffnung der Archive bestätigte es eher noch. So bildet es bis heute den Referenzpunkt für Forscherinnen und Forscher, die sich mit der Geschichte der KPD in der Weimarer Republik beschäftigen.

Informationen über den Rezensenten:

Dr. Marcel Bois ist Autor von „Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Eine Gesamtdarstellung“ (Essen 2014). Derzeit bearbeitet er als Stipendiat der Gerda-Henkel-Stiftung ein Postdoc-Projekt zur Biografie der österreichischen Architektin und Kommunistin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000).

Bibliografische Angabe

Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. 2 Bände, Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt 1969.