Rezension

Peter Fröberg Idling: Pol Pots Lächeln. Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer

Rezensent: Hannes Schwenger

Cover von Peter Fröberg Idling: Pol Pots Lächeln. Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer, Frankfurt am Main: Edition Büchergilde 2013.

Kambodschas Schreckensregime, Pol Pots „Demokratisches Kampuchea“, dessen Terror fast ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer fiel, galt in den dreieinhalb Jahren seines Bestehens von 1975 bis 1979 als maoistisch. Mit Maos China teilte das „Demokratische Kampuchea“  nur die bäuerliche Basis des Regimes und die Gegnerschaft zu Sowjetunion und dem benachbarten Vietnam, das denn auch 1979 Pol Pots Herrschaft ein Ende setzte.
Sein oberster Kerkermeister und Herr der berüchtigten „Killing Fields“ Duch kommentierte seine Taten in späteren Gerichtsverfahren ungerührt, Er und seine Männer seien bei ihren Mordtaten nie grausam oder gemein gewesen: „Meine Männer haben die Ideologie praktziert.“ Das eine ist eine dreiste Lüge, das andere die nackte Wahrheit. Vorsichtige Schätzungen seiner tödlichen ideologischen Praxis kommen auf mindestens 12.000 Opfer.
Die Herrschaft der Roten Khmer begann mit der Evakuierung Pnom Penhs, der Abschaffung des Geldes und der Liquidierung von Feinden ihrer Diktatur, die nur noch zwei Klassen kannte: das eingesessene „alte Volk“ und die zu ihnen aufs Land vertriebenen Städter als "neues Volk".  In seinem Buch liefert der schwedische Schriftsteller und Journalist Peter Fröberg Idling, der selbst einige Jahre in Kambodscha gelebt hat, Kostproben der ideologischen Parolen: „Der Besitz jedes Kambodschaners paßt in ein Bündel.“ Oder über einen Gefangenen: „Dieser hat die Krankheit der alten Gesellschaft, er muß mit der Arznei Lenins behandelt werden.“ Fröberg Idlings Gewährsmann ist der Maler Vann Nath, der als einer von nur sieben Insassen das Gefängnis S 21 überlebt hat, weil er für Duch Propagandabilder und Porträts von Pol Pot malte. Dessen einnehmendes Lächeln war keine Propagandalüge, sondern wird von mehreren seiner Besucher geschildert. Es hat dem Buch seinen Titel gegeben, der auf die Irreleitung einer schwedischen Delegation anspielt, die 1978 das Land bereisen durfte und statt S 21 und Killing Fields nur Pol Pots Potemkinsche Dörfer zu sehen bekam. Zur Delegation gehörten die spätere Reichstagspräsidentin Birgitte Dahl, die heute nichts mehr davon wissen will, dass sie damals Berichte über den Terror der Roten Khmer für "Lügen und Spekulation“ hielt; und dass die Evakuierung der Stadtbewohner notwendig gewesen sei, „um die Lebensmittelproduktion schnell in Gang zu bringen“. Ähnlich äußerte sich der Schriftsteller Jan Myrdal: Er will zwar Grausamkeiten nicht leugnen, aber: „Über das Schicksal von Denunzianten und Kollaborateuren habe ich noch nie Tränen vergossen.“ Nur Gunnar Bergström, damals Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft Schweden – Kampuchea, räumt heute ein, dass sie zwar blühende Dörfer, aber auch Not und Armut gesehen hätten.
Steve Heder, ein amerikanischer Korrespondent in Kambodscha vermutet, selbst die Chefs der Roten Khmer hätten an blühende Landschaften geglaubt, denn auch ihnen seien Potemkinsche Dörfer vorgeführt worden. Für die Gäste aus dem Westen habe schon ein dichtes Programm und hohes Tempo der Besuchsreisen genügt, um sie von Blicken hinter die Kulissen abzuhalten. Zugegeben: Ein „dichtes Programm“ und "hohes Tempo" hatte auch die kurzlebige Revolution der Roten Khmer. Aber für die Blindheit seiner schwedischen Gäste hatte Pol Pot wohl doch nur – ein Lächeln.

Informationen über den Rezensenten:

Hannes Schwenger, Dr. phil., Literaturwissenschaftler, Publizist und Schriftsteller. Zahlreiche Veröffentlichungen und Herausgaben, u. a.: Die polnische Teilung des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS). In Selbstzeugnissen, Dokumenten, Briefen und im Zerrspiegel der MfS-Akten / Forschungsverbund SED-Staat. Zst.: Hannes Schwenger, Red.: Martin Jander. Berlin 1999.

Bibliografische Angabe

Peter Fröberg Idling: Pol Pots Lächeln. Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer, Frankfurt am Main: Edition Büchergilde 2013.