DDR von A-Z

Ein enzyklopädisches Online-Handbuch

Oliver Corff

Einleitung

Zwischen 1953 und 1985 veröffentlichte die Bundesregierung mehrere Handbücher über die Deutsche Demokratische Republik (DDR) unter verschiedenen Titeln, darunter SBZ von A–Z (1953–1966), A bis Z (1969) und das DDR Handbuch (1975–1985). Diese Werke verfolgten das Ziel, umfassende Informationen über die DDR zu liefern. Die Artikel behandelten Themen wie die staatliche Organisation, die politische und wirtschaftliche Entwicklung sowie die führenden Akteure der DDR. Diese Informationen wurden teils in kurzen Stichworterklärungen, teils in ausführlichen Darstellungen aufbereitet.

Mit dem Ende der DDR trat eine zusätzliche Dimension dieser Handbücher zutage: Sie fungieren als Zeitzeugen, die nicht nur die Entwicklung innerhalb der DDR, sondern auch die sich verändernde Perspektive der Bundesrepublik auf die DDR über drei Jahrzehnte hinweg dokumentieren. Diese Handbücher bieten daher eine wertvolle Quelle, um den Wandel der historischen Sichtweisen nachzuvollziehen.

Der gesamte Text dieser Handbücher ist nun auf der Plattform www.kommunismusgeschichte.de zugänglich gemacht worden. Dabei wurde der ursprüngliche Charakter des Nachschlagewerks beibehalten, indem die Querverweise der Originaltexte als Links integriert wurden. Neu ist die Möglichkeit, die Veränderungen der Einträge über die verschiedenen Ausgaben hinweg zu verfolgen, was einen einzigartigen Vergleich der historischen Perspektiven ermöglicht.

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg führte zur Gründung zweier deutscher Staaten: der Bundesrepublik Deutschland im Westen und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Osten. Zwischen 1949 und 1990 markierte die innerdeutsche Grenze nicht nur die Trennung zweier Länder, sondern auch die Frontlinie zweier gegensätzlicher politischer Systeme im Kalten Krieg. Diese Grenze war eine der am stärksten militarisierten weltweit, vergleichbar nur mit der Grenze zwischen Süd- und Nordkorea. Die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 bedeutete das Ende des Kalten Krieges und war ein entscheidender Schritt hin zu einem vereinten Europa.

Die deutsche Teilung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben von Millionen Menschen. Familien wurden getrennt, und viele Menschen, die aus der DDR in den Westen fliehen wollten, riskierten dabei ihr Leben. Reisen zwischen Ost- und Westdeutschland waren stark eingeschränkt: Während Westdeutsche nur mit Schwierigkeiten in die DDR reisen konnten, war es für Ostdeutsche nahezu unmöglich, den Westen zu besuchen. Das Leben in der DDR wurde von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vollständig kontrolliert, die das politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben nach den Prinzipien des Leninismus gestaltete.

Die Wiedervereinigung war seit der Gründung der Bundesrepublik ein zentrales politisches Ziel. Um dieses Ziel in der Öffentlichkeit zu unterstützen, wurde 1953 das erste Handbuch SBZ von A–Z veröffentlicht. Es sollte umfassende Informationen über die DDR bereitstellen, die in Westdeutschland aufgrund der Nichtanerkennung weiterhin als "Sowjetische Besatzungszone" (SBZ) bezeichnet wurde. Diese Handbücher sollten dem Mangel an zugänglichen Informationen über die DDR entgegenwirken und das Bewusstsein für ein vereintes Deutschland lebendig halten. Im Vorwort der ersten Ausgabe hieß es: „Das Wissen um die Daseinsverhältnisse unserer Landsleute in der Sowjetzone muß im ganzen Volke verbreitet und lebendig erhalten werden, denn dadurch wird die Einheit unseres Volkes im Denken und Miterleben gewahrt.“

Das Handbuch, zunächst in einem schmalen Band veröffentlicht, wurde bereits ein Jahr später in erweitertem Umfang neu aufgelegt. Bis 1985 erschienen insgesamt 14 Ausgaben, die bis heute das umfassendste Kompendium über die DDR darstellen. Die Notwendigkeit für regelmäßige Neuauflagen ergab sich aus den ständigen Veränderungen innerhalb der DDR, wie dem Bau der Berliner Mauer 1961 oder den Reformen der Zentralverwaltung in den 1960er Jahren. Im Vorwort der Ausgabe von 1966 heißt es: „Auch künftig wird es vielmehr die Aufgabe und der Vorzug des Buches sein müssen, alle Veränderungen in Mitteldeutschland so schnell und so zuverlässig wie möglich zu registrieren.“

Diese Handbuchreihe ist aufgrund ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung für verschiedene Interessengruppen, wie Wissenschaftler, politische Bildner und Journalisten, von Wert. Die Handbücher bieten nicht nur Einblicke in die DDR, sondern dokumentieren auch den Wandel der westdeutschen Sicht auf die DDR im Laufe der Jahrzehnte. Die Handbücher machen die Auswirkungen von Enteignungen, Einschränkungen der Berufswahl und politischer Repression sichtbar, die bis 1961 über zwei Millionen Menschen zur Flucht in die Bundesrepublik veranlassten und schließlich zum Bau der Mauer führten. Dadurch werden die Handbücher selbst zu wertvollen Zeitzeugnissen.

Textquellen

Die Rubrik „DDR A-Z“ der Website kommunismusgeschichte.de präsentiert die Handbücher, die zwischen 1953 und 1985 vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (1953–1966, siehe Anhang „SBZ/DDR-Handbücher“) und ab 1969 vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen veröffentlicht wurden. Die Titel, redaktionelle Ausrichtung und das Erscheinungsbild dieser Handbücher veränderten sich im Laufe der Jahre und spiegelten damit den historischen Wandel in der bundesdeutschen Ostpolitik wider. Die Artikel zu den Stichworteinträgen wurden mit der Zeit immer umfangreicher und durch zusätzliche Materialien wie Tabellen, Grafiken und Literaturhinweise ergänzt.

Ein Umbruch in der grundlegenden Konzeption der Handbücher geschah 1969. Mit der Wahl zum 6. Deutschen Bundestag am 28. September 1969 konstituierte sich erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine sozialliberale Koalition. In seiner Regierungserklärung kündigte Bundeskanzler Willy Brandt eine Entspannung der Beziehungen zur DDR und den osteuropäischen Staaten durch Dialog, Annäherung und die Anerkennung der bestehenden Grenzen an, um Frieden und Sicherheit in Europa zu fördern. Im Rahmen der neuen Ostpolitik würde die Existenz der DDR nicht mehr länger infrage gestellt werden, ohne jedoch ihre staatliche Souveränität völkerrechtlich anzuerkennen. Die deutsche Einheit blieb das Ziel der Bundesregierung, die auch den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik im Grundsatz nicht aufgab ("Zwei Staaten - eine Nation"). Diese politische Neuausrichtung führte dazu, dass im Vorwort der 11. Ausgabe von 1969 ein konzeptioneller Wandel angedeutet wurde. Aus Zeitmangel wurde das alte Format jedoch beibehalten; nur der Titel änderte sich: Aus SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands wurde A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über den anderen Teil Deutschlands. Diese Ausgabe blieb in ihrer Struktur noch identisch mit den vorherigen. In den folgenden Jahren wurde das alte Format jedoch nicht weitergeführt. Stattdessen entstanden unter der Leitung von Prof. Peter Christian Ludz 1972 und 1974 die „Materialien zum Bericht zur Lage der Nation“. 1974 gab der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Egon Franke, den Auftrag, diese umfangreichen Informationen in ein neues Nachschlagewerk zu überführen, das erstmals 1975 unter dem Titel DDR Handbuch erschien.

Die Erstellung der Handbücher wurde von großen redaktionellen Teams mit zahlreichen Mitarbeitern durchgeführt. In den früheren Ausgaben wurde vermerkt: „Dieses Buch entstand im Zusammenwirken der Publikationsstelle des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen mit dem Büro Bonner Berichte und einer großen Zahl von Mitarbeitern aus Wissenschaft und Praxis. Die Redaktion besorgte Günter Fischbach.“  Die konkrete Zahl der Mitwirkenden geht aus diesen dürren Angaben ohne Kenntnis der Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe nicht hervor. Erst die neu konzipierten Ausgaben von 1975 bis 1985 geben einen besseren Überblick: Die Zahl der Autoren stieg von etwa 80 in der Ausgabe 1975 auf rund 100 in den folgenden Jahren an. Insgesamt lassen sich über die Vorworte und Autorenkennzeichnungen der Artikel in der letzten Ausgabe etwa 120 Autoren nachweisen. Für die Jahre bis 1969 dürfte eine ähnliche Anzahl von Mitwirkenden proportional zum Umfang der Texte angenommen werden.

Inhalte und Bedeutung

Ein zentrales Anliegen der Handbücher war die detaillierte Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen in der DDR, die in der ursprünglichen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) unter der Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) stattfanden. Die SED verfolgte das Ziel, das bürgerlich-demokratische System und den Rechtsstaat zu beseitigen, um den „Aufbau des Sozialismus“ durchzusetzen. In den Handbüchern wurden der Einfluss der UdSSR, der Umbau der Landwirtschaft durch die Bodenreform und die Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) sowie die Verwaltungsreformen wie die Abschaffung der Länder und die Einführung der Bezirke ausführlich beschrieben. Ebenso fanden die marxistisch-leninistische Ideologie und der spezifische Sprachgebrauch der DDR, oft als „Parteijargon“ gekennzeichnet, Eingang in die Artikel – wie etwa „Inhaltismus“, „Tonnenideologie“, „operativer Arbeitsstil“ oder „Trawopolnajasystem“, ein Meliorationsverfahren.

In den ersten Jahren nach der Gründung der DDR spiegelten die Handbücher die Nichtanerkennung der DDR durch die Bundesrepublik und den Alleinvertretungsanspruch wider. Mit der bereits angesprochenen Ostpolitik ab 1969 änderte sich die Haltung der Bundesregierung. Ihre Außenpolitik zielte nun auf einen Ausgleich mit dem Ostblock, auf Entspannung sowie „Wandel durch Annäherung“, was sich im Abschluss der Ostverträge zwischen 1970 und 1973 (Moskauer Vertrag, Viermächteabkommen, Transitregelung, Grundlagenvertrag usw.) artikulierte.

In den drei Auflagen des DDR Handbuchs zwischen 1975 und 1985 schlägt sich diese neue Haltung in einer neutraleren Darstellung der Institutionen und Behörden der DDR-Staatsbürokratie nieder. Zahlreiche Begrifflichkeiten aus der Zeit des größten sowjetischen Einflusses wie auch des frühen Parteijargons der SED werden nicht mehr behandelt.

Viele politische Begriffe, die in der DDR verwendet wurden, wie „Pazifismus“ oder „Demokratisierung“, hatten in der DDR eine andere, oft negativ konnotierte Bedeutung als in der Bundesrepublik. So wurde Pazifismus in der DDR als bürgerliche Ideologie abgelehnt, die den Unterschied zwischen „gerechten“ und „ungerechten“ Kriegen verkenne. Diese Umdeutung von Begriffen war typisch für die DDR und diente der Machtausübung durch die SED. Besonders sichtbar wird dies am Begriff der Friedensgefährdung, die der dazugehörige Eintrag z.B. im Jahr 1966 wie folgt definiert: „Ein Straftatbestand, der aus der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrats vom 12. 10. 1946 entnommen wurde. [...] Diese Bestimmung des Kontrollrats wurde in der Rechtsanwendung der sowjetzonalen politischen Strafgerichte ihres Sinnes völlig entkleidet und diente zur rücksichtslosen Verfolgung tatsächlicher oder angeblicher Gegner des politischen Systems.“ In der überarbeiteten Fassung von 1969 ist nur das Wort „sowjetzonal“ gestrichen; in den Ausgaben 1975, 1979 und 1985 wird die Formulierung abgeschwächt, es heißt nur noch: „In der strafrechtlichen Praxis der DDR-Justiz spielte diese Bestimmung bei der Verfolgung tatsächlicher oder angeblicher Gegner des politischen Systems eine große Rolle.“

Ein anderer Schlüsselbegriff der Machtausübung der SED war die Demokratisierung. In der marxistisch-leninistischen Staatslehre wird scharf zwischen „bürgerlicher“ und „sozialistischer“ Demokratie unterschieden. Ziel des Partei- und Staatsapparates war es seit der Gründung der DDR, alle Erscheinungsformen „bürgerlicher“ Demokratie abzuschaffen. Der in der „DDR allgemein verbindliche demokratische Zentralismus [reduziert] die örtlichen Parlamente und Verwaltungen zu nur noch formal freien Ausführungsstellen der zentralen, völlig von der SED beherrschten Volkskammer“ (Stichwort Demokratisierung, Jahrgänge 1958–60). Auch die Justiz wurde nach diesem zentralistischen Modell umgebaut.

Die Handbücher thematisierten, dass Sprache in der DDR ein Instrument der politischen Kontrolle war. Begriffe, die neutral erscheinen mochten, wurden gezielt als „trojanische Pferde“ für die kommunistische Propaganda genutzt. Dieser Aspekt gewinnt angesichts des wachsenden Einflusses autoritärer Strömungen auf die globale Politik an Relevanz, da er Lehren für den Umgang mit Sprache und Macht in der Gegenwart bietet.

Die Darstellung politischer Kontroversen innerhalb der Parteiführung aber auch von Dissidenz, Opposition oder gar Widerstand in der Gesellschaft entfaltet sich in den Handbüchern nur allmählich. Einzeldarstellungen gibt es zum Juni-Aufstand 1953, aber in frühen Ausgaben gibt es allenfalls knappe Hinweise auf die konkreten Inhalte politischer Richtungsdebatten; wir erfahren vor allem von ihren Auswirkungen auf die damaligen Akteure. So begeht Gerhart Ziller nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Ulbricht um Wirtschaftskurs und Führungsfragen am 14. 12. 1967 Selbstmord. Er wurde postum beschuldigt, zur „parteifeindlichen Gruppe Schirdewan, Wollweber u.a.“ gehört zu haben. Mit diesem Sprachgebrauch verschleierte die SED jede inhaltliche Diskussion und setzte gleichzeitig den absoluten Führungsanspruch der Partei durch. Stichwörter wie Dritter Weg, Revisionismus und Säuberungen finden schon in frühen Jahrgängen Eingang in die Handbücher. So heißt es 1960 zum Dritten Weg: „Mit dem Begriff DW. verbindet die sozialistische Opposition im Ostblock das Bekenntnis zum ‚demokratischen‘ oder auch ‚menschlichen Sozialismus‘“. Eine umfassende Darstellung der Opposition mit historischem Kontext erscheint erst in den Jahrgängen 1975, 1979 und 1985 unter dem Titel Opposition und Widerstand.

Umfang

Die erste Ausgabe von 1953 war noch ein kompaktes Taschenbuch mit etwa 173 Seiten und 587 Stichworteinträgen. In den folgenden Jahren nahm der Umfang jedoch schnell zu. Bis 1969 wuchs die Anzahl der Stichworteinträge auf über 2.500 an, während der Seitenumfang ebenfalls erheblich zunahm. In den späteren Ausgaben wurde die Anzahl der Einträge zwar reduziert, gleichzeitig wuchs jedoch die Detailtiefe der Artikel deutlich an. So umfasste die letzte Ausgabe von 1985 zwar nur noch rund 1.030 Stichworteinträge, diese erstreckten sich jedoch über ca. 1.660 Seiten, was die zunehmende inhaltliche Komplexität widerspiegelt.

Schon in der ersten Ausgabe von 1953 wurden Artikel zu Themen wie Wirtschaft, Landwirtschaft und Bevölkerung durch statistische Tabellen ergänzt. Waren es anfangs 30 Tabellen, stieg ihre Zahl bis 1985 auf 315 an. Über alle 14 Ausgaben hinweg wurden insgesamt 1.374 Tabellen veröffentlicht, die detaillierte und quantifizierte Einblicke in die Entwicklungen von Bevölkerung, Landwirtschaft, Industrie, Berufen, Wohnraum und bewaffneten Kräften der DDR geben. Zusätzlich wurden ab 1962 Graphiken und Schaubilder eingeführt, deren Anzahl bis zur letzten Ausgabe 1985 auf 86 anwuchs.

Seit der zweiten Ausgabe von 1954 werden die Handbücher von ausführlichen Literaturangaben begleitet, die eine Vorstellung von der Quellenlage vermitteln, auf der die Reihe basiert. Insgesamt enthalten die Handbücher bibliographische Hinweise auf etwa 2.850 zitierte Werke.

Insgesamt wurden in den 14 Ausgaben rund 4.400 Stichworteinträge erfasst, die sich tatsächlich auf etwa 3.600 verschiedene Themenbereiche beziehen. Die Differenz erklärt sich durch die Umstellung oder Neuformulierung von Stichwörtern sowie die Auflösung von Abkürzungen. So wurde zum Beispiel „Eisen- und Stahlerzeugung“ zu „Eisen- und Stahlindustrie“ umbenannt, und die „Deutsche Versicherungsanstalt“ wurde in einigen Ausgaben nur als „Versicherungsanstalt, Deutsche“ geführt. Auch die Bezeichnung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) variierte: In den Bänden von 1953 bis 1979 wurde sie unter „SED“ geführt, während in der Ausgabe von 1985 der vollständige Name „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)“ verwendet wurde.

Auswahl und Umfang der Stichwörter variierten von Ausgabe zu Ausgabe erheblich. Zwischen 1954 und 1956 wurden etwa 500 neue Stichwörter aufgenommen, während zwischen 1979 und 1985 über 900 Stichwörter ausgesondert und die verbleibenden Einträge inhaltlich stark erweitert wurden. Diese Veränderungen spiegeln redaktionelle Grundsatzentscheidungen wider; auf Einträge zu Personen oder geographischen Begriffen (Städte, Länder) wurde ab 1975 komplett verzichtet. Manche Begriffe wurden als überholt ausgesondert, z.B. das schon genannte Trawopolnajasystem, während neue Begriffe wie „Bausoldaten“ oder „Umweltschutz“ erst 1985 eingeführt wurden.

Die umfangreiche Aufnahme und gleichzeitige Aussonderung von Stichwörtern führte dazu, dass Querverweise in den Artikeln der 1960er-Jahre teilweise ins Leere liefen, weil sie auf Stichwörter verwiesen, die im selben Band nicht mehr enthalten waren. In der Online-Ausgabe sind diese Verweise jedoch korrigiert und führen zu den richtigen Einträgen, die oft im unmittelbar vorhergehenden Band zu finden sind.

Quellenkritische Nutzung

Ungeachtet ihres historischen Werts sind die Texte der SBZ/DDR-Handbücher als allgemeine Nachschlagewerke nur bedingt nutzbar. Während umfangreiche Realdarstellungen, wie die Artikel zur Sprache oder zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Ausgabe von 1985, uneingeschränkt zitierfähig sind, gilt dies für viele andere Artikel nicht, insbesondere zu Personen und politischen Ereignissen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Ein wesentliches Problem liegt in der inkonsistenten Wiedergabe von Personennamen und Lebensdaten in den frühen Ausgaben der Handbücher. Beispielsweise wird Friedrich Behrens in der Ausgabe von 1966 als „Friedrich“ bezeichnet, während er in den Jahren 1960–1965 als „Fritz“ geführt wird. Ähnliche Abweichungen gibt es bei Willi Stoph, der in einigen Ausgaben als „Willy“ aufgeführt wird, und bei Hans Warnke, der teilweise als „Johannes“ erscheint. Auch Geburtsdaten sind oft unzuverlässig: Rosa Luxemburgs Geburtsdatum wird in den Ausgaben von 1962–1965 falsch als „1870“ angegeben, erst 1966 korrekt als „1871“. Diese Fehler resultieren wahrscheinlich aus der wiederholten Übernahme nicht überprüfter Texte.

Andere historische Daten schwanken, weil sie zur Zeit der Entstehung der Handbücher noch nicht eindeutig festgelegt waren. So gibt es unterschiedliche Angaben zum Beginn der Berliner Blockade: Während heute der 18. Juni 1948 allgemein akzeptiert ist, finden sich in den Handbüchern auch Daten wie der 16., 19., 24. Juni oder der 8. Juli. Diese Unterschiede resultieren aus unterschiedlichen Interpretationen der Ereignisse, etwa dem Abzug des sowjetischen Kommandanten aus der Alliierten Kommandantur oder der Unterbrechung der Wasserwege nach West-Berlin. Diese Differenzen verdeutlichen die Notwendigkeit, historische Angaben in den Handbüchern kritisch zu hinterfragen.

Auch die faktische Richtigkeit mancher Informationen muss geprüft werden, da diese oft zeitgebunden und später durch neue Erkenntnisse überholt sind. Ein Beispiel hierfür ist die Darstellung der Beteiligung der Nationalen Volksarmee (NVA) an der Niederschlagung des Prager Frühlings am 21. August 1968. Während in der Ausgabe von 1969 von einer aktiven Beteiligung der NVA ausgegangen wird, zeigen spätere Forschungen, dass die DDR-Divisionen letztlich nicht zum Einsatz kamen, um keine negativen Assoziationen mit der Besatzung durch die Wehrmacht 1938/39 zu wecken.

Ein weiteres Problem ist die historisch bedingte Sprachwahl. Bis 1969 wird die DDR in zahlreichen Artikeln pauschal als „Sowjetzone“ oder „sowjetzonal“ bezeichnet, auch wenn es um Ereignisse nach 1949 geht. Erst ab 1975 wird konsequent der Begriff „DDR“ verwendet. Dies zeigt sich auch in der Umstellung von „Anrufung sowjetzonaler Gerichte“ auf „Anrufung eines Gerichts in der DDR“. Im Artikel Deutschlandpolitik des Jahres 1965 heißt es an einer Stelle: „Souveränität der SBZ“, was eine Beschreibung aus der Perspektive der Bundesrepublik ist, an anderer Stelle des gleichen Artikels hingegen: „Souveränität der ‚DDR‘“, hier als Zitat eines Textes der Volkskammer, wobei durch die Verwendung der Bezeichnung „DDR“ erkenntlich ist, dass der Urheber des Textes eine DDR-Stelle ist. Die Anführungszeichen, in die das Kürzel gehüllt wird, stehen für die westdeutsche Ablehnung der Anerkennung der DDR.

Zudem birgt die Erstellung der Texte mittels Texterfassungsprogrammen ein zusätzliches Fehlerpotenzial. Trotz intensiver automatisierter und manueller Korrekturen könnten sich orthographische Fehler, Zahlendreher oder andere Unstimmigkeiten in die Texte eingeschlichen haben.

Aus diesen Gründen wird bei der Online-Veröffentlichung jeder Artikel mit einem Hinweis versehen: „Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.“ Alle Einträge enthalten zudem genaue Verweise auf die Fundstellen mit exakten Seitenangaben, um eine präzise Quellenkritik zu ermöglichen.

Schlusswort

Die über einen Zeitraum von 32 Jahren erarbeiteten Handbücher bieten detaillierte und umfassende Erläuterungen zu den politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen der DDR. Diese Darstellungen sind präzise und faktenbasiert und vermeiden die Vermittlung von Meinungen. Obwohl die Titel bis 1966 („SBZ“) eine klare politische Position der Herausgeber erkennen lassen, ist es wichtig, die politischen Ziele der Bundesrepublik von der sachlichen Darstellung der Informationen zu trennen. Ab 1954 wurden durchgehend die damals zugänglichen offenen Quellen angegeben, was den wissenschaftlichen Anspruch der Texte unterstreicht.

Während dieser 32 Jahre entwickelte sich die DDR von einer Sowjetischen Besatzungszone zu einem Staat, der international um Anerkennung rang. Gleichzeitig veränderte sich auch die Perspektive der westdeutschen Regierung auf die DDR grundlegend. Die Handbücher dokumentieren nicht nur diesen Wandel, sondern bieten durch ihre Tiefe und Detailfülle wertvolle Informationen, die weit über den reinen Nutzen für Historiker hinausgehen. Sie ermöglichen ein tieferes Verständnis dafür, wie die DDR-Geschichte bis heute nachwirkt und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit den großen innerdeutschen politischen Fragen unserer Zeit.

Über den Autor

Oliver Corff (geb. 1958) ist promovierter Sinologe. Er studierte in den 1980er Jahren in Berlin und Shanghai. Von 1987 bis 1989 war er Gastwissenschaftler am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Tokyo. Er ist als Dolmetscher, Referent und Berater tätig und hat zahlreiche Aufsätze zur Sicherheits- und Militärpolitik Ostasiens publiziert.

 

Anhang: SBZ/DDR-Handbücher

[1] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A–Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Vorwort von Jakob Kaiser. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1953. 173 S.

[2] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A–Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Zweite, durchgesehene und erweiterte Auflage. Vorwort von Jakob Kaiser. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1954. 208 S.

[3] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Jakob Kaiser. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1956. 316 S.

[4] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Jakob Kaiser. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1958. 379 S.

[5] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Ernst Lemmer. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1959. 424 S.

[6] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Ernst Lemmer. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1960. 509 S.

[7] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Ernst Lemmer. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1962. 541 S.

[8] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Ernst Lemmer. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1963. 600 S., Tafeln.

[9] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Erich Mende. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1965. 543 S., Tafeln.

[10] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. SBZ von A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Erich Mende. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1966. 608 S., Tafeln.

[11] Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Hrsg. A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über den anderen Teil Deutschlands. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von: Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag, 1969. 833 S., Tafeln.

[12] Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Hrsg. DDR Handbuch. Vorwort von Egon Franke. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1975. 992 S.

[13] Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Hrsg. DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Vorwort von Egon Franke. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1979. 1280 S.

[14] Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Hrsg. DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Einleitung von Hartmut Zimmermann. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1985. XLVIII, 1660 S.