Rezension

János Kornai: The Socialist System. The Political Economy of Communism.

Rezensent: André Steiner

Cover von János Kornai: The Socialist System. The Political Economy of Communism. Oxford: Oxford University Press 1992.

János Kornai, ein 1928 geborener Ökonom, der zunächst selbst in der ungarischen Wirtschaft tätig war, dabei erste kritische Analysen der Planwirtschaft sowjetischer Prägung vorlegte und später als Wirtschaftswissenschaftler an der Konzipierung ökonomischer Reformen beteiligt war, lehrte seit 1984 an der Havard University. In „The Socialist System“ bettet Kornai die ökonomische Analyse der Funktionsweise des staatssozialistischen Wirtschaftssystems, die er bereits 1980 mit „Economics of Shortage“ vorgelegt hatte, in die politischen Mechanismen dieser Gesellschaften ein und verweist auf wechselseitige Zusammenhänge. Stärker als in früheren Schriften rückt er die politischen Interventionen in die Wirtschaft, die dahinter stehende Machtstruktur und Ideologie sowie ihre ökonomischen Konsequenzen, die wiederum neue Eingriffe hervorriefen, in den Fokus der Darstellung. Die Ausführungen reichert er mit einer Vielzahl von Beispielen aus der Praxis in Ungarn, aber auch aus den anderen sozialistischen Ländern an. Sein Fazit lässt sich auf folgenden Nenner bringen: Der klassische Sozialismus stalinistischer Prägung, der im ersten Teil des Buches behandelt wird, war ineffizient und repressiv, aber in sich kohärent. Als begonnen wurde, ihn zu reformieren, löste sich diese Kohärenz auf, die inneren Widersprüche des Systems verstärkten sich und ließen die Reformen – Gegenstand des zweiten Teils – scheitern, auch wenn diese einige Verbesserungen brachten. Das Buch war und ist für die historische Forschung zu den sozialistischen Gesellschaften ungemein anregend, wie ich bei meinen eigenen Untersuchungen zur DDR-Wirtschaftsreform erfahren konnte. Die Originalausgabe lag 1992 vor, als begonnen wurde, die historische Erforschung des Staatssozialismus auf eine neue Quellengrundlage zu stellen. Natürlich wurden die von Kornai herausgearbeiteten Phänomene, wie das "forcierte Wachstum", der "Investitionshunger", der Mangel an materiellen Ressourcen und die "weiche" Budgetbeschränkung der Unternehmen, von den Historikern vielfach differenziert und präzisiert, aber im Grundsatz wurde ihr die Wirtschaftsentwicklung der Ostblockländer prägender Charakter bestätigt. Lesenswert scheint es mir noch immer, auch weil es eine gelungene Mischung von theoretischer Analyse und eigener Zeitzeugenschaft bietet.

Information über den Rezensenten:

André Steiner, Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und apl. Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Potsdam; wichtige Veröffentlichungen: Die DDR-Wirtschaftsreform der sechziger Jahre. Konflikt zwischen Effizienz- und Machtkalkül, Berlin 1999; Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, aktualisierte und bearbeitete Neuausgabe Berlin 2007.

Bibliografische Angabe

János Kornai: The Socialist System. The Political Economy of Communism, Oxford: Oxford University Press 1992 (dt.: Das sozialistische System. Die politische Ökonomie des Kommunismus. Baden-Baden: Nomos 1995).