DDR A-Z 1965
Halbstaatliche Betriebe (1965)
Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Ähnlich wie in China im Jahre 1954 ist man in der SBZ Anfang 1956 dazu übergegangen, gemischte staatlich-private Betriebe (Betriebe „halbsozialistischen Charakters“, „halbstaatliche Betriebe“) zu schaffen, die „auf einem friedlichen Wege in sozialistische Betriebe umzugestalten“ sind (DFW 13/56, S. 584). Auf Grund des Beschlusses des 25. Plenums des ZK der SED, in dem es heißt: „Um die Produktionserfahrungen solcher privater Unternehmer auszuwerten, [S. 174]die über ein zu geringes Kapital verfügen, um volkswirtschaftlich notwendige Produktionen für die Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung und die Steigerung des Exports durchzuführen und erweitern zu können, kann solchen Betrieben das fehlende Kapital durch staatliche Beteiligungen zugeführt werden“, wurde im Januar 1956 die Deutsche ➝Investitionsbank (DIB) vom Präsidium des Ministerrates bevollmächtigt, sich an Privatbetrieben zu beteiligen. Nachdem die funktionale Selbständigkeit der Privatbetriebe schon seit Beginn der Volkswirtschaftsplanung nicht mehr besteht, wird durch die staatliche Beteiligung auch die noch vorhandene Kapitalbasis überfremdet. Bisher wurde bei dieser Staatsbeteiligung formell die alte Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG) gewählt, wobei der Staat mit seiner Kapitaleinlage als Kommanditist in die neue Gesellschaft eintritt und der ehemalige private Unternehmer Komplementär und Geschäftsführer wird. Für seine Geschäftsführung erhält er ein lohnsteuerpflichtiges Gehalt, das auch bei Verlusten zu zahlen ist. Die Gewinnbeteiligung erfolgt nach seinem Kapitalanteil. Das Verhältnis zwischen Komplementär und Kommanditist wird vertraglich geregelt. Der Kommanditist hat bestimmte Kontrollrechte und haftet nur bis zum Betrage seiner Vermögenseinlage. In Betrieben mit mehr als 50 v. H. Staatsbeteiligung wird ein staatlicher Beauftragter als Prokurist eingesetzt. Durch die Aufdeckung der stillen Reserven des ehemaligen Betriebes bei der Umwandlung entstehen keine steuerlichen Lasten. Über den anteiligen Betriebsgewinn kann der bisherige Betriebsinhaber verfügen. Der staatliche Gewinnanteil wird unversteuert an den Staatshaushalt abgeführt. Langfristige Kredite werden nicht gewährt. Zusätzlicher Kapitalbedarf soll durch Erhöhung der staatlichen Einlage gedeckt werden. Während zunächst nur die DIB berechtigt war, sich an privaten Betrieben kapitalmäßig zu beteiligen, sind es heute nahezu ausschließlich VEB, daneben auch VVB und z. T. die Deutsche Reichsbahn. Neben der wirtschaftlichen Einflußnahme soll besonders die politische Beeinflussung und Kontrolle auf diese Weise durch einen intensiveren Kontakt vergrößert werden. In Einzelfällen ist auch die Form der Offenen Handelsgesellschaften zulässig. Wenn auch diese neuen Gesellschaften gegenüber den anderen Privatunternehmen besondere Vorteile genießen, so begeben sie sich doch stark in die Hand des Staates und der staatsgewerkschaftlichen Kontrolle. Sie erhalten bestimmte Produktionsaufgaben, Materialkontingente und Lizenzen für Kapazitätserweiterung direkt von den betr. Verwaltungsorganen. Der FDGB ist für die Produktion dieser Betriebe mitverantwortlich. Er hat den Wettbewerb, Neuerermethoden und das Rationalisierungs- und Erfindungswesen unter den Arbeitern zu organisieren. HB. unterliegen der Kontrolle der Deutschen ➝Notenbank, sie sind verpflichtet, ihre Bankkonten ausschließlich bei der Deutschen Notenbank zu unterhalten. Der Einfluß der SED in diesen Betrieben wird laufend vergrößert. Private Komplementäre werden gezwungen, in die SED einzutreten und politische Schulungskurse zu besuchen. Der Grad an wirtschaftlicher Selbständigkeit dagegen wird immer geringer. Seit Anfang 1963 sind die HB. völlig in die Volkswirtschaftsplanung einbezogen und werden im Zuge der Konzentrationsbestrebungen seit dem VI. Parteitag gezwungen, sich mit anderen HB. zu einem Betrieb zu vereinigen. Nach sowjetzonalen Angaben entwickelten sich die HB. wie folgt: Anteil der HB. an der industriellen Bruttoproduktion (in v. H.) der Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 173–174 Halberstadt A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Halbstaatliche PraxisSiehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Ähnlich wie in China im Jahre 1954 ist man in der SBZ Anfang 1956 dazu übergegangen, gemischte staatlich-private Betriebe (Betriebe „halbsozialistischen Charakters“, „halbstaatliche Betriebe“) zu schaffen, die „auf einem friedlichen Wege in sozialistische Betriebe umzugestalten“ sind (DFW 13/56, S. 584). Auf Grund des Beschlusses des 25. Plenums des ZK der SED, in dem es heißt: „Um die Produktionserfahrungen solcher privater…
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Musik (1965)
Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Nach der in der SBZ maßgebenden sowjet. M.-Auffassung kann „das Wesen der M. unmöglich im inhaltlosen ‚Spiel reiner Klangformen‘ bestehen …, sondern darin, die Vielfalt der Wirklichkeit in das M.-Gestalten einfließen zu lassen. M., in diesem Sinne aufgefaßt, spiegelt nicht nur Wirklichkeiten, sondern vermag auch aktiv in die Lebenszusammenhänge einzugreifen und somit zur Veränderung und Umgestaltung der gesellschaftlichen Zustände beizutragen“. Mit diesen Sätzen (aus dem sowjetzonalen „Lexikon A—Z in einem Band“) wird die Norm des sozialistischen Realismus auch für die M. gesetzt, zugleich die ideologische Rechtfertigung für die hemmungslose Politisierung der M., vor allem der Volks-M. und in ihrem Bereich wiederum des Liedes, gegeben. „Unter entschiedener Absage an die musikfremde Zersetzung der europäischen Musiktradition“ soll eine Musik „hervorgebracht“ werden, „die im Streben nach einer neuen kunstvollen Einfachheit Ideentiefe, melodischen und harmonischen Reichtum, Volkstümlichkeit und Verständlichkeit der musikalischen Aussage in sich vereint“ (Entschließung der Kulturkonferenz 1960 der SED). Teils der bewußtseinsbildenden Wirkung wegen, teils auch aus Motiven staatlicher Repräsentation, die in allen totalitären Herrschaftsformen das Kulturleben beeinflussen, wird das öffentliche M.-Leben mit beträchtlichen Mitteln gefördert, wobei Institute von großer Tradition (Leipziger Gewandhaus, Dresdener Philharmonie, Berliner Staatsoper, Thomaner- und Kreuz-Chor) mehr als ihren Namen einzusetzen hatten. 1963 gab es 38 „Kultur- und Sinfonie-“, 51 Theater- und 2 Rundfunkorchester. Der Pflege des Kulturellen Erbes dienen Musikfeste, die u.a. Bach und Händel, 1960 während der Arbeiterfestspiele Robert Schumann gewidmet waren. [S. 297]Man bemüht sich, das Konzertleben, das von der Deutschen ➝Künstler-Agentur und den Deutschen ➝Konzert- und Gastspieldirektionen monopolistisch gesteuert wird, weitgehend zu dezentralisieren. Die Einsetzung eines Musikrates, der das Musikleben der SBZ zugleich repräsentieren und steuern soll, erfolgte im Mai 1962. Auf musikwissenschaftlichem Gebiet, vor allem bei großen Editionen, gibt es noch Beispiele gesamtdeutscher Zusammenarbeit. Die großen M.-Verlage, wie der weltberühmte von Breitkopf & Härtel, wurden enteignet und verstaatlicht oder sind verschwunden. (Verlagswesen) Wie alle Sparten der Laienkunst, erfreut sich auch die Volks-M. der besonderen Beachtung von Partei und Staat, denen es dabei ebensowohl um die Kontrolle des Vereinswesens wie auch um die bewußtseinsbildende Kraft der gemeinschaftlichen M.-ausübung zu tun ist. Volksmusikschulen dienen der Förderung und Ausrichtung des Nachwuchses, das Institut für Volksmusikforschung in Weimar veranstaltet Wanderausstellungen und gibt Liederblätter und Volkstanzhefte heraus, das Zentralhaus für Kulturarbeit sorgt für sozialistisches Liedgut (Kampflied), das zusammen mit Volkstanz, Kabarett und Agitprop die Veranstaltungen der Kulturellen Massenarbeit auszufüllen hat. „Ernstes Zurückbleiben“ wird immer von neuem auf dem Gebiete der Tanz- und Unterhaltungs-M. kritisiert, wo die eigene Produktion im Urteil des meist jugendlichen Publikums gegen „imperialistische Einflüsse“ aus dem Westen nicht aufzukommen vermag und man daher zu einer administrativen Drosselung des Verbrauchs westlicher M. schreiten mußte. 1963 gab es 5.000 Chöre, 4.500 Laientanzkapellen, 2.300 Laienspielgruppen und 1.500 Volkstanzgruppen. (Kulturpolitik, Verband deutscher ➝Komponisten und Musikwissenschaftler, AWA, Schallplatten) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 296–297 Museum für Deutsche Geschichte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Mutter und KindSiehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Nach der in der SBZ maßgebenden sowjet. M.-Auffassung kann „das Wesen der M. unmöglich im inhaltlosen ‚Spiel reiner Klangformen‘ bestehen …, sondern darin, die Vielfalt der Wirklichkeit in das M.-Gestalten einfließen zu lassen. M., in diesem Sinne aufgefaßt, spiegelt nicht nur Wirklichkeiten, sondern vermag auch aktiv in die Lebenszusammenhänge einzugreifen und somit zur Veränderung und Umgestaltung der gesellschaftlichen…
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Sachsen-Anhalt (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Land in der SBZ; gebildet 1945–1947 aus den preußischen Provinzen Halle-Merseburg und Magdeburg, dem Land Anhalt und kleineren braunschweigischen und thüringischen Gebietsteilen; 24.657 qkm, 4,1 Mill. Einwohner (1950); Verfassung vom 10. 1. 1947, Hauptstadt: Halle; Landesfarben: Schwarz-Gelb; Wirtschaft: Braunkohlenbergbau und -industrie, Kali-, Salz-, Kupfer- und Eisengewinnung, Metall-, Stickstoff- und chemische Industrie, hochintensive Landwirtschaft. — Landtag, Landesregierung und damit praktisch auch das Land im Sommer 1952 im Zuge der verfassungswidrigen Verwaltungsneugliederung unter gleichzeitiger Bildung der Bezirke Halle und Magdeburg aufgehoben. S.-A. ist hervorgegangen aus der 1815 gebildeten preußischen Provinz Sachsen [S. 372](Brandenburg, Sachsen), die 1944 im Zuge der sog. Reichsreform bei Unterstellung des Reg.-Bez. Erfurt unter den Reichsstatthalter in Thüringen in die Provinzen Halle-Merseburg und Magdeburg geteilt wurde. In den letzten Wochen des 2. Weltkrieges wurden die Provinzen von amerikanischen, britischen und sowjetischen Truppen besetzt; am 1. 7. 1945 fiel auf Grund der alliierten Abkommen über die Zoneneinteilung auch das westlich der vorläufigen Demarkationslinie gelegene Gebiet an die Sowjets. Wenige Tage später befahl die SMAD die Einbeziehung des Landes Anhalt in die wiedervereinigte Provinz und die Errichtung der „Provinzialverwaltung für die Provinz Sachsen“ unter Präsident Dr. Erhard Hübener (LDP), der sie im Oktober 1945 ein beschränktes Gesetzgebungsrecht einräumte. Am 20. 10. 1946 fanden die ersten Landtagswahlen statt, bei denen trotz massivster sowjetischer Wahlbeeinflussung die SED nur 45,8 v. H. der abgegebenen Stimmen erhielt. Der Landtag bestätigte im Dezember 1946 die auf der Grundlage der Blockpolitik gebildete Provinzialregierung unter Ministerpräsident Dr. Erhard Hübener (LDP) und beschloß am 10. 1. 1947 die Verfassung der Provinz S.-A.“, die am folgenden Tage in Kraft trat. Nach der Auflösung Preußens durch den Alliierten Kontrollrat wurde die Provinz im Juli 1947 auch staatsrechtlich Land. An Stelle des im August 1949 zurückgetretenen Dr. Hübener wurde Werner Bruschke (SED) Ministerpräsident. Seit Bildung der Sowjetzonen-Republik im Oktober 1949 war S.-A. Land der „DDR“. (Länder) Literaturangaben Böhmer, Karl Hermann: Deutschland hinter dem Eisernen Vorhang — Sowjetische Besatzungszone (neubearb. v. Eugen Stamm). Essen 1962, Tellus-Verlag. 64 S. m. zahlr. Abb. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 371–372 Sachsen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z SachversicherungSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Land in der SBZ; gebildet 1945–1947 aus den preußischen Provinzen Halle-Merseburg und Magdeburg, dem Land Anhalt und kleineren braunschweigischen und thüringischen Gebietsteilen; 24.657 qkm, 4,1 Mill. Einwohner (1950); Verfassung vom 10. 1. 1947, Hauptstadt: Halle; Landesfarben: Schwarz-Gelb; Wirtschaft: Braunkohlenbergbau und -industrie, Kali-, Salz-, Kupfer- und Eisengewinnung, Metall-, Stickstoff- und chemische Industrie,…
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KPdSU, Geschichte der (1965)
Siehe auch: KPdSU (B), Geschichte der: 1953 KPdSU, Geschichte der: 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1. Fassung war der auf Veranlassung des ZK der KPdSU (B) 1936 begonnene „Kurze Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)“. Er fälscht bewußt viele Tatsachen und stellt die marxistische Revolutionsbewegung in Rußland und die bolschewistische Staatsentwicklung einseitig leninistisch-stalinistisch dar. Dieser Lehrgang wurde 1938 auf Anordnung Stalins nochmals nach den neuesten Parteirichtlinien umgeschrieben und danach mit jeder Änderung der Generallinie neu gefälscht. Stalins Mitverfasserschaft ist umstritten, doch kann ihm das Kapitel „Über dialektischen und historischen Materialismus“ wohl sicher zugeschrieben werden. Wurde bis zur Abkehr vom Stalinismus als „Bibel des Bolschewismus“ betrachtet. — Das Studium der G. d. KPdSU (B) war in der SBZ als Kern der Schulung verbindlich. — Am 25. 2. 1956 verurteilte Chruschtschow, als er Stalin auf dem XX. Parteitag kritisierte, auch die G. d. KPdSU als Zeugnis des Personenkultes. Als untragbar wurde die Schrift sodann im Märzheft der „Woprosy istorij“ (1956, Nr. 3) abgelehnt. Diese Verurteilung übernahm „Neues Deutschland“ erst am 23. 5. 1956. 2. Fassung, „Geschichte der KPdSU“, erschien im Juni 1959. Sie folgt kaum der Kritik, die der XX. Parteitag geübt hatte, vielmehr bezeichnete sie den „Lehrgang“ als hervorragende Arbeit. Sie verurteilt nicht den Kern des Stalinismus: die gewaltsame, rasche Erzwingung des „Sozialismus“ durch die alles durchdringende totalitäre Staatsmacht, unter Verzicht auf die Vorstellung, der Sozialismus beruhe auf Freiwilligkeit. Auch rügt sie nicht die schon von Lenin erzwungene Ausschaltung der nichtbolschew. Parteien, die durch die Verfassung der SU von 1937 bestätigt wird. Die 2. Fassung ändert einige Schwerpunkte der Periodisierung: sie betont die Entfaltung der Partei neuen Typus stärker, sie legt die Herausbildung der Grundgedanken des Marxismus-Leninismus nicht mehr nur an den frühen Schriften Lenins dar, sondern auch an seinen späteren. Doch verläßt sie nicht die Hauptlinie des Lehrgangs. Es wiegt wenig, daß die Partei stärker als kollektive Führungskraft erscheint, daß die Rolle wichtiger Stalinisten (Molotow, Kaganowitsch u.a.) geringer eingeschätzt wird, daß nach 1952 eine gewisse Chruschtschow-Linie sichtbar wird. Wenig bedeutet es, daß Stalin vorgeworfen wird, er habe den Weizen- und Maisanbau vernachlässigt und die Sowchos- wie Kolchos-Kräfte zu wenig am Ertrag beteiligt. Denn seine rücksichtslose Landwirtschafts-Kollektivierung wird bejaht. Stalin wird nicht verurteilt wegen seiner gewaltsamen Politik an sich, wegen seines Terrors (der hingestellt wird als Beschränkung der innerparteilichen und sowjet. Demokratie, die im Kampf mit dem Klassenfeinde nicht zu vermeiden war). Er wird nur gerügt wegen seines Übermaßes an Schärfe, das sich auch gegen gutwillige, unschuldige Kommunisten und Parteilose richtete. Ihm wird vorgeworfen, er sei im Rausche jener Erfolge, die doch Partei und Volk errangen, in blinde Selbstüberhebung verfallen. Getadelt wird er auch, weil er die „sozialistische Gesetzlichkeit“ und den von Lenin geschaffenen Grundsatz der „kollektiven Führung der Partei“ mißachtete. Doch wird ein wesentlicher Teil dieser Mißbräuche Jeschow und Berija angekreidet. Weit stärker als der Tadel, der den Personenkult für Stalin trifft, ist das Lob für seine Politik als solche. Am 22. und 24. 6. 1962 berichtete die „Prawda“, das „Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU“ bereite eine große 6bändige „Geschichte der KPdSU“ vor. Die „Prawda“ hob hervor, das neue Werk werde die einzelnen Fehler und die despotische Willkür Stalins verurteilen. Doch erklärte sie in bedeutsamer Weise: „Die Verfasser der mehrbändigen Geschichte sind verpflichtet, besonders zu betonen, daß der Personenkult die Vorwärtsentwicklung der Sowjetgesellschaft zwar hemmte, jedoch nicht vermochte, sie zum Stehen zu bringen.“ Damit billigte das Chruschtschowsche ZK die Stalinsche Epoche im ganzen. — Die „Prawda“ bemerkte: „Die trotzkistischen Kapitulanten versuchten mit Hilfe ‚linker‘ Phraseologie, die Arbeiterklasse ideologisch zu entwaffnen, indem sie behaupteten, der Sieg des Sozialismus in der UdSSR sei unmöglich …“ Doch die KPdSU, so heißt es über die Entwicklung unter Stalin weiter, „unentwegt dem von Lenin vorgezeichneten Weg folgend, wappnete die Werktätigen unserer Heimat mit dem unerschütterlichen Glauben an die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus“. Im Nov. 1962 erschien die „2. verbesserte Aufl.“ der 1959 herausgekommenen „Geschichte der KPdSU“. In dem Aufsatz, den ihr die „Prawda“ am 15. 11. widmete, wird gesagt: „Die 2. Auflage …, in welcher der Grundinhalt der 1. Auflage erhalten blieb, wurde durch … das Programm der KPdSU und die Beschlüsse des XXII. Parteitages ergänzt“. In der 2. Aufl. wird die Entwicklung der KPdSU seit dem XX. Parteitag (1956) und „ihr Kampf um die Durchsetzung der Leninschen Generallinie“ herausgearbeitet. Die 2. Aufl. betont, das Parteistatut werde „jeden Rückfall in den Personenkult unmöglich machen“. — Aber auch sie verurteilt weder den Grundzug noch die Ergebnisse der Stalinschen Politik. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 232 KPdSU A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z KPKKSiehe auch: KPdSU (B), Geschichte der: 1953 KPdSU, Geschichte der: 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1. Fassung war der auf Veranlassung des ZK der KPdSU (B) 1936 begonnene „Kurze Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)“. Er fälscht bewußt viele Tatsachen und stellt die marxistische Revolutionsbewegung in Rußland und die bolschewistische Staatsentwicklung einseitig leninistisch-stalinistisch dar. Dieser Lehrgang wurde 1938 auf Anordnung Stalins nochmals nach den neuesten…
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Moral, Sozialistische (1965)
Siehe auch: Moral, Kommunistische: 1953 1954 1956 Moral, Sozialistische: 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Als Teil des ideologischen Überbaus (Marxismus-Leninismus) ist nach bolschewistischer Auffassung auch die Moral Ausdruck der Klasseninteressen. Es gibt demnach kein absolut Gutes und kein absolut Böses. Die traditionellen sittlichen Auffassungen der abendländischen Welt werden als einseitiger Niederschlag der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung interpretiert. Der bürgerlich-kapitalistischen M. setzte Lenin die SM. entgegen, die in der Erklärung gipfelt: „Alles, was notwendig ist, um die alte Gesellschaftsordnung der Ausbeuter zu vernichten und die Vereinigung des Proletariats herbeizuführen, ist moralisch.“ Dem entspricht die Erklärung der SED: „Nur der handelt sittlich und wahrhaft menschlich, der sich aktiv für den Sieg des Sozialismus einsetzt.“ Damit wird der schon in der Schule gepflegte Haß gegen die als „kapitalisches Lager“ interpretierte westliche Welt ebenso wie die straff disziplinierte Unterordnung unter den Willen der Partei zur Grundlage der SM. Aller[S. 295]dings hat der Begriff der SM. in den letzten Jahren, seitdem Chruschtschow die neue Generallinie der Bolschewisten im Sinn des erbitterten wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes mit dem Westen festlegte (Koexistenz), einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht. Als Hauptkriterium der SM. gilt nunmehr die Einstellung zur Arbeit; und der Kampf der Partei um die Durchsetzung und Hebung der SM. ist vor allem ein Kampf gegen die „kleinbürgerlichen“ Gewohnheiten, wie Eigenbrötelei, Individualismus, Ressortgeist, Gruppenegoismus. Demgegenüber soll die Bevölkerung zu einem Verhalten erzogen werden, das völlig am Kollektiv orientiert ist, auf maximale Produktionseffekte hinzielt und auf diese Weise das bolschewistische Lager weiter stärken hilft (Brigaden der sozialistischen Arbeit, Sozialistische ➝Gemeinschaftsarbeit). Unter anderen Bedingungen als in der SU, in einer Situation, in der die Mehrheit der Bevölkerung den Sozialismus Ulbrichtscher Prägung ablehnt, bemüht sich die SED, insbesondere seit dem V. Parteitag 1958, um die Erziehung des „neuen sozialistischen Menschen“, der sich in seinen ethischen Auffassungen und in seinen Handlungen an den Zehn Geboten der Sozialistischen Moral orientieren soll, die Ulbricht auf dem V. Parteitag verkündete. Sie besagen: 1. Du sollst dich stets für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse und aller Werktätigen sowie für die unverbrüchliche Verbundenheit aller sozialistischen Länder einsetzen. 2. Du sollst dein Vaterland lieben und stets bereit sein, deine ganze Kraft und Fähigkeit für die Verteidigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht einzusetzen. 3. Du sollst helfen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen. 4. Du sollst gute Taten für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus führt zu einem besseren Leben für alle Werktätigen. 5. Du sollst beim Aufbau des Sozialismus im Geiste der gegenseitigen Hilfe und der kameradschaftlichen Zusammenarbeit handeln, das Kollektiv achten und seine Kritik beherzigen. 6. Du sollst das Volkseigentum schützen und mehren. 7. Du sollst nach Verbesserung deiner Leistungen streben, sparsam sein und die sozialistische Arbeitsdisziplin festigen. 8. Du sollst deine Kinder im Geiste des Friedens und des Sozialismus zu allseitig gebildeten, charakterfesten und körperlich gestählten Menschen erziehen. 9. Du sollst sauber und anständig leben und deine Familie achten. 10. Du sollst Solidarität mit den um ihre nationale Befreiung kämpfenden und den ihre nationale Unabhängigkeit verteidigenden Völkern üben. Gleichzeitig erklärt die SED-Propaganda, die Zehn Gebote Gottes seien dazu erschaffen, Sklavenhalter und Feudalherren, Kapitalisten und Imperialisten zu unterstützen, und führten zu erbarmungsloser Ausbeutung, zu Unterjochung, zu Eroberungskriegen und zu Ausplünderungen. Ein Sozialist wisse, daß die Zehn Gebote Gottes „im Mund der Kapitalisten, Imperialisten, der Klerikalen und der Militaristen nur Heuchelei sind und dazu dienen, den Werktätigen Sand in die Augen zu streuen“. Die Zehn Gebote der sozialistischen Moral aber würden den Menschen glücklich und frei machen. (Jugendweihe, Namensweihe, sozialistische ➝Eheschließung, sozialistisches ➝Begräbnis, Hausgemeinschaften, Wohngebiete) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 294–295 Monopolkapitalismus A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Mothes, KurtSiehe auch: Moral, Kommunistische: 1953 1954 1956 Moral, Sozialistische: 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Als Teil des ideologischen Überbaus (Marxismus-Leninismus) ist nach bolschewistischer Auffassung auch die Moral Ausdruck der Klasseninteressen. Es gibt demnach kein absolut Gutes und kein absolut Böses. Die traditionellen sittlichen Auffassungen der abendländischen Welt werden als einseitiger Niederschlag der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung…
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Historischer Materialismus (Materialistische Geschichtsauffassung) (1965)
Siehe auch: Historischer Materialismus: 1958 1959 1960 1962 1963 1969 1975 1979 Historischer Materialismus (Materialistische Geschichtsauffassung): 1966 Materialistische Geschichtsauffassung: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Materialistische Geschichtsauffassung (Historischer Materialismus): 1953 1954 Die Anwendung des Dialektischen Materialismus auf die Geschichte; für Marxisten-Leninisten Grundlage für das Verständnis und die Beurteilung aller historischen und geistigen Erscheinungen. Nach dem HM. hat die Entwicklung der Gesellschaft durch die Entstehung des Privateigentums an Produktionsmitteln von einer kommun. Urgemeinschaft zur Klassengesellschaft und damit zur Spaltung der Gesellschaft in Ausbeuter und Ausgebeutete geführt. Der Klassenkampf zwischen Unterdrückern und Unterdrückten wird als das bewegende Moment der geschichtlichen Entwicklung angesehen. Die den verschiedenen Gesellschaftsformen (Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus) innewohnenden Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen seien der Ausgangspunkt, um durch den Klassenkampf und die Revolution eine jeweils höher entwickelte Gesellschaftsform zu erreichen, ohne jedoch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die der Klassengesellschaft innewohnenden Widersprüche zu beseitigen. Marx und Engels glaubten, der Kapitalismus werde an diesen Widersprüchen zugrunde gehen (Krise), an seine Stelle werde eine durch die proletarische Weltrevolution zu schaffende klassenlose kommun. Gesellschaft als „freie Assoziation“ aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft bei gleichzeitigem „Absterben des Staates“ treten, in der jedwede Unterdrückung und Ausbeutung abgeschafft seien. Sie gingen allerdings davon aus, daß die klassenlose Gesellschaft nur bei höchstentwickelter Industrialisierung aller bedeutenden Länder möglich sei. Lenin sah vor und in dem 1. Weltkrieg im Imperialismus die letzte Entwicklungsstufe des Kapitalismus und hielt damit die Zeit für die proletarische Weltrevolution ohne Rücksicht auf die Unterschiede im Stand der Industrialisierung für gekommen. Über die weitere Entwicklung des HM. aufgrund der Gegebenheiten in der SU bzw. im Ostblock Marxismus-Leninismus, Abschnitte 4 und 5. (Stalinismus, Bolschewismus, Ostblock, Sozialistisches Weltsystem, Chinesisch-sowjetischer Konflikt, Polyzentrismus, Volksdemokratie, Linguistikbriefe, Koexistenz, Ökonomisches Grundgesetz, Freiheit, Staatsmonopolismus) Literaturangaben Bochenski, Joseph M.: Der sowjetrussische dialektische Materialismus (Diamat). (Dalp-Taschenbücher 325). Bern 1960, A. Francke. 180 S. Bochenski, Joseph M.: Die kommunistische Ideologie … Bonn 1956, Bundeszentrale für Heimatdienst. 75 S. Buchholz, Arnold: Ideologie und Forschung in der sowjetischen Naturwissenschaft (Schriftenreihe Osteuropa Nr. 1). Stuttgart 1953, Deutsche Verlagsanstalt. Lange, Max Gustav: Marxismus — Leninismus — Stalinismus. Stuttgart 1955, Ernst Klett. 210 S. Lehmbruch, Gerhard: Kleiner Wegweiser zum Studium der Sowjetideologie. (BMG) 1959. 90 S. Lieber, Hans-Joachim: Die Philosophie des Bolschewismus in den Grundzügen ihrer Entwicklung (Staat u. Gesellschaft, Bd. 3) Frankfurt a. M. 1957, Moritz Diesterweg. 107 S. Marxismusstudien, Sammelband, hrsg. v. E. Metzke (Schr. d. ev. Studiengemeinsch. Nr. 3). Tübingen 1954, Mohr. 243 S. Marxismusstudien, 2. F., Sammelband, hrsg. von I. Fetscher (Schr. d. ev. Studiengemeinsch. Nr. 5). Tübingen 1957, Mohr. 265 S. Marxismusstudien, 3. F., Sammelband, hrsg. von I. Fetscher (Schr. d. ev. Studiengemeinsch. Nr. 6). Tübingen 1960, Mohr. 221 S. Stalin: Über dialektischen und historischen Materialismus (vollst. Text, m. krit. Kommentar von Iring Fetscher). Frankfurt a. M. 1956, Moritz Diesterweg. 126 S. Theimer, Walter: Der Marxismus. Lehre — Wirkung — Kritik (Sammlung Dalp, Bd. 73). Bern 1950, A. Francke. 253 S. Wetter, Gustav A.: Der dialektische Materialismus. Seine Geschichte und sein System in der Sowjetunion. 4., erw. Aufl., Freiburg 1958, Herder. 693 S. Wetter, Gustav A.: Philosophie und Naturwissenschaft in der Sowjetunion (Rowohlts deutsche Enzyklopädie, 67). Hamburg 1958, Rowohlt. 195 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 183 Historikergesellschaft, Deutsche A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z HOSiehe auch: Historischer Materialismus: 1958 1959 1960 1962 1963 1969 1975 1979 Historischer Materialismus (Materialistische Geschichtsauffassung): 1966 Materialistische Geschichtsauffassung: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Materialistische Geschichtsauffassung (Historischer Materialismus): 1953 1954 Die Anwendung des Dialektischen Materialismus auf die Geschichte; für Marxisten-Leninisten Grundlage für das Verständnis und die Beurteilung aller…
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Gesellschaftsgefährlichkeit (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Schon Fechner hatte ausgeführt, daß eine Handlung oder Unterlassung immer dann mit Strafe zu ahnden sei, wenn sie das „Element der G.“ enthalte, daß aber eine Bestrafung trotz Erfüllung eines strafrechtlichen Tatbestandes nicht erforderlich sei, wenn dieses Element fehle. Hilde ➝Benjamin brachte dies noch schärfer zum Ausdruck („Neue Justiz“ 1954, S. 453 ff.) und berief sich dabei auf den „materiellen Verbrechensbegriff“ in dem Art. 8 des Strafkodex der RSFSR. Das Strafrechtsergänzungsgesetz vom 11. 12. 1957 (GBl. S.~643) führt entsprechend diesen Meinungsäußerungen führender Justizfunktionäre und nach dem sowjet. Vorbild den „materiellen Verbrechensbegriff“ in das Strafrecht ein. Nach § 8 des Gesetzes liegt eine Straftat nicht vor, „wenn die Handlung zwar dem Wortlaut eines gesetzlichen Tatbestandes entspricht, aber wegen ihrer Geringfügigkeit und mangels schädlicher Folgen für die DDR, den sozialistischen [S. 156]Aufbau, die Interessen des werktätigen Volkes sowie des einzelnen Bürgers nicht gefährlich ist“. § 9 bestimmt, daß Bestrafung unterbleibt, „wenn zur Zeit der Durchführung des Strafverfahrens die Tat nicht mehr als gesellschaftsgefährlich anzusehen ist, oder wenn nach der Tat im gesamten Verhalten des Täters eine grundlegende Wandlung eingetreten ist, die erwarten läßt, daß er die sozialistische Gesetzlichkeit achten wird“. Körperverletzung gegenüber einem „Provokateur“ ist „mangels schädlicher Folgen für die DDR, den sozialistischen Aufbau und die Interessen der Werktätigen“ keine strafbare Handlung (OG in „Neue Justiz“ 1960, S. 68). Mit der Richtlinie Nr. 13 vom 14. 4. 1962 (GBl. II 1962, S. 303) wollte das Oberste Gericht Klarheit über die Voraussetzungen der §§ 8 u. 9 StEG schaffen und den Gerichten eine „richtige Orientierung“ auf den Staatsratsbeschluß vom 30. 1. 1961 (Strafpolitik) geben: Eine Handlung ohne schädliche Auswirkungen für die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung und die Rechte der Bürger sei nicht gesellschaftsgefährlich, also auch nicht tatbestandsmäßig. Das entscheidende Kriterium für den Anwendungsbereich des § 9 StEG — das Merkmal der „grundlegenden Wandlung“ — liege in der Entwicklung der Persönlichkeit des Täters. Ein erster Versuch, zu einer Definition der G. zu gelangen, lautete: „Gefährlich für die weitere gesellschaftliche Entwicklung, gefährlich für die weitere Einigung der menschlichen Gesellschaft auf der Basis der gesellschaftlichen Entwicklung, gefährlich für die weitere Festigung der neuen Beziehungen der Menschen, gefährlich für die sich immer stärker herausbildenden sozialistischen Verhältnisse“ („Neue Justiz“ 1961, S. 739). Die Richtlinie Nr. 13, die den Gerichten eine richtige „Einschätzung“ der G. ermöglichen sollte, wurde durch Beschluß des Plenums des OG vom 6. 5. 1964 (GBl. II, Seite 423) aufgehoben, weil sie in ihrem Wortlaut und mit ihren Beispielen nicht mehr den neuen gesellschaftlichen Bedingungen entsprochen habe. An der grundsätzlichen Bedeutung des Begriffs der G. für die strafrechtliche Beurteilung einer Tat hat sich durch diesen Beschluß nichts geändert. In der Strafrechtswissenschaft wurde allerdings auch schon die Auffassung vertreten, daß die G. nicht mehr als allgemeingültiges Kriterium einer Straftat angesehen werden sollte. Eine endgültige Antwort auf diese Streitfrage wird wohl erst mit dem neuen Strafgesetzbuch gegeben werden. (Rechtswesen, Strafpolitik) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 155–156 Gesellschaftliche Gerichte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z GesellschaftswissenschaftenSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Schon Fechner hatte ausgeführt, daß eine Handlung oder Unterlassung immer dann mit Strafe zu ahnden sei, wenn sie das „Element der G.“ enthalte, daß aber eine Bestrafung trotz Erfüllung eines strafrechtlichen Tatbestandes nicht erforderlich sei, wenn dieses Element fehle. Hilde ➝Benjamin brachte dies noch schärfer zum Ausdruck („Neue Justiz“ 1954, S. 453 ff.) und berief sich dabei auf den „materiellen…
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Arbeit (1965)
Siehe auch die Jahre 1963 1966 1969 1975 1979 A. ist in westlicher Sicht das „Mittel, mit dessen Hilfe die menschliche Gesellschaft sich die Außenwelt aneignet und sie im Sinn einer schöpferischen Anpassung umgestaltet“ (R. König). Im Marxismus-Leninismus werden demgegenüber Maß und Art der Teilhabe der einzelnen und Gruppen (Klasse) an der Produktion durch A. und am Produkt der A. einseitig zum Hebel der Interpretation und Wertung der Geschichte der menschlichen Gesell[S. 24]schaft gemacht (Historischer Materialismus). In der Klassengesellschaft (Klasse) eigne sich der Eigentümer an den Produktionsmitteln im Prinzip die von den abhängig Tätigen, insbesondere Arbeitern, durch A. geschaffenen Werte über dasjenige Mindestentgelt hinaus an, das zur Erhaltung („Reproduktion“) der Arbeitskraft nötig sei — eine Kritik, die in keiner Weise die sozialökonomische Wirklichkeit der Wohlstandsgesellschaften der heutigen hochindustrialisierten westlichen Staaten trifft. Hingegen seien in der — dem Pj. nach — sozialistischen bzw. kommunistischen Gesellschaft die durch A. geschaffenen Werte im Prinzip Gemeingut, an denen der einzelne in der „sozialistischen“ Gesellschaft nach dem Grad seines Beitrags — seiner „Leistung“ —, in der „kommunistischen“ Gesellschaft im Prinzip nach seinen Bedürfnissen teilhabe. Dabei wird A. grundsätzlich einmal als ein wesentliches Element der Würde des Menschen aufgefaßt, der sich nach Engels erst durch die gesellschaftlich vorgenommene aktive Bearbeitung der Natur — im Unterschied zu den Tieren — „hervorbringe“ — existentiell-anthropologischer Aspekt —, in Hinblick worauf kein fundamentaler Unterschied zur herrschenden westlichen Sozialpsychologie besteht, abgesehen von der Ausdeutung der sozialen Abhängigkeit, die nach westlicher Auffassung sehr wohl mit persönlicher Freiheit und mithin menschlicher Würde vereinbar sein kann; anderseits wird der ökonomische Aspekt der A. als Produktivkraft hervorgehoben, die nach marxistisch-leninistischer Auffassung in der Klassengesellschaft von den übrigen Produktivkräften, den Produktionsmitteln, insbesondere dem Kapital, durch das unterschiedliche Eigentumsverhältnis radikal getrennt sei („Entfremdung“), so daß nach dieser Deutung der Eigentümer der Produktionsmittel im Grunde keine A. leiste, sondern parasitär sei. Das Auseinanderfallen von A. und Produktionsmitteln werde demnach erst im Prozeß der bolschewistischen Vergesellschaftung aufgehoben und die beiden Seiten — Eigentümern und Arbeitenden — verlorengegangene Menschenwürde damit erst wiederhergestellt. Die bisherige Praxis zeigt indes, daß sich im Bolschewismus die Ausbeutung nur verschoben hat, daß die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel in die Hand von Partei und Staat und nicht in die der Gesellschaft übergegangen ist (Staatseigentum) und daß die Trennung von A. und Kapital keineswegs überwunden ist. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 23–24 Apparatschik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Arbeit, Abteilung fürSiehe auch die Jahre 1963 1966 1969 1975 1979 A. ist in westlicher Sicht das „Mittel, mit dessen Hilfe die menschliche Gesellschaft sich die Außenwelt aneignet und sie im Sinn einer schöpferischen Anpassung umgestaltet“ (R. König). Im Marxismus-Leninismus werden demgegenüber Maß und Art der Teilhabe der einzelnen und Gruppen (Klasse) an der Produktion durch A. und am Produkt der A. einseitig zum Hebel der Interpretation und Wertung der Geschichte der menschlichen Gesell[S. 24]schaft…
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Bereitschaftspolizei (1965)
Siehe auch: Bereitschaftspolizei: 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Bereitschaftspolizei, Deutsche: 1958 1959 Kasernierte militärähnliche Polizeitruppe, seit Ende 1954 aus den Wachverbänden des SfS entwickelt. Bis 1. 10. 1956 als Innere Truppen bezeichnet. Untersteht seit 15. 2. 1957 nicht mehr dem MfS, sondern dem Ministerium des Inneren. Als Mitte 1957 die kasernierten Bereitschaften der Deutschen ➝Volkspolizei (außer jenen in Berlin) aufgelöst wurden, erhielt die B. davon nur den kleineren Teil, den größeren bekam die Deutsche ➝Grenzpolizei. Seit Mitte 1959 heißt die B. amtlich nicht mehr „Deutsche B.“. — Nur von Juni 1961 bis 23. 8. 1962 unterstanden der B. 2 neu aufgestellte Grenzbrigaden, die Berlins Westteil ab 13. 8. abriegeln. Sie wurden dem Kommando Grenze der Nationalen Volksarmee eingegliedert. Bis Anfang 1963 war die B. in mot. Bereitschaften gegliedert, die etwa modernen mot. Infanterieregimentern entsprachen. Sie hatten je 1~Batterie Feldgeschütze und je 1~Komp. Panzer, Kradschützen, Granatwerfer und Nachrichten. Jede ihrer 3 Abt. (gleich Bataillone) hatte 3 Schützenkomp, und eine Panzerwagenkomp. Die B. zählte 10 Bereitschaften und 1~Lehr-Bereitsch., ferner Versorgungs-Einheiten. Ihre Stärke betrug etwa 22.000 Mann. Anfang 1963 führten vermutlich Nachwuchsmangel der B. und erhöhter Kräftebedarf der NVA zu einer Umgliederung auf schwächere Bereitschaften (= Bataillone) neuer Art. (s. Tafel) Diese 17 Bereitsch. stehen in oder nahe den Bezirkshauptstädten. Dabei haben die Bezirke mit starker Industriebevölkerung (Halle, Leipzig, Magdeburg) je 2 Bereitsch. — Die Offiziere der B. werden großenteils auf Offiziersschulen der NVA ausgebildet. Die B. wird „kaderpolitisch“ im Sinne der SED ausgelesen und parteipolitisch sorgfältig geschult. Sie ist nach dem Vorbild der Sowjet. Staatssicherheitstruppe zur Niederhaltung der Bevölkerung und zur Unterdrückung von Volkserhebungen bestimmt. Uniform: graugrün wie die Volkspolizei. Stärke: rund 16.000 Mann. Chef des Kommandos der B. (im Sowjetsektor von Berlin) ist seit 15. 8. 1959 Gen.-Major Claus Mansfeld. (Militärpolitik) Literaturangaben Bohn, Helmut (und andere): Die Aufrüstung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 2., veränd. Aufl. (BB) 1960. 216 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 57 Bereichsarztsystem A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Berg, LeneSiehe auch: Bereitschaftspolizei: 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Bereitschaftspolizei, Deutsche: 1958 1959 Kasernierte militärähnliche Polizeitruppe, seit Ende 1954 aus den Wachverbänden des SfS entwickelt. Bis 1. 10. 1956 als Innere Truppen bezeichnet. Untersteht seit 15. 2. 1957 nicht mehr dem MfS, sondern dem Ministerium des Inneren. Als Mitte 1957 die kasernierten Bereitschaften der Deutschen ➝Volkspolizei (außer jenen in Berlin) aufgelöst wurden, erhielt die B. davon nur…
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Rechenschaftslegung (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Die R. ist die Erfüllung der Rechenschaftspflicht eines Staatsorgans. Die Rechenschaftspflicht ist eine der Folgen der Abhängigkeit der Staatsorgane von der SED. Formal besteht sie zwar nicht gegenüber Parteiorganen, sondern entweder gegenüber dem Volke oder Volksvertretungen oder gegenüber höheren Staatsorganen. Da als Volk nur die von der SED organisierte und geführte Masse an[S. 346]gesehen wird und die Staatsorgane nur Werkzeuge dieser Partei sind, besteht die Rechenschaftspflicht aber faktisch der SED gegenüber. Rechenschaftspflichtig sind die Abgeordneten der Volkskammer und der örtlichen Volksvertretungen dem „Volke“, der Staatsrat und der Ministerrat der Volkskammer, die örtlichen Räte den örtlichen Volksvertretungen. Der Ministerrat ist dem Staatsrat, die Räte der Bezirke sind dem Ministerrat, die übrigen örtlichen Räte den jeweils höheren örtlichen Räten (Kreis, Stadt, Gemeinde) rechenschaftspflichtig. Die Richter an den Kreis- und Bezirksgerichten (Gerichtsverfassung) sind den Volksvertretungen rechenschaftspflichtig, die sie gewählt haben (Rechtswesen). Im Bereich der Wirtschaft hat der Betriebsleiter der Betriebsgewerkschaftsorganisation (FDGB, betriebliche ➝Gewerkschaftsleitungen), vor allem wegen seiner Verpflichtungen aus dem Betriebskollektivvertrag, Rechenschaft zu leisten. Die Betriebsleiter der zentralgeleiteten volkseigenen Betriebe sind den Hauptdirektoren der Verwaltungen der volkseigenen Betriebe (VVB), diese den Abteilungsleitern des Volkswirtschaftsrates, diese sowie die Stellv. des Vors. des Volkswirtschaftsrates dem Vorsitzenden, wie auch die Abteilungsleiter und Stellv. des Vors. der Staatlichen ➝Plankommission ihrem Vorsitzenden, und die Vors. der Staatlichen Plankommission und des Volkswirtschaftsrates dem Ministerrat rechenschaftspflichtig. Literaturangaben Mampel, Siegfried: Die Verfassung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands — Text und Kommentar. Frankfurt a. M. 1962, Alfred Metzner. 453 S. Mampel, Siegfried: Die volksdemokratische Ordnung in Mitteldeutschland — Texte mit einer Einleitung. Frankfurt a. M. 1963, Alfred Metzner. 155 S. Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S. Mampel, Siegfried: Beiträge zum Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (BMG) 1963. 135 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 345–346 Realismus A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z RechnungseinzugsverfahrenSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Die R. ist die Erfüllung der Rechenschaftspflicht eines Staatsorgans. Die Rechenschaftspflicht ist eine der Folgen der Abhängigkeit der Staatsorgane von der SED. Formal besteht sie zwar nicht gegenüber Parteiorganen, sondern entweder gegenüber dem Volke oder Volksvertretungen oder gegenüber höheren Staatsorganen. Da als Volk nur die von der SED organisierte und geführte Masse an[S. 346]gesehen wird und die…
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Landwirtschaftsrat (1965)
Siehe auch: Landwirtschaftsrat: 1963 1966 Landwirtschaftsrat der DDR: 1969 1975 1979 Zentralorgan des Ministerrats zur einheitlichen Planung, Leitung und Organisation der „sozialistischen“ Landwirtschaft. Entspricht dem Volkswirtschaftsrat in der übrigen Wirtschaft (Produktionsprinzip). Der L. wurde im Zuge der „Auswertung des VI. Parteitages der SED“, nach dem seit Herbst 1962 in der SU bestehenden Vorbild, durch Beschluß des Ministerrats geschaffen und durch Erlaß des Staatsrates vom 11. 2. 1963 (GBl. 1/1963 S. 1) verkündet. Er tritt an die Stelle des Min. f. Landwirtschaft, Erfassung u. Forstwirtschaft, das zugleich aufgelöst wurde und ist für die Durchführung der Beschlüsse des ZK der SED und der Regierung sowie für alle landwirtschaftlichen Planerfüllungen verantwortlich. Die Forstwirtschaft wird durch die Produktionsleitung des L. zentral geleitet. Die Bildung des L. wird mit der Beendigung der sozialistischen Umgestaltung auf dem Lande begründet, die einer „Reorganisation der Leitung der Landwirtschaft entsprechend der neuen Entwicklungsetappe“ bedürfe. Die „veraltete Organisationsform des Ministeriums und seiner unteren Organe, die den Verhältnissen entsprach, als in der Landwirtschaft noch das Privateigentum vorherrschte“, habe „zu einem bürokratischen und eng administrativen Arbeitsstil geführt“, dem es nicht gelungen sei, den „landw. Betrieben wirksame Hilfe zu leisten. Anstatt ständig und unmittelbar an Ort und Stelle zu arbeiten“, hätten „sich die Mitarbeiter des Ministeriums … häufig nur auf die Ausarbeitung von Direktiven, Instruktionen, Empfehlungen und Statistiken beschränkt, die in den Büros angefertigt wurden“. Die neue zentrale Organisationsform des L. werde „eine wissenschaftliche, sachkundige und einheitliche Leitung der Landwirtschaft sichern, die imstande ist, die neue verantwortungsvolle Aufgabe bei der weiteren Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft erfolgreich zu lösen“. Dem L. beim Ministerrat mit seiner Produktionsleitung unterstehen die Landwirtschaftsräte u. Produktionsleitungen in den Bezirken u. Kreisen direkt. Die Bezirks-L. sollen sich besonders mit der „wissenschaftlichen Ausarbeitung der bezirkstypischen Entwicklungsprobleme der Landwirtschaft wie überhaupt mit der Einführung der Wissenschaft in die Produktion“ beschäftigen, während den Kreis-L. die „uneingeschränkte Verantwortung für die direkte staatliche Leitung aller sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe“ übertragen wurde. (ständige Produktionsberatung) Es können auch — unabhängig von den Kreisgrenzen — L. für bestimmte Produktionsgebiete gebildet werden. Mitglieder der L. sollen sein: LPG-Vorsitzende, Direktoren von VEG, Agronomen sowie Viehzüchter, Wissenschaftler und Techniker. Die L. werden in ihrer Arbeit angeleitet von den „Büros für Landwirtschaft“, die beim Politbüro und den Bezirks- und Kreisleitungen der SED gebildet wurden. Vors. des L. beim Ministerrat und Leiter der Produktionsleitung: Georg ➝Ewald. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 255 Landwirtschaftsbank (LB) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z LandwirtschaftsteuerSiehe auch: Landwirtschaftsrat: 1963 1966 Landwirtschaftsrat der DDR: 1969 1975 1979 Zentralorgan des Ministerrats zur einheitlichen Planung, Leitung und Organisation der „sozialistischen“ Landwirtschaft. Entspricht dem Volkswirtschaftsrat in der übrigen Wirtschaft (Produktionsprinzip). Der L. wurde im Zuge der „Auswertung des VI. Parteitages der SED“, nach dem seit Herbst 1962 in der SU bestehenden Vorbild, durch Beschluß des Ministerrats geschaffen und durch Erlaß des…
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Betriebskollektivvertrag (1965)
Siehe auch: Betriebskollektivvertrag: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Betriebskollektivvertrag (BKV): 1975 1979 1985 Musterbetriebskollektivvertrag: 1956 1958 Musterkollektivvertrag: 1954 Der B. wird in §~13 des Gesetzbuches der Arbeit erläutert als „Vereinbarung zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung zur allseitigen Erfüllung der Betriebspläne“. Die B. sind alljährlich in den VEB abzuschließen. Sie enthalten Verpflichtungen des Betriebsleiters, der BGL, der Belegschaft insgesamt oder von Gruppen der Belegschaft (Abt., Meisterbereich, Brigade, Aktiv). Sie sind somit des arbeitsrechtlichen Charakters entkleidet. Die Verpflichtungen beziehen sich vor allem auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Einführung von TAN, die Veranstaltung von Wettbewerben (Wettbewerbsbewegung), Senkung der Selbstkosten, Festigung der Arbeitsdisziplin und Maßnahmen der betrieblichen Sozialpolitik. Der Inhalt der B. richtet sich nach den Betriebsplänen. Sie sind nach Direktiven, die gemeinsam von den Industriegewerkschaften und den Abteilungen der Staatlichen ➝Plankommission beschlossen werden, abzuschließen. Die B. bilden einen Teil der Produktionspropaganda. Die Erfüllung der B. wird kontrolliert durch Massenkontrolle und durch periodische (meist vierteljährliche) Rechenschaftslegungen. In den Abt. großer VEB können Abteilungskollektivverträge abgeschlossen werden. In den staatlichen Organen und Einrichtungen (Staatsapparat) können ebenfalls Kollektivverträge abgeschlossen werden. Für die Privatbetriebe bestehen Betriebsvereinbarungen. Literaturangaben Leutwein, Alfred: Der Betriebskollektivvertrag in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1957. 112 S. m. 4 Anl. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 67 Betriebskampfgruppen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z BetriebskulturSiehe auch: Betriebskollektivvertrag: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Betriebskollektivvertrag (BKV): 1975 1979 1985 Musterbetriebskollektivvertrag: 1956 1958 Musterkollektivvertrag: 1954 Der B. wird in §~13 des Gesetzbuches der Arbeit erläutert als „Vereinbarung zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung zur allseitigen Erfüllung der Betriebspläne“. Die B. sind alljährlich in den VEB abzuschließen. Sie enthalten Verpflichtungen des…
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Chinesisch-Sowjetischer Konflikt (1965)
Siehe auch die Jahre 1966 1969 Seit Herbst 1958 entbrannter Gegensatz zwischen dem von Chruschtschow geführten Block der kommunistischen Parteien aller europäischen Volksdemokratien (außer Albanien) sowie der Mehrheit der kommunistischen Parteien in den westlichen Ländern und der Entwicklungswelt auf der einen Seite und der kaum weniger mitgliedstarken von Mao geführten Gruppe vorwiegend asiatischer Kommunisten anderseits. Der zunächst um die Verbindlichkeit und Einschätzung der sog. chinesischen Volkskommunen geführte Streit hatte sich nach oberflächlicher Kittung der Gegensätze auf der über dreiwöchigen Konferenz von 81 kommunistischen Parteien im Nov. 1960 erneut verschärft und ausgeweitet. Er scheint in Fragen der innerbolschewistischen Blockhegemonie (Soll Moskau oder Peking führen?) wie in nationalistischen und Rassenstreitigkeiten (Sind die Russen als „Weiße“ faire Partner der farbigen Völker? — Streitereien um den Grenzverlauf zwischen Rußland und China am Amur) wie in den unterschiedlichen Gegebenheiten industrieller und vorindustrieller Gesellschaften wie auch in anscheinend echten Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der verbindlichen ideologischen Linie motiviert (Sind Weltkriege im Nuklearzeitalter vermeidbar, wie es der UdSSR-Block für wahrscheinlich hält? — Soll man, wie wieder dieser meint, die nationaldemokratischen Führungen in der Entwicklungswelt unterstützen oder dort die direkte revolutionäre Aktion anstreben?). Ein Versuch, die ideologischen Meinungsverschiedenheiten beizulegen, scheiterte im Juli 1963; die Chinesen warfen in diesem Zusammenhang den Sowjet-Bolschewisten (fraglos nicht mit Unrecht) in 25 brillant formulierten Thesen vor, daß sie „Reformisten“ und „Revisionisten“ seien und daß Chruschtschow keineswegs als legitimer Erbe Lenins anzusehen sei. Nachdem die Russen den chinesischen Aufbau schon Jahre vorher durch Abzug ihrer technischen Spezialisten und erhebliche Reduzierung ihres Außenhandels mit der Volksrepublik China empfindlich getroffen hatten, trat seither ein Zustand nahezu offener Feindseligkeit ein. Wieweit der im Okt. 1964 erfolgte Sturz Chruschtschows auf den CSK. zurückzuführen war und insbesondere eine Aufweichung der verhärteten Fronten ermöglicht, muß angesichts der überwiegend sachlich begründeten Differenzen offenbleiben. (Marxismus-Leninismus, Polyzentrismus, Lager, Sozialistisches Weltsystem) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 85 Chemnitzer, Johannes A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Christlich-Demokratische UnionSiehe auch die Jahre 1966 1969 Seit Herbst 1958 entbrannter Gegensatz zwischen dem von Chruschtschow geführten Block der kommunistischen Parteien aller europäischen Volksdemokratien (außer Albanien) sowie der Mehrheit der kommunistischen Parteien in den westlichen Ländern und der Entwicklungswelt auf der einen Seite und der kaum weniger mitgliedstarken von Mao geführten Gruppe vorwiegend asiatischer Kommunisten anderseits. Der zunächst um die Verbindlichkeit und Einschätzung der sog.…
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Grenzübergänge (1965)
Siehe auch: Grenzübergänge: 1960 1962 1963 1966 Grenzübergangsstellen: 1969 1975 1979 1985 Amtlich als Kontrollpunkte bezeichnet. Das Regime wendet die Bezeichnung G. fälschlicherweise auch auf Übergänge über die Demarkationslinien an. Zutreffend ist die Bezeichnung G. nur a) für die Übergänge ins tschechoslowakische Staatsgebiet: 1. Schandau/Elbe (Bahn); 2. desgl. für Binnenschiffe; 3. Zinnwald (Kr. Dippoldiswalde) südlich Altenberg/Erzgebirge (Straße); 4. Bad Brambach (Bahn); 5. desgl. (Straße); b. für die Seeübergänge (für Bahn- und Wagenfährschiffe) nach Dänemark und Schweden: Warnemünde und Saßnitz (Rügen). Nicht als G. dürfen dagegen bezeichnet werden: a) die Übergangspunkte auf der Demarkationslinie zwischen SBZ und Westzonen (seit 1949 Bundesrepublik)., die fälschlich oft Zonengrenze genannt wird; b) die Übergänge an der Demarkationslinie zu den polnisch besetzten deutschen Ostgebieten (Oder-Neiße-Linie); dies sind: 1. Pomellen, südwestl. Stettin (Autobahn); 2. Gartz/Westoder, nordöstl. Angermünde (für Binnenschiffe); 3. Frankfurt/Oder (Bahn); 4. desgl. (Straße); 5. Görlitz (Bahn); o) Die Übergänge auf der besonders geregelten Linie zwischen einerseits den Westsektoren Berlins (West-Berlin) und andererseits dem Sowjetsektor Berlins und der SBZ. (Hier bes. wichtig: Dreilinden, südwest. West-Berlin, für Autobahn.) Abgesehen von einigen Sonderregelungen für örtlichen Wirtschaftsverkehr erlaubt das Regime für den allgemeinen Verkehr nur diese ganz wenigen Übergänge. Lediglich an diesen Punkten dürfen, von Berlin abgesehen, Privatpersonen und private Handelsgüter auf Bahn, Straße, Binnenschiffen und auf Seefährschiffen die SBZ betreten oder verlassen. An allen anderen Übergängen ist der Verkehr streng verboten. Auf gewissen Bahn- und Straßenübergängen nach Osten und Süden werden hier und da, neben sowjet. ➝Besatzungstruppen auch Wirtschafts- und Rüstungsgüter befördert, doch stehen sie nicht privaten Zwecken offen. Dies sind zur Tschechoslowakei: Zittau a. d. Neiße (Bahn und Straße); zu den polnisch besetzten deutschen Ostgebieten: 1. Grambow (auf der Bahn Pasewalk-Stettin); 2. Rosow (auf der Bahn Angermünde–Tantow–Stettin); 2. Kietz–Küstrin (Bahn); 4. Guben (Bahn); 5. Forst; 6. Horka nördl. Görlitz (Bahn). Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 167 Grenztruppenhelfer A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z GroßbauerSiehe auch: Grenzübergänge: 1960 1962 1963 1966 Grenzübergangsstellen: 1969 1975 1979 1985 Amtlich als Kontrollpunkte bezeichnet. Das Regime wendet die Bezeichnung G. fälschlicherweise auch auf Übergänge über die Demarkationslinien an. Zutreffend ist die Bezeichnung G. nur a) für die Übergänge ins tschechoslowakische Staatsgebiet: 1. Schandau/Elbe (Bahn); 2. desgl. für Binnenschiffe; 3. Zinnwald (Kr. Dippoldiswalde) südlich Altenberg/Erzgebirge (Straße); 4. Bad Brambach (Bahn);…
DDR A-Z 1965
Produktions- und Dienstleistungsabgabe (PDA) (1965)
Siehe auch: Produktions- und Dienstleistungsabgaben: 1975 1979 Produktions- und Dienstleistungsabgabe (PDA): 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Als Nachahmung der „differenzierten Umsatzsteuer“ der SU erstmals in einigen Zweigen der „volkseigenen“ Genußmittelindustrie mit Wirkung vom 1. 1. 1954 zunächst versuchsweise, dann durch „VO über die Produktionsabgabe und Dienstleistungsabgabe der volkseigenen Dienstleistungsbetriebe (PDAVO)“ vom 6. 1. 1955 (GBl. 1955 S. 37 ff.) in der gesamten „volkseigenen“ Wirtschaft eingeführt. Die Produktionsabgabe als Bestandteil des Industrieabgabepreises eines Produktes wird in der „volkseigenen“ Industrie grundsätzlich für ein Produkt nur einmal erhoben. Ist durch Bearbeitung oder Verarbeitung eines erworbenen Produktes ein neues Produkt mit anderen Eigenschaften entstanden, wird sie erneut berechnet. Zahlungspflichtig sind die Betriebe der „volkseigenen“ Industrie. Die Zahlungspflicht entsteht im Zeitpunkt des Umsatzes des Produktes. Die Produktionsabgabe wird erhoben a) in einem Vomhundertsatz des Industrieabgabepreises oder des sonstigen gesetzlich festgelegten Abgabepreises oder b) in einem festen Betrag vom Industrieabgabepreis je Mengeneinheit des Produktes oder c) in Form des Unterschiedsbetrages zwischen den Selbstkosten zuzüglich Gewinnanteil und dem Industrieabgabepreis. Die Sätze der Produktionsabgabe können differenziert werden a) nach einzelnen Produkten oder Produktengruppen b) nach der Zweckbestimmung der Produkte c) nach betrieblichen Merkmalen. Wenn vom Ministerium der Finanzen die Zuständigkeit nicht anderweitig geregelt wurde, ist für die Ermittlung, Festsetzung, Erhebung, Kontrolle und Vollstreckung der Produktionsabgabe der Rat der Stadt oder des Kreises — Abt. Finanzen — zuständig. Für die Kontrolle der Produktionsabgabe wird weiterhin der Rat des Bezirkes — Abt. Finanzen — eingeschaltet. Zur Zahlung der Dienstleistungsabgabe sind die „volkseigenen Dienstleistungsbetriebe“ und die Betriebe der „volkseigenen“ Industrie, soweit sie Dienstleistungen ausführen, verpflichtet. Mit der Einführung der PDA entfällt die Erhebung der Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Beförderungssteuer und der Verbrauchsabgaben. Die sog. „Geldakkumulation“ der „volkseigenen“ Wirtschaft wird also durch die PDA und durch die Nettogewinnabführung dem Staatshaushalt zugeleitet. Durch diese „Zweigleisigkeit“, die als „Zwei-Kanäle-System“ bezeichnet wird, hat der Staat die Möglichkeit, einmal durch die Erfüllung des Produktionsabgabeplanes gleichzeitig die Erfüllung der Produktions- und Absatzpläne (nach dem Umfang und dem Sortiment der Ware) und zum anderen durch die Gewinnabführung die Qualität der Arbeit der Betriebe und deren Auswirkung auf die Erfüllung der Selbstkostensenkungsauflage und des Gewinnplanes zu kontrollieren (Kontrollfunktion und Erziehungsfunktion der PDA). Außerdem hat die Produktionsabgabe die Aufgabe, produktionslenkend und insbes. durch die starke Verbrauchsbelastung konsumtionsregulierend zu wirken. (In diesem Sinne wird von einer Regulativfunktion der PDA gesprochen.) Durch die Kurzfristigkeit und Stetigkeit der Abführungen soll die Haushaltsstabilität gesichert werden, d.h., der Staat soll eine gleichmäßig und schnell fließende Quelle an Geldmitteln laufend zur Verfügung haben. (Steuern) Literaturangaben Kitsche, Adalbert: Das Steuersystem in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Gelsenkirchen 1960, Buersche Druckerei Dr. Neufang. 187 S. m. zahlr. Tab. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 338 Produktionspropaganda A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ProduktionsverhältnisseSiehe auch: Produktions- und Dienstleistungsabgaben: 1975 1979 Produktions- und Dienstleistungsabgabe (PDA): 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Als Nachahmung der „differenzierten Umsatzsteuer“ der SU erstmals in einigen Zweigen der „volkseigenen“ Genußmittelindustrie mit Wirkung vom 1. 1. 1954 zunächst versuchsweise, dann durch „VO über die Produktionsabgabe und Dienstleistungsabgabe der volkseigenen Dienstleistungsbetriebe (PDAVO)“ vom 6. 1. 1955 (GBl. 1955 S. 37 ff.) in…
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Parteien (1965)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Die P. und Gewerkschaften wurden durch den SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 zugelassen. Darauf Gründung der KPD (11. 6. 1945), SPD (15. 6. 1945), CDU (26. 6. 1945) und LDPD (5. 7. 1945). Am 14. 7. 1945 Zusammenschluß in einem „Block der antifaschistisch-demokratischen P.“ (Blockpolitik). Am 19./20. 4. 1946 Zwangszusammenschluß der SPD und KPD zur SED. Auf Wunsch und Initiative der SMAD und der SED-Führung am 21. 4. bzw. 16. 6. 1948 Gründung von zwei neuen P., der NDPD und der DBD, um weitere nichtkommun. Bevölkerungsgruppen an das Regime zu binden. Insbesondere im Zeitraum von 1948/49 bis 1952 gelang es der SED mit Unterstützung der sowjet. Besatzungsmacht und einzelner Funktionäre in den anderen P., diese zu Ausführungsorganen ihrer eigenen Politik zu degradieren. Die Aufstellung eigener Wahllisten wurde unterbunden (Nationale Front, Wahlen). Das formale Mehrparteiensystem der SBZ stellt sich in Wirklichkeit dar als Einparteienherrschaft der SED. Nach außen haben die übrigen P. die Funktion, die demokratische Fassade des SBZ-Staates zu bilden; nach innen ist ihnen hauptsächlich die Aufgabe zugewiesen, den Mittelstand und die christliche Bevölkerung für die Volksdemokratie zu gewinnen. Ist schon in der SED die Neigung und Bereitschaft der kleinen Funktionäre und einfachen Mitglieder zur Betätigung oder gar Hingabe an die Parteiziele gering, so wird die Stimmung in den übrigen P. vollends durch Resignation gekennzeichnet. Nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus haben die P.-Mitglieder nichts zu sagen. Oppositionelle oder auch nur selbständige Mitglieder und Funktionäre wurden und werden gegebenenfalls durch Säuberungen ausgemerzt. — Das System der P. in der SBZ hat mit dem der BRD nur den Namen gemein. (Massenorganisationen) Literaturangaben Drath, Martin: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., erw. Aufl. (BMG) 1956. 91 S. Kopp, Fritz: Die Nationale Front des Demokratischen Deutschland (in Deutsche Fragen 1960, H. 7 u. 8). Richert, Ernst (m. e. Einl. von Martin Drath): Macht ohne Mandat — der Staatsapparat in der SBZ. 2., erw. Aufl. (Schr. d. Inst. f. polit. Wissenschaft, Berlin, Bd. 11). Köln 1958, Westdeutscher Verlag. 349 S. Schultz, Joachim: Der Funktionär in der Einheitspartei — Kaderpolitik und Bürokratisierung in der SED (Schr. d. Inst. f. polit. Wissenschaft, Berlin, Bd. 8). Stuttgart 1956, Ring-Verlag. 285 S. Schütze, Hans: „Volksdemokratie“ in Mitteldeutschland (hrsg. v. d. Niedersächs. Landeszentrale f. Polit. Bildung), Hannover 1964. 228 S. u. 4 Taf. Stern, Carola: Porträt einer bolschewistischen Partei — Entwicklung, Funktion und Situation der SED. Köln 1957, Verlag für Politik und Wirtschaft. 372 S. Handbuch der Sowjetzonen-Volkskammer. 2. Legislaturperiode. Berlin o. J., Informationsbüro West. 386 S. u. Nachträge. Die Wahlen in der Sowjetzone, Dokumente und Materialien. 6., erw. Aufl. (BMG) 1964. 216 S. Wahlen gegen Recht und Gesetz — die Gemeinde- und Kreistagswahlen in der Sowjetzone … 1957. (BMG) 1957. 99 S. m. 20 Bildern und Dokumenten. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 316 Parteidokument A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ParteigruppeSiehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Die P. und Gewerkschaften wurden durch den SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 zugelassen. Darauf Gründung der KPD (11. 6. 1945), SPD (15. 6. 1945), CDU (26. 6. 1945) und LDPD (5. 7. 1945). Am 14. 7. 1945 Zusammenschluß in einem „Block der antifaschistisch-demokratischen P.“ (Blockpolitik). Am 19./20. 4. 1946 Zwangszusammenschluß der SPD und KPD zur SED. Auf Wunsch und Initiative der SMAD und der SED-Führung am 21. 4.…
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Luftverkehr (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Bis 1956 wurde der L. ausschließlich von den L.-Gesellschaften der SU und der Volksdemokratien betrieben. Durch die Gründung einer eigenen L.-Gesellschaft 1954 mit dem traditionellen Namen Deutsche Lufthansa wurde der Aufbau eines eigenen sowjetzonalen L. vorbereitet. Die Deutsche Lufthansa wurde zunächst dem Ministerium des Innern, 1957 dem Ministerium für Nationale Verteidigung und schließlich 1958 dem Ministerium für Verkehrswesen unterstellt. Der regelmäßige Flugdienst wurde 1956 mit der Eröffnung der Linie Berlin-Warschau aufgenommen. Auf Grund von Gerichtsentscheidungen durfte kein sowjetzonales Flugzeug mit dem Zeichen der alten Deutschen Lufthansa (stilisierter fliegender Kranich) und unter dem Namen „Deutsche Lufthansa“ einen Flughafen eines westlichen Landes anfliegen. In Ost-Berlin wurde deshalb im Sept. 1958 eine neue Fluggesellschaft mit dem Namen Interflug GmbH gegründet, die, nachdem sie fünf Jahre lang neben der „Lufthansa“ bestanden hatte, am 1. 9. 1963 nach Auflösung der „Lufthansa“ den Gesamtluftbetrieb der SBZ übernahm. Der Inlands-L. mit eigenen Maschinen war im Sommer 1957 aufgenommen worden. Von Berlin-Schönefeld aus werden regelmäßig angeflogen: Leipzig, Barth (Ostsee), Dresden und Erfurt. Ferner bestehen von Leipzig, Dresden und Erfurt ebenfalls Luftverbindungen nach Barth, das hauptsächlich als Flugplatz für den Ostseebäder-Verkehr dient. In Rostock und Chemnitz wurden neue Flughäfen angelegt. Im internationalen Verkehr werden von der „Interflug“ gegenwärtig Fluglinien nach Moskau, Budapest, Bukarest, Prag, Warschau, Sofia und Tirana bedient. Neben den [S. 269]planmäßigen Flügen führt die „Interflug“ auch Bedarfsflüge durch, besonders für politische und diplomatische Delegationen. Der Bestand der „Interflug“ an Flugzeugen umfaßt 27 Maschinen, größtenteils aus Sowjet. Produktion, vom (sowjetischen) Typ IL 14. 1960 sind 5 sowjet. Maschinen des Typs IL 18 (Propeller-Turbinen-Antrieb) gekauft und für den Auslandsverkehr in Dienst gestellt worden. Da Ersatzteile aus der SU bezogen werden müssen, fallen reparaturbedürftige Maschinen oft längere Zeit für den Verkehr aus. Der L. ist unwirtschaftlich und muß subventioniert werden. 1963 wurden 328.000 Passagiere befördert, davon etwa die Hälfte im Inlandsverkehr (Vergleich dazu: von Flughäfen der Bundesrepublik aus wurden 1963 etwa 5,5 Mill. Passagiere befördert.) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 268–269 Luftschutz A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z LuftwaffeSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Bis 1956 wurde der L. ausschließlich von den L.-Gesellschaften der SU und der Volksdemokratien betrieben. Durch die Gründung einer eigenen L.-Gesellschaft 1954 mit dem traditionellen Namen Deutsche Lufthansa wurde der Aufbau eines eigenen sowjetzonalen L. vorbereitet. Die Deutsche Lufthansa wurde zunächst dem Ministerium des Innern, 1957 dem Ministerium für Nationale Verteidigung und schließlich 1958 dem Ministerium…
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Rechtswesen (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 [S. 350] 1. Die „sozialistische“ Rechtsauffassung und die Aufgabe der Rechtsprechung Die Rechtsauffassung in der SBZ ist die des Marxismus-Leninismus, also die aus der Lehre vom dialektischen und historischen Materialismus abgeleitete Auffassung vom Wesen des Rechts. Danach kann das Recht nur als eine von verschiedenen gesellschaftlichen Erscheinungen im Bereich des über der ökonomischen Basis liegenden Überbaus verstanden werden; es wurzele in den materiellen Lebensverhältnissen und könne nicht aus sich selbst, aus der allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes abgeleitet oder begriffen werden. Es ist nach dieser Auffassung also nicht der menschliche Geist oder seine sittliche Kraft, die die Rechtsordnung bestimmen, sondern das Recht soll — nach der These, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt — durch die materiellen Lebensverhältnisse hervorgebracht werden. Diese materiellen Lebensverhältnisse würden aber durch die Produktionsverhältnisse bestimmt, durch die Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln. Daraus folge, daß derjenige, der die Produktionsmittel besitzt, und das ist nach marxistisch-leninistischer Auffassung die herrschende Klasse, auch das Recht bestimmt und die Rechtsordnung festlegt. Damit wird das Recht leicht und einheitlich definierbar als der „zum Gesetz erhobene Wille der herrschenden Klasse“, und das in der SBZ bestehende sozialistische Recht ist nach Ulbricht daher „der zum Gesetz erhobene Wille der Arbeiterklasse, die im Bündnis mit den werktätigen Bauern und den anderen werktätigen Schichten der Bevölkerung die Macht ausübt“ (Ulbricht, „Über die Dialektik unseres sozialistischen Aufbaus“, Dietz-Verlag, Ost-Berlin 1959, S. 147). Mit dieser Erkenntnis wurde, wie Hilde ➝Benjamin erklärt, „eine klare Abgrenzung von der bürgerlichen Rechtswissenschaft mit ihren verschiedenen Spielarten idealistischer Rechtsideologien und mit ihren Vorstellungen von einem über den Klassen und Staaten stehenden Recht gewonnen“. Für das Strafrecht wird diese Aussage im Lehrbuch des Strafrechts noch einmal ausdrücklich bestätigt: „Deshalb hat jedes Strafrecht Klassencharakter, verfolgt die klassenbedingten Ziele und Aufgaben. Es gibt kein neutrales, über den Klassen stehendes Strafrecht.“ Im Erlaß des Staatsrates über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4. 4. 1963 (GBl.~I, S. 21) wird das sozialistische Recht mit einer gewissen Akzentverlagerung definiert als „ein wichtiges Instrument unseres Staates, um die gesellschaftliche Entwicklung zu organisieren und das sozialistische Zusammenleben der Menschen, die Beziehungen der Bürger zueinander und zu ihrem Staat zu regeln“. Jedes Recht sei seiner Natur nach parteilich, weshalb auch die Rechtsanwendung nur parteilich sein könne (Parteilichkeit der Rechtsprechung). Aus den Erkenntnissen des historischen Materialismus ergibt sich für die Kommunisten weiter, daß die menschliche Gesellschaft unter Führung ihrer fortschrittlichsten Klasse, der Arbeiterklasse, den Weg zum kommun. Endstadium gehen werde, in dem die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigt und mit der dann vorhandenen klassenlosen Gesellschaft der ideale Endzustand auf Erden erreicht sein werde. Die „historische Aufgabe“ der Arbeiterklasse bestehe also darin, den Weg zunächst zum Sozialismus, dann zum Kommunismus, zu vollenden. Die Erfüllung dieser Aufgabe entspreche der objektiven Gesetzmäßigkeit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Wenn nun aber nur das Rechtens sein kann, was dem Willen der Arbeiterklasse entspricht, und wenn der Wille dieser Klasse auf die Erreichung des sozialistisch-kommun. Endzustandes gerichtet ist (weil er darauf gerichtet zu sein hat)4 dann kann, wie dies in der neuen Definition des Staatsrates zum Ausdruck kommt, im Bereich der Rechtsordnung auch nur das Bestand und Gültigkeit haben, was zu diesem Endziel hinzuleiten in der Lage ist. Damit erhält das Recht Instrumentalcharakter in Händen der Klasse und des Staates zur Erreichung des politischen Endziels. Dieser Auffassung vom R. entspricht nach den Ausführungen ihrer maßgebenden Funktionäre (Fechner, Benjamin, Melsheimer, Polak) die Hauptaufgabe der Justiz. Die politische Aufgabe der Rechtsprechung kommt auch im Gesetz über die Gerichtsverfassung zum Ausdruck: [S. 351]„Die Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik dient der Lösung der politischen, ökonomischen und kulturellen Aufgaben des Arbeiter-und-Bauern-Staates beim umfassenden Aufbau des Sozialismus, der planmäßigen Entwicklung der Produktivkräfte und der Festigung der sozialistischen Produktionsverhältnisse.“ Besonders herausgestellt wird durch den Rechtspflegeerlaß des Staatsrates und die sich daran anschließenden neuen Gesetze (Justizreform) die Erziehungsfunktion der Rechtsprechung: „Die Gerichte tragen dazu bei, daß alle Bürger, Institutionen und Organisationen das sozialistische Recht bewußt einhalten und verwirklichen, das den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt und seinem friedlichen Leben, seiner Freiheit, seiner schöpferischen Arbeit und der Gerechtigkeit für jedermann dient“ (§ 2 Abs. 1, Satz~1 und Satz 2 GVG). Mit besonderem Nachdruck wird von den Gerichten die Wahrung und Beachtung sozialistischer Gesetzlichkeit gefordert, d.h. strenge Einhaltung der in der SBZ geltenden Gesetze mit dem Ziel, die errungene Machtstellung mit Hilfe der Justiz unter allen Umständen zu festigen und weiter auszubauen. Eng verbunden damit ist die Forderung nach der echten Parteilichkeit der Rechtsprechung: „Einhaltung der Gesetzlichkeit bedeutet Wahrung der Parteilichkeit“ (Artzt in „Neue Justiz“ 1956, S. 581). 2. Gerichtsorganisation Als höchste Gerichtsinstanz besteht seit Dez. 1949 das Oberste Gericht der „DDR“. Es entscheidet über die vom Generalstaatsanwalt oder vom Präsidenten des OG eingelegten Kassationsanträge (Kassation) als Rechtsmittelgericht bei erstinstanzlichen Entscheidungen der Bezirksgerichte sowie in solchen Strafsachen, in denen der Generalstaatsanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Anklage unmittelbar vor dem Obersten Gericht erhebt. Oft werden die erstinstanzlichen Verhandlungen dann als Schauprozesse durchgeführt. Ein Rechtsmittel steht dem Angeklagten in diesen Fällen nicht zu. Der Angeklagte ist also der Willkür des Generalstaatsanwalts unterworfen, wenn dieser das Verfahren vor das Oberste Gericht in erster und gleichzeitig letzter Instanz bringen will. Im übrigen entsprach die Gerichtsorganisation bis August 1952 noch dem alten deutschen Gerichtsverfassungsgesetz. Sie ist dann zunächst durch die „VO über die Neugliederung der Gerichte“ vom 28. 8. 1952 der neuen Verwaltungsstruktur der SBZ angepaßt und durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 22. 10. 1952 endgültig geregelt worden. Am 1. 10. 1959 wurde das GVG mit Erlaß des Gesetzes über die Wahl der Richter neu gefaßt und in einigen Bestimmungen in sozialistischem Sinne geändert. Nach dem Rechtspflegeerlaß des Staatsrates vom 4. 4. 1963 erließ die Volkskammer am 17. 4. 1963 ein neues Gerichtsverfassungsgesetz, durch welches das Prinzip des demokratischen Zentralismus im Bereich der Rechtspflege voll verwirklicht wurde. Ferner hatte diese Justizreform zum Ziel, die Tätigkeit der gesellschaftlichen Gerichte gesetzlich zu untermauern und zu aktivieren. Das OG wurde das „Leitungsorgan“ für die gesamte Rechtsprechung, ist aber in dieser Funktion dem Staatsrat gegenüber verantwortlich. Die zur Durchsetzung der Leitungsaufgaben des OG geschaffenen Organe dieses Gerichts, das Plenum und das Präsidium, haben die Befugnis, Richtlinien und Beschlüsse mit bindender Wirkung für alle Gerichte zu erlassen. Diese Befugnis erstreckt sich auch auf die Militärgerichtsbarkeit, die in der Spitze beim Kollegium für Militärstrafsachen des OG zusammenläuft. Die Arbeitsgerichte sind als Kammern bzw. Senate der Kreis- und Bezirksgerichte in die ordentliche Gerichtsbarkeit eingegliedert. In allen erstinstanzlichen Verfahren der Kreis- und Bezirksgerichte wirken Schöffen mit, in Arbeitsrechtsstreitigkeiten entscheiden auch die Rechtsmittelsenate der Bezirksgerichte und der Senat des OG unter Beteiligung von Schöffen. Die Richter werden in allen Gerichten auf 4 Jahre gewählt und sind für ihre Rechtsprechung sowohl dem übergeordneten Gericht wie der örtlichen Volksvertretung ihres Bezirks oder Kreises verantwortlich. Der in der Verfassung und im Gerichtsverfassungsgesetz enthaltene Grundsatz von der richterlichen Unabhängigkeit ist faktisch beseitigt. Die Personalpolitik (Kaderpolitik) vollzieht sich seit 1945 unter dem Gesichtspunkt der Demokratisierung der Justiz und [S. 353]hatte zur Folge, daß die akademischen Juristen mehr und mehr aus den Richter- und Staatsanwaltstellen verdrängt und durch Volksrichter ersetzt wurden. Nur noch 2 v. H. aller Richter können als ordnungsgemäß ausgebildete Volljuristen bezeichnet werden. Sämtliche wichtigen Positionen sind mit Angehörigen der SED besetzt. Da den Richtern, die der SED angehören, von Beginn ihrer Ausbildung an eingehämmert wird, daß sie auch als Richter Funktionäre ihrer Partei bleiben und die Richtlinien der Partei zu befolgen haben, ist es der SED immer möglich, unmittelbar in die Rechtsprechung einzugreifen. Der „Richter neuen Typus“ darf nicht dem Objektivismus erliegen, sondern muß in seiner Rechtsprechung die Parteilichkeit wahren und beweisen, daß er die alte Klassenjustiz überwunden hat. Der Richter muß stets von dem Gedanken ausgehen, daß seine Urteile in erster Linie der „Gesellschaft“, also dem Regime, nützen müssen. Es kommt dabei nicht auf eine nur „formelle“ Anwendung des Gesetzes an, sondern auf dessen Auslegung im Sinne der SED. 3. Die weiteren Organe der Rechtsprechung Die Staatsanwaltschaft ist aus dem Justizapparat herausgelöst und in eine selbständige, unmittelbar dem Staatsrat unterstehende Behörde umgewandelt worden. Mit dem 1. 6. 1952, dem Tage des Inkrafttretens des ersten „Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der DDR“, war die Sowjetisierung des Strafrechts auf dem Gebiet der Strafverfolgung, der Strafvollstreckung und des Strafvollzuges vollendet. Das neue Staatsanwaltschaftsgesetz vom 17. 4. 1963 bezeichnet die Staatsanwaltschaft als ein Organ der einheitlichen sozialistischen Staatsmacht und beschreibt im einzelnen Funktion und Aufgaben dieses Organs in der Periode des „umfassenden Aufbaus des Sozialismus“. Die Staatsanwaltschaft soll in ihrer Tätigkeit einen wichtigen Beitrag zur Erziehung der Bürger zum sozialistischen Denken und Handeln leisten. Auch für dieses Staatsorgan steht also die Erziehungsfunktion des Rechts im Vordergrund. Die Justizverwaltung hat schon 1952 ihre Aufsichtsbefugnisse über die Staatsanwaltschaft, mit dem Rechtspflegeerlaß des Staatsrates vom 4. 4. 1963 auch ihre Befugnis der Kontrolle und Anleitung der Rechtsprechung eingebüßt. Ihre heutigen Aufgaben liegen auf dem Gebiet der Revision der Gerichte, der Kaderpolitik, der Gerichtsverwaltung und der Vorbereitung der Justizgesetzgebung. Dem Ministerium der Justiz obliegt es in seiner Verantwortlichkeit für die Kaderpolitik, die Grundsätze für die Ausbildung der juristischen Kader gemeinsam mit dem Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen sowie den Universitäten auszuarbeiten und durchzusetzen (Rechtsstudium). Mit der Justizreform des Jahres 1952 wurden große Gebiete der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Verwaltungsstellen übertragen und das Staatliche Notariat eingerichtet. Auch in der Rechtsanwaltschaft wurde durch die Bildung der Anwaltskollegien eine grundsätzliche Neuordnung vorgenommen. Der Staatsrat bezeichnet die Rechtsanwaltschaft in seinem Rechtspflegeerlaß als eine „gesellschaftliche Einrichtung der sozialistischen Rechtspflege“. Besonders hebt er hervor, daß sich die Mehrzahl der Rechtsanwälte freiwillig in den Kollegien zusammengeschlossen haben. Anleitung und Aufsicht über die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Notare obliegt dem Ministerium der Justiz. Eine Standesorganisation und eigene Ehrengerichtsbarkeit gibt es für die Rechtsanwaltschaft in der SBZ nicht. Durch den Verteidiger im „sozialistischen“ Strafprozeß soll ein „neuer Arbeitsstil“ entwickelt werden, der die erzieherische Rolle des Rechtsanwalts mehr in den Vordergrund rückt. 4. Strafrecht Der Schwerpunkt der gesamten Rechtsprechung liegt auf dem Gebiet des Strafrechts. Hier können drei Gruppen unterschieden werden: die politischen Strafsachen, die Wirtschaftsstrafsachen und alle übrigen Delikte. Die politischen Strafsachen werden bei der Staatsanwaltschaft von der Abt.~I bearbeitet und von den I.~Senaten des OG und der Bezirksgerichte entschieden, Wirtschaftsdelikte und alle anderen Strafsachen von der Abt. II und den II. Senaten der Bezirksgerichte oder den Strafkammern der Kreisgerichte. Auf dem Gebiet des politischen [S. 354]Strafrechts wurde, nachdem durch Beschluß der Sowjetregierung vom 20. 9. 1955 alle „Gesetze, Direktiven und Befehle des Alliierten Kontrollrats als überflüssig erachtet werden und auf dem Gebiet der DDR ihre Gültigkeit verlieren“, bis zum 1. 2. 1958 fast ausschließlich Art. 6 der Verfassung angewandt, der die sog. Boykott-, Kriegs- und Mordhetze für strafbar erklärt. Der Art. III A III der Kontrollratsdirektive 38, der bis zum 29. 9. 1955 zur Verurteilung wegen „Erfindung oder Verbreitung tendenziöser, friedensgefährdender Gerüchte“ (Friedensgefährdung, Sühnemaßnahmen) herangezogen wurde, konnte nicht mehr Grundlage politischer Strafverfahren sein. Das Friedensschutzgesetz vom 16. 12. 1950 wurde vom OG zweimal angewandt. Seit Inkrafttreten des Strafrechtsergänzungsgesetzes (StEG) am 1. 2. 1958 bildet dieses nunmehr die Grundlage für die Bestrafung der Staatsverbrechen, zu denen seitdem auch die Abwerbung gehört. Art, 6 der Verfassung behält aber seinen Charakter als unmittelbar anzuwendendes Strafgesetz, bleibt also als Generalklausel hinter den neu geschaffenen, sehr allgemein formulierten Tatbeständen bestehen. Besonders kraß trat die Unterdrückungsfunktion des Strafrechts, insbesondere der politischen Straftatbestände, in den vor dem Obersten Gericht durchgeführten Prozessen gegen „Kopfjäger“, Menschenhändler und „Terroristen“ (Terrorismus) in Erscheinung sowie in all den Strafverfahren, in denen es sich um tatsächliche oder angebliche Verletzungen der Anordnungen und Bestimmungen über das Sperrgebiet handelte. Hohe Zuchthausstrafen werden in politischen Prozessen auch gegen Jugendliche verhängt (Jugendstrafrecht). Durch eine gleichzeitig mit dem StEG erfolgte Änderung des Paßgesetzes wurden auch Versuch und Vorbereitung der Republikflucht unter Strafe gestellt. Auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet wurden bis 1955 vor allem folgende vier Gesetze angewendet: Befehl Nr. 160 der SMAD vom 3. 12. 1945 (Sabotage), die Wirtschaftsstrafverordnung vom 23. 9. 1948, das Gesetz zum Schutze des ➝innerdeutschen Handels vom 21. 4. 1950 und das Gesetz zum Schutze des ➝Volkseigentums vom 2. 10. 1952. Mit der Außerkraftsetzung des Besatzungsrechts war auch der Befehl Nr. 160 aufgehoben worden. Sabotage wurde, sofern nicht eine der anderen wirtschaftsrechtlichen Normen zur Anwendung gelangte, seitdem als eine der unter Boykotthetze fallenden Erscheinungsformen im Klassenkampf angesehen und nach Art. 6 der Verfassung bestraft. Das StEG hat mit Wirkung vom 1. 2. 1958 zwei selbständige Tatbestände für Diversion und Sabotage eingeführt. Die Anwendung dieser Gesetze hat im Regelfall neben einer erheblichen Zuchthausstrafe die Einziehung des gesamten Vermögens des Angeklagten zur Folge. Das Gesetz zum Schutze des „Volkseigentums“ wurde durch das StEG aufgehoben; die Bestrafung der „Verbrechen gegen gesellschaftliches Eigentum“ erhielt in den Bestimmungen des StEG eine neue gesetzliche Grundlage. Das Gesetz zum Schutze des innerdeutschen Handels wurde durch das Zollgesetz vom 28. 3. 1962 aufgehoben. Eine materiell-rechtliche Änderung hat sich dadurch jedoch nicht ergeben, da die Strafandrohungen in das Zollgesetz übernommen worden sind. Wirtschaftsprozesse wurden oft als Schauprozesse und auch gegen solche Angeklagten durchgeführt, die entweder gerade noch rechtzeitig aus der SBZ flüchten konnten oder die ihren Wohnsitz niemals in der SBZ hatten, wohl aber irgendwelche Vermögenswerte oder Betriebe. Diese sog. Abwesenheitsverfahren waren nach der bis zum 15. 10. 1952 geltenden Strafprozeßordnung nur zulässig, wenn sich der Angeschuldigte im Ausland aufhielt oder im Inland verbarg. Da in vielen Fällen die Angeschuldigten den sowjetzonalen Behörden eine ladungsfähige Anschrift in der Bundesrepublik mitteilten, entfielen beide Voraussetzungen. Dennoch wandten die sowjetzonalen Gerichte die §§ 276 ff. StPO analog an, um das Vermögen oder den Betrieb des Angeklagten enteignen zu können. Nach der neuen Strafprozeßordnung sind Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten zulässig, wenn sich dieser „außerhalb des Gebietes der DDR aufhält oder sich verbirgt“ (§ 236 StPO der SBZ). Für die übrigen Strafverfahren dient als materielle Grundlage noch das deutsche Strafgesetzbuch von 1871, das aber durch ein neues, sozialistisches Strafgesetz[S. 355]buch ersetzt werden soll. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das alte „sanktionierte“ StGB entsprechend den „Erfordernissen der gesellschaftlichen Interessen“ und unter „Überwindung der überholten Klassenjustiz“ anzuwenden. Entscheidendes Element für die Strafwürdigkeit einer Handlung oder Unterlassung ist die Gesellschaftsgefährlichkeit. Damit ist eine unmittelbare Anlehnung an das sowjet. Strafrecht gegeben. „Aufgabe der demokratischen Rechtsprechung ist es, die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR mit den uns zur Verfügung gestellten Gesetzen, seien sie sanktioniert oder neu geschaffen, zu schützen. Dabei ist der Hinweis notwendig, daß mit der Sanktionierung gewisser alter Gesetze keineswegs die Übernahme der von den bürgerlichen Gerichten angewandten Auslegungsregeln verbunden ist“ („Neue Justiz“ 1956, Beilage S. 10). Das Strafrechtsergänzungsgesetz führte neben dem aus dem sowjet. Recht übernommenen „materiellen Verbrechensbegriff“ die neuen Strafen Bedingte Verurteilung und öffentlicher Tadel ein; ferner wurden durch dieses Gesetz sechs Tatbestände des Militärstrafrechts geschaffen. Letztere wurden dann durch das 2. Strafrechtsergänzungsgesetz (Militärstrafgesetz) vom 24. 1. 1962 z. T. geändert und um weitere Tatbestände ergänzt. Von besonderer Bedeutung für die Strafpolitik waren zunächst die Beschlüsse des Staatsrates vom 30. 1. 1961 (GBl.~I, S. 3) und vom 24. 5. 1962 (GBl.~I, S. 53) „über die weitere Entwicklung der Rechtspflege“, nach denen die richtig „differenzierte“ Strafe vom Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit und von der persönlichen Einstellung des Täters zur „Arbeiter-und-Bauern-Macht“ abhängig sein soll. Den Beschlüssen kommt gemäß Art. 106 der am 12. 9. 1960 geänderten Verfassung Gesetzeskraft zu. Zur Durchführung des ersten Beschlusses hat das OG in der Richtlinie Nr. 12 vom 22. 4. 1961 (GBl. III, S. 223) den Gerichten Hinweise für die zu verhängenden Strafen und in der Richtlinie Nr. 13 eine Anleitung zur Frage der Gesellschaftsgefährlichkeit erteilt. Nach einer scharfen Auseinandersetzung mit maßgebenden Strafrechtswissenschaftlern stellte der Staatsrat am 24. 5. 1962 in seinem weiteren Beschluß fest, daß „die große Mehrzahl der in der DDR begangenen Gesetzesverletzungen nicht auf einer feindlichen Einstellung gegen den Arbeiter-und-Bauern-Staat beruht“. Die in diesen Beschlüssen bereits zum Ausdruck kommende Tendenz, die gesellschaftliche Gerichtsbarkeit auszuweiten, wurde durch den Erlaß des Staatsrates über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4. 4. 1963 (GBl.~I, S. 21) noch erheblich verstärkt (Konfliktkommission, Schiedskommission). In dem Bemühen, den verbindlichen Weisungen des Staatsrates zu folgen, stellten die Gerichte bei der Beurteilung krimineller Delikte häufig fest, daß es sich bei den Angeklagten nicht um „Feinde der Arbeiter-und-Bauern-Macht“ handelte, und verhängten milde Strafen. Da dies in schlechthin unverständlichem Ausmaß auch bei der Bestrafung von Gewalt- und Sexualverbrechen erfolgte, mußte das Plenum des OG in einem Beschluß vom 30. 6. 1963 anordnen, daß die Strafpolitik gegenüber derartigen Verbrechen wieder erheblich härter werden müsse, und daß im Regelfall die Freiheitsstrafe als härteste staatliche Zwangsmaßnahme zu verhängen sei. Eine gleichartige Anleitung wurde hinsichtlich der Bestrafung von Rückfalltätern erlassen. Die Folge dieser Beschlüsse und Anleitungen war, daß im zweiten Halbjahr 1963 die Strafen ohne Freiheitsentziehung (öffentlicher Tadel, Geldstrafe, bedingte Verurteilung) und die Übergabe von Strafsachen an die Konfliktkommissionen zurückgingen, während die Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, vor allem zu kurzen Freiheitsstrafen, wieder Zunahmen. Der Präsident des OG, Toeplitz, bezeichnete diese Entwicklung als negativ („Neue Justiz“ 1964, S. 321), rügte „einige überspitzte Bestrafungen bei Sexualdelikten“ und orientierte damit wieder mehr auf die Verhängung von Strafen ohne Freiheitsentziehung, vor allem aber auf eine noch stärkere Einschaltung der gesellschaftlichen Gerichte. Die Richtlinien Nr. 12 und Nr. 13 wurden durch Beschlüsse des Plenums des OG vom 6. 5. 1964 ersatzlos aufgehoben, weil sie nach Auffassung des OG dem derzeitigen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr entsprechen und einengend und schematisch auf die Anwendung kurzer Freiheitsstrafen orientieren. Aus diesen verschiedenen, sich z. T. widersprechenden Anordnungen wird deutlich, welchen Schwankungen die Strafpolitik in der SBZ unterworfen ist. [S. 356]Für die Durchführung des Strafverfahrens ist die im Zuge der 1.~Justizreform erlassene Strafprozeßordnung vom 2. 10. 1952 gesetzliche Grundlage. Auch dieses Gesetz soll neu gefaßt und dann gemeinsam mit dem „sozialistischen“ Strafgesetzbuch in Kraft gesetzt werden. Strafvollstreckung und Strafvollzug sind der Deutschen ➝Volkspolizei übertragen worden; die Staatsanwaltschaft hat lediglich theoretische Aufsichtsbefugnisse. Das Gnadenrecht liegt in der Hand des Staatsrats. Das Strafregisterwesen (Strafregister) ist durch Gesetz vom 11. 12. 1957 — in Kraft getreten am 1. 2. 1958 — neu geregelt worden; die Straftilgungsfristen wurden erheblich verkürzt. 5. Zivil-, Familien-, Arbeitsrecht Auf zivilrechtlichem Gebiet gelten noch das Bürgerliche Gesetzbuch und die Zivilprozeßordnung (Zivilprozeß), beide allerdings mit Ausnahmen und Einschränkungen. Im sowjetzonalen Justizministerium wird an der Erstellung eines neuen Zivilgesetzbuchs und einer neuen Zivilprozeßordnung gearbeitet. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung wurden der neuen Gerichtsverfassung durch die „VO zur Angleichung von Verfahrensvorschriften auf dem Gebiet des Zivilrechts an das Gerichtsverfassungsgesetz (Angleichungsverordnung)“ vom 4. 10. 1952 angepaßt. In familienrechtlichen Streitigkeiten sind seit 1949 die untersten Gerichtsinstanzen, die Kreisgerichte, zuständig. Das gesamte Familienrecht soll durch das im Entwurf seit 1954 fertiggestellte Familiengesetzbuch neu gestaltet werden. Vorerst ist jedoch lediglich das Kontrollratsgesetz Nr. 16 (Ehegesetz vom 20. 2. 1946) durch die „VO über Eheschließung und Eheauflösung“ vom 24. 11. 1955 ersetzt worden. Eine Neuregelung hat schließlich das Patentrecht erfahren. Auch hier ist in erster Linie das „Interesse der Gesellschaft“ maßgebend. Rechtsstreitigkeiten der sozialistischen Betriebe im Rahmen des Vertragssystems wurden aus der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte herausgenommen und unterliegen nach den materiellen Bestimmungen des Vertragsgesetzes der Entscheidung der staatlichen ➝Vertragsgerichte. Auch in Zivilsachen werden die gerichtlichen Erkenntnisse von politischen Erwägungen bestimmt. Dies gilt besonders für das Gebiet des Familienrechts und vor allem bei Klagen, an denen VEB, Verwaltungen, Parteien oder gesellschaftliche Organisationen beteiligt sind. Für die Zwangsvollstreckung aus einem obsiegenden Urteil gegen einen VEB bedarf es einer besonderen Anweisung durch das dem VEB übergeordnete Organ. Das Arbeitsrecht soll in erster Linie der Weiterentwicklung der „sozialistischen Arbeitsverhältnisse“ dienen. Seine neue gesetzliche Grundlage hat es im Gesetzbuch der Arbeit vom 12. 4. 1961 gefunden. Für die Behandlung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten sind in Betrieben und Verwaltungen, in denen Konfliktkommissionen bestehen, zunächst diese zuständig. Erst gegen einen Beschluß der Konfliktkommission ist Einspruch beim zuständigen Kreisgericht möglich. 6. Gesellschaftliche Erziehung und massenpolitische Arbeit Ihr besonderes Augenmerk haben die Gerichte darauf zu richten, daß einmal im Straf- oder Zivilprozeß die entstandenen Widersprüche in der Gesellschaft und zur gesellschaftlichen Entwicklung aufgedeckt werden, und daß in allen geeigneten Fällen im Anschluß an ein gerichtliches Verfahren eine gesellschaftliche Erziehung einsetzt, die gegebenenfalls vom Gericht organisiert werden muß. Aus den Erfahrungen in dieser Tätigkeit konnte dann der weitere Schritt zu gesellschaftlichen Gerichten vollzogen werden, der mit der Übertragung neuer Befugnisse auf die Konfliktkommissionen und der Bildung von Schiedskommissionen getan worden ist. Um die Wirksamkeit der Rechtsprechung auf die „sozialistische Bewußtseinsbildung“ zu erhöhen, ordnete der Staatsrat in seinem Rechtspflegeerlaß vom 4. 4. 1963 an, daß die Gerichte bei allen geeigneten Verfahren den Gewerkschaftsleitungen, Leitungen der FDJ, Betriebsleitungen, Ausschüssen der Nationalen Front und anderen Organen, Einrichtungen und Kollektiven, die von der Angelegenheit berührt werden, Nachricht über die stattfindende Verhandlung zu geben und solche Verhandlungen unmittelbar in den Betrieben, Genossenschaften und Einrichtungen durchzuführen haben. Vertreter von sozialistischen Betrieben, Hausgemeinschaften und anderen Kollektiven der Werktätigen sollen im Strafprozeß zur Teilnahme an der Hauptverhandlung geladen werden. Die Betriebe pp. [S. 357]können auch gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung beauftragen. § 4 GVG in der Fassung vom 1. 10. 1959 lautete: „In der Tätigkeit der Gerichte der Arbeiter-und-Bauern-Macht bilden die Rechtsprechung und die politische Arbeit unter den Werktätigen eine feste Einheit. Die Richter sind verpflichtet, durch regelmäßige Aufklärung über den sozialistischen Staat und sein Recht, insbesondere durch Erläuterung der Gesetze und durch Auswertung geeigneter Verfahren, die Bevölkerung zur Einhaltung der sozialistischen Gesetze und zur aktiven Mitwirkung bei ihrer Durchsetzung zu erziehen.“ Eine solche ausdrückliche Vorschrift gibt es im neuen GVG vom 17. 4. 1963 zwar nicht mehr, was aber nicht etwa heißen soll, daß diese massenpolitische Arbeit der Justiz in Wegfall gekommen ist. Der Staatsrat schreibt vielmehr in seinem Erlaß ausdrücklich eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Organen der Rechtspflege und den Volksvertretungen, den gesellschaftlichen Organisationen, den Ausschüssen der Nationalen Front vor. Diese Zusammenarbeit soll alle gesellschaftlichen Kräfte „für die Festigung des sozialistischen Gemeinschaftslebens, für den Kampf gegen Verbrechen und Vergehen“ mobilisieren und das Staats- und Rechtsbewußtsein der Bürger entwickeln. Eines von verschiedenen Mitteln, um diese Erfolge zu erzielen, sind Justizausspracheabende der Richter und Schöffen mit der Bevölkerung. Hier soll „der fortschrittliche Charakter unserer Gesetze und ihre Anwendung in der Praxis der Justizorgane erläutert und dem Gerichtssystem der Bonner Justiz gegenübergestellt werden“ (Görner in „Staat und Recht“ 1957, S. 662). Vorbild in allem ist die SU, über deren „sozialistische Gesetzlichkeit“ der Leiter des Rechtsinstituts der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Prof. P. E. Orlowski, sagt: „Die sozialistische Gesetzlichkeit ist ein Mittel zur Festigung des sozialistischen Staates, zur Verwirklichung seiner Funktionen und Aufgaben, und sie gewährleistet zur gleichen Zeit die Verwirklichung der Rechte der Sowjetbürger … Dank der weisen Führung durch die kommunistische Partei dient die sowjetische sozialistische Gesetzlichkeit der großen Sache des Aufbaus des Kommunismus in unserem Lande“ („Neue Justiz“ 1954, S. 613 ff.). Literaturangaben Hildebrandt, Walter: Die Sowjetunion — Macht und Krise. Darmstadt 1955, Leske. 272 S. Drath, Martin: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., erw. Aufl. (BMG) 1956. 91 S. Brundert, Willi: Es begann im Theater — „Volksjustiz“ hinter dem Eisernen Vorhang. Berlin 1958, Dietz. 86 S. Dirnecker, Bert: Recht in West und Ost. Pfaffenhofen/Ilm 1956, Ilmgau-Verlag. 178 S. Das Eigentum im Ostblock. (Studien des Instituts für Ostrecht, München, Bd. 5) Beitr. v. M. Ferid, E. Pfuhl, R. Thomson, A. Blomeyer, L. Mezofy, W. Schulz, A. Bilinsky. Berlin 1958, Verlag für internationalen Kulturaustausch. 113 S. Fragen der Gerichtsverfassung im Ostblock. (Studien des Instituts für Ostrecht, München, Bd. 2) Beitr. von Reinhart Maurach, Josef Magyar, Georg Geilke, Walther Rosenthal. Berlin 1958, Verlag für internationalen Kulturaustausch. 92 S. Hagemeyer, Maria: Zum Familienrecht der Sowjetzone — Der „Entwurf des Familiengesetzbuches“ und die „Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung“. 3., überarb. Aufl. (BMG) 1958. 75 S. Hellbeck, Hanspeter: Die Staatsanwaltschaft in der sowjetischen Besatzungszone. 2., erw. Aufl. (BMG) 1955. 104 S. m. 7 Anlagen. Der Rechtsanwalt im Ostblock. (Studien des Instituts für Ostrecht, München, Bd. 6) Beitr. v. Fritz Ostler, Walther Rosenthal, Werner Schulz, Andreas Bilinsky, Vladimir Gsovski, Ivan Sipkow. Berlin 1958, Verlag für internationalen Kulturaustausch. 86 S. Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., überarb. Aufl. (BB) 1959. 206 S. Rosenthal, Walther: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands — Aufgaben, Methoden und Aufbau. (BB) 1962. 175 S. Samson, Benvenuto: Grundzüge des mitteldeutschen Wirtschaftsrechts. Frankfurt a. M. 1960, Alfred Metzner. 146 S. Unrecht als System — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet. (BMG) 1952. 239 S. Unrecht als System, Bd. II — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet 1952 bis 1954. (BMG) 1955. 293 S. Eine englische, eine französische und eine spanische Ausgabe bringen die in Bd. I zusammengestellten Dokumente. Unrecht als System, Bd. III — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet 1954 bis 1958. (BMG) 1958. 284 S. Unrecht als System, Bd. IV … 1958 bis 1961 (BMG) 1962. 291 S. : „Recht in Ost und West — Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme“, hrsg. von der Vereinigung Freiheitlicher Juristen, Berlin, Verlag A. W. Hayn's Erben. Erscheint zweimonatlich seit 1957. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 350–357 Rechtsstudium A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Regierung und VerwaltungSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 [S. 350] 1. Die „sozialistische“ Rechtsauffassung und die Aufgabe der Rechtsprechung Die Rechtsauffassung in der SBZ ist die des Marxismus-Leninismus, also die aus der Lehre vom dialektischen und historischen Materialismus abgeleitete Auffassung vom Wesen des Rechts. Danach kann das Recht nur als eine von verschiedenen gesellschaftlichen Erscheinungen im Bereich des über der ökonomischen Basis…
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Erdölindustrie (1965)
Siehe auch die Jahre 1966 1969 1975 1979 Mangels eigener Erdölvorkommen gab es bis Mitte 1964 keine entwickelte Erdölverarbeitungsindustrie. Bis dahin wurde in nur mäßigem Umfange importiertes Erdöl in eigenen Werken zu Kraftstoffen und Schmierölen verarbeitet. Im übrigen basierte die Chemische Industrie einschl. der Kraftstofferzeugung auf der Veredelung reichlich vorhandener Braunkohlen (Energiewirtschaft). Der steigende Energiebedarf der Zonenindustrie ist aber auf die Dauer nicht durch die kostspielige Erschließung neuer Braunkohlenbergbaue gewährleistet. Hinzu kommt, daß sich im Weltmaßstab rasch eine im Vergleich zur Braunkohlenchemie sehr viel rationellere Petrochemie entwickelte. Die SBZ konnte sich von dieser Entwicklung nicht ausschließen. Der Beschluß, die Erdölindustrie auszubauen und einen eigenen Industriezweig der Petrochemie aufzubauen, geht bereits auf den V. Parteitag der SED (1958) zurück. Damals wurde mit der SU der Anschluß der SBZ an die geplante Erdölleitung vom Uralgebiet bis in die sowjetischen Satellitenländer vereinbart. 1960 begann in Schwedt (Oder) der Aufbau eines großen Erdölverarbeitungswerkes. Der Plan, bereits 1963 die Kraftstoffproduktion aufzunehmen, konnte nicht ausgeführt werden. Erst ab Juni 1964 begann die Probeanlage täglich etwa 1.000~t Roh-Destillat zu liefern, das zur Weiterverarbeitung an das Leunawerk und das Schmierstoffwerk Lützkendorf geht. Die Erdölleitung bis Schwedt war im Febr. 1964 fertiggestellt worden. Das Erdölverarbeitungswerk Schwedt soll in seiner ersten Ausbaustufe, die frühestens 1966 betriebsfertig sein wird, jährlich 4 Mill.~t. Erdöl zu Kraftstoffen verarbeiten können, wobei eine Reihe von Nebenprodukten (Heizöl, Schmieröl, Bitumen usw.) anfallen. „Nach 1970“ soll das Werk Schwedt auf eine Durchsatzkapazität von 8 Mill.~t ausgebaut werden. Der Aufbau des petrochemischen Verarbeitungszweiges in Schwedt soll frühestens 1968/69 beginnen. [S. 115]Von 1965–1975 wird die Erdölindustrie der SBZ eine Durchsatzkapazität von rd. 40~t im Jahr je Kopf der Bevölkerung erreichen. Die E. in der BRD jedoch verarbeitete im Jahre 1963 bereits rd. 800~t Erdöl je Kopf der Bevölkerung. Diese Zahlen zeigen, daß an ein Aufholen der SBZ auf diesem Gebiete überhaupt nicht zu denken ist und daß die auf dem VI. Parteitag der SED angekündigte „Chemisierung der Volkswirtschaft“ eine leere Propagandaparole ist. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 114–115 Erbschaftsteuer A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ErfassungSiehe auch die Jahre 1966 1969 1975 1979 Mangels eigener Erdölvorkommen gab es bis Mitte 1964 keine entwickelte Erdölverarbeitungsindustrie. Bis dahin wurde in nur mäßigem Umfange importiertes Erdöl in eigenen Werken zu Kraftstoffen und Schmierölen verarbeitet. Im übrigen basierte die Chemische Industrie einschl. der Kraftstofferzeugung auf der Veredelung reichlich vorhandener Braunkohlen (Energiewirtschaft). Der steigende Energiebedarf der Zonenindustrie ist aber auf die Dauer nicht…
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Parteipresse der SED (1965)
Siehe auch: Parteipresse: 1953 1954 Parteipresse der SED: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Sie umfaßt folgende Tageszeitungen: das Zentralorgan der SED, „Neues Deutschland“, 15 Bezirkszeitungen (Organe der Bezirksleitungen der SED mit Lokalteilen für jeden Kreis), „Tribüne“ des FDGB und „Junge Welt“ der FDJ. Zur P. zählen das Wochenblatt „Neue Deutsche Bauernzeitung“, die Kreiszeitungen und die Betriebszeitungen. Nach Lenins Worten „die schärfste Waffe unserer Partei“, gilt als „operatives Organ der Parteileitung“ (Resolution der Pressekonferenz des Parteivorst. der SED vom 9. und 10. 2. 1950). Als „Presse neuen Typus“ lehnt sie den „verfluchten Nur-Journalismus“ (d.h. Berufsjournalismus) ab, will vielmehr „die werktätigen Massen erziehen, ihr politisches Bewußtsein heben, sie zum revolutionären Handeln führen“ („Neuer Weg“, 3/51, S. 19). Form und Inhalt der P. sind ausschließlich nach diesen Gesichtspunkten gestaltet. Alle Redaktionen haben die gleiche Struktur. Die wichtigsten Ressorts sind Parteileben (d.h. Anleitung der Parteimitgl.) und Propaganda (Vermittlung der marxistisch-leninistischen „Wissenschaft“). Die redaktionelle Gestaltung richtet sich nach dem Zentralorgan „Neues Deutschland“ und den Weisungen der Abt. Agitation und Propaganda des ZK der SED. Jede Veröffentlichung in der P., gleichgültig, wer als Verfasser zeichnet, gilt als offizielle Verlautbarung. Die lokale und betriebliche Berichterstattung liegt vornehmlich bei den Volkskorrespondenten. Der Bezug der P. ist für Parteimitglieder Pflicht; sie muß jedoch als amtliches Mitteilungsblatt und aus Mangel an anderen Zeitungen von weiten Kreisen der übrigen Bevölkerung ebenfalls bezogen werden. Auflagenhöhe: „Neues Deutschland“ und die Bezirkszeitungen haben eine tägliche Auflage von etwa 4,2 Mill., das Wochenblatt „Neue Deutsche Bauernzeitung“ und die Kreiszeitungen eine Auflagenhöhe von 1, 3 Mill., die Betriebszeitungen eine Gesamtauflage von 1,4 Mill. Den Klagen über die Eintönigkeit der P. wird mit dem Hinweis begegnet: „Nichts ist interessanter, kühner, lebendiger, kritischer und schärfer als die konsequente Anwendung der marxistisch-leninistischen Publizistik“ (Hermann ➝Axen auf der Pressekonferenz des Parteivorst. der SED am 9. und 10. 2. 1950). Das Vorbild der P. ist die sowjet. Presse. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 318 Parteiorganisatoren A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Parteischulen der SEDSiehe auch: Parteipresse: 1953 1954 Parteipresse der SED: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Sie umfaßt folgende Tageszeitungen: das Zentralorgan der SED, „Neues Deutschland“, 15 Bezirkszeitungen (Organe der Bezirksleitungen der SED mit Lokalteilen für jeden Kreis), „Tribüne“ des FDGB und „Junge Welt“ der FDJ. Zur P. zählen das Wochenblatt „Neue Deutsche Bauernzeitung“, die Kreiszeitungen und die Betriebszeitungen. Nach Lenins Worten „die schärfste Waffe unserer…
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Weltbund der Demokratischen Jugend (1965)
Siehe auch: Weltbund der Demokratischen Jugend: 1966 1969 Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ): 1975 1979 1985 Entstand am 10. 11. 1945 in London auf einer Weltkonferenz von Jugendverbänden. Der WBDJ. behauptet, als überparteiliche antifaschistische Organisation für Frieden, Meinungsfreiheit, für die Rechte und die Wohlfahrt der Jugend zu kämpfen. Dadurch ließen sich in den ersten Jahren mehrere nicht-kommun. Jugendverbände täuschen. Doch bis 1950 verließen sie fast sämtlich den WBDJ., als sie erkannt hatten, daß er als getarnter Kampfund Propagandahelfer des Weltbolschewismus eine Tarnorganisation ist. — Im „Kongreß“ (dem etwa alle 3 Jahre tagenden Parlament des WBDJ.) und im „Rat“ (dem großen Ausschuß des Kongresses) sind offen auftretende Kommunisten noch in der Minderheit, doch im 60köpfigen Büro (Exekutivkomitee) des Rates und im Sekretariat des WBDJ. (Sitz Budapest) haben sie die Mehrheit. Präsident: Rodolfo Mechini (ein italienischer Kommunist), Generalsekr.: Claude Gatignon (Mitgl. des Zentralsekr. der Kommun. Jugend Frankreichs). Der WBDJ. soll 1962 mehr als 101 Mill. Einzelmitglieder gezählt haben. — Die FDJ gehört dem WBDJ. seit 21. 8. 1948 an. Der WBDJ. ist (so betont „Junge Welt“, 2. 3. 1960) „für alle Jugendorganisationen offen, die seine Grundsätze und das Programm anerkennen oder auch nur einem Punkt desselben zustimmen“. Es gibt folglich Mitglieder im WBDJ., die das Programm voll anerkennen und verwirklichen, weitere Mitglieder, die nur einem Punkt des Programms zustimmen (Sport- oder Kulturorganisationen), und andere, die das Programm anerkennen und sich beteiligen, gleichzeitig aber noch Mitglied der nichtkommun. „WAY“ (World Assembly of Youth = Weltjugendvereinigung) sind. Der WBDJ. zieht die angeblich überparteilichen Weltjugendfestspiele (Festival) auf. — Er arbeitet mit Aktionseinheits-Formeln und setzt Pazifistenverbände aller Art für die Machtpolitik der SU. ein. Auch sucht er durch antikolonialistische Agitations-Feldzüge von dem neuen Kolonial- Imperialismus der SU abzulenken. — Die Einspannung des WBDJ. für die sowjet. Machtpolitik zeigte sich im Herbst 1956: Damals unterdrückte die kommun. Funktionärs-Bürokratie des WBDJ. jede Kritik an dem mörderischen Vorgehen der Sowjettruppen gegen den Befreiungskampf des ungarischen Volkes. Seit 1959 vertritt der WBDJ. die Forderungen der SED zur Deutschland- und Berlin-Frage. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 473 Weiz, Herbert A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Weltfestspiele der JugendSiehe auch: Weltbund der Demokratischen Jugend: 1966 1969 Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ): 1975 1979 1985 Entstand am 10. 11. 1945 in London auf einer Weltkonferenz von Jugendverbänden. Der WBDJ. behauptet, als überparteiliche antifaschistische Organisation für Frieden, Meinungsfreiheit, für die Rechte und die Wohlfahrt der Jugend zu kämpfen. Dadurch ließen sich in den ersten Jahren mehrere nicht-kommun. Jugendverbände täuschen. Doch bis 1950 verließen sie fast sämtlich…
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Strafvollzug (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Auf Grund einer VO vom 16. 11. 1950 (GBl. S. 1165) ist der St. auf das Ministerium des Innern, also auf die Polizei, übergegangen. Bis zum 1. 1. 1956 wurden die Angelegenheiten des St. u. der Strafvollstreckung unter Aufsicht des Präsidiums der Volkspolizei von den Bezirksbehörden der VP bearbeitet. Seitdem ist die Hauptverwaltung St. mit den Bezirksverwaltungen unmittelbar dem Ministerium des Innern unterstellt. Leiter des gesamten St. ist der Gen.-Major Mayer. Durch die 1. DB. vom 23. 12. 1950 (MinBl. S.~215) zur VO vom 16. 11. 1950 wurden die größeren Strafanstalten, durch die 2. DB. vom 5. 5. 1952 (MinBl. S. 47) alle restlichen Justizhaftanstalten, Justizjugendhäuser u. Haftkrankenhäuser dem Ministerium des Innern unterstellt. Damit trat der bisher im St. vertretene Erziehungsgedanke völlig in den Hintergrund. Einen praktischen Unterschied im St. zwischen Zuchthaus- u. Gefängnisstrafe gibt es nicht mehr. Die Aufsicht über die Durchführung des St. ist der Staatsanwaltschaft übertragen (§ 27 ff. StA Ges. vom 17. 4. 1963 — GBl. I, S. 57), die überwachen soll, daß „a) die Umerziehung der Strafgefangenen auf der Grundlage kollektiver, gesellschaftlich nützlicher Arbeit und politisch-kultureller Einwirkung erfolgt; b) die für arbeitende Strafgefangene festgelegte Regelung der Arbeitszeit, des Arbeitsschutzes, der Entlohnung und der Freizeit strikt eingehalten wird; c) die gesetzlichen Bestimmungen des Gesundheitsschutzes eingehalten werden“ (§ 30 StAGes.). Arreststrafen und sonstige Disziplinarmaßnahmen sind von den mit der Aufsicht über den St. beauftragten Staatsanwälten („Haftstaatsanwälte“) zu überprüfen. Beschwerden und Gesuche von Strafgefangenen sind innerhalb von zwei Wochen nach Eingang bei der Staatsanwaltschaft zu beantworten. Durch die Übertragung des St. auf die Polizei wurde angestrebt, die Arbeitskraft der Gefangenen in möglichst großem Umfange auszubeuten, so vor allem in Haftarbeitslagern. Durch die „VO über den Arbeitseinsatz von Strafgefangenen“ vom 10. 6. 1954 (GBl. S. 567) wurde „das Ministerium des Innern ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Generalstaatsanwalt der DDR, dem Ministerium der Justiz, dem Ministerium der Finanzen den Arbeitseinsatz von Strafgefangenen in eigener Zuständigkeit neu zu regeln“. Damit hat die Volkspolizei — das Referat „Produktion“ in den Bezirksverwaltungen St. — eine Generalvollmacht zur Festsetzung der Arbeitsbedingungen für Strafgefangene u. der Vergünstigungen erhalten. Die nach dem Staatsanwaltschaftsgesetz (§ 28) erforderliche Zustimmung des Generalstaatsanwalts zu Anweisungen des Ministeriums des Innern zur Durchführung des St. wird stets erteilt. Mit dem Erlaß über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4. 4. 1963 (GBl. I, S. 21) ordnete der Staatsrat eine Umorganisierung des St. an, für die die notwendigen Voraussetzungen bis zum 1. 1. 1964 zu schaffen waren. Seitdem gibt es drei verschiedene Vollzugsarten (Kategorie I–III), die sich durch die Ordnungs- und Disziplinarbestimmungen, die Formen der Organisation und der Art der Arbeit sowie die politisch-kulturelle Erziehung unterscheiden. In die schwerste Kategorie kommen „Staatsfeinde“ und Rückfalltäter mit über 3 Jahren und sonstige Verurteilte mit mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe, in die Kategorie II „Staatsfeinde“ und Rückfalltäter mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren und andere Verurteilte mit Strafen von 2–5 Jahren, in die Kategorie III Strafgefangene, die nicht wegen „feindlicher Einstellung“ oder wegen einer Rückfallstraftat zu Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren verurteilt sind. Strafgefangene können bei einwandfreier Führung u. guten Arbeitsleistungen in eine leichtere Kategorie, bei negativer Einstellung und schlechter Arbeit in eine schwerere Kategorie überwiesen werden. Seit Sommer 1955 wurde nach und nach in den großen Strafanstalten die Regelung eingeführt, daß die Gefangenen keine Lebensmittelpakete von ihren Angehörigen mehr erhalten durften. Es durfte den Gefangenen zunächst aber noch Geld geschickt werden, für das sie sich in den HO-Verkaufsstellen in den Strafanstalten die dort vorhandenen Lebens- u. Genußmittel kaufen konnten. Seit Frühjahr 1956 ist auch diese zusätzliche Hilfe nicht mehr erlaubt. Bei guter Führung u. Erfüllung der Arbeitsnorm kann dem [S. 425]Gefangenen gestattet werden, zum Geburtstag ein Lebensmittelpaket von seinen Angehörigen zu empfangen. In einigen Strafanstalten wurde im Sommer und Herbst 1962 den Gefangenen der Empfang eines zusätzlichen Paketes mit Obst gestattet. Zu Weihnachten darf (und soll!) der Gefangene ein Geschenkpäckchen an seine Angehörigen schicken, während er selbst zu diesem Fest grundsätzlich kein Paket erhalten darf. Obwohl die „VO über Kosten im Strafverfahren“ vom 15. 3. 1956 (GBl. S. 273) ausdrücklich vorschreibt, daß Kosten, die beim Vollzug einer Freiheitsstrafe entstehen (Haftkosten), nicht mehr erhoben werden, werden den arbeitenden Gefangenen sehr erhebliche Abzüge vom Arbeitslohn für „Unterkunft, Verpflegung und Bewachung“ gemacht, die bis zu 75 v. H. des Arbeitslohnes erreichen. (Rechtswesen) Literaturangaben Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., überarb. Aufl. (BB) 1959. 206 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 424–425 Strafvollstreckung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z StralsundSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Auf Grund einer VO vom 16. 11. 1950 (GBl. S. 1165) ist der St. auf das Ministerium des Innern, also auf die Polizei, übergegangen. Bis zum 1. 1. 1956 wurden die Angelegenheiten des St. u. der Strafvollstreckung unter Aufsicht des Präsidiums der Volkspolizei von den Bezirksbehörden der VP bearbeitet. Seitdem ist die Hauptverwaltung St. mit den Bezirksverwaltungen unmittelbar dem Ministerium des Innern…
DDR A-Z 1965
Ministerium für Gesundheitswesen (1965)
Siehe auch: Ministerium für Gesundheits- und Sozialwesen: 1960 Ministerium für Gesundheitswesen: 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Aus der „Zentralverwaltung Gesundheitswesen“ (seit 1945) ging, mit kurzer Übergangsphase einer „Hauptverwaltung Gesundheitswesen“ (DWK), 1949 das „Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen“ hervor. Minister war Luitpold ➝Steidle. 1950 wurden die Ressorts getrennt, das Sozialwesen dem Ministerium für Arbeit (und Berufsausbildung) zugeschlagen, das MfG. verselbständigt. Im Zuge der Reform der Wirtschaftsverwaltung gingen die Aufgaben der Arbeitspolitik, des Arbeitsrechts (mitsamt Recht der Sozialversicherung) und des Arbeitsschutzes an das Komitee für Arbeit und Löhne über, während die Sozialfürsorge an das MfG. zurückgelangte. Programmatische Bedeutung darf der Zusammenfassung nicht zugeschrieben werden; bei den Räten der Kreise und Städte sind Funktionen der kommunalen Selbstverwaltung schon seit 1956 den „Ständigen Kommissionen für Gesundheitswesen und Sozialfürsorge“ übertragen. Das M. hat außer den zentralen Abt. für Kader, Planung, Haushalt und Wirtschaft die Hauptabt. „Heilwesen“, „Mutter und Kind“, „Wissenschaft und Forschung“ sowie „Hygiene-Inspektion“, „Hauptverw. Pharmazie und Medizin-Technik“ und schließlich „Sozialfürsorge“. Außerhalb seiner Kompetenz und damit seiner direkten Einwirkung in jeder Hinsicht, auch in gesundheitlichen Grundfragen, entzogen sind die „Medizinischen Dienste“ der Nationalen Volksarmee, des Ministeriums für Staatssicherheit und des Verkehrswesens (Hygiene-Inspektion). Ähnlich seit Sept. 1963 der „Sportärztliche Dienst“ als „nachgeordnete Einrichtung“ des Komitee für Körperkultur und Sport; hier steht dem M. nur noch ein Mitwirkungsrecht zu (Sportarzt) — Statut vom 27. 10. 1960. — Minister für Gesundheitswesen ist seit Dezember 1958 Max ➝Sefrin (CDU), Staatssekretär: nicht besetzt; Stellv. des Ministers Prof. Dr Walter Friedeberger und Dr. Michael Gehring (beide SED). (Gesundheitswesen) Literaturangaben Weiss, Wilhelm: Das Gesundheitswesen in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw., von Erwin Jahn völlig umgearb. Aufl. (BB) 1957. Teil I (Text) 98 S., Teil II (Anlagen) 189 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 292 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Ministerium für KulturSiehe auch: Ministerium für Gesundheits- und Sozialwesen: 1960 Ministerium für Gesundheitswesen: 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Aus der „Zentralverwaltung Gesundheitswesen“ (seit 1945) ging, mit kurzer Übergangsphase einer „Hauptverwaltung Gesundheitswesen“ (DWK), 1949 das „Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen“ hervor. Minister war Luitpold ➝Steidle. 1950 wurden die Ressorts getrennt, das Sozialwesen dem Ministerium für Arbeit (und Berufsausbildung) zugeschlagen, das…
DDR A-Z 1965
Kulturpolitik (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 [S. 243] 1. Ideologische Voraussetzungen und allgemeine Tendenz Auf der ideologischen Grundlage der These Stalins von der „aktiven Rolle“ des Überbaues (Marxismus-Leninismus, Stalinismus) wird die Kultur als in allen ihren Bereichen manipulierbar verstanden. Manipuliert wird sie in der SBZ im Sinne der bolschewistischen ➝Parteilichkeit („Es gibt bei uns … nur eine K.: die unserer geliebten, mächtigen Partei der Arbeiterklasse, der SED“; Johannes R. ➝Becher zur Vorbereitung der Kulturkonferenz der SED von 1957) und der Liquidation der geistigen Traditionen der „westlichen“, bürgerlichen Welt. Der Bruch der Ideologie, der durch die oben erwähnte These Stalins manifest gemacht wurde, begründet jedoch eine eigentümliche Doppelfunktion der Kultur: zum einen als Gut, das man erwerben oder „erstürmen“ kann („Ohne die Erstürmung der Höhen der Kultur kann die Arbeiterklasse ihre großen Aufgaben, den Sozialismus zum Sieg zu führen, nur schwer erfüllen“ — Walter ➝Ulbricht im Mai 1959), zum anderen als Instrument des Kampfes „gegen die kannibalischen Lehren der imperialistischen Kriegshetzer“ oder als Antriebskraft für die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Erfüllung der Pläne und den wirtschaftlichen Wettstreit mit der westlichen Welt. Auf dem III. Parteitag der SED, 1951, wurde proklamiert, jeder Versuch, feindliche Ideologien objektivistisch (Objektivismus) darzustellen, bedeute eine Hilfe für diese Ideologien. „Darum ist es die entscheidende kulturpolitische Aufgabe, einen radikalen Umschwung auf allen Gebieten des kulturellen Lebens zu erzielen und mit der Lauheit und dem Versöhnlertum unerbittlich Schluß zu machen.“ In den folgenden Jahren, insbesondere nach der Proklamation des Neuen Kurses, schien zeitweilig eine liberalere K. Platz zu greifen, aber schon mit der „Programmerklärung über den Aufbau einer Volkskultur in der DDR“ Bechers vom 13. 10. 1954 wurden unter Einbeziehung des Nationalen ➝Kulturerbes im wesentlichen die bisherigen Ziele neu formuliert und dabei zugleich der Anspruch auf alleinige Repräsentation der deutschen Kultur durch die „DDR“ proklamiert. Ebenso erklärte Alexander ➝Abusch auf der Kulturkonferenz der SED im Okt. 1957, „daß unsere Kultur in der DDR die höchste Form der Kultur für das Volk ist, die es in Deutschland gegeben hat“. („Neues Deutschland“, 24. 10. 1957.) Diese „höchste Form der Kultur für das Volk wird seit dem V. Parteitag der SED (1958) als „sozialistische Nationalkultur“ proklamiert; Ulbricht zitierte auf dem VI. Parteitag (Januar 1963) die drei Grundsätze der kommun. K., mit denen die „sozialistische Nationalkultur“ verwirklicht worden soll: „1. die Aufforderung an die Arbeiterklasse, die Höhen der Kultur zu erstürmen, das heißt als Hauptkraft der Gesellschaft ihre führende Rolle auch im geistig-kulturellen Bereich wahrzunehmen; 2. die Aufforderung an die Schriftsteller, sich mit dem neuen Leben fest zu verbinden, und an die Werktätigen nach künstlerischer Betätigung; 3. die Aufforderung an die Regierung und an alle Bürger, die Voraussetzungen für den Weg zur gebildeten Nation zu schaffen“ („Neues Deutschland“, 16./17. 1. 1963). 2. Etappen der Sowjetisierung des Kulturlebens Die kulturpolitischen Konzeptionen der KP/SED wurden in einem langjährigen und noch andauernden Prozeß durchgesetzt, dessen Etappen etwa folgendermaßen bezeichnet werden können: 1. Besetzung der Schlüsselpositionen der Kultur-Institutionen mit Kommunisten. 2. Gleichschaltung der „bürgerlichen“ Parteien und Liquidierung aller nichtkommun. Tendenzen auf kulturpolitischem Gebiet. 3. Fesselung der bürgerlichen „Intelligenz“ und der Kulturschaffenden an das Regime durch Druck und Privilegien. 4. Systematische Maßnahmen zum Aufbau einer neuen „Intelligenz“-Schicht. 5. Verlagerung des „Kulturkonsums“ in die Betriebe und Massenorganisationen. 6. Isolierung der „Kulturschaffenden“ gegen den geistigen Austausch mit der freien Welt, soweit er nicht den Zwecken des Regimes und seiner Planwirtschaft dient (kultureller Austausch). Massiver Einsatz der „Staatsmacht“ zur Durchsetzung des Diamat und des Prinzips der bolschewistischen Parteilichkeit an den Schulen und Hochschulen und in der Erwachsenenbildung, des sozialistischen Realismus in Kunst und Literatur, des Atheismus und der sozialistischen ➝Moral gegen Christentum und „bürgerlich“-[S. 244]westlichen Humanismus (realer ➝Humanismus). Diese letzte Phase hatte 1957 eingesetzt und war „dialektisch“ als die Antwort des Ulbricht-Regimes auf Tendenzen zur Entwicklung eines „humanen“ Sozialismus zu verstehen, die im Gefolge der Entstalinisierung und der Ereignisse des Jahres 1956 in Polen und Ungarn auch in der SBZ aufgetreten waren. Als eine neue Etappe dieses Prozesses, die etwa mit dem Beginn des Siebenjahrplans eingeleitet wurde, könnte man die völlige Integrierung ( = Einebnung) der „Intelligenz“-Berufe und der Kulturschaffenden in die Arbeiterklasse bezeichnen. Die Polytechnisierung des gesamten Erziehungswesens (Polytechnische Erziehung) dient u.a. auch diesem Zweck, aber nicht nur Schüler, Studenten und Lehrer, sondern auch Wissenschaftler, Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Musiker und Schauspieler werden angehalten, „in die Betriebe zu gehen“ und sich nach Möglichkeit Brigaden der sozialistischen Arbeit einzugliedern. Sie sollen nicht nur das Verständnis der „Werktätigen“ für ihr Schaffen oder Anregungen für dieses gewinnen, sondern in den „Werktätigen“ ihre neuen Auftraggeber sehen und sich ihnen zur Kritik ihrer Arbeit stellen. Während einerseits der Künstler für den Verzicht auf „einzelne eigenbrötlerische Gewohnheiten … reich entschädigt“ werden soll „durch eine vollere Entfaltung seiner schöpferischen Persönlichkeit“ und „die sozialistische Gemeinschaftsarbeit … auch im künstlerischen Schaffen der Schlüssel für die Lösungen der Aufgaben des Siebenjahrplanes“ sein soll (Staatssekretär Erich ➝Wendt auf der Kulturkonferenz 1960 des ZK der SED), soll andererseits nachhaltig geförderte laienkünstlerische Arbeit (Laienkunst) durch Entwicklung „junger Talente“ die Grenzen zwischen beruflichem und laienhaftem Kunstschaffen (und damit auch zwischen Talent und Dilettantismus) verwischen, wenn nicht aufheben. Die „Einheit von polytechnischer und ästhetischer Erziehung“ wird zwar mit der Absicht der „Hebung des kulturellen Niveaus“ propagiert, doch führt das gekoppelte Bemühen, die Künstler an die Werkbank zu stellen, die Arbeiter dagegen an den Schreibtisch zu setzen (Schreibende ➝Arbeiter), notwendigerweise zur Nivellierung des Kunstschaffens. 3. „Erstürmung der Höhen der Kultur“ Die „Erstürmung der Höhen der Kultur“ setzt aber auch die Bildung einer neuen kulturtragenden Schicht voraus, die u.a. mit folgenden Maßnahmen betrieben wird: Beseitigung des alten „Bildungsmonopols“ durch ein die sog. Proletarierkinder begünstigendes Zulassungs- und Stipendiensystem (Erziehungswesen) und durch die Überwachung der „gesellschaftlichen Aktivität“ der Bewerber, die in der FDJ, in der Gesellschaft für ➝Sport und Technik, neuerdings aber vor allem in den Betrieben (Praktisches Jahr, Betriebspraktikum) zu beweisen ist; Zugang zu den Hochschulen ohne Abitur (Schule, Hochschulen), scharfe ideologische Kontrolle bei der Zulassung und Förderung der Hochschüler, Sonderausbildung von „Werktätigen“ zu Neulehrern, Volksrichtern, Volksstaatsanwälten, Arzthelfern u.a.; Eröffnung von Möglichkeiten zur „Qualifizierung“ durch die Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Technische ➝Betriebsschulen, Betriebsakademien, Dorfakademien und durch das Fernstudium; „Entwicklung der schöpferischen Talente im Volk“, Förderung der kulturellen Massenarbeit und der „Volkskunstbewegung“ (Laienkunst) als eines gedachten Reservoirs für den Nachwuchs an Dichtern, Musikern und Bühnenkünstlern; „Bewegung schreibender Arbeiter“ (Literatur). 4. Der Kulturapparat Bestimmt wird die K. von einer Kommission und den einschlägigen Abt. des ZK der SED, also von wenigen Spitzenfunktionären dieser Partei, die als „Partei neuen Typs“ die zuständigen Behörden (s.u.) über die in ihnen führenden SED-Genossen durch Parteiaufträge „anleitet“. Zuständig für K. war von 1957 bis 1963 die Kulturkommission unter dem Vorsitz von Alfred ➝Kurella; der VI. Parteitag bildete „zur Leitung und Koordinierung der Arbeit auf ideologischem Gebiet“ eine Ideologische Kommission beim Politbüro unter der Leitung von Kurt ➝Hager, die sich u. a. auch mit der „Entwicklung des einheitlichen Bildungssystems“ und „mit Fragen der Kultur, der kulturellen Institutionen und Organisationen“ [S. 245]zu befassen hat. Die K. hat damit im Apparat der SED einen sehr bezeichnenden Platz erhalten. Die straff zentralisierte Lenkung der K. liegt bei zwei Ministern und einem selbständigen Staatssekretariat. Das Ministerium für Volksbildung (Minister: Margot Honecker) ist zuständig für alle Schulgattungen, für die vorschulische Erziehung, die Berufsausbildung und die Erwachsenenbildung. Universitäten, Hochschulen und Fachschulen (mit Ausnahme einiger, die dem Ministerium für Verkehr zugeordnet sind) unterstehen dem selbständigen Staatssekretär für Hoch- und Fachschulwesen (Staatssekretär: Prof. Dr. Ernst-Joachim Gießmann). Für alle übrigen Bereiche der K. wurde iin Jan. 1954 das Ministerium für Kultur (Minister: Hans Bentzien) errichtet. Bei den Räten der Bezirke und der Kreise gibt es als Unterbau der Verwaltung auf dem Gebiet der Kultur und Volksbildung Abt. für Volksbildung, für Arbeit und Berufsausbildung, für Jugenderziehung bzw. Jugendfragen und (mit wechselnden Bezeichnungen) für Kultur, Kultur und Kunst, Kunst und kulturelle Massenarbeit. 5. Institutionen Daß es auf dem gesamten Gebiet des Erziehungswesens nur noch staatliche Institutionen gibt, bedarf kaum der Erwähnung; selbst die privaten Musiklehrer werden nach und nach von den Volksmusikschulen verdrängt werden. Aber auch in allen anderen Bereichen des Kulturlebens wird nichts dem Selbstlauf überlassen. Zur Anleitung und Kontrolle bedienen sich Partei und Regime vielfältiger Methoden und Institutionen; von den letzteren geben sich viele als freie Vereinigungen oder Berufsverbände, obschon sie in Wahrheit Instrumente des kulturpolitischen Dirigismus sind. Vor allem ist hier der Deutsche ➝Kulturbund zu nennen, der sich aus einem Diskussionsforum der Intelligenz zum Steuerungsorgan des Ministeriums und der SED entwickelt hat. Die Grundlagenforschung, vor allem soweit sie von Bedeutung für den wirtschaftlichen Aufbau, aber im übrigen weniger politisch relevant ist, wurde noch bis in die jüngste Zeit möglichst ungestört gelassen, aber in einer Reihe von Instituten zentralisiert; die Forschungsaufgaben werden neuerdings durch den Deutschen ➝Forschungsrat zentral zugewiesen. Auch in der Deutschen ➝Akademie der Wissenschaften wird „gesellschaftswissenschaftlichen“ und planwirtschaftlich bedeutsamen Aufgaben immer mehr Raum gegeben; es entstanden ferner neue, mehr oder weniger wissenschaftliche ➝Akademien und Institute, durchweg dazu bestimmt, den „radikalen Umschwung“ auf allen Gebieten der Kultur durchzusetzen. Alle Theater, fast alle Lichtspieltheater und die gesamte Filmproduktion (Filmwesen) sind verstaatlicht, und als Konzertveranstalter kommen neben staatlichen nur die Institutionen der kulturellen Massenarbeit in Betracht. Das Vermittlungswesen auf dem Gebiete der Musik, des Kabaretts usw. wurde in der Deutschen ➝Künstler-Agentur und den ihr unterstellten Konzert- und Gastspieldirektionen monopolisiert, und ein zentraler, von der SED kontrollierter Bühnennachweis lenkt den „Einsatz“ der darstellenden Künstler. Alle größeren Buchverlage (Verlagswesen) sind ebenfalls verstaatlicht; die gesamte Buchproduktion wird von einer Abteilung des Ministeriums für Kultur angeleitet und kontrolliert. 6. Zur Lage der „Kulturschaffenden“ Der im Kunstleben einst wichtige private Auftraggeber ist durch Enteignung nahezu völlig ausgefallen, so daß auch die Freischaffenden (freie Schriftsteller, freie Wissenschaftler, bildende Künstler, Musiker, Architekten) auf den sog. „neuen Auftraggeber werktätiges Volk“, d.h. das SED-Regime, angewiesen sind. Damit ist die materielle Existenz der Freischaffenden an ihre Bereitwilligkeit gebunden, öffentliche Aufträge im gewünschten Sinne zu erfüllen. Der „Auftraggeber Volk“ wird zwar gern zu „Produktionsberatungen“ mit Schriftstellern und Künstlern und zur Kritik ihrer Werke mobilisiert, hat aber nur im Sinne der Parteilinie zu entscheiden; allenfalls kann er kulturelle Darbietungen, Theaterstücke, Filme usw. durch Fernbleiben von den Veranstaltungen ablehnen. Diesem [S. 246]System der Reglementierung standen und stehen teilweise noch erhebliche Anreize für solche „Kulturschaffenden“ gegenüber, die im Sinne der Partei arbeiten. Zu erwähnen sind Steuerermäßigungen, bevorzugte Wohnraumbeschaffung, Kredite für Eigenheime, Reisemöglichkeiten, Vorteile bei der Ausbildung der Kinder, vorzugsweise Altersversorgung; ferner Preise und Ehrentitel (z. B. Verdienter ➝Lehrer des Volkes, Verdienter ➝Arzt des Volkes; weitere Auszeichnungen zum Teil verbunden mit Geldzuwendungen (Nationalpreis) und Renten (Intelligenz). 7. Die Lenkung des „Kulturkonsums“ Zu alledem kommt noch die Lenkung des „Kulturkonsums“ der „Letztverbraucher“. Der Kulturkonsum geht in den Formen eines in die Betriebe verlagerten und eines „freien“, außerhalb der Betriebe sich abspielenden Angebots an Kulturgütern (also Presse, Rundfunk, Vorträge, Theater-, Musik- und Filmveranstaltungen, Literatur) vor sich. Das besondere Interesse des Regimes gilt der Betriebskultur. Die stark geförderte kulturelle Massenarbeit wendet sich an die Betriebsbelegschaften, besonders der „volkseigenen“ Betriebe, der „sozialistischen Dörfer“ und an die werktätige Jugend. Sie ist weitgehend Agitation und Propaganda; ihre Hauptformen sind: 1. direkte Aufklärung (Schulung, laufende Agitationseinsätze zu aktuellen staats- und wirtschaftspolitischen Fragen, kollektive Presselektüre, Wandzeitung, Betriebsfunk); 2. ein ausgebreitetes Vortrags- und Unterrichtswesen zur „fachlichen Weiterqualifikation“, das jetzt meist von den Betriebsakademien oder Dorfakademien getragen und durch die Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse gesteuert wird; 3. künstlerische Programme mit gemischt agitatorisch-unterhaltendem Charakter (Kabarett, Estrade); 4. künstlerische Betätigung von Laien in Chorgruppen, Theaterspielgruppen, Musikgruppen, Literaturgruppen usw., die auch stark von agitatorischen Tendenzen beherrscht ist (Agitprop-Gruppen). Dabei werden Programm, Texte und Regie-Personal sowohl innerbetrieblich wie auch durch außerbetriebliche Stellen von Partei und Regime angeleitet und überwacht, so daß der echte Spielwille der Laien kaum zu seinem Recht kommt; „reine Kunst“ wird selten, allenfalls noch in Form klassischer Musik geboten. Zur „Betriebskultur“ gehört ferner der organisierte Besuch „fortschrittlicher“, vor allem sowjet. Theater- und Filmstücke. Zur kulturellen Massenarbeit gehören aber auch die Pflege von Steckenpferden, das Spiel (z. B. Schach) und der Sport. Im Zeichen der Totalplanung und völliger Unterordnung unter politische Zwecke führt die K. der SBZ offenbar zur Sterilisierung des Geistesschaffens; Autoren von Rang und Namen produzieren in der „Kunstatmosphäre der SED“ überhaupt nichts mehr oder weit unter ihrem einstigen Niveau; vielgepriesene und -diskutierte Erzeugnisse neuer Autoren finden und verdienen außerhalb der prätendierten „sozialistischen Nationalkultur“ nur als deren Dokumente Interesse; Ansätze eines neuen, schöpferischen Hervorbringens sind nicht erkennbar und unter unveränderten Bedingungen auch nicht zu erwarten. Literaturangaben Köhler, Hans: Zur geistigen und seelischen Situation der Menschen in der Sowjetzone. 2., erg. Aufl. (BB) 1954. 46 S. Chronologische Materialien zur Geschichte der SED 1945 bis 1956. Berlin 1956, Informationsbüro West. 637 S. Balluseck, Lothar von: Kultura, Kunst und Literatur in der sowjetischen Besatzungszone (Rote Weißbücher 7). Köln 1952, Kiepenheuer und Witsch. 133 S. Balluseck, Lothar von: Dichter im Dienst — der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur. 2., erw. Aufl., Wiesbaden 1963, Limes-Verlag. 288 S. m. zahlr. Abb. Balluseck, Lothar von: Zur Lage der bildenden Kunst in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1953. 130 S., 15 Abb. u. 18 Anlagen. Balluseck, Lothar von: Volks- und Laienkunst in der sowjetischen Besatzungszone. (Einführung von Hans Köhler) (BB) 1953. 92 S. m. 17 Anlagen. *: Bibliotheken als Opfer und Werkzeug der Sowjetisierung. Zur Lage des Büchereiwesens in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1952. 71 S. Kersten, Heinz: Das Filmwesen in der Sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1962. Teil I (Text) 405 S. m. 43 Abb. u. 9 Tab., Teil II (Anlagen) 164 S. Lange, Max Gustav: Wissenschaft im totalitären Staat. Die Wissenschaft der sowjetischen Besatzungszone auf dem Weg zum „Stalinismus“, m. Vorw. v. Otto Stammer (Schr. d. Inst. f. pol. Wissenschaft, Berlin, Bd. 5). Stuttgart 1955, Ring-Verlag. 295 S. Möbus, Gerhard: Bolschewistische Parteilichkeit als Leitmotiv der sowjetischen Kulturpolitik. Dokumente der Diktatur. (BB) 1951. 32 S. Weber, Jochen: Das Theater in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1955. 144 S. m. 20 Anlagen. Dübel, Siegfried: Die Situation der Jugend im kommunistischen Herrschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 2., erw. Aufl. (BB) 1960. 115 S. Lange, Max Gustav: Totalitäre Erziehung — Das Erziehungssystem der Sowjetzone Deutschlands. Mit einer Einl. v. A. R. L. Gurland (Schr. d. Inst. f. pol. Wissenschaft, Berlin, Bd. 3). Frankfurt a. M. 1954, Verlag Frankfurter Hefte. 432 S. Wendt, Emil: Die Entwicklung der Lehrerbildung in der sowjetischen Besatzungszone seit 1945. 2., erg. Aufl. (BB) 1959. 131 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 243–246 Kulturorganisator A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z KulturräumeSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 [S. 243] 1. Ideologische Voraussetzungen und allgemeine Tendenz Auf der ideologischen Grundlage der These Stalins von der „aktiven Rolle“ des Überbaues (Marxismus-Leninismus, Stalinismus) wird die Kultur als in allen ihren Bereichen manipulierbar verstanden. Manipuliert wird sie in der SBZ im Sinne der bolschewistischen ➝Parteilichkeit („Es gibt bei uns … nur eine K.: die unserer geliebten,…
DDR A-Z 1965
Selbstverwaltung (1965)
Siehe auch die Jahre 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Nach den im Herbst 1946 durchgeführten Gemeinde-, Landtags- und Kreistagswahlen traten in den Ländern der SBZ Verfassungen, Kreis- und Gemeindeordnungen in Kraft, in denen das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände auf S. ausdrücklich bestätigt wird. An dieser Rechtslage wurde in der Verfassung der „DDR“ nichts geändert (Art. 139, 142). Inzwischen waren aber ohne eine ausdrückliche Änderung der gesetzlichen Grundlagen bereits Maßnahmen zur Einschränkung des Rechtes der S. getroffen worden. Die VO über „Kommunalwirtschaftliche Unternehmen“ vom 24. 11. 1948 und die Energiewirtschaftsverordnung vom 22. 6. 1949 (ZVOB1. S. 472) entzogen den Gemeinden bereits weitgehend die wirtschaftlichen Grundlagen. Immerhin konnte bis zum Gesetz über die „Reform des öffentlichen Haushaltswesens“ vom 15. 12. 1950 (Staatshaushalt) noch von einer formalen S. gesprochen werden. Mit diesem Gesetz wurde der einheitliche Staatshaushalt der „DDR“ eingeführt. Nachdem auch die für die gemeindliche Finanzwirtschaft ausschlaggebende Gewerbesteuer und Lohn[S. 387]summensteuer durch § 13 des Gesetzes über den Staatshaushaltsplan 1951 vom 13. 4. 1947 (GBl. S. 283) auf die Republik übertragen worden waren, stand fest, daß die Gemeinden ihre Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr erfüllen konnten. Diese Entwicklung wurde durch die Verwaltungsneugliederung im Sommer 1952 weitergetrieben. Durch die „Ordnungen für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke und Kreise“ vom 24. 7. 1952 (GBl. S. 621 und 623) sowie durch die „Ordnung über den Aufbau und die Aufgaben der Stadtverordnetenversammlungen und ihrer Organe in den Stadtkreisen“ vom 8. 1. 1953 (GBl. S. 53) wurden die Landesverfassungen und die Kreisordnungen praktisch außer Kraft gesetzt. Nach diesen Ordnungen waren die bisherigen Organe der Gebietskörperschaften nur noch Organe der Staatsgewalt in den betreffenden Gebieten. Träger von Rechten war nicht mehr die Verbandseinheit, sondern das jeweilige staatliche Verwaltungsorgan in diesem Gebiet, der örtliche Rat, dem als Haushaltsorgan die Eigenschaft einer juristischen Person zugesprochen wurde. Durch das „Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht“ vom 17. 1. 1957 (GBl. S. 65) wurden die bis dahin noch gültigen Gemeindeordnungen aufgehoben. Nach § 5 beruht der Aufbau der Organe der Staatsmacht auf dem Prinzip des demokratischen Zentralismus. Die Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, die Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates sowie die Beschlüsse des Ministerrates und der höheren Volksvertretungen sind für die unteren Volksvertretungen und ihre Organe verbindlich. Die örtlichen Räte sind außerdem an die Weisungen des jeweils höheren Rates gebunden. Eingefügt in ein einheitliches System von Über- und Unterordnungen der Volksvertretungen und einer Weisungsbefugnis des Ministerrates und der jeweils höheren Verwaltungsorgane haben die unteren Organe lediglich die Möglichkeit, die örtlichen Gegebenheiten in gewisser Weise bei der Ausführung der erhaltenen Weisungen zu berücksichtigen. Die in den am 28. 6. 1961 vom Staatsrat beschlossenen „Ordnungen über die Aufgaben und die Arbeitsweise der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe“ (Gemeinde) den örtlichen Volksvertretungen und ihren Organen übertragenen Aufgaben dürfen nur im Rahmen der von oben gegebenen Weisungen durchgeführt werden. Jede auf diesen Gebieten getroffene Entscheidung kann durch die Verfügung höherer Dienststellen aufgehoben werden. Auch mit den neuen Arbeitsordnungen wird also nicht wieder ein rechtlich geschützter eigener Wirkungskreis der Gemeinden und Gemeindeverbände festgelegt. Die einheitliche Ausrichtung der örtlichen Verwaltungsdienststellen wurde bis 1964 durch den ersten Stellv. des Vors. des Ministerrates gewährleistet und kontrolliert. Seit dem 4. 6. 1964 wird diese Funktion durch das neugebildete „Ministerium für die Anleitung und Kontrolle der Bezirks- und Kreisräte“ (Minister: Kurt ➝Seibt) ausgeübt. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 386–387 Selbstverpflichtung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z SenftenbergSiehe auch die Jahre 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Nach den im Herbst 1946 durchgeführten Gemeinde-, Landtags- und Kreistagswahlen traten in den Ländern der SBZ Verfassungen, Kreis- und Gemeindeordnungen in Kraft, in denen das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände auf S. ausdrücklich bestätigt wird. An dieser Rechtslage wurde in der Verfassung der „DDR“ nichts geändert (Art. 139, 142). Inzwischen waren aber ohne eine ausdrückliche Änderung der gesetzlichen Grundlagen bereits…
DDR A-Z 1965
Handwerksteuer (1965)
Siehe auch: Handwerkssteuer: 1953 1954 1975 1979 1985 Handwerksteuer: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Die ab 1. 1. 1950 eingeführte H. wurde durch Gesetz vom 12. 8. 1958 (GBl. I, S. 262) neu geregelt. Handwerker mit höchstens drei Beschäftigten haben danach die H. A, Handwerker mit vier oder mehr Beschäftigten die H. B zu entrichten. Mit der Erhebung der H. entfallen: Einkommensteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer. Die auf Grundstücke und Grundstücksteile entfallende Vermögensteuer wird jedoch erhoben. Das mit der H.~A belegte Handwerk zahlt auch keine Umsatzsteuer. Besteuerungsgrundlagen bei der H. A: Alle Handwerker zahlen einen H.-Grundbetrag, Handwerker mit Beschäftigten den H.-Zuschlag nach der Jahresbruttolohnsumme, einzelne Handwerker außerdem einen Zuschlag nach dem Materialeinsatz. Handwerker mit Einzelhandelstätigkeit werden mit der Handelssteuer nach dem Rohgewinn belegt. Besteuerungsgrundlage für die H. B sind Umsatz und Gewinn. Diese Neuregelung sollte zum Eintritt in die Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) anreizen. Da die PGH angeblich „einen solchen Stand ihrer Entwicklung und Festigung erreicht“ haben, müssen sie ab 1963 eine Umsatz- und eine progressive Gewinnsteuer zahlen. Die Gewinnsteuer soll nach dem Gewinn pro Mitglied berechnet werden, um größere PGH nicht zu benachteiligen. Gewinne bis zu 500 Mark im Jahr sind steuerfrei; die Steuer beginnt bei einem Gewinn von 501 Mark mit 2 v. H. und steigt bis auf 45 v. H. bei 6.000 Mark Jahresgewinn. Während der ersten beiden Jahre nach der Neugründung sind die PGH steuerfrei. Für die anteilige Gewinnausschüttung zahlen die Mitglieder weiterhin einen Steuersatz von 10 v. H. Während die von den Mitgliedern und Beschäftigten erhobene Lohnsteuer für Grundleistungs- und Zeitvergütungen unverändert blieb, wurde sie für Mehrleistungsvergütungen erhöht. Bis zu einer Normübererfüllung von 125 v. H. wird von der Mehrleistungsvergütung der bisherige Steuersatz von 5 v. H., bei Normübererfüllung ab 126 v. H. = 2~v. H. bis 20~v. H. bei einer Normübererfüllung von 180 v. H. erhoben. Diese Progression ist in den niedrigen Normen begründet, die sich die PGH bisher setzten. Hohe Übererfüllung niedriger Normen wird nunmehr reizlos. (Steuern) Literaturangaben Frenkel, Erdmann: Steuerpolitik und Steuerrecht in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1953. 124 S. m. 11 Anlagen. Kitsche, Adalbert: Die öffentlichen Finanzen im Wirtschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BMG) 1954. 68 S. m. 1 Anlage. Kitsche, Adalbert: Das Steuersystem in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Gelsenkirchen 1960, Buersche Druckerei Dr. Neufang. 187 S. m. zahlr. Tab. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 178 Handwerkskammern A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Hans-Beimler-MedailleSiehe auch: Handwerkssteuer: 1953 1954 1975 1979 1985 Handwerksteuer: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Die ab 1. 1. 1950 eingeführte H. wurde durch Gesetz vom 12. 8. 1958 (GBl. I, S. 262) neu geregelt. Handwerker mit höchstens drei Beschäftigten haben danach die H. A, Handwerker mit vier oder mehr Beschäftigten die H. B zu entrichten. Mit der Erhebung der H. entfallen: Einkommensteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer. Die auf Grundstücke und Grundstücksteile entfallende…
DDR A-Z 1965
Zweig, Arnold (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 * 10. 11. 1887 in Glogau als Sohn eines Sattlermeisters, Gymnasium, Studium der Rechtswiss., Philosophie und Literaturgeschichte u. a. in Breslau, Berlin. Lebte als Schriftsteller in Starnberg und Berlin. 1915 Kleist-Preis. 1933 Emigration in die Schweiz, nach Frankreich und dann nach Palästina. Kehrte auf Veranlassung Bechers 1948 nach Deutschland zurück. Seit 1949 Abg. der Volkskammer und Vizepräsident des Kulturbundes, von 1950–1952 Präsident, später Vizepräsident seit 1957 Ehrenpräsident der Deutschen ➝Akademie der Künste in Ost-Berlin. Seit 1952 Präsident des PEN-Zentrums Ost und West. Mitgl. des Weltfriedensrates, Vors. des Deutschen Komitees der Kämpfer für den Frieden. 1950 Nationalpreis. 1953 Lenin-„Friedenspreis“. Dr. h.c. Z. wurde bekannt durch die „Novellen um Claudia“ (1912), ein Romanwerk von höchster psychologischer Sensibilität. Als großer Erzähler erwies er sich in dem weitausholenden gesellschaftskritischen Romanzyklus über den 1. Weltkrieg „Der große Krieg der weißen Männer“ („Der Streit um den Sergeanten Grischa“, 1928; „Junge Frau von 1914“, 1931; „Erziehung vor Verdun“, 1935; „Einsetzung eines Königs“, 1937). Die nach Übersiedlung in die SBZ geschriebenen Bände des Zyklus zeigen ein Nachlassen der dichterischen Kraft („Die Feuerpause“, 1954; „Die Zeit ist reif“, 1956). Die kommun. Gegenwart hat Z. nicht gestaltet. Auf dem Kulturbundkongreß 1954 nahm er gegen die Unterdrückung der geistigen Freiheit in der SBZ Stellung. Ein Film nach seinem Roman über die NS-Zeit „Das Beil von Wandsbek“ (1947) wurde 1951 verboten. Theaterstücke: „Ritualmord in Ungarn“ (1914), „Bonaparte in Jaffa“ (1949) u.a. Zahlreiche Erzählungen und Essays. Literaturangaben Balluseck, Lothar von: Dichter im Dienst — der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur. 2., erw. Aufl., Wiesbaden 1963, Limes-Verlag. 288 S. m. zahlr. Abb. Rühle, Jürgen: Literatur und Revolution. Die Schriftsteller und der Kommunismus. Köln 1960, Kiepenheuer und Witsch. 576 S., 72 Abb. Rühle, Jürgen: Die Schriftsteller und der Kommunismus in Deutschland (Auszüge aus „Literatur und Revolution“ und „Das gefesselte Theater“ nebst Beitr. von Sabine Brandt). Köln 1960, Kiepenheuer und Witsch. 272 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 500 Die biographischen Angaben spiegeln den Kenntnisstand der Handbuchredaktion im Jahre 1965 wider. Sie sind daher für allgemeine Informationszwecke als veraltet anzusehen und zudem häufig nicht fehlerfrei. Für diesen Eintrag wird auf den Personeneintrag in der Rubrik BioLeX www.kommunismusgeschichte.de/article/detail/zweig-arnold verwiesen. Zwangsvollstreckung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ZweijahrplanSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 * 10. 11. 1887 in Glogau als Sohn eines Sattlermeisters, Gymnasium, Studium der Rechtswiss., Philosophie und Literaturgeschichte u. a. in Breslau, Berlin. Lebte als Schriftsteller in Starnberg und Berlin. 1915 Kleist-Preis. 1933 Emigration in die Schweiz, nach Frankreich und dann nach Palästina. Kehrte auf Veranlassung Bechers 1948 nach Deutschland zurück. Seit 1949 Abg. der Volkskammer und Vizepräsident des Kulturbundes,…
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Kriminalität (1965)
Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Nach Auffassung des Marxismus-Leninismus beruht die K. nicht auf der Natur des Menschen, sondern auf den gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie ist keine unausweichliche Gesetzmäßigkeit der menschlichen Existenz, sondern ist der gesellschaftlichen Entwicklung unterworfen, in deren Endphase des Kommunismus die K. überwunden sein werde. In der sozialistischen Gesellschaft brauche niemand zum Verbrecher zu werden. „Eine solche Entwicklung, die das Verbrechen aus dem Leben der Gesellschaft systematisch ausschaltet, kann es in der bürgerlichen Klassengesellschaft nicht geben. Hier erzeugen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse immer wieder das Verbrechen“ („Beschluß des Staatsrates der DDR über die weitere Entwicklung der Rechtspflege“ vom 30. 1. 1961, GBl. 1961, 1., S. 3). In der „DDR“ habe sich „die sozialistische Gesellschaftsordnung ständig gefestigt und in steigendem Maße die Reste des egoistischen menschenfeindlichen Denkens und Handelns aus der kapitalistischen Gesellschaft überwunden und neue sozialistische Beziehungen der Menschen untereinander entwickelt“. Dadurch werde der Begehung von Verbrechen und Vergehen immer mehr der Boden entzogen und die „bewußte Einhaltung der — sozialistischen Gesetzlichkeit gewährleistet“ („Beschluß des Staatsrates der DDR über die Gewährung von Straferlaß durch Gnadenerweis“ vom 1. 10. 1960, GBl. I, S. 533; Amnestie). Die Entwicklung der K. wird also als Gradmesser des Standes der sozialistischen Umwälzung betrachtet. Das Zonenregime macht deshalb große Anstrengungen, die K. zu überwinden und ihre Ursachen zu beseitigen. Ungeachtet der Tatsache, daß diese Bemühungen bisher nicht besonders erfolgreich waren, sprach die SED-Propaganda von einer ständigen Abnahme der K. Gegenüber 1946 soll die K. bis 1960 auf 27,7~v. H. zurückgegangen sein und um mehr als 50 v. H. geringer sein als jemals in Deutschland seit 1882. Die K.-Statistik muß mit allen Vorbehalten betrachtet werden, die grundsätzlich gegenüber Ergebnissen sowjetzonaler Statistiken angebracht sind. Die Zahlen sollen nicht objektiv informieren, sondern die These der SED beweisen, daß die sozialistische Gesellschaftsordnung dem kapitalistischen Staatswesen überlegen ist. Um so bemerkenswerter ist es, daß sich das Zonenregime genötigt gesehen hat, sowohl für 1961 als auch für 1962 eine Zunahme der festgestellten Straftaten um insgesamt 18 v. H. zuzugeben. Die in der Statistik angegebene Kriminalitätsziffer (Straftaten je 100.000 der Bevölkerung) ist von 806 im Jahre 1960 über 867 (1961) auf 950 für 1962 gestiegen. Damit ist fast wieder der für 1957 mit 967 Straftaten je 100.000 der Bevölkerung angegebene Stand erreicht. Noch stärker ist der Anstieg der rein kriminellen Delikte. Er beträgt gegenüber 1960 etwa 28 v. H. Das im Sommer 1964 erschienene „Jahrbuch der DDR 1964“ enthält im Gegensatz zu den früheren Angaben keine neuen statistischen Zahlen über die K. des Vorjahres. Aus einem Aufsatz des Justizministers Hilde ➝Benjamin ist jedoch zu ersehen, daß die K. auch 1963 — wenn auch nur geringfügig — um weitere 0,7~v. H. zugenommen hat. Die K. hat damit 71,2~v. H. des Standes vom Jahre 1950 erreicht. Das Eingeständnis, daß die K. nach Errichtung der Mauer so erheblich stieg, ist der SED besonders schwergefallen, zumal doch in der kommun. Propaganda stets behauptet wurde, der „Frontstadtsumpf West-Berlin“ sei die wichtigste Ursache für die K. in der „DDR“. Nachdem diese negative Einwirkung auf die Bevölkerung der SBZ durch die Sperrmaßnahmen des 13. 8. 1960 weitgehend ausgeschaltet war, gab 1962 der Generalstaatsanwalt Josef ➝Streit wiederum die Mauer als Grund für das Anwachsen der K. an. Nach Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls könnten sich kriminelle Elemente nicht mehr durch die Flucht entziehen. Außerdem sei die Tätigkeit der Untersuchungsorgane dadurch verbessert worden, daß jetzt alle Anzeigen aufgenommen und in der Statistik als Strafsachen gezählt würden. Diese Erklärung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Methoden der sowjetzonalen K.-Statistik. Aus ihr ergibt sich, daß bisher die Volkspolizei die Statistik falsch geführt hat und daß Straftaten von Personen, die nach der Tat flüchteten, nicht in die Statistik der festgestellten Straftaten aufgenommen wurden. Die Erklärung des Leiters der sowjetzonalen Staatsanwaltschaft, also der Behörde, die die K.-Statistik führt, ist aber nur eines von vielen Anzeichen dafür, daß diese Statistik nicht [S. 239]den wirklichen Stand der K. in der SBZ wiedergibt. In der BRD betrug im Jahre 1962 die K.-Ziffer 3.699, also etwa das Vierfache der für die SBZ angegebenen Zahl von 950. Dieses Verhältnis der K.-Ziffern wird zwar von der SED-Propaganda als ein Beweis für die Überlegenheit der Gesellschaftsordnung der „DDR“ herausgestellt, gibt aber keinen zuverlässigen Vergleich der K. in beiden Teilen Deutschlands. Dieses Verhältnis ändert sich im übrigen schon wesentlich, wenn man die Verkehrsdelikte ausklammert, die in der BRD 1961 etwa 43 v. H., in der SBZ dagegen infolge des wesentlich geringeren Verkehrs (Kraftverkehr) nur etwa 9 v. H. (1962) aller Straftaten ausmachen. Das Fortbestehen der K. unter sozialistischen Lebensverhältnissen wird neuerdings in völliger Abkehr von der bisher von allen sowjetzonalen Strafrechtlern einhellig vertretenen Auffassung vom Wesen der K. damit erklärt, daß zwischen antagonistischen und nichtantagonistischen Widersprüchen unterschieden wird. Danach sollen die auf dem Klassenantagonismus beruhenden Verbrechen „in der DDR keine sozialökonomische Basis“ mehr haben. Ihre Ursache liege in der „subversiven Tätigkeit des untergehenden imperialistischen Systems in Westdeutschland und der NATO gegen den siegreichen sozialistischen Aufbau in der DDR“ (Neue Justiz 1962, S. 213). Von diesen „klassenfeindlichen Verbrechen“ müsse die große Mehrzahl der in der „DDR“ begangenen Gesetzesverletzungen unterschieden werden, die „nicht auf einer feindlichen Einstellung gegen den Arbeiter- und Bauernstaat“ beruhe. „Diese Verbrechen und Vergehen haben ihre Wurzel in den Überresten der alten Denk- und Lebensgewohnheiten der Menschen, dem ‚geistigen‘ Erbe des Kapitalismus. Das heißt, sie gehen auf Ursachen zurück die im nichtantagonistischen Widerspruch zwischen dem zurückgebliebenen Bewußtsein mancher Menschen und der sozialistischen Wirklichkeit zu suchen sind“ (Neue Justiz, a.a.O.) (Strafpolitik, Gesellschaftsgefährlichkeit, Gesellschaftliche Gerichte). „Ursachen der K. sind unter den Bedingungen des entfalteten sozialistischen Aufbaus ein Komplex von gesellschaftlichen und individuellen Erscheinungen materieller, ideologischer, individuell-bewußtseinsmäßiger Natur, die dem Wesen des Sozialismus fremd sind und kraft des eignen Widerspruchs Personen zur Begehung von Straftaten bestimmen“ (Neue Justiz 1964, S. 301). Als solche die K. in der SBZ hervorrufenden Ursachen gelten weiterhin negative Einwirkungen aus Westdeutschland und West-Berlin, und zwar sollen vor allem „imperialistische Rundfunk- und Fernsehstationen, eingeschleuste Literatur, Zeitschriften, aber auch Briefe und Pakete“ die Entwicklung ungünstig beeinflussen. Auch Rückkehrern und Umsiedlern, die durch längeren Aufenthalt in Westdeutschland noch mit „ausgeprägt individualistischen Ansichten und Gewohnheiten behaftet sind“, Wird ein negativer Einfluß auf die K. zugeschrieben. Nach statistischen Feststellungen soll 1962 die K. unter den Umsiedlern das Vierfache des SBZ-Durchschnitts betragen und damit fast die K. in der BRD erreicht haben. Besonders besorgt ist die Sowjetzonenjustiz über das Ansteigen der unter der Einwirkung von Alkohol begangenen Straftaten. Der Alkoholismus gilt neuerdings als eine der Hauptursachen der K. Über die Jugend-K. werden kaum Zahlen veröffentlicht. Wie sich aus einzelnen Berichten ergibt, ist sie wesentlich höher als die Erwachsenen-K. Auf 100.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren entfielen 1960 1.648 jugendliche Täter strafbarer Handlungen. Für die Altersgruppe von 18 bis 21 Jahren ist die Zahl der Straffälligen mit 1936 angegeben. Die negative Beeinflussung aus West-Berlin und Westdeutschland wurde besonders für die hohe Jugend-K. verantwortlich gemacht. So sollen 80 bis 85 v. H. der gestrauchelten Jugendlichen westliche Literatur (Schund- und Schmutzliteratur) gelesen und 90 v. H. West-Berliner Kinoveranstaltungen besucht haben. Diese schädlichen Einflüsse hätten besonders das Rowdytum zur Folge. Die Notwendigkeit der Absperrungsmaßnahmen in Berlin ist auch damit begründet worden, diese schädlichen Einflüsse der „Frontstadt West-Berlin“ auf die Bevölkerung der „DDR“, insbesondere die Jugend auszuschalten. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 238–239 Kriegsverbrecherprozesse A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z KriseSiehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Nach Auffassung des Marxismus-Leninismus beruht die K. nicht auf der Natur des Menschen, sondern auf den gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie ist keine unausweichliche Gesetzmäßigkeit der menschlichen Existenz, sondern ist der gesellschaftlichen Entwicklung unterworfen, in deren Endphase des Kommunismus die K. überwunden sein werde. In der sozialistischen Gesellschaft brauche niemand zum Verbrecher zu werden. „Eine solche…
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Arbeitszeit (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Nach § 40 des Gesetzbuches der Arbeit betrug die A. 8 Stunden, für Jugendliche von 16 bis 18 Jahren 7½ und für Jugendliche von 14 bis 16 Jahren 7~Stunden täglich. Durch Gesetz vom 19. 1. 1957 (GBl.~I, S. 73) wurde in den VEB sowie im Verkehrs- und Nachrichtenwesen die A. auf 45 Stunden durch Verringerung der täglichen A. um ½ Stunde verkürzt. Nach § 87 des Gesetzbuches der Arbeit wird die A. entsprechend dem Stand der Arbeitsproduktivität im Volkswirtschaftsplan festgelegt. Die Verkürzung der A. wird von der Steigerung der Arbeitsproduktivität abhängig gemacht. Jedem Werktätigen ist in der Woche grundsätzlich nur ein arbeitsfreier Tag zu gewähren (§ 72 Abs. 2). Ein freier Sonnabend wird also nicht gewährt, so daß die A.-verkürzung von der Arbeiterschaft nicht als Vorteil empfunden wird. Überstunden müssen von der Gewerkschaft genehmigt werden, mehr als 120 Überstunden im Jahr dürfen nicht geleistet werden. Diese Bestimmung wird jedoch vielfach mißachtet, da wegen der ungleichmäßigen Belieferung mit Material insbesondere an Quartalsenden mehr gearbeitet werden muß, um das Produktionssoll zu erfüllen. Die A.-Verkürzung wird ferner sehr oft dadurch aufgehoben, daß die Produktionsberatungen außerhalb der A. stattfinden und „freiwillige“ Sonderschichten für das Nationale Aufbauwerk zu leisten sind. Für Überstundenarbeit wird ein Zuschlag in Höhe von 25 v. H. des Tariflohns, also nicht des Effektivlohns, gezahlt. Literaturangaben Haas, Gerhard, und Alfred Leutwein: Die rechtliche und soziale Lage der Arbeitnehmer in der sowjetischen Besatzungszone. 5., erw. Aufl. (BB) 1959. Teil I (Text) 264 S., Teil II (Anlagen) 162 S. Mampel, Siegfried, und Karl Hauck: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S. Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S. Mampel, Siegfried: Beiträge zum Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (BMG) 1963. 135 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 36 Arbeitsverpflichtung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ArchitekturSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Nach § 40 des Gesetzbuches der Arbeit betrug die A. 8 Stunden, für Jugendliche von 16 bis 18 Jahren 7½ und für Jugendliche von 14 bis 16 Jahren 7~Stunden täglich. Durch Gesetz vom 19. 1. 1957 (GBl.~I, S. 73) wurde in den VEB sowie im Verkehrs- und Nachrichtenwesen die A. auf 45 Stunden durch Verringerung der täglichen A. um ½ Stunde verkürzt. Nach § 87 des Gesetzbuches der Arbeit wird die A. entsprechend dem Stand der…
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Jugendweihe (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Pseudosakraler, atheistischer Festakt, mit dem alle Jugendlichen beim Verlassen der Schule in das „aktive gesellschaftliche Leben“ aufgenommen werden sollen. Der Akt wird durch Jugendstunden vorbereitet, in denen die Jugendlichen im Geiste der Parteilich[S. 207]keit in die pseudo-wissenschaftliche materialistische Weltanschauung des Bolschewismus eingeführt werden. Ihr Themenplan stützt sich vorwiegend auf sowjet. Literatur; aus ihm und aus den Anweisungen für die Leiter geht der atheistische Charakter der Jugendstunden eindeutig hervor. Bei der J. verpflichten die Jugendlichen sich durch ein förmliches Gelöbnis, ihre „ganze Kraft für die große und edle Sache des Sozialismus einzusetzen“ und „mit dem Sowjetvolk und allen friedliebenden Menschen der Welt den Frieden zu sichern und zu verteidigen“ (Frieden). Die Veranstaltungen werden von Ausschüssen getragen, in denen die SED vorherrscht, und von „Betriebsaktivs (Aktiv) für J.“ unterstützt. Die J. soll freiwillig und mit den Kirchenpflichten (Konfirmation, Kommunion) vereinbar sein. Tatsächlich verstehen maßgebliche sowjetzonale Kommentare die J. als eine Verpflichtung auf die materialistische Weltanschauung und den Atheismus, und die Teilnahme aller Kinder an den Jugendstunden und der J. wird durch massiven Druck (vor allem über die Volksbildungsabt. der Räte) erzwungen (vgl. Rede Ulbrichts in Sonneberg vom 29. 9. 1957); nach dem Jugendgesetz von 1962 (Jugend) ist die J. „ein fester Bestandteil der Vorbereitung der jungen Menschen auf das Leben und die Arbeit in der sozialistischen Gesellschaft“, und zumal in den Städten kann sich nur noch ein geringer Prozentsatz der Jugendlichen diesem Zwang entziehen. Eine vom zentralen Ausschuß für J. 1961 veröffentlichte Materialsammlung bezeichnet die J. als „wichtiges Element im System der sozialistischen Bildung und Erziehung“ und als „festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in unserem Arbeiter- und Bauernstaat“. Im Sinne der seit 1957 unverkennbaren Tendenz, das Weltanschauungsmonopol des kommun. geführten Regimes durchzusetzen („es gibt keine ideologische Koexistenz“), sollen die kirchlichen Feste und Amtshandlungen durch ein atheistisches Feierjahr und atheistische Weihehandlungen ersetzt und verdrängt werden. Bei den J.-Feiern erhalten die „Weihlinge“ seit 1954 (mit Ausnahme des Jahres 1957) meist ein „Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte von Natur und Gesellschaft“ mit dem Titel „Weltall, Erde, Mensch“, mit dem man das Weltbild der jungen Generation im Sinne des Historischen Materialismus zu bestimmen sucht. Seit 1956 wird die J. in das Familienstammbuch eingetragen. (Namensweihe, sozialistische ➝Eheschließung, sozialistisches ➝Begräbnis, Stalinstadter Dokument) Literaturangaben Jeremias, U.: Die Jugendweihe in der Sowjetzone. 2., erg. Aufl. (BMG) 1958. 120 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 206–207 Jugendstunden A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z JugendwerkhöfeSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Pseudosakraler, atheistischer Festakt, mit dem alle Jugendlichen beim Verlassen der Schule in das „aktive gesellschaftliche Leben“ aufgenommen werden sollen. Der Akt wird durch Jugendstunden vorbereitet, in denen die Jugendlichen im Geiste der Parteilich[S. 207]keit in die pseudo-wissenschaftliche materialistische Weltanschauung des Bolschewismus eingeführt werden. Ihr Themenplan stützt sich vorwiegend auf…
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1965: N, O, Ö
Nachrichtenpolitik Nachtrab Nachtsanatorium Nagel, Otto Namensweihe Nation Nationaldemokratie Nationale Bauernpolitik Nationale Frage Nationale Front Nationale Gedenkstätten Nationale Geschichtsbetrachtung Nationaleinkommen Nationaler Kompromiß Nationaler Verteidigungsrat der DDR Nationales Aufbauwerk Nationales Dokument Nationales Olympisches Komitee (NOK) Nationale Streitkräfte Nationale Volksarmee (NVA) Nationalhymne Nationalismus Nationalitätenpolitik Nationalkomitee Freies Deutschland Nationalkommunismus Nationalpreis Nationalrat Nationalsozialisten, Ehemalige Naturgemäße Viehhaltung Naturparke Naturschutz und Landschaftsgestaltung Naumburg NAW NDPD Neiße Neokolonialismus Neubauer Neubrandenburg Neubürger Neuerer Neuer Kurs Neues ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft Neue Technik Neukirchen, Heinz Neulehrer Neumann, Alfred 1909 Neumann, Alfred 1927 Neutralismus Neutralität NF NKFD NKWD Nomenklatursystem Norden, Albert Nord-Süd-Kanal Norm Notariat Notenbank, Deutsche (DNB) Nuschke, Otto NVA Oberbürgermeister Oberschulen Oberstes Gericht Objekt Objektivismus Objektlohn Ochsenköpfe Oder-Neiße-Linie Oelßner, Fred Offenstall Öffentlicher Dienst Öffentlicher Tadel Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen OG Ökonomie, Hochschule für Ökonomik Ökonomische Hauptaufgabe Ökonomische Konferenzen Ökonomisches Grundgesetz ÖLB Oma-Bewegung Operativ Operativoffizier Opportunismus Opposition OPW Ordnungsgruppen der FDJ Ordnungswidrigkeiten Organisations-Instrukteurabteilung Orientierungsziffern Örtliche Industrie Örtliche Landwirtschaftsbetriebe (ÖLB) Örtliche Organe der Staatsmacht Örtliche Räte Ostblock Ostseeküste Ostseewoche Ost-West-HandelNachrichtenpolitik Nachtrab Nachtsanatorium Nagel, Otto Namensweihe Nation Nationaldemokratie Nationale Bauernpolitik Nationale Frage Nationale Front Nationale Gedenkstätten Nationale Geschichtsbetrachtung Nationaleinkommen Nationaler Kompromiß Nationaler Verteidigungsrat der DDR Nationales Aufbauwerk Nationales Dokument Nationales Olympisches Komitee (NOK) Nationale Streitkräfte Nationale Volksarmee (NVA) Nationalhymne Nationalismus …
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Lohnpolitik (1965)
Siehe auch die Jahre 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Nach marxistischer Definition ist im Kapitalismus der Lohn „der [S. 266]Preis der Ware Arbeitskraft“, den der Unternehmer nach Einbehaltung des vom Arbeiter erzeugten „Mehr an Wert“ (Mehrwert) an den Arbeiter auszahlt; die Lohnarbeit gilt als ein Kennzeichen der Ausbeutung, als „Lohnsklaverei“. In der SBZ arbeiten die Arbeiter und Angestellten zwar auch gegen Lohn bzw. Gehalt, aber der Lohn soll hier — so wird von der SED-Propaganda behauptet — eine ganz andere Bedeutung als in westlichen Ländern haben. Der „Werktätige“ erhält auch hier nicht das volle von ihm erzeugte „Mehr an Wert“, dafür aber habe sich der Charakter der Arbeit gewandelt, weil es „keine Ausbeuter und keine Ausgebeuteten mehr gibt“. Der Lohn gilt entsprechend dem „Lehrbuch der Politischen Ökonomie“ (S. 603) als „der in Geld ausgedrückte Anteil des Werktätigen an dem Teil des gesellschaftlichen Produkts, der den Aufwand an notwendiger Arbeit ersetzt und an die Arbeiter und Angestellten in Übereinstimmung mit der Quantität und Qualität ihrer Arbeit vom Staat ausgezahlt wird“. Solche und ähnliche Erklärungen ändern nichts an der Tatsache, daß auch in der SBZ der Lohn das Maß für geleistete Arbeit ist und im Mittelpunkt aller Arbeitspolitik steht. Die wichtigsten Grundsätze der L. der SED sind: 1. Der Arbeitslohn ist ein wichtiger „Hebel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität“. (Die SED fordert daher Anwendung von Lohnformen, die die Arbeiter praktisch zu einer ständigen Erhöhung ihrer Arbeitsleistung zwingen.) 2. Die Lohnbemessung soll „der Verwirklichung des ökonomischen Gesetzes der Verteilung nach der Arbeitsleistung“ dienen. (Auf diesem Grundsatz beruhen die Rangfolgen der Lohntarife nach Industriezweigen und die Eingruppierung der Beschäftigten nach den Lohngruppen 1–8.) Zur Verwirklichung dieser Grundsätze ihrer L. hat die SED folgendes System der Lohnformen eingeführt: 1. Zeitlohn A. Einfacher Zeitlohn B. Prämienzeitlohn a) individueller b) kollektiver 2. Leistungsstücklohn A. Proportionaler Leistungsstücklohn a) individueller b) kollektiver c) indirekter A. Prämienstücklohn Erläuterungen. Einfacher Zeitlohn: Der Lohn wird nach dem Zeitgrundlohn (z. B. tarifl. Stundenlohn) und der Anwesenheitszeit bemessen. — Prämienzeitlohn: Verbindung des Zeitlohnes mit einem Prämiensystem (z. B. Prämien für Energie- und Materialeinsparungen, für Einhaltung von Qualitätsmerkmalen usw.). — Proportionaler Leistungsstücklohn: Für in der Regel nach Arbeitsnormen ausgeführte Arbeiten; lohnbestimmend sind der Leistungsgrundlohn (d. i. der tarifliche Zeitlohn zuzügl. eines Zuschlags von z. B. 5 v. H.) und der Erfüllungsgrad der Arbeitsnormen. Bei z. B. 10 v. H. Übererfüllung der Arbeitsnormen steigt auch der Lohn um 10 v. H. Prämienstücklohn: Verbindung des Leistungsstücklohnes mit einem Prämiensystem (z. B. für Senkung des Ausschusses und der Ausfallzeiten oder für Materialeinsparungen usw.). — Eine Abart des kollektiven Leistungsstücklohnes ist der Objektlohn. Dieses ausgeklügelte System von Lohnformen, das — in Verbindung mit den Sozialistischen ➝Wettbewerben — ausschließlich dazu dient, durch die Intensivierung der Leistungen jedes einzelnen Arbeitnehmers das Arbeitsergebnis ständig zu steigern, hatte ein unaufhörliches Zurückbleiben der Durchschnittslöhne hinter der Entwicklung der Arbeitsproduktivität zur Folge. Während die Produktivität je Arbeiterstunde in der Industrie zwischen 1955 und 1960 um 89 v. H. anstieg, erhöhte sich der Durchschnittslohn in der gleichen Zeit nur um 38 v. H. In der Bundesrepublik hingegen hat die Lohnentwicklung mit der Produktivitätsentwicklung im allgemeinen Schritt gehalten. Praktisch führte die L. der SED dazu, daß die Durchschnittslöhne der Arbeiter und Angestellten hinter der Entwicklung in der Bundesrepublik, und zwar in den letzten Jahren zunehmend, zurückblieben. Zur Beurteilung des Lebensstandards muß auf die geringere Kaufkraft der Löhne hingewiesen werden. Für leitende Angestellte (einschl. Werkmeister) ist die Entlohnung auf der Basis des sog. „Prämiengehaltes“ weitgehend eingeführt worden. Nur etwa 80 v. H. des Monatsgehaltes gelten dabei als garantiertes Gehalt, die restlichen 20 v. H. sind „an die Erfüllung von Leistungskennziffern gebunden“, d.h. sie werden nur im Verhältnis zur Erfüllung der Betriebspläne (Produktionsplan, Finanzplan usw.) ausgezahlt. In der amtlichen Richtlinie für das Neue ökonomische System der Planung und Leitung wird verfügt, daß künftig mehr noch als bisher „Lohn und Prämien als ökonomische Hebel der materiellen Interessiertheit wirksam“ sein sollen. Das Instrumentarium zur Verwirklichung dieser Forderung des SED-Regimes ist eine Vielzahl sog. „neuer Lohnformen“, die so ausgeklügelt sind, daß die Arbeiter empfindliche Lohneinbußen haben, wenn sie nicht ihr Arbeitstempo und ihre Arbeitsintensität wesentlich steigern. Bei allen diesen „neuen Lohnformen“ ist der Lohn aufgegliedert in einen Grundlohnteil und einen „leistungsgebundenen“ Teil. Der Grundlohn wird dabei stets niedriger angesetzt als der von den Arbeitern bisher erzielte Effektivlohn; der „leistungsgebundene“ Lohnteil wird nur ausgezahlt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu zählen auch Faktoren, auf die der einzelne Arbeiter überhaupt keinen Einfluß nehmen kann, z. B. die Erfüllung des betrieblichen Produktionsplanes, des Planes der Arbeitsproduktivität und des Planes der Selbstkostensenkung. Das bedeutet, daß ein Teil des Lohnes von dem Betriebsergebnis abhängig gemacht wird. Damit wird der einzelne Arbeiter haftbar gemacht für Mängel in der Planung und in der Leitung der Betriebe. [S. 267]Die neu eingeführten Lohnformen haben zu einer kaum noch zu überbietenden Lohnunsicherheit geführt. Literaturangaben Haas, Gerhard, und Alfred Leutwein: Die rechtliche und soziale Lage der Arbeitnehmer in der sowjetischen Besatzungszone. 5., erw. Aufl. (BB) 1959. Teil I (Text) 264 S., Teil II (Anlagen) 162 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 265–267 Lohngruppenkatalog A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z LohnsteuerSiehe auch die Jahre 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Nach marxistischer Definition ist im Kapitalismus der Lohn „der [S. 266]Preis der Ware Arbeitskraft“, den der Unternehmer nach Einbehaltung des vom Arbeiter erzeugten „Mehr an Wert“ (Mehrwert) an den Arbeiter auszahlt; die Lohnarbeit gilt als ein Kennzeichen der Ausbeutung, als „Lohnsklaverei“. In der SBZ arbeiten die Arbeiter und Angestellten zwar auch gegen Lohn bzw. Gehalt, aber der Lohn soll hier — so wird von der SED-Propaganda…
DDR A-Z 1965
Realismus (1965)
Siehe auch: Realismus: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 Realismus, sozialistischer: 1969 Sozialistischer Realismus: 1963 1966 1969 1975 1979 1. Gemäß der westlichen Tradition jene Weltanschauung und insbesondere Erkenntnislehre, die die Welt als etwas unabhängig vom menschlichen Bewußtsein Existierendes auffaßt (Gegensatz: Idealismus). Der Marxismus einschließlich seiner Weiterbildung durch Lenin (Marxismus-Leninismus) ist insofern eindeutiger R., obwohl man diesen Begriff nicht gern verwendet und statt seiner den enger gefaßten und sachlich fragwürdigen des Materialismus (Dialektischer Materialismus) gebraucht. 2. R. in der Kunst soviel wie „Wirklichkeitstreue“. Die kommun. Terminologie unterscheidet zwischen dem kritischen R., den man in den Werken bürgerlicher Künstler und Schriftsteller mit gesellschaftskritischem Inhalt (z. B. bei den Malern Menzel, Repin, den Schriftstellern Balzac, Tolstoi, Thomas Mann) zu finden glaubt, und dem sozialistischen R., der im Statut des Sowjet. Schriftstellerverbandes definiert wird als „wahrheitsgetreue, historisch-konkrete Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung“. D.h. die Künstler und Schriftsteller sollen die Wirklichkeit nicht darstellen, wie sie ist, sondern wie sie sich nach dem Wunsch der Partei entwickeln soll („Sozialistische Perspektive“). Der sozialistische R. übernimmt mit dieser Aufgabe eine propagandistische Funktion, ist also weder gesellschaftskritisch noch, wie es seinem Namen nach anzunehmen wäre, realistisch. Er ist überhaupt keine ästhetische, sondern eine politische Kategorie und mit verschiedenen Stilen vereinbar, vorausgesetzt, daß einige Grundprinzipien eingehalten werden wie Parteilichkeit, Volkstümlichkeit, Zeitnähe, Optimismus usw. Das ZK der SED forderte am 27. 10. 1955 von den Künstlern, sie sollten „unter Führung der Partei Erzieher der Massen sein und sie durch ihre auf der Grundlage des sozialistischen Realismus geschaffenen Werke zu höheren Leistungen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens begeistern“. Im Bericht des ZK an den VI. Parteitag der SED wird von den Künstlern wiederum „enge Verbindung mit dem Leben der Werktätigen und die Meisterung der Methode des sozialistischen R.“ gefordert, obwohl deren Anwendung „nicht ohne Widersprüche und theoretische Auseinandersetzungen“ vor sich gegangen sei. Als politische Kategorie erweitert oder verengt sich der Begriff des sozialistischen R. je nach dem Charakter des gerade herrschenden Kurses; der Stalinismus ließ der Kunst so gut wie keine, das Tauwetter etwas mehr Freiheit. (Bildende Kunst, Literatur, Theater) Literaturangaben Balluseck, Lothar von: Kultura, Kunst und Literatur in der sowjetischen Besatzungszone (Rote Weißbücher 7). Köln 1952, Kiepenheuer und Witsch. 133 S. Balluseck, Lothar von: Dichter im Dienst — der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur. 2., erw. Aufl., Wiesbaden 1963, Limes-Verlag. 288 S. m. zahlr. Abb. Balluseck, Lothar von: Zur Lage der bildenden Kunst in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1953. 130 S., 15 Abb. u. 18 Anlagen. Rühle, Jürgen: Das gefesselte Theater — vom Revolutionstheater zum sozialistischen Realismus. Köln 1957, Kiepenheuer und Witsch. 457 S. m. 16 Abb. Rühle, Jürgen: Literatur und Revolution. Die Schriftsteller und der Kommunismus. Köln 1960, Kiepenheuer und Witsch. 576 S., 72 Abb. Rühle, Jürgen: Die Schriftsteller und der Kommunismus in Deutschland (Auszüge aus „Literatur und Revolution“ und „Das gefesselte Theater“ nebst Beitr. von Sabine Brandt). Köln 1960, Kiepenheuer und Witsch. 272 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 345 Rau, Heinrich A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z RechenschaftslegungSiehe auch: Realismus: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 Realismus, sozialistischer: 1969 Sozialistischer Realismus: 1963 1966 1969 1975 1979 1. Gemäß der westlichen Tradition jene Weltanschauung und insbesondere Erkenntnislehre, die die Welt als etwas unabhängig vom menschlichen Bewußtsein Existierendes auffaßt (Gegensatz: Idealismus). Der Marxismus einschließlich seiner Weiterbildung durch Lenin (Marxismus-Leninismus) ist insofern eindeutiger R., obwohl man diesen…
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Luxemburg, Rosa (1965)
Siehe auch die Jahre 1962 1963 1966 * 5. 5. 1870 in Zamocs (Polen) als Tochter eines Kaufmanns, † 15. 1. 1919 in Berlin. L. schloß sich bereits als Schülerin der revolutionär-sozialistischen Bewegung an und mußte deshalb 1889 aus Polen fliehen. Studium der Natur- und Staatswissenschaften in Zürich. Zusammen mit Leo Jogisches Gründerin der Sozialdemokratischen Partei in Polen. 1896/97 Aufenthalt in Frankreich, danach Übersiedlung nach Deutschland, durch Scheinehe Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, Mitarbeiterin der sozialdemokratischen Presse, 1902 Chefredakteurin der „Leipziger Volkszeitung“. Nach Ausbruch der russischen Revolution im Dez. 1905 Rückkehr nach Polen, 1906 dort mehrere Monate in Schutzhaft, 1907 Lehrerin für Nationalökonomie an der Berliner Parteischule der SPD. Zusammen mit Karl ➝Liebknecht Repräsentantin des linken Flügels, im scharfen Gegensatz zum rechten Flügel, insbesondere zu den von Eduard Bernstein vertretenen Auffassungen (Revisionismus), revolutionäre Marxistin; trat in ihren Schriften für den Generalstreik als Auftakt der proletarischen Revolution ein und forderte, die SPD solle den Massenstreik „als spontane Bewegungsweise der proletarischen Masse“ und „Erscheinungsform des proletarischen Kampfes in der Revolution“ bejahen und propagieren. Entgegen der von Lenin und den Bolschewiki (KPdSU) vertretenen Auffassung, die Revolution müsse durch eine rev. Partei organisiert werden, war für L. die Spontaneität der Massen eine entscheidende Voraussetzung der Revolution. Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges zusammen mit Karl Liebknecht und Franz Mehring Herausgeberin der Zeitschrift „Die Internationale“. Von 1915 bis 1918 mit kurzer Unterbrechung als Kriegsgegnerin und revolutionäre Sozialistin in Berlin, der Festung Wronke und in Breslau inhaftiert. Zusammen mit Liebknecht Gründerin der KPD (31. 12. 1918), Verfasserin des Parteiprogrammes. Am 15. 1. 1919 von Soldaten der Gardeschützendivision mit Liebknecht in Berlin ermordet. Trotz ihrer Bewunderung für Lenin und die Bolschewiki äußerte sie sich kritisch über die Oktoberrevolution: „Freiheit … nur für die Anhänger einer Partei … ist keine Freiheit. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Der einzige Weg zur Wiedergeburt ist … uneingeschränkte, breiteste Demokratie …“ Wichtigste Schriften: „Sozialreform oder Revolution“ (1899), „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“ (1907), „Einführung in die Nationalökonomie“, „Die Akkumulation des Kapitals“ (1913 — wiss. Hauptwerk), „Die russische Revolution“ (1917). Am bekanntesten sind ihre „Briefe aus dem Gefängnis“. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 269 Die biographischen Angaben spiegeln den Kenntnisstand der Handbuchredaktion im Jahre 1965 wider. Sie sind daher für allgemeine Informationszwecke als veraltet anzusehen und zudem häufig nicht fehlerfrei. Für diesen Eintrag wird auf den Personeneintrag in der Rubrik BioLeX www.kommunismusgeschichte.de/article/detail/luxemburg-rosa verwiesen. Lukács, Georg (György) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z MagdeburgSiehe auch die Jahre 1962 1963 1966 * 5. 5. 1870 in Zamocs (Polen) als Tochter eines Kaufmanns, † 15. 1. 1919 in Berlin. L. schloß sich bereits als Schülerin der revolutionär-sozialistischen Bewegung an und mußte deshalb 1889 aus Polen fliehen. Studium der Natur- und Staatswissenschaften in Zürich. Zusammen mit Leo Jogisches Gründerin der Sozialdemokratischen Partei in Polen. 1896/97 Aufenthalt in Frankreich, danach Übersiedlung nach Deutschland, durch Scheinehe Erwerb der deutschen…
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Militärstrafrecht (1965)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Bis zum 31. 8. 1958 wurden Volkspolizisten oder Angehörige der Nationalen Volksarmee wegen aller strafbaren Handlungen einschließlich der rein militärischen Delikte durch die Militärstaatsanwaltschaft nach den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen angeklagt, wobei oft der Art. 6 der Verfassung (Boykotthetze) herangezogen wurde. Mit Inkrafttreten des Strafrechtsergänzungsgesetzes am 1. 2. 1958 hatte die SBZ ein materielles M. erhalten. Der dritte Teil dieses Gesetzes stellte „Verbrechen gegen die militärische Disziplin“ unter Strafe. Diese Strafbestimmungen wurden jedoch durch das zusammen mit dem Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht vom 24. 1. 1962 erlassene 2. Gesetz zur Ergänzung des StGB (Militärstrafgesetz) (GBl.~I, S. 25) aufgehoben und durch neue ersetzt. Zu den bisher schon bekannten Tatbeständen — Fahnenflucht, unerlaubte Entfernung, Befehlsverweigerung, Angriff auf Vorgesetzte, Mißbrauch der Dienstbefugnisse, Verletzung des Dienstgeheimnisses — ist eine Reihe neuer Straftatbestände getreten, u.a. Dienstentziehung und Dienstverweigerung, Feigheit vor dem Feinde, Verletzung des Beschwerderechts, Verletzung der Vorschriften über den Wachdienst, Gewaltanwendung und Plünderung im Kampfgebiet. Als neue Strafart wurde der Strafarrest eingeführt. Wegen Anstiftung und Beihilfe zu einer Militärstraftat kann auch bestraft werden, wer nicht zu den Militärpersonen zählt. Die Bestimmungen des M. gelten auch für solche Handlungen, die sich gegen die verbündeten Armeen richten. Der Strafrahmen des neuen Militärstrafgesetzes wurde gegenüber den Strafandrohungen des 1. Strafrechtsergänzungsgesetzes z. T. erheblich erweitert, z. B. für Fahnenflucht von Gefängnisstrafe auf Zuchthaus bis zu 8~Jahren, für unerlaubte Entfernung von Gefängnis bis zu 6 Monaten auf Gefängnis bis zu 3 Jahren. Weitere Strafverschärfungen sieht das Gesetz für den Fall vor, daß eine Straftat „im Verteidigungszustand“ begangen wird. Die Aburteilung erfolgt nach Anklageerhebung seitens der Militärstaatsanwaltschaft durch die Militärgerichte. (Militärgerichtsbarkeit) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 291 Militärstaatsanwaltschaft A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z MinisterienSiehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Bis zum 31. 8. 1958 wurden Volkspolizisten oder Angehörige der Nationalen Volksarmee wegen aller strafbaren Handlungen einschließlich der rein militärischen Delikte durch die Militärstaatsanwaltschaft nach den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen angeklagt, wobei oft der Art. 6 der Verfassung (Boykotthetze) herangezogen wurde. Mit Inkrafttreten des Strafrechtsergänzungsgesetzes am 1. 2. 1958 hatte die SBZ ein…
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Hochschulen (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Die H. unterstanden bis 1951 dem Ministerium für Volksbildung und den Volksbildungsministerien der Länder. Durch Verfügung vom 22. 2. 1951 wurde ein Staatssekretariat für das Hochschulwesen geschaffen, dem 1958 auch die Fachschulen unterstellt wurden. Der sog. Demokratisierung in der Zeit der „antifaschistisch-demokratischen Ordnung“ (ab 1945/46) folgte mit der Hochschulreform des Jahres 1951 die Phase der organisatorischen Vorbereitung der „sozialistischen H.“, in der das traditionelle Hochschulwesen in Orientierung am sowjet. Schulwesen erheblich verändert worden ist. Die 1. Hochschulkonferenz der SED vom 28. 2. bis 2. 3. 1958 leitete dann die z. Z. laufende 2. Phase der Hochschulpolitik ein. Ihr Leitbild ist die „sozialistische Hochschule“. Das Ergebnis dieser Politik läßt sich durch folgende Merkmale kennzeichnen: [S. 185]1. Im Gesetz über den Siebenjahrplan (1959–1965) wird den Universitäten und H. die Aufgabe gestellt, wissenschaftlich hochqualifizierte Fachleute auszubilden, die den neuesten Stand der wissenschaftlich-technischen Erkenntnis beherrschen, über die Fähigkeit verfügen, ihre Kenntnisse in die Praxis des sozialistischen Aufbaues einzusetzen, erfolgreich im sozialistischen Kollektiv zu arbeiten und eine leitende Tätigkeit in Staat, Wirtschaft und Kultur auszuüben. Diese Zielsetzung umfaßt auch eine politische Erziehung der Studenten. An die Stelle des traditionellen Postulats der Einheit von Forschung und Lehre ist die Forderung der Einheit von Forschung, Lehre und Erziehung getreten. Sie zielt auf eine „sozialistische Erziehung“ der jungen Intelligenz und mit ihr auf eine Synthese von ergebenem Parteigänger und wissenschaftlich qualifiziertem Fachmann. 2. Der Marxismus-Leninismus besitzt die Monopolstellung. Seit 1950/51 sind die Studierenden verpflichtet, ein Studium der Parteiideologie im Rahmen des gesellschaftswissenschaftlichen ➝Grundstudiums zu absolvieren. Dem entspricht der ständig zunehmende Druck, jene Wissenschaften im Geiste des Marxismus-Leninismus umzugestalten, die der Kategorie der Gesellschaftswissenschaften zugerechnet werden: insbesondere die Philosophie, die Geschichts-, Rechts-, Staats-, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften. Der Einfluß auf die mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen ist nicht so tiefgreifend: mehr ihre Voraussetzungen und Horizonte beeinflussend, hat der Marxismus-Leninismus ihre Orientierung an der internationalen Forschung eher begünstigt als gehemmt. 3. Die Gestaltung des Studiums folgt dem Prinzip der Parteilichkeit des Denkens und dem der Einheit von Theorie und „sozialistischer“ Praxis. Beide Prinzipien geben nicht nur eine Richtschnur für die Stoffauswahl, die Wahl der Themen für Prüfungsarbeiten aller Art, sondern auch für die Behandlung der einzelnen Wissenschaftsgebiete. Die Hochschulen — vor allem technische Fachrichtungen, Chemie und Wirtschaftswissenschaften — sind dazu übergegangen, Kontakte mit verschiedenen Gebieten der „sozialistischen Praxis“ aufzunehmen. Studenten werden bei verschiedenen praktischen Vorhaben (z. B. bei der „sozialistischen Rekonstruktion“, der betrieblichen Planung usw.) beteiligt: Senate und Fakultäten haben besondere Kommissionen für diese Verbindung des Studiums mit der Praxis geschaffen. Stark auf die Probleme der späteren beruflichen Praxis ausgerichtet, bemüht sich die sowjetzonale Hochschulpolitik um Ausbildungsformen, die eine Teilnahme des Studenten an der für sein Fach relevanten Praxis ermöglichen. So wird das landwirtschaftliche Studium im Wechsel von Direkt- und Fernstudium durchgeführt. Dadurch wird eine Verbindung zwischen der theoretischen Ausbildung und der unmittelbaren Produktionstätigkeit der Studenten in LPG und VEG hergestellt. Entsprechende Bestrebungen in bezug auf die Ausbildung der Technologen, Wirtschafts-, Staats- und Rechtswissenschaftler sind bemerkbar. 4. Die Organisation des Studiums und des studentischen Lebens zielt auf eine Erziehung für und durch das Kollektiv. Neben den obligatorischen Seminargruppen sind seit 1958 zahlreiche wissenschaftliche Studentenzirkel und Forschungsgemeinschaften unter Beteiligung von Studenten gebildet worden. 5. Bei der Auslese der Studenten sind bisher Arbeiter- und Bauernkinder bevorzugt worden. Daneben werden neuerdings „vorrangig“ zugelassen: Bewerber, die mehrere Jahre in der „sozialistischen Wirtschaft“ oder in staatlichen und „gesellschaftlichen“ Einrichtungen gearbeitet haben und von ihren Betrieben zum Studium delegiert werden, sowie Bewerber, die als ehemalige Soldaten von den Einheiten der „bewaffneten Organe“ empfohlen werden. Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder 1963: 51,2~v. H. (Direktstudium); im Fern- und Abendstudium dagegen nur 15,6 und 17,1 v. H. 6. Die Auswahl der Dozenten wird durch das Staatssekretariat gelenkt. Ziel ist die Schaffung eines parteiergebenen Lehrkörpers, in dem die überzeugten Marxisten-Leninisten dominieren. 7. Das organisatorische Gefüge der H. ist weitgehend dem des sowjet. Hochschulwesens angeglichen worden. Schon die „Vorläufige Arbeitsordnung der Universitäten und wissenschaftlichen H.“ (1949) beseitigte die Kuratorial-Verfassung und erweiterte die Befugnisse des Rektors sowie die Einflußmöglichkeiten der Behörden. Die verheißene akademische Selbstverwaltung konnte sich angesichts der Macht der SED-Führung nicht entwickeln. Alle akademischen Wahlen werden nach Bedarf manipuliert, jede Maßnahme der akademischen Organe ist Produkt der indirekten und direkten Lenkung durch die Partei und das Regime. Diese Steuerung wird dadurch erleichtert, daß die Vors. bzw. die Vertr. der Universitätsparteileitung, der FDJ-Hochschulgruppe und Betriebsgewerkschaftsleitung in Senaten und Fakultäten Sitz und Stimme haben. Neben dem Rektor, der für die gesamte Leitung und Verwaltung der H. verantwortlich ist, stehen ernannte Prorektoren mit bestimmten Funktionen (für das Gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium, die Forschungsangelegenheiten, den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Studienangelegenheiten, d.h. die Angelegenheiten der „Kaderpolitik“ und das Fernstudium). Die Fakultäten sind in Fachrichtungen aufgegliedert worden (z. B. Geschichte, Germanistik), geleitet von Fachrichtungsleitern. 8. Die H. werden von den Universitätsparteileitungen der SED und den von ihnen „angeleiteten“ FDJ-Hochschulgruppen kontrolliert. Sie besitzen auch die dominierende Stellung bei der Organisation des studentischen Lebens an den H. 9. Die SBZ hat vier Studienarten entwickelt: Direkt-, Fern-, Abend- und das kombinierte Studium (z. B. das Studium der Agrarwissenschaften). 10. Das Studium erfolgt an allen H. nach festen, für Studierende und Dozierende verbindlichen Studienplänen im 10-Monate-Studienjahr. Die Masse der Studenten ist im Interesse der besseren Überwachung in kleine Seminargruppen aufgeteilt worden (20 bis 30 Mitgl.). Das Ergebnis ist ein schulmäßiger Betrieb, der zwar ein regelmäßiges Lernen garantiert, aber das geforderte „Selbststudium“ hemmt. Die „Aneignung“ des Stoffes wird durch alljährliche Zwischenprüfungen kontrolliert. Nach be[S. 186]standener Diplomprüfung bzw. nach bestandenem Staatsexamen (akademische Grade) erfolgt „Einsatz“ der Absolventen entsprechend dem von der Plankommission zu bestätigenden Plan der Einweisung der Absolventen in die Bereiche der einzelnen „Bedarfsträger“. 11. Die Studierenden haben während des Studiums eine vormilitärische und militärische Ausbildung zu absolvieren (GST). 12. Der Anfang Januar 1963 vom Ministerrat gefaßte Beschluß „Über das Aufnahmeverfahren an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen“ enthält neue Grundsätze für die Zulassung zum Studium, denen zufolge der Anteil der weiblichen Studierenden insbesondere in den naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen zu steigern ist. Die Eignungsprüfungen für die Zulassung zum Studium 1965 sollen „berufsberatenden“ und „studienlenkenden Charakter“ erhalten. Die Zahl der Direktstudierenden hat sich von 27.822 im Jahre 1951 auf 78.405 im Jahre 1963 erhöht. Am Fernstudium beteiligten sich 1963 30.628, am Abendstudium 3.411 Studierende. 1963 studierten 9.885 Mathematik, Naturwiss., 26.315 Techn. Wiss., 8.782 Land- u. Forstwirtschaftswiss., 14.690 Medizin, 16.746 Wirtschafts-, Rechtswiss. u. Publizistik, 3.367 Philosophie, Sprach-, Geschichts-, Kunst- u. Musikwiss., 2.007 Kunst, 1.624 Körperkultur, 592 Theologie, 31.665 Pädagogik. Zahl der Absolventen im Direktstudium (1963): 12.170, davon Absolventen der Techn. Wiss.: 2.226. Universitäten und Wissenschaftliche Hochschulen: 1. Humboldt-Universität zu Berlin; 2. Karl-Marx-Universität zu Leipzig; 3. Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg; 4. Friedrich-Schiller-Universität in Jena; 5. Universität Rostock; 6. Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald; 7. Technische Universität Dresden. (Fachhochschulen) Literaturangaben Baumgart, Fritz: Das Hochschulsystem der sowjetischen Besatzungszone. (BMG) 1953. 31 S. Kludas, Hertha: Zur Situation der Studenten in der Sowjetzone. (BMG) 1957. 55 S. Lange, Max Gustav: Wissenschaft im totalitären Staat. Die Wissenschaft der sowjetischen Besatzungszone auf dem Weg zum „Stalinismus“, m. Vorw. v. Otto Stammer (Schr. d. Inst. f. pol. Wissenschaft, Berlin, Bd. 5). Stuttgart 1955, Ring-Verlag. 295 S. Müller, Marianne, und Egon Erwin Müller: „… stürmt die Festung Wissenschaft!“ Die Sowjetisierung der mitteldeutschen Universitäten seit 1945. Berlin 1953, Colloquium-Verlag. 415 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 184–186 HO-Wismut A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Hoffmann, Karl-HeinzSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Die H. unterstanden bis 1951 dem Ministerium für Volksbildung und den Volksbildungsministerien der Länder. Durch Verfügung vom 22. 2. 1951 wurde ein Staatssekretariat für das Hochschulwesen geschaffen, dem 1958 auch die Fachschulen unterstellt wurden. Der sog. Demokratisierung in der Zeit der „antifaschistisch-demokratischen Ordnung“ (ab 1945/46) folgte mit der Hochschulreform des Jahres 1951 die Phase der…
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Opposition (1965)
Siehe auch: Opposition: 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Opposition, neue marxistische: 1979 Opposition und Widerstand: 1975 1979 1985 Eine legale O., die als Kontrollinstanz für die Regierungsgewalt ein Kernstück der westlichen Demokratie bildet, existiert in der SBZ wie auch in allen anderen kommun. Staaten nicht, obwohl die Verfassung der „DDR“ in den Art. 92, 61,51, 9 und 12 verschiedenartige politische Parteien und Organisationen zuläßt. Doch widerspricht das Vorhandensein einer legalen parlamentarischen O. dem Anspruch der bolschewistischen Partei auf alleinige Führung. Alle anderen Parteien wurden gezwungen, sich dem Führungsanspruch der SED zu unterwerfen (Diktatur des Proletariats, Periodisierung) und unterstützen heute offiziell nicht nur die Regierungsbeschlüsse, sondern auch die Beschlüsse des ZK der SED. Die 1961 neu gefaßte Ordnung der örtlichen Staatsorgane verpflichtet demgemäß ausdrücklich nicht nur die Staatsfunktionäre aller Ebenen, sondern auch sämtliche Volksvertretungen auf den Willen der SED. Bei Wahlen werden die Kandidaten aller Parteien in einer Einheitsliste der Nationalen Front aufgeführt, über die nur geschlossen abgestimmt werden darf. Aus dieser erzwungenen Einheit leitet das Regime das Recht ab, jede O. in der Bevölkerung gegen Maßnahmen der Partei und Regierung für illegal und dem Willen der „Mehrheit des Volkes“ zuwiderlaufend zu erklären und zu verfolgen (Strafrechtsergänzungsgesetz). Trotzdem gibt es in der Bevölkerung vielfältige Formen der O. (Widerstand). Den stärksten Ausdruck fand diese O. im Juni-Aufstand 1953. Einer permanent schwelenden innerparteilichen O. versucht die SED-Führung durch wiederholte Säuberungen in der Mitgliedschaft und unter den Funktionären Herr zu werden. (Dritter Weg, Nationalkommunismus, Revisionismus, Abweichungen, Tauwetter) Literaturangaben Jänicke, Martin: Der dritte Weg — Die antistalinistische Opposition gegen Ulbricht seit 1953. Köln 1964, Neuer Deutscher Verlag. 267 S. Mampel, Siegfried: Die Verfassung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands — Text und Kommentar. Frankfurt a. M. 1962, Alfred Metzner. 453 S. Richert, Ernst (m. e. Einl. von Martin Drath): Macht ohne Mandat — der Staatsapparat in der SBZ. 2., erw. Aufl. (Schr. d. Inst. f. polit. Wissenschaft, Berlin, Bd. 11). Köln 1958, Westdeutscher Verlag. 349 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 312 Opportunismus A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z OPWSiehe auch: Opposition: 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Opposition, neue marxistische: 1979 Opposition und Widerstand: 1975 1979 1985 Eine legale O., die als Kontrollinstanz für die Regierungsgewalt ein Kernstück der westlichen Demokratie bildet, existiert in der SBZ wie auch in allen anderen kommun. Staaten nicht, obwohl die Verfassung der „DDR“ in den Art. 92, 61,51, 9 und 12 verschiedenartige politische Parteien und Organisationen zuläßt. Doch widerspricht das Vorhandensein…
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Arbeitsdisziplin (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Das Wirtschaftssystem und die Arbeitspolitik der SBZ verlangen die bedingungslose Unterwerfung von Arbeitern und Angestellten unter die Befehle der Wirtschaftsfunktionäre. Schon 1946 wurde deshalb durch den Befehl Nr. 234 für die Betriebe eine Musterdisziplinarordnung geschaffen, die der Werkleitung eine autonome Disziplinargewalt übertrug. (Wirtschaft) Nach §§ 106–111 des Gesetzbuches der Arbeit liegt die Disziplinargewalt in den VEB beim Betriebsleiter und wird gemäß den betrieblichen — Arbeitsordnungen ausgeübt. Außerdem haben sich die Konfliktkommissionen mit Verstößen gegen Arbeitsmoral und A. zu befassen. Auch in der Verwaltung wird eine strenge A. verlangt. Im allgemeinen wird die A. eingehalten. Wenn zuweilen Bummelanten angeprangert werden, so soll das vorbeugend und abschreckend wirken. Besondere Disziplinarordnungen bestehen a) für Angestellte und Mitarbeiter der staatlichen Verwaltung (Disziplinarordnung vom 10. 4. 1955, GBl. S. 217), b) für Richter (vom 8. 11. 1963, GBl.~II, S. 777), c) für Arbeitsrichter (§ 12 Arbeitsgerichtsordnung v. 29. 6. 1961, GBl. I, S. 271), d) für Seeleute (Seemannsordnung) vom 16. 4. 1953, GBl. S. 583), e) für Angehörige der „Reichsbahn“ (Eisenbahner-VO in der Fassung vom 23. 6. 1960, GBl. I, 1211/56; GBl. I, S. 421/60), f) für Beschäftigte der Post (VO vom 13. 10. 1960; GBl.~II, S. 395), g) für Hochschullehrer (Anordnung vom 8. 2. 1957; GBl. I, S. 177), h) für Hochschullehrer an künstlerischen Hochschulen (Anordnung vom 6. 12. 1957; GBl. I, S. 680), i) für Fachschullehrer (Ordnung vom 4. 7. 1962, GBl. II, S. 468), j) für Lehrer (VO vom 22. 9. 1962; GBl. II, S. 675). Die Disziplinarmaßnahmen des Gesetzbuches der Arbeit sind: Verweis, strenger Verweis, fristlose Entlassung. Manche Disziplinarordnungen kennen noch außerdem: Verwarnung, Rüge, strenge Rüge, Versetzung in eine minderbezahlte Stellung. Geldstrafe gibt es seit dem 1. 7. 1961 auch für Seeleute nicht mehr. (Sozialistische ➝Arbeitsmoral) Literaturangaben Haas, Gerhard, und Alfred Leutwein: Die rechtliche und soziale Lage der Arbeitnehmer in der sowjetischen Besatzungszone. 5., erw. Aufl. (BB) 1959. Teil I (Text) 264 S., Teil II (Anlagen) 162 S. Mampel, Siegfried, und Karl Hauck: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S. Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S. Mampel, Siegfried: Beiträge zum Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (BMG) 1963. 135 S. *: Der Außenhandel der sowjetischen Besatzungszone 1953. Plan 1954 und 1. Halbjahr 1954. (Mat.) 1955. 24 S. m. 7 Anlagen. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 28 Arbeitsdirektor A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ArbeitseinheitSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Das Wirtschaftssystem und die Arbeitspolitik der SBZ verlangen die bedingungslose Unterwerfung von Arbeitern und Angestellten unter die Befehle der Wirtschaftsfunktionäre. Schon 1946 wurde deshalb durch den Befehl Nr. 234 für die Betriebe eine Musterdisziplinarordnung geschaffen, die der Werkleitung eine autonome Disziplinargewalt übertrug. (Wirtschaft) Nach §§ 106–111 des Gesetzbuches der Arbeit liegt…
DDR A-Z 1965
Kommissionsverträge (1965)
Siehe auch: Kommissionsvertrag: 1975 1979 1985 Kommissionsverträge: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Um den privaten Einzelhandel in engste Abhängigkeit zum staatlichen Handel zu bringen, wurde seit Mitte 1956 verstärkt der Abschluß von K. mit den Großhandelskontoren und später mit den Großhandelsgesellschaften oder HO und Konsumgenossenschaften gefordert. Mit Abschluß eines K. verpflichten sich die Einzelhändler, keine Geschäfte mehr auf eigene Rechnung durchzuführen; lediglich der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Warenbestand darf noch veräußert werden. Dem Einzelhändler wird eine versorgungsmäßige Gleichstellung mit dem staatlichen Einzelhandel in Aussicht gestellt. Der Kommissionshändler erhält einen Durchschnittsprovisionssatz, aus dem alle variablen Betriebskosten, hauptsächlich Löhne und Gehälter, bestritten werden müssen. Kosten für Miete, Licht, Abschreibungen usw. übernimmt der zuständige staatliche Vertragspartner. Erhöhte Aufwendungen aus der Industriepreisreform (Preispolitik) werden auf Antrag der Kommissionshändler im Erstattungsbetrag der fixen Kosten aufgefangen. Für die Kommissionsware hat der Einzelhändler eine Kaution von 50 v. H. des Warenwertes zu stellen, die sich auf 33V3 v. H. ermäßigt, wenn sie in Form eines Sperrguthabens hinterlegt wird. Die Ware bleibt bis zum Verkauf Eigentum des Vertragspartners. Durch diese Verträge wird der bisher selbständige Händler praktisch Angestellter des staatlichen Großhandels bzw. von HO und Konsum. Als Kommissionshändler ist er nicht mehr einkommensteuerpflichtig, sondern wird zur Lohnsteuer herangezogen. Seit 1957 wurden auch private Gaststätten, Buchhändler und der Kohlenhandel einbezogen. Mit den K. tauscht der Einzelhändler den Hauptteil seiner Betriebsmittel, die Umlaufmittel gegen Umlaufmittel mit dem Charakter gesellschaftlichen Eigentums um und vollzieht den ersten Schritt zur Sozialisierung. Bis Ende 1963 wurden 22.241 K. abgeschlossen. Der Anteil der Kommissionshändler am Einzelhandelsumsatz betrug 8,5~v. H. Literaturangaben *: Der Einzelhandel in der Versorgung der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1953. 64 S. m. 15 Tab. u. 22 Anlagen. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 225 Kommissionen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z KommunismusSiehe auch: Kommissionsvertrag: 1975 1979 1985 Kommissionsverträge: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 Um den privaten Einzelhandel in engste Abhängigkeit zum staatlichen Handel zu bringen, wurde seit Mitte 1956 verstärkt der Abschluß von K. mit den Großhandelskontoren und später mit den Großhandelsgesellschaften oder HO und Konsumgenossenschaften gefordert. Mit Abschluß eines K. verpflichten sich die Einzelhändler, keine Geschäfte mehr auf eigene Rechnung durchzuführen;…
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Zentralkomitee der SED (1965)
Siehe auch: Zentralkomitee der SED: 1963 1966 Zentralkomitee der SED (ZK): 1969 Zentralkomitee (ZK) der SED: 1975 1979 1985 Das ZK ist lt. Statut „zwischen den Parteitagen das höchste Organ der Partei“. Das auf dem V. Parteitag im Januar 1963 gewählte ZK hat 120 Mitgl. und 60 Kandidaten. Es wählt das Politbüro, das Sekretariat des ZK der SED und die Zentrale Parteikontrollkommission. Nach dem auf dem V. Parteitag angenommenen neuen Statut tagt es „mindestens einmal in sechs Monaten“ (früher alle vier Monate). Gemäß Statut soll das ZK die Vertreter der Partei in die leitenden Stellen des Staatsapparates und der Wirtschaft entsenden und ihre Kandidaten für die Volkskammer bestätigen. Die eigentliche Parteiführung und politische Macht liegen jedoch nicht bei diesem, lediglich vorgefaßte Beschlüsse annehmenden, repräsentativen erweiterten Vorstand, sondern in den Händen des Politbüros, des Sekretariats und der nicht gewählten Abteilungsleiter und Mitarbeiter des ZK. Die Umbenennung des früheren Parteivorstandes der SED in ZK im Juli 1948 erfolgte im Zuge der Angleichung der Struktur der SED an die der KPdSU. Während der Parteivorstand in den ersten Jahren noch acht- bis zehnmal jährlich zusammentrat, wurde das ZK bis zu Stalins Tod nur noch selten einberufen. Ab Sommer 1953 fanden vierteljährlich Plenartagungen statt, an denen außer den Mitgl. und Kandidaten des ZK auch hohe Funktionäre der Massenorganisationen sowie der Staats- und Wirtschaftsverwaltung, die der SED angehören, sowie Aktivisten, LPG-Bauern und Wissenschaftler [S. 495]teilnahmen. Die Sitzungen des ZK haben den Charakter von Arbeitstagungen, in deren Rahmen das Politbüro die von ihm ausgearbeitete jeweilige „Parteilinie“ zum Beschluß erheben läßt und ein Erfahrungsaustausch der Funktionäre über Erfolge und Schwierigkeiten stattfindet. Zu bestimmten Zwecken werden Kommissionen gegründet. Diesen Kommissionen gehören sowohl die jeweils zuständigen Mitgl. und Kandidaten des ZK als auch Mitarbeiter des ZK-Apparates und Fachleute aus dem Staatsapparat, den Massenorganisationen und anderen Institutionen an.(Säuberungen) Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 494–495 Zentralinstitut für Fertigungstechnik (ZIF) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z ZentralratSiehe auch: Zentralkomitee der SED: 1963 1966 Zentralkomitee der SED (ZK): 1969 Zentralkomitee (ZK) der SED: 1975 1979 1985 Das ZK ist lt. Statut „zwischen den Parteitagen das höchste Organ der Partei“. Das auf dem V. Parteitag im Januar 1963 gewählte ZK hat 120 Mitgl. und 60 Kandidaten. Es wählt das Politbüro, das Sekretariat des ZK der SED und die Zentrale Parteikontrollkommission. Nach dem auf dem V. Parteitag angenommenen neuen Statut tagt es „mindestens einmal in sechs…
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Gewerkschaftsleitungen, betriebliche (1965)
Siehe auch die Jahre 1963 1966 1969 1975 1979 Die BG. sind die Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) und die Abteilungsgewerkschaftsleitungen (A GL). Eine BGL ist die Leitung der betrieblichen Organisation des FDGB. AGL bestehen in den großen Betrieben. Sie haben die Aufgaben der BGL in den Betriebsabteilungen. § 11,2 des Gesetzbuches der Arbeit bezeichnet die von der Gewerkschaftsorganisation gewählten Vertrauensleute (Vertrauensmann) und die BG. als Interessenvertreter aller Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz im Betrieb. Die BGL nimmt seit 1948 die Stelle der früheren Betriebsräte ein, die für überlebt erklärt wurden. Sie besteht nur aus Mitgl. des FDGB und wird ausschließlich von den FDGB-Mitgliedern im Betrieb gewählt. Eine Vertretung für die nicht im FDGB organisierten Arbeitnehmer gibt es nicht. Die BGL ist an die Beschlüsse des FDGB und der einzelnen Industriegewerkschaften gebunden. Sie ist also im Gegensatz zu den früheren unabhängigen Betriebsräten Weisungen außerbetrieblicher Gremien unterworfen. Die BGL hat in den VEB im Betrieb für die Erfüllung und Übererfüllung der Wirtschaftspläne zu sorgen. Sie ist der Vertragspartner der Betriebsleitung beim Abschluß des Betriebskollektivvertrages. Die BGL bildet verschiedene Kommissionen. So die Kommission für ➝Arbeit und Löhne, die K. für kulturelle Massenarbeit, die Kaderkommission, die Arbeitsschutzkommission, die Feriendienstkommission (Feriendienst des FDGB). In den Privatbetrieben sind den BGL durch die Betriebsvereinbarungen weitgehende Rechte gegenüber dem Unternehmer eingeräumt. Literaturangaben *: Der FDGB. (FB) 1959. 19 S. Mampel, Siegfried, und Karl Hauck: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S. Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S. Mampel, Siegfried: Beiträge zum Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (BMG) 1963. 135 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 163 Gewerkschaftskomitee A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z GewinnSiehe auch die Jahre 1963 1966 1969 1975 1979 Die BG. sind die Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) und die Abteilungsgewerkschaftsleitungen (A GL). Eine BGL ist die Leitung der betrieblichen Organisation des FDGB. AGL bestehen in den großen Betrieben. Sie haben die Aufgaben der BGL in den Betriebsabteilungen. § 11,2 des Gesetzbuches der Arbeit bezeichnet die von der Gewerkschaftsorganisation gewählten Vertrauensleute (Vertrauensmann) und die BG. als Interessenvertreter aller…
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Strafgesetzbuch (1965)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Zur Zeit gilt noch das deutsche St. von 1871. Die Verjährungsvorschriften finden auf Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen keine Anwendung (Gesetz vom 1. 9. 1964 — GBl.~I, S. 127). In Realisierung der Beschlüsse des V. Parteitages der SED vom Juli 1958 soll die sozialistische Justizreform auch auf materiell-strafrechtlichem Gebiet vollendet und ein neues St. erstellt und der Volkskammer zur Verabschiedung vorgelegt werden. Der für das Inkrafttreten dieses St. gesetzte Termin (1. 1. 1961) konnte jedoch nicht eingehalten werden. Das neue St. wird alle zur Zeit geltenden Einzelgesetze zu einem „Strafgesetzbuch der DDR“ zusammenfassen. Vorerst hat das Strafrechtsergänzungsgesetz erhebliche Änderungen und Ergänzungen auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts gebracht. Das 2. Strafrechtsergänzungsgesetz setzte ein neues Militärstrafrecht in Kraft. Nach dem VI. Parteitag der SED im Januar 1963 wurden die Bemühungen um die Ausarbeitung eines neuen St. verstärkt. Auf seiner Sitzung am 4. 4. 1963 beschloß der Staatsrat, eine Kommission zur Ausarbeitung eines St. und einer Strafprozeßordnung (Strafverfahren) zu bilden, die unter Leitung des Justizministers Hilde ➝Benjamin steht. Diese Kommission trat am 5. 7. 1963 zu einer konstituierenden Sitzung zusammen. Sie umfaßt 65 Mitglieder aus den zentralen Staatsorganen, den Rechtspflegeorganen, Wissenschaftler, leitende Wirtschaftsfunktionäre, Schöffen, Mitglieder von Konfliktkommissionen und andere „Werktätige“. Diskussionsbeiträge zur Ausgestaltung des künftigen St. („Staat und Recht“, Heft 10 u. 12/1963) lassen erkennen, daß es zwischen einzelnen Rechtswissenschaftlern, die Mitglieder der Gesetzgebungskommission sind, erhebliche Meinungsverschiedenheiten in wichtigen Grundsatzfragen gibt. Generalstaatsanwalt Streit spricht sogar von einer „Zerrissenheit der Strafrechtswissenschaft“ („Neue Justiz“ 1963, S. 779, Anm. 2). (Rechtswesen) Literaturangaben Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., überarb. Aufl. (BB) 1959. 206 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 421 Strafaussetzung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z StrafpolitikSiehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Zur Zeit gilt noch das deutsche St. von 1871. Die Verjährungsvorschriften finden auf Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen keine Anwendung (Gesetz vom 1. 9. 1964 — GBl.~I, S. 127). In Realisierung der Beschlüsse des V. Parteitages der SED vom Juli 1958 soll die sozialistische Justizreform auch auf materiell-strafrechtlichem Gebiet vollendet und ein neues St. erstellt und der…
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Verlagswesen (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Wie jeder andere Wirtschaftszweig unterliegt auch das V. der zentralen Wirtschaftsplanung (Wirtschaft). Der erste Siebenjahrplan sah vor, „daß wir 70 v. H. mehr und natürlich gute Bücher herausbringen müssen“ (Staatssekretär Erich ➝Wendt auf der Konferenz des V. im Febr. 1960). „Unsere Verlage müssen zu sozialistischen Verlagen werden, das heißt voll verantwortlich dafür sein, daß in ihrem Bereich vor allem die für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, für die Qualifizierung unserer Werktätigen, für die Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus unentbehrliche Literatur erscheint“ (ebenda). Angeleitet und kontrolliert wird das V. durch das Ministerium für Kultur, dem es (nach seinem Statut von 1964) obliegt, „auf die Entwicklung einer vielseitigen, sozialistischen, schöngeistigen Literatur zu [S. 450]orientieren und insbesondere jene literarischen Werke zu fördern, die die Gegenwart in fortschrittlichem Geiste darstellen; das literarische deutsche und ausländische kulturelle Erbe zu pflegen; die Bewegung der schreibenden ➝Arbeiter und Bauern zu unterstützen, um im Geiste des Bitterfelder Weges die breite künstlerische Selbstbetätigung auf literarischem Gebiet zu fördern“. Zuständig für die einschlägigen Aufgaben des Ministeriums ist seit Anfang 1963 die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel; sie übernahm die Aufgaben der bisherigen Abteilung Literatur und Buchwesen sowie der VVB Verlage und des Druckerei- und Verlagskontors. Die graphische Industrie untersteht seit 1958 dagegen der Staatlichen ➝Plankommission; Zensur und Papierzuteilung sind also der Kompetenz nach getrennt. Die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel hat „die Verlage zu lizenzieren, die unterstellten Verlage anzuleiten und für eine zweckentsprechende Arbeitsteilung zwischen den Verlagen (Profilierung) Sorge zu tragen; die thematische Jahres- und Perspektivplanung der Verlage anzuleiten, zu koordinieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren; die Manuskripte der Buchverlage und die Erzeugnisse der nicht lizenzierten Verlage (Gelegenheitspublikationen, lokale Festschriften, Heimatblätter usw. D. Red.) zu begutachten und Druckgenehmigungen zu erteilen“; sie leitet ferner auch den Buchhandel, vornehmlich den Volksbuchhandel, und das allgemeinbildende Bibliothekswesen fachlich und ideologisch an. Um „breite Kreise der Bevölkerung zu beteiligen, wurden insgesamt 21 ständige Arbeitsgemeinschaften gebildet, die nicht nur „passiv“ begutachten, sondern „wichtige Helfer“ „bei der Aufstellung und Erfüllung komplexer Literatur-Entwicklungsprogramme“ werden sollen. Die Editionspläne sind außerdem auf Verlegerkonferenzen Gegenstand von Kritik und Selbstkritik. Die „Begutachtung“ der Verlagsprogramme zielt u.a. auf deren klare Abgrenzung durch Zuweisung thematischer Zuständigkeiten ab; auch werden „Schwerpunkttitel“ festgelegt, deren Produktion unter Hintanstellung aller sonstiger Vorhaben besonders zu fördern ist. Um das System der Steuerung zu vervollständigen, werden Autorenverpflichtungen im Sinne des Vertragsgesetzes angestrebt. Die schöngeistigen Verlage werden angehalten, die „Bewegung der schreibenden Arbeiter“ zu unterstützen. Am 1. 4. 1964 wurde ein Musterverlagsvertrag bekanntgegeben, der das Verhältnis zwischen Autor und Verlag normieren soll. 1960 waren an der Buchproduktion annähernd 90 Verlage beteiligt, viele davon, vor allem private, jedoch nur mit wenigen Titeln; inzwischen ist die Zahl der Verlage weiter zurückgegangen. Obschon nachprüfbare Angaben über die Eigentumsverhältnisse im V. nicht veröffentlicht werden, lassen sich heute 46 Verlage, darunter alle größeren, einwandfrei als entweder „volkseigen“ (d.h. Staatsverlage) oder „organisationseigen“ (d.h. im Besitz von Parteien, Massenorganisationen usw.) identifizieren. Kaum mehr als 12 Verlage waren (von den drei kirchlichen abgesehen) wahrscheinlich noch Privateigentum; ihr Anteil an der Produktion dürfte (nach Titeln) unter 4 v. H. gelegen haben. Alle staats- und organisationseigenen Verlage wurden 1959 in einer VVB Verlage zusammengeschlossen; diese VVB wurde 1962 aufgelöst und in die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur überführt. Zu den „volkseigenen“ Verlagen (Volkseigentum) gehören u.a. der Verlag Enzyklopädie (früher Bibliographisches Institut), die Verlage Breitkopf & Härtel, Brockhaus, Reclam, Seemann, Teubner, die widerrechtlich enteignet wurden; einige davon produzieren trotzdem unter dem gleichen Namen wie in der BRD. Einzelne Ministerien haben eigene Verlage; ein Staatsverlag bringt seit Anfang 1963 die amtlichen Veröffentlichungen der Volkskammer, des Staatsrates usw. heraus. Die gesamte Literatur des Nationalrates (Nationale Front) erscheint im Kongreßverlag. Der sowjetzonale Dietz-Verlag gehört der SED, der Aufbau-Verlag dem Deutschen ➝Kulturbund, der Verlag Neues Leben der FDJ, der Verlag Kultur und Fortschritt der Gesellschaft für ➝deutsch-sowjetische Freundschaft, der Urania-Verlag der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse und der Verlag Tribüne dem FDGB. Die Buchproduktion der Verlage wuchs bis 1960 von Jahr zu Jahr an (1951: 2.142, 1954: 5.410, 1958: 6.205, 1961: 6.493, 1962: 6.540 Titel) und holte auch in der technischen Qualität auf, befriedigt aber auch heute noch weder die Leserwünsche noch die dirigierenden Stellen des Regimes. Westliche Literatur in Lizenzausgaben und Übersetzungen wird nur in engen Grenzen zugelassen; Unterhaltungsliteratur jeden Niveaus ohne politischen Einschlag ist daher meist schnell vergriffen. Titel, die dem sozialistischen Aufbau und der Erfüllung der Wirtschaftspläne dienen, genießen in der Produktion ohne Rücksicht auf Leserwünsche den Vorzug. Die Auflagenbemessung ist daher auch unabhängig von der Nachfrage, abgesehen von der der Bibliotheken, die ihren Plansoll-Bedarf sogar gesetzlich gesichert sehen möchten. Da der Plan den Umschlag eines bestimmten Prozentsatzes der Lagerbestände innerhalb bestimmter Fristen vorschreibt, werden „Überplanbestände“ nach relativ kurzer Zeit makuliert. Die durchschnittlichen Bücherpreise liegen bei der schönen Literatur geringfügig, bei der Fachliteratur teilweise beträchtlich unter den westdeutschen. Der Buchexport ist monopolisiert. (Deutscher Buch-Export und -Import); im Verkehr mit der BRD vollzieht er sich im Rahmen des Interzonenhandels. (Kulturpolitik, Literatur, Zeitschriften) Literaturangaben Taubert, Sigfred: Buchproduktion und Verlagswesen der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands im Jahre 1955. (BMG) 1956. 34 S. m. 17 Tab. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 449–450 Verkehr A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z VerlöbnisSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Wie jeder andere Wirtschaftszweig unterliegt auch das V. der zentralen Wirtschaftsplanung (Wirtschaft). Der erste Siebenjahrplan sah vor, „daß wir 70 v. H. mehr und natürlich gute Bücher herausbringen müssen“ (Staatssekretär Erich ➝Wendt auf der Konferenz des V. im Febr. 1960). „Unsere Verlage müssen zu sozialistischen Verlagen werden, das heißt voll verantwortlich dafür sein, daß in ihrem Bereich vor…
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Brecht, Bert (Bertolt) (1965)
Siehe auch: Brecht, Bert (Berthold): 1953 1954 1956 Brecht, Bert (Bertold): 1966 Brecht, Bert (Bertolt): 1958 1959 1960 1962 1963 * 10. 2. 1898 in Augsburg, studierte Naturwissenschaften und Medizin, wurde dann Dramaturg bei Max Reinhardt und Piscator in Berlin. 1922 Kleist-Preis. 1933 emigriert; 1948 aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt. 1949 Nationalpreis. 1954 Stalin-„Friedenspreis“. Mitgl. der Deutschen ➝Akademie der Künste. Leitete zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, das Berliner Ensemble. 14. 8. 1956 verstorben. B. vertrat eine neue Auffassung von der gesellschaftlichen Funktion des Theaters. Dem „bürgerlichen Illusionstheater“, der aristotelischen Funktion des Theaters, Furcht und Mitleid zu erregen, stellte B. seine Theorie vom „epischen Theater“ entgegen. An die Stelle der Identifikation des Schauspielers mit seiner Rolle und des Zuschauers mit der Handlung wollte B. die rationale Distanziertheit treten lassen (Verfremdungseffekt). Dadurch und durch die Demonstration exemplarischer Beispiele sollte der Zuschauer zu bestimmten gesellschaftlichen Einsichten im Sinne einer sozialistischen Entwicklung gelangen. B. gilt als bedeutendster zeitgenössischer deutscher Dramatiker, sein Stil hat das moderne Welttheater maßgeblich beeinflußt. Unter Stalin waren sein Werk und Stil als Formalismus verpönt. 1951 wurde die Aufführung der Stücke „Das Verhör des Lukullus“, „Die Mutter“, „Die Tage der Commune“ in Ost-Berlin verboten. Auch heute wird das Werk von B. [S. 80]in der SU wenig geschätzt. B. war Parteigänger des Kommunismus und Repräsentant der „DDR“, aber mit Vorbehalt: Emigration in die USA statt SU, nicht Mitgl. der SED, Staatsangehörigkeit Österreichs statt der „DDR“. Wiederholt kritische Äußerungen, stand Wolfgang ➝Harich und Ernst Bloch nahe (Revisionismus). Stücke: „Trommeln in der Nacht“ (1922), „Dreigroschenoper“ (1928), „Die Maßnahme“ (1930), „Mutter Courage und ihre Kinder“ (1941), „Leben des Galilei“ (1943), „Der gute Mensch von Sezuan“ (1943), „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ (1948), „Der kaukasische Kreidekreis“ (1948) u.a. Auch bedeutende Lyrik („Die Hauspostille“, 1927) und Prosa („Geschichten vom Herrn Keuner“, 1930 ff.). Literaturangaben Balluseck, Lothar von: Dichter im Dienst — der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur. 2., erw. Aufl., Wiesbaden 1963, Limes-Verlag. 288 S. m. zahlr. Abb. Rühle, Jürgen: Das gefesselte Theater — vom Revolutionstheater zum sozialistischen Realismus. Köln 1957, Kiepenheuer und Witsch. 457 S. m. 16 Abb. Rühle, Jürgen: Literatur und Revolution. Die Schriftsteller und der Kommunismus. Köln 1960, Kiepenheuer und Witsch. 576 S., 72 Abb. Rühle, Jürgen: Die Schriftsteller und der Kommunismus in Deutschland (Auszüge aus „Literatur und Revolution“ und „Das gefesselte Theater“ nebst Beitr. von Sabine Brandt). Köln 1960, Kiepenheuer und Witsch. 272 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 79–80 Die biographischen Angaben spiegeln den Kenntnisstand der Handbuchredaktion im Jahre 1965 wider. Sie sind daher für allgemeine Informationszwecke als veraltet anzusehen und zudem häufig nicht fehlerfrei. Für diesen Eintrag wird auf den Personeneintrag in der Rubrik BioLeX www.kommunismusgeschichte.de/article/detail/brecht-bertolt verwiesen. Bräutigam, Alois A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Bredel, WilliSiehe auch: Brecht, Bert (Berthold): 1953 1954 1956 Brecht, Bert (Bertold): 1966 Brecht, Bert (Bertolt): 1958 1959 1960 1962 1963 * 10. 2. 1898 in Augsburg, studierte Naturwissenschaften und Medizin, wurde dann Dramaturg bei Max Reinhardt und Piscator in Berlin. 1922 Kleist-Preis. 1933 emigriert; 1948 aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt. 1949 Nationalpreis. 1954 Stalin-„Friedenspreis“. Mitgl. der Deutschen ➝Akademie der Künste. Leitete zusammen mit seiner Frau, der…
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Passierscheinabkommen (1965)
Siehe auch die Jahre 1966 1969 1975 1979 1985 Am 17. 12. 1963 wurde erstmals seit Errichtung der Mauer ein P. zwischen einem Beauftragten des West-Berliner Senats und einem Bevollmächtigten der Regierung der SBZ abgeschlossen. Die Ausstellung von Passierscheinen für Bürger der BRD, die seit 1960 zum Betreten des Berliner Sowjetsektors erforderlich sind, wurde von diesem Abkommen nicht berührt. Das P. für West-Berliner wurde politisch umstritten. Im abschließenden Protokoll wird für West-Berlin die geographische Bezeichnung „Berlin (West)“ verwendet, Ost-Berlin dagegen wird als „Berlin (Ost)/Hauptstadt der DDR“ bezeichnet. Auf den Passierscheinen heißt es nur „Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik“. (Die Passierscheine, die die Bundesbürger seit 1960 zum Betreten des Berliner Sowjetsektors benötigen, tragen allerdings die gleiche Bezeichnung.) Unterschrieben wurde das P. auf östlicher Seite „auf Weisung des Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik“ von Staatssekretär Erich Wendt, auf westlicher Seite „auf Weisung des Chefs der Senatskanzlei, die im Aufträge des Regierenden Bürgermeisters von Berlin gegeben wurde“, von Senatsrat Horst Korber. Der im Westen nicht anerkannte kommun. Standpunkt, daß Ost-Berlin die Hauptstadt der „DDR“ sei und in die Zuständigkeit der Zonenregierung falle, wurde in das P. aufgenommen, die Zugehörigkeit West-Berlins zur BRD dagegen wurde nicht zum Ausdruck gebracht. Der Senat richtete auf West-Berliner Boden Stellen ein, in denen 236 sowjetzonale Postbeamte in Uniform die Anträge der West-Berliner entgegennahmen und die Passierscheine ausgaben. Eine De-jure-Anerkennung des Sowjetzonenregimes ist sowohl durch eine Klausel im P., daß eine Einigung über gemeinsame Orts-, Behörden-, und Amtsbezeichnungen nicht erzielt werden konnte, als auch durch eine Erklärung des Senats und der Bundesregierung eindeutig ausgeschlossen worden. Selbst Ulbricht räumte in einer Rede vom 3. 1. 1964 ein: „Es wäre eine Übertreibung, das vereinbarte P. als Staatsvertrag zu bezeichnen.“ Er versuchte aber gleichzeitig, seine kommun. „Dreistaatentheorie“ zu untermauern, indem er erklärte, mit dem „Berliner Abkommen“ sei „ein Stück Selbstbestimmungsrecht für Westberlin“ durchgesetzt worden, weil der Berliner Senat, „der dort das führende Staatsorgan ist“, reguläre Verhandlungen mit Vertretern der „Staatsmacht der DDR“ geführt und dabei „die nicht zu bezweifelnde völkerrechtliche wie faktische Existenz der Deutschen Demokratischen Republik“ respektiert habe. Als wichtigstes Ergebnis wertete er, „daß DDR-Vertreter in Westberlin zeitweise für die Annahme von Passierschein-Anträgen und Ausgabe von Grenz-Passierscheinen, die zum Grenzübertritt in die Hauptstadt der DDR berechtigten, tätig werden und diese ihre Tätigkeit mit Unterstützung der Organe des Westberliner Senats durchführen“. Von der Westpresse wurde deshalb das P. vielfach als „Geschäft mit der Menschlichkeit“ bezeichnet. Immerhin war es den Einwohnern West-Berlins, die seit dem 13. 8. 1961 völlig aus dem Sowjetsektor der Stadt ausgesperrt waren, möglich, im Laufe von zwei Wochen ihre Familienangehörigen jenseits der Mauer zu besuchen. Nach sowjetzonalen Angaben sollen 1.318.519 Passierscheine für West-Berliner ausgegeben worden sein, während an den Übergangsstellen zum Sowjetsektor 1.242.810 Besucher (darunter ein erheblicher Teil Mehrfachbesucher) gezählt wurden. Viele Einwohner der SBZ waren nach Ost-Berlin gekommen, um sich dort mit Verwandten und Freunden aus West-Berlin zu treffen. Nach Abschluß des ersten P. sind zwischen dem 10. 1. und 23. 9. 1964 Senatsrat Korber und Staatssekretär Wendt zu 28 weiteren Besprechungen zusammengekommen. Ungeachtet der unterschiedlichen politischen [S. 320]und rechtlichen Standpunkte wurde am 24. 9. 1964 auf der bisherigen Basis ein zweites P. abgeschlossen. Hiernach wurden, vom 30. 10. bis 12. 11. 1964 und vom 19. 12. 1963 bis zum 3. 1. 1965 jeweils während eines Zeitraumes von 14 Tagen, den West-Berlinern Besuche im Sowjetsektor ermöglicht. Für Ostern und Pfingsten 1965 sind gleichartige Regelungen vorgesehen. Die Passierscheine gelten für den beantragten Tag während der Zeit von 7.00 bis 24.00 Uhr. Bei dringenden Familienangelegenheiten sollen die Antragsteller bevorzugt abgefertigt werden. Für getrennt lebende Ehepaare ist die Möglichkeit einer Familienzusammenführung vereinbart worden, jedoch nur in den Sowjetsektor der Stadt. Das zweite P. hat eine Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten. Spätestens drei Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes wollen beide Seiten Besprechungen über eine Verlängerung der Gültigkeit aufnehmen. Während des ersten Besuchszeitraumes, zwischen dem 30. 10. und dem 12. 11. 1964, sind rd. 600.000 West-Berliner Besucher in Ost-Berlin gezählt worden. Auch nach Abschluß des zweiten P. wurden von den Behörden der SBZ Schwierigkeiten gemacht. Zunächst gab es erhebliche Differenzen, weil die in West-Berlin tätigen 300 Postbeamten der SBZ für bestimmte Tage die Besuchsgenehmigungen kontingentieren wollten. Danach wurde behauptet, die Besucher aus West-Berlin würden illegal getauschte DM Ost der West-Berliner Wechselstuben einschmuggeln. Dazu wurde schließlich die Schließung der Wechselstuben in West-Berlin verlangt, da andernfalls die Fortführung des P. in Frage gestellt sei. Ungeachtet dessen wurden aber die Besucher aus West-Berlin an den Übergangsstellen aufgefordert, 3 DM West in 3 DM Ost im Verhältnis 1:1 umzutauschen. Mit Wirkung vom 1. 12. 1964 wurde ein verbindlicher Mindestumtausch in Höhe von 3 DM je Person und Aufenthaltstag eingeführt; ausgenommen sind Kinder und Rentner. Bei der Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln müssen die Fahrkarten in DM West bezahlt werden. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 319–320 Pasold, Erich A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z PaßwesenSiehe auch die Jahre 1966 1969 1975 1979 1985 Am 17. 12. 1963 wurde erstmals seit Errichtung der Mauer ein P. zwischen einem Beauftragten des West-Berliner Senats und einem Bevollmächtigten der Regierung der SBZ abgeschlossen. Die Ausstellung von Passierscheinen für Bürger der BRD, die seit 1960 zum Betreten des Berliner Sowjetsektors erforderlich sind, wurde von diesem Abkommen nicht berührt. Das P. für West-Berliner wurde politisch umstritten. Im abschließenden Protokoll wird für…
DDR A-Z 1965
Gesundheitswesen (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 [S. 158]Im G. sind von 1945 bis 1958 die Entwicklungsphasen des G. der SU in allen wesentlichen Punkten wiederholt worden: einer Anfangsperiode der Eindämmung von Seuchen, Tbc und Geschlechtskrankheiten folgte die Errichtung von Polikliniken und Ambulatorien, die 1947 den Land- und Stadtkreisen und den industriellen Großbetrieben aufgegeben wurde. Von 1949 an wurden Vorbeugung („Prophylaxe“) und späterhin auch die nachgehende Überwachung („Metaphylaxe“) zur ausdrücklichen Aufgabe dieser „Staatlichen Behandlungseinrichtungen“ gemacht. 1950 begann der Aufbau von „Beratungs- und Behandlungsstellen“ (in der SU „Dispensaires“) für bestimmte Krankheiten oder Personengruppen. So entstanden mehrere Systeme mit sich überschneidenden Aufgaben: „Behandlungseinrichtungen“ regionaler Zuständigkeit und solche für Betriebsbelegschaften, die beide auch Vorbeugung betreiben sollten; neben ihnen „Beratungsstellen“, die — nach medizin. Fachgebieten gegliedert — auf Vorbeugung und nachgehende Überwachung orientiert waren, aber auch behandelten. 1952 wurde erstmals die Koordinierung versucht: die Poliklinik wurde „Leitorgan“ in ihrem Kreis, doch war das Betriebs-G. ausgenommen. Poliklinik und Krankenhaus jedes Kreises sollten gemeinsame ärztliche und Verwaltungsleitung haben („Einheit Krankenhaus-Poliklinik“), jeder Kranke innerhalb des Krankenhauses („stationär“) wie außerhalb („ambulant“) vom gleichen Arzt, behandelt werden. Damit war im Programm der Stand der SU im wesentlichen erreicht. Die weitere Entwicklung vollzog sich gleichläufig. 1. Organisationsprinzipien Seit 1954 wird versucht, die Organisation des G. an zwei Prinzipien auszurichten: Gliederung nach „Versorgungsbereichen“ und „Dispensaire-Methode“. Nach der „Rahmen-Krankenhausordnung“ vom 5. 11. 1954 (GBl. S. 957) soll in jeder regionalen Verwaltungseinheit (Land- und Stadtkreise, Stadtbezirke von Großstädten) das Krankenhaus als Gesundheitszentrum die gesamte ärztliche Versorgung der Bevölkerung in seinem „Versorgungsbereich“ leiten; dabei blieb wiederum das Betriebs-G. ausgenommen. Die Poliklinik als Einrichtung für die ambulante Behandlung und Überwachung wurde dem Krankenhaus des Versorgungsbereichs nachgeordnet (in Umkehrung des früheren Prinzips jetzt „Krankenhaus-Poliklinik-Einheit“). Aufgabe ist, „durch sinnvolles Ineinandergreifen der drei Aufgabenbereiche (nämlich Vorbeugung, Behandlung und nachgehende Überwachung) eine weitere Verbesserung der gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung zu erzielen“. Dem Leitenden Arzt jedes Krankenhauses sind dafür die jeweils kleineren Krankenhäuser seines Bereichs und die Poliklinik weisungsgebunden unterstellt, der Poliklinik ebenso Ambulatorien (anfangs mit nachgeordneten Außenstellen) und Staatlichen Praxen. In gleicher Weise ist auch den leitenden Fachärzten dieser Einrichtungen eine hierarchisch gestaffelte Fachaufsicht zugedacht. Die einheitliche Gliederung gibt die formalen Voraussetzungen, alle Behandlungen von Bezirks-Krankenhaus und -Poliklinik aus zu steuern. Damit sollen die Schwierigkeiten der fachlichen Koordinierung ärztlicher Behandlungen und der Weiterleitung der „schwierigen Fälle“ an die entsprechend qualifizierte Stelle mit den Mitteln des Kommandostaates gelöst werden. Das Vorhandensein einer verhältnismäßig starken Schicht qualifizierter niedergelassener Ärzte zwang jedoch zu wesentlichen Modifikationen gegenüber dem Schema der SU. Denn der starke Widerstand dieser Ärzte und ihre zunehmende Abwanderung ließen durchgreifende Maßnahmen zu ihrer Einordnung in das Gefüge der staatlichen Einrichtungen nicht zu. Auch stand die Tradition des praktischen Arztes einer extremen Spezialisierung nach dem Muster der SU entgegen. So sollte von 1958 an die Staatliche Praxis (für Ärzte und Zahnärzte, wie auch für Tierärzte), ähnlich wie früher in der CSSR, die größere Selbständigkeit und individuelle Entscheidungsbefugnis (gegenüber der straffen Steuerung in Kollektiven in der SU) ermöglichen, die der Tradition des freiberuflichen Arztes westlicher Prägung zugestanden werden mußten. Die Auf[S. 159]lösung der freien Praxen oder ihre Umwandlung erwiesen sich dennoch als unmöglich. Daher wurden die „Ärzte in eigener Praxis“ in das Bereichsarztsystem einbezogen (Perspektivplan für die Entwicklung der Medizinischen Wissenschaft und des G., Juli 1959). Für den Großteil der Bevölkerung, mindestens außerhalb der Großstädte, ließ sich damit die freie Arztwahl wesentlich einschränken, ohne daß sie förmlich aufgehoben wurde. Die Einrichtung der Staatlichen Praxen seit 1958 hat die Abwanderung von Ärzten und den Widerstand der verbleibenden stark gefördert. Extremer Mangel an Ärzten zwang 1960 zu weitgehenden Zugeständnissen, die selbst vor der inneren Organisation der Staatlichen Einrichtungen nicht Halt machen konnten (Kommuniqué des Politbüros zur Verbesserung der Lage der Ärzte, 20. 12. 1960). 1961 wurde in diesen die „Halbstaatliche Praxis“ eingeführt und damit den angestellten Ärzten und Zahnärzten größere Bewegungsfreiheit innerhalb der Institutionen gewählt. Mit der Unterbindung der Abwanderung (13. 8. 1961) begann die Zahl der Ärzte und Zahnärzte rasch anzusteigen. Als Haupthindernis trat nun das Fehlen berufserfahrener Ärzte in den Vordergrund. Die hohen Ausbildungszahlen können das zunächst nicht ausgleichen. Die Schwierigkeiten sind von der Quantität auf die Qualität verlagert worden. 2. „Einheit des Gesundheitswesens“ Für das Arbeitsprinzip der Einheit von Vorbeugung, Behandlung und Überwachung und von ambulanter und stationärer ärztlicher Versorgung hat sich eine praktikable Lösung bisher nicht entwickeln lassen. Der jahrelang propagierte Gedanke, die ambulante und stationäre Behandlung jedes Kranken in der Hand jeweils nur eines Arztes zusammenzufassen, hat sich als nicht realisierbar erwiesen. Die Ärzte des Versorgungsbereiches sind weiterhin (mit Ausnahme einzelner Fachgebiete) entweder im „stationären“ oder im „ambulanten Sektor“ tätig. Zusammengefaßt sind nur noch „Anleitung und Kontrolle“ mit dem Zweck, eine rationelle einheitliche Behandlung und Überwachung innerhalb der staatlichen Behandlungseinrichtungen zu erreichen und Mehrfachaufwand für Diagnostik zu vermeiden. Ebenso hat sich kein Weg gefunden, das Betriebsgesundheitswesen in die Organisation nach Versorgungsbereichen einzubeziehen. Seine Angliederung an das „Gesundheitszentrum“ blieb stets rein formal. Die starke Betonung der Arbeitshygiene, die gegenüber der Behandlungsaufgabe in den Vordergrund gestellt wurde, gab den Betriebsärzten eine Sonderstellung. Versucht wurde, die Einrichtungen hier nach Wirtschaftszweigen (mit gleichen arbeitsmedizinischen Gefahrenmomenten) zu gliedern. Das ist mißlungen. Danach wurde auch hier eine regionale Gliederung eingeführt: die Betriebspoliklinik des größten Betriebs in jedem Kreis soll die Funktion einer „Leitstelle“ haben. Die Behandlungseinrichtungen aller kleineren Betriebe sind ihr formal nachgeordnet. Auch Klein- und Kleinstbetriebe sollen durch nebenamtliche Betriebsärzte arbeitshygienisch überwacht werden, unter Steuerung von der Leitpoliklinik aus. Diese „territoriale Organisation des Betriebsgesundheitsschutzes“ soll als Ganzes eine „Abteilung des Gesundheitszentrums“ des jeweiligen Kreises sein, um die Koordinierung der Behandlungsfunktionen zwischen betrieblich- und außerbetrieblich-regionalem System zu erreichen. Die zentrale arbeitsmedizinische Lenkung des Betriebsgesundheitswesens liegt bei der Arbeitssanitätsinspektion jedes Bezirks. 3. Dispensaireprinzip Gemeinsam ist diesen beiden Zweigen des G. die programmatische Vorrangstellung der „Prophylaxe“ und der nachgehenden Überwachung nach dem Prinzip des Dispensaire. Dessen Arbeit kann entweder auf Bevölkerungsgruppen, die gesundheitlich besonders gefährdet sind, gerichtet sein oder aber auf bestimmte Krankheiten, ihre Erfassung, Behandlungssicherung und Überwachung, wo immer sie auftreten. Die doppelte Ausrichtung im betrieblichen wie im regionalen System der staatlichen Einrichtungen führt zu zahlreichen Überschneidungen. In regionaler Gliederung ist die Dispensaire-Arbeit besonders auf Kinder, Jugendliche und Frauen gerichtet. Frauenberatungsstellen bieten Aufklärung und Hilfe [S. 161]in der Schwangerschaftsverhütung (zur Abwehr von Abtreibung und Schwangerschaftsunterbrechung, Schulung in der Säuglingspflege, Rechtsberatung usf.); Schwangerenberatung hat eine praktisch vollzählige Erfassung und Überwachung aller Schwangeren bewirkt. Die Anstaltsentbindung ist systematisch gefördert worden (1963: 94,2 v. H. aller Entbindungen in Krankenhäusern und Heimen); damit und mit Frühgeburtendienst, Frauenmilchsammelstellen und Milchküchen hat sich zwar nicht die Frühgeburtenrate, wohl aber die Frühgeborenensterblichkeit und damit die Säuglingssterblichkeit überhaupt beträchtlich senken lassen. Ähnlich ist die Jugendgesundheitspflege, die sich bis zum Ende des Berufsschulalters (also noch über die zehnklassige Oberschule hinaus) erstreckt, mitsamt Jugendzahnpflege zu einem System der Erfassung von Gesundheitsschäden und -schwächen in Reihenuntersuchungen und der Sicherung und Überwachung ihrer Behandlung ausgebaut; die gesundheitlich ungünstigen Auswirkungen von verschleierter Kinderarbeit (Erntehilfe u.ä.), von Überforderung im Schulbetrieb, von Überlastung in der polytechnischen Bildung u. Erziehung können damit allerdings nicht kompensiert werden. Auch die ärztliche Überwachung des Sports ist in „Sportärztlichen Beratungsstellen“ nach dem Dispensaireprinzip organisiert (Sportarzt). In der erwachsenen Bevölkerung sollen die Dispensaires einigen weitverbreiteten Krankheiten begegnen: Herz- und Kreislaufleiden, rheumatischen Leiden, Krankheiten der Atmungsorgane, Diabetes u.v.a. Solche Dispensaires bestehen zwar bei einzelnen großen Polikliniken, in der Hauptsache aber ist das Prinzip auf das Betriebs-G. beschränkt geblieben. Dort werden, wiederum mittels Reihenuntersuchungen, die Kranken frühzeitig „erfaßt“ und dann im Dispensaire „betreut“. Ebenso werden bestimmte Berufskrankheiten in einzelnen Industriezweigen und die vielfältigen Überlastungsgefahren der Frauen in Großbetrieben behandelt. In den Betriebspolikliniken großer Industriebetriebe wird die gezielte Vorbeugung ergänzt durch nachgehende Maßnahmen, die sich besonders auf Rekonvaleszenten und auf Chronisch-Kranke richten: Nachtsanatorien sollen eine Kombination klinischer Behandlung mit Erwerbsarbeit ermöglichen, „Schonarbeitsplätze“ vor den hohen Anforderungen, die die Arbeitsnormen auf normalen Arbeitsplätzen mit sich bringen, zeitweise bewahren (sog. Rehabilitation). Besondere Förderung erfährt, nach dem Muster der SU, seit einigen Jahren der „Gesundheitsschutz der Landbevölkerung“, d.h. das Betriebs-G. der Landwirtschaftlichen ➝Produktionsgenossenschaften („LPG“) und die Hygiene der landwirtschaftlichen Wohngebiete, die beide „hinter der sozialistischen Umwälzung auf dem Lande zurückgeblieben“ sind (Perspektivplan, S. 22). Vorgefundene Struktur der medizinischen Versorgung und größere Siedlungsdichte im Vergleich zur SU haben die Nachahmung der dort entwickelten Organisationsschemata auf diesem Gebiete verzögert. In der Aufstellung der Bezirke nach dem Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an den Beschäftigten überhaupt (Tabelle) zeigen sich bei der ärztlichen und Krankenhausversorgung noch heute starke Ungleichmäßigkeiten; dagegen ist die Zahl der Beratungsstellen und Entbindungsbetten jetzt in den vorwiegend landwirtschaftlichen Bezirken relativ größer als in den industriellen. Die Säuglingssterblichkeit ist, soweit sie durch Anstaltsentbindung und Frühgeburtendienst gesenkt werden kann (Frühsterblichkeit), in jenen recht günstig, nicht aber im späteren Säuglingsleben, wo sie von den allgemeinen sozialen Umständen abhängt (Spätsterblichkeit; sie ist in der SBZ insgesamt auffallend hoch). 4. Hygiene Den dritten Zweig des G. bilden Hygiene und Seuchenbekämpfung. Zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sollen einwandfreie Verhältnisse bei Trink- und Abwasser, im Lebensmittelverkehr, in den sehr verbreiteten Betriebsküchen u. dgl. herbeiführen. Zu ihrer Durchsetzung sind die Kontrollorgane unter Leitung der Hygiene-Inspektion mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Die Eingliederung der Arbeitssanitätsinspektionen in die Bezirks-Hygiene-Institute (1959) soll die Koordination zwischen betrieblichen und allgemeinen Schutzmaßnahmen sichern und die häufigen Reibungen und Überschneidungen überwinden. [S. 162]Die gemeinsame Leitung aller drei Zweige und des Apothekenwesens liegt regional bei der Abteilung G. jedes Kreises und Bezirks, also in der Hand der Kreisärzte und Bezirksärzte. Sie sind für die gesundheitspolitische Kontrolle, für die Kaderpolitik und für die Verwaltungskoordination verantwortlich. 5. Doktrin und Realität Insgesamt entspricht alles das, trotz manchen Abweichungen in den Einzelheiten, dem G. der SU: im Plan ein umfassendes und rationell erscheinendes System von Krankheitsverhütung und -behandlung, das auf die Entwicklung und Erhaltung gegenwärtiger und zukünftiger Arbeitskraft ausgerichtet ist. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Immer neue Änderungen im Programm widerlegen die Behauptung, daß es sich um eine klare Konzeption handle, die sich mit angemessenem Aufwand realisieren ließe. Sie beweisen das Unvermögen des Regimes, einfache und in der Praxis wirksame beständige Grundformen zu entwickeln, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden und dabei Raum für die Entfaltung persönlicher Initiative der Mitarbeiter zur Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten lassen. Wirklichkeitsfern nach Doktrinen konstruierte Einrichtungen führen zu einem Übermaß von Verwaltung und „Kontrolle“. Kräfte und Mittel werden dadurch der effektiven Arbeit entzogen. So sind auch die (allerdings sehr beträchtlichen) Abgänge von Ärzten und anderen Angehörigen der Heilberufe keineswegs die einzige Ursache des Notstandes von 1958 an gewesen. Fehlleitung und Mißbrauch der vorhandenen Kräfte, rücksichtslose Konkurrenz der verschiedenen Teile des Staatsapparates, zumal der militärischen Verbände (Ministerium für G., Militärpolitik) haben dazu wesentlich beigetragen. Unter dem allgemeinen Ressortegoismus ist die Einheit des G. aufgelöst worden: „Nationale Volksarmee“, Verkehrswesen, Sport führen jeder einen eigenen „Medizinischen Dienst“, der dem Einfluß des Gesundheitsministeriums entzogen ist und diesem die knappen Fachkräfte in den Heilberufen streitig macht. Aber auch eine sehr viel bessere Organisation des G. könnte das proklamierte Ziel, die Verhütung von Krankheiten, nicht erreichen. Die Überspannung der Arbeit von Frauen und Jugendlichen unter Mißachtung elementarer Grundsätze des Arbeitsschutzes (Nacht- und Schwerarbeit der Frauen und Jugendlichen vom 17. Lebensjahr an) verursacht kaum abschätzbare Gesundheitsschäden. Besonders ungünstig sind die ständige nervliche Belastung (Normen, Prämienwesen, politischer Druck) und das Fehlen ausreichender Entspannungsmöglichkeiten (ungenügende Freizeit durch Sonderschichten und -einsätze, staatspolitische Schulung usf.). Der „Gesundheitsschutz“ bleibt auf die Früherfassung von Krankheiten beschränkt und erreicht selbst diese nicht. Rehabilitation und Nachtsanatorien könnten wertvolle Einrichtungen sein, die dem heutigen Erkenntnisstand der Medizin entsprechen. Aber sie entarten unter dem alles beherrschenden Streben, die verknappte Arbeitskraft zu nutzen. Der Krankenstand hält sich trotz ständiger Bemühung stets um mehr als ein Viertel über den Kennziffern, keineswegs nur aus Krankheitsgründen. Oft genug dient Arbeitsbefreiung unter Vorgabe von Krankheit lediglich der Tarnung von Wartezeiten, die durch Ausbleiben von Materiallieferungen u.ä. hervorgerufen werden. Jedoch läßt die auffallend lange durchschnittliche Dauer der Krankheitsfälle vermuten, daß ernste Gesundheitsschäden eine beträchtliche Rolle spielen; dabei spricht die Erschwerung der ärztlichen Behandlung durch lückenhafte Arzneimittelversorgung ebenso mit wie der Mangel an erfahrenen Ärzten in der Krankheitsbehandlung; beides führt oft zu behelfsmäßiger oder gar oberflächlicher Behandlung. Andererseits ist gerade durch die Ärzteflucht dem Regime die Durchsetzung des Programms erleichtert worden, vor allem die Anerkennung der Polikliniken in der Bevölkerung und die weitgehende Einschränkung der freien Arztwahl. Die Nachwuchszahlen liegen sehr hoch, bei Ärzten und anderem Medizinischen Personal. Die Zahlen der Mitarbeiter des G. nähern sich den Normzahlen des Siebenjahrplans. Zugeständnisse in programmatischen Formulierungen („Perspektivplan“) und zeitweilig mildere Regelungen (Kommuniqué des Politbüros vom 20. 12. 1960) waren von vornherein nur als zeitweilig zu [S. 163]verstehen. Das Ziel der völligen Verstaatlichung und der einheitlich straffen Steuerung des G. hat nie in Frage gestanden. Es ist im wesentlichen erreicht. Als nächster Schritt zeichnen sich die Beseitigung der Einzelpraxen (auch der Staatlichen) und ihre Zusammenfassung in Polikliniken und Ambulatorien nach dem Muster der SU ab. Die Medizinische Ausbildung ist nach dem Muster des sowjetischen Ausbildungssystems umgestaltet und stark politisiert worden. Auch die medizinisch-wissenschaftliche Arbeit, die nachdrücklich gefördert wird (Akademie der Wissenschaften), unterliegt straffer Planung (Deutscher ➝Forschungsrat) und intensiver politischer Einwirkung. Literaturangaben Weiss, Wilhelm: Das Gesundheitswesen in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw., von Erwin Jahn völlig umgearb. Aufl. (BB) 1957. Teil I (Text) 98 S., Teil II (Anlagen) 189 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 158–163 Geständniserpressung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z GesundheitszentrumSiehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 [S. 158]Im G. sind von 1945 bis 1958 die Entwicklungsphasen des G. der SU in allen wesentlichen Punkten wiederholt worden: einer Anfangsperiode der Eindämmung von Seuchen, Tbc und Geschlechtskrankheiten folgte die Errichtung von Polikliniken und Ambulatorien, die 1947 den Land- und Stadtkreisen und den industriellen Großbetrieben aufgegeben wurde. Von 1949 an wurden Vorbeugung („Prophylaxe“) und…
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Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) (1965)
Siehe auch: Vereinigungen Volkseigener Betriebe: 1959 1960 1962 1963 Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB): 1966 Vereinigung Volkseigener Betriebe: 1969 Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB): 1979 Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB.): 1975 Nach 1945 in verschiedenen Zeitabschnitten für unterschiedliche Institutionen angewendete Bezeichnung: 1. VVB war in den Jahren 1948 bis 1951 die Bezeichnung für „Vereinigungen Volkseigener Betriebe“, d.h. der Institutionen zur Leitung und Kontrolle der verstaatlichten Betriebe. Es gab etwa 75 VVB der verschiedenen Fachrichtungen, denen jeweils eine größere Anzahl Betriebe angehörten. Diese Betriebe waren juristisch nicht selbständig, ihre Bilanzen waren Teilbilanzen der VVB, die auch befugt war, Gewinne und Verluste der Betriebe gegeneinander auszugleichen. Mit der ab Januar 1952 durchgeführten ersten großen Reorganisation der „volkseigenen Wirtschaft“ (Wirtschaftliche Rechnungsführung) wurden diese VVB aufgelöst. Die Betriebe wurden zu selbständig wirtschaftenden Einheiten. 2. VVB war in den Jahren 1952 bis Anfang 1958 die Bezeichnung für „Verwaltungen Volkseigener Betriebe“. Es handelt sich dabei praktisch um die aufgelösten bzw. in ihren Zuständigkeiten wesentlich eingeschränkten bisherigen „Vereinigungen“. Die neuen VVB waren nur noch Anleitungs- und Aufsichtsorgan für jeweils eine Anzahl ihnen zugeordneter Betriebe gleicher Fachrichtung; sie führten die Weisungen der damaligen fachlichen Hauptverwaltungen der Produktionsministerien aus. Zahlreiche dieser VVB wurden im Laufe der Jahre aufgelöst oder neu gegliedert. Sie verschwanden Anfang 1958 bei der zweiten großen Reorganisation der „volkseigenen“ Wirtschaft gänzlich. 8. VVB war von 1958 bis 1963 die Bezeichnung für „Vereinigungen Volkseigener Betriebe“, die keinerlei Ähnlichkeit mit den unter i. gekennzeichneten „Vereinigungen“ haben. Nach Auflösung der Produktionsministerien seit Febr. 1958 wurden deren bisherige fachliche Hauptverwaltungen (jene Stellen also, die direkt oder über „Verwaltungen Volkseigener Betriebe“ die Produktionsbetriebe anleiteten) unter der Bezeichnung „Vereinigungen Volkseigener Betriebe“ in Industrieorten mit der Aufgabe der „operativen und produktionsnahen Anleitung“ der „volkseigenen“ Industriebetriebe etabliert. Die neuen VVB unterstanden bis Sept. 1961 den Fachabt. der Staatlichen ➝Plankommission, waren seitdem jedoch dem neugebildeten Volkswirtschaftsrat unterstellt; sie leiteten die zentralgeleitete Industrie an (Unterschied dazu, damals Örtliche Industrie). 4. Im Zusammenhang mit der Einführung des Neuen ökonomischen Systems wurden die VVB erneut umgebildet und erhielten erweiterte Funktionen. Die neuen VVB sind seit Anfang 1964 „ökonomische Führungsorgane ihres Industriezweiges und arbeiten nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung“. Die Betriebsleiter der angeschlossenen „volkseigenen“ Betriebe sind dem Generaldirektor der VVB rechenschaftspflichtig. Die Leitungen der VVB sind für die Sicherung der Rentabilität der angeschlossenen Betriebe verantwortlich; sie entscheiden auch nach Abführung der vorgesehenen Finanzmittel an den Staatshaushalt über die Verwendung der Gewinne. Zu diesem Zweck werden Finanzmittel der Betriebe in besonderen Fonds beim Generaldirektor der VVB konzentriert: im Fonds ➝Technik, im Verfügungsfonds, im Kreditreservefonds und im Gewinnverteilungsfonds. Die neuen VVB sollen verantwortlich sein „für die Durchführung der Reproduktion, Erweiterung der Kapazität und Einführung der neuen Technik“ in den angeschlossenen Betrieben „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“, d.h. nach den Weisungen der vorgeordneten Leitungsorgane (Staatliche Plankommission, Volkswirtschaftsrat). Bei den VVB-Leitungen sind zur Verwirklichung des Produktionsprinzips sog. Parteiorganisatoren vom ZK der SED eingesetzt. Durch sie kontrolliert die Partei unmittelbar die Industrie. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 445 Vereinigung Volkseigener Betriebe Tierzucht (VVB Tierzucht) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Vereinten Nationen, Deutsche Liga für dieSiehe auch: Vereinigungen Volkseigener Betriebe: 1959 1960 1962 1963 Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB): 1966 Vereinigung Volkseigener Betriebe: 1969 Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB): 1979 Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB.): 1975 Nach 1945 in verschiedenen Zeitabschnitten für unterschiedliche Institutionen angewendete Bezeichnung: 1. VVB war in den Jahren 1948 bis 1951 die Bezeichnung für „Vereinigungen Volkseigener Betriebe“, d.h. der…
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Familienrecht (1965)
Siehe auch: Familienrecht: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Güterrecht, Eheliches: 1979 Güterstand: 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Gesetzliche Grundlage des F. ist zum großen Teil noch das BGB. Alle dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau entgegenstehenden Bestimmungen sind durch Artikel~7 Abs.~2 und Artikel~30 Abs.~2 der Verfassung aufgehoben worden (Gleichberechtigung der Frau). Die aufgehobenen alten familienrechtlichen Vorschriften sind nur zum Teil durch neue gesetzliche Bestimmungen ersetzt worden. Der vom Justizministerium 1954 fertiggestellte Entwurf eines Familiengesetzbuches (FGB) ist nicht als Gesetz verabschiedet worden. Lediglich die Vorschriften über die Eheschließung und Eheauflösung mußten durch eine besondere VO vom 24. 11. 1955 (GBl. S. 849) in Kraft gesetzt werden, nachdem das vom Kontrollrat erlassene Ehegesetz vom 20. 2. 1946 durch den am 19. 9. 1951 verkündeten Beschluß des sowjet. Ministerrates aufgehoben worden war. Das „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ vom 27. 9. 1950 (GBl. S. 1037), das vor allem den Einsatz der Frau in der Produktion sichern sollte, bestätigte den Grundsatz der Gleichberechtigung, regelte aber nur wenige familienrechtliche Fragen (Familienpolitik). Weitere Rechtsgrundsätze für die Behandlung von Familienrechtsstreitigkeiten in Auslegung der Verfassung und des Gesetzes vom 27. 9. 1950 wurden daher 1951 von einer Kommission aus den Vertretern der obersten Justizbehörden festgelegt, um die durch das Fehlen gesetzlicher Bestimmungen eingetretene Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Die im wesentlichen hiermit übereinstimmenden Grundsätze des Entwurfs des FGB werden daher schon seit langem als geltendes Recht angewendet. Hiernach haben die Ehegatten über alle das eheliche Leben betreffende Angelegenheiten eine einverständliche Entscheidung herbeizuführen. Ein Entscheidungsrecht des Ehemannes gibt es nicht. Die Frau behält jedoch noch den Familiennamen des Mannes. Es soll ihr lediglich gestattet werden, ihren Geburtsnamen hinzuzufügen. [S. 123]Beiden Elternteilen steht im gleichen Maße das Sorgerecht zu. Nichteheliche Kinder haben im Verhältnis zu ihren Eltern und deren Verwandten grundsätzlich die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Sie beerben jedoch nicht die Verwandten des Vaters. Das elterliche Sorgerecht besitzt nur die Mutter. Gegen die Verwandten und Eltern hat das Kind nach dem Entwurf des Familiengesetzbuches den gleichen Unterhaltsanspruch wie ein eheliches Kind. Das Recht, die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten, hat neben dem Vater und dem Staatsanwalt auch die Mutter des Kindes. Völlig neu ist die Adoption geregelt worden. Nach der VO über Eheschließung und Eheauflösung müssen Mann und Frau 18 Jahre alt sein (Volljährigkeit), wenn sie heiraten wollen. Bei der Ehescheidung kommt es nicht auf das Verschulden, sondern auch darauf an, ob die Ehe objektiv zerrüttet ist und deshalb ihren Sinn für die Gesellschaft und damit auch für die Eheleute und die Kinder verloren hat. Es gibt daher keinen Schuldausspruch im Scheidungsurteil. Damit entfallen sämtliche an das Verschulden geknüpfte Rechtsfolgen, insbesondere hinsichtlich des Sorgerechts für die Kinder und des Unterhalts der geschiedenen Ehegatten. Bei Auflösung der Ehe hat die Ehefrau einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den Mann oder dessen Erben. Da in der sozialistischen Gesellschaft jeder arbeitsfähige Mensch seinen Unterhalt durch eigene Arbeit verdienen muß, hat die Ehefrau grundsätzlich keinen Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltspflicht). Die Zuständigkeit in Ehesachen ist durch VO vom 21. 12. 1948 (ZV-Bl. S. 588) am 1. 7. 1949 den Amtsgerichten übertragen worden, an deren Stelle seit Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 2. 10. 1952 die Kreisgerichte getreten sind (Gerichtsverfassung). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich unter Berücksichtigung der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach § 606 ZPO. An die Stelle eines hiernach etwa zuständigen westdeutschen oder West-Berliner Gerichts tritt jedoch nach der Rundverfügung Nr. 76/52 des Ministers der Justiz vom 1. 7. 1952 das sowjetzonale Kreisgericht, in dessen Bezirk der klagende Ehegatte seinen ständigen Aufenthalt hat. Das Verfahren in Ehesachen ist durch die VO über Eheschließung und Eheauflösung — Eheverfahrensordnung — vom 7. 2. 1956 (GBl. S. 145) unter Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen der ZPO neu geregelt worden. In allen Scheidungssachen ist eine vorbereitende Verhandlung „zur Aussöhnung und Erziehung der Parteien“ durchzuführen. Erst in einem zweiten Termin darf eine Entscheidung getroffen werden. Die Verhandlung in Ehesachen ist öffentlich. Gleichzeitig mit dem Scheidungsverfahren sind das elterliche Sorgerecht und der Unterhalt der Kinder und der Ehegatten zu regeln. Wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dient auch das sowjetzonale Scheidungsrecht der Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Aus diesem Grunde werden in der BRD sowjetzonale Ehescheidungsurteile nicht mehr anerkannt, wenn die beklagte Partei zur Zeit des Urteils ihren dauernden Aufenthalt in der BRD hatte und die Scheidung nach westdeutschem Recht nicht hätte ausgesprochen werden dürfen. Die gesetzlichen vertragsgemäßen Güterstände sind als gegen die Gleichberechtigung gerichtet durch die Verfassung außer Kraft gesetzt worden. Sämtliche Eheleute leben in Gütertrennung (Güterstand). Die bisherige Absicht, ein besonderes FGB zu schaffen, scheint neuerdings aufgehoben worden zu sein. Nach den jetzt veröffentlichten gesetzgeberischen Plänen soll das F. Teil des neuen Zivilgesetzbuches werden. Literaturangaben Hagemeyer, Maria: Zum Familienrecht der Sowjetzone — Der „Entwurf des Familiengesetzbuches“ und die „Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung“. 3., überarb. Aufl. (BMG) 1958. 75 S. Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 122–123 Familienpolitik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z FamilienzusammenführungSiehe auch: Familienrecht: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985 Güterrecht, Eheliches: 1979 Güterstand: 1962 1963 1966 1969 1975 1979 Gesetzliche Grundlage des F. ist zum großen Teil noch das BGB. Alle dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau entgegenstehenden Bestimmungen sind durch Artikel~7 Abs.~2 und Artikel~30 Abs.~2 der Verfassung aufgehoben worden (Gleichberechtigung der Frau). Die aufgehobenen alten familienrechtlichen…