DDR A-Z 1979

FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) (1979)

Siehe auch: FDGB: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund): 1975 FDGB (FREIER DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND): 1969 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund: 1965 1966 1969 1975 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB): 1985 [S. 351] Der FDGB ist die einheitliche gewerkschaftliche Organisation für alle Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz in der DDR. Seine ausschließliche Erwähnung in der Verfassung der DDR (Art. 44,1) und im Arbeitsgesetzbuch (AGB) der DDR gibt seiner Monopolstellung die rechtliche Grundlage. Als der „umfassenden Klassenorganisation der Arbeiterklasse“ und als der zahlenmäßig stärksten Massenorganisation kommt dem FDGB im Herrschafts- und Gesellschaftssystem der DDR zentrale Bedeutung zu. Der von der SED erhobene Führungsanspruch und der Marxismus-Leninismus als ideologisch-programmatische Grundlage gewerkschaftlichen Handelns werden in der Satzung des FDGB ausdrücklich anerkannt; die in der Verfassung (Art. 44,2) betonte Unabhängigkeit der Gewerkschaften kann demnach nur als Ausfüllung der auf diese Weise grundsätzlich vorgeformten Handlungsspielräume und Aufgabenstellungen verstanden werden. I. Zum Selbstverständnis des FDGB Die Funktion des FDGB als Interessenvertretung wird von der Auffassung bestimmt, daß mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln der Klassenkonflikt beseitigt und im Grundsätzlichen die Interessenidentität zwischen den Gesellschaftsmitgliedern hergestellt worden sei. Der FDGB ist seinem Selbstverständnis nach nicht ein Interessenverband abhängig Beschäftigter, der Arbeitgebern gegenübertritt, sondern eine Organisation von Werktätigen, die zugleich als Miteigentümer der als im Volkseigentum befindlich verstandenen Produktionsmittel aufgefaßt werden. Auf dem Hintergrund dieser Interpretation werden im gesamtgesellschaftlichen Interesse, wie es die SED und die Staatsorgane aktualisieren und konkretisieren, die Einzelinteressen von Individuen, Gruppen. Schichten und Klassen immer als in ihm aufgehoben gesehen. Interessenvertretung hat so wesentlich die Propagierung dieser parteilichen und staatlichen Zielsetzungen bzw. die Mobilisierung der Mitgliedschaft für ihre Erfüllung zum Inhalt. Doch ist bereits in der auch heute noch für den FDGB verbindlichen leninschen Gewerkschaftskonzeption die Perspektive enthalten, daß die postulierte Interessenidentität sich erst in einem längeren historischen Prozeß realisieren läßt und nicht als etwas Gegebenes, sondern als etwas jeweils erneut Herzustellendes begriffen werden muß. Ferner können danach Verselbständigungstendenzen staatlicher und wirtschaftlicher Verwaltungseinheiten (Bürokratisierung usw.) und die selbstherrliche Verletzung gesetzlicher Bestimmungen durch einzelne Funktionäre nicht ausgeschlossen werden. So sei es notwendig, den Gewerkschaften eine gewisse Eigenständigkeit zuzubilligen, damit sie die unmittelbaren Interessen der in ihren Reihen Organisierten artikulieren und vertreten, eine gewisse Kontrollfunktion gegenüber staatlichen, vor allem wirtschaftlichen Teilstrukturen ausüben und für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Arbeits-, Arbeitsschutz-, Sozial- und Bildungsrechts Sorge tragen können. Während diese Seite der Arbeit des FDGB bis weit in die 50er Jahre hinein im Hintergrund stand und seine Tätigkeit von der einseitigen Unterstützung der gesamtgesellschaftlichen politischen und ökonomischen Zielsetzungen, wie sie in den Parteibeschlüssen zum Ausdruck kamen, geprägt war, ist seitdem eine gewisse Korrektur erfolgt. Zu diesen Veränderungen haben neben aktuellen politischen und sozialen Konflikten, die den Verlust der integrativen Funktion der Gewerkschaften drastisch demonstrierten (Ungarnaufstand, Polnischer Oktober. Dezemberstreiks in Polen, Fluktuation der Arbeitskräfte, ungenügende Steigerung der Arbeitsproduktivität usw.) auch die neueren theoretisch-ideologischen Diskussionen beigetragen. In ihnen wurde das Vorhandensein sozialer Konflikte (nichtantagonistischer Widersprüche) auch in den sich herausbildenden neuen gesellschaftlichen Strukturen nicht nur zugegeben, sondern als unvermeidlich und den Entwicklungsprozeß letztlich fördernd anerkannt. In diesem Zusammenhang sind allerdings Fragen nach der tatsächlichen Machtverteilung, nach der realen Verfügungsgewalt über den Wirtschaftsapparat nicht gestellt, das Postulat von der grundsätzlichen Interessenidentität nicht bezweifelt worden. Ebenso blieb der Anspruch der Partei, mit ihrer Politik das Entstehen ausgedehnterer Konfliktfelder durch vorausschauende (wissenschaftliche), planmäßige „Leitung der gesellschaftlichen Prozesse“ zu verhindern, unangetastet. Trotzdem wich im Ergebnis dieser Diskussionen die Vorstellung von einer weitgehend „harmonistischen“ Gesellschaft, in der jedes dieses Konzept störende Sonderinteresse bzw. jeder Konflikt als vom „Klassenfeind“ inspiriert und potentiell „feindlich“ erscheinen mußte, einer nüchterneren Einsicht in die Interessenvielfalt und Konflikthaltigkeit der Gesellschaft. Damit erhielt der Teil der Gewerkschaftsarbeit, der im herkömmlichen Sinn als unmittelbare Vertretung der Interessen der Mitglieder verstanden werden kann, auch von der theoretisch-ideologischen Seite her ein größeres Gewicht. Dabei werden im Selbstverständnis des FDGB gesamtgesellschaftliche und partikulare Interessen nicht voneinander getrennt gesehen oder gar einan[S. 352]der gegenübergestellt. Vielmehr werden sie als eine konfliktreiche (dialektische) Einheit gedeutet, in der im Ergebnis die Lösung von Zielkonflikten immer zugunsten des Gesamtinteresses gesucht wird. So bedeutet z. B. die gewerkschaftliche Kontrolle bei der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen einerseits Schutz des Beschäftigten vor Gesetzesverletzungen durch die Werkleitungen, andererseits den Einsatz gewerkschaftlicher Mittel, um bei den Betriebsbelegschaften gleichfalls die Befolgung der rechtlichen Vorschriften zu sichern (Arbeitsrecht; Gesellschaftliche Gerichte). Auf diesem Hintergrund sind die Funktionen und die Einbeziehung des FDGB in die Herrschaftsstrukturen zu sehen und zu beurteilen. Der FDGB versteht sich als „Schule des Sozialismus“, d. h. er beteiligt sich an der Erziehung seiner Mitglieder zum sozialistischen Bewußtsein, vermittelt Kenntnisse über politische, gesamtgesellschaftliche und insbesondere volkswirtschaftliche Zusammenhänge und strebt die Herausbildung neuer sozialer Verhaltensweisen (Arbeitsdisziplin, Eigentümerbewußtsein, sozialistische Hilfe am Arbeitsplatz, Kritik und Selbstkritik usw.) an. Als Teil der „Sozialistischen Demokratie“ setzt er sich für die Durchführung der Beschlüsse der SED und der staatlichen Organe ein, aktiviert seine Mitglieder für die Erfüllung bzw. Übererfüllung der ökonomischen Aufgaben und bietet zugleich in seiner Organisationsstruktur vorgegebene und abgestufte Möglichkeiten für die Mitwirkung an den staatlichen und ökonomischen Entscheidungsprozessen, insbesondere auf betrieblicher Ebene. Von besonderer Bedeutung sind die Mitwirkungsrechte des FDGB im Arbeitsrecht sowie in der Sozial- und Kulturpolitik. Die im Selbstverständnis und in den grundsätzlichen Aufgabenstellungen des FDGB angelegten Gegensätze und Konflikte führen in der täglichen Gewerkschaftsarbeit zu mannigfachen Schwierigkeiten. Die Vorrangigkeit der wirtschaftlichen Zielsetzungen, die Abhängigkeit des FDGB von der SED und die Einbindung der Gewerkschaften in die staatliche und ökonomische Entscheidungs- und Leitungspyramide begünstigen nach wie vor Tendenzen zur Vernachlässigung der unmittelbaren Interessenvertretung der Werktätigen am Arbeitsplatz. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß, beginnend mit den Wirtschaftsreformen 1963 Phasen der Wirtschaftspolitik seit 1963) und verstärkt nach dem VIII. Parteitag der SED 1971, die gewerkschaftlichen Kontrollrechte gegenüber den Wirtschaftsleitungen und die Mitgestaltungsrechte im sozialpolitischen Bereich gestärkt worden sind. Diese Entwicklung zeigt sich nicht zuletzt in dem Ausbau der gewerkschaftlichen Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs- und Mitwirkungsrechte in den verschiedenen Kodifikationen des Arbeitsrechts, zuletzt in dem am 1. 1. 1978 in Kraft getretenen AGB. Der FDGB ist im Verlauf dieses Prozesses neben der SED und dem Staatsapparat zu einem dritten, wenn auch schwächeren, tragenden Teil des politischen Systems in der DDR geworden. II. Zur Geschichte Als der SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 die Gründung von Gewerkschaften erlaubte und am 15. 6. 1945 der vorbereitende Gewerkschaftsausschuß für Groß-Berlin zur Schaffung freier Gewerkschaften aufrief, hatten sich erstmals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung unter dem Eindruck des Versagens der verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen vor dem Nationalsozialismus und angesichts des totalen Zusammenbruchs von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft alle bedeutenden weltanschaulichen Richtungen (sozialdemokratisch, kommunistisch, christlich und liberal) zusammengefunden. um eine überparteiliche Einheitsgewerkschaft ins Leben zu rufen. Damit war es der KPD gelungen, aus der Außenseiterrolle, die sie in den freien Gewerkschaften und mit den Roten Gewerkschaftsorganisationen (RGO) in der Weimarer Republik gespielt hatte, herauszutreten und sich von Anbeginn maßgeblich an der Führung der neuen Gewerkschaftsbewegung zu beteiligen. Der Gründungsvorgang fand im Februar 1946 auf der I. Zentralen Delegiertenkonferenz des FDGB seinen Abschluß. Die Konstituierung des FDGB bildete eine wichtige Voraussetzung für die Vereinigung von KPD und SPD, da letztere ihren traditionellen Rückhalt in den sozialdemokratisch orientierten freien Gewerkschaften verloren hatte. Der Zusammenschluß von KPD und SPD zur SED förderte seinerseits die Umgestaltung des FDGB in eine Gewerkschaft kommunistischen Typs; er drängte die Vertreter der früheren christlichen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften von vornherein in eine aussichtslose Minderheitenposition. Die Ausschaltung ehemals sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionäre, soweit sie an ihren Vorstellungen festhielten, wurde zu einem innerparteilichen Problem der SED, das diese im Zuge ihrer Entwicklung zu einer „bolschewistischen Partei neuen Typs“ lösen konnte. Die Auflösung der Betriebsräte und die Übertragung des Vertretungsrechts der Belegschaften gegenüber den Werkleitungen an die Betriebsgewerkschaftsorganisationen aufgrund der Bitterfelder Beschlüsse 1948 war ein weiterer entscheidender Schritt in der Formung des FDGB zu seiner heutigen Gestalt. Die Herausbildung des Planungssystems, die Konzentrierung der Gewerkschaftsarbeit auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität mit Hilfe der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung, das Fehlen des traditionellen Gegenspielers in Form der Arbeitgeberverbände, die verboten blieben, bestimmten sehr bald die Tätigkeit des FDGB. Auf dem 3. FDGB-[S. 353]Kongreß 1950 wurde in der Satzung der Führungsanspruch der SED auch öffentlich anerkannt, der traditionellen Gewerkschaftsarbeit als „Nur-Gewerkschaftertum“ der Kampf angesagt und der Demokratische Zentralismus als Organisationsprinzip festgelegt. In den folgenden Jahren, die gekennzeichnet waren durch die Einführung der Planwirtschaft sowjetischen Typs, durch die Überwindung der Kriegsfolgen und den Neuaufbau einer industriellen Produktionsbasis, durch die Umwandlung der überkommenen Sozialstrukturen und die Herausbildung einer neuen politisch-gesellschaftlichen Ordnung, steht der FDGB ganz im Dienst dieser ökonomischen und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen; er vollendet seine Ausformung zu einer voll in das Herrschaftssystem integrierten marxistisch-leninistischen Gewerkschaft. Die Erfahrungen aus den polnischen und ungarischen Unruhen 1956 im Zusammenhang mit den sich zur gleichen Zeit anbahnenden Diskussionen um neue Formen der ökonomischen und in begrenzterer Weise auch der politischen Organisation (Gesetz über die örtl. Organe der Staatsmacht 1957, erste Reorganisation der Planungs- und Leitungsinstanzen im ökonomischen Bereich usw.) führen zu Ansätzen einer Stärkung der Kontroll- und Mitwirkungsrechte des FDGB (z. B. gesetzt Verankerung der ständigen Produktionsberatung 1959). Die Einführung des Neuen Ökonomischen Systems 1963 mit seinem Abgehen von der zentralen Detailplanung und der daraus resultierenden größeren Selbständigkeit der VEB, VVB und regionalen Staatsorgane vergrößerten die Möglichkeiten der Einwirkung und die Notwendigkeit der Kontrolle durch den FDGB. Seit dem 6. FDGB-Kongreß 1963 wird die Vertretung der unmittelbaren Interessen der Beschäftigten als gewerkschaftliche Aufgabe immer erneut unterstrichen und die Kontrollfunktion des FDGB betont. Herbert Warnke formulierte als Vorsitzender des FDGB dieses stärkere Absetzen von den wirtschaftlichen Leitungsorganen auf dem 7. FDGB-Kongreß 1968: „Die Gewerkschaftsfunktionäre sind die Vertrauensleute der Arbeiterklasse, sie sind nicht die Assistenten der Werkleiter.“ Die Teilrevision der Wirtschaftsreformen 1970/71 hat diese Entwicklung nur insoweit beeinträchtigt, als die stärkeren Planbindungen der Betriebe deren Entscheidungsspielraum und damit auch die Mitwirkungsmöglichkeiten einengten. Im Gegenteil haben die Ergebnisse des VIII. Parteitages der SED den FDGB aus den anderen Massenorganisationen deutlich herausgehoben. Die Akzentuierung der Sozialpolitik als zentralen Teils der gesellschaftspolitischen Linie der SED für die nächsten Jahre brachte einen Aufgabenzuwachs, die Auflösung von Mitwirkungsgremien (Produktionskomitees in den VEB. Gesellschaftliche Räte bei den VVB usw.) machte den FDGB zum alleinigen Träger von Mitwirkungsorganen. Die Betonung der Bedeutung der Gewerkschaften fand ihren Niederschlag u. a. in dem Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. 10. 1972, in dem der FDGB als einzige Massenorganisation genannt wird (§ 1,3). Der Ministerrat wird darin zur Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft „bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und allseitigen Stärkung der sozialistischen Staatsmacht“ verpflichtet; gemeinsame Beschlüsse sind zur Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, der Arbeitskultur, des kulturellen und sportlichen Lebens und für die Ausarbeitung der Grundlinie der Sozial-, Lohn- und Einkommenspolitik vorgesehen. Seitdem sind eine Reihe solcher gemeinsamer Beschlüsse vom Politbüro des ZK der SED, Ministerrat und Bundesvorstand des FDGB vor allem auf sozialpolitischem Gebiet und über neue Formen des Sozialistischen Wettbewerbs veröffentlicht worden. allerdings ohne daß dabei der inhaltliche Anteil des FDGB an ihrer Formulierung zu ersehen gewesen wäre. Der Entwurf des AGB wurde 1977 in der Tageszeitung des FDGB, der „Tribüne“, veröffentlicht, in der Gewerkschaftsorganisation diskutiert, mit — z. T. nicht unwesentlichen — Änderungen auf der Grundlage des Diskussionsverlaufs auf dem 9. Kongreß des FDGB (16.–19. 5. 1977) verabschiedet und von der FDGB-Fraktion in der Volkskammer als Gesetzesvorlage eingebracht. Zwar ist dieses Gesetz damit kein Normenwerk des FDGB; die gewählte Form, in der es zur Verabschiedung gelangte, unterstreicht jedoch das Bemühen der politischen Führung, den FDGB faktisch und im allgemeinen Bewußtsein aufzuwerten. III. Organisationsaufbau Der Organisationsaufbau des FDGB beruht auf dem Industriegewerkschaftsprinzip; ein Betrieb — eine Gewerkschaft. Gegenwärtig bestehen 16 Industriegewerkschaften (IG) bzw. Gewerkschaften (Gew.) (in Klammern die Mitgliederzahl 1976 und der Vom-Hundert-Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an den Beschäftigten im Organisationsbereich): IG Bau-Holz (843.256; 94,9 v. H.); IG Bergbau-Energie (390.033; 98,5 v. H.); IG Chemie, Glas und Keramik (514.141; 97,7 v. H.); IG Druck und Papier (151.129; 97 v. H.); IG Metall (1.643.128; 97,7 v. H.); IG Textil — Bekleidung — Leder (603.419; 95,7 v. H.); IG Transport- und Nachrichtenwesen (707.850; 97,9 v. H.); IG Wismut (ohne Angaben); Gew. Gesundheitswesen (451.704; 96,9 v. H.); Gew. Handel. Nahrung und Genuß (943.689; 94,6 v. H.); Gew. Kunst (62.324; 94,9 v. H.); Gew. Land, Nahrungsgüter und Forst (539.909; 91 v. H.); Gew. Mitarbeiter der Staatsorgane und Kommunalwirtschaft (541.338; [S. 354]96,4 v. H.); Gew. Unterricht und Erziehung (422.907; 98,3 v. H.); Gew. Wissenschaft (148.121; 98,4 v. H.); Gew. der Zivilangestellten der Nationalen Volksarmee (ohne Angaben). Der FDGB ist jedoch kein „Bund“ unabhängiger Einzelgewerkschaften, sondern eine Einheitsorganisation. Die IG/Gew. haben den Charakter ausgegliederter Fachabteilungen, die die bindenden Beschlüsse der zentralen Organe des FDGB entsprechend den spezifischen Bedingungen ihres jeweiligen Organisationsbereichs durchführen. Ihre organisatorische Abhängigkeit zeigt sich u. a. in dem Recht des Bundesvorstandes (BV) des FDGB. über Veränderungen im Organisationsaufbau verbindlich zu beschließen (z. B. Auflösung oder Neugründung von IG/Gew.), und in der Unterstellung der regionalen Vorstände der IG/Gew. unter die jeweiligen FDGB-Vorstände der gleichen Ebene. Ferner besitzen die IG/Gew. keine eigene Finanzhoheit, sondern erhalten die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel auf der Grundlage des vom Präsidium des Bundesvorstandes des FDGB bestätigten Finanzplanes der Gesamtorganisation. Unterste Organisationseinheiten des FDGB sind die gewerkschaftlichen Grundorganisationen: Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) bestehen in allen Betrieben, in denen mehr als 10 Mitglieder beschäftigt sind; die bis 1974 gültige Untergrenze von 20 Mitgliedern wurde gesenkt, um die in Volkseigentum überführten, vielfach sehr kleinen und verhältnismäßig schlecht erfaßten früheren privaten, halbstaatlichen und genossenschaftlichen Betriebe voll in die Gewerkschaftsorganisation einzubeziehen), Schulgewerkschaftsorganisationen (SGO) und Orts- bzw. Dorfgewerkschaftsorganisationen (OGO fassen die FDGB-Mitglieder in Kleinbetrieben ohne BGO sowie Hausangestellte, Heimarbeiter, Rentner usw. zusammen). Leitungsorgan der BGO ist die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL). Die BGO untergliedert sich in Gewerkschaftsgruppen (10–30 Mitglieder), die von den Vertrauensleuten geleitet werden. In größeren Betrieben werden für die einzelnen Betriebsabschnitte Abteilungsgewerkschaftsleitungen (AGL) gebildet. Die Größe der AGL (5–13 Mitglieder) und der BGL bzw. OGL (3–25 Mitglieder) richtet sich nach der Zahl der in ihrem Organisationsbereich erfaßten Mitglieder. Die AGL und BGL bilden zur Unterstützung ihrer Arbeit je nach Größe und spezieller Aufgabenstellung. des Betriebes eine Reihe von Kommissionen, deren Vorsitz jeweils ein Leitungsmitglied innehat, deren Mitglieder jedoch überwiegend nicht den gewählten Gewerkschaftsleitungen angehören. Die differenzierte und ausgedehnte Organisationsstruktur des FDGB insbesondere im Betrieb dient sowohl der Erfüllung der mannigfachen gewerkschaftlichen Aufgaben als auch der aktiven Integration möglichst vieler Mitglieder durch die Übernahme ehrenamtlicher Funktionen. Sind mehrere VEB zu Kombinaten zusammengefaßt, werden Kombinationsgewerkschaftsleitungen (KGL: 11–21 Mitglieder) gewählt; allerdings sollen diese sich wesentlich um eine abgestimmte und einheitliche Gewerkschaftsarbeit im Kombinat bemühen, während das Schwergewicht der FDGB-Arbeit bei den BGL bleibt. Mit ähnlicher Aufgabenstellung werden auf Großbaustellen ebenfalls Gesamtleitungen (11–21 Mitglieder) gebildet. In Großkombinaten, die den Ministerien direkt unterstehen, wie z. B. Leuna, Buna, Carl Zeiss Jena, haben die betrieblichen Gewerkschaftsleitungen den Status einer IG-Kreisleitung, unterstehen also unmittelbar ihrem zuständigen Bezirksvorstand. Die BGL werden von den Kreisvorständen (25–55 Mitglieder) der zuständigen IG/Gew. angeleitet. Diese wählen für die laufenden Arbeiten Sekretariate (hauptamtliche, geschäftsführende Vorstände) und bilden Kommissionen: Agitation und Propaganda; Arbeit, Lohn und Arbeitsrecht; Sozialpolitik; Arbeits- und Gesundheitsschutz; Kultur und Bildung. In ihren zweigspezifischen Aufgaben unterstehen sie den Bezirksvorständen der IG/Gew. (35–80 Mitglieder), die in gleicher Weise wie die Kreisvorstände gegliedert sind. In Kreisen, in denen die Mitgliederzahl einer Einzelgewerkschaft so gering ist, daß der umfangreiche Apparat eines regulären Kreisvorstandes nicht gerechtfertigt ist, können die Bezirksvorstände des FDGB in Abstimmung mit dem zuständigen Bezirksvorstand der betroffenen Gewerkschaft einen ehrenamtlichen Kreisvorstand als Koordinierungsstelle wählen lassen. Die Kreis- und Bezirksvorstände der IG/Gew. arbeiten in industriezweigspezifischen Fragen mit den Fachorganen der Räte der Kreise bzw. der Bezirke zusammen. Die Kreis- und Bezirksvorstände der IG/Gew. unterstehen den jeweiligen regionalen FDGB-Vorständen der gleichen Ebene (Kreisvorstand: 40–80, Bezirksvorstand: 80–120 Mitglieder). Die FDGB- Kreis- bzw. Bezirksvorstände tragen für ihren Bereich jeweils die ausschließliche gewerkschaftspolitische Verantwortung, koordinieren die Arbeit der IG/Gew. und vertreten die Gewerkschaften gegenüber den regionalen Staatsorganen. Außer in ihrem satzungsmäßigen Weisungsrecht gegenüber den Leitungen der IG/Gew. zeigt sich ihre umfassendere Aufgabenstellung in der großen Zahl der bei ihnen bestehenden Kommissionen: Agitation und Propaganda; Arbeit und Löhne; Sozialpolitik; Feriendienst; Kurenkommission; Arbeits- und Gesundheitsschutz; Kultur und Bildung; Finanzkommission; Frauenkommission; Jugendausschuß; Neuereraktiv; Rat für Sozialversicherung; Beschwerdekommission der Sozialversicherung. Die eigentliche Führungstätigkeit obliegt auch bei den Kreis- bzw. Bezirksvorständen des FDGB den Se[S. 355]kretariaten. Die Vorsitzenden der FDGB-Vorstände gehören den Sekretariaten der SED-Leitungen auf der gleichen Ebene, die BGL-Vorsitzenden den Betriebsparteileitungen an. Besondere Probleme ergeben sich für die IG Transport- und Nachrichtenwesen durch die von der territorialen Gliederung des Staatsapparats abweichenden Organisationsstrukturen im Transportwesen, bei der Post und der Reichsbahn. Entsprechend gibt es getrennte Bezirksgewerkschaftsleitungen für Transport- bzw. Post- und Fernmeldewesen. Bei der Reichsbahn bestehen in den Reichsbahnamtsbezirken Gewerkschaftsleitungen, bei den Reichsbahndirektionen Bezirksgewerkschaftsleitungen. Die in der Zeit von 1963 bis 1970 zu beobachtenden mannigfachen Versuche, die Zuständigkeiten zwischen FDGB- und IG/Gew.-Leitungen zugunsten der letzteren neu zu ordnen — Ausdruck der größeren Selbständigkeit der Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und der daraus resultierenden Bemühungen, die industriezweigspezifischen Bedingungen stärker zur Grundlage der Gewerkschaftsarbeit zu machen, wurden unmittelbar nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 zunächst rückgängig gemacht (z. B. sind die bei den VVB bestehenden Gewerkschaftskomitees aufgelöst worden, an ihre Stelle traten Instrukteure der Zentralvorstände [ZV] der IG/Gew.). Seit Mitte der 70er Jahre ist hier jedoch erneut eine Veränderung zu beobachten. Es hat sich als notwendig erwiesen, entsprechend der unterschiedlichen Situation in den einzelnen Betrieben und Industriezweigen, den zweigspezifischen Anleitungsaufgaben der GL der IG/Gew. mehr Gewicht zu geben und ihnen das Recht einzuräumen, in Fragen ihres Organisationsbereiches direkt mit den zuständigen Fachorganen des Staats- und Wirtschaftsapparates zu verhandeln. An der Spitze der IG/Gew. stehen die ZV (60–120 Mitglieder), die ihrerseits Präsidien wählen, deren hauptamtlichen Führungskern die Sekretariate bilden; ihre Aufgabe ist es, die allgemeinen, die IG/Gew. bindenden Beschlüsse des BV des FDGB bzw. seines Präsidiums auf die Problematik des eigenen Wirtschaftsbereichs anzuwenden, die sich daraus oder aus gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien und VVB zu führen, Rahmenkollektivverträge abzuschließen sowie die eigenen nachgeordneten Leitungen anzuleiten. Zwischen den Kongressen ist der BV des FDGB (mit 200 Mitgliedern und 25 Kandidaten) das höchste Organ. Für die laufenden Arbeiten wählt der BV ein 26köpfiges Präsidium sowie das diesem zugleich angehörende Sekretariat. Zusammensetzung des Präsidiums nach dem 9. FDGB-Kongreß 1977: Vorsitzender: Harry Tisch; Stellvertreter: Prof. Dr. Johanna Töpfer; Sekretäre: Harald Bühl, Werner Heilemann. Horst Heintze, Margarete Müller, Heinz Neukrantz, Fritz Rösel, Kurt Zahn; Chefredakteur der „Tribüne“: Claus Friedrich; 7 Vorsitzende von IG/Gew.; 5 Vorsitzende von Bezirksvorständen des FDGB; 1~Vorsitzender eines Kreisvorstandes des FDGB, 1~Vorsitzender und 1~stellv. Vorsitzender einer BGL; 1~Instrukteur für das Neuererwesen einer IG. Vorsitzender der Zentralen Revisionskommission ist (1978) Alfred Wilke. Bei allen Leitungen des FDGB und der IG/Gew. werden Revisionskommissionen gewählt, die deren Finanzgebaren, die Einhaltung der Satzung und die Durchführung der Beschlüsse der jeweils übergeordneten Organe kontrollieren sollen. Sie erstatten laufend Bericht an die übergeordnete Revisionskommission, nehmen, soweit sich kritische Anhaltspunkte aus ihrer Revisionstätigkeit ergeben, Einfluß auf die Arbeit der gewählten Leitungen und berichten anläßlich der Gewerkschaftswahlen über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit. Der FDGB erkennt in seiner Satzung den demokratischen Zentralismus als verbindliches Organisationsprinzip an; d. h. daß alle Leitungen von unten nach oben gewählt werden, diese ihren Wahlgremien gegenüber rechenschaftspflichtig sind, abgewählt werden können und alle Leitungen an die Beschlüsse und Richtlinien der übergeordneten Gremien gebunden sind. Die Wahlen finden bis zur Bezirksebene alle 2½ Jahre, für die zentrale Ebene (Zentrale Delegiertenkonferenzen der IG/Gew. und Bundeskongreß des FDGB) alle 5 Jahre statt. (Der früher gültige Rhythmus von 2 bzw. 4 Jahren wurde auf dem 8. FDGB-Kongreß 1972 an die Satzungsregelung der SED und die Laufzeit der Fünfjahrpläne angeglichen.) Die Funktionäre der Gewerkschaftsgruppen und die Arbeiterkontrolleure werden in Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen, die Mitglieder der Frauenausschüsse in Frauen-, die Jugendvertrauensleute in Jugendvollversammlungen in offener Abstimmung gewählt. Die Wahlen der AGL, BGL, OGL und der Delegierten für die Kreisdelegiertenkonferenzen erfolgen in den Betrieben direkt und geheim auf der Grundlage einer einheitlichen Kandidatenliste mit verbindlicher Reihenfolge. Nach dem gleichen Verfahren wählt die Delegiertenkonferenz einer Organisationsstufe den entsprechenden Vorstand und die Delegierten für die nächsthöhere Stufe. Zu den Wahlen erläßt der BV Wahldirektiven und Richtlinien; in ihnen werden die politischen Schwerpunkte für die Rechenschaftslegung durch die alten Vorstände, die Diskussionsthemen in den Mitgliederversammlungen und Delegiertenkonferenzen, das Wahlverfahren, die zahlenmäßige Größe der zu wählenden Körperschaften festgelegt und kaderpolitische Hinweise gegeben. Die amtierenden Leitun[S. 356]gen arbeiten in Zusammenhang mit den übergeordneten Gewerkschaftsorganen und den zuständigen SED-Leitungen die Kandidatenlisten aus, die der Bestätigung durch die Wahlgremien bedürfen. Die Ablehnung von Kandidaten, die Streichung einzelner Namen und die Hinzufügung anderer ist prinzipiell möglich, das Bild der gesamten Liste wird damit jedoch kaum verändert. Als gewählt gilt in der Reihenfolge der Kandidatenliste jeder, der mehr als 50 v. H. der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Konkurrierende, organisierte Gegenvorschläge können nicht gemacht werden. Die Bekleidung von Wahlfunktionen oberhalb der betrieblichen Ebene hat eine mehrjährige Mitgliedschaft im FDGB zur Voraussetzung (Kreis: 2 Jahre. Bezirk: 3 Jahre. BV: 6 Jahre). Die gewählten Vorstände tagen in größeren Zeitabständen (Kreis und Bezirk: 3monatlich; BV: Monatlich; ZV: 6monatlich), so daß die eigentliche Führungstätigkeit bei den hauptamtlichen Sekretariaten liegt. Die Leitungen sind gehalten, den jeweiligen Wahlkörperschaften regelmäßig Rechenschaft zu legen. Ein wichtiges Leitungsinstrument und Diskussionsforum sind Gewerkschaftsaktivtagungen. Die haupt- und ehrenamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre werden auf der jeweiligen Leitungsebene zu einem Gewerkschaftsaktiv zusammengefaßt; dieses bildet gleichsam den aktiven Kern der Organisationseinheit. In der Regel einmal im Vierteljahr, aber auch aus besonderem Anlaß wird das Gewerkschaftsaktiv von der gewählten Leitung zu einer Tagung zusammengerufen. Je nach Themenstellung können an ihr auch Arbeiter, Angestellte und Angehörige der Intelligenz ohne Funktion, die sich durch besondere Produktionsleistungen hervorgetan haben, teilnehmen. Auf den Gewerkschaftsaktivtagungen werden unter kritischer Einschätzung der bisherigen Arbeit von der Gewerkschaftsleitung die aktuellen Schwerpunkte der Organisationsarbeit erläutert und die sich daraus ergebenden Aufgaben für die einzelnen Funktionäre an Beispielen verdeutlicht und festgelegt; sie dienen ferner dem Erfahrungsaustausch. Beschlüsse der Gewerkschaftsaktivtagungen bedürfen der Zustimmung durch die einberufende Leitung. Die in der Satzung gegebene Möglichkeit der Abberufung von Leitungsmitgliedern, wenn sie „gegen die Satzung bzw. die Beschlüsse verstoßen haben und nicht mehr das Vertrauen genießen“, spielt in der Praxis keine Rolle. Die Ablösung bzw. Neuberufung von hauptamtlichen Funktionären erfolgt allgemein durch die übergeordnete Leitung und durch Kooptation; sie wird im nachhinein durch die gewählten Vorstände sanktioniert. Die SED nimmt auf vielfache Weise Einfluß auf die Tätigkeit und die Zusammensetzung der Gewerkschaftsvorstände: 1. Entsprechend der Satzung des FDGB sind die Parteibeschlüsse verbindliche Grundlage der Gewerkschaftsarbeit; 2. die bei den jeweiligen Parteileitungen bestehenden Abteilungen Gewerkschaften und Sozialpolitik legen die gewerkschaftspolitische Linie für ihren Zuständigkeitsbereich fest und wirken bei der Auswahl der Kandidaten für die Gewerkschaftsleitungen, insbesondere für die hauptamtlichen Positionen, entsprechend den Kadernomenklaturen, mit; 3. die Vorsitzenden der FDGB-Vorstände sind Mitglieder der Sekretariate der SED-Leitungen, in den Betrieben gehören die BGL-Vorsitzenden der Betriebsparteileitung an; 4. die Parteimitglieder sind auch als Gewerkschaftsmitglieder der Parteidisziplin (Parteiaufträge) unterworfen. Die im Prinzip des Demokratischen Zentralismus enthaltene strikte Bindung der nachgeordneten Leitungen an die Beschlüsse der übergeordneten vervollständigt das Instrumentarium, das den FDGB als eine autoritär geführte und voll in die Strukturen des Herrschaftssystems integrierte Massenorganisation erscheinen läßt. Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß die vielfältigen Diskussionsprozesse, der sich in den Kommissionen und Arbeitsgruppen äußernde Sachverstand und die Möglichkeiten — wenn auch ohne organisatorische Verfestigung-, Kritik zu üben, die Entscheidungen der Leitungen beeinflußt. Besonders in den Betrieben wirken Kritik am Arbeitsplatz, Unzufriedenheiten, die zu Leistungsminderungen führen, Fluktuation von Betriebsangehörigen usw. korrigierend auf die Gewerkschaftsarbeit. Im Verlag des FDGB erscheint als Organ des BV die Tageszeitung „Tribüne“ und als Funktionärsorgan 8mal jährlich „Die Arbeit“. Daneben wird eine Reihe von speziellen Zeitschriften herausgegeben wie z. B. „Sozialversicherung und Arbeitsschutz“. „Kulturelles Leben“ u. a. Die IG/Gew. unterhalten eigene, auf die Spezialproblematik ihres Industriezweiges abgestellte Zeitschriften. Mit Broschüren, umfangreichen Handbüchern und Monographien unterstützt der Verlag Tribüne die Anleitung sowie die politische und fachliche Qualifizierung der Gewerkschaftskader. Der Vertrieb der Gewerkschaftsliteratur erfolgt weitgehend über die Kulturobleute in den Betrieben durch den Literatur- und Vordruckvertrieb des FDGB in Markranstädt. Die Mitgliedschaft im FDGB ist grundsätzlich freiwillig; sie ist jedoch Voraussetzung für beruflichen und sozialen Aufstieg. Ein Anreiz für den Beitritt sind auch die Vergünstigungen, die mit der Mitgliedschaft im FDGB verbunden sind (Ferienreisen. Fahrgeldermäßigungen, Unterstützungszahlungen usw.). Mitglied kann jeder Arbeiter, Angestellte oder Angehörige der Intelligenz werden, nicht jedoch freiberuflich Tätige sowie Mitglieder von LPG und PGH. Während des Direktstudiums und der Zugehörigkeit zur NVA ruht die Mitgliedschaft. [S. 357]Rentner und längerfristig Kranke können die Mitgliedschaft aufrechterhalten. 1976 hatte der FDGB 8.155.521 Mitglieder, darunter 4.086.609 Frauen. Die Finanzierung des FDGB erfolgt durch Mitgliedsbeiträge (1 bis 1,5 v. H. des Bruttoeinkommens) und den Verkauf von Spendenmarken. Bei den BGO verbleiben 40 bis 60 v. H. der Beitragseinnahmen. Ein Teil der gewerkschaftlichen Aufgaben wird aus Mitteln der Betriebe mitgetragen (Kulturarbeit aus den Kultur- und Sozialfonds, Lohnfortzahlung bei Lehrgangsbesuch usw.). 1974 hat der FDGB 785 Mill. Mark ausgegeben (darin sind an Staatszuschüssen 119 Mill. Mark für Feriendienst und 18,2 Mill. Mark für gewerkschaftlichen Arbeitsschutz enthalten). Die Ausgaben verteilen sich wie folgt: Verwaltungsausgaben 36,1 Mill. (4,8 v. H.), Vorstands- und Kommissionstätigkeit 137,6 Mill. (18,1 v. H.), Schulung 39 Mill. (5,1 v. H.), Kulturarbeit 75 Mill. (9,9 v. H.), Jugend und Sport 41,7 Mill. (5,5 v. H.), Arbeitsschutz 18,2 Mill. (entspricht dem Staatszuschuß: 2,4 v. H.), Feriendienst 234,3 Mill. (30,9 v. H.), gewerkschaftliche Unterstützungen und Ehrungen 176,3 Mill. (23,3 v. H.). Für das Jahr 1976 liegen nur unvollständige und zusammengefaßte Angaben vor. Danach wendete der FDGB 175,76 Mill. Mark für Kultur. Bildung, Jugend und Sport, 186,4 Mill. Mark für Unterstützungen und Ehrungen sowie 130 Mill. Mark für Urlaub und Erholung auf. IV. Aufgaben Die Aufgaben des FDGB ergeben sich aus dem gewerkschaftlichen Selbstverständnis (vgl. Abschnitt I) und werden als Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte der Werktätigen gedeutet. Seit dem VIII. Parteitag der SED 1971 sind die betrieblichen und überbetrieblichen Anhörungs- und Mitwirkungsrechte des FDGB u. a. im Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. 10. 1972 (vgl. Abschnitt II) und im Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der DDR vom 12. 6. 1973 sowie durch das neue AGB unterstrichen und erweitert worden. Im Mittelpunkt der Gewerkschaftsarbeit steht der Arbeitsprozeß. Der zentrale Wert, der der ökonomischen Leistung allgemein zugemessen wird, erklärt sich einmal aus der philosophisch-anthropologischen Deutung der Arbeit als Konstituenz menschlicher Existenz, zum anderen aus dem leninistischen Axiom, daß die Höhe der Arbeitsproduktivität letztlich Ausweis der Überlegenheit eines Gesellschaftssystems sei. Allerdings wird der Arbeitsprozeß durchaus nicht ausschließlich im engen Sinn als Produktionsprozeß, sondern als ein komplexer sozialer Zusammenhang begriffen, zu dem soziologische und sozialpolitische Elemente ebenso wie Arbeits- und Gesundheitsschutz, leistungsgerechte Entlohnung, Versorgung mit Konsumgütern, Bildung usw. gehören. Die behauptete Einheit dieser Teilaspekte kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie sich keineswegs zu einem konfliktlosen Ganzen fügen. Für den FDGB, der die gesamtgesellschaftliche Zielsetzung zugleich mit den unmittelbaren Interessen seiner Mitglieder vertreten soll, ergeben sich daraus immer erneut Zielkonflikte. Seine Aufgabe wird wesentlich dadurch erschwert, daß die behauptete Position des Werktätigen als Miteigentümer sich in einer gleichberechtigten Stellung im Herrschaftssystem und in der Gewerkschaftsorganisation zeigen müßte: die tatsächliche Machtverteilung und das Funktionieren der Leitungs- und Entscheidungsstränge stehen dazu noch immer im Gegensatz. Notwendig muß daher die erzieherische und propagandistische Arbeit des FDGB auch Elemente der ideologischen Verhüllung der gegebenen Machtverhältnisse enthalten. Immerhin hat die Anerkennung der Unvermeidlichkeit sozialer Konflikte dazu geführt, Sozialpolitik und Sozialplanung als ein zwar mit der ökonomischen Planung zusammenhängendes, aber doch eigenes Aufgabengebiet anzuerkennen und die Artikulation und Vertretung unmittelbarer Interessen zu rechtfertigen. Schwerpunkt gewerkschaftlicher Arbeit ist der Betrieb; Grundlage für die Tätigkeit der BGO bzw. der BGL bildet die ökonomische Aufgabenstellung, wie sie der Betriebsplan festlegt. Der Planentwurf, den die Werkleitung auf der Grundlage zentral vorgegebener Produktionsauflagen und Kennziffern (Planung) anfertigt, wird in einer von der BGL in Absprache mit der Betriebsparteileitung geleiteten Plandiskussion sowohl allen Belegschaftsmitgliedern bekanntgemacht als auch durch das Aufdecken von Reserven präzisiert und verbessert. Seit der Plandiskussion 1975 wird mit dem Produktionsplan auch bereits der „Gegenplan“, die gegenwärtig im Vordergrund stehende Form des Sozialistischen Wettbewerbs, mit entworfen. Im Unterschied zu früheren Jahren sind es gegenwärtig weniger die quantitativen (mengenmäßigen) als die qualitativen Kennziffern (Senkung des Materialverbrauchs, Erhöhung der Qualität, bessere Maschinenauslastung durch Schichtarbeit, raschere Überführung von Forschungsergebnissen in die Produktion usw.), auf die in der Plandiskussion das Schwergewicht gelegt wird. Außerdem ist das Bestreben der Wirtschaftsführung spürbar, die Erhöhung der Leistung mit der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbinden. Mit der inhaltlichen Aufschlüsselung des Betriebsplanes auf den einzelnen Arbeitsplatz wird angestrebt, daß der Werktätige sich besser mit seiner ihm unmittelbar vorgegebenen Arbeitsaufgabe identifizieren kann und er, anknüpfend an die einzelnen Kennziffern, zu weiteren berechenbaren Verbesserungen seiner Arbeitsleistungen, insbesondere aber [S. 358]auch zu Materialeinsparungen, veranlaßt wird. Der endgültige Planvorschlag wird von dem Werkleiter ausgearbeitet und den übergeordneten Wirtschaftsleitungen zur Bestätigung vorgelegt. An der Planverteidigung wird der Vorsitzende der jeweiligen Gewerkschaftsleitung persönlich beteiligt; die BGL fertigen zu diesem Zweck eigene Stellungnahmen an. Diese Beteiligung des FDGB findet sich auf allen Stufen der Planungspyramide; zu den Ein- und Mehrjahrplänen im DDR-Maßstab faßt der BV des FDGB einen entsprechenden Beschluß. Auf der Grundlage des bestätigten Betriebsplanes wird in einem erneuten Diskussionsprozeß der Betriebskollektivvertrag (BKV) erarbeitet. Auch hier erfolgt die Vorlage des Entwurfs in aller Regel durch die Werkleitung. Neben einer erneuten Information über die Arbeitsaufgabe des Planjahres finden in ihm vor allem die sozialpolitischen Belange, die Qualifizierungs-, Kultur- und Bildungsvorhaben, die anzuwendenden Lohnformen, die Kriterien für die Aufteilung des Prämienfonds und besondere Förderungsmaßnahmen für Frauen und Jugendliche (Jugend- bzw. Frauenförderungspläne, die als eigene Anlagen zum BKV unter maßgeblicher Beteiligung der Jugendkommissionen bzw. Frauenausschüsse erarbeitet werden) ihren Niederschlag. Die BKV, die, von den Werkleitern und den BGL unterschrieben, auf Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen verabschiedet werden, sind eine gemeinsame Verpflichtung zur Erfüllung der betrieblichen Produktionsaufgaben und zugleich das soziale und kulturpolitische Programm für die jeweilige Planperiode. Die dafür benötigten Mittel sind in den Kultur- und Sozialfonds vorgegeben, werden jedoch bei Übererfüllung des Betriebsplans durch Sonderzuführungen verstärkt und sind insoweit durch die Leistungen der Betriebskollektive zu beeinflussen. Ein Teil der der BGL verbleibenden Beitragsanteile der Gewerkschaftsmitglieder wird ebenfalls für kulturelle und soziale Leistungen verwendet. (1974: Fast 50 v. H. der Beitragseinnahmen verblieben bei den BGO bzw. OGO = 277 Mill. Mark.) Die Pflicht der Werkleiter, über den Stand der Erfüllung der BKV und der Produktionspläne regelmäßig Rechenschaft zu legen, und die Arbeit der gewerkschaftlichen Kommissionen bieten der Gewerkschaftsorganisation die Möglichkeit, im Verlauf des Planjahres auf die Werkleitungen kritisch einzuwirken und zur Behebung betrieblicher Engpässe die Belegschaften zu mobilisieren. Sozialistischer Wettbewerb, Neuererbewegung, Rationalisierung, die Überleitung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in die Produktion werden maßgeblich von den BGL und deren Organen propagandistisch-agitatorisch unter den Belegschaftsmitgliedern und durch Kontrolle und Kritik der Betriebsleitungen gefördert. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß die Kontroll-, Kritik- und Vorschlagsrechte, die als gewerkschaftliche Mitwirkung oder auch als sozialistische Demokratie im Betrieb bezeichnet werden, das Prinzip der Einzelleitung, den Demokratischen Zentralismus und den politischen Primat der SED auf betrieblicher Ebene im Kern nicht antasten. Zwar wird durch Diskussion und Kritik Druck auf die Werkleitungen ausgeübt; wenn diese den Empfehlungen und Vorschlägen jedoch nicht Rechnung tragen, bleibt den BGL allenfalls der Weg der Beschwerde bei den jeweils übergeordneten Leitungsorganen. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß das große Informationsangebot die Chance zu einer bewußten Identifikation mit der Arbeitsaufgabe dann schafft, wenn die Pläne sich als real erweisen und wenn die ungeplanten Störungen im Produktionsablauf gering gehalten werden können. Die Tätigkeit der Gewerkschaften im Bereich der Lohnpolitik und bei der Verteilung von Prämien dient der Durchsetzung des Prinzips der Materiellen Interessiertheit. Im Lohn sollen die individuelle Leistung, die volkswirtschaftlich-politische Bewertung der spezifischen Arbeitsaufgabe, die Qualifikation der Werktätigen zum Ausdruck kommen. Mit dem durch die Anwendung dieser Grundsätze entstehenden, stark gestuften Entlohnungssystem wird das Ziel verfolgt, sowohl einen ständigen Anreiz zur Steigerung der individuellen Arbeitsleistung zu bieten als auch die Arbeitskräfte entsprechend den ökonomischen Zielsetzungen zu lenken. Lohnhöhe, Lohnformen, industriezweigspezifische Lohnzuschläge und die allgemeinen Arbeitsbedingungen werden in Tarifverträgen niedergelegt. Die Tarifverträge werden zwischen den jeweils zuständigen staatlichen Wirtschaftsleitungen, staatlichen Organen usw. und den Einzelgewerkschaften im Rahmen der in den Jahres- bzw. Mehrjahresplänen vorgegebenen Größen abgeschlossen und bei dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne geprüft und registriert. Den BGL obliegt es wesentlich, die korrekte Anwendung dieser Bestimmungen im Betrieb durch die Werkleitung und Betriebsangehörigen zu überwachen. Die sehr detaillierten Regelungen haben nicht verhindert, daß entgegen den Intentionen die erreichte Qualifikationsstufe nur ungenügend im Entgelt zum Ausdruck kommt und die gewollte Abstufung zwischen den einzelnen Industrie- und Wirtschaftsbereichen nicht verwirklicht werden konnte. Auf dem 8. FDGB-Kongreß ist aus diesem Grund eine generelle Reform des Lohnsystems angekündigt und mit der Einführung der Grundlöhne in Angriff genommen worden, die, ohne daß es zu Lohnsenkungen kommt, den allgemeinen Zielen der Lohnpolitik besser gerecht werden soll. Die starke Betonung des individuellen materiellen Nutzens im Leistungslohnsystem hat sich zwar als produktivitätsfördernd bewährt, aber andererseits der Zielset[S. 359]zung, ein Bewußtsein zu schaffen, das die persönliche Arbeitsleistung vor allem an der politisch-gesellschaftlichen Aufgabe mißt, vielfach entgegengewirkt. Durch immaterielle Anerkennung (Ehrentitel, lobende Erwähnung in den Betriebszeitungen und Massenmedien usw.) bei den Wettbewerben und verstärkte ideologische Schulung (Schulen der sozialistischen Arbeit) wird versucht, erzieherisch doch dem Ziel, ein „sozialistisches Eigentümerbewußtsein“ zu schaffen, näher zu kommen. Die Schutzfunktionen des FDGB im Bereich des Arbeitsrechts, der staatlichen und betrieblichen Sozialpolitik sind unter doppeltem Aspekt zu sehen: Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowohl durch die Wirtschaftsleitungen als auch durch die Belegschaften soll gleichermaßen erreicht, bestehende Rechte sollen nicht verkürzt, aber auch nicht „mißbräuchlich“ zugunsten der Betroffenen ausgeweitet werden. Rechtsberatungsstellen bei den Rechtskommissionen der Kreisvorstände des FDGB gewähren unter Berücksichtigung dieser Aufgabenstellung den Gewerkschaftsmitgliedern Rechtsschutz bei den Gerichten. Ferner leitet der FDGB die Konfliktkommissionen (Gesellschaftliche Gerichte) an, schult deren Mitglieder, die auf Mitgliederversammlungen gewählt werden. Die BGL besitzt ein Mitwirkungsrecht bei der Begründung, Änderung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Die betriebliche Sozialpolitik umfaßt das betriebliche Gesundheitswesen, Kindergärten und -horte, Betriebsferienlager, die Werkverpflegung, betriebliche Einkaufsmöglichkeiten usw. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Betriebe nimmt die BGL auf die Ausgestaltung dieser Einrichtungen über ihre Kommissionen und Frauenausschüsse Einfluß. In jüngster Zeit sind Bemühungen zu erkennen, die verschiedenen sozialpolitischen Anstrengungen zu einer einheitlichen betrieblichen Konzeption unter Einschluß des Arbeitsschutzes, der Qualifizierungsmaßnahmen, der Kulturarbeit usw. zusammenzufassen. Der Planteil: Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im BKV ist Teil dieses Versuchs, der sich offensichtlich an dem Vorbild der in der Sowjetunion bereits üblichen Sozialpläne der Betriebe orientiert. Eine starke Stellung hat der FDGB nach wie vor durch die Vermittlung verbilligter Ferienreisen im Rahmen seines Feriendienstes in organisationseigene oder Vertragsheime, wenn auch die zusätzlichen Reisemöglichkeiten im Rahmen des Ausbaus der Touristik stark erweitert worden sind. Bedeutsam sind in jüngster Zeit die vom FDGB geförderten Naherholungsmöglichkeiten geworden. FDGB-Mitglieder, die sich nicht am Feriendienst beteiligen können, kommen mit ihren Familienangehörigen ebenfalls einmal jährlich in den Genuß einer um ein Drittel ermäßigten Fahrt mit der Reichsbahn. Im Zeichen der Wissenschaftlich-technischen Revolution, aus der sich ständig neue und erhöhte Anforderungen an die fachliche Ausbildung der Berufstätigen herleiten, wirbt die Gewerkschaft verstärkt für eine Beteiligung an der Qualifizierung (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem, XII). Notwendige Umsetzungen von Arbeitskräften in oder zwischen Betrieben als Auswirkung von Rationalisierungsmaßnahmen oder bedingt durch den Ausbau bzw. die Einschränkung bestimmter Wirtschaftszweige unterstützt der FDGB durch aufklärende Propaganda und versucht, die sozialen Auswirkungen zu mildern. Die den langfristigen Arbeitskräftebedarf des Betriebes bzw. Wirtschaftszweiges berücksichtigenden Qualifizierungspläne werden unter Mitarbeit der zuständigen Gewerkschaftsleitungen ausgearbeitet. Die Kulturarbeit des FDGB wirbt um die rezeptive und eigenschöpferische Teilnahme der Gewerkschaftsmitglieder am kulturellen Leben. Neben der fachlichen Qualifikation geht es ihr um die Heranbildung des „allseitig gebildeten sozialistischen Menschen“. Sie ist der Versuch, ausgehend vom Betrieb die Freizeitgestaltung (Freizeit) zu beeinflussen. Die gewerkschaftliche Kulturarbeit wirkt, besonders in territorial bestimmenden Großbetrieben, in erheblichem Maß auf die Ausgestaltung des kulturellen Lebens in den Wohngebieten ein. Mit der Übergabe der Sozialversicherung in die Alleinverwaltung des FDGB auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sind den Gewerkschaften staatliche Aufgaben zugewiesen worden, die sie ohne direkten Einsatz staatlicher Zwangsmittel lösen müssen (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen). Mit der Übertragung der Kontrolle über den Arbeitsschutz und der Einrichtung der Arbeitsschutzinspektionen bei den Gewerkschaftsleitungen ist dieser Prozeß fortgesetzt worden. Die Verantwortung, die die Gewerkschaften für die Anleitung, Wahl und Schulung der Konfliktkommissionen haben, kann ebenfalls als eine Ablösung staatlichen Zwangs durch Organisationszwänge (gegenüber den eigenen Mitgliedern und den Wirtschaftsleitungen) verstanden werden. Gegenüber staatlichen Organen hat der FDGB auch außerhalb der Plandiskussionen, besonders in arbeitsrechtlichen, sozial- und kulturpolitischen Fragen ein Beratungs- und Mitwirkungsrecht, das durch die gewerkschaftliche Beteiligung an Beiräten, Arbeitsgruppen, durch schriftliche Stellungnahmen usw. ausgeübt wird. Das Prinzip der Einzelleitung wird jedoch auch hier durch die Gewerkschaften nicht eingeschränkt. Die Kreis- und Bezirksvorstände des FDGB wirken an der Vorbereitung und Festlegung der regionalen Pläne mit. Mit den in den Betrieben gewählten Arbeiterkontrolleuren (1 Arbeiterkontrolleur auf 30–50 Gewerkschaftsmitglieder) beteiligt sich der FDGB an den Aufgaben der Arbeiter-und-Bau[S. 360]ern-Inspektion. Die Arbeiterkontrolleure werden vor allem für die innerbetriebliche Kontrolle und für die Inspektion in Handel, Versorgung und Wohnungswesen eingesetzt (1976: 92.707 Arbeiterkontrolleure). Die Bedeutung, die dem FDGB im Herrschafts- und Gesellschaftssystem zugemessen wird, spiegelt sich u. a. darin, daß er die nach der SED größte Anzahl von Mitgliedern in die Volksvertretungen entsendet, 1976 gehörten in der Volkskammer 68 von 500 Abgeordneten zur FDGB-Fraktion. Von 2.840 Bezirksabgeordneten stellte der FDGB 394, von 20.763 Abgeordneten der Kreistage 3.762, von 166.299 Abgeordneten in den Städten und Gemeinden 22.466. V. Schulung Nachdem in den Jahren der Wirtschaftsreform (1963–1970/71) die Massenschulung als Aufgabe des FDGB eher in den Hintergrund getreten war, heißt es in seiner Satzung von 1977: „Die Gewerkschaften verbreiten aktiv die Weltanschauung der Arbeiterklasse, den Marxismus-Leninismus. Darin sieht der FDGB eine grundlegende Aufgabe zur Vertiefung des sozialistischen Bewußtseins und der Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten.“ Mit dieser Zielsetzung ist seit 1972 in den „Schulen der sozialistischen Arbeit“ (SdsA.) eine neue Form der propagandistischen Breitenarbeit in Anlehnung an das sowjetische Vorbild der „Schulen der kommunistischen Arbeit“ in Verantwortung der Gewerkschaften entwickelt worden. Die SdsA. sind kleine Gruppen (15–25 Teilnehmer), die in den jeweiligen Betriebsabschnitten (Brigade-, Meisterbereiche, Abteilungen usw.) gebildet werden und unter Leitung eines Gesprächsleiters (in der Regel ein der SED angehörender Wirtschaftsfunktionär) zweimonatlich (mit einer Pause in den Monaten Juli/August) Fragen der aktuellen Politik der SED mit den entsprechenden Aspekten des Marxismus-Leninismus in möglichst großer Nähe zu den aktuellen Arbeitsaufgaben diskutieren sollen. Durch die geforderte Praxisnähe hofft man einerseits, abstrakte ideologische Vorträge zu vermeiden und Anschaulichkeit zu erreichen, andererseits einen erlebbaren Zusammenhang zwischen der ideologischen bzw. politisch-programmatischen Ebene und dem Geschehen im Betrieb herstellen zu können. Die Gefahren, daß sich die SdsA. entgegen diesen Vorstellungen entweder bei zu starker Betonung aktueller Betriebsprobleme zu einer anderen Form von Mitgliederversammlungen oder Produktionsberatungen entwickeln oder aber erneut in rasch ermüdende Schulungsvorträge münden bzw. ein unkontrolliertes Kritikpotential freisetzen könnten, werden gesehen. Eine straffe inhaltliche Anleitung durch Themenvorgabe, Bereitstellen von Lehrmaterialien, themenbezogene Beiträge in den Massenmedien usw. sollen Verselbständigungstendenzen entgegenwirken. Für 1976–1978 wurde vom BV des FDGB ein 15 Themen umfassender, verbindlicher Themenkatalog vorgegeben. 1976 gab es 110.125 SdsA. mit 2.081.981 Teilnehmern, von denen rd. 80 v. H. parteilos gewesen sein sollen. Ein nicht minder wichtiger Bereich gewerks

Siehe auch: FDGB: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund): 1975 FDGB (FREIER DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND): 1969 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund: 1965 1966 1969 1975 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB): 1985 [S. 351] Der FDGB ist die einheitliche gewerkschaftliche Organisation für alle Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz in der DDR. Seine ausschließliche Erwähnung in der Verfassung der DDR…

DDR A-Z 1979

Staatslehre (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Nach der marxistisch-leninistischen St. wird der Staat durch seinen „Klassengehalt“ bestimmt. Der Staat wird als ein Machtinstrument in den Händen bestimmter Klassen zur Durchsetzung ihrer Interessen angesehen; er ist ein Produkt der Geschichte, das mit dem Zerfall der Urgesellschaft und dem Auftreten antagonistischer Klassengegensätze entstanden sein und in der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft der Zukunft absterben soll. Den einzelnen Formationen der Ausbeutergesellschaft entsprechend werden 3 Typen des Ausbeuterstaates unterschieden: der Sklavenhalterstaat, der Feudalstaat und der kapitalistische Staat. Alle Ausbeuterstaaten seien Diktaturen von Minderheiten über die Mehrheit, deren Hauptfunktion die Unterdrückung zum Zwecke der Aufrechterhaltung der jeweiligen Ausbeuterordnung sei. Für Marx und Engels war der Ausbeuterstaat mit dem Staat überhaupt identisch und ein Fortbestehen des Staates über die proletarische Revolution hinaus nur für die kurze Übergangsphase der Diktatur des Proletariats und ausschließlich zu dem Zwecke denkbar gewesen, die fortbestehenden Reste der ehemaligen Ausbeuterklassen zu unterdrücken. Stalin hat dann, in Anknüpfung an Lenin, die Lehre von einem neuen Staatstyp, dem sozialistischen Staat, entwickelt. Als Rechtfertigung diente ihm die These von der kapitalistischen Einkreisung der Sowjetunion. Die Funktionen des sozialistischen Staates werden heute in innere und äußere Funktionen eingeteilt. Unter den inneren Funktionen sollen die wirtschaftlich-organisatorische und die kulturell-erzieherische Funktion im Vordergrund stehen; die Unterdrückungsfunktion soll zunehmend an Bedeutung verlieren, doch wird neuerdings von der DDR betont, daß sie auch in der gegenwärtigen Periode der entwickelten sozialistischen Gesellschaft potentiell erhalten bleibe und je nach der politischen Lage sogar einen Bedeutungszuwachs erfahren könne. Von den äußeren Funktionen werden insbesondere die militärische Landesverteidigung, der Kampf für die Friedliche Koexistenz und die brüderliche Zusammenarbeit in der sozialistischen Völkergemeinschaft hervorgehoben. Der sozialistische Staat gilt als Machtinstrument der Arbeiterklasse, die die Macht im Bündnis mit den Genossenschaftsbauern und den sonstigen Werktätigen ausübt. Die Lehre vom sozialistischen Staat und seinen Entwicklungsphasen hat in der Folgezeit manche Veränderungen erfahren, die in erster Linie durch die Schwankungen in der Periodisierung bedingt sind. In der Zeit der durch die sowjetische Besatzungsmacht unterstützten kommunistischen Machtergreifung in den Ländern Osteuropas nach 1945 wurde der Begriff der „Volksdemokratie“ geprägt, um die diskreditierte Formel von der „Diktatur des Proletariats“ zu kaschieren. Der Sache nach wurde und wird die Volksdemokratie als eine Form der Diktatur des Proletariats neben der Sowjetdemokratie betrachtet. Die Volksdemokratie soll im Ergebnis eines einheitlichen Prozesses zweier Revolutionen, der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Revolution, entstanden sein. Dieser Umstand sowie die Existenz einer sozialistischen Weltmacht, der Sowjetunion, sollen trotz gleicher Grundzüge gewisse Besonderheiten des volksdemokratischen Staates im Vergleich zum Sowjetstaat bedingt haben. Diese äußerten sich in der Organisation der Staatsmacht. in dem Fortbestand von politischen Parteien in einer Reihe von Ländern und in der Beibehaltung der Nationalen Front oder Volksfront auch in der Periode des sozialistischen Aufbaus. Die führende Rolle der kommunistischen Partei sei aber ein Wesensmerkmal auch der Volksdemokratie. In der DDR wurde der Ausdruck „Volksdemokratie“ zur Kennzeichnung des eigenen Entwicklungsstadiums seit der 2. Parteikonferenz der SED vom Juli 1952 gebraucht. auf der die „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ und damit das Ende der „antifaschistisch-demokratischen Ordnung“ verkündet worden war. Die Bezeichnung „Diktatur des Proletariats“ ist erst seit Ende der 50er Jahre verwendet worden. Bedeutsame Veränderungen hat in der St. die von Chruschtschow entwickelte Konzeption des „Volksstaates“ bewirkt. Im Parteiprogramm der KPdSU von [S. 1038]1961 wurde behauptet, die Diktatur des Proletariats habe in der Sowjetunion ihre historische Mission erfüllt, ihr Staat habe sich zu einem Staat des gesamten Volkes gewandelt und die sozialistische Staatlichkeit würde zunehmend in die gesellschaftliche Selbstverwaltung hinüberwachsen. Diese Thesen, die nur für die Sowjetunion, die sich bereits in der fortgeschritteneren Entwicklungsphase des „umfassenden Aufbaus des Kommunismus“ befunden haben sollte, unmittelbar Geltung besaßen, wurden in der DDR rezipiert. In dem auf dem VI. Parteitag der SED (Januar 1963) verabschiedeten Parteiprogramm wurde ebenfalls das baldige Ende der Diktatur des Proletariats und der Übergang zum Volksstaat in Aussicht gestellt. Seither wurde die Bezeichnung „Diktatur des Proletariats“ immer weniger gebraucht, ohne daß sie ausdrücklich aufgegeben worden wäre. Statt dessen bürgerte sich der Terminus „sozialistische Demokratie“ zur Bezeichnung des politischen Systems der DDR ein. In der St. wurden nur bis 1964/65 verschiedentlich Probleme des Volksstaates erörtert. Der Grund hierfür ist in den ideologischen Auswirkungen von Chruschtschows Sturz Ende 1964 zu suchen. Die neue sowjetische Führung distanzierte sich allmählich von den ideologischen Neuerungen des Parteiprogramms von 1961 und so zunächst auch von der Konzeption des Volksstaates. Ende der 60er Jahre ist der Begriff „allgemeiner Volksstaat“ (obschtschenarodnoje gossudarstvo) von der sowjetischen St. wieder aufgegriffen und schließlich in die neue Sowjetverfassung vom 7. 10. 1977 aufgenommen worden. In der DDR wie in den anderen Ländern des sowjetischen Hegemonialbereichs ist das Leitbild des „Staates des ganzen Volkes“ noch eine Zielvorstellung. Anders als in der Chruschtschow-Ära wird der enge Zusammenhang zwischen der Diktatur des Proletariats und dem Staat des ganzen Volkes, die beide den einheitlichen sozialistischen Staatstyp repräsentierten, wieder nachdrücklich hervorgehoben. In der DDR ist der Terminus „Diktatur des Proletariats“ durch eine Rede W. Ulbrichts vom 12. 10. 1968 als Reaktion auf die Ereignisse in der Tschechoslowakei wieder in den allgemeinen politischen Sprachgebrauch eingeführt worden (Staat und Recht. 1968, S. 1735 ff.). Zugleich sind die These von der führenden Rolle der Partei, der Organisationsgrundsatz des demokratischen Zentralismus und sonstige Elemente der orthodox-stalinistischen St. stark in den Vordergrund gerückt worden. Diese Tendenzen haben sich nach der Entmachtung Ulbrichts und seit dem VIII. Parteitag der SED vom Juni 1971 noch verschärft. Die DDR begreift sich heute als Diktatur des Proletariats. Gleichzeitig versteht sie sich als sozialistische Demokratie. Beide Begriffe werden synonym gebraucht, da die Entfaltung der Demokratie für die Massen der Werktätigen ein charakteristisches Merkmal der Diktatur des Proletariats sei (Verf. Komm., Bd. I, S. 217). Die Anfang der 60er Jahre einsetzenden ideologischen Kursschwankungen sind von der St. der DDR nicht vollständig bewältigt worden. Insbesondere hinsichtlich der Formenlehre des sozialistischen Staates waren im Schrifttum lange Zeit keine substantiellen Aussagen anzutreffen. Erst im Zusammenhang mit dem Erscheinen des Lehrbuchs „Marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie“ im Jahre 1975 hat sich eine gewisse Begriffsklärung abgezeichnet. Nach dem gegenwärtigen Stand soll es nur einen Typus des sozialistischen Staates geben, der allerdings verschiedene Entwicklungsetappen aufweist (Lehrbuch, S. 191 ff.). Es handelt sich um folgende Entwicklungsetappen: <1.> der sozialistische Staat der Diktatur des Proletariats in der Periode von seiner Errichtung bis zum Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse (Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus); 2. der sozialistische Staat der Diktatur des Proletariats in der Periode nach dem Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse bis zur Herausbildung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft; 3. der sozialistische Staat des ganzen Volkes nach dem vollständigen Sieg des Sozialismus in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. In der letzten Entwicklungsetappe soll sich gegenwärtig ausschließlich die Sowjetunion befinden. Die Einordnung der DDR in dieses Schema ist nicht ganz klar. Der „endgültige Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ wurde auf dem VI. Parteitag der SED (1963) verkündet, aber der Ausdruck „entwickelte sozialistische Gesellschaft“ ist erst auf dem VIII. Parteitag der SED (1971) eingeführt worden. Das auf dem IX. Parteitag der SED (1976) angenommene Programm begnügt sich mit der Feststellung, daß der VIII. Parteitag eine „allseitige Begründung“ der bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft zu lösenden Aufgaben gegeben habe und die DDR gegenwärtig eine Form der Diktatur des Proletariats sei, die die Interessen des ganzen Volkes vertrete. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1037–1038 Staatshaushalt A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Staatsmacht

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Nach der marxistisch-leninistischen St. wird der Staat durch seinen „Klassengehalt“ bestimmt. Der Staat wird als ein Machtinstrument in den Händen bestimmter Klassen zur Durchsetzung ihrer Interessen angesehen; er ist ein Produkt der Geschichte, das mit dem Zerfall der Urgesellschaft und dem Auftreten antagonistischer Klassengegensätze entstanden sein und in der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft der Zukunft absterben soll. Den einzelnen…

DDR A-Z 1979

Amortisationen (1979)

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Geldausdruck für den jährlich zuzurechnenden Verschleiß der Anlagemittel. Die A. werden vermittels der — entsprechend der voraussichtlichen jährlichen Abnutzung — von staatlichen Stellen festgelegten Abschreibungssätze vom Brutto-Anlagevermögen errechnet. Den Begriff der A. rechnet man der Finanzierungssphäre zu, während die Abschreibungen als Begriff zur Kostensphäre gehören. Die Entstehung der A. setzt einen Umsatzakt voraus. Sofern ein planmäßiger Ersatzbedarf im betrieblichen Investitionsplan vorgesehen ist, wird ein Teil der A. dem Fonds für Investitionen (Fonds) zugeführt. Dieser Fonds existiert als Sonderbankkonto unter diesem Namen bei der für den Betrieb zuständigen Bank. Die A. werden zuvor großenteils auf dem Separatkonto A.-Fonds des Betriebes bei seiner Bank gesammelt. Es ist aber auch möglich, daß die A. direkt auf das Konto Investitionsfonds überwiesen werden. In der Regel werden die A. für die Erhaltung und den Ersatz verbrauchter Anlagemittel des Betriebes verwendet. Sie können aber auch z. T. dem Investitionsfonds der VVB zufließen, wenn eine Erneuerung und Rationalisierung der betrieblichen Anlagen planmäßig [S. 41]nicht vorgesehen ist. In diesem Fall sind die A.-Abführungen auf maximal 60 v. H. begrenzt, höhere Abführungen dürfen nur durch Minister oder andere Leiter zentraler Staatsorgane — bei örtlich geleiteten Betrieben durch die Vorsitzenden der Räte der Bezirke — festgesetzt werden. Mit den der Fondsbildung der VVB zugeflossenen A.-Abführungen wird wiederum eine Umverteilung zugunsten bestimmter förderungswürdiger Betriebe oder Projekte vorgenommen. Damit soll ein konzentrierter Einsatz von Mitteln zur Modernisierung und Rekonstruktion von Anlagen erreicht werden. Während vor dem Beginn der Wirtschaftsreform 1963/64 die A. im wesentlichen der Ersatzbeschaffung verbrauchter Grundmittel in den betreffenden Betrieben dienten und darüber hinaus auch noch die Finanzierung von Generalreparaturen und Kleininvestitionen ermöglichen sollten, wurden die A. in der NÖS-Periode infolge der Änderung der Abschreibungssätze, des Abschreibungsverfahrens und durch die Neu- und Höherbewertung des in der Wirtschaft eingesetzten Anlageparks (Grundmittelumbewertung) zu einer bedeutenden Quelle für die Finanzierung der volkswirtschaftlichen Bruttoinvestitionen, — also auch für Neuinvestitionen. Denn sowohl mit diesen Reformmaßnahmen als auch über eine vermehrte Selbstfinanzierung der Investitionen (Prinzip der Eigenerwirtschaftung der Investitionsmittel) ist ein effizienterer Einsatz der Kapitalgüter angestrebt worden. Seit der Rezentralisierung von Ende 1970 sollen die A. jedoch grundsätzlich wieder nur der Rationalisierung und Anlagenerneuerung zugute kommen. Grundmittel; Abschreibungen; Investitionsplanung; Phasen der Wirtschaftspolitik seit 1963; Betriebsformen und Kooperation. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 40–41 Amnestie A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Amt für Arbeit und Löhne

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Geldausdruck für den jährlich zuzurechnenden Verschleiß der Anlagemittel. Die A. werden vermittels der — entsprechend der voraussichtlichen jährlichen Abnutzung — von staatlichen Stellen festgelegten Abschreibungssätze vom Brutto-Anlagevermögen errechnet. Den Begriff der A. rechnet man der Finanzierungssphäre zu, während die Abschreibungen als Begriff zur Kostensphäre gehören. Die Entstehung der A. setzt einen…

DDR A-Z 1979

Gesellschaftsordnung (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Unter G. wird die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen den Menschen und deren Organisationen verstanden. Nach marxistisch-leninistischer Auffassung bildet die jeweilige Produktionsweise die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens. Die Produktionsweise ist die dialektische Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Die Produktivkräfte bestimmen das Verhältnis der Menschen zu Natur und Gesellschaft; zu ihnen werden einerseits die Arbeitsmittel, andererseits die Menschen mit ihren Arbeitsfertigkeiten und Produktionserfahrungen sowie neuerdings auch die Wissenschaft mit der auf ihren Erkenntnissen beruhenden Technologie und Organisation der Produktion gezählt. Als Produktionsverhältnisse werden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen bezeichnet, die im Prozeß der Güterproduktion und -Verteilung entstehen. Hierbei wird dem Verhältnis der Menschen zu den Produktionsmitteln, also den Eigentumsverhältnissen, besondere Bedeutung beigemessen, die für die Klassenstruktur der Gesellschaft entscheidend sein sollen. Die Gesamtheit der Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Basis, die den politisch-rechtlichen und ideologischen Überbau der jeweiligen Gesellschaftsordnung bestimmt. Der Historische Materialismus behauptet, daß es objektive Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung gebe, denen zufolge eine historische Abfolge von verschiedenen ökonomischen Gesellschaftsformationen die Menschheitsgeschichte charakterisiere. Die marxistisch-leninistische Formationslehre unterscheidet 5 Gesellschaftsformationen: 1. Urgesellschaft. Sie ist eine klassenlose Gesellschaft, für die die Primitivität der Produktivkräfte, die wenig entwickelte Arbeitsteilung und das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln kennzeichnend sind. 2. Sklavenhaltergesellschaft. Für sie ist der antagonistische Gegensatz von 2~Hauptklassen, der Sklavenhalter und der Sklaven, charakteristisch, dessen ökonomische Grundlage das Privateigentum der Sklavenhalter an den Produktionsmitteln sowie an den unmittelbaren Produzenten, den Sklaven, ist. 3. Feudalismus. Der antagonistische Grundwiderspruch besteht hier zwischen den Feudalherren und den Leibeigenen. Die Produktionsverhältnisse beruhen auf dem Privateigentum der Feudalherren an den Produktionsmitteln. insbesondere am Grund und Boden, und auf der persönlichen Abhängigkeit der Leibeigenen von den Feudalherren, die einem beschränkten Eigentumsverhältnis gleicht. 4. Kapitalismus. Der grundlegende Klassengegensatz zwischen den Kapitalisten (Bourgeoisie) und der Arbeiterklasse (Proletariat) beruht auf dem Privateigentum der Kapitalisten an den Produktionsmitteln und der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Arbeiter. Die Arbeiter sind zwar im Rechtssinn unabhängig, sie müssen aber ihre Arbeitskraft an den Kapitalisten verkaufen und geraten so in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis. Seit Lenin wird die Endphase des Kapitalismus als Imperialismus bezeichnet, für den insbesondere die beherrschende Rolle der Monopole charakteristisch [S. 473]ist und der als „parasitärer, faulender und sterbender“ Kapitalismus eine allgemeine Krise der kapitalistischen Produktionsweise offenbare. 5. Sozialismus/Kommunismus. Nach Marx folgt auf den Kapitalismus der Kommunismus, wobei er einmal beiläufig von 2 Entwicklungsphasen der kommunistischen Gesellschaftsordnung sprach. Lenin bezeichnete später die erste Phase als „Sozialismus“, die zweite als „Kommunismus“. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Phasen besteht darin, daß im Sozialismus das Leistungsprinzip gilt und miteinander befreundete Klassen (insbesondere Arbeiterklasse und Genossenschaftsbauern) existieren, zwischen denen nichtantagonistische Gegensätze bestehen können, während der Kommunismus eine klassenlose Gesellschaft auf der Basis des Bedürfnisprinzips darstellt. Als treibende Kraft der gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet der Historische Materialismus den Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen sowie die darauf beruhenden Klassengegensätze. Wenn diese Widersprüche innerhalb einer Gesellschaftsformation ein Höchstmaß erreichen, schlägt die Quantität in Qualität um. und es findet eine Revolution statt, die die nächste Gesellschaftsformation herbeiführt. So vollzieht sich der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus auf dem Wege der sozialistischen Revolution. Fortan kann allerdings nicht mehr der Widerspruch die treibende Kraft der gesellschaftlichen Entwicklung sein, da antagonistische Klassengegensätze nicht mehr bestehen und die nichtantagonistischen Gegensätze immer geringer werden. Allerdings hat das verstärkte Auftreten realer Widersprüche in allen gesellschaftspolitischen Bereichen zu einer Neubelebung der Widerspruchsdiskussion auch in der DDR in den Jahren 1973 und 1974 geführt. Als Haupttriebkraft wird nunmehr das Klassenbündnis bezeichnet. Die Einordnung der DDR in das geschilderte Entwicklungsschema bereitet manche Schwierigkeiten. Die Periodisierung der eigenen Geschichte ist durch Unklarheiten und rückwirkende Uminterpretationen gekennzeichnet. Bis 1951/52 soll eine „antifaschistisch demokratische Ordnung“ bestanden haben, in der die „demokratisch-revolutionäre Umwälzung“ der Gesellschaft erfolgt sei. Der nunmehr beginnende sozialistische Aufbau ist in der Folgezeit verschiedentlich unterteilt und benannt worden. Eine einschneidende Zäsur bilden die Jahre 1962 und 1963. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen die sozialistischen Produktionsverhältnisse gesiegt haben. Der nächste Abschnitt der Entwicklung wurde zunächst als „umfassender Aufbau des Sozialismus“ (1963) und dann als „Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ (1967) bezeichnet; seit 1971 begreift sich die DDR als „entwickelte sozialistische Gesellschaft“. Im Gegensatz zur Ulbricht-Ära, in der der Sozialismus als eine länger andauernde „relativ selbständige Gesellschaftsformation“ aufgewertet wurde, wird heute davon ausgegangen, daß Sozialismus und Kommunismus 2 Phasen einer einheitlichen Gesellschaftsformation darstellen, die allmählich ineinander übergehen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 472–473 Gesellschaftsgefährlichkeit A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Gesellschaftswissenschaften

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Unter G. wird die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen den Menschen und deren Organisationen verstanden. Nach marxistisch-leninistischer Auffassung bildet die jeweilige Produktionsweise die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens. Die Produktionsweise ist die dialektische Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Die Produktivkräfte bestimmen das Verhältnis der Menschen zu Natur und Gesellschaft; zu ihnen werden einerseits die…

DDR A-Z 1979

Kulturpolitik (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 [S. 629] I. Ideologische Voraussetzungen und allgemeine Tendenz Auch in der K. gilt das Dogma von der „führenden Rolle der Partei“. Folgerichtig fordert daher die SED „die Verwirklichung der sozialistischen Revolution auf dem Gebiet der Ideologie und Kultur und die Herausbildung einer der Arbeiterklasse, dem schaffenden Volk und der Sache des Sozialismus ergebenen zahlreichen Intelligenz“. Diese Definition der K. findet sich bereits in der „Erklärung der Kommunistischen und Arbeiterparteien“ von 1957 und wird gegenwärtig als „allgemeine Gesetzmäßigkeit des sozialistischen Aufbaus in allen Ländern“ verstanden (Kleines Politisches Wörterbuch, Berlin [Ost] 1973, S. 478). Die K. soll der Durchführung einer „sozialistischen Kulturrevolution“ dienen, wobei gegenwärtig als Reflex auf die Haltung der SED in der nationalen Frage die enge Wechselwirkung von sozialistischem Patriotismus und Proletarischem ➝Internationalismus besonders betont wird. Sie soll sich in Etappen vollziehen und hat „alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu durchdringen“. Eine derart umfangreiche Aufgabenstellung ordnet die K. in den Prozeß der allgemeinen sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft ein. Objektive Grundlage der K. soll die Beachtung der Einheit von Politik, Ökonomie und Kultur bilden. Wie in den Bereichen Politik und Ökonomie beansprucht die SED auch in der Kultur die Planung und Leitung der allgemeinen Entwicklung. „Inhalt und Aufgaben der Kulturpolitik der SED sind bestimmt vom strategischen Ziel, das mit dem Programm der SED vom IX. Parteitag beschlossen wurde, in der DDR weiterhin die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten und so grundlegende Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen; von der weiteren Vertiefung der Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen Ländern der sozialistischen Staatengemeinschaft; von den Erfordernissen der verschärften Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus“ (Kulturpolitisches Wörterbuch, Berlin : [Ost] 1978, S. 403). Dabei ist es häufig zu Konflikten zwischen den Schriftstellern bzw. Künstlern und Kulturfunktionären gekommen. Die Durchsetzung der K. erfolgt über die Parteiorganisationen auf den verschiedenen Ebenen, die staatlichen Organe, kulturelle Institutionen und gesellschaftliche Organisationen sowie die einzelnen Künstlerverbände. Die einzelnen Bereiche der K. werden im „Programm der SED“ von 1976 umschrieben. Die Partei, so heißt es darin, „setzt sich dafür ein, den Reichtum materieller und geistiger Werte der sozialistischen Kultur umfassend zu mehren und ein vielseitiges anregendes kulturelles Leben zu entfalten. Ein wichtiges Anliegen ist die systematische Erhöhung der sozialistischen Arbeitskultur in allen Stätten der Arbeit und des Lernens. Die Partei tritt dafür ein, alle Möglichkeiten und vielfältigen Formen für die Entwicklung eines kulturvollen sozialistischen Gemeinschaftslebens in den Städten, Dörfern und Erholungsgebieten zu nutzen. Es gilt, mehr Voraussetzungen für kulturelle Gemeinschaftserlebnisse, für niveauvolle Geselligkeit, Unterhaltung und Tanz sowie für sportliches Wetteifern zu schaffen.“ Als „die verschiedenen Elemente der sozialistischen Kultur“ nannte der zuständige Sekretär im ZK der SED, Kurt Hager, auf der 6. Tagung des ZK der SED am 6./7. 7. 1972 „die sozialistische Arbeitskultur, den Schutz und die Gestaltung der Umwelt, die Kultur in den menschlichen Beziehungen und im persönlichen Lebensstil, die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Weltanschauung und ihre Verbreitung im Volk, die Förderung von Wissenschaft und Bildung, die Pflege des humanistischen Kulturerbes und seine Aneignung durch die Werktätigen, den Aufschwung der Kunst und ihre gesellschaftliche Wirksamkeit, die Entwicklung aller schöpferischen Begabungen und Talente des Volkes“. Die sozialistische Kulturrevolution versteht sich nach Lenin als „Entwicklung der besten Vorbilder, Traditionen und Ergebnisse der bestehenden Kultur vom Standpunkt der marxistischen Weltanschauung“; sie zielt in der DDR auf die Herausbildung einer sozialistischen Nationalkultur, die sich als legitimer Erbe aller demokratischen und humanistischen Traditionen der deutschen Geschichte betrachtet. Seit 1961 wird der These von einer fortbestehenden „Einheit der deutschen Kultur“ entgegengetreten und die Abgrenzung von der in der Bundesrepublik herrschenden „imperialistischen Kultur“ auch historisch mit dem Hinweis begründet, daß es eine „außerhalb der Bestrebungen der Klassen stehende einheitliche deutsche Kultur nie gegeben“ habe (Hager). Im Verhältnis zu den kulturellen Erscheinungen in der Bundesrepublik Deutschland soll genau unterschieden werden „zwischen den Produkten kapitalistischer Kulturindustrie, die dem Imperialismus unmittelbar dienen, und jenen künstlerischen Anstrengungen, die humanistische und demokratische Positionen, aber auch noch verschwommene Wünsche, Gedanken, Forderungen nach Frieden, Entspannung, sozialer Sicherheit zum Ausdruck bringen“. Das gleiche gilt auch für den kulturellen Kontakt und Austausch mit anderen kapitalistischen Staaten; so wird z. B. von entsprechenden Kriterien die Auswahl von dort übernommener literarischer, [S. 630]filmischer und anderer künstlerischer Werke bestimmt. Die angestrebte verstärkte Integration der sozialistischen Staaten auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet führte auch zu einer Intensivierung der kulturellen Beziehungen der DDR zu diesen Staaten, wie dies vor allem schon mit der Sowjetunion seit langem praktiziert wird. Ihren Ausdruck findet diese Entwicklung in regelmäßigen Beratungen der Kultur-, Hochschul- und Volksbildungsminister und zwischen den entsprechenden Künstlerverbänden sowie in zwischenstaatlichen Arbeitsvereinbarungen und Abkommen auf allen Gebieten der K. In Berlin (Ost) bestehen Kulturhäuser der Sowjetunion, der ČSSR, Polens, Ungarns und Bulgariens, die durch Ausstellungen, Film-, Musik- und Vortragsveranstaltungen, Sprachkurse sowie den Verkauf einheimischer Kulturwaren Informationen über die Kultur ihrer Länder liefern und z. T. auch entsprechende Veranstaltungen in den Bezirken der DDR durchführen. Kulturellem Austausch dienen auch meist auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit durchgeführte Kulturtage der einzelnen sozialistischen Länder. II. Etappen der Kulturpolitik Die „antifaschistisch-demokratische“ Phase der K. von. 1945 bis 1951 war vor allem gekennzeichnet durch 1. die Aufklärung über die NS-Vergangenheit, 2. die Anknüpfung an die humanistischen Traditionen des Bürgertums in der Kunst, 3. die durch soziale und materielle Vergünstigungen unterstützte Einbeziehung der bürgerlichen Intelligenz in den Aufbauprozeß bei gleichzeitiger Besetzung der Schlüsselpositionen des Kulturapparats mit Kommunisten und 4. die Anfänge einer Schul- und Hochschulreform, die einmal der Entnazifizierung des Bildungswesens und zum anderen seiner Öffnung für Arbeiter- und Bauernkinder diente. Zur schnellen Heranbildung einer neuen Intelligenz aus der Arbeiterklasse wurden insbesondere 1946 die später in Arbeiter- und-Bauern-Fakultäten umbenannten Vorstudienanstalten eingerichtet, die jungen Arbeitern und Bauern den Zugang zum Universitäts- und Hochschulstudium ermöglichten. Die eigentliche „sozialistische Kulturrevolution“ wurde 1951 durch eine Zentralisierung der Lenkung der gesamten K. eingeleitet. So wurden in diesem Jahr das „Amt für Literatur und Verlagswesen“ und die „Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten“ eingerichtet; 1952 folgte die Gründung des „Staatlichen Komitees für Filmwesen“ und des „Staatlichen Rundfunkkomitees“. Die von diesen Institutionen betriebene Ausrichtung der K. auf die Aufgaben des Fünfjahrplanes und die durch den kalten Krieg verschärfte Auseinandersetzung mit dem Westen erfolgten vorwiegend durch administrative Maßnahmen und wurden bestimmt durch den auf der 5. Tagung des ZK der SED vom 17. 3. 1951 gefaßten Beschluß „Der Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur“ und die Orientierung auf den „Sozialistischen Realismus“. Die davon ausgehende kunstfremde Kritik traf selbst prominente Vertreter des Kulturlebens in der DDR und allgemein anerkannte Kunstwerke. Beispiele dafür sind: Die Oper „Das Verhör des Lukullus“ von B. Brecht und P. Dessau, die nach ihrer Uraufführung 1951 von den Autoren umgearbeitet und in „Die Verurteilung des Lukullus“ umbenannt werden mußte; der nach dem gleichnamigen Roman von A. Zweig gedrehte DEFA-Film „Das Beil von Wandsbek“, der nach der Premiere zurückgezogen wurde; eine Barlach-Ausstellung, die 1952 nach vorausgegangener Kritik an dem „düsteren, bedrückenden, pessimistischen Charakter“ der Kunst des Bildhauers vorzeitig geschlossen wurde. Die dogmatische Auslegung der Begriffe „Formalismus“ und „Sozialistischer Realismus“ war beeinflußt durch die damalige stalinistische K. der Sowjetunion und stieß ebenso wie die zur Durchsetzung entsprechender kulturpolitischer Richtlinien angewandten Praktiken der staatlichen Organe (nach Proklamierung des „Neuen Kurses“ am 9. 6. 1953) auf die Kritik der betroffenen Künstler, insbesondere der Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost). Die Folgen waren eine Auflösung der 1951/52 etablierten Institutionen (mit Ausnahme des „Staatlichen Rundfunkkomitees“) und die Übernahme ihrer Funktionen durch ein am 7. 1. 1954 gebildetes Ministerium für Kultur. In der dazu erlassenen VO hieß es u. a.: „Verständnisloses Administrieren darf nicht an Stelle des Überzeugens und der Selbstverständigung der Künstler treten“, und die DDR „wird alle Möglichkeiten einer gesamtdeutschen Zusammenarbeit zur Pflege und Erhaltung einer humanistischen deutschen Kultur wahrnehmen“. Nachdem die auf dem XX. Parteitag der KPdSU geübte Stalin-Kritik kulturpolitischen Liberalisierungstendenzen in der DDR und Kritik der Künstler an bürokratischen und schematischen Leitungsmethoden neuen Auftrieb gegeben hatte, wies eine vom ZK der SED zum 23./24. 10. 1957 einberufene Kulturkonferenz solche Erscheinungen auch unter dem Eindruck der Ereignisse in Ungarn zurück. Schon vorher hatten kulturpolitische Repressionen gegen antistalinistische Kräfte eingesetzt, wobei insbesondere die Inhaftierung und Verurteilung der Gruppe um den Ost-Berliner Philosophie-Dozenten W. Harich und Auseinandersetzungen um die revisionistischer Ideologie beschuldigte Philosophie des von 1948 bis zur Zwangsemeritierung 1957 in Leipzig lehrenden E. Bloch eine Rolle spielten. Die SED orientierte sich jetzt wieder verstärkt auf die Erfordernisse der sozialistischen Kulturrevolution im Zu[S. 631]sammenhang mit den politischen und ökonomischen Aufgaben des zweiten Fünfjahrplanes. In der Bildungspolitik bedeutete dies die Einführung des Systems der polytechnischen Bildung in den Unterricht, die 1959 mit der Errichtung der 10klassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule für alle Schüler Gesetz wurde. In der Kunstpolitik hieß das die Herstellung engerer Verbindungen zwischen Kunstproduzenten und -konsumenten, was Schriftsteller und Künstler dadurch realisieren sollten, daß sie sich mit Leben und Arbeit an den Schwerpunkten industriellen und landwirtschaftlichen Aufbaus vertraut machen. Besonders forciert wurde diese K. mit der Zielvorstellung einer Überwindung der „noch vorhandenen Trennung von Kunst und Leben, der Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ durch die als 1. Bitterfelder Konferenz bekanntgewordene Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages Halle vom 24. 4. 1959 im Kulturpalast des VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld. Die hier von W. Ulbricht ausgegebenen kulturpolitischen Direktiven wurden in der Folgezeit als „Bitterfelder Weg“ popularisiert. Sie beinhalteten u. a. Bestrebungen zur Erhöhung des Kulturniveaus der Arbeiter, wie die Einbeziehung von „Kultur- und Bildungsplänen“ der Arbeitskollektive in den sozialistischen Wettbewerb und eine starke Förderung des künstlerischen Volksschaffens, z. B. durch die „Bewegung Schreibender Arbeiter“ und „Junger Talente“ sowie die Bildung von Arbeiter- und Bauerntheatern aus Laien. Auf der 2. Bitterfelder Konferenz am 24./25. 4. 1964 wurde u. a. auf den Zusammenhang der Kulturrevolution mit der wissenschaftlich-technischen Revolution hingewiesen; die durch diese aufgeworfenen Probleme standen besonders Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre auch im Mittelpunkt verschiedener literarischer Werke, Theaterstücke, Filme und Fernsehspiele. 1965 wurde das Einheitliche sozialistische Bildungssystem gesetzlich fixiert. Zu seinen Bestandteilen gehören die Einrichtungen der Vorschulerziehung (Kinderkrippen und Kindergärten), die 10klassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, die Einrichtungen der Berufsausbildung, die zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtungen, die Ingenieur- und Fachschulen, die Universitäten und Hochschulen, die Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung der Berufstätigen sowie die Sonderschuleinrichtungen. In allen Bildungseinrichtungen wird auf der Grundlage staatlicher Lehrpläne gearbeitet, für die das Ministerium für Volksbildung bzw. für Hoch- und Fachschulwesen verantwortlich ist. Die 3. Hochschulreform, deren Inhalte und Ziele vom VII. Parteitag der SED 1967 präzisiert wurden, koordinierte Lehre und Forschung mit den Bedürfnissen und den planmäßigen Veränderungen in den Betrieben. Der „Bitterfelder Weg“ führte in der Praxis zeitweise zu einer Nivellierung kunstästhetischer Maßstäbe. Kontroversen zwischen Vertretern der SED-K. und verschiedenen Künstlern entstanden auch aus unterschiedlichen Meinungen über die kritische Funktion der Kunst. Die nach der äußeren Abgrenzung durch die Maßnahmen des 13. 8. 1961 in Berlin erreichte innere Konsolidierung der DDR erlaubte nach Meinung dieser Künstler und einiger Kulturpolitiker eine offenere Auseinandersetzung mit Mängeln der eigenen Gesellschaft. Verschiedene Werke der Literatur, des Theaters und des Films, in denen diese Einstellung zum Ausdruck kam, wurden Mitte der 60er Jahre offizieller Kritik unterzogen, teilweise vom Spielplan abgesetzt bzw. durften nicht erscheinen. Davon betroffen waren u. a. Schriftsteller wie V. Braun, P. Hacks, St. Heym und Ch. Wolf. Waren die entsprechenden Differenzen vor allem durch das 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 offenkundig und beeinflußt worden, so markierte der VIII. Parteitag der SED im Juni 1971 den Beginn eines positiveren Verhältnisses zwischen Künstlern und Partei, das seitdem mehrfach durch Begriffe wie „gegenseitiges Vertrauen“ und „schöpferische Atmosphäre“ gekennzeichnet wurde. Auf dem VIII. Parteitag der SED (1971) wurden Schriftsteller und Künstler zum „offenen, sachlichen, schöpferischen Meinungsstreit“ ermuntert und ihrer „schöpferischen Suche nach neuen Formen volles Verständnis“ zugesichert. E. Honecker ergänzte bald darauf diese Ankündigungen einer „offeneren“ K. durch die Feststellung, daß, „wenn man von festen Positionen des Sozialismus ausgeht, … es … auf dem Gebiet von Kunst und Literatur keine Tabus geben“ könne. Die für die durch den VIII. Parteitag der SED eingeleitete neue Phase der K. gültigen Richtlinien wurden auf der 6. Tagung des ZK der SED am 6./7. 7. 1972 präzisiert. K. Hager erklärte im Grundsatzreferat, daß es in der K. „um die Befriedigung sehr differenzierter kultureller und künstlerischer Bedürfnisse“ gehe und „in der Kunst des sozialistischen Realismus … eine reiche Vielfalt der Themen, Inhalte, Stile, Formen und Gestaltungsweisen zu erschließen“ sei. Die in den letzten Jahren bei der Auslegung des Begriffs „Sozialistischer Realismus“ gewonnene zunehmende Variationsbreite wurde noch einmal durch den ausdrücklichen Hinweis auf „Weite und Vielfalt aller Möglichkeiten des sozialistischen Realismus“ unterstrichen, gleichzeitig aber betont, daß dies „jede Konzession an bürgerliche Ideologien und imperialistische Kunstauffassungen“ ausschließe. („Von den Beschlüssen [der Partei] ausgehen“ bedeute „im künstlerischen Schaffen nicht, sie zu illustrieren“. „Künstler sein heißt Entdecker neuer Wirklichkeiten sein, heißt Vordringen zu neuen Stoffen, Lebenstatsachen und Lebensbereichen.“) Die Gestaltung von Widersprüchen und Konflikten [S. 632]in Kunstwerken wurde legitimiert, auch wenn dabei keine fertigen Lösungen geboten werden. „Das ‚Kritische Element‘“ erweise sich aber „nur produktiv in seinem dialektischen Verhältnis zur konstruktiven Funktion der Kunst in der sozialistischen Gesellschaft“. Besonders hervorgehoben wurde auch die künstlerische und gesellschaftliche Bedeutung des Heiteren. Schließlich hieß es: „Der Arbeitsstil aller leitenden Organe der Partei, des Staates und der gesellschaftlichen Organisationen muß durch Sachlichkeit und Sachkenntnis, durch das verständnisvolle Verhalten zu den Künstlern und Künsten, durch das umsichtige Fördern aller Talente geprägt sein. In ihm verbinden sich Prinzipienfestigkeit mit Feinfühligkeit für die vielschichtigen und komplizierten kulturell-künstlerischen Prozesse, die das für das weitere Erblühen der Kunst und Kultur gedeihliche Klima gewährleisten.“ Daß sich der so umrissene neue „verwissenschaftlichte“ und von den administrativ-dogmatischen Methoden der 50er und 60er Jahre unterscheidende Führungsstil der Partei auf dem Gebiet der K. allmählich durchsetzte, ist auch eine Folge der in den 60er Jahren begonnenen Ausbildung von „Kulturkadern“ in speziell konzipierten Hochschulstudiengängen und Sonderlehrgängen. Die sich in diesen theoretischen Äußerungen dokumentierenden Modifikationen in der K. seit dem VIII. Parteitag blieben auf dem Gebiet der Kunst nicht ohne Konsequenzen. Einige bislang unterdrückte Werke durften erscheinen; zeitweise repressiv behandelte Künstler erfuhren eine Aufwertung; bessere Möglichkeiten zur Entfaltung formaler und inhaltlicher Eigenarten führten zu höherer Qualität künstlerischer Produkte; die Rolle des Individuums in der sozialistischen Gesellschaft rückte stärker in den Mittelpunkt künstlerischer Gestaltung; bisher durch ideologische Bedenken eingeschränkte Möglichkeiten zum Kennenlernen und zur Auseinandersetzung mit künstlerischen Werken der Vergangenheit und Gegenwart aus dem sozialistischen und kapitalistischen Ausland wurden erweitert. Zunächst schien die SED-Führung diesen Kurs weiter steuern zu wollen. Sie verband Mitte der 70er Jahre mit der vorläufigen Absage an die Einheit der deutschen Nation eine stärkere Betonung der „sozialistischen Nationalkultur“ und bemühte sich um eine Erweiterung des Begriffs Kulturelles Erbe. Das „Programm der SED“, vom IX. Parteitag (1976) verabschiedet, forderte für die künstlerische Entwicklung „eine Atmosphäre, die durch hohe ideelle, moralische und ästhetische Ansprüche an die Kunstschaffenden, durch verständnisvolles Verhalten gegenüber den Künstlern sowie durch die Förderung aller Talente charakterisiert wird“. Diese Politik lief parallel zu den politischen Auswirkungen, die die DDR-Führung nach der Sicherheitskonferenz von Helsinki (1975) und der Berliner Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien vom Juni 1976 zu bewältigen hatte. Künstler und Schriftsteller diskutierten und gestalteten immer stärker nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Nachteile des „realen Sozialismus“. Ein Eklat bahnte sich am 29. 10. 1976 an. An diesem Tag schloß der Bezirksverband Erfurt des DDR-Schriftstellerverbandes den Autor des Buches „Die wunderbaren Jahre“, Reiner Kunze, aus seinen Reihen aus. Am 3. 11. bestätigte das Verbandspräsidium diesen Beschluß. 13 Tage später, am 16. 11. 1976, wurde der „Liedermacher“ Wolf Biermann nach einem Konzert-Auftritt in Köln, der ihm von den Behörden in Berlin (Ost) zuvor genehmigt worden war, von der DDR durch Aberkennung der Staatsbürgerschaft in Abwesenheit ausgebürgert. Unmittelbar darauf begann eine bis dahin einmalige Solidaritäts-Aktion führender Schriftsteller und Künstler aus der DDR, der sich über hundert Künstler aller Kunstrichtungen anschlossen. Sie wandten sich in einem westlichen Agenturen übergebenen Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung und baten die Parteiführung, „die beschlossenen Maßnahmen zu überdenken“. Eine von der SED-Führung in den Medien sofort inszenierte Zustimmungs-Kampagne zu ihrem Beschluß vertiefte allerdings nur die Kluft zwischen parteikonformen Künstlern und denen, die gleichzeitig Solidarität mit Biermann üben und die seit Anfang der 70er Jahre errungenen künstlerischen Freiräume verteidigen wollten. Das Mitglied des Politbüros der SED Kurt Hager beschuldigte Ende November 1976 die „gegnerische Propaganda“, den Eindruck zu erwecken, „daß die Intelligenz der DDR mit dem Kurs des VIII. und IX. Parteitags unzufrieden sei und einen anderen, einen ‚dritten Weg‘ suche“. Gleichzeitig kündigte er an, daß mit denjenigen Genossen, die gegen die Ausbürgerung protestiert hatten, „die Auseinandersetzung in ihrer Parteiorganisation“ erfolgen werde. Am 25. 1. 1977 faßte das SED-Politbüro einen Beschluß „über die politisch-ideologische Führung des geistig-kulturellen Lebens“. Sein Wortlaut wurde bisher nicht veröffentlicht. Lediglich Kernsätze daraus wurden von Generalsekretär Honecker auf dem 5. ZK-Plenum zitiert. Sie finden sich wieder im „Kulturpolitischen Wörterbuch“, Berlin (Ost), 1978, S. 404: Jeder Künstler, dessen Werke dem Frieden, dem Humanismus, der Demokratie, der antiimperialistischen Solidarität und dem realen Sozialismus verpflichtet sind, hat reiche Wirkungsmöglichkeiten. Die Grundfrage ist und bleibt die künstlerische Verantwortung im und für den Sozialismus. Durch ihre Kulturpolitik fordert die SED die Entwicklung einer schöpferischen Atmosphäre, die durch hohe ideelle, moralische und ästhetische Ansprüche und durch prinzipienfestes und zugleich vertrauensvolles Verhalten gegenüber den Schriftstellern und Künstlern gekennzeichnet ist.“ Die praktische Umsetzung dieser widersprüchlichen [S. 633]Politik hinterließ tiefe Spuren in der Kulturlandschaft der DDR. Die angekündigte „Auseinandersetzung“ mit den Biermann-Sympathisanten hatte weitreichende psychologische Folgen. Enge Freunde des „Liedermachers“ sowie Organisatoren von Protest-Resolutionen in der Provinz wurden wenige Tage nach dem Ausbürgerungs-Beschluß verhaftet und Monate später in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Einigen Schriftstellern und Schauspielern erfüllte man den Ausreisewunsch sofort. Für die Mehrzahl jedoch begannen langwierige und vielfach unerträgliche Diskussionen mit der Parteiführung und den Funktionären in den Künstlerverbänden. In ihrem Verlauf zog eine Reihe der prominentesten Künstler der DDR ein ungewisses Schicksal im Westen der ständigen Bevormundung durch die Kulturfunktionäre der SED vor. Schriftsteller (Manfred Jentzsch, Reiner Kunze, Sarah Kirsch, Jurek Becker, Hans-Joachim Schädlich), Schauspieler (Manfred Krug), Regisseure (Adolf Dresen), Komponisten (Thilo Medek), um nur die wichtigsten zu nennen, wurden im Lauf des Jahres 1977 aus der DDR-Staatsbürgerschaft entlassen oder erhielten für einen längeren „Urlaub“ die Ausreisegenehmigung aus der DDR. Unter dem Eindruck ihres Weggangs begannen zahlreiche der Biermann-Sympathisanten, die aus Überzeugung entschlossen waren zu bleiben, mit Hilfe westlicher Medien, vor allem des Fernsehens, eine Diskussion über die Rolle des Künstlers und das Wesen der sozialistischen Gesellschaft zu führen. Die bei diesen Gelegenheiten geäußerten Zweifel fielen zeitlich und inhaltlich mit der Veröffentlichung des Buches „Die Alternative“ des DDR-Ingenieurökonomen Rudolf Bahro in der Bundesrepublik Deutschland zusammen, in dem ebenfalls von einer sozialistischen Position aus Möglichkeiten zur Überwindung des Widerspruchs zwischen Ideal und Wirklichkeit im „real existierenden Sozialismus“ gesucht wurden. Selbst führende SED-Politiker warnten in dieser Zeit vor dem behaupteten „Austrocknen der DDR-Kulturlandschaft“. Die VIII. Kunstausstellung der DDR in Dresden im Herbst 1977 ließ wenigstens in der Bildenden Kunst noch Raum für Kritik erkennen. Auf dem Theater bedienten sich einige Regisseure des Umwegs über die Inszenierung ausländischer, zumeist sowjetischer Stücke, um einer Erstarrung künstlerischer Ausdrucksformen zu entgehen und neue stilistische und inhaltliche Darstellungsmittel ausprobieren zu können. Die nach dem VIII. Parteitag der SED (1971) eingeleitete vorsichtige Erweiterung des Buch- und Filmangebots aus dem westlichen Ausland wurde bisher aufrechterhalten. Die meisten veröffentlichten Werke von schreibenden Biermann-Sympathisanten blieben, unabhängig davon, ob diese die DDR verlassen hatten oder nicht, auch weiterhin im Angebot der Buchhandlungen in der DDR. Einige neue Werke allerdings erschienen nur noch im Westen. Diese widersprüchlichen Tendenzen waren auch auf dem IX. Kongreß des Kulturbundes der DDR im September 1977 zu erkennen. Während sein neugewählter Präsident Hans Pischner einräumte, „auf unserem Weg auch Fehler gemacht“ zu haben, vermochte Kurt Hager „nicht, irgendwelche Schwankungen“ der Kulturpolitik der SED zu erkennen. Geradezu beschwörend meinte er, daß es „niemandem und niemals gelingen (werde), das Vertrauensverhältnis zwischen unserer Partei und den Kulturkunstschaffenden zu zerstören“. Vom Bemühen um Vertrauen war ein veröffentlichter Politbüro-Beschluß über die „Aufgaben der Literatur- und Kunstkritik“ vom November 1977 gekennzeichnet. Danach sollen „Probleme nicht verwischt oder verschwiegen werden, Fehler oder Schwächen einzelner Kunstwerke sollten mit Verständnis für die Kompliziertheit künstlerischer Schaffensprobleme offen besprochen werden“. Der kulturpolitische Alltag allerdings sah, besonders bei der Vorbereitung des VIII. Schriftstellerkongresses der DDR im Mai 1978, anders aus. Durch Manipulationen bei der Nominierung wurden einige der bedeutendsten Schriftsteller der DDR nicht zum Kongreß delegiert. Andere verzichten aus Solidarität mit gemaßregelten Kollegen von sich aus auf eine Teilnahme. Die Kluft zwischen den Biermann-Sympathisanten und der Parteiführung konnte seitdem nicht geschlossen werden. Sie wurde weiter aufgerissen, als Politbüro-Mitglied Konrad Naumann wenige Tage vor Kongreßbeginn auf dem 8. ZK-Plenum im Mai 1978 Erinnerungen an das berüchtigte 11. Plenum des ZK der SED im Jahr 1965 weckte. Erhielt „einigen wenigen“ Schriftstellern, die im westlichen Ausland publiziert haben, ihre Deviseneinnahmen vor und diffamierte sie als „bürgerliche Künstler“. Daraufhin sprach Stephan Hermlin, einer der Initiatoren der Protesterklärung für Biermann, auf dem Kongreß von „Demagogie“ und bezeichnete sich selbst als einen „spätbürgerlichen Schriftsteller“. Nach dieser öffentlichen Kontroverse schienen sich beide Seiten intern zunächst um einen Ausgleich zu bemühen. Das kulturpolitische Klima blieb jedoch vorläufig von schwer überbrückbaren Gegensätzen zwischen der Mehrzahl der Künstler und den Kultur-„Apparatschiks“ der Partei bestimmt. Ende 1978 wurden Theaterstücke vor der Uraufführung abgesetzt („Die Flüsterparty“ von Rudi Strahl), die Ausstrahlung von Fernsehspielen aus politischen Gründen verschoben („Geschlossene Gesellschaft“ von Klaus Poche). Anfang 1979 erschienen 2 Romane von DDR-Autoren, die sich kritisch mit den herrschenden Zuständen in ihrem Land auseinandersetzten nur im Westen. Stefan Heyms „Collin“ über die stalinistische Vergangenheit der [S. 634]DDR, Rolf Schneiders „November“ über die Biermann-Ausbürgerung. Erich Honecker, der sich bis dahin mit richtungsweisenden Erklärungen zur K. eher zurückgehalten hatte, stellte sich zur selben Zeit hinter den scharfen kulturpolitischen Kurs Konrad Naumanns. III. Kulturapparat, Institutionen und Organisationen Die Anleitung und Kontrolle der K. erfolgt zentral über entsprechende Abteilungen im ZK der SED und die Ministerien für Kultur, für Volksbildung und für Hoch- und Fachschulwesen, das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport, das Staatssekretariat für Berufsbildung, das Amt für Jugendfragen und die mit diesen Fragen befaßten Ausschüsse der Volkskammer. Bei den Räten der Bezirke. Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden bestehen Abteilungen für Kultur, für Volksbildung, für Arbeit und Berufsausbildung und für Jugendfragen sowie ständige Kommissionen für Kultur, denen Abgeordnete der Volksvertretungen und kulturell interessierte Mitglieder gesellschaftlicher Organisationen angehören. Eine wichtige Rolle bei der Kulturvermittlung ― entweder durch die Organisierung von Veranstaltungen in Klub- und Kulturhäusern oder als Anreger kultureller Bildung ― spielen Kulturbund, FDGB (mit rd. 250.000 Kulturobleuten in den Betriebsgewerkschaftsgruppen), FDJ. DSF und Urania. Für die Durchführung der den Kulturschaffenden gestellten kulturpolitischen Aufgaben mitverantwortlich sind die Akademie der Künste der DDR, die Gewerkschaft Kunst im FDGB (mit rd. 65.000 Mitgliedern = etwa 94 v. H. aller im kulturellen Bereich Tätigen) und die verschiedenen Künstlerverbände: Schriftstellerverband der DDR, Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR, Verband Bildender Künstler der DDR, Verband der Theaterschaffenden der DDR, Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR und Bund der Architekten der DDR. Diese Institutionen und Organisationen üben auch beratende Funktionen bei der Konzipierung der K. aus. Die überwiegend Volks- bzw. organisationseigenen Verlage sowie die wenigen kleinen privaten Verlage unterstehen mit ihrer Buch- und Zeitschriftenproduktion genauso wie das gesamte Filmwesen und die Staatstheater dem Ministerium für Kultur; städtische Bühnen und Kabaretts unterstehen den örtlichen Staatsorganen, ebenso die jn jedem Bezirk bestehenden VEB Konzert- und Gastspieldirektionen, denen Organisierung und Durchführung aller übrigen künstlerischen Veranstaltungen ernster und unterhaltender Art obliegen. Das alleinige Recht zur Vermittlung von Künstlern und künstlerischen Ensembles aus der DDR ins Ausland und umgekehrt besitzt die Künstler-Agentur der DDR. Im Jahr 1977 gaben Solisten der DDR 2.100 Konzerte in anderen Ländern. Theater und Orchester traten mit rd. 600 Vorstellungen und Konzerten im Ausland auf, Solisten und Gruppen aus dem Bereich der Unterhaltungskunst hatten über 700 Auslandsauftritte. Umgekehrt gastierten im selben Jahr 71 ausländische Ensembles mit 480 Konzerten und Vorstellungen in der DDR, 390 Konzert- und Theatersolisten hatten mehr als 1.200 Auftritte. Auch dabei bezieht die DDR unter dem Begriff „Ausland“ Gastspiele aus bzw. in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) ein. Allgemein ist festzustellen, daß der innerdeutsche Kulturaustausch trotz Fehlens eines Kulturabkommens seit Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zugenommen hat. Verantwortlich für Rundfunk und Fernsehen sind ein Staatliches Komitee für Rundfunk und ein Staatliches Komitee für Fernsehen beim Ministerrat der DDR. IV. Finanzierung kultureller Aufgaben und materielle Lage der Kulturschaffenden Zum Teil durch Subventionierung aus dem Staatshaushalt sind die Kosten für Kulturgüter für den Konsumenten relativ niedrig; z. B. betragen die Preise für Bücher oft nur etwa ein Drittel vergleichbarer Ausgaben in der Bundesrepublik, Schallplatten kosten zwischen 4,10 Mark (Singles) und 16,10 1 Mark (LP), und die Eintrittspreise der Kinos bewegen sich zwischen 0,50 und 3 Mark. Durch einen Aufschlag von 0,05 bzw. 0,10 Mark auf Eintrittspreise bei Kulturveranstaltungen. Rundfunkgebühren und Schallplattenpreise wird der Kulturfonds der DDR finanziert. Er untersteht dem Ministerium für Kultur und wird durch ein Kuratorium verwaltet, dem u. a. die Präsidenten der Künstlerverbände, der [S. 635]Akademie der Künste, der Vorsitzende der Gewerkschaft Kunst und der 1. Bundessekretär des Kulturbundes der DDR angehören. Es entscheidet aufgrund staatlicher Richtlinien über die Verwendung der Mittel zur Förderung sozialistischer Kunst, z. B. für Finanzierung bestimmter in Auftrag gegebener Kunstwerke und für die „Verbesserung der Lebens- und Schaffensbedingungen der Schriftsteller und Künstler“. Auftraggeber für Künstler, vor allem in den Bereichen der bildenden Kunst, der Dramatik, der Musik, des Films, aber auch in der Literatur, sind neben entsprechenden Kultureinrichtungen, wie Theater, Orchester, DEFA u. a., staatliche Institutionen. Betriebe und gesellschaftliche Organisationen. Zum Teil bestimmen die Aufträge als unmittelbare Partner der Künstler Arbeitskollektive aus den Betrieben, um auf diese Weise engere Beziehungen zwischen Kunstproduzenten und -konsumenten zu fördern. Erfahrungen mit aus unterschiedlichen Auffassungen von Künstlern und Auftraggebern resultierenden Konflikten führten immer wieder zu Aufforderungen seitens kulturpolitischer Leitungsorgane, den individuellen künstlerischen Schaffensprozessen größeres Verständnis entgegenzubringen. Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann und der Sekretär des Rates für Kultur beim Minister für Kultur, Dr. Werner Kühn, betonten im theoretischen Organ des ZK der SED „Einheit“ (Nr. 6/1974), daß es bei der Auftragserteilung „nicht allein um Pläne und Beschlüsse“ gehe. Der „gesellschaftliche Auftrag“ sei nicht nur als „das Bestellen von Kunstwerken“, sondern „als eine produktiv-geistige Anregung, als Formulierung gesellschaftlicher Erwartung, als Ausdruck von Bedürfnis nach Kunsterlebnis“ zu verstehen. Man dürfe „unter keinen Umständen jenen Auftrag zurückstellen oder vergessen, den sich der Künstler selbst erteilt“. Vier Jahre später („Einheit“, Nr. 7/8, 1978) schrieben die selben Autoren, „die Freiheit des künstlerischen Schaffens“ erweise sich „als eine spezifische Verflechtung der Absichten und des Schaffens der Künstler und der sozialen Bedürfnisse und Erfordernisse der Gesellschaft. von Kunst und Volk“. Ein umfangreiches System in der Regel mit steuerfreien Geldzuwendungen verbundener Preise und Auszeichnungen auf dem Gebiete der Kultur, Wissenschaft und Pädagogik sowie Stipendien, bevorzugte Wohnraumbeschaffung und Reisemöglichkeiten bieten zusätzliche materielle Anreize für Leistungen im Sinne der K. Literatur und Literaturpolitik. Heinz Kersten / Harald Kleinschmidt Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 629–635 Kulturobmann A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Kulturstätten

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 [S. 629] I. Ideologische Voraussetzungen und allgemeine Tendenz Auch in der K. gilt das Dogma von der „führenden Rolle der Partei“. Folgerichtig fordert daher die SED „die Verwirklichung der sozialistischen Revolution auf dem Gebiet der Ideologie und Kultur und die Herausbildung einer der Arbeiterklasse, dem schaffenden Volk und der Sache des Sozialismus ergebenen zahlreichen Intelligenz“. …

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Musikschulen (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 [S. 746]Vorläufer der heutigen M. sind die nach 1945 zunächst spontan entstandenen und gewachsenen, seit 1954/55 der zentralen staatlichen Planung unterstellten Volks-M. Ihre Aufgabe war es, das Bildungsprivileg der bürgerlichen Gesellschaft zu brechen. 1959 gab es 6 Hauptstellen mit 248 Außenstellen und 237 Stützpunkten. Nach einer Entschließung der Kulturkonferenz des Zentralkomitees der SED 1960 sollte „ … die für das Jahr 1960 vorgesehene Erweiterung der Volksmusikschulen zu Volkskunstschulen beschleunigt werden …“. Dieses Vorhaben wurde kurz darauf als zu umfangreich erkannt. Man beschränkte sich deshalb zunächst auf den weiteren Ausbau der nunmehr in M. umbenannten Volks-M. Die M. erhielten „ … die gesellschaftlich bedeutsame Aufgabe, musikalisch besonders interessierte und begabte Schüler … in einer langfristigen, systematischen Ausbildung zu hohen musikalischen Leistungen zu führen, sie im Geiste des Sozialismus zu erziehen und zur aktiven schöpferischen Teilnahme am kulturellen Leben der sozialistischen Gesellschaft zu befähigen“. Die kulturelle Bildung in Verbindung mit einer Erziehung „im Geist des Sozialismus“ sind also die vorrangigen Zielsetzungen dieser Anordnung. Demgegenüber läßt sich gut 10 Jahre später eine Aufgabenverschiebung erkennen, die u. a. durch einen Mangel an Berufsmusikern erklärt wird. Die AO Nr. 2 über die M., im Mai 1972 erlassen, bestimmt Ziele und Aufgaben sowie das Profil in der M.-Ausbildung für die Jahre 1970–1980. Danach geht es in erster Linie um die Intensivierung des Unterrichts auf hohem Niveau, um optimale Ergebnisse bei der Gewinnung von begabten Schülern für das Musikstudium und das künstlerische Volksschaffen sowie um die verstärkte Mitwirkung der Musikschüler bei der Gestaltung des geistig-kulturellen Lebens. Die M. wurden in das umfassende Bildungssystem mit eingegliedert. Durch die Anordnung wurde ferner festgelegt, daß mindestens 50 v. H. der Schüler sinfonische Instrumente erlernen müssen. Damit fand eine entscheidende Umorientierung zugunsten der Förderung des zukünftigen Berufsmusikernachwuchses statt. Außerdem wurden Instrumente der Tanzmusik in die Ausbildung mit einbezogen. An 89 M., denen etwa 110 Außenstellen zugeordnet sind, wurden 1977 35.500 Kinder und 3.000 Erwachsene unterrichtet. Über die Hälfte der Schüler erlernte ein Orchesterinstrument; damit entspricht das Verhältnis den in der AO Nr. 2 für die M. geforderten Instrumentalproportionen. Der Schüleranteil der Kinder von Arbeitern und Genossenschaftsbauern betrug im gleichen Jahr 56 v. H. Der Unterricht erfolgt nach dem seit dem 1. 9. 1972 verbindlichen „Allgemeinen Lehrprogramm für den Unterricht in den M.“. Es handelt sich dabei um „die verbindliche wissenschaftliche Vorgabe, die inhaltliche Prioritäten setzt und methodologische Grundlage ist für zu erarbeitende Lehrpläne auf allen Gebieten des Unterrichts“. Die Ausbildung an den M. ist unterteilt in: 1. Vorbereitungsklassen für Kinder im Vorschulalter (allgemein-musikalische Vorunterweisung und vorbereitender Instrumentalunterricht). 2. Grundstufe (u. a. für die Vorbereitung auf den Übergang zu Spezialoberschulen). Untergliederung der Grundstufe in Unter- und Mittelstufe. Die gesamte Grundstufenausbildung soll 7 Jahre nicht überschreiten. 3. Oberstufe (sie ist gedacht für die Vorbereitung auf ein Studium an einer Hochschule für Musik, für das Lehrerstudium im Fach Musik, für Studenten der Musikwissenschaft. Bewerber in Orchestern der Nationalen Volksarmee, für Amateurtanzmusiker, Musikerzieher im Nebenfach und für die musikalische Tätigkeit im Bereich des künstlerischen Volksschaffens als Instrumental- und Gesangssolist, Chor- oder Singegruppenleiter, Leiter von Instrumentalgruppen und Orchestern). Spezielle Aufgaben kommen den Bezirks-M. zu, die inzwischen in allen Bezirken der DDR eingerichtet sind. Diese sind Leitungseinrichtungen des Bezirkes, a) für die M. des Bezirkes, b) für die Instrumental- und Gesangsunterweisung an Klub- und Kulturhäusern, in Betrieben, Kooperationsgemeinschaften und gesellschaftlichen Einrichtungen, c) für die Qualifizierung und Weiterbildung der auf diesem Gebiet tätigen Lehrkräfte. Sie sind insbesondere zuständig für die Lehrerweiterbildung, Lehrgänge für Chor- und Singegruppenleiter, die Ausbildung auf dem Gebiet der Tanz- und Unterhaltungsmusik und (seit 1967) für die Ausbildung von Instrumentallehrern im Nebenberuf sowie der Sänger für die Berufschöre. Viele der ehemals freischaffenden hauptamtlichen Musikerzieher sind durch Verträge an die M. verpflichtet worden: Eine in den letzten Jahren geförderte Ausbildung freischaffender Musiker im Nebenberuf ist vor allem auf mangelnde Kapazitäten der M. zurückzuführen. Die Ausbildung für Instumentallehrer im Nebenberuf dauert 2 Jahre. Zu den Fächern gehören Musikgeschichte, Kulturpolitik, Methodik und Lehrproben, Psychologie und Pädagogik. Im instrumentalen Hauptfach ist der Oberstufenabschluß der M. erforderlich. Das Verhältnis hauptamtlicher und nebenamtlicher Lehrkräfte an den M. betrug im Jahr 1970 60 :40 v. H. (Seitdem liegt keine statistische Erhebung mehr vor.) Einheitliches sozialistisches Bildungssystem, II. D. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 746 Musik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Mutterschutz

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 [S. 746]Vorläufer der heutigen M. sind die nach 1945 zunächst spontan entstandenen und gewachsenen, seit 1954/55 der zentralen staatlichen Planung unterstellten Volks-M. Ihre Aufgabe war es, das Bildungsprivileg der bürgerlichen Gesellschaft zu brechen. 1959 gab es 6 Hauptstellen mit 248 Außenstellen und 237 Stützpunkten. Nach einer Entschließung der Kulturkonferenz des Zentralkomitees der SED 1960 sollte „ … die für das Jahr 1960 vorgesehene…

DDR A-Z 1979

Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED (1979)

Siehe auch: Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED: 1975 1985 Sekretariat des ZK der SED: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nach Punkt 42 des Parteistatuts von 1976 wählt das Zentralkomitee zur politischen Leitung seiner Arbeit zwischen den Plenartagungen das Politbüro und „zur Leitung der laufenden Arbeit, hauptsächlich zur Durchführung und Kontrolle der Parteibeschlüsse und zur Auswahl der Kader, das Sekretariat …“. Dem Politbüro untergeordnet, bildet das S. das operative, d. h. faktische Führungszentrum der SED. Im S. des ZK sind politische Macht, ideologische und politische Richtlinienkompetenz und Sachverstand vereinigt. Das heutige S. des ZK kann kaum mit dem vom April 1946 bis Sommer 1949 amtierenden Zentralsekretariat (ZS) verglichen werden, das sowohl die Funktionen des späteren Politbüros als auch die eines S. wahrnahm. Gemäß dem ersten Statut der SED von 1946 war das Zentralsekretariat dem Parteivorstand für die „Durchführung der Politik der Partei verantwortlich“. Es setzte sich aus den beiden Parteivorsitzenden und weiteren 12 Mitgliedern zusammen und wurde aus der Mitte des Parteivorstandes gewählt. Dem ersten ZS, das von April 1946 bis zum September 1947 bestand, gehörten 7 ehemalige KPD- und 7 frühere SPD-Mitglieder (paritätische Besetzung) an. Auf dem II. Parteitag wurde die Zahl der ZS-Mitglieder auf 16 erhöht. Die Parität blieb erhalten. Bereits unmittelbar vor der 1. Parteikonferenz im Januar 1949 wurde das Prinzip der Parität durchbrochen. Nach der Flucht des früheren SPD-Mitgliedes Gniffke wurden ein ehemaliges SPD-Mitglied (Buchwitz) und zusätzlich ein früheres KPD-Mitglied (W. Koenen) in das ZS berufen. Durch die Gründung des Politbüros und des „Kleinen S.“ auf der 1. Parteikonferenz verlor das ZS seine bis dahin zentrale Funktion und wurde daher im Frühsommer 1949 aufgelöst. Im Juli 1949 erfolgte auf Beschluß des Parteivorstandes die Auflösung der „Großen S.“ auf Landesebene. Unmittelbar vor der 1. Parteikonferenz, am 24. 1. 1949, beschloß der Parteivorstand neben der Gründung des Politbüros die Schaffung des „Kleinen S.“. Seine ursprüngliche Aufgabe bestand in der „Unterstützung der ganzen Arbeit des Politbüros, zur Kontrolle der Durchführungen seiner Beschlüsse, zur Vorbereitung der Vorlagen und zur Erledigung der laufenden Arbeit“. Das neugeschaffene erste „Kleine S.“ setzte sich ursprünglich aus 5 Mitgliedern (Ulbricht. Dahlem, Oelßner, E. Baumann und Wessels) zusammen, von denen nur 2 (Ulbricht und Dahlem) dem Politbüro angehörten. Noch im Verlauf des Jahres 1949 wurde das „Kleine S.“ in das „S. des ZK“ umgewandelt und seine Eigenständigkeit erhöht. Das zweite Parteistatut, vom III. Parteitag (1950) beschlossen, übertrug dem S. „die allgemeine Leitung der Organisationsarbeit und die tägliche operative Führung der Tätigkeit der Partei“. Die Zahl der S.-Mitglieder erhöhte sich von 5 auf 11, Ende 1952 durch Kooptation auf 13. Im Juli 1953, auf der 15. ZK-Tagung (dem zweiten ZK-Plenum unmittelbar nach dem Juni-Aufstand) wurde beschlossen, „aus Gründen der Verbesserung der leitenden Organe des ZK, das S. des ZK in seiner bisherigen Form aufzuheben“ und es auf 6 Sekretäre zu verkleinern. Bereits 1954 wurde es aber wieder auf 9 Sekretäre vergrößert. Nach dem VI. Parteitag der SED (beginnend mit Februar 1963) wurden beim Politbüro 2 Büros (Industrie und Bauwesen, Landwirtschaft) und 2 Kommissionen (Ideologie, Agitation) eingerichtet. Mit Ausnahme der Agitations-Kommission wurden diese Büros bzw. Kommissionen auf allen Ebenen der Parteiorganisation installiert. Die Büros und Kommissionen beim Politbüro wurden von Mitgliedern bzw. Kandidaten des Politbüros geleitet. Diese organisatorische Reform innerhalb der SED orientierte sich an den von Chruschtschow auf dem November-Plenum des ZK der KPdSU von 1962 angekündigten Veränderungen innerhalb der sowjetischen Partei. Nach Chruschtschows Sturz und dem XXIII. Parteitag der KPdSU wurden diese Reformen (noch vor dem VII. Parteitag der SED 1967) wieder rückgängig gemacht. Das S. erhielt wieder seine alten Rechte und Funktionen. An der Spitze des S. steht der „Generalsekretär“ (bis zum IX. Parteitag [1976] „Erster Sekretär“) der SED. Neben dem Generalsekretär gehören dem derzeitigen (1978) S. 10 weitere Sekretäre an: Hermann Axen (geb. 1916) für internationale Verbindungen, Horst Dohlus (geb. 1925) für Parteiorgane, Gerhard Grüneberg (geb. 1921) für Landwirtschaft, Kurt Hager (geb. 1912) für Kultur und Wissenschaft, Joachim Herrmann (geb. 1928) für Agitation, Werner Jarowinsky (geb. 1927) für Handel und Versorgung, [S. 956]Ingeborg Lange (geb. 1927) für Frauenfragen, Günter Mittag (geb. 1926) für Wirtschaft, Albert Norden (geb. 1904) für Propaganda, Paul Verner (geb. 1911) für Sicherheit. Im 11köpfigen S. ist seit Oktober 1973 (10. ZK-Plenum) wieder eine Frau (I. Lange) vertreten. Das Durchschnittsalter der Sekretäre beträgt 56 Jahre (1978). 2 Sekretäre leiten zugleich auch Abteilungen im ZK-Apparat: H. Dohlus die Abteilung Parteiorgane und I. Lange die Abteilung Frauen. Insgesamt unterstehen den Sekretären die mehr als 40 Abteilungen sowie die Parteiinstitute. Personell besonders stark besetzte Abteilungen sind die Abteilung Sozialistische Wirtschaftsführung (Janson), Internationale Verbindungen (Winkelmann) und Wissenschaft (Hörnig). Die Abteilungen leisten die tägliche Arbeit. Sie erarbeiten für staatliche und andere Institutionen und Organisationen „Vorschläge zur Klärung herangereifter Probleme und zur Neufassung gesetzlicher Bestimmungen“. Durch ihr Expertenwissen sind die Sektoren- und Abteilungsleiter in der Lage, auch eigene Vorschläge zu unterbreiten und damit den Entscheidungsmechanismus sowohl im Politbüro wie z. B. im Ministerrat zu beeinflussen. Die ZK-Abteilungen sammeln Informationen, entwerfen Beschlüsse, Direktiven und Richtlinien und halten den Kontakt zu entsprechenden Abteilungen des sowjetischen ZK und der anderen „Bruderparteien“. Der ZK-Apparat hat eine eigene Partei-Grundorganisation. Neben ZK-Abteilungen mit primär politischen Aufgaben gibt es solche mit überwiegend organisatorisch-technischen Funktionen. Zum Beispiel existiert ein ZK-eigenes Fernmeldewesen, Abteilungsleiter ist Heinz Luebbe. Vor allem mit Verwaltungsaufgaben betraut ist die Abteilung Zentrag (Parteiverlage), Leiter ist P. Kubach; die Verwaltung der parteieigenen Wirtschaftsbetriebe (Leiter: Günther Glende) und der Parteifinanzen und -betriebe (Karl Raab) obliegt gleichfalls selbständigen ZK-Abteilungen. Den Status eines ZK-Abteilungsleiters haben auch die Bürochefs der Sekretäre, die Stellvertreter des Leiters des Büros des Politbüros und einzelne Direktoren von wichtigen Parteibetrieben (z. B. der Direktor des Dietz-Verlages u. a.). Die Abteilungen des ZK sind in einzelne Sektoren unterteilt, an deren Spitze ein Sektorenleiter steht. Ihm unterstehen die Mitarbeiter. Der ZK-Apparat verfügt über eine hervorragende Datenbank, ein modern ausgerüstetes Rechenzentrum und eine auf dem neuesten Stand gehaltene Personenkartei (Nomenklatur). Das S. des ZK (d. h. alle 11 Sekretäre) tagt — soweit bekannt — wöchentlich (jeden Donnerstag) unter Vorsitz des Generalsekretärs E. Honecker. Beschlüsse des Politbüros und des ZK heben entgegenstehende Direktiven und Beschlüsse des S. oder einzelner Sekretäre auf bzw. können sie abändern. Die gesamte Parteiarbeit sowie die Tätigkeit der leitenden Organe werden durch das ZK-S. vorgeplant und koordiniert. Gegenwärtig sind alle Sekretäre Mitglieder oder Kandidaten des Politbüros, so daß diese Spitzenfunktionäre sowohl innerhalb der SED wie im gesamten politischen System der DDR über eine umfassende Entscheidungskompetenz verfügen. Diese ist politisch-ideologisch begründet und stützt sich auf das im ZK-Apparat vorhandene Sachwissen, wodurch die Sekretäre und vor allem die Abteilungsleiter des ZK auch fachlich ein Gegengewicht zu den leitenden Funktionären im Staats- und Wirtschaftsapparat bilden. Die Doppelexistenz der — gemessen an ihrer fachlichen Kompetenz — nahezu gleichwertigen Partei- und Staatsapparate bei gleichzeitiger politischer Über- bzw. Unterordnung hat in der DDR öfter zu Konflikten geführt. Die tatsächliche Arbeitsteilung zwischen S. und Politbüro ist von außen nicht eindeutig abgrenzbar. Es lassen sich nur Schwerpunkte der Tätigkeit beider Leitungsorgane feststellen. Das S. beschäftigt sich vor allem mit Parteiangelegenheiten (Parteiwahlen, Kaderpolitik, Parteischulung, Direktiven und Stellungnahmen an die Bezirks- und Kreisleitungen, Kontrolle der unterstellten Apparate durch Arbeitsgruppen und Kommissionen). Das Politbüro entscheidet über politische Grundsatzfragen, die Staat und Gesellschaft als Ganzes betreffen. Als organisatorische Schaltstelle zwischen dem S. und dem Politbüro fungiert das Büro des Politbüros, an dessen Spitze ein ZK-Abteilungsleiter (G. Glende) steht. Es bereitet technisch-organisatorisch die Tagungen des Politbüros vor. Zu seinen Aufgaben gehören auch die Organisation von Konferenzen auf höchster Ebene, die Abwicklung des parteieigenen Kurierdienstes und die Anleitung der technischen bzw. Verwaltungsabteilungen des ZK. Obwohl das S. in erster Linie für die unmittelbare Arbeit der Parteiorgane zuständig ist, umfaßt in der Praxis sein Wirkungsbereich auch den Staats- und Wirtschaftsapparat sowie gesellschaftliche Institutionen. Formal und im Verständnis von der „führenden Rolle“ der Partei kann ein Sekretär oder ein Abteilungsleiter des ZK- Apparates einem Staatsfunktionär (Minister, Staatssekretär usw.) zwar keine Weisungen erteilen, doch kann eine nichtfixierte „informelle“ Befehlsstruktur angenommen werden, die es z. B. einem Staatsfunktionär unmöglich macht, „Wünsche“, „Empfehlungen“ oder „Anregungen“ eines Leitungsorganes der Partei auf gleicher oder übergeordneter Ebene zu ignorieren. Die faktisch dominierende Stellung des S. gründet aber vor allem in der Zuständigkeit der Kader-Kommission für die Nomenklatur-Kader des ZK, auf deren Vorschläge vom Sekretariat alle Spitzenfunktionen in Partei und Staat ernannt oder „gewählt“ werden. Für die Kontrollkader ist dagegen ausschließlich die Kaderkommission des ZK (Leiter: Fritz Müller [geb. 1920], Abteilungsleiter im ZK-Apparat) zuständig (Kaderpolitik). Alle Sekretäre haben ein persönliches Büro, dem ein Leiter vorsteht. In der Regel haben diese Büros 3–5 Mitarbeiter. Die Bürochefs haben den Status eines ZK-Abteilungsleiters und nehmen an den Besprechungen der Abteilungsleiter des ZK gleichberechtigt teil. Diejenigen Politbüro-Mitglieder und -Kandidaten, die keine Sekretäre des ZK bzw. nicht Mitglieder des Sekre[S. 957]tariats sind, verfügen ebenfalls über eigene Mitarbeiter im ZK-Apparat bzw. kleinere Stäbe für besondere Aufgaben. Die Vermittlung von Beschlüssen der Parteiführung an die nachgeordneten Parteiorganisationen der Bezirke und Kreise geschieht durch: 1. Konferenzen und Tagungen der Sekretäre des ZK mit den 1. Bezirks- oder Kreissekretären in der Sonderschule des ZK in Brandenburg sowie das Auftreten zentraler Funktionäre in ausgewählten Bezirks- oder Kreisorganisationen (z. B. in Spannungssituationen, bei Parteiwahlen usw.); 2. schriftliche Information von oben nach unten und umgekehrt. Eine besondere Rolle spielen hierbei die „Parteiinformationen“, die Direktiven und Beschlußerläuterungen und die Stellungnahmen des S. zu bestimmten Entwicklungen in den territorialen Parteiorganisationen; 3. Einsatz von Arbeitsgruppen oder Instrukteurbrigaden des ZK in jenen Bezirks- oder Kreisparteiorganisationen. in denen Mängel in der politischen Arbeit auftreten. Bis Mitte der 50er Jahre, und wieder nach 1964, wurden Parteiorganisatoren des ZK in ausgewählten Großbetrieben und Kombinaten eingesetzt. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 955–957 Sekretariat des Ministerrats A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Sekretariate der Bezirks- und Kreisleitungen

Siehe auch: Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED: 1975 1985 Sekretariat des ZK der SED: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nach Punkt 42 des Parteistatuts von 1976 wählt das Zentralkomitee zur politischen Leitung seiner Arbeit zwischen den Plenartagungen das Politbüro und „zur Leitung der laufenden Arbeit, hauptsächlich zur Durchführung und Kontrolle der Parteibeschlüsse und zur Auswahl der Kader, das Sekretariat …“. Dem Politbüro untergeordnet, bildet…

DDR A-Z 1979

Nationale Volksarmee (NVA) (1979)

Siehe auch: Nationale Volksarmee: 1958 1959 1960 Nationale Volksarmee (NVA): 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Volksarmee, Nationale: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Die NVA ist die Armee der DDR und wichtigster Teil der von der Militärpolitik der SED konzipierten Landesverteidigung. Die Kennzeichnung als „sozialistische Armee“ wird im Selbstverständnis mit mehreren Kriterien begründet: Sie ist das Klassen- und Machtinstrument der Arbeiter-und-Bauern-Macht, die das sozialistische Vaterland gegen alle Feinde des Sozialismus schützt; sie ist Teil des kollektiven Verteidigungsbündnisses der sozialistischen Staaten im Warschauer Pakt; sie arbeitet vor allem eng mit der Sowjetarmee zusammen; sie erfüllt ihren revolutionären Klassenauftrag unter Führung der SED und ist ideologisch gefestigt und stets bereit, nach deren Beschlüssen zu handeln; schließlich liegt ihrer Aufgabenstellung und ihrem Selbstverständnis eine einheitliche Militärdoktrin zugrunde. I. Gründung und Entwicklung der NVA Die Gründung der NVA begann mit dem Beitritt der DDR zum Warschauer Pakt im Mai 1955 und endete mit der offiziellen Aufnahme der Tätigkeit des Ministeriums für Nationale Verteidigung und der Aufstellung der ersten Einheiten der NVA aus den Bereitschaften der Kasernierten Volkspolizei (KVP) am 1. 3. 1956 (Tag der NVA). Die gesetzliche Grundlage schuf die Volkskammer mit dem Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung am 18. 1. 1956, das u. a. zur Umbenennung der KVP-Einheiten führte. Die Gründung der NVA war der vorläufige Schlußpunkt einer Entwicklung, die 1952 mit der Proklamation der „Nationalen Streitkräfte“ begonnen hatte und in deren Verlauf vor allem die KVP sowie die Grundstrukturen der künftigen Militärorganisation auf- und ausgebaut worden waren. Die Aufstellung der NVA ist nur bedingt als Fortsetzung dieser Politik zu verstehen; neu war vor allem, daß der Aufbau sich im Rahmen des Warschauer Vertrages unter wesentlicher Anleitung der Sowjetunion vollzog. Die Entwicklung der NVA ist nicht nur von der Tatsache ihrer Unterstellung unter das Oberkommando des Warschauer Vertrages und ihrer Einbindung in das östliche Militärbündnis geprägt. Wesentlichen [S. 754]Einfluß hatten innenpolitische Voraussetzungen, unter denen sich ihr Aufbau vollzog. Im Unterschied zu den anderen Vertragsarmeen war die NVA bis 1962 eine Freiwilligenarmee. Die Schwierigkeit, den Aufbau einer Armee vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen des deutschen Volkes zu begründen, wurde durch die Aufstellung der Bundeswehr kaum erleichtert. Das Freiwilligenprinzip, als Ausweg aus dem Dilemma gewählt, bedingte das Risiko, den personellen Ausbau der NVA nicht planmäßig gestalten zu können. Von der SED, den Gewerkschaften und vor allem der FDJ betriebene Kampagnen zum Eintritt in die NVA führten nicht zum gewünschten Ergebnis, da es weder genug Freiwillige gab, noch ihre militärische Vorbildung einen schnellen und effektiven Einsatz gestattete. In den Augen der SED war daran jedoch positiv zu werten, daß auf diese Weise die „klassenmäßige Basis“ der NVA gestärkt wurde, was als Kompensation mancher Nachteile des Freiwilligenprinzips angesehen wurde. Mit der Einführung der Wehrpflicht im Januar 1962 wurde, nachdem das Verteidigungsgesetz im September 1961 die Voraussetzungen für die Neuregelung des Wehrdienstes geschaffen hatte, das Personalproblem der NVA beseitigt, da nun genügend Soldaten planmäßig rekrutiert werden konnten. Die Entwicklung der NVA zu einer auch nach westlichen Maßstäben modern ausgerüsteten und kampfstarken Armee ist nicht ohne Schwierigkeiten und Komplikationen verlaufen. Diese betrafen beispielsweise bis in den Anfang der 60er Jahre das Verhältnis zwischen politischer und militärisch-fachlicher Qualifikation der Offiziere, die Ausrüstung — die Sowjetunion lieferte und liefert nicht immer das neueste und modernste Gerät — sowie die Rekrutierung länger dienenden Personals, vor allen Dingen der Offiziere. Es ist der SED jedoch gelungen, im Rahmen ihrer Militärpolitik sowohl ihre bündnispolitischen Verpflichtungen zu erfüllen als auch durch eine intensive Parteiarbeit in der NVA die politische Führung der Streitkräfte durch die Partei aufrechtzuerhalten. Dies und die enge Anbindung an die Sowjetarmee, die durch zahlreiche Aktivitäten zwischen Einheiten der NVA und der Sowjetarmee gefördert wird, werden von der SED als Voraussetzungen einer erfolgreichen Entwicklung der NVA zu einer „sozialistischen Armee“ genannt. II. NVA und Warschauer Pakt Am 28. 1. 1956 beschloß der Politische Beratende Ausschuß (PBA) des Warschauer Vertrages, die Kontingente der NVA in die Vereinten Streitkräfte einzubeziehen und dem Vereinigten Oberkommando zu unterstellen; der Minister für Nationale Verteidigung der DDR wurde einer der Stellvertreter des Oberkommandierenden. Im Mai 1958 bestätigte der PBA den Beschluß zur Einbeziehung der Truppen der NVA in die Warschauer Vertragsstreitkräfte. Aufbau, Ausrüstung (ab 1957 mit sowjetischen Waffen und sonstigem militärischem Gerät) und Führung der Truppen der NVA geschahen näch den Richtlinien des Oberkommandos, was u. a. zur raschen Überwindung bestimmter Anlaufschwierigkeiten in strukturellen Fragen führte. Die Angleichung an die sowjetischen Prinzipien wurde durch bereits 1957 durchgeführte Kommandostabs- und Truppenübungen mit sowjetischen Stäben und Einheiten beschleunigt; in den Stäben und Einheiten der NVA waren sowjetische Militärspezialisten als Berater tätig. Seit 1961 wurden auch mit anderen Vertragsstaaten gemeinsame Manöver durchgeführt, z. B. 1961 mit polnischen Verbänden, 1962 auf dem Gebiet der ČSSR mit Verbänden der Sowjetarmee und der tschechoslowakischen Volksarmee, 1963 das Manöver „Quartett“ in Thüringen mit Verbänden der NVA, der polnischen, tschechoslowakischen und Sowjetarmee, 1965 die Manöver „Berlin“ und „Oktobersturm“ ebenfalls in der DDR mit den gleichen Beteiligten, 1966 das Manöver „Moldau“ in der ČSSR, an dem zusätzlich ungarische Verbände beteiligt waren, 1967 das Manöver „Dnjepr“, das in der Sowjetunion unter Beteiligung von Kommandostäben der NVA stattfand, 1969 das Manöver „Oder-Neiße“ (Sowjetarmee, NVA, poln. Armee), 1970 das Manöver „Waffenbrüderschaft“, das auch Kampfgruppen und VP-Bereitschaften einbezog und an dem erstmalig rumänische Verbände beteiligt waren, sowie das Manöver „Schild“, das im Herbst 1972 auf den Territorien der DDR, Polens und der UdSSR stattfand und an dem ca. 80.000 Mann beteiligt waren. Unabhängig von diesen gemeinsamen Manövern führte die NVA Manöver, Truppenübungen und Stabsübungen auf verschiedenen Ebenen mit Einheiten der sowjetischen Armee in der DDR durch. Die Luftstreitkräfte sind im Rahmen des Diensthabenden Systems an Luftverteidigungsmanövern und die Volksmarine an Flottenmanövern mit sowjetischen und polnischen Einheiten und Verbänden beteiligt. Die im März 1969 vom PBA getroffene Entscheidung zum Aufbau gemeinsamer Verbände der Land-, Luft- und Seestreitkräfte hat zur Integration der mobilen Verbände und Truppenteile der NVA in eine neue Kommandostruktur geführt; diese Verbände gehören zu den strategischen Einsatzkräften (erste strategische Staffel) der Warschauer Vertragsstreitkräfte. III. Ausbildung Die Notwendigkeit, genügend politisch, militärisch und fachlich geschultes Personal zur Aufrechterhal[S. 755]tung der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte und zur Führungstätigkeit zu benötigen, bestimmte seit 1958 die Ausbildungspolitik in der NVA. 1958/59 wurde in der NVA mit der Durchführung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen begonnen. Die 1956 gegründeten und in Offiziersschulen umgewandelten Bildungseinrichtungen der NVA wurden zu Fachschulen erklärt. Auf ihnen wurden vor allem Offiziere bis zur Führungsebene Regiment ausgebildet. Der Umwandlungsbeschluß des Präsidiums des Ministerrates von November 1958 führte nur zur Gleichstellung mit Fachschulen; die neuen Lehrprogramme wurden auf einer Schulkonferenz 1959 beraten. Als Aufgabe wurde den Offiziersschulen die Heranbildung von Offizieren mit Kommandeureigenschaften, ausreichenden politischen, taktischen, technischen und methodischen sowie allgemeinen Kenntnissen gestellt. Diese Aufgabenstellung wurde 1963 auf einer Kaderkonferenz verändert. Nunmehr wurde ein noch höheres Niveau an politischer, militärischer, militärtechnischer, naturwissenschaftlicher und pädagogischer Ausbildung für die Offiziere der NVA gefordert. Im Herbst 1963 wurden für die 3 Teilstreitkräfte sowie für die Grenztruppen je eine Offiziersschule durch Zusammenlegung der bisherigen gegründet. Am 1. 12. 1963 trat für die NVA ein einheitliches Bildungssystem in Kraft, das u. a. eine wesentliche Verbesserung der gesellschaftswissenschaftlichen Ausbildung vorsah. Die im September 1965 erlassene AO des Ministers für Nationale Verteidigung „Über die Grundlagen für die Organisation der Ausbildung an den Offiziersschulen der NVA“ bestimmte, daß die 4jährige Ausbildung auf 3 Jahre reduziert und die technischen Ausbildungszweige mit der Ingenieurqualifikation abgeschlossen werden sollten. Auf der 1. Bildungskonferenz der NVA im Dezember 1968 wurden die neuen Ausbildungsforderungen an die Offiziersschulen begründet, die im Februar 1971 zu Offiziershochschulen aufgewertet wurden. Die Aufgabe, Offiziere für Führungsfunktionen in hohen Kommandopositionen und für Spezialbereiche auszubilden, wird seit Gründung der NVA auch von sowjetischen Schulen und Militärakademien erfüllt. Die 1959 gegründete Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden, an der Offiziere für Führungsaufgaben von der Regimentsebene (Truppenteil) aufwärts ausgebildet werden, erhielt bereits 1962 den Status einer Hochschule. Sie verleiht die Grade Dipl.-Militärwissenschaftler, Dipl.-Gesellschaftswissenschaftler, Dipl.-Ingenieur; seit 1965 besitzt sie das Promotionsrecht. An ihr werden Offiziere aller Teilstreitkräfte je nach Fachrichtung — in 3–4jährigen Kursen — ausgebildet; jährlich etwa 240 Offiziere, die für einen Generals- bzw. Admiralsrang vorgesehen sind, erhalten eine Ausbildung in der Sowjetunion. Spezialausbildungen für Offiziere finden zusätzlich statt u. a. an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ (Ausbildung von Polit-Offizieren) und an der Militärärztlichen Akademie der NVA in Greifswald (Militärärzte und -Zahnärzte); an zivilen Hochschuleinrichtungen werden Offiziere für militärische Körperertüchtigung, für Militärbauwesen, für Informationsverarbeitung/-elektronik, für Finanzen und Militärdolmetscher ausgebildet. Ausbildungsmöglichkeiten für Berufsunteroffiziere gibt es an der Technischen Unteroffiziersschule der NVA, an 4 Unteroffiziersschulen der Landstreitkräfte, der Flottenschule der Volksmarine sowie der Unteroffiziersschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung. An den Unteroffiziersschulen der Teilstreitkräfte werden auch die Unteroffiziere auf Zeit geschult; sie erhalten eine gesellschaftswissenschaftliche, eine Gefechts-, eine Spezial- sowie eine allgemeinmilitärische Ausbildung. Laut Förderungsverordnung vom 13. 2. 1975 gelten die im aktiven Wehrdienst erworbenen Diplome, Zeugnisse, Berechtigungen, Qualifikations- und Befähigungsnachweise wie vergleichbare Dokumente von Hoch- oder Fachschulen. Außerdem können Armeeangehörige nach der Entlassung unter bestimmten Voraussetzungen eine verkürzte Ausbildung absolvieren und eine Facharbeiterqualifikation erwerben. Die ständig steigenden Bildungsanforderungen an die militärischen Führungskader, die komplizierte Militärtechnik, die Entwicklung der Militärwissenschaft, d. h. die „Revolution im Militärwesen“ und die erhöhten Anforderungen der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit, die sich nach Ansicht der SED aus der durch die „Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus“ geprägten politischen Lage, besonders durch die vielfältigen Formen der ideologischen Diversion, ergeben, begründen die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in der NVA auch in der Zukunft. IV. Gliederung Die NVA gliedert sich in Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte/Luftverteidigung und die Volksmarine; die Grenztruppen der DDR sind dem Minister für Nationale Verteidigung unterstellt, aber keine Teilstreitkraft der NVA. Oberste Führungsinstanz ist das Ministerium für Nationale Verteidigung, das den Militärbezirk I bildet. Der Hauptstab des Ministeriums führt die Landstreitkräfte. Diese sind in die Militärbezirke III (Leipzig) und V (Neubrandenburg) gegliedert. Militärbezirke sind in der NVA „eine höhere militäradministrative territoriale Vereinigung von Verbänden, Truppenteilen, Einheiten und militärischen Einrichtungen verschiedener Waffengattungen, Spezialtruppen und Dienste“ (Militärlexikon, 2. Aufl., Berlin [Ost] 1974). [S. 756]Die Landstreitkräfte sind die größte (1977: 105.000 Mann) und vielseitigste Teilstreitkraft der NVA. Sie gliedern sich in Waffengattungen (motorisierte Schützentruppen. Panzertruppen, Raketentruppen und Artillerie. Truppenluftabwehr, Fallschirmjäger), Spezialtruppen (Nachrichten- und Pioniertruppen) und Dienste (rückwärtige Dienste, chemischer Dienst). Berufsoffiziere werden an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“ für folgende Funktionen ausgebildet: Kommandeure von Motorisierten Schützeneinheiten, von Panzereinheiten, von Raketeneinheiten, von Artillerieeinheiten, von Einheiten der Truppenluftabwehr, von Pioniereinheiten, von Einheiten der chemischen Abwehr, des Militärtransportwesens und von Nachrichteneinheiten. Weiterhin werden ausgebildet: Offiziere der raketentechnischen, waffentechnischen und funkmeßtechnischen Dienste sowie des Panzerdienstes, des Kfz-Dienstes und der rückwärtigen Dienste. Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung (LSK/LV) bilden den Militärbezirk II. Sie sind in Waffengattungen (Fla-Raketen-Truppen, Fliegerkräfte, Funktechnische Truppen) gegliedert und verfügen über folgende Spezialtruppen und Dienste: Truppen der fliegertechnischen und flugplatztechnischen Sicherstellung, Nachrichten- und Flugsicherungstruppen. Truppen der chemischen Abwehr, Truppen der versorgungstechnischen und medizinischen Sicherstellung, meteorologischer Dienst, Werkstätten, Lager- und Transporteinrichtungen. Zu den Fliegerkräften gehören neben 2 Jagdfliegerdivisionen und 1 Jagdfliegerausbildungsdivision Hubschraubereinheiten und Transportfliegerkräfte für Spezialaufgaben (Personen- und Lastentransport, Verbindungs-, Such- und Rettungsflüge). Die Fla-Raketen-Truppen, die Jagdfliegerkräfte und die Funktechnischen Truppen (Funkmeßstationen und Leitstellen) sind in das diensthabende System der Luftverteidigung des Warschauer Vertrages einbezogen. An der Offiziershochschule der LSK/LV „Franz Mehring“ werden Flugzeugführer und Offiziere für Führungsorgane, Offiziere des Fliegeringenieurdienstes, der Funktechnischen Truppen und der Fla-Raketen-Truppen ausgebildet. Zur LSK/LV gehörten 1977 ca. 36.000 Mann, 416 Kampfflugzeuge (MiG 17, MiG 21, IL 14) und 2 Fla-Raketen-Bataillone mit 22 SA-2- und 3 SA-3-Abschußrampen sowie 120 57 mm und 100 mm Flak (5 Regimenter). Die Volksmarine (Militärbezirk IV)- sie trägt diesen Namen seit dem 3. 11. 1960 (Tag des Matrosenaufstandes von Kiel 1918) - verfügt über Stoßkräfte (Raketen- und Torpedoschnellboote), Sicherungskräfte (U-Boot-Abwehrschiffe, Minen-Such- und Raumschiffe, Küstenschutzschiffe) sowie mittlere und kleine Landungsschiffe. Zu diesen Kampfschiffen kommen Hilfsschiffe (Versorger-, Tank-, Bergungsschiffe, Schlepper, Feuerlöschboote und Taucherfahrzeuge) hinzu. Daneben gehören zur VM noch Seefliegerkräfte (1 Hubschrauberstaffel) sowie verschiedene Spezialtruppen (Pioniere) und Dienste (Chemischer Dienst). An der Offiziershochschule der VM „Karl Liebknecht“ werden Seeoffiziere und Schiffsmaschinenoffiziere ausgebildet. 1977 zählten zur Volksmarine ca. 16.000 Mann; unter den rd. 190 Kriegs- und ca. 80 Hilfsschiffen befanden sich u. a. 2 Begleitschiffe der RIGA-Klasse, 15 TS-Boote (Typ OSA) mit Schiff-Schiff-Raketen (Typ Styx) und 70 Motortorpedoboote der „Shershen“- (15), „Iltis“- (40) und „Libelle“-Klasse (15). Mitte 1978 wurde ein neues Küstenschutzschiff in Dienst gestellt. Die Grenztruppen der DDR sind keine Teilstreitkraft der NVA, haben aber im Kriegsfall militärische Aufgaben zu erfüllen. Der Chef der Grenztruppen ist Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung. Die „Grenzbrigade Küste“ sichert zusammen mit der Volksmarine die Seegrenze der DDR (360 km); die Verbände der Kommandos Nord, Mitte und Süd die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland (1.393 km) sowie die Grenze um Berlin (West) (160 km). Die Grenztruppen überwachen auch mit 2 Regimentern die Grenzen zur ČSSR und zur VR Polen. Zu den Grenztruppen (Stärke 1977: ca. 48.000 Mann) gehören 3 Ausbildungsregimenter; an der Offiziershochschule „Rosa Luxemburg“ werden Kommandeure von Einheiten der Grenztruppen der DDR ausgebildet. Die Unteroffiziersschule „Egon Schultz“ bildet Unteroffiziere der Grenztruppen (Grenzsicherung), der Rückwärtigen Dienste und des Kfz-Dienstes sowie Nachrichtenunteroffiziere für Kommandeursverwendungen aus. Eine besondere Aufgabe erfüllt der Kommandantendienst der NVA. Er arbeitet die Grundsätze des Verhaltens im Dienst aus, bearbeitet und untersucht strafbare Handlungen und besondere Vorkommnisse entsprechend der Melde- und Untersuchungsordnung und achtet auf die Durchführung der Bestimmungen über Wachsamkeit, Geheimnisschutz sowie Umgang mit Verschlußsachen. Er verrichtet militärische Ordnungs- und Verkehrsdienste (Verkehrsreglereinheiten), kontrolliert das Verhalten der Soldaten der NVA in der Öffentlichkeit, bei Truppenübungen und Manövern, überprüft deren Dokumente (Wehrdienstausweis, Urlaubsschein), achtet auf das vorschriftsmäßige Tragen der Uniform, stellt die Disziplin und öffentliche Ordnung bei Verstößen und Fehlverhalten von Angehörigen der NVA her und kontrolliert Militär- und Zivilkraftfahrer der NVA, deren Fahrzeuge sowie deren Verhalten im Verkehr. Die Angehörigen der NVA unterscheiden sich nach dem Dienstverhältnis in: Soldaten im Grundwehrdienst (18 Monate Wehrpflicht), Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere auf Zeit (Mindestverpflichtung [S. 757]3 Jahre), Offiziere auf Zeit (Bewerberkreis: Unteroffiziere auf Zeit), Berufsunteroffiziere (Mindestdienstzeit 10 Jahre), Fähnriche (Mindestdienstzeit 25 Jahre) sowie Berufsoffiziere (Mindestdienstzeit 25 Jahre). Der Einsatz in Dienststellen als Vorgesetzte oder Unterstellte richtet sich nach dem Dienstgrad und der Ausbildung; durch Aus- und Weiterbildung ist der Übergang in höhere Dienststellungen möglich. In der NVA existieren folgende Dienstgradbezeichnungen: Die Armeeangehörigen leisten folgenden Fahneneid: „Ich schwöre: Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Vaterland, allzeit treu zu dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und-Bauern-Regierung gegen jeden Feind zu schützen. Ich schwöre: An der Seite der Sowjetarmee und der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen Länder als Soldat der Nationalen Volksarmee jederzeit bereit zu sein, den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen und mein Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen. Ich schwöre: Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Soldat zu sein, den militärischen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, die Befehle mit aller Entschlossenheit zu erfüllen und die militärischen und staatlichen Geheimnisse immer streng zu wahren. Ich schwöre: Die militärischen Kenntnisse gewissenhaft zu erwerben, die militärischen Vorschriften zu erfüllen und immer und überall die Ehre unserer Republik und ihrer Nationalen Volksarmee zu wahren. Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe der Gesetze unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.“ (Quelle: Anlage zur AO des Nationalen Verteidigungsrates der DDR über den aktiven Wehrdienst in der NVA vom 10. 12. 1973; GBl. I, S. 561.) V. SED und NVA Die führende Rolle der SED in der NVA wird als das ausschlaggebende Kriterium für ihren Klassencharakter bezeichnet. Sie wird durch verschiedene Mechanismen und Organisationen verwirklicht. Die in der NVA tätigen Parteimitglieder sind verpflichtet, die Beschlüsse der SED zu erfüllen. Diese Beschlüsse sind die Grundlage der gesamten Tätigkeit der NVA. d. h. sie bestimmen nicht nur die politisch-ideologische, sondern auch die militär-fachliche Seite. Die Verwirklichung der Beschlüsse wird unmittelbar von der Parteiführung — dem Politbüro mit der Kommission für Nationale Sicherheit — angeleitet. Im zentralen Parteiapparat ist die Abteilung Sicherheit für die NVA zuständig. Als leitende Organe gelten in den Streitkräften die Politorgane; Grundlage ihrer Tätigkeit sind die vom Politbüro des ZK erlassenen Instruktionen für die Arbeit der Parteiorganisationen und Politorgane in der NVA, Beschlüsse der Parteitage und des ZK sowie Anweisungen der Politischen Hauptverwaltung der NVA. Sie erstreckt sich auf die Bereiche: ideologische und politische Arbeit, Organisationspolitik und Personalpolitik. Wichtigstes Arbeitsgebiet ist die politische Arbeit in der NVA, die als Komplex vielfältiger politischer Maßnahmen und Handlungen der Kommandeure, Politorgane und Funktionäre der Partei- und Massenorganisationen mit dem Ziel der Durchführung der Politik der SED in der NVA betrieben wird. Zu ihr gehören die politische Massenarbeit, die politische Schulung, die gesellschaftswissenschaftliche Weiterbildung, die militärische Traditionspflege und die kulturelle Arbeit. Die Leiter und Mitarbeiter der Politorgane sind wie die hauptamtlichen Sekretäre der SED- und FDJ-Organisationen und die gesellschaftswissenschaftlichen Lehrkräfte als Politarbeiter Parteifunktionäre und, entsprechend ihren Aufgaben und Tätigkeitsmerkmalen, auch militärische Vorgesetzte. Der Leiter eines Politorgans untersteht als leitender Parteifunktionär dem Leiter des nächsthöheren Politorgans. Gleichzeitig ist er als Stellvertreter des Kommandeurs für politische Arbeit dem Kommandeur unmittelbar unterstellt. [S. 758]Oberstes Organ ist die Politische Hauptverwaltung der NVA. Sie hat den Status einer SED-Bezirksleitung und ist den Abteilungen des ZK der SED gleichgestellt. Ihr unterstehen die Politorgane auf der Ebene der Militärbezirke, im Kommando der LSK/LV, im Kommando Volksmarine und im Kommando der Grenztruppen der DDR (politische Verwaltung); die Politischen Abteilungen in den Divisionen, deren Leiter zugleich 1. Sekretäre der Parteiorganisation der Division sind; die vom Politstellvertreter geleiteten Polit-Gruppen in den Regimentern; die Stellvertreter des Bataillonskommandeurs für politische Arbeit; die Stellvertreter des Kompaniechefs für politische Arbeit. Die Politarbeiter, die als Offiziere tätig sind, erhalten eine Sonderausbildung an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“. Diese Schule, 1956 als Politoffiziersschule von der KVP übernommen und 1962 aufgelöst, wurde im Februar 1968 als „Schule des Ministeriums für Nationale Verteidigung zur Heran- und Weiterbildung von Polit- und Parteikadern“ neu gegründet und im März 1970 als Hochschule konstituiert. Im Okt. 1972 erhielt sie ihren jetzigen Namen. Der Politischen Hauptverwaltung der NVA obliegt die Leitung der Parteiorganisation der SED in der NVA. Diese wird von allen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten, die Mitglieder der SED sind, gebildet. Sie hat den Rang einer Bezirksparteiorganisation, die Politische Hauptverwaltung den einer Bezirksleitung. Der Leiter der PHV ist Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung sowie 1. Sekretär der PO der SED in der NVA. Auf der Ebene der Militärbezirke und Divisionen existieren Parteikreise mit dem Status einer SED-Kreisleitung; sie werden von einem Sekretariat unter Leitung des 1. Sekretärs und Leiters der Politischen Verwaltung angeleitet. Ihnen unterstehen die Regimentsparteiorganisationen, in denen Bataillone mit Parteigrundorganisationen vorhanden sind. Die kleinste Einheit ist die von einem ehrenamtlich tätigen Sekretär geleitete Parteigruppe in den Kompanien. Politorgane und Parteiorganisationen existieren ebenfalls in der Militärakademie sowie an den Schulen der NVA. Die Arbeit der Parteiorganisationen erstreckt sich vorwiegend auf den Bereich der politisch-ideologischen Schulung, auf die Durchsetzung der Parteibeschlüsse in der militärischen Praxis und auf die Initiierung und Führung des Wettbewerbs, den es seit 1959 als „Bestenbewegung“ und seit 1961, begründet durch den Wettbewerbsbefehl des Ministers für Nationale Verteidigung, als ständige Mobilisierung, als Kampagne zur Ausnützung aller persönlichen und materiellen Reserven zwecks Erfüllung der Aufgaben im Militärbereich gibt. Besonderes Augenmerk richtet die SED auf die politische Zuverlässigkeit und richtige klassenmäßige Zusammensetzung des Offizierskorps. 1956 waren bereits 79,5 v. H. der Offiziere Mitglieder der SED; der Anteil beträgt seit 1969/70 98 v. H. Die soziale Zusammensetzung (Rekrutierung) hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert: 1971 stammten 80 v. H. der Offiziere der NVA aus der Arbeiterklasse; Ende 1975 waren es nur noch 70 v. H., während 5 v. H. aus der Bauernschaft, 6 v. H. aus der sozialistischen Intelligenz und 19 v. H. aus der Schicht der Angestellten kamen. Diese Veränderungen sind Teil eines sozialstrukturellen Wandels in der DDR, der die SED-Führung bei der schwieriger werdenden Werbung für den Offiziersnachwuchs zu einer Differenzierung ihrer Rekrutierungspolitik zwingt. Es ist das oberste Ziel der SED, durch ihre politische Arbeit die Integration von Streitkräften und Gesellschaft zu sichern und ihre volle politische Anleitung und Kontrolle über die Armee zu erhalten. Gero Neugebauer Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 753–758 Nationale Streitkräfte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Nationaleinkommen

Siehe auch: Nationale Volksarmee: 1958 1959 1960 Nationale Volksarmee (NVA): 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Volksarmee, Nationale: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Die NVA ist die Armee der DDR und wichtigster Teil der von der Militärpolitik der SED konzipierten Landesverteidigung. Die Kennzeichnung als „sozialistische Armee“ wird im Selbstverständnis mit mehreren Kriterien begründet: Sie ist das Klassen- und Machtinstrument der…

DDR A-Z 1979

Rechtsanwaltschaft (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 1. Entwicklung. Nachdem noch im Jahre 1951 in der R. „die langsamste Vorwärtsentwicklung und die unterentwickeltsten Formen einer neuen Gestaltung“ festgestellt wurden (Neue Justiz, H. 2, 1951, S. 51) und der Versuch, Anwaltskollektive nach sowjetischem Vorbild auf freiwilliger Basis entstehen zu lassen, gescheitert war, erging am 15. 5. 1953 die VO über die Bildung von Kollegien der Rechtsanwälte (GBl., S. 725), der ein „Musterstatut für die Kollegien der Rechtsanwälte“ als Anlage beigefügt war. Damit war die Spaltung der R. vollzogen, die im Staatsratserlaß über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege (GBl. I, 1963, S. 21) beschrieben wird: „Sie (die R.) umfaßt die Kollegien der Rechtsanwälte, in denen sich die Mehrzahl der Rechtsanwälte freiwillig zusammengeschlossen haben, und die Einzelanwälte.“ Von den in der DDR nach westlichen Schätzungen praktizierenden 545 Rechtsanwälten (das ist erheblich weniger als die Hälfte der in Berlin [West] zugelassenen Rechtsanwälte) gehören 487 den Kollegien an. während 58 ihren Beruf noch frei als „Einzelanwälte“ ausüben. Justizminister Heusinger bezeichnete schon 1973 die Zahl der Rechtsanwälte als nicht ausreichend, um die vielfältigen Aufgaben, vor allem bei der Beratung und Vertretung der Bürger, optimal zu bewältigen (Neue Justiz, 1973, H. 12, S. 340). Seitdem hat sich indessen diese Zahl von 624 auf 545 weiter vermindert. 2. Die Kollegien. In jedem Bezirk der DDR und in Berlin (Ost) wurde ein Rechtsanwaltskollegium gebildet, das von einer zentralen Verwaltungsstelle am Sitz des Bezirksgerichts geleitet wird. Leitendes Organ ist der von den Mitgliedern des Kollegiums auf 2 Jahre gewählte Vorstand, der aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und einen Schriftführer wählt. Die Leitungstätigkeit durch den Vorstand soll kollektiv ausgeübt werden. Durch die Vorsitzenden sind Arbeitspläne aufzustellen, die die Schwerpunkte der auf das Kollegium zukommenden Aufgaben herausstellen sollen. In einigen Kollegien wird versucht, Erscheinungen „falscher Kollegialität“ in der kollektiven Leitungstätigkeit dadurch zu begegnen, daß der Vorsitzende hauptamtlich ausschließlich Leitungstätigkeit ausübt und von der praktischen anwaltlichen Tätigkeit freigestellt bleibt. Neben dem Vorstand, der auch die Disziplinargewalt über die Mitglieder ausübt, gibt es in jedem Kollegium eine Revisionskommission. Diese kontrolliert alle Mitglieder auf Einhaltung ihrer Pflichten und führt Revisionen in den Zweigstellen des Kollegiums durch. Derartige Zweigstellen bestehen neben der Zentralen Verwaltungsstelle in unterschiedlicher Anzahl in den Bezirken. Sie sind mit einem oder mehreren Anwälten besetzt. Dabei geht die Tendenz auf die Entwicklung und den Ausbau „kollektiver Zweigstellen“ hin, denn „die Einzelzweigstellen verhindern die sozialistische Entwicklung, konservieren überholte Arbeitsweisen und erschweren die Sicherung des Rechts der Bürger auf freie Wahl eines Rechtsanwalts“ (Neue Justiz, 1973 H. 12, S. 343). Mit Berechnung und Einziehung der Gebühren haben die Zweigstellen nichts zu tun; dies erfolgt durch die Zentrale Verwaltungsstelle. Nach Abzug der Verwaltungskosten (bis zu 40 v. H.), Steuern, Sozialabgaben und FDGB-Beiträge werden die Gebühren dem Anwalt, der die Sache bearbeitet hat, überwiesen. 3. Aufsichts- und Kontrollinstanzen. Seit 1957 bestehen im Ministerium der Justiz ein „Beirat für Fragen der R.“ und eine „Zentrale Revisionskommission“. §~14 [S. 892]des Statuts gibt der Zentralen Revisionskommission das Recht, „von den Vorsitzenden der Rechtsanwaltskollegien Berichte anzufordern. Die Vorstände und Zweigstellenleiter der Rechtsanwaltskollegien sind verpflichtet, den Revisionsgruppen über alle Fragen Auskunft zu geben, ihnen alle Unterlagen vorzulegen und sie in jeder Weise bei ihrer Arbeit zu unterstützen.“ Damit ist in den Kollegien das Anwaltsgeheimnis praktisch beseitigt. Die Revisionskommission ist eng an das die Aufsicht über die R. führende Ministerium der Justiz gebunden. Sie hat seine Anregungen entgegenzunehmen und ihm über die Arbeit der Zentralen Revisionskommission zu berichten (§ 8 a des Statuts). Das Ministerium der Justiz ist auch Leitungs-, Kontroll- und Aufsichtsorgan über die Einzelanwälte. Es gibt also für diese keine Selbstverwaltung, Ehrengerichtsbarkeit oder dergleichen. Für alle Disziplinarmaßnahmen bis zum Ausschluß aus der R. ist das MdJ zuständig und zugleich erste und letzte Instanz. 4. Zulassung. Neuzulassungen als Einzelanwalt sind schon seit 1953 nicht mehr erfolgt, sind aber seit Inkrafttreten des neuen Statuts des Ministeriums der Justiz am 12. 4. 1976 durch Entscheidung des Justizministers wieder möglich. Das wird aber in der Praxis kaum vorkommen, so daß die Prognose, daß in nicht ferner Zukunft dieser Teil der R. völlig verschwunden sein wird, berechtigt erscheint. Wer zur R. zugelassen werden will, muß die Aufnahme in ein Kollegium beantragen, denn gemäß § 4 Abs. 1 des Musterstatuts ist mit der Aufnahme die Zulassung als Rechtsanwalt verbunden. Mitglied kann werden, wer eine abgeschlossene juristische Ausbildung hat, ausnahmsweise auch Personen ohne eine solche Ausbildung, soweit sie Erfahrungen aus praktischer juristischer Tätigkeit besitzen. Gegenüber den Einzelanwälten genießen die Mitglieder der Anwaltskollegien erhebliche Vorrechte. Als Offizialverteidiger und als beigeordneter Rechtsanwalt in Zivilprozessen kann nur ein Rechtsanwalt bestellt werden, der Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte ist (§ 3 der VO). Vor staatlichen Vertragsgerichten sind Einzelanwälte nicht vertretungsberechtigt. Alle Dienststellen, Volkseigenen Betriebe (VEB) und staatlichen Institutionen sind angewiesen, in allen Rechtsangelegenheiten, die eine Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfordern, nur Mitglieder der Kollegien der Rechtsanwälte zu beauftragen (§ 4 Abs. 1 der VO). Gegenüber dem Einzelanwalt genießt der Kollegiumsanwalt steuerliche Vorteile sowie bessere Sozialleistungen. 5. Aufgaben. Der Rechtspflege-Erlaß des Staatsrates vom 4. 4. 1963 ist zwar durch das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe vom 12. 7. 1973 (GBl. I, S. 313) formell aufgehoben worden, aber seine Einordnung der R. als „gesellschaftliche Einrichtung der sozialistischen Rechtspflege“ gilt ebenso fort wie die den Rechtsanwälten gestellte Aufgabe, „durch ihre Tätigkeit zur Festigung der Sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Entwicklung des sozialistischen Staats- und Rechtsbewußtseins der Bürger“ beizutragen. „Der Rechtsanwalt kann seinen Auftrag nur dann erfüllen, wenn er sich stets der Erziehungsfunktion des Rechts bewußt ist… Der Rechtsanwalt leistet durch eine gewissenhafte Beratung und Vertretung der rechtsuchenden Bürger, Betriebe und Institutionen und durch die Erläuterung des sozialistischen Rechts seinen Beitrag zur Durchsetzung der Sozialistischen Gesetzlichkeit und damit zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ („Neue Justiz“, 1978, H. 9, S. 258). Hierin wird die der R. obliegende Erziehungsfunktion deutlich. So erklärt es sich auch, daß vor den Gerichten in der DDR nur die dort zugelassenen Rechtsanwälte auftreten dürfen. Ein in der Bundesrepublik Deutschland oder in Berlin (West) zugelassener Rechtsanwalt darf in der DDR nicht auftreten. Seit dem 1. 9. 1967 besteht in Berlin (Ost) das „Rechtsanwaltsbüro für internationale zivilrechtliche Vertretungen“. Es ist den in verschiedenen osteuropäischen Staaten bestehenden Rechtsanwaltsbüros für ausländische Rechtsangelegenheiten nachgebildet. Es soll auf zivil-, handels-, arbeits- und familienrechtlichem Gebiet in der Vertretung von natürlichen und juristischen Personen aus der DDR in anderen Staaten und in der Vertretung von ausländischen Bürgern und juristischen Personen vor Gerichten und Schiedsgerichten der DDR tätig werden. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 891–892 Rechnungswesen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Rechtsauskunftsstelle

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 1. Entwicklung. Nachdem noch im Jahre 1951 in der R. „die langsamste Vorwärtsentwicklung und die unterentwickeltsten Formen einer neuen Gestaltung“ festgestellt wurden (Neue Justiz, H. 2, 1951, S. 51) und der Versuch, Anwaltskollektive nach sowjetischem Vorbild auf freiwilliger Basis entstehen zu lassen, gescheitert war, erging am 15. 5. 1953 die VO über die Bildung von Kollegien der Rechtsanwälte…

DDR A-Z 1979

Betriebsverfassung (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 Die rechtlichen Grundlagen der B. der Volkseigenen Betriebe (VEB) und Kombinate sind das Arbeitsgesetzbuch (AGB) sowie die VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. 3. 1973 (GBl. I, S. 129). Diese VO löste eine Anzahl vorangegangener Regelungen von grundsätzlicher Bedeutung ab, so insbesondere für die VEB die VO über Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. 2. 1967 und für die Kombinate die VO über Bildung und Rechtsstellung von volkseigenen Kombinaten vom 16. 10. 1968. Ein Anfang 1967 veröffentlichter Entwurf zur VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der VVB wurde dann zwar vielfach wie geltendes Recht behandelt, erlangte jedoch keine Gesetzeskraft. Rechtliche Grundlagen für eine B. der VEB waren erstmals 1952 geschaffen worden. Die bis dahin unselbständigen Teilbetriebe einer VVB waren in rechtlich selbständige und nach dem Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitende Wirtschaftseinheiten (VEB) überführt worden. Mit der VO 73 trat zum erstenmal in der DDR eine geschlossene Regelung für VEB, Kombinate und VVB in Kraft. Sie bildet im Zusammenhang mit dem Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. 10. 1972 (Ministerrat) und dem Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe in der DDR vom 12. 7. 1973 (Örtliche Organe der Staatsmacht) ein umfassendes, aufeinander abgestimmtes Gesetzeswerk zur Strukturierung der Wirtschaftsleitung. Die DDR besitzt damit heute eine bessere rechtliche Abgrenzung der Kompetenzen und Funktionen der nach den Prinzipien des Demokratischen Zentralismus gestalteten Leitungsebenen im Vergleich zu vorangegangenen Regelungen. Die VO 73 bestimmt die Stellung der wirtschaftenden Einheiten im Wirtschaftssystem (Wirtschaft). Nach den „Grundsätzen“ der VO 73 (§ 1) sind die VEB, Kombinate und VVB „Bestandteil der einheitlichen sozialistischen Volkswirtschaft der DDR“. Sie erfüllen „ihre Aufgaben im Auftrage des sozialistischen Staates und in Verwirklichung des Beschlusses der Partei der Arbeiterklasse, der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften“. Die zentralen staatlichen Pläne bilden die verbindliche Grundlage ihrer Arbeit. VEB, Kombinate und VVB werden nach dem Prinzip der Einzelleitung durch den Direktor des Betriebes oder Kombinats (Generaldirektor der VVB) und nach einer „kollektiven Beratung der Grundfragen“ unter Mitwirkung der Werktätigen geführt. Die Rolle der Gewerkschaftsorganisation im Betrieb steht heute stärker als bisher im Vordergrund; ihre wesentlichen Mitwirkungsrechte im Betrieb sind im neuen AGB ausführlicher als bisher geregelt (Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte). Dafür sind seit der VO 73 eine Reihe von Beratungsgremien entfallen (Gesellschaftliche Räte in VVB, wissenschaftlich-ökonomische Räte in Kombinaten; die Produktionskomitees in den VEB waren bereits vorher aufgelöst worden). Diese Regelung wird offiziell damit begründet, daß dadurch der direkte Einfluß der Werktätigen über Partei und Gewerkschaft besser zu sichern sei. Neben den wesentlichen betrieblichen Funktionen wurden auch verstärkt die sozialpolitischen Aufgaben herausgearbeitet und die Pflicht zur Zusammenarbeit mit den örtlichen Volksvertretungen betont. Nach geltenden Regelungen haben außerdem die VEB, Kombinate und VVB die „ihnen übertragene Aufgabe zur materiell-technischen Sicherstellung und andere Maßnahmen der Landesverteidigung, einschließlich der Zivilverteidigung“ durchzuführen. Die Betriebe werden verpflichtet, die sozialistische Wehrerziehung zu fördern und dazu auch materielle Unterstützung zu leisten. Der Volkseigene Betrieb (VEB) fungiert sowohl als wirtschaftliche als auch als gesellschaftliche Grundeinheit, also nicht nur als „arbeitsteiliges Glied“ der Volkswirtschaft, sondern auch als Zentrum zur Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten. Der VEB ist rechtsfähig und führt einen eigenen Betriebsnamen. Mit der VO 73 wird auf die ausdrückliche Feststellung der juristischen Selbständigkeit des VEB verzichtet. Alle Betriebe der volkseigenen Wirtschaft sind verpflichtet, sich in das beim Ministerrat durch das Staatliche Vertragsgericht geführte Register eintragen zu lassen (GBl. II, 1970, S. 573). Die Registerführung erfolgt beim Bezirksvertragsgericht. Nach der Sozialistischen Betriebswirtschaftslehre in der DDR ist der Betrieb ein Kollektiv von Werktätigen, ausgestattet mit volkseigenen materiellen und finanziellen Fonds. Als ökonomische Grundeinheit und sozialistischer Warenproduzent erfüllt der Betrieb die durch die staatlichen Pläne fixierten Teilaufgaben und arbeitet nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung. Daneben ist eine Reihe besonderer Weisungen zu beachten, wie die Verpflichtung zur ter[S. 191]min-, sortiments- und bedarfsgerechten Produktion, für eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit wie auch für eine moderne Industrielle Formgestaltung der Erzeugnisse zu sorgen und die Produktion zu niedrigsten Kosten zu erbringen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Verantwortung der Betriebe im Hinblick auf die Forderungen der sozialistischen ökonomischen Integration gezollt. Die Betriebe sind gehalten, die Konsequenzen einer fortschreitenden Integration im RGW umfassend zu berücksichtigen. Nach dem Prinzip der Eigenerwirtschaftung der Mittel für die erweiterte Reproduktion der Betriebe besteht eine grundsätzliche Verpflichtung zur Selbstfinanzierung über Gewinn und Kredit; generell bedeutet jedoch die vielzitierte „Eigenverantwortung“ nur eine relative Selbständigkeit im Rahmen einer weitgehend an überbetriebliche Weisungen und Normen gebundenen Dispositionsbefugnis insbesondere für das „Wie“ der Planerfüllung. Alle wesentlichen Kompetenzen liegen in den Händen der Kombinate, VVB und Ministerien. Teilweise sind bei den Kombinaten und VVB auch wichtige betriebliche Funktionen zentralisiert. Mit der VO 73 entfielen einige im Zuge der Wirtschaftsreform seit 1967 den VEB erteilten Rechte (z. B. das Recht eines finanziellen Ausgleichsanspruchs bei Eingriffen und Planänderung durch übergeordnete Instanzen), die im Vergleich zur VEB-VO 1967 eine erneute Beschränkung des Dispositionsspielraumes bedeuten. Gründe hierfür sind nicht zuletzt in Bemühungen der Betriebe zu suchen, ihren Betriebserfolg durch sehr flexible Handhabung oder bewußte Umgehung von Plananweisungen und Rechtsvorschriften zu sichern oder zu erhöhen. Der Spitzenfunktionär in der Betriebshierarchie ist der Betriebsdirektor. Als „Beauftragter des sozialistischen Staates“ und Betriebsleiter, berufen durch den Leiter des übergeordneten Organs, fungiert er in doppelter Funktion als Wirtschaftsleiter und als sozialistischer Erzieher. Seine Position ist in ein System der gesellschaftlichen Leitung (Partei, Gewerkschaft, FDJ usw.) eingebettet. Gemäß dem Prinzip der Einzelleitung ist er gegenüber seiner übergeordneten Instanz persönlich voll verantwortlich und besitzt Weisungsrecht gegenüber allen Mitarbeitern des Betriebes (AGB §§ 82, 83). Seine Verpflichtungen hinsichtlich einer effektiven Arbeitsorganisation und straffen Arbeitsdisziplin werden im AGB (4. Kap.) besonders hervorgehoben. Die straffe Subordination der innerbetrieblichen Struktur ist durch die Ausbildung eines für die Leitungsorganisation des sozialistischen Betriebes typischen Gegengewichtsprinzips zur allseitigen Kontrolle innerhalb der betrieblichen Führung gekennzeichnet. Typisch hierfür ist die doppelte Unterstellung des Hauptbuchhalters. Ebenso richtet sich das System der gesellschaftlichen Leitung gegen „individuelle und kollektive Sonderinteressen“ des Betriebes. Der Betriebsdirektor hat die Grundsätze und Normen des sozialistischen Arbeitsrechts zu verwirklichen. Er ist für die Ausarbeitung und Erfüllung des Betriebsplans und seiner Aufschlüsselung bis hin zum Arbeitsplatz verantwortlich und hat den Betriebsplan vor seinem vorgesetzten Leiter zu verteidigen. Er legt die Aufgabenbereiche und Befugnisse der leitenden Mitarbeiterfest. Er kann seine Befugnisse partiell auf diese übertragen. Er ist ferner verantwortlich für Arbeitsgestaltung, Festlegung der Arbeitsnormen und die Ausarbeitung und Festsetzung sonstiger Leistungskennziffern. Gemäß dem sozialistischen Leistungsprinzip hat er das Arbeitspotential des Betriebes auf hohe Planerfüllung und maximale Steigerung der Arbeitsproduktivität zu konzentrieren wie auch „die Beziehungen zwischen Tarif. Leistung und Lohn so zu gestalten, daß jeder Werktätige daran interessiert ist, hohe Leistungen zu erreichen“ (VO 73, § 9). Mitwirkungsorgane der Belegschaft sind nicht als Beginn des Übergangs zur kollektiven Leitung im Sinne einer Mitbestimmung, sondern als Form einer straffen Leitung durch kollektive Mitwirkung und Beratung im Dienste einer intensiven Kontrolle zu verstehen. Ihr Recht auf Mitwirkung sollen die Werktätigen grundsätzlich durch die BGL und die BPO verwirklichen. „Im Betrieb … wirken die Werktätigen unmittelbar und mit Hilfe ihrer gewählten Organe an der Leitung mit“ (Verfassung der DDR Art. 42, 1). Betriebsdirektor. Partei und Gewerkschaft organisieren, kanalisieren und steuern die Mitwirkung. Dabei ist der Form nach zwischen kollektiven Verträgen (Betriebskollektivvertrag [BKV]), beratenden Gremien (Ständige Produktionsberatungen), gelenkten Produktionsinitiativen (Formen des Sozialistischen Wettbewerbs) und Versammlungen verschiedener Art (Rechenschaftslegungen usw.) zu unterscheiden. Mitwirkung bedeutet Mitsprache zur Mobilisierung der Reserven des Betriebes durch Ausnutzung der „schöpferischen Initiative“ der Belegschaft. Die Grundsätze der B. eines VEB gelten in der Regel gleichermaßen für die Betriebe eines Kombinates, soweit diese einen eigenen Betriebsnamen führen. Für unselbständige Betriebsteile eines Kombinates bestehen Sonderregelungen (Betriebsformen und Kooperation). Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 190–191 Betriebssportgemeinschaften A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Betriebswirtschaft, Sozialistische

Siehe auch die Jahre 1969 1975 Die rechtlichen Grundlagen der B. der Volkseigenen Betriebe (VEB) und Kombinate sind das Arbeitsgesetzbuch (AGB) sowie die VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. 3. 1973 (GBl. I, S. 129). Diese VO löste eine Anzahl vorangegangener Regelungen von grundsätzlicher Bedeutung ab, so insbesondere für die VEB die VO über Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. 2. 1967 und…

DDR A-Z 1979

Bodenrecht (1979)

Siehe auch das Jahr 1985 In der DDR gilt das B. als eigenständiger Rechtszweig, der die Gesamtheit der rechtlichen Regelungen über das Eigentum und die Nutzung des Bodens umfaßt. Gegenstand des B. sind ferner Maßnahmen des Naturschutzes, der Landeskultur (Landeskulturgesetz) und des Bergrechts. Für die Nutzung volkseigenen Bodens durch sozialistische Wirtschaftseinheiten gelten die für die Nutzung von Volkseigentum generell maßgeblichen Konstruktionen (Art. 12 Abs. 2 Verf.; § 19 ZGB) sowie zahlreiche spezielle Nebenregelungen (Bodennutzung). Den Bereich des B., an dessen Rechtsverhältnissen Bürger beteiligt sind, regelt einstweilen das Zivilgesetzbuch (ZGB) vom 19. 6. 1975 (GBl. I, S. 465) (Zivilrecht) unter dem Ordnungsgesichtspunkt „Nutzung von Grundstücken und Gebäuden zum Wohnen und zur Erholung“ (§§ 284 ff. ZGB). Auch in diesem Bereich gelten der Grundsatz der rationellen und zweckgebundenen Bodennutzung sowie das Gebot der Übereinstimmung der Bodennutzung mit den gesellschaftlichen Erfordernissen. Das Gesetz sieht folgende Rechtsinstitute als Grundlage für die Bodennutzung durch Bürger vor: a) Die Verleihung des Nutzungsrechts an einem volkseigenen Grundstück für den Bau und die persönliche Nutzung von Eigenheimen (§§ 287–290 ZGB). Dieses Nutzungsrecht wird durch Verwaltungsakt begründet (Verleihung) und auch beendet (Entzug). Es wird grundsätzlich unbefristet und gegen Entgelt eingeräumt. Die auf dem volkseigenen Grundstück errichteten Gebäude sind Eigentum des Nutzungsberechtigten und können veräußert und vererbt werden, wobei das Nutzungsrecht am Grundstück dem Eigentum am Gebäude nachfolgt. Beim Entzug des Nutzungsrechts wegen nicht bestimmungsgemäßer Nutzung gehen Gebäude, Anlagen und Anpflanzungen — grundsätzlich gegen Entschädigung — in Volkseigentum über. b) Die Zuweisung genossenschaftlich genutzten Bodens durch eine Genossenschaft für den Bau von Eigenheimen oder anderen persönlichen Bedürfnissen dienenden Gebäuden (§§ 291–294 ZGB). Auch in diesem Fall erfolgt die Begründung des Nutzungsverhältnisses nicht durch Vertrag, sondern durch Verwaltungsakt (Zuweisung), ebenso ist ein Entzug des Nutzungsrechts wegen nicht bestimmungsgemäßer Nutzung der Bodenfläche vorgesehen, wobei der Entzug nicht durch die Genossenschaft, sondern durch ein staatliches Verwaltungsorgan erfolgt. Für die Eigentumsverhältnisse und Verfügungsmöglichkeiten gilt das gleiche, wie unter a). Bei Entzug des Nutzungsrechts erfolgt keine Enteignung der Überbauten, vielmehr besteht eine Veräußerungspflicht des Eigentümers an einen anderen Bürger. c) Das persönliche Eigentum an Grundstücken (§§ 295–311), das vom ZGB als eine der möglichen rechtlichen Grundlagen der Bodennutzung behandelt wird, wobei der Grundstücksverkehr der staatlichen Kontrolle unterliegt (§ 297 ZGB; Grundstücksverkehrs-O. vom 15. 12. 1977, GBl. I, 1978, S. 73). d) Die Nutzung von land- und forstwirtschaftlich nicht genutzten Bodenflächen als Kleingärten oder zum Zweck der Erholung oder Freizeitgestaltung aufgrund eines Vertrages (§§ 312–315). Dabei handelt es sich um ein Nutzungsverhältnis, das im wesentlichen der Pacht nachgebildet ist. Schließlich kennt das ZGB Formen der Mitbenutzung von Grundstücken durch mehrere Nutzungsberechtigte, etwa die Lagerung von Baumaterial, das Aufstellen von Geräten, die Einräumung von Wege- und Überfahrtrechten, aber auch das Unterlassen bestimmter Handlungen. Derartige Mitbenutzungsformen beruhen in der Regel auf Vertrag, teilweise sind sie in das Grundbuch einzutragen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 231 Bodennutzungsgebühr A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Bodenreform

Siehe auch das Jahr 1985 In der DDR gilt das B. als eigenständiger Rechtszweig, der die Gesamtheit der rechtlichen Regelungen über das Eigentum und die Nutzung des Bodens umfaßt. Gegenstand des B. sind ferner Maßnahmen des Naturschutzes, der Landeskultur (Landeskulturgesetz) und des Bergrechts. Für die Nutzung volkseigenen Bodens durch sozialistische Wirtschaftseinheiten gelten die für die Nutzung von Volkseigentum generell maßgeblichen Konstruktionen (Art. 12 Abs. 2 Verf.; § 19 ZGB)…

DDR A-Z 1979

Kammer der Technik (KdT) (1979)

Siehe auch: Kammer der Technik: 1963 1965 1966 1969 Kammer der Technik (KdT): 1975 1985 Technik, Kammer der: 1953 1954 1965 1966 1969 1975 Technik, Kammer der (KdT): 1956 1958 1959 1960 1962 1963 Gesellschaftliche Organisation der Ingenieure. Techniker und Ökonomen in der DDR. mit deren Hilfe diese Gruppen der Intelligenz in die politische, soziale und ökonomische Entwicklung einbezogen und ihr Fach- und Sachverstand für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt organisiert genutzt werden. Mitglied in der KDT können aber auch technisch-ökonomisch erfahrene Praktiker ohne Hoch- bzw. Fachschulabschluß sein. Unter bewußtem Bruch mit der Tradition des Vereins Deutscher Ingenieure und anderer traditioneller wissenschaftlich-technischer Vereinigungen wurde die KDT im Juli 1946 im Rahmen des FDGB gegründet. Sie ist seitdem aus dieser organisatorischen Verbindung heraus zu einer eigenständigen Massenorganisation der technischen und teilweise auch der ökonomischen Intelligenz geworden (1. Kongreß der KDT: 3. 12. 1955). Aufgabenstellung, Organisationsstruktur und personelle Verzahnungen in den Leitungen verbinden die KDT fest mit der SED und den anderen Massenorganisationen sowie den staatlichen, wissenschaftlichen und ökonomischen Institutionen und betten ihre Tätigkeit in die jeweiligen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen sowie vor allem wissenschaftlich-technischen Zielsetzungen ein. Die KDT ist sowohl nach dem Produktions- als auch nach dem Territorialprinzip gegliedert. Die zentralen Leitungsorgane sind der alle 4 Jahre tagende Kongreß, der von diesem gewählte Hauptausschuß, das Präsidium und das Sekretariat. Die größten fachgebundenen Organisationseinheiten bilden 12 Fachverbände (FV): Bauwesen; Chemische Technik; Elektrotechnik; Fahrzeugbau und Verkehr; Holz, Papier, Polygraphie; Land-, Forst- und Nahrungsgütertechnik; Lebensmittelindustrie; Maschinenbau; Nachrichtentechnik; Silikattechnik; Textil, Bekleidung, Leder; Wasser und 5 Wissenschaftlich-technische Gesellschaften (WTG): Gesellschaft für Standardisierung (GfS); Wissenschaftlich-technische Gesellschaft für Geodäsie, Photogrammetrie und Kartographie (WTG GPK); Montanwissenschaftliche Gesellschaft (MWG); Wissenschaftliche Gesellschaft für Meßtechnik und Automatisierung (WGMA); Wissenschaftlich-technische Gesellschaft Energiewirtschaft (WTG EW). In Anlehnung an die Industriezweig-, VVB- und Kombinatsgliederung, aber auch nach technisch-organisatorischen Themenbereichen differenziert sich die Organisationsstruktur der FV und WTG in Wissenschaftliche Sektionen (WS), Fachausschüsse (FA), Fachunterausschüsse (FUA), Arbeitsgruppen und Aktivs der VVB und Kombinate. 1975 hatte z. B. der FV Elektrotechnik auf zentraler Ebene 9 WS, 34 FA und 13 Aktivs. Auf gleicher Organisationsstufe wie die FV und WTG bestehen beim Präsidium der KDT für Querschnittsaufgaben Kommissionen (u. a. Neuerer; Arbeit mit der jungen Intelligenz; Wissenschaftliche ➝Arbeitsorganisation; Umweltschutz; Weiterbildung) und zentrale Arbeitsgemeinschaften (AG [Z]: u. a. Materialökonomie; Reinhaltung der Luft; Lärmschutz; Vorbereitung und Durchführung von Investitionen; Grundfondswirtschaft; Marktforschung; Technische Formgestaltung; Arbeitsschutz; Transportrationalisierung; Korrosionsschutz; Augenoptik; Betriebsorganisation und Rechentechnik; Information und Dokumentation). Auch die Kommissionen weisen eine Feingliederung in Arbeitsgruppen usw. auf; sie finden ihre Entsprechung auf der Bezirks-, VVB- und Kombinatsebene. Dieses stark ausdifferenzierte, flexible und der Konzeption nach aufeinander bezogene, hierarchisierte Organisationssystem eröffnet zum einen die Möglichkeit, spezielle Probleme im wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Bereich von kleinen Spezialistengruppen bearbeiten zu lassen. Es ist die Voraussetzung für die Beratung staatlicher Stellen in Fragen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts (Plan Wissenschaft und Technik), der Rationalisierung und Standardisierung, für die Erarbeitung von Materialverbrauchsnormen (Materialwirtschaft) usw. Die verschiedenen zentralen Gremien der KDT erarbeiten ferner wissenschaftlich-technische Informationen und Dokumentationen als Arbeitsgrundlagen für die VVB, VEB sowie die eigenen Mitglieder. Zum anderen wird versucht, durch eindeutige Zuordnungen und Unterstel[S. 577]lung die einzelnen Beratungsgremien in ein kontrolliertes Organisationsgeflecht einzubinden. 1975 bestanden innerhalb der KDT 2.500 überbetriebliche Arbeitsgremien. Unterste Organisationseinheiten der KDT sind die Betriebs- und Institutssektionen (BS bzw. IS) in den Betrieben, Verwaltungen und Forschungsinstitutionen. Ferner bestehen KDT-Organisationen an den Akademien, Universitäten, Hoch- und Fachschulen. Die Grundeinheiten sind auf mittlerer Ebene in Bezirksverbänden der KDT zusammengefaßt und werden von den Bezirksvorständen (BV) angeleitet. Die BV der KDT sind in den im Herbst 1976 bei den Bezirksleitungen der SED gebildeten Kommissionen Wissenschaft und Technik vertreten und arbeiten eng mit diesen zusammen. Die direkte Leitungslinie Präsidium ― Bezirksverbände ― Betriebssektionen wurde im Ergebnis der 5. Konferenz der KDT 1970 gestärkt, um den mit der Organisationsstruktur der KDT verbundenen Gefahren der Verselbständigung einzelner Organisationseinheiten entgegenzuwirken. Im übrigen gilt auch für die KDT der Demokratische Zentralismus als verbindliches Organisationsprinzip. Präsident der KDT ist seit dem 6. Kongreß der KDT (1974) Prof. Dr.-Ing. Manfred Schubert; Prof. Dr. Horst Peschel. sein Vorgänger, wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt. Dipl.-Ing. Ök. Rolf Werner ist 1. Sekretär und Vizepräsident der KDT. Für die Mitglieder gibt das Präsidium die Monatszeitschrift „Technische Gemeinschaft“ (TG) heraus; neben ihr erscheinen verbandsinterne Informationsdienste, Dokumentationen, Lehrmaterialien usw. vorwiegend mit fachspezifischen wissenschaftlich-technischen Inhalten; diese Materialien werden von der zentralen Bibliothek der KDT gesammelt, die darüber hinaus über einen großen Bestand an internationalen Fachzeitschriften, Fachbüchern usw. verfügt. Die Zusammenarbeit der KDT mit den „sozialistischen Ingenieurorganisationen“ der RGW-Staaten hat zunehmend an Gewicht gewonnen. Die Präsidenten und Generalsekretäre dieser Verbände treffen regelmäßig alle 2 Jahre zum Erfahrungsaustausch und zur Abstimmung der Verbandspolitik zusammen (1976 in Prag; beteiligte Länder: UdSSR, ČSSR, DDR, Polen, Rumänien, Ungarn; als Beobachter: Vietnam, Vertreter des RGW-Sekretariats; 1978 Tagung in der DDR). Neben gemeinsamen internationalen Tagungen der Gesamtverbände werden Konferenzen einzelner FV, WTG, AG (Z) veranstaltet. Multilaterale Arbeitsvereinbarungen werden durch bilaterale Absprachen, regelmäßigen Erfahrungsaustausch usw. auf allen Ebenen der Organisationsstruktur ergänzt. Die KDT ist seit Gründung Mitglied der auf Empfehlung der UNESCO gebildeten Weltföderation der Ingenieurorganisationen (WFEO). Mit der kommunistisch geleiteten französischen CGT-Gewerkschaft: Union Generale des Ingenieurs Cadres et Techniciens besteht seit 1966 eine vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit. Die WTG, FV, AG (Z) sind (Mit-)Veranstalter internationaler Fachtagungen und -konferenzen mit Beteiligung westlicher Länder in der DDR. Sie entsenden aber auch Delegationen zu vergleichbaren Veranstaltungen im westlichen Ausland. Neben der gesellschaftspolitischen Integration der technisch-ökonomischen Intelligenz besteht die Hauptaufgabe der KDT in der Förderung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts: beschleunigte Überleitung von Forschungsergebnissen in die Produktion; Entwicklung und Unterstützung von Rationalisierungsvorhaben; Mitarbeit in der Neuererbewegung, insbesondere in den sozialistischen Arbeitsgemeinschaften; Entwicklung und Einführung neuer Methoden der Betriebs- und Arbeitsorganisation; Ausarbeitung technischer Standards; Beratung staatlicher Institutionen auf allen Ebenen in wissenschaftlich-technischen Fragen. Beklagt wird in diesem Zusammenhang die organisatorische Schwäche der KDT in den Forschungsinstituten der Akademie der Wissenschaften, aber auch an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen. Ferner sei es der KDT bisher nicht gelungen, die Ökonomen in zureichender Zahl in die Organisation einzubinden, obwohl technologische, betriebs- und arbeitsorganisatorische Fragen ohne Berücksichtigung betriebs- und volkswirtschaftlicher Kenntnisse bzw. Erfordernisse nicht zu lösen seien. Eine eigenständige gesellschaftliche Organisation für die ökonomische Intelligenz, wie sie z. B. in Ungarn besteht, wird jedoch bisher ausdrücklich abgelehnt. Die seit 1970 zu beobachtende Konzentration der Arbeit der KDT auf die BS zielt auf die stärkere Einbeziehung der Intelligenz in den Sozialistischen Wettbewerb. Entsprechend der allgemeinen Aufgabenstellung der KDT richten sich die Wettbewerbsaktivitäten vor allem auf den Plan Wissenschaft und Technik (Planung. II. 5.). Zu ihm sollen die BS in der Plandiskussion einen eigenen „gesellschaftlichen Standpunkt“ erarbeiten, der vor den Wirtschaftsleitungen „verteidigt“ wird und dessen konkrete, zusätzliche Leistungsangebote in den „Gegenplan“ Eingang finden. 1976 haben sich etwa 70 v. H. der BS an dieser Wettbewerbsform beteiligt. Die einzelnen Mitglieder werden angehalten, individuelle Wettbewerbsverpflichtungen in Form der persönlich- und „kollektiv-schöpferischen“ Pläne einzugehen. Als spezielle Wettbewerbsform der ingenieurtechnischen Intelligenz wird seit 1974 der „schöpferische Paß des Ingenieurs“ (Ingenieurpaß) propagiert. Der Ingenieurpaß — ein schriftliches, von der BGL, der KDT- und der Werkleitung bestätigtes Dokument — enthält Verpflichtungen zur Übernahme zusätzlicher Aufgaben im Bereich Forschung und Entwicklung, zur vorfristigen Einführung neuer Techniken, zur konkreten Förderung und eigenen Teilnahme an der betrieblichen Neuererbewegung, zur eigenen Weiterbildung und zur Unterstützung der Qualifizierung anderer Werktätiger, zur Beteiligung an der Gesellschaftlichen Tätigkeit und zur sozialistischen Erziehung des eigenen Arbeitskollektivs. Etwa 60 v. H. der KDT-Mitglieder, die in BS erfaßt sind, haben bisher derartige persönlich „abrechenbare“ Beiträge im Wettbewerb übernommen. Die Einzelverpflichtungen werden in den Arbeitsplan der KDT im Betrieb aufgenommen und sind [S. 578]ihrerseits Gegenstand eines Leistungsvergleichs der BS auf Bezirksebene. Die abrechenbaren Leistungen werden als „Arbeitsergebnisse“ (einschl. der bereits an anderer Stelle erfaßten Zahlen aus der Neuererbewegung) nach Anzahl und Beteiligten ausgewiesen (1976: 94.663 mit 463.599 Beteiligten). Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich der KDT ist Aufbau, Organisation und Unterhaltung eines umfassenden, ständig an die Plan- und Technikentwicklung anzupassenden, umfassenden Weiterbildungssystems für die technische Intelligenz. 3 Aufgabenstellungen sollen dabei mit unterschiedlichen Methoden gelöst werden: 1. Weiterbildung mit vorwiegend praxisorientiertem, informativem Charakter (Vorträge, Vortragsreihen, Erfahrungsaustausch, Seminare usw.); 2. wissenschaftliche Veranstaltungen über Grundsatzprobleme (Kongresse, Fachtagungen, Symposien usw.); 3. Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Charakter eines kurzfristigen Spezialstudiums (Lehrgänge, Fernkurse, standardisiertes Selbststudium mit Konsultationen). Die Mitglieder der KDT sind darüber hinaus mit Unterstützung ihrer Organisation zu einem nicht unerheblichen Teil an den Qualifizierungsvorhaben der Betriebe in den Betriebsakademien beteiligt. KDT und Urania arbeiten auf dem Gebiet der Weiterbildung eng zusammen. Im Jahr 1977 verfügte die KDT über rd. 3.000 BS mit rd. 202.000 Mitgliedern (davon rd. 190.000 in VEB). Die Gesamtmitgliederzahl betrug 229.705 (davon 25.508 weibl.); von diesen hatten rd. 52.000 (davon ca. 4.600 weibl.) einen Hochschulabschluß, rd. 129.000 (davon rd. 13.400 weibl.) einen Fachschulabschluß. Bei den in der Industrie tätigen Angehörigen der technischen Intelligenz soll der Organisationsgrad 55 v. H. betragen; rd. 80 v. H. der Mitglieder der KDT arbeiten im produktionsvorbereitenden Bereich; rd. 30.000 Mitglieder üben ehren- bzw. hauptamtliche Funktionen innerhalb der KDT aus. 1977 fanden rd. 68.100 Weiterbildungsveranstaltungen mit ca. 1,2 Mill. Teilnehmern statt. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 576–578 Kaliindustrie A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Kammer für Außenhandel (KfA)

Siehe auch: Kammer der Technik: 1963 1965 1966 1969 Kammer der Technik (KdT): 1975 1985 Technik, Kammer der: 1953 1954 1965 1966 1969 1975 Technik, Kammer der (KdT): 1956 1958 1959 1960 1962 1963 Gesellschaftliche Organisation der Ingenieure. Techniker und Ökonomen in der DDR. mit deren Hilfe diese Gruppen der Intelligenz in die politische, soziale und ökonomische Entwicklung einbezogen und ihr Fach- und Sachverstand für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt…

DDR A-Z 1979

Straßenverkehrsrecht (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Die wichtigsten rechtlichen Regelungen über den Straßenverkehr enthält die am 1. 1. 1978 in Kraft getretene VO über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung — StVO) vom 26. 5. 1977 (GBl. I, Nr. 257), mit der die VO über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrsordnung — StVO) vom 30. 1. 1964 (GBl. I, S. 357 i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung der StVO vom 20. 5. 1971 (GBl. II, S. 418) außer Kraft gesetzt worden ist. Ferner gelten die VO über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Zulassungsordnung — StVZO) vom 31. 1. 1964 (GBl. II, S. 313) i. d. F. der Anpassungs-VO vom 13. 6. 1968 (GBl. II, S. 363; Ber. S. 827) und die Änderungs-VO zur StVZO vom 20. 5. 1971 (GBl. II, S. 416); VO über die öffentlichen Straßen — Straßenverordnung vom 22. 8. 1974 (GBl. I, S. 515). In der DDR und Berlin (Ost) gelten im wesentlichen die gleichen Verkehrsregeln und Verkehrszeichen wie in der Bundesrepublik Deutschland. Mit der neuen StVO soll eine weitere Anpassung an international übliche Verkehrsvorschriften erreicht werden. Gegenüber der alten StVO sind einige Neuerungen zu beachten; soweit sich die Regelungen von denen in der Bundesrepublik Deutschland unterscheiden, bestimmen sie folgendes: 1. Die Leiter der staatlichen und wirtschaftlichen Organe werden zur Verkehrserziehung in ihrem Verantwortungsbereich verpflichtet. 2. Neben Vorsicht und Rücksichtnahme werden die Verkehrsteilnehmer zu „Verantwortungsbewußtsein, Disziplin und Aufmerksamkeit“ verpflichtet (§ 1). Erwähnt werden ausdrücklich Kinder sowie hilfsbedürftige und ältere Personen, denen mit besonderer Rücksicht zu begegnen ist. 3. Für Linksabbieger ist ein neues Räumungssignal eingeführt worden, das zum sofortigen Freimachen der Kreuzung bzw. Einmündung verpflichtet. 4. Im Gegensatz zur Bundesrepublik besteht — wie schon nach der alten StVO — in der DDR und Berlin (Ost) ein absolutes Alkoholverbot (0,0 ‰) 5. Das Tragen von Schutzhelmen ist für Motorradfahrer nicht nur außerhalb (wie bisher schon), sondern auch innerhalb geschlossener Ortschaften zwingend vorgeschrieben. [S. 1074]6. Für alle Fahrzeuge, soweit sie in der DDR erstmals zugelassen wurden, ist — allerdings erst ab 1. 1. 1980 — die Installation von Sicherheitsgurten erforderlich. 7. Die Vorfahrtberechtigung des Kreisverkehrs ist nunmehr entfallen. Straßenbahnen haben jedoch wie bisher in jedem Fall die Vorfahrt. 8. Linksabbieger dürfen künftig, falls Fahrbahnmarkierungen nichts anderes vorschreiben, voreinander („amerikanisch“) abbiegen. 9. Beim Wechsel der Fahrspur ist das Hineinfahren in den Sicherheitsabstand zwischen zwei Fahrzeugen verboten worden, um das „Kolonnenspringen“ zu unterbinden. 10. An Bahnübergängen ist die Höchstgeschwindigkeit ab 80 m vor dem Übergang auf 50 km pro Stunde (bisher 30 km pro Std.) heraufgesetzt worden. 11. Die Beleuchtungseinrichtungen des Fahrzeuges sind einzuschalten, wenn die Sichtverhältnisse das Erkennen von Personen oder Gegenständen in 300 m Entfernung nicht mehr möglich machen. 12. Das Halte- bzw. Parkverbot an Einmündungen ist von 15 m auf 10 m verkürzt worden. 13. Für das Abschleppen von Fahrzeugen gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km pro Stunde, auf Autobahnen 70 km/h. 14. Kinder bis zu 7 Jahren dürfen nicht auf den Vordersitzen des Kfz sitzen. Ferner gelten wie bisher die folgenden Bestimmungen, die sich von Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland unterscheiden: 1. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt für Pkw und Motorräder auf Autobahnen 100, auf sonstigen Straßen 90 und in geschlossenen Ortschaften für alle Kfz 50 km/h. 2. Das in der Bundesrepublik geltende Verkehrszeichen für eingeschränktes Halteverbot bedeutet in der DDR und Berlin (Ost) absolutes Halteverbot. 3. Einordnungstafeln (weiße Pfeile auf blauem Grund) sind keine Hinweis-, sondern Gebotszeichen. 4. Eine Kreuzung bzw. eine freigegebene Fahrtrichtung darf auch dann noch befahren werden, wenn zum grünen Ampellicht ein gelbes dazugeschaltet wird. Plötzliches Anhalten in dieser Ampelphase kann mit einer Ordnungsstrafe geahndet werden. 5. Gelbrot gestreifte Warnflaggen am Straßenrand signalisieren plötzlich auftretende Rutschgefahr. Vorsichtiges Weiterfahren bei geminderter Fahrgeschwindigkeit ist gestattet. 6. Nähern sich Fahrzeuge mit Sondersignalen (Blaulicht. Martinshorn, Sirenen, gelbe Rundleuchten usw.), ist grundsätzlich rechts heranzufahren und anzuhalten. 7. Fahrzeugkolonnen, insbesondere Vollkettenfahrzeuge, dürfen nicht überholt werden, auch Einreihen in derartige Kolonnen ist verboten. 8. Die Aufnahme oder Mitnahme von Personen auf den Transitstrecken durch die DDR und nach Berlin (West) ist nach dem Transitabkommen strikt verboten. Geringfügige Ordnungswidrigkeiten können von der Deutschen Volkspolizei mit einem Ordnungsgeld von 1 bis 10 Mark geahndet werden. Schuldhafte Übertretungen der StVO haben Ordnungsstrafen von 10 bis 150 Mark, bei Personen- oder Sachschäden bis 300 Mark zur Folge. Fahren unter Alkoholeinfluß kann mit einer Ordnungsstrafe bis zu 1.000 Mark belegt werden. Für DDR-Bürger ist damit immer auch der Führerscheinentzug verbunden. Bürger der Bundesrepublik Deutschland haben stets in westlicher Währung zu zahlen; sie müssen z. B. auch bei geringfügigen Geschwindigkeitsübertretungen mit empfindlichen Strafen rechnen. Haben sie fahrlässig DDR-Bürger verletzt, werden in der Regel von DDR- Gerichten Freiheits- bzw. hohe Geldstrafen verhängt. Schadensersatzansprüche westdeutscher Reisender gegenüber Bürgern der DDR werden vom Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kraftverkehrsversicherer e. V., 2.000 Hamburg 1. Glockengießerwall 1, abgewickelt. Am 31. 12. 1977 waren in der DDR rd. 2,237 Mill. Pkw und etwa 1,322 Mill. Motorräder zugelassen; bei rd. 59.500 Straßenverkehrsunfällen (1977), die zu Personenschäden bzw. zu Sachschäden über 300 Mark führten. sind 2.419 Personen getötet und mehr als 50.000 verletzt worden. Als Ursachen werden genannt: Mißachten der Vorfahrt bzw. der Signalregelungen, Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit, Fehler beim Überholen, Fahren unter Alkoholeinfluß, Fehler von Fußgängern und Radfahrern. Da es in der DDR (bis Ende 1977) keine Einrichtungen zur regelmäßigen obligatorischen technischen Überprüfung der Kfz gibt (vergleichbar den TÜV in der Bundesrepublik), dürfte ein erheblicher Teil der Verkehrsunfälle auch auf den mangelhaften bzw. häufig technisch veralteten Zustand der Fahrzeuge zurückzuführen sein. Gegenwärtig wird in der DDR an einer zusammenfassenden neuen Regelung des gesamten Verkehrsrechts im Zuge der Schaffung eines „sozialistischen Verkehrsrechtes“ gearbeitet. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1073–1074 Straßenbenutzungsgebühren A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Streik

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Die wichtigsten rechtlichen Regelungen über den Straßenverkehr enthält die am 1. 1. 1978 in Kraft getretene VO über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung — StVO) vom 26. 5. 1977 (GBl. I, Nr. 257), mit der die VO über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrsordnung — StVO) vom 30. 1. 1964 (GBl. I, S. 357 i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung der StVO vom 20. 5. 1971 (GBl. II, S. 418) außer Kraft gesetzt worden ist. Ferner…

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Kassation (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Nach § 16 GVG können gerichtliche Entscheidungen durch K. aufgehoben werden. Aus den das Nähere regelnden Bestimmungen der Strafprozeßordnung (§§ 311 ff.) und des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 17. 4. 1963 (GBl. I, S. 65) geht deutlich hervor, daß es sich bei der K. um ein außerordentliches Rechtsmittel handelt, mit dem jede rechtskräftige gerichtliche Entscheidung binnen Jahresfrist nach Eintritt der Rechtskraft angefochten werden kann. Die K. kann erfolgen, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, im Strafausspruch gröblich unrichtig ist, der Gerechtigkeit gröblich widerspricht oder — dieser K.-Grund ist erst 1968 neu in die StPO aufgenommen worden — wenn die Begründung [S. 582]der Entscheidung unrichtig ist. In letzterem Fall würde ein bestehenbleibender Urteilstenor nachträglich im Wege der K. neue, diesen Tenor besser tragende Gründe erhalten. Zur Stellung von K.-Anträgen berechtigt sind der Präsident des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwalt; bei Entscheidungen von Kreisgerichten auch die Direktoren der Bezirksgerichte und die Bezirksstaatsanwälte. Über die K.-Anträge entscheiden die Senate des OG oder (K. gegen Entscheidungen der Kreisgerichte) das Präsidium des Bezirksgerichts. Entscheidungen der Senate des OG und der Präsidien der Bezirksgerichte können durch das Präsidium des OG erneut binnen Jahresfrist im K.-Wege aufgehoben oder abgeändert werden. In Strafsachen kann das Präsidium des OG eine K. zugunsten des Verurteilten ausnahmsweise auch dann zulassen, wenn mehr als ein Jahr seit Rechtskraft des Urteils vergangen ist. Nach Eingang des K.-Antrages kann das für die K. zuständige Gericht Haftbefehl erlassen (§ 306 StPO). In jedem Heft der amtlichen Zeitschrift „Neue Justiz“ sind K.-Urteile des OG abgedruckt. Mit diesen Entscheidungen soll nicht nur eine „richtigere“ Lösung im Einzelfall erreicht, sondern es soll die Rechtsprechung gelenkt werden. Die K. muß also auch als ein Instrument verstanden werden, mit dessen Hilfe das Oberste Gericht die ihm zukommende Leitung der Rechtsprechung vornimmt. Falsch wäre es, die K. „als eine Art zweites Rechtsmittel“ anzusehen (Neue Justiz, 1974, H. 15, S. 451). Gerichtsverfassung. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 581–582 Kasernierte Volkspolizei A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Kasse der gegenseitigen Hilfe (KdgH)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Nach § 16 GVG können gerichtliche Entscheidungen durch K. aufgehoben werden. Aus den das Nähere regelnden Bestimmungen der Strafprozeßordnung (§§ 311 ff.) und des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 17. 4. 1963 (GBl. I, S. 65) geht deutlich hervor, daß es sich bei der K. um ein außerordentliches Rechtsmittel handelt, mit dem jede rechtskräftige…

DDR A-Z 1979

Nettogewinnabführung (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Vom Nettogewinn (= Gewinn minus Produktionsfondsabgabe), den VEB, Kombinate oder VVB in einer Periode erwirtschaftet haben, müssen sie einen bestimmten Teil — meist über die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) — an den Staatshaushalt abführen. Diese N. (Steuern) ist eine der wichtigen Einnahmequellen des Staatshaushaltes. Im Gegensatz zum Zeitraum von 1963 bis 1967, als nur der nach Abzug der planmäßigen Gewinn-Verwendung durch VEB und VVB verbleibende Gewinn als Nettogewinnabführung an den Staatshaushalt überwiesen wurde, mußten die VVB-Zentralen und Betriebe ab 1968 normativ festgelegte N. an den Staat leisten. Diese bestanden in den für die einzelnen VVB und deren Betriebe stark differenzierten und in den Jahren 1969 und 1970 gleichbleibenden Prozentanteilen des Nettogewinns - bei Berücksichtigung jährlicher Mindestbeträge. Ab 1971 sollten neue, für 5 Jahre geltende Abführungssätze gebildet werden, ohne daß es jedoch wegen der Rezentralisierungsmaßnahmen von Ende 1970 dazu kam. Mit dieser Differenzierung der Sätze der N. versuchte der Staat eine Steuerung der Entwicklung der Industriezweige in Richtung auf von ihm aufgestellte Strukturziele zu erreichen. Dabei sollte die Höhe des Gewinns Leistungsmaßstab sein und die Höhe der N. dort starke Minderungen des Aktionsradius der dezentralen Produktionseinheiten bewirken, wo deren Entwicklungsrichtungen nicht der staatlich angestrebten Struktur entsprachen. Für den Betrieb war in der NÖS-Periode entscheidend, daß von dem um die N. verminderten Nettogewinn nach der planmäßigen Tilgung und Finanzierung von Krediten sowie der Bildung seiner Fonds noch ein möglichst großer Restgewinn verblieb, mit dem er — bei Ausnahme einiger staatlich festgelegter Projekte — seine Investitionstätigkeit weitgehend frei bestimmen konnte. Je größer (kleiner) die N. war, desto geringer (höher) wurde dieser Restgewinn und damit der betriebliche Aktionsspielraum. Die N. ist grundsätzlich im Gewinnverwendungsfonds der VVB-Zentrale erfaßt worden. Daraus flossen dann bestimmte Gewinnanteile an den Staatshaushalt. Mit dem bei der VVB-Zentrale verbleibenden Teil sind Gewinnumverteilungen innerhalb der, VVB zur Förderung wichtiger Strukturziele durchgeführt worden: Einerseits wurden solchen Betrieben des VVB-Verbandes Mittel gewährt, deren Gewinnerzielung zur planmäßigen Finanzierung der Betriebsausgaben nicht ausreichte; andererseits finanzierte die VVB-Leitung in eigener Regie durchgeführte Investitionsprogramme sowie sonstige Konzernaufgaben, soweit sie nicht durch Mittel aus der VVB-Umlage bezahlt wurden. Ab 1971 wurden mit der Rezentralisierung sowohl die Investitionsentscheidungen wieder in die Hand staatlicher Instanzen gelegt, als auch der zu erwirtschaftende Nettogewinn zur staatlichen Plankennziffer erhoben. Damit konnte die Gewinnabführung auf die Vorgabe absoluter, branchenweise unterschiedlicher N.-Beträge geändert werden, die 1971 auch bei Nichterreichen des Plangewinns voll zu zahlen waren. Da die Betriebe bei Unterschreitung des Soll-Gewinns erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten gegenüberstanden, wurde 1972 eine Erleichterung beider N. gewährt: 30 v. H. der Unterschreitung des Plangewinns durften gekürzt werden. Seit 1973 traten noch weitere Lockerungen ein: Sowohl die N. als auch die Plankennziffer für den Nettogewinn dürfen bei der Planausarbeitung als Berechnungskennziffer behandelt werden, die sich indirekt aus anderen verbindlichen Plankennziffern ergibt. Bei Unterschreiten des Soll-Gewinns dürfen nunmehr 50 v. H. der Gewinnunterschreitung von der N. gekürzt werden. Bleibt der Ist-Gewinn allerdings noch unter diesem verminderten Gewinnabführungssoll, so ist er voll abzuführen und die Differenz als Finanzschuld im darauf folgenden Jahr zu tilgen und bis dahin mit 5 v. H. zu verzinsen. Bei Übererfüllung des Soll-Gewinns müssen die Betriebe und Kombinate einen einheitlichen Abführungssatz von 50 v. H. des Mehrgewinns zahlen. Der VVB kommt nach wie vor die Funktion zu, aus ihrem — aus betrieblichen N.-Beträgen gespeisten — Gewinnfonds, neben der Abführung an den Staatshaushalt, Gewinnumverteilungen innerhalb der VVB durchzuführen und über den Reservefonds bestimmte Rationalisierungsmaßnahmen durchzusetzen. Dasselbe gilt auch für die Kombinatsspitze und deren Gewinnfonds irrt Verhältnis zu den ihr unterstehenden Kombinatsbetrieben. Der Charakter der N. hat sich seit der Rezentralisierung gewandelt. Denn nunmehr ist die Erfüllung der geplanten mengenmäßigen und wertmäßigen Produktionsziele stark mit der finanziellen Planung verknüpft: Bei Nichterreichen der Produktionsziele treten wegen der Unterschreitung des Soll-Gewinns deutliche Schwierigkeiten in der Finanzierung der betrieblichen Aufgaben ein, die zwar durch die dann vorgesehenen Minderungen der N. abgeschwächt wurden, aber dennoch immer weiter bestehen. Als strukturpolitisches Instrument ist die N. zwar noch immer wirksam, ihre Bedeutung ist aber ge[S. 763]schwächt, denn die Strukturpolitik vollzieht sich nunmehr wieder durch reale Planvorgaben. Die N. soll allerdings die staatlichen Strukturziele auf der Seite der finanziellen Planung unterstützen - eine Zielsetzung, die wiederum nicht unterschätzt werden sollte. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 762–763 Neokolonialismus A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Netzplantechnik

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Vom Nettogewinn (= Gewinn minus Produktionsfondsabgabe), den VEB, Kombinate oder VVB in einer Periode erwirtschaftet haben, müssen sie einen bestimmten Teil — meist über die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) — an den Staatshaushalt abführen. Diese N. (Steuern) ist eine der wichtigen Einnahmequellen des Staatshaushaltes. Im Gegensatz zum Zeitraum von 1963 bis 1967, als nur der nach Abzug der planmäßigen Gewinn-Verwendung durch VEB und VVB…

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Staatsrat (1979)

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Der St. der DDR ist ein Organ der Volkskammer und nimmt Aufgaben wahr, die ihm durch die Verfassung der DDR sowie durch Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer übertragen sind. Für seine Tätigkeit ist er der Volkskammer verantwortlich. Die Verfassung der DDR von 1968 in der Fassung vom 7. 10. 1974 nennt als Aufgaben u. a.: die völkerrechtliche Vertretung der DDR und das Recht der Ratifizierung und Kündigung von Staatsverträgen und anderen ratifizierungsbedürftigen völkerrechtlichen Verträgen; die Unterstützung der örtlichen Volksvertretungen und [S. 1039]die Förderung ihrer Aktivität bei der Gestaltung der Gesellschaft sowie die Einflußnahme auf die Wahrung und Festigung der Gesetzlichkeit in der Tätigkeit dieser Gremien. Damit waren die Anleitung und Kontrolle der Beschlußfassung der örtlichen Volksvertretungen gemäß den bestehenden Bestimmungen (Volkswirtschafts- und Staatshaushaltspläne sowie andere Gesetze und Rechtsvorschriften) gemeint; die Ausschreibung der Wahlen zu den Volksvertretungen aller Ebenen; die Verabschiedung grundsätzlicher Beschlüsse zur Landesverteidigung und deren Organisation mit Hilfe des Nationalen Verteidigungsrates: die ständige Aufsicht über die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzlichkeit in der Tätigkeit des Obersten Gerichts sowie des Generalstaatsanwalts sowie die Ausübung des Amnestie und Begnadigungsrechtes. Die Arbeit des St. wird vom Vorsitzenden, im Falle seiner Verhinderung von einem beauftragten Stellvertreter geleitet. Der Vorsitzende ernennt die diplomatischen Vertreter der DDR bzw. beruft sie ab und nimmt Beglaubigungs- und Abberufungsschreiben ausländischer diplomatischer Vertreter entgegen. Er verleiht die vom St. gestifteten Orden, Auszeichnungen und Ehrentitel. Der St. wurde im September 1960 unmittelbar nach dem Tode des damaligen Präsidenten der DDR. W. Pieck, mit der Absicht gegründet, eine bessere Anleitung der Tätigkeit des Staatsapparates gemäß den Beschlüssen der SED zu ermöglichen. Er entwickelte sich zwischen 1963 und 1969/70 zur wichtigsten zentralen politischen Instanz im staatlichen System der DDR und bestimmte maßgeblich die staatliche Entscheidungstätigkeit durch Ausübung der Regierungsfunktion. Die Verfassung von 1968 bestätigte die überragende Stellung des St. Das gründete in der Person seines Vorsitzenden W. Ulbricht, der gleichzeitig Erster Sekretär und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates und damit auch Oberbefehlshaber der bewaffneten Kräfte war, soweit sie nicht unmittelbar dem Kommando der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages unterstehen, sowie in der partiellen Verlagerung von Kompetenzen der Parteiführung auf den St. Die Rechte des St., u. a. das Recht der Wahrnehmung aller grundsätzlichen Aufgaben, die sich aus den Gesetzen und Beschlüssen der Volkskammer ergaben und die er zwischen ihren Tagungen zu vertreten hatte, die Möglichkeit der Steuerung der zentralen Entscheidungsprozesse durch sein Recht, über die Annahme und Weiterleitung von Gesetzesvorlagen an die Volkskammer zu entscheiden, die Verfassungsmäßigkeit von Vorlagen zu prüfen bzw. über Auslegungen bestehender Vorschriften zu entscheiden sowie durch Erlasse und Beschlüsse die Tätigkeit aller staatlichen Organe verbindlich zu bestimmen, sind nach der Ablösung Ulbrichts im Mai 1971 durch das Gesetz über den Ministerrat vom Oktober 1972, die Verfassungsänderung vom 7. 10. 1974 und die neue Geschäftsordnung der Volkskammer dem St. entzogen bzw. beträchtlich beschnitten worden. Gleichzeitig wurde die Funktion des St. als Kollektivorgan wieder stärker betont und die Bedeutung seines Vorsitzenden abgeschwächt. Die Übernahme dieses Amtes durch den gegenwärtigen Generalsekretär der SED, Erich Honecker, im Herbst 1976 entsprach dem sowjetischen Vorbild; ein Machtzuwachs für den St. war damit bisher nicht verbunden. Allerdings kann nun Erich Honecker auch formell als Staatsoberhaupt amtieren. Ferner ist die Anzahl der Mitglieder des St., die gleichzeitig Sekretäre des ZK der SED sind, seit der letzten Wahl (1976) gegenüber den vorangegangenen Wahlperioden gestiegen. Zusammensetzung und Stärke des St. sind gesetzlich nicht festgeschrieben. Der Vorsitzende, der von der stärksten Fraktion der Volkskammer zur Wahl vorgeschlagen wird, sowie seine Stellvertreter und die übrigen Mitglieder werden von der Volkskammer auf die Dauer von 5 Jahren gewählt und nehmen ihre Tätigkeit bis zur Wahl eines neuen St. wahr. Gegenwärtig (1978) ist Erich Honecker Vorsitzender des St.; Stellvertretende Vorsitzende sind die Mitglieder des Politbüros des ZK der SED Friedrich Ebert, Horst Sindermann und Willi Stoph sowie die Vorsitzenden der nicht-sozialistischen Parteien: Manfred Gerlach (LDPD), Ernst Goldenbaum (DBD), Gerald Götting (CDU), Heinrich Homann (NDPD). Mitglieder sind ferner: Kurt Anclam (LDPD), Erich Correns (parteilos). Willi Grandetzka (DBD), Kurt Hager (SED), Brunhilde Hanke (SED), Lieselott Herforth (SED), Friedrich Kind (CDU), Margarete Müller (SED), Albert Norden (SED), Bernhard Quandt (SED), Klaus Sorgenicht (SED). Paul Strauß (SED), Ilse Thiele (SED), Harry Tisch (SED), Paul Verner (SED), Rosel Walther (NDPD); Sekretär: Heinz Eichler (SED). Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1038–1039 Staatsplanvorhaben A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Staatsrecht

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Der St. der DDR ist ein Organ der Volkskammer und nimmt Aufgaben wahr, die ihm durch die Verfassung der DDR sowie durch Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer übertragen sind. Für seine Tätigkeit ist er der Volkskammer verantwortlich. Die Verfassung der DDR von 1968 in der Fassung vom 7. 10. 1974 nennt als Aufgaben u. a.: die völkerrechtliche Vertretung der DDR und das Recht der Ratifizierung und Kündigung von…

DDR A-Z 1979

Automatisierung (1979)

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bezeichnung für einen Prozeß, in dessen Verlauf menschliche Arbeit sowohl in ihrer arbeitsausführenden wie in ihrer arbeitskontrollierenden Funktion durch sich selbst regelnde und steuernde Maschinen und Maschinensysteme ersetzt wird. Darüber hinaus bedeutet A. die Modifikation menschlicher Arbeit und ihre Erweiterung um neue Tätigkeitsfelder, da sich durch A.-Maßnahmen neue Tätigkeitsprofile und Organisationsstrukturen herausbilden. Die A. wird als die höchste Stufe im Prozeß der Technisierung, des Einsatzes von technischen Hilfsmitteln zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität, verstanden. Die Vorstufen bilden die Mechanisierung und das Handwerk. Durch die Mechanisierung wird menschliche Arbeit in ihrer körperlich-ausführenden Funktion durch maschinelle Werkzeuge und Maschinen ersetzt. Je nach der Art der eingesetzten technischen Hilfsmittel (Arbeitsmittel) und dem Umfang des Fertigungsablaufs (einzelner Arbeitsplatz, Teil- oder Gesamtablauf) wird die Mechanisierung untergliedert in Kleinmechanisierung, Teil- und Vollmechanisierung. Ähnlich wird bei der A. der Einsatz von selbsttätigen Maschinen für Teilprozesse (Teil-A.) unterschieden vom Einsatz für Gesamtprozesse (Voll-A.). Der Begriff Voll-A. wird auch in dem Sinne verwendet, daß adaptive Automaten nicht nur die Steuerung des Arbeitsablaufs, sondern auch die begrenzt selbsttätige Auswahl des Arbeitsweges (Steuerung der Steuerung) übernehmen. Das wichtigste soziale und wirtschaftliche Problem liegt in der durch A. hervorgerufenen Freisetzung von Arbeitskräften. Bei dem anhaltenden Arbeitskräftemangel in der DDR führen Freisetzungen jedoch nicht zu längerfristiger Arbeitslosigkeit. Gegenstand der A. sind ausschließlich formalisierbare, materielle und geistige Tätigkeiten des Menschen. Automatisiert werden bei dem gegebenen Stand der Automatenentwicklung in der DDR in erster Linie Bearbeitungs- und Transportprozesse in der chemischen Industrie, der Textilindustrie, in Zweigen der Maschinenbauindustrie, in der elektrotechnischen und elektronischen Industrie sowie der Energie- und Brennstoffindustrie. Daneben werden aber auch geistige Tätigkeiten, z. B. bei Konstruktionsarbeiten und in der Leitungs- und Verwaltungstätigkeit (durch Datenverarbeitungsanlagen) automatisiert. Die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik hat damit begonnen, die bereits bestehende zentrale Datenbank in Berlin (Ost) durch Bezirksdatenbänke zu ergänzen. Die [S. 128]erste Bezirksdatenbank, mit der zugleich die Umstellung auf das in den RGW-Mitgliedsstaaten angewandte „einheitliche System der elektronischen Rechentechnik“ (ESER) eingeleitet wird, befindet sich in Erprobung (Dresden). Zu den Voraussetzungen der A. zählt in wissenschaftlicher Hinsicht die Anwendung der Kybernetik. Praktische Voraussetzungen der A. von Produktionsabläufen mittels Automaten mit relativ starrem Programm sind: a) der Produktionsablauf muß als fließender, kontinuierlicher Gesamtprozeß konzipiert sein, b) größere Stückzahlen über einen längeren Fertigungszeitraum, c) die Konstruktionen der Erzeugnisse und Technologien müssen über einen längeren Zeitraum relativ konstant bleiben, d) geringe Qualitätsschwankungen der Zulieferungen und Roh- und Betriebsstoffe und e) fachlich geschulte Arbeitskräfte. Mit dem vorgesehenen Übergang zu adaptiven — algorithmisiert lernenden — Automaten wandeln sich diese Voraussetzungen. Publizistisch ist der A. von Produktionsabläufen bereits in den 50er Jahren viel Aufmerksamkeit gewidmet worden. Seit Mitte der 60er Jahre hat sich die A.-Diskussion besonders der automatisierten Informationsverarbeitung zugewandt, von der man anfangs und im Unterschied zur Gegenwart schnell praktikable Lösungen für Leitungs- und Verwaltungstätigkeiten — etwa durch vollautomatische Leitungssysteme, vollautomatische Sprachübersetzung — erwartete. Das Ausmaß der A. in der Industrie wurde in den letzten 20 Jahren gesteigert, ist jedoch im Vergleich zu anderen Industrieländern nicht sehr hoch. Die A. wird in der DDR statistisch gemessen am Anteil der teil- und vollautomatisierten Ausrüstungen am Gesamtbestand in der volkseigenen Industrie (A.-Grad) und am Anteil der an teil- und vollautomatisierten Aggregaten, Maschinen und Anlagen Beschäftigten zur Gesamtzahl der Beschäftigten (A.-Koeffizient). Beide Angaben geben keinerlei Auskunft über die durch A. erzielte Produktivitätssteigerung und die aufgewandten Kosten. Neben sprunghaften Effizienzsteigerungen durch A. gibt es jedoch auch Effizienzverluste. Sie treten vor allem bei sehr hohen Aufwendungen und/oder bei A. auf, die nur Teilphasen von Produktions- und Leitungsprozessen erfassen. Teil- und Voll.-A. werden statistisch nicht unterschieden. Bei der Teil.-A. bestehen einzelne automatisierte Ausrüstungen unverkettet neben herkömmlichen Maschinen. Der A.-Koeffizient der Arbeit beträgt gegenwärtig in der zentralgeleiteten Industrie der DDR rd. 10 v. H. Der A.-Grad der maschinellen Ausrüstungen in den zentralgeleiteten Industriebetrieben wird für 1976 mit 43,2 v. H. angegeben (1972: 38,2 v. H., 1974: 40,5 v. H.). Er betrug 1961 für alle Branchen der metallverarbeitenden Industrie rd. 14 v. H. und für die Leichtindustrie rd. 24 v. H. (Schätzungen). Zu diesem Zeitpunkt gab es in den sozialistischen und halbstaatlichen Industriebetrieben rd. 32.000 automatisierte Maschinen und rd. 23.000 Einzelautomaten (sie übernehmen neben der Fertigungssteuerung auch das selbsttätige An- und Ausschalten sowie das Zuführen und Auswerfen der Arbeitsgegenstände). Die A. erfolgt vor allem über neu investierte Ausrüstungen. So waren 51 v. H. der von 1971 bis 1973 in der Industrie installierten Maschinen automatisiert, gegenüber 39 v. H. im Zeitraum von 1966 bis 1970. Die Mehrzahl der eingesetzten automatisierten Maschinen werden numerisch gesteuert (z. B. numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen). Sie sind für die in der Industrie der DDR verbreiteten kleinen und mittleren Serien besonders geeignet. Am weitesten fortgeschritten ist die A. in Zweigen mit kontinuierlicher Fertigung: z. B. in der chemischen Industrie, in der Zementerzeugung und in der Energie- und Brennstoffindustrie. Der A.-Grad ist in der Grundstoffindustrie am höchsten. Eine Reihe von Problemen entsteht durch die Konzentration der A. auf die Hauptprozesse der Fertigung und die Ungleichmäßigkeit, mit der die A. innerhalb von Betrieben wie auch zwischen Betrieben und Industriezweigen durchgeführt wird. Kennzeichnend für die Fortentwicklung der A. ist die Tendenz, den Fertigungsablauf mit Hilfsprozessen (z. B. innerbetrieblicher Transport, Qualitätskontrolle) und formalisierbaren Leitungselementen unter Einsatz der Elektronischen ➝Datenverarbeitung zu integrieren. Zu diesem Zweck sind Konzepte für sog. „Integrierte Systeme automatisierter Informationsverarbeitung“ (IS AIV) entwickelt worden, die die Informationen aus den Bereichen der Fertigung, des Absatzes, der Arbeitskräfteplanung, der Finanzen und der Produktionsvorbereitung einer abgegrenzten Leitungseinheit sammeln, speichern, aufbereiten und auswerten sollen. Intensiver untersucht wurden bisher die Anwendungsmöglichkeiten der A. in der Produktionsvorbereitung. An einem System zur A. der technischen Vorbereitung der Produktion (AUTEVO) wird noch gearbeitet. Die Routinetätigkeiten der technischen Vorbereitung sollen durch den Einsatz von EDV-Anlagen automatisiert werden. AUTEVO umfaßt folgende Teilsysteme: a) AUTOKONT-A. der konstruktiven Produktionsvorbereitung, b) AUTOPROJEKT-A. der technologischen Projektierung, c) AUTOTECH-A. der technologischen Produktionsvorbereitung. Arbeitsproduktivität; Intensivierung und Rationalisierung; Technologie. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 127–128 Autobahnen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Bäder

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bezeichnung für einen Prozeß, in dessen Verlauf menschliche Arbeit sowohl in ihrer arbeitsausführenden wie in ihrer arbeitskontrollierenden Funktion durch sich selbst regelnde und steuernde Maschinen und Maschinensysteme ersetzt wird. Darüber hinaus bedeutet A. die Modifikation menschlicher Arbeit und ihre Erweiterung um neue Tätigkeitsfelder, da sich durch A.-Maßnahmen neue Tätigkeitsprofile und…

DDR A-Z 1979

Elternhaus und Schule (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Nach der Verfassung und dem Bildungsgesetz ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Eltern, „ihre Kinder zu sozialistischen Persönlichkeiten und staatstreuen Bürgern zu erziehen“ und dabei mit den gesellschaftlichen und staatlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen zusammenzuwirken. Wenn auch die (gesellschaftliche) Bildung und Erziehung stets als das gemeinsame Anliegen aller Erziehungsträger und die Schule als das Zentrum aller pädagogischen Bemühungen angesehen werden, so wird doch auch der Erziehung der Kinder und Jugendlichen durch die Eltern bzw. in der Familie große Bedeutung beigemessen. Um die erzieherischen Potenzen der Fa[S. 326]milie für die gesellschaftliche Erziehung der Kinder voll zu nutzen, werden die Eltern angehalten und zum Teil auch verpflichtet, eine feste Ordnung in der Familie zu schaffen, die bestimmte Gewohnheiten herausbildet, eine sinnvolle gegenseitige Ergänzung von häuslicher Erziehung und erzieherischer Einwirkung durch die gesellschaftlichen Bildungseinrichtungen anzustreben, ständig an schulischen Fragen interessiert zu sein sowie an Elternversammlungen teilzunehmen und damit engen Kontakt zur Schule zu halten. Andererseits ist aber auch die Schule ― das gilt auch für den Kindergarten, den Hort und die Einrichtungen der Berufsausbildung Jugendlicher ― verpflichtet, eng mit dem Elternhaus zusammenzuarbeiten und dabei nicht nur den Wünschen der Eltern nach Erziehungshilfen zu entsprechen, sondern im Sinne der Bildungs- und Erziehungsziele ― auch über die Betriebe, in denen die Eltern tätig sind, z. B. im Rahmen der Bewegung „Kollege, wie erziehst du dein Kind?“ ― nachdrücklich einzuwirken. Die Familienerziehung, die also den gleichen Zielen und Grundsätzen wie die gesellschaftliche Erziehung verpflichtet ist, wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kollektiv- und Arbeitserziehung gesehen und zu beeinflussen getrachtet; sie wird aber auch insofern als besonders problematisch angesehen, als die Sozialisations- und Erziehungseinflüsse in der Familie im geringsten Maße gesellschaftlich steuerbar sind, weshalb auch die ganztägige erzieherische Beeinflussung in Ergänzung zur schulischen Bildung und Erziehung besonders forciert wird. Mitwirkung der Eltern bei der Gestaltung der schulischen Bildung und Erziehung und Einflußnahme der Schule auf die Familienerziehung stehen also in einem engen wechselseitigen Verhältnis. Als gewählte Elternvertretungen an den Schulen sollen die Elternbeiräte und die Klassenelternaktive Mitverantwortung für die Sicherung hoher Ergebnisse der schulischen Bildung und Erziehung übernehmen. Für Elternbeiräte der Schule beträgt die Wahlperiode zwei Jahre, für Klassenelternaktive ein Jahr. Darüber hinaus werden Schulelternversammlungen einmal jährlich und Klassenelternversammlungen etwa dreimal jährlich durchgeführt. Grundsätzlich sollen alle Veranstaltungen der Schule mit den Eltern immer auch der pädagogischen Propaganda dienen; darunter wird die Gesamtheit der Bildungsmaßnahmen verstanden, die darauf gerichtet sind, die Werktätigen, und insbesondere die Eltern, zu befähigen, ihrer speziellen erzieherischen Verantwortung in den verschiedenen Bereichen ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit gerecht zu werden. Durch vermehrtes pädagogisches Wissen der Eltern soll auch die Familienerziehung stärker pädagogisiert werden und die „Pädagogik der individuellen Erfahrung“ ablösen. Hauptformen der pädagogischen Propaganda sind einmal die von der Schule durchgeführten Elternseminare sowie die pädagogischen Seminare, die vor allem von der Urania (Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse) in Zusammenarbeit mit den Volksbildungsorganen, den gesellschaftlichen Organisationen und den kulturellen Einrichtungen durchgeführt werden. Durch die Behandlung der Grundfragen der sozialistischen Bildungspolitik, der politisch-ideologischen Erziehung im Elternhaus, der Erziehungs- und Lernschwierigkeiten, der Freizeitgestaltung der Kinder usw. sollen vor allem die Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern zur „sozialistischen Erziehung“ ihrer Kinder und zur Zusammenarbeit mit der Schule gefördert werden. Entscheidungen in Eheverfahren, in denen das elterliche Erziehungsrecht, das bisher beide Elternteile ausübten, nur einem Teil übertragen wird, haben wegen ihrer Häufigkeit und Folgen besondere Bedeutung erlangt. Außerdem ergeben sich weitreichende Auswirkungen für Eltern und Kinder auch aus Entscheidungen über den Entzug, die Rückübertragung und die Änderung des Erziehungsrechts sowie die Ersetzung der Einwilligung der Annahme an Kindes Statt. Mit der Entscheidung über das Erziehungsrecht haben die Gerichte in der DDR deshalb zu sichern, daß die weitere Erziehung und Entwicklung der Kinder unter den veränderten Bedingungen gewährleistet sind, und das Erziehungsrecht dem Elternteil zu übertragen, der nach den im Zeitpunkt der Ehescheidung gegebenen Voraussetzungen am besten geeignet ist, die sozialistischen Erziehungsziele zu verwirklichen. Den betreffenden Elternteilen sollen von der Schule und im Rahmen der pädagogischen Propaganda die nötigen Hilfen gegeben werden. Einheitliches sozialistisches Bildungssystem. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 325–326 Elternbeiräte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Elternseminare

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Nach der Verfassung und dem Bildungsgesetz ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Eltern, „ihre Kinder zu sozialistischen Persönlichkeiten und staatstreuen Bürgern zu erziehen“ und dabei mit den gesellschaftlichen und staatlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen zusammenzuwirken. Wenn auch die (gesellschaftliche) Bildung und Erziehung stets als das gemeinsame Anliegen aller Erziehungsträger und die Schule als das Zentrum aller…

DDR A-Z 1979

Aufbau des Sozialismus (1979)

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Entstand als ein politisch-programmatischer Begriff, der der SED ursprünglich zur Bezeichnung ihres Konzepts gesellschaftspolitischer Transformation diente und spielte eine Rolle in der historischen sowie ideologischen Diskussion über die Periodisierung der Geschichte und künftigen Entwicklung der SBZ/DDR. Auf der 2. Parteikonferenz der SED 1952 wurde der AdS. als die grundlegende Aufgabe verkündet. Er bedeutete auf wirtschaftlichem Gebiet die Ausdehnung des sozialistischen Sektors und auf politischem Gebiet die Durchsetzung des sowjetischen Modells der Volksdemokratie. Die vom V. Parteitag der SED (1958) in Angriff genommene „Vollendung des sozialistischen Aufbaus“ beinhaltete vor allem die durchgängige Kollektivierung der Landwirtschaft. Der VI. Parteitag der SED (1963) verband seine Feststellung über den „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ in Industrie und Landwirtschaft der DDR mit der Zielstellung, nunmehr den „umfassenden Aufbau des Sozialismus“ durchzuführen. Der Begriff „umfassender Aufbau des Sozialismus“ trat jedoch in den Hintergrund, als der VII. Parteitag der SED (1967) die „Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ als neue Leitkonzeption einführte, die wiederum vom VIII. Parteitag der SED (1971) verworfen wurde, der stattdessen die „Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ als Orientierungsrahmen ausgab. In dem Bemühen, trotz dieser begrifflichen Veränderungen die Kontinuität der Politik zu betonen, erklärte Kurt Hager 1971, die Begriffe „umfassender Aufbau des Sozialismus“, „Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ und „Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ würden im wesentlichen das gleiche besagen. Nach der 1974 gültigen Etappensicht setzte 1945 in der SBZ die „Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus“ ein, die 1961/62 nach dem „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ abgeschlossen worden sei. Seitdem befinde sich die DDR in der Etappe der „Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“, auf die nach dem Erreichen eines durch bestimmte Kriterien gekennzeichneten Entwicklungsstandes die Etappe der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ bzw. des „reifen Sozialismus“ folgen werden. Sofern der Begriff AdS. gelegentlich noch auftaucht, wird er als zusammenfassende Bezeichnung für die „Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus“ und die Etappe der „Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ verwendet. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 86 Atomwaffensperrvertrag A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Aufbaugesetz

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Entstand als ein politisch-programmatischer Begriff, der der SED ursprünglich zur Bezeichnung ihres Konzepts gesellschaftspolitischer Transformation diente und spielte eine Rolle in der historischen sowie ideologischen Diskussion über die Periodisierung der Geschichte und künftigen Entwicklung der SBZ/DDR. Auf der 2. Parteikonferenz der SED 1952 wurde der AdS. als die grundlegende Aufgabe verkündet. Er…

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Amt für Preise beim Ministerrat (1979)

Siehe auch das Jahr 1985 Das AfP. wurde auf Beschluß des Ministerrates im Dezember 1965 gebildet. Entsprechend der VO über das Statut dieser Institution (GBl. II, 1968, S. 17) ist es Organ des Ministerrates und für die Ausarbeitung der Grundsätze der Preispolitik, zur Leitung der Preisbildung, Preisbestätigung und Preisplanung sowie für die Sicherung der einheitlichen Arbeit aller mit der Preisplanung, -festsetzung und -kontrolle befaßten Instanzen zuständig. Das AfP. hat zu gewährleisten, daß die Beschlüsse des ZK der SED und des Ministerrates sowie die Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer in der Preispolitik durchgesetzt werden. Im einzelnen soll es bei der Preisgestaltung sowohl die wirtschaftspolitischen Ziele des Staates unterstützen als auch sicherstellen, daß die Preise zur Stärkung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, zur Verbesserung des Material- und Arbeitsmitteleinsatzes, zur Senkung der Kosten und zur verbesserten Qualität der Erzeugnisse beitragen. Zudem sollen alle Konsumgüterpreise grundsätzlich stabil bleiben. Zur Realisierung dieser Aufgaben führt das AfP. eine planmäßige Preisbildung und eine umfangreiche Preiskontrolle durch, daneben erarbeitet es laufende Analysen bezüglich der Wirksamkeit der Preise. Neben dem Erlaß der zentralen staatlichen Kalkulationsrichtlinie (GBl. II. 1972, S. 741 ff.), die bis Mitte 1976 galt und inzwischen leicht verändert wurde (GBl. I. 1976, S. 321 ff.), bestätigt es spezielle Kalkulationsrichtlinien und Kalkulationsnormative. Gemeinsam mit der Staatlichen Plankommission und dem Ministerium der Finanzen setzt es die Gewinnormative fest und bestätigt die kalkulationsfähigen Normative für Forschung und Entwicklung sowie die Gemeinkostennormative. Weiterhin bestätigt das AfP. die Preise für neu- und weiterentwickelte Erzeugnisse. Unterstützt wird das AfP. durch den Zentralen Preisbeirat, der auf dem Gebiet der Konsumgüterpreise Entscheidungen sachkundig vorbereitet. Bis 1965 lag die Planung und Überwachung der Preise in der Zuständigkeit der Regierungskommission für Preise, die ebenfalls Organ des Ministerrates war. Ihr Vorsitzender war der Minister der Finanzen. Mir der Bildung des AfP. wurde die Regierungskommission für Preise mit ihren Nebenstellen aufgelöst und deren Aufgaben auf das neugebildete AfP. übertragen, dessen Leiter im Rang eines Ministers gegenwärtig (seit 1965) Walter Halbritter ist. Seit der Rezentralisierung ist das AfP. in seiner Rolle als entscheidende Kontrollinstanz für alle Preisbildungsprozesse aufgewertet worden: Es muß nicht nur die staatliche Preispolitik durch entsprechende Grundsatz- und Detailregelungen durchsetzen, sondern auch ständig Preiskontrollen in Betrieben und Kombinaten durchführen. Dazu gehören auch die Verhängung von Ordnungsstrafen bei Preismanipulationen sowie die Erarbeitung einer jährlich dem Ministerrat vorzulegenden Analyse über die Entwicklung von Kosten, Gewinnen und Preisen. Durch seinen Einfluß auf die jeweils geltenden Gewinn[S. 43]normen und die Kostenkalkulation kommt dem AfP. eine entscheidende Rolle bei der Ausrichtung der monetären Planungsbeziehungen zu. Da aber gerade die gegenwärtig in der DDR praktizierte außerordentlich komplizierte Preisbildung eine Unmenge an Detailinformationen aller beteiligten Wirtschaftseinheiten erfordert. dürfte das AfP. trotz seiner umfangreichen Kompetenzen allein schon wegen der übermäßigen Verwaltungsarbeit nicht in der Lage sein, die Prinzipien der Preisfestsetzung auch konsequent durchzusetzen. Allenfalls in Teilbereichen mag die Ausbreitung und Verstärkung von Preisverzerrungen oder auch Kostensteigerungen gebremst werden. Von den seit Mitte 1976 wirksamen Preisbildungsverfahren. mit denen Preise für neue und weiterentwickelte Produkte nach dem sog. Preis-Leistungs-Verhältnis festgelegt werden, erhoffte sich das AfP. wesentliche Erleichterungen gegenüber der bisher äußerst zeitaufwendigen Kontrolle der Kosten. Man glaubte, eine schnellere Preisbestätigung als bisher zu erreichen, da das AfP. und ihm nachgeordnete Organe die neuen Preise leichter aufgrund des bereits anerkannten Aufwands je Leistungseinheit von Vergleichserzeugnissen bilden können. Es hat sich jedoch gezeigt, daß objektive Maßstäbe zur Messung der Gebrauchswertverbesserungen neuer Erzeugnisse häufig fehlen und die Betriebe versuchen, Verbesserungen überzubewerten, hingegen Nachteile ihrer Neuerungen verschweigen. Somit obliegt dem AfP. nunmehr die gegenüber den Problemen der Kostenkontrolle noch schwierigere Aufgabe, eine wirksame Kontrolle und Bewertung der Gebrauchseigenschaften neuer Güter vorzunehmen. Insgesamt zeigt sich, daß es dem AfP. gegenwärtig nicht möglich ist, die Preise zu einem echten Maßstab des volkswirtschaftlich notwendigen Aufwands — unter den gegebenen Bedingungen der DDR — entwickeln zu können. Preissystem und Preispolitik. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 42–43 Amt für Jugendfragen beim Ministerrat A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung

Siehe auch das Jahr 1985 Das AfP. wurde auf Beschluß des Ministerrates im Dezember 1965 gebildet. Entsprechend der VO über das Statut dieser Institution (GBl. II, 1968, S. 17) ist es Organ des Ministerrates und für die Ausarbeitung der Grundsätze der Preispolitik, zur Leitung der Preisbildung, Preisbestätigung und Preisplanung sowie für die Sicherung der einheitlichen Arbeit aller mit der Preisplanung, -festsetzung und -kontrolle befaßten Instanzen zuständig. Das AfP. hat zu…

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Exportpreis (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Als E. wird der für eine in das Ausland gelieferte Ware oder Leistung erzielte, vereinbarte oder erzielbare Preis angesehen. Der E. kann in Valuta oder — nach Umrechnung mittels des Valutakurses — in Valutagegenwerten ausgedrückt sein. Bis zur Einführung des im Rahmen der Reform des Außenwirtschaftssystems der DDR (Außenwirtschaft und Außenhandel) im Jahre 1971 für alle zentralgeleiteten exportierenden Betriebe durchgesetzten einheitlichen Betriebsergebnisses (erprobt 1968 in allen zentralgeleiteten Betrieben einzelner Industriezweige, angewandt 1969) war bei der Bildung des E. grundsätzlich vom Tatbestand der Trennung des Außen- und Binnenmarktes in preislich-finanzieller und in organisatorischer Hinsicht auszugehen. Die fehlende Verbindung zwischen dem für die Abrechnung des Exportbetriebes ursprünglich maßgeblichen Inlandspreis und dem E. wurde durch ein über den Staatshaushalt geführtes Preisausgleichskonto hergestellt (Subventionierung des Exportes). Durch die angestrebte „Konfrontation der Betriebe mit dem Weltmarkt“ sollte die Isolierung der Exportbetriebe von diesem aufgehoben und auf diesem Wege die bislang mangelnde Interessiertheit der Betriebe an Exportgeschäften überwunden werden. Einen ersten Versuch in dieser Richtung bildete die Einführung des sog. Normativ-Außenhandelsergebnisses (Export). Dieser Versuch scheiterte jedoch, da das Ergebnis ― wie im alten System ― auf dem durch planwirtschaftliche Eingriffe verzerrten inländischen Preisniveau beruhte. Im Jahr 1968 wurde das Normativ durch eine sich an den Auslandspreisen ― genauer den Weltmarktpreisen ― orientierende Abrechnungsmethode abgelöst. Der E. ist insbesondere durch die seit 1975 geltenden neuen Preisbildungsprinzipien im RGW beeinflußt worden. Danach bestimmen sich die Preise im RGW-Intrablockhandel nach den durchschnittlichen Weltmarktpreisen der jeweils vorangegangenen 5 Jahre. Dies ermöglicht rohstoffreichen Ländern wie der Sowjetunion eine starke, rohstoffarmen Ländern wie der DDR nur eine geringe Erhöhung des E. Der endgültige E. bildet sich anhand dieses Maßstabes je nach Marktlage und Verhandlungsposition bzw. -geschick der Marktpartner. Mit der Umorientierung geht der E., der bei dieser Art der Ergebnisbildung der Exportbetriebe mit dem früher zwischen AHB und Exportbetrieb gebildeten Valutaverrechnungspreis identisch ist, direkt in das Betriebsergebnis ein. Um jedoch die Betriebe nicht nur auf die Erzielung eines maximalen E. und damit letztlich einer hohen Exportrentabilität zu orientieren, sondern sie zur Durchführung der ― oftmals nicht rentablen ― staatlichen Planauflagen zu veranlassen, wurde die Einführung von die Lenkungsfunktion der Weltmarktpreise tendenziell paralysierenden Exportstimulierungsmitteln notwendig. Trotz dieses permanenten Dilemmas zwischen Rentabilitäts- und Planorientierung scheint sich das einheitliche Betriebsergebnis und damit die Konstruktion des E. bewährt zu haben, da diese auch für den Planungszeitraum 1976–1980 verbindlich sind. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 342 Exportprämie A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Exquisit- und Delikatläden

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Als E. wird der für eine in das Ausland gelieferte Ware oder Leistung erzielte, vereinbarte oder erzielbare Preis angesehen. Der E. kann in Valuta oder — nach Umrechnung mittels des Valutakurses — in Valutagegenwerten ausgedrückt sein. Bis zur Einführung des im Rahmen der Reform des Außenwirtschaftssystems der DDR (Außenwirtschaft und Außenhandel) im Jahre 1971 für alle zentralgeleiteten exportierenden Betriebe durchgesetzten einheitlichen…

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1979: G

Ganztagsschule Gartenbau Gärtnerische Produktionsgenossenschaft Gaskombinat Schwarze Pumpe, VEB Gastarbeiter Gaststättengewerbe Gebrauchsmuster Geburtenbeihilfen Gedenkstätten Gedenktage Geflügelwirtschaftsverband Gegenplan Gehaltsgruppenkatalog Geld im Sozialismus Geldstrafen Gemeinde Gemeindesteuern Gemeindeverband Gemeindevertretung Gemeinschaft, Bürgerliche Genehmigungsgebühren Generalauftragnehmer (GAN) Generaldirektor Generallinie Generalstaatsanwalt der DDR Generalverkehrspläne Generalverkehrsschema GENEX Genossenschaften Genossenschaften, Ländliche Genossenschaftsbauer Genossenschaftskassen für Handwerk und Gewerbe (GK) Gerichtskritik Gerichtsverfassung Germanistik Gesamtprodukt, Gesellschaftliches Geschenkpaketversand Geschichte der DDR Geschichtsbetrachtung Geschlechtserziehung Gesellschaft Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland Gesellschaft für Sport und Technik (GST) Gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger Gesellschaftliche Erziehung Gesellschaftliche Gerichte Gesellschaftliche Tätigkeit Gesellschaft „Neue Heimat“, „Vereinigung in der DDR für Verbindungen mit Bürgern deutscher Herkunft im Ausland“ Gesellschaftsformation Gesellschaftsgefährlichkeit Gesellschaftsordnung Gesellschaftswissenschaften Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse Gesetzbuch der Arbeit (GBA) Gesetzgebung Gesetzlichkeitsaufsicht Geständniserpressung Gesundheitswesen Gewerbebanken Gewerkschaften Gewerkschaftsaktiv Gewerkschaftsgruppe Gewerkschaftskomitee Gewerkschaftsleitungen, betriebliche Gewinn Gleichberechtigung der Frauen Gnadenrecht Goethe-Gesellschaft Gost Grabweihe Grenze Grenzgänger Grenzgebiet Grenzkommission Grenzpolizei Grenztruppen der DDR (Deutsche Grenzpolizei) Grenztruppenhelfer Grenzübergangsstellen Grenzübertritt, ungesetzlicher Großforschungszentren Großhandel Großhandelsgenossenschaften Großhandelskontore Großhandelspreis Grundausbildung, berufliche Grundbuch Grundeigentum Grundlagenforschung Grundlagenvertrag Grundmittel Grundmittelumbewertung Grundorganisationen der SED Grundrechte, Sozialistische Grundrente Grundstoffindustrie Grundstücksverkehrsordnung Grundstudium, Gesellschaftswissenschaftliches Gruppe Gruppenbildung, staatsfeindliche Gruppen für wissenschaftlich-ökonomische Leitung Gruppe Sowjetischer Streitkräfte in Deutschland (GSSD) Gruppe Ulbricht Güterrecht, Eheliches Güterstand Gütesicherung Gütezeichen

Ganztagsschule Gartenbau Gärtnerische Produktionsgenossenschaft Gaskombinat Schwarze Pumpe, VEB Gastarbeiter Gaststättengewerbe Gebrauchsmuster Geburtenbeihilfen Gedenkstätten Gedenktage Geflügelwirtschaftsverband Gegenplan Gehaltsgruppenkatalog Geld im Sozialismus Geldstrafen Gemeinde Gemeindesteuern Gemeindeverband Gemeindevertretung Gemeinschaft, Bürgerliche Genehmigungsgebühren Generalauftragnehmer (GAN) Generaldirektor Generallinie …

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Finanzorgane (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Dazu gehören alle staatlichen Verwaltungen und Institutionen in der DDR, die sich mit der Planung der Geldversorgung befassen, denen die Regulierung der Geldkapitalbildung anvertraut ist und welche die Bewegungen der Geldströme innerhalb der Volkswirtschaft zu kontrollieren haben. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben müssen sich die F. nach den Zielen der lang- und kurzfristigen staatlichen Wirtschaftspläne richten. Die F. sind in der DDR in die allgemeine Staats- und Wirtschaftsverwaltung eingebaut bzw. mit ihr verflochten. Es handelt sich um eine von den Aufgaben her spezialisierte Hierarchie von Weisungs- und Kontrollinstanzen. Maßgebendes Organisationsprinzip für den Aufbau der mit finanzwirtschaftlichen Aufgaben betrauten Behördenhierarchie ist das Territorialprinzip. Dementsprechend lehnt sich der Aufbau des Instanzen[S. 382]zuges der F. an die territoriale Gliederung des Staatsgebietes der DDR in Republik, Bezirke, Kreise und Gemeinden an. Einzelne F. werden in die auf diesen Verwaltungsebenen bestehenden Leitungsorgane integriert. Die Befehlswege zwischen der zentralen finanzpolitischen Leitungsinstanz (Ministerium der Finanzen) und den einzelnen (Finanz-)Verwaltungsorganen und Institutionen der Geldbewirtschaftung (z. B. den Banken) in den Gebietseinheiten der DDR sind nach dem „Liniensystem“ miteinander verbunden. Gemäß dem allgemeinen Organisationsprinzip des Demokratischen Zentralismus sind alle F. verpflichtet, die Weisungen des jeweils höheren finanzpolitischen Leitungsorgans zu befolgen. Die in der DDR bestehenden F. werden nach Haushaltsorganen, Bankorganen und Versicherungsorganen unterschieden. An der Spitze der Hierarchie der F. steht das Ministerium der Finanzen (MdF.). Ferner gehören dazu die Abteilungen Finanzen und Preise der Räte der Bezirke und Kreise und die Prüfungsorgane der staatlichen Finanzrevision zu den Haushaltsorganen. Die Staatsbank der DDR, die staatlichen Geschäftsbanken, die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken bilden die Bankorgane. Die Versicherungsorgane bieten die folgenden 2 Versicherungsarten an: 1. Versicherungsleistungen zur Abdeckung der verschiedensten Risiken; 2. eine allgemeine Volksversicherung in Gestalt der Sozialversicherung. Bei der Sozialversicherung sind die soziale Altersversorgung, die Krankheitsfürsorge und die Absicherung der Erwerbstätigen gegen Unfallgefahren und -schaden konzentriert. Sie ist für die Arbeiter und Angestellten, die Mitglieder von Produktionsgenossenschaften, die Kommissionshändler, die kleinen selbständigen Gewerbetreibenden und die Angehörigen der freischaffenden Intelligenz zuständig. Das Versicherungswesen der DDR ist stark konzentriert. Daher gibt es nur 2 nach Kundenkreisen spezialisierte verselbständigte Versicherungsunternehmen. Dies sind 1. die Staatliche Versicherung der DDR. Sie ist für Versicherungsgeschäfte im Inland zuständig; 2. die Deutsche Auslands- und Rückversicherungs-AG. Diese Versicherung gewährt ihren Kunden Versicherungsschutz gegen drohende Schäden im Ausland und bei zwischenstaatlichen Handelsgeschäften (z. B. bei Importen und Exporten sowie bei Einsätzen von Wasser- und Luftfahrzeugen im Auslandsdienst). Die Staatliche Zollverwaltung der DDR wird nicht zu den F. gerechnet. Durch die Wirtschaftsreform (1963–1970) erhielt die Geld- und Finanzpolitik eine Fülle neuer Lenkungsaufgaben übertragen. Damit wuchs zugleich die Kompliziertheit der Probleme, welche die Staatsführung der DDR bei der Gestaltung der monetären Wirtschaftslenkung lösen mußte. Um diesen erhöhten Ansprüchen an die Effektivität der Wirtschafts- und Finanzpolitik gerecht zu werden, beschloß der Ministerrat 1967, einen Finanzrat zu bilden. Als Organ des Ministerrates soll dieses Gremium die Regierung durch sachverständige Gutachten und Urteile unterstützen, die jeweils zweckmäßigsten monetären Wachstums- und Stabilisierungsmaßnahmen zu entwickeln und in Vorschlag zu bringen. Der Rat selbst übt jedoch keine leitenden Funktionen aus. Der Ministerrat der DDR schränkte den Aufgabenkreis des Finanzrates vor allem auf 2~Untersuchungskomplexe ein. 1. Alle Maßnahmen vorbereitend zu beraten, welche die Regierung auf dem Gebiete der Staatseinnahmen- und der Staatsausgabenpolitik durchzuführen beabsichtigt. Seitdem die SED auf dem VIII. (1971) und IX. Parteitag (1976) auch ihre eigene „sozialistische Sozialpolitik“ ausführlich formuliert und propagiert hat. gehören zu seinen Aufgaben auch Untersuchungen darüber, ob die von der Staatsführung geplanten sozialen Verbesserungen für die Bevölkerung nicht evtl, die Leistungskraft der Volkswirtschaft überfordern und ob die vorgesehenen neuen Sozialleistungen finanziert werden können. 2. Der Rat besitzt ferner die Aufgabe, die auf dem Gebiete der Währungspolitik geplanten Aktivitäten sachkundig vorzubereiten, miteinander abzustimmen und ihre Wirkungskraft ständig zu kontrollieren. Maßnahmen dieser Art sind Interventionen zur besseren außenwirtschaftlichen Absicherung der Binnenwährung der DDR, Vorhaben zur Erhöhung des Aufkommens an konvertierbarer Valuta (Devisenpolitik), Korrekturen bei den Touristenkursen und Neuerungen zur erleichterten Abwicklung des kommerziellen und nichtkommerziellen zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs. Mitglieder des Finanzrates sind der Minister der Finanzen, der Präsident der Staatsbank, die Präsidenten der zwei überregionalen Geschäftsbanken, der Leiter des Amtes für Preise sowie ausgewählte Finanzwissenschaftler und Wirtschaftspraktiker aus Hochschulinstituten, regionalen Staatsorganen und Großkombinaten. Über den tatsächlichen praktischen Einfluß dieses Finanzrates auf die Wirtschaftspolitik des Ministerrates und im besonderen auf die Währungs-, Geld- und Finanzpolitik speziell lassen sich keine zuverlässigen Angaben machen. Über seine Tätigkeit wird in der Tages- und der Fachpresse der DDR kaum berichtet. Ähnliche Aufgaben, wie sie auf der zentralen Leitungsebene der Republik der Finanzrat zu erfüllen hat. sind den bei vielen Räten der Bezirke und Kreise gebildeten Finanzbeiräten übertragen worden. Diese Gremien sollen die F. auf örtlicher Ebene beraten. In den Beiräten werden die Entwürfe der jährlichen Haushaltspläne der Gebietseinheiten vorberaten. Ferner diskutieren die Ratsmitglieder die Berichte der im Territorium angesiedelten staatlichen Wirtschaftsbetriebe über ihre Erfolge und Mißerfolge, studieren die Leistungsbilanzen der örtlichen Produktionsgenossenschaften und erörtern die Geschäftsergebnisse der Sparkassen. Darüber hinaus verlangt der Gesetzgeber von diesen Beiräten. daß sie auch nachprüfen, wie effizient die örtlichen Staatsorgane ihre Regierungsgeschäfte erfüllen. Mitglieder der Finanzbeiräte sind u. a. die Leiter der Abteilungen Finanzen und Preise der Räte der Be[S. 383]zirke und Kreise, die Direktoren der örtlichen Filialen der Geschäftsbanken und Sparkassen und die der örtlichen Direktionen der staatlichen Versicherungseinrichtungen. Den Vorsitz in diesem Gremium führt stets der Leiter der Abteilung Finanzen und Preise der örtlichen Räte. Alle größeren finanzpolitischen Aktionen der F. im Bezirk oder Kreis müssen seit der Verwaltungsreorganisation in den Jahren 1963/64 in Form schriftlicher Vereinbarungen konkretisiert und als gemeinsames Programm beschlossen werden. Die Durchführung soll dann nach einem untereinander abgestimmten Ablaufplan erfolgen. Ausarbeitungs-, Beschluß- und Überwachungsinstanz ist der Finanzbeirat. Die bei solchen Aktionen untereinander getroffenen Absprachen werden den jeweils übergeordneten Staats- und Wirtschaftsorganen laufend mitgeteilt (z. B. der Staatlichen Plankommission, den wirtschaftsleitenden Ministerien), damit diese in die Lage versetzt werden, die örtlichen mit den zentralen finanzpolitischen Maßnahmen abzustimmen. Finanzsystem; Finanzkontrolle und Finanzrevision; Staatshaushalt; Örtliche Organe der Staatsmacht; Staatsapparat; Wirtschaft; Bankwesen: Sozialversicherungs- und Versorgungswesen; Geld; Währung und Währungspolitik. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 381–383 Finanzökonomik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Finanzplanung und Finanzberichterstattung

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Dazu gehören alle staatlichen Verwaltungen und Institutionen in der DDR, die sich mit der Planung der Geldversorgung befassen, denen die Regulierung der Geldkapitalbildung anvertraut ist und welche die Bewegungen der Geldströme innerhalb der Volkswirtschaft zu kontrollieren haben. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben müssen sich die F. nach den Zielen der lang- und kurzfristigen staatlichen Wirtschaftspläne richten. Die F. sind in der DDR in die allgemeine…

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Lebensversicherung (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 L.-Verträge können bei der B Staatlichen Versicherung der DDR abgeschlossen werden als Ergänzung des durch die Sozialversicherung gewährten gesetzlichen Versicherungsschutzes. Rechte und Pflichten der Versicherungsnehmer und der Versicherungseinrichtung sind in § 265 (Personenversicherung) des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. 6. 1975 geregelt. Der Versicherungsnehmer kann, je nach seinen Bedürfnissen, unter verschiedenen Formen der B L. wählen. Die vereinbarte L.-Summe kann fällig werden: beim Tode des Versicherten, bei Erreichen eines bestimmten Alters, bei Beitragszahlung entweder für eine bestimmte Zahl von Jahren (mindestens 10 bzw. bis zum 85. Lebensjahr) oder an einem festen Auszahlungstag. Diese Grundformen lassen sieh zu weiteren Formen der L. ausbauen. So kann z. B. das Risiko der Invalidität in der Weise mit einbezogen werden, daß die Beitragszahlungspflicht bei Eintritt der Invalidität des Versicherungsnehmers ganz oder teilweise erlischt. Die L. mit festem Auszahlungstermin kann unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Heirats- oder Berufsausbildungsalters der Kinder zu einer Aussteuer- oder Kinderversorgungs-Versicherung weiterentwickelt werden. Die reine Erlebensfallversicherung wird in der Regel als Leibrentenversicherung abgeschlossen, wobei in der DDR zeitweilig die Form der Sparrentenversicherung eine gewisse Bedeutung erlangt hatte. Gegenwärtig ist die L. die wichtigste, weil am stärksten verbreitete Form der Personenversicherung. Die Zahl der abgeschlossenen L.-Verträge vergrößerte sich seit 1950 wie folgt: Am Jahresende 1976 hatten 613 von 1.000 Einwohnern der DDR eine L. abgeschlossen. Entsprechend dem Wachstum des Lebensstandards und des Geldvermögens der privaten Haushalte ist nicht nur die Zahl der Verträge, sondern weit stärker noch die Höhe der Abschlüsse gestiegen. Dadurch vergrößerten sich die Sparguthaben der L. überdurchschnittlich von 0,5 Mrd. Mark 1950 auf 2,2 Mrd. Mark 1960, 6,0 Mrd. Mark 1970 und 8,5 Mrd. Mark 1977. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 668 Lebensstandard A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Lebensweise, Sozialistische

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 L.-Verträge können bei der B Staatlichen Versicherung der DDR abgeschlossen werden als Ergänzung des durch die Sozialversicherung gewährten gesetzlichen Versicherungsschutzes. Rechte und Pflichten der Versicherungsnehmer und der Versicherungseinrichtung sind in § 265 (Personenversicherung) des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. 6. 1975 geregelt. Der Versicherungsnehmer kann, je nach seinen Bedürfnissen,…

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Nationale Front der DDR (1979)

Siehe auch: Nationale Front: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nationale Front der DDR: 1975 1985 Die NF. des Demokratischen Deutschland ging aus der Volkskongreßbewegung (Deutscher Volkskongreß) hervor, die 1947 von der SED im Hinblick auf die Staatsgründung als eine Art Vorparlament initiiert wurde. Nachdem bereits seit Mitte 1948 der Demokratische Block als Zusammenschluß der Parteien (SED; CDU; LDPD; NDPD; DBD) sowie später auch der Massenorganisationen (FDGB; FDJ; Demokratischer Frauenbund Deutschlands [DFD]; Kulturbund) unter Führung der SED wirkte, wurde die NF. am 7. 10. 1949 als zusätzliche Form der Bündnispolitik auf der programmatischen Grundlage der vom SED-Parteivorstand am 4. 10. 1949 angenommenen Entschließung „Die Nationale Front des Demokratischen Deutschland und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ gegründet. Sie war als gesamtdeutsche Bewegung zur „Rettung der deutschen Nation“ konzipiert, der jede Partei, Organisation, Persönlichkeit in West und Ost unbeschadet ihrer politischen, ökonomischen oder weltanschaulichen Prinzipien beitreten konnte. Der gesamtdeutschen Funktion wurde von Anfang an die Aufgabe der wirtschaftlichen Stärkung der SBZ/DDR zugeordnet, deren Partei- und Staatsführung sich noch für Gesamtdeutschland verantwortlich fühlte. Unter Überwindung von Widerständen gegen die Bündnispolitik in den eigenen Reihen entwickelte die SED die NF. von einer allgemein antifaschistisch-demokratisch orientierten zu einer sozialistischen Volksbewegung. Ähnlich wie die Volksfronten in einigen anderen sozialistischen Ländern gilt die NF. als das breiteste und umfassendste „Bündnis aller politischen und sozialen Kräfte des werktätigen Volkes unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei“. Innerhalb des politischen Systems der DDR wird der NF. die Rolle eines wichtigen Bindegliedes zwischen Staat und Gesellschaft beigemessen, dessen Wirksamkeit an der erwünschten Annäherung der Klassen und Schichten an die Arbeiterklasse und der damit verbundenen wachsenden sozialen Homogenität sowie der politisch-moralischen Einheit der Bevölkerung gemessen wird. Charakteristisch für die Nationale Front der DDR — so die neue Bezeichnung seit 1973 — ist, daß sie keine Massenorganisation mit eingetragenen Mitgliedern und Grundorganisationen darstellt, sondern bei einem geringen Anteil von hauptamtlichen Kräften auf der breiten ehrenamtlichen Tätigkeit von 335.000 Bürgern in 17.000 Orts-, Wohnbezirks-, Stadtbezirks-, Kreis- und Bezirksausschüssen beruht, die von den Wahlberechtigten des jeweiligen Bereiches gewählt werden. In den Ausschüssen, die als wichtige Organisationsform nicht nur Repräsentativorgane der Parteien und Massenorganisationen der NF., sondern operative Arbeitsorgane im jeweiligen Territorium bilden, arbeiten Vertreter der Parteien, Massenorganisationen und auch nichtorganisierte Einzelpersonen ohne bestimmten [S. 752]Proporz zusammen. Den Ausschüssen gehören die Vorsitzenden der jeweiligen Räte der Bezirke. Kreise, Städte und Gemeinden an. Höchstes Organ ist der direkt von der Bevölkerung gewählte Kongreß, der den Nationalrat und seinen Präsidenten (seit 1950 Prof. Dr. E. Correns, parteilos) wählt. Der Nationalrat leitet die Arbeit zwischen den Kongressen durch sein Präsidium und Sekretariat. Beim Nationalrat sowie bei Bezirks- und Kreisausschüssen bestehen Arbeitsgruppen, die als Konsultativgremien fungieren (z. B. Arbeitsgruppe Mittelstand seit 1956, 1963 in Arbeitsgruppe Komplementäre, Handwerker und Gewerbetreibende umbenannt). Den Kern und den Träger der zahlreiche Vereinigungen, Gesellschaften und Verbände umfassenden NF. bildet der „Demokratische Block“, dessen Ausschüsse ähnlich staatlich-territorial wie die der NF. aus der jeweils gleichen Zahl von Vertretern der 5 Parteien (SED, DBD, CDU, LDPD, NDPD) und 4 Massenorganisationen (FDGB, FDJ, DFD, KB der DDR) zusammengesetzt sind. Während in den Ausschüssen der NF. das Gemeinsame im Vordergrund der Arbeit steht, dienen die Blockausschüsse durchaus als Foren, in denen parteipolitische Vorstellungen und auch kontroverse Meinungen diskutiert werden. Es ist die allgemeine Tendenz festzustellen, daß die NF. nicht nur umfangreichere Aufgaben und eine breitere Basis hat, sondern in der politischen Praxis mehr und mehr den Block auf allen Ebenen ersetzt. Zu den vielfältigen Aufgaben der NF gehören u. a.: Mobilisierung staatsbürgerlicher Aktivität und Verantwortung der Bürger bei der Vorbereitung und Durchführung der Gesetze der Volkskammer und der Beschlüsse der örtlichen Volksvertretungen; Propaganda und Agitationsarbeit auf breitester Basis; rechtzeitiges Erkennen von neuen Problemen; Benennung der Kandidaten für Wahlen auf allen Ebenen; Unterbreitung der vom Demokratischen Block beratenen und beschlossenen Kandidatenliste sowie des Wahlprogramms; Bestätigung der Richterkandidaten und Unterstützung der Wahl und Tätigkeit der Gesellschaftlichen Gerichte im Wohnbezirk; Antragsrecht zur Abberufung von Abgeordneten; Zusammenarbeit mit den Volksvertretungen, vor allem durch enge Verbindung der Ausschüsse mit den Abgeordneten; Mithilfe bei der Lösung der Aufgaben des Volkswirtschaftsplans, u. a. durch den Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit!“; Unterstützung der Bemühungen, die vor allem im Produktionsbereich angestrebte Herausbildung sozialistischer Denk- und Verhaltensweisen im Wohnbereich fortzuführen (Hausgemeinschaften). Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 751–752 Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Nationale Gedenkstätten

Siehe auch: Nationale Front: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nationale Front der DDR: 1975 1985 Die NF. des Demokratischen Deutschland ging aus der Volkskongreßbewegung (Deutscher Volkskongreß) hervor, die 1947 von der SED im Hinblick auf die Staatsgründung als eine Art Vorparlament initiiert wurde. Nachdem bereits seit Mitte 1948 der Demokratische Block als Zusammenschluß der Parteien (SED; CDU; LDPD; NDPD; DBD) sowie später auch der Massenorganisationen…

DDR A-Z 1979

Krankengeld (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Anspruch auf Geldleistungen der von Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit steht vom 1. Tag der AU an, grundsätzlich bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bzw. bis zum Eintritt der Invalidität oder bis zur Festsetzung der Unfallrente, längstens jedoch für 78 Wochen. Die Höhe des K. der Sozialversicherung für Arbeit) und Angestellte und Genossenschaftsmitglieder beträgt [S. 613]bei AU wegen Krankheit seit dem 1. 1. 1978 für insgesamt 6 Wochen im Kalenderjahr 90 v. H. des Nettodurchschnittsverdienstes. Bis Ende 1977 lag das K. während dieser Zeit bei 50 v. H. des beitragspflichtigen Durchschnittsverdienstes und erreichte somit höchstens 300 Mark monatlich. Es wurde für insgesamt 6 Wochen im Kalenderjahr ergänzt durch den Lohnausgleich der Betriebe, der als Differenz zwischen dem K. und 90 v. H. des Nettoverdienstes gezahlt wurde. Ein K. von 50 v. H. bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit bis zu 6 Wochen (höchstens also 300 Mark) bekommen weiterhin Selbständige sowie ständig mitarbeitende Ehegatten. Alle Versicherten (einschließlich der freiberuflich Tätigen, der Genossenschaftsmitglieder und Selbständigen usw.) erhalten, wenn länger als insgesamt 6 Wochen im Kalenderjahr krank, bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit oder bis zur Berentung ein erhöhtes K., soweit sie mehr als 600 Mark monatlich verdienen, aber nur dann, wenn sie 10 v. H. des 600 Mark übersteigenden Einkommens (bei Selbständigen bis zu einer Höchstgrenze von 1.200 Mark) als Beitrag an die Freiwillige ➝Zusatzrentenversicherung (FZR) abführen. Dieses erhöhte K. beträgt für Versicherte ohne Kinder und solche mit 1 Kind 70 v. H., mit 2 Kindern 75 v. H., mit 3 Kindern 80 v. H., mit 4 Kindern 85 v. H. und mit 5 und mehr Kindern 90 v. H. des täglichen Nettodurchschnittsverdienstes. Versicherte mit einem lohnsteuerpflichtigen Arbeitsverdienst von mehr als 600 Mark monatlich, die nicht Mitglied der FZR sind, erhalten dennoch von der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit (AU) an ein erhöhtes K., wenn sie 2 Kinder und mehr haben; es beträgt für Versicherte mit 2 Kindern 65 v. H., mit 3 Kindern 75 v. H., mit 4 Kindern 80 v. H. und mit 5 Kindern 90 v. H. des Nettodurchschnittsverdienstes. Bei Arbeitsunfähigkeit wegen Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit wird Arbeitern und Angestellten sowie Genossenschaftsmitgliedern für die gesamte Dauer K. in voller Höhe des durchschnittlichen Nettoverdienstes gewährt. Die Selbständigen erhalten bei AU wegen Arbeitsunfalls bzw. Berufskrankheit K. wie bei AU wegen Krankheit. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 612–613 Kraftverkehr A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Krankenhaus

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Anspruch auf Geldleistungen der von Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit steht vom 1. Tag der AU an, grundsätzlich bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bzw. bis zum Eintritt der Invalidität oder bis zur Festsetzung der Unfallrente, längstens jedoch für 78 Wochen. Die Höhe des K. der Sozialversicherung für Arbeit) und Angestellte und Genossenschaftsmitglieder beträgt [S. 613]bei AU…

DDR A-Z 1979

Jugend (1979) Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Begriff, Umfang, Zusammensetzung Der Begriff J. ist mehrdeutig. Sprachgebrauch und Recht unterscheiden zwischen den bis zu 14jährigen Kindern, den über 14jährigen Jugendlichen (der J. im engeren Sinne) und den volljährigen Erwachsenen. Das Jugendgesetz der DDR stellt dagegen auf die Gesamtheit der unter 25jährigen ab. Allerdings hatte der Jugendverband der DDR, die FDJ, 1977/78 unter seinen Mitgliedern einen Anteil von etwa 4–5 v. H., die 25 Jahre oder älter waren. Der Anteil der J. im Sinne des J.-Gesetzes an der Gesamtbevölkerung der DDR betrug am 31. 12. 1976 36,8 v. H. Von diesen rd. 6,19 Mill. junger DDR- Bürger waren noch nicht schulpflichtig: 1,15 Mill.; Schüler aller Schularten (POS, EOS, Sonderschulen): 2,65 Mill.; Lehrlinge: 0,46 Mill.; Berufstätige: rd. 1,2 Mill.; Studenten (zum geringeren Teil auch 25 Jahre und älter): 0,19 Mill. Die restlichen rd. 0,4 Mill. Personen dürften überwiegend nicht berufstätige Ehefrauen und Angehörige der bewaffneten Kräfte sein. II. Jugendpolitik, Ziele, Grundlagen Die J. auf die künftigen Aufgaben vorzubereiten und sie in die Gesellschaft zu integrieren, ist das Ziel der weite Bereiche der Bildungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Kultur-, Gesundheits-, Kriminal- u. a. Politik umfassenden J.-Politik. Nach in der DDR vorherrschendem Verständnis ist sie „die Politik, die den Platz und die Aufgaben der Jugend und des sozialistischen Jugendverbandes im Kampf für den Sozialismus analysiert und bestimmt“ und hieraus Einzelmaßnahmen entwickelt. Die Ansprüche der J.-Politik der DDR beruhen auf der marxistisch-leninistischen Theorie einerseits und der von ihr geleiteten Analyse der konkreten gesellschaftlichen Situation andererseits. Danach wird die erzieherische Funktion des sozialistischen Staates als eine seiner wichtigsten bezeichnet; die Interessen der J. gelten als in denen von Staat und Gesellschaft aufgehoben bzw. als mit ihnen identisch. Jeglicher Generationenkonflikt sei „aufgrund der Übereinstimmung in den [S. 558]grundlegenden Lebensinteressen und der gemeinsamen sozialistischen Ideale“ ausgeschlossen (Siegfried Lorenz in der Volkskammer anl. der Beratung des 3. J.-Gesetzes. Junge Welt 18. Jg. 1974, Nr. 26 B, S. 4). Damit ist J. (in erster Linie) „allseitig zu beeinflussender“ Erziehungsgegenstand, wobei sich die ihr gestellten Aufgaben aus den gesamtgesellschaftlichen Zielen ergeben, der Beitrag der J. zur Lösung ihrer Aufgaben jedoch in jugendspezifischer Weise, in eigenen Formen und mit eigenen Methoden geleistet werden kann und soll. Die Grundsätze der J.-Politik der SED sind im J.-Gesetz zusammengefaßt. Das Gesetz über die Teilnahme der J. an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der DDR (J.-Gesetz) vom 28. 1. 1974 (GBl. I, S. 45) löste, das am 8. 5. 1964 in Kraft getretene Gesetz über die Teilnahme der J. der DDR am Kampf um den umfassenden Aufbau des Sozialismus und die allseitige Förderung ihrer Initiative bei der Leitung der Volkswirtschaft und des Staates, in Beruf und Schule, bei Kultur und Sport ab, dessen Vorgänger das Gesetz über die Teilnahme der J. am Aufbau der DDR und die Förderung der J. in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung vom 8. 2. 1950 war. Ziel des (3.) J.-Gesetzes ist die „Förderung der Jugend“ und die „Gewährleistung ihrer Teilnahme an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“. Es weist in seinen 10 Abschnitten den Hauptgruppen der J.-Bevölkerung, den Berufstätigen, den Schülern, den Lehrlingen, den Studenten und den Soldaten. Reservisten und in der vormilitärischen Ausbildung Befindlichen sowie den verantwortlichen Leitern der Staats- und Wirtschaftsorgane und der FDJ Rechte und Pflichten zu. Schwerpunkte des Gesetzes sind: 1. Die Erziehung der J. zu „sozialistischen Persönlichkeiten“, gekennzeichnet durch Wissen und Können sowie durch eine Reihe näher angegebener staatsbürgerlicher, sozialer und Arbeitstugenden, 2. der Beitrag der J. zur Steigerung der Arbeitsproduktivität in speziellen „jugendgemäßen“ Kooperationsformen. Diese Zielsetzungen sind gekoppelt 3. mit einer Reihe sozial-, gesundheits- und bildungspolitischer Maßnahmen, die der J. zugute kommen sollen, und 4. einer Erweiterung der Zuständigkeiten der FDJ als Vertretung der J. in Schule, Hochschule, Betrieb und Staat. Das Gesetz weist der J.-Organisation der SED eine zentrale Rolle in der J.-Politik zu. Es spiegelt die Schwerpunkte der Politik der DDR seit dem VIII. Parteitag der SED wider (verstärkte Zusammenarbeit mit der UdSSR, verbesserte Versorgung der Bevölkerung, Verstärkung der politisch-ideologischen Erziehung) und setzt den Staatsratsbeschluß vom 31. 3. 1967 „Jugend und Sozialismus“ sowie eine Reihe von Einzelregelungen außer Kraft, wahrt jedoch den Rahmen des Kommuniqués des Politbüros des ZK der SED zu Problemen der J. in der DDR: „Der Jugend Vertrauen und Verantwortung“ (J.-Kommuniqué vom 21. 3. 1963). Die darin enthaltenen Vorstellungen zur Förderung des Leistungsstrebens, zur politisch-ideologischen Erziehung, zur Erhöhung der schulischen und beruflichen Anforderungen, zu den Aufgaben der staatlichen und Wirtschaftsleiter gegenüber der J., zu den Problemen der in der Landwirtschaft Tätigen, zur Freizeitgestaltung sowie zur J.-Forschung und zur wissenschaftlichen Begründung der jugendpolitischen Maßnahmen bilden Grundlage und Richtschnur auch des 3. J.-Gesetzes der DDR. Die Leitung der staatlichen Aufgaben der J.-Politik liegt „in Durchführung der Beschlüsse der Partei der Arbeiterklasse im Auftrag der Volkskammer“ beim Ministerrat und dessen Amt für Jugendfragen (AfJ). Das AfJ ist „dem vom Ministerrat beauftragten Stellv. des Vors. des Ministerrats unmittelbar unterstellt“ und verantwortlich für die gesamte J.-Arbeit. Er ist federführend für den J.-Etat, hat wesentliches Mitspracherecht bei der J.-Gesetzgebung und ist wissenschaftsleitendes Organ der Jugendforschung (Leiter des AfJ: Hans Jagenow). Die J.-Politik ist mit dem ZR der FDJ abzustimmen, der auch berechtigt ist. Vorschläge für Beschlüsse und Verordnungen zur J.-Politik und zur Berufung des Leiters des AfJ einzureichen. Auf örtlicher und regionaler Ebene sind die Volksvertretungen bzw. die staatlichen und Wirtschaftsleitungen in Abstimmung mit den Vorschlags- und kontrollberechtigten FDJ-Leitungen für die Planung, Durchführung und Kontrolle der jugendpolitischen Maßnahmen verantwortlich. III. Beteiligung der Jugend am öffentlichen Leben Als Erfolg der J.-Politik gilt die Teilnahme der J. am öffentlichen Leben auf der Grundlage des auf 18 Jahre festgelegten Mündigkeits- und Wahlberechtigungsalters und des vorwiegend über die Mitarbeit in der FDJ angebotenen Kontroll-, Mitsprache- und Vertretungsrechts im politisch-staatlichen und wirtschaftlichen Bereich, dessen formale Voraussetzung die Bestimmung des Art. 20,3 der Verfassung ist. Dort heißt es: „Die Jugend wird in ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Entwicklung besonders gefördert. Sie hat alle Möglichkeiten, an der Entwicklung der sozialistischen Ordnung verantwortungsbewußt teilzunehmen.“ So waren im Jahr 1977 jünger als 25 Jahre: 40 von 500 Abgeordneten der Volkskammer; 441 von 2.840 Abgeordneten der Bezirkstage; 4.502 von 20.763 Abgeordneten der Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen; 23.997 von 166.279 Abgeordneten der Gemeindevertretungen; 776 von 3.833 Abgeordneten der Stadtbezirksversammlun[S. 559]gen und 46.672 von 358.189 Mitgliedern der 51.763 Kommissionen der Bezirkstage und anderer örtlicher Volksvertretungen. Daneben gilt die Mitwirkung der J. in den Gremien des FDGB (1977: 17.978 gewählte J.-Vertrauensleute; 5.971 J.-Kommissionen mit 40.579 ― nur z. T. jugendlichen ― Mitgliedern), in den Ausschüssen der Nationalen Front (1976: 17.000 Ausschüsse mit 335.000 Mitgliedern, davon 40.000 Jugendliche); in den FDJ-Kontrollposten und insbesondere in Produktion und Wettbewerb (s. u.) als Einlösung des Verfassungsgebots verantwortlicher Mitgestaltung beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. IV. Bildungspolitik Als Erfolge der J.-Politik gelten ferner: 1. Beseitigung von Bildungsbarrieren durch die Schaffung der Einheitsschulen und von Zentralschulen auf dem Lande und die Einführung der 10klassigen obligatorischen Oberschule (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem). 2. Abbau der beruflichen Benachteiligung der Mädchen und Frauen. V. Jugend in Ausbildung und Beruf Zu den Gebieten der J.-Politik zählen auch: J.-Arbeitsschutz, J.-Förderungsplan und der Beitrag der J. zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Auf arbeitsrechtlichem Gebiet konkretisierte sich die J.-Politik der SED zunächst in dem bereits im Arbeitsgesetz vom 19. 4. 1950 niedergelegten und in Art. 24 der Verfassung von 1968 i. d. F. v. 7. 10. 1974 ebenfalls enthaltenen Prinzip, daß Jugendliche das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeitsleistung haben. Ferner gelten für Jugendliche besondere Arbeitsschutzanordnungen und Arbeitszeitregelungen. Bedeutsamer sind die über diese Maßnahmen hinausgehenden Bestimmungen zur beruflichen Ausbildung und vor allem die spezifischen Förderungsmaßnahmen, die im J.-Gesetz und im Arbeitsgesetzbuch angeordnet werden. In jährlich zwischen Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) und Betriebsleiter unter aktiver Beteiligung der FDJ im Rahmen des Betriebskollektivvertrages abzuschließenden J.-Förderungsplänen, die zugleich eine Reihe betrieblicher und staatlicher Maßnahmen zugunsten der J. enthalten (Weiterqualifizierung, J.- und Sporteinrichtungen usw.) soll die J. angehalten werden, ihren Beitrag zur Steigerung der Arbeitsproduktivität zu leisten. VI. Jugendförderungspläne Die J.-Förderungspläne wurden am 4. 2. 1954 durch die 5. AO zum (1.) J.-Gesetz von 1950 eingeführt. Sollten sie anfänglich der beruflichen und kulturellen Förderung der J. dienen, so bestimmte die AO des 1. Stellv. des Ministerrates für den J.-Förderungsplan im Jahre 1963, es sei die Arbeit in Jugendbrigaden. J.-Abteilungen, J.-Schichten und anderen ständigen und zeitweiligen J.-Kollektiven die „beste, tausendfach bewährte Form für die Förderung der Initiative und für die sozialistische Entwicklung unserer Jugend“. Der J.-Förderungsplan beruht seit seiner Verkündung auf § 55 des J.-Gesetzes. Alljährlich wird die Rahmen-VO der Regierung, die auch die Finanzierung des J.-Förderungsplans ordnet, ergänzt durch örtliche J.-Förderungspläne in den Betrieben, LPG, Städten und Gemeinden. Daran wirken neben der FDJ die Volksvertretungen, Betriebsleitungen, die Leitungen des FDGB, des DTSB und der GST mit. Die J.-Förderungspläne sind Teil der Gesamtplanung der Betriebe, Kreise und Gemeinden. Allerdings werden sie z. T. immer noch als bloßes „Anhängsel“ der Planung betrachtet. Der J.-Förderungsplan regelt insbesondere die Teilnahme der J. am Sozialistischen Wettbewerb in speziellen, „jugendgemäßen“ Formen. VII. Berufswettbewerb und Masseninitiativen Bestandteil des sozialistischen Wettbewerbs ist der von der Betriebsleitung und der Berufsschule in Zusammenarbeit mit FDJ und FDGB organisierte Berufswettbewerb der Lehrlinge. Seine Ziele sind der nachweisbare Erwerb guter beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten, die abrechenbare Mitarbeit an der Erreichung der betrieblichen Planziele und „gesellschaftliches Verhalten und gesellschaftliche Tätigkeit“ auf der Basis der schulischen Lehrpläne, der betrieblichen Planung und der Zielsetzungen und Vorgaben der FDJ. Hervorragende Leistungen werden durch staatliche Auszeichnungen anerkannt. Die Gesamtheit der Lehrlinge nimmt am Berufswettbewerb teil. Bestandteil des sozialistischen Wettbewerbs sind die von der FDJ ausgelösten „ökonomischen Masseninitiativen“. So war es das Ziel der FDJ, im Planjahr 1978 55 Mill. Arbeitsstunden einzusparen, 1,2 Mrd. Mark Nutzen in der FDJ-Aktion „Materialökonomie“ zu erwirtschaften, 330.000 Tonnen Schrott und 40.000 Tonnen Altpapier der Wiederverarbeitung zuzuführen. 6.900 Wohnungen zu modernisieren und in der Landwirtschaft den Futterverbrauch um 15 Mill. Mark zu senken. VIII. Jugendkollektive, Jugendbrigaden und Jugendobjekte Der nach Umfang und Bedeutung wichtigste Bestandteil des Beitrags der werktätigen J. zur Lösung der betrieblichen und der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben ist die Arbeit in den J.-Kollektiven, die als J.-Brigaden, J.-Objekte, Klubs junger Neuerer, J.-Meisterbereiche, J.-Abteilungen, J.-Schichten [S. 560]usw. bezeichnet werden. J.-Brigaden (1978: 32.000 mit 386.000 Mitgliedern) sind Kollektive junger Werktätiger (in der Regel und im Durchschnitt 10–15 Mitglieder), deren Mehrheit nicht älter als 26 Jahre und deren Kern die FDJ-Gruppe sein soll. Die Altersabgrenzung des J.-Gesetzes gab einige Probleme auf, die der Zentralrat der FDJ mit dem Hinweis auf die Förderungsabsichten des Gesetzes (Unterstützung und Anleitung der jungen Werktätigen durch die älteren, erfahrenen) beantwortete. Die Brigaden arbeiten über längere Zeit an einer fest umrissenen betrieblichen Aufgabe; daneben haben sie eine (selbst-)erzieherische Funktion bis in die Freizeit ihrer Mitglieder hinein. Seit 1977 wird der Wettbewerb der J.-Kollektive von den „Räten der Jugendbrigaden“ angeleitet. Leiter ist der Funktionär für sozialistischen Wettbewerb der jeweiligen GO der FDJ; Mitglieder sind die J.-Brigadiere, FDJ-Gruppenleiter und je ein Vertreter der BGL und der Betriebsleitung. Seit 1978 wird auf Vorschlag der FDJ für jede J.-Brigade ein „erfahrener Funktionär des Betriebes“ als „Pate“ eingesetzt. Erstmals am 21. 5. 1977 ist der „Tag der J.-Brigaden“ begangen worden, an dem die Leistungen „abgerechnet“ und ausgezeichnet, neuen Brigaden „feierlich ihre Berufungsurkunden“ verliehen und Feiern veranstaltet werden. Im Jahr 1977 bestanden u. a.: im Bauwesen 3.879 J.-Brigaden mit nahezu 40.000 Mitgliedern (jeder 3. junge Baufacharbeiter); im Produktionsbereich Elektronik/Elektrotechnik arbeiteten 1217 J.-Brigaden. Im Jahr 1978 gab es u. a.: 970 ständige J.-Brigaden „Technik in der Pflanzenproduktion“. Es wird in der DDR gelegentlich allerdings beklagt, daß die J.-Kollektive oft schon nach 2 oder 3 Jahren wieder aufgelöst werden. 1977 wurden 203 Kollektive mit dem Titel „Hervorragendes J.-Kollektiv der DDR“ ausgezeichnet. Auch die Leistungen einzelner im Sozialistischen Wettbewerb, bei der Entwicklung und Anwendung neuer Arbeitsmethoden und in der Neuererbewegung (s. u.), aber auch auf politischem und militärischem Gebiet werden ausgezeichnet. Die FDJ verleiht in der Regel an ihrem Jahrestag (7. 3.), sonst anläßlich der MMM (s. u.) oder unmittelbar nach Vollbringung hervorragender Leistungen den Titel „Jugendaktivist“ (erstmals 1949). Für besonders hohe Leistung wird die staatliche Auszeichnung „Hervorragender Jungaktivist“ verliehen. J.-Meisterbereiche und J.-Abteilungen (1976: 2.864 mit 52.958 Mitarbeitern) entsprechen im wesentlichen den J.-Brigaden. J.-Objekte sind „exakt meß- und abrechenbare, zeitlich begrenzte Aufgaben, die einem Kollektiv junger Menschen zur Lösung übertragen werden“. Sie unterscheiden sich von anderen vor allem dadurch. daß sie als Schwerpunkte der FDJ-Arbeit gelten und nur Jugendliche beteiligt sind. Hinsichtlich Arbeitsorganisation und Stellung zu den wirtschaftsleitenden Organen gibt es keine Unterschiede zu anderen industriellen oder sonstigen Vorhaben. Die Zahl der J.-Objekte stieg von 1970 bis 1977 von 24.954 auf 83.053, die der „Mitglieder“ von 313.954 auf 1.042.000. Vorwiegend handelt es sich bei diesen Objekten um Produktionsaufgaben (im weitesten Sinne), doch werden auch J.-Objekte in der NVA genannt. Mitarbeiterzahl, Anspruchsniveau, wirtschaftliche Bedeutung und organisatorische Einordnung der J- Objekte sind recht unterschiedlich, doch zielen sie insgesamt auf die Bewältigung betrieblicher und volkswirtschaftlicher Schwerpunktaufgaben ab. Seit dem X. Parlament der FDJ (Juni 1976) sind dies: „Meisterung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ (MMM-Bewegung, Entwicklung neuer Erzeugnisse usw.), „effektive Auslastung der Grundfonds“ (insbesondere durch Einführung der Schichtarbeit), „hohe Materialökonomie“ (Senkung der Materialkosten), Lösung der Wohnungsfrage bis 1990, Mitwirkung an der „sozialistischen ökonomischen Integration“ im RGW (Export in die UdSSR, Mitarbeit an Vorhaben in der UdSSR) und Mitarbeit bei der „industriemäßigen Produktion in der Landwirtschaft“. Diesen Schwerpunkten entsprechend werden J.-Kollektive und -Objekte ins Leben gerufen. So bestanden im Jahr 1977 in der Landwirtschaft die Zentralen J.-Objekte „Zentrale Erntetechnik“ mit über 100 Mähdreschern und 2.686 Mitgliedern, „Industriemäßige Fleischproduktion Eberswalde“ und „Havelobst“, ferner 14 Bezirks-J.-Objekte und 1262 FDJ-Komplexe in der Halmfrucht-, Hackfrucht- und Futterernte. 49.216 FDJler der Oberschulen in 452 „Lagern der Erholung und Arbeit“ halfen vor allem bei Meliorationsarbeiten und in der Ernte (Feriengestaltung). In der UdSSR arbeiteten bis Herbst 1978 über 3.000 FDJler zusammen mit älteren Kollegen über 3 Jahre an dem Bau einer zum „Zentralen Jugendobjekt Drushba-Trasse“ erklärten Pipeline mit. Der Wohnungsbau in Berlin (Ost) wurde ebenfalls zum „Zentralen Jugendobjekt“ erklärt. Der „Hauptteil der J.-Objekte“ dürfte in der Industrie eingerichtet worden sein. So gab es 1977 allein im Bereich Elektrotechnik/Elektronik 4.120 derartiger Vorhaben. Eine Vorstufe der J.-Objekte waren (1978) die 48.899 „Pionierobjekte“ der Schüler unter 14 Jahren, die vor allem der Instandhaltung der Schulen dienen. IX. Jugendneuererbewegung und Messe der Meister von Morgen Die J.-Neuererbewegung ist Teil der allgemeinen Neuererbewegung, in deren Rahmen auch die betei[S. 561]ligten Jugendlichen ihre Vorschläge, Verbesserungen und Erfindungen einreichen (Sozialistischer Wettbewerb). Doch mit dem Unterschied, daß ihre Neuerungen alljährlich auf den Messen der Meister von Morgen (MMM) ausgestellt werden, und zwar zunächst auf Betriebsebene, danach in einem Auswahlverfahren auf der Kreis- und Bezirksebene. Die jeweils besten Ergebnisse werden prämiiert. Höhepunkt der MMM-Bewegung ist die jährlich stattfindende Zentrale Messe der Meister von Morgen (erstmals im Oktober 1958 in Leipzig). Der Leiter des AfJ und der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission geben zu Beginn jedes Jahres eine Richtlinie über die Weiterführung der MMM heraus. Veranstalter der Zentralen MMM ist eine Messeleitung mit dem Leiter des AfJ an der Spitze, Veranstalter der Bezirks- und Kreismessen sind die Räte der Bezirke und Kreise. Auch die MMM-Bewegung wird entscheidend von der FDJ (sowie vom FDGB, der Kammer der Technik, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft als weiteren „gesellschaftlichen Trägerorganisationen“) bestimmt. Hatte die MMM-Bewegung anfangs eher den Charakter einer Hobby- und Bastelschau, so gelten die von den Beteiligten entwickelten Neuerungen heute als „planmäßige und planbare Beiträge zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik“. Neuerungen werden aufgrund von Neuerungsvereinbarungen im Rahmen der J.-Förderungspläne entwickelt, und zwar zu über 95 v. H. von Kollektiven. 1976 gab es 27.700 Messen mit 582.900 Exponaten und rd. 2,2 Mill. Teilnehmern, davon 262.562 Lehrlinge. Die hohe Teilnehmerzahl läßt auf das unterschiedliche Anspruchsniveau der Exponate und auf unterschiedliche Grade der Mitwirkung der Teilnehmer an der Realisierung der Neuerung schließen. Vermutlich sind in den 2,2 Mill. Neuerern auch die nur mit Teilaufgaben Befaßten enthalten. Kern der MMM-Bewegung sind Arbeitskollektive, die als „Klubs Junger Neuerer“, „Klubs Junger Techniker“ oder als „Forschungsgemeinschaften“ bezeichnet werden. 1976 bestanden 21.333 derartiger Kollektive mit 246.019 Mitgliedern. Die Neuerungen der Studenten und jungen Wissenschaftler werden auf der „Zentralen Leistungsschau der Studenten und jungen Wissenschaftler“ präsentiert. Die Vorhaben der MMM-Bewegung gelten z. Z. vornehmlich der Rationalisierung, der Materialökonomie, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsschutzes, der industriemäßigen Produktion in der Landwirtschaft und der Rationalisierung der Lehr- und Lernprozesse (z. B. auch in der Ausbildung der NVA). Zwischen den verschiedenen Varianten von J.-Kollektiven gibt es keine starren Grenzen. Eine vereinbarte Neuerung kann als J.-Objekt realisiert werden, oder innerhalb einer J.-Brigade entsteht ein Neuererkollektiv, um ein anstehendes Problem zu lösen. Die genannten Zahlen zeigen daher nur die Größenordnungen an. Danach sind die „Klubs Junger Techniker“ usw. eher Angelegenheit einer technischwissenschaftlichen Elite, während die Mitarbeit an J.-Objekten und in der Neuererbewegung zur Aufgabe immer größerer Teile der schulischen und berufstätigen J. wird: 1968 gab es 8.400 J.-Brigaden und 12.044 J.-Objekte; für 1977 lauten die Zahlen: 29.897 bzw. 83.053. Die MMM-Bewegung wuchs zwischen 1970 und 1976 von 0,6 auf 2,2 Mill. Teilnehmer. Insgesamt dienen die J.-Kollektive vornehmlich der individuellen und vor allem gesellschaftlichen Leistungs- und Effektivitätssteigerung. Sie wurden daher vom AfJ als eine „durch die FDJ organisierte Aktivität junger Menschen“, von der FDJ selbst als „neue Führungsmethode“ bezeichnet. Andererseits bestätigen empirische Untersuchungen des Zentralinstituts für J.-Forschung und andere Erhebungen den tendenziell positiven Einfluß der J.-Kollektive auf Kenntnisse, Arbeitshaltung, Selbstvertrauen und Selbständigkeit der Mitglieder. X. Sozialpolitische Maßnahmen Als Erfolge der sozialistischen J.-Politik gelten ferner die sozialpolitischen Maßnahmen zur Förderung junger Ehen, für Studenten und Lehrlinge sowie für junge Mütter wie: Geburtenbeihilfe, Arbeitszeit- und Urlaubsregelung, Gewährung von Krediten und der mit der Geburt von Kindern verbundene Krediterlaß, Schulspeisung, Stipendien für 90 v. H. der Studenten. Internatsplätze und finanzielle Förderung für Studentinnen mit Kind. Ferner die Maßnahmen und Erfolge auf dem Gebiete des Sports, der Wehrerziehung und der Kulturpolitik. XI. Jugendweihe und Arbeiterweihe Alle Maßnahmen der J.-Politik im Bildungs- und Ausbildungssektor, in der Arbeitswelt, auf dem Gebiet der Sozial-, Sport-, Wehr- und Kulturpolitik sind eng verknüpft mit dem Grundziel der „Entwicklung und Festigung des sozialistischen Bewußtseins“. Dieser Zielsetzung dienen auch 2 spezielle Formen politisch-moralischer Erziehung: die Jugendweihe und die sog. Arbeiterweihe. Markiert die J.-Weihe die „Aufnahme in das aktive gesellschaftliche Leben“, so wird z. B. seit dem Jahr 1973 in zunächst einzelnen Betrieben der Deutschen Post im Bezirk Neubrandenburg auch die Aufnahme der Lehrlinge in das Betriebskollektiv in „würdiger Form gestaltet“. Seit dem gemeinsamen Beschluß des Zentralkomitees der SED, des Ministerrats der DDR, des Bundesvorstandes des FDGB und des Zentralrats der FDJ vom 7. 12. 1976 über Fragen der Berufsbildung, der auch „von neuen Traditionen bei der Aufnahme der jungen Facharbeiter in die Arbeitskollektive“ spricht, hat sich die Zahl der Ar[S. 562]beiterweihen stark erhöht. Das Facharbeiterzeugnis, der erste Arbeitslohn, der Betriebsausweis, gelegentlich auch ein Satz Werkzeuge und eine Urkunde über die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse werden in einer Feierstunde, die teilweise nach sowjetischem Vorbild als Arbeiterweihe bezeichnet wird, von Aktivisten oder Arbeiterveteranen überreicht. Die jungen Facharbeiter geloben, „durch ihre Arbeitstaten den revolutionären Arbeitsruhm des Betriebes (Kombinates, der Brigade usw.) zu mehren“. So meldet der Bezirk Neubrandenburg, daß im Jahr 1976 44 v. H. und 1977 bereits 85 v. H. aller auslernenden Lehrlinge an Arbeiterweihen teilgenommen hätten. Mit Hilfe dieser Weihen sucht die SED die Herausbildung sozialistischen Bewußtseins bei den Jugendlichen zu fördern und damit das Hauptziel ihrer politisch-ideologischen Erziehung in den Schulen und Universitäten sowie den Schulungsveranstaltungen von FDJ und JP zu unterstützen. Die hohe Zahl der Ehescheidungen, die hohe Erwerbsquote der Frauen und Mütter, die Jugendhilfe und die Kriminalität der J. sowie der hohe Stellenwert, der der Erziehung zu bewußter Disziplin beigemessen wird, deuten auf ungelöste Probleme in der J.-Politik der SED-Führung hin. Arnold Freiburg Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 557–562 Jüdische Gemeinden A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Jugendarzt

Jugend (1979) Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Begriff, Umfang, Zusammensetzung Der Begriff J. ist mehrdeutig. Sprachgebrauch und Recht unterscheiden zwischen den bis zu 14jährigen Kindern, den über 14jährigen Jugendlichen (der J. im engeren Sinne) und den volljährigen Erwachsenen. Das Jugendgesetz der DDR stellt dagegen auf die Gesamtheit der unter 25jährigen ab. Allerdings hatte der Jugendverband der DDR, die FDJ, 1977/78 unter seinen Mitgliedern einen…

DDR A-Z 1979

1979: W, X, Y, Z

Waffenbesitz Wahlen Wählerauftrag Währung/Währungspolitik Waldheimer Prozesse Wandel, sozialer Wappen Warenfonds Warenhäuser Warenkontore, Zentrale Warenverkehr, innerdeutscher Warenverkehr, Nichtkommerzieller Warenzeichen Warschauer Pakt Wartezeiten Wasserstraßen Wasserwirtschaft Wehrbezirkskommando Wehrdienst Wehrdienstverweigerung Wehrersatzdienst Wehrerziehung Wehrkreiskommando Wehrpflicht Weinbau Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) Weltfestspiele der Jugend Weltfriedensrat Weltgewerkschaftsbund (WGB) Weltraumforschung Wenden Werbung Werkstattprinzip Werktätiger Werkzeugmaschinenbau Wertgesetz Wertpapiere Wert- und Mehrwerttheorie Westgeldeinnahmen Westorientierung Wettbewerb, Sozialistischer Widerspruch Widerstand Wiedergutmachung Wiedervereinigungspolitik der SED Wilhelm-Pieck-Universität Rostock Wirtschaft Wirtschaftliche Rechnungsführung Wirtschaftsausschüsse Wirtschaftsmessen und -ausstellungen Wirtschaftspläne Wirtschaftspolitik Wirtschaftsrecht Wirtschaftsstrafrecht Wirtschaftssystem Wirtschaftsverband Wirtschaftsverträge Wirtschaftsverträge, Internationale Wirtschaftswerbung Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftszweig-Lohngruppenkatalog Wismut-AG Wissenschaft Wissenschaftliche Industriebetriebe Wissenschaftliche Räte Wissenschaftlicher Beirat für Jugendforschung Wissenschaftlicher Rat für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung bei der AdW Wissenschaftlicher Sozialismus Wissenschaftlich-technische Revolution (WTR) Wissenschaftlich-technischer Vorlauf Wissenschaftlich-technische Zentren Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (WTZ) Wohnbezirk Wohnungsbau Wohnungswesen Zahlenlotto Zahlungsbilanz und Zahlungsbilanzpolitik Zahlungsverkehr Zehn Gebote der Sozialistischen Moral Zeitlohn Zeitnormative Zeitschriften Zeitungsaustausch Zeitungsvertriebsamt (ZVA) Zensur Zentrag Zentrale Arbeitskreise für Forschung und Technik (ZAK) Zentrale Entwicklungs- und Konstruktionsbüros Zentrale Revisionskommissionen (ZRK) Zentrales Forschungsinstitut für Arbeit (ZFA) Zentrales Unternehmen „konsument“ Zentralgeleitete Industrie Zentralhaus für Kulturarbeit Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Zentralinstitut für Arbeitsschutz, Dresden Zentralinstitut für Fertigungstechnik des Maschinenbaus der DDR (ZIF) Zentralinstitut für Hochenergie-Physik Zentralinstitut für Information und Dokumentation (ZIID) Zentralinstitut für Jugendforschung Zentralinstitut für Kernforschung Zentralinstitut für Schweißtechnik (ZIS) Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED Zentralisation Zentralkomitee (ZK) der SED Zentralrat der FDJ Zentralverwaltung für Statistik Zeugen Jehovas Zins und Zinspolitik Zivilgesetzbuch Zivilprozeß Zivilrecht Zivilverteidigung Zollbestimmungen im innerdeutschen Reiseverkehr Zölle Zollgesetz Zollverwaltung der DDR Zollwesen Zoologische Gärten Zusatzrentenversicherung, Freiwillige (FZR) Zuwachsrate Zwangsvollstreckung Zweijahrplan Zwei-Staaten-Theorie

Waffenbesitz Wahlen Wählerauftrag Währung/Währungspolitik Waldheimer Prozesse Wandel, sozialer Wappen Warenfonds Warenhäuser Warenkontore, Zentrale Warenverkehr, innerdeutscher Warenverkehr, Nichtkommerzieller Warenzeichen Warschauer Pakt Wartezeiten Wasserstraßen Wasserwirtschaft Wehrbezirkskommando Wehrdienst Wehrdienstverweigerung Wehrersatzdienst Wehrerziehung Wehrkreiskommando Wehrpflicht Weinbau Weltbund der Demokratischen Jugend…

DDR A-Z 1979

Aktionseinheit der Arbeiterklasse (1979)

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Definiert als Zusammenwirken verschiedener Organisationen der Arbeiterbewegung in nichtsozialistischen Staaten zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen ungeachtet politischer und ideologischer Unterschiede. Die AdA. soll die organisatorische Spaltung der Arbeiterbewegung überwinden helfen und den Kern eines umfassenderen Bündnisses aller antikapitalistischen Kräfte bilden. Bereits die Niederschlagung des Kapp-Putsches in Deutschland 1920 gilt als Erfolg der Verwirklichung der AdA. In ihrer allgemeinen Form wurde diese jedoch erst angesichts des Faschismus durch den VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale (Komintern) 1935 theoretisch konzipiert. Die SED, die sich selbst als Ergebnis der auf dem Gebiet der heutigen DDR praktizierten Aktionseinheit zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten begreift, propagierte bis zum VII. Parteitag der SED 1967 die Herstellung der AdA. in der Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung für auch dort durchzuführende gesellschaftspolitische Veränderungen und setzte sich, weiterhin, für die Herstellung einer AdA. der DDR und der Bundesrepublik als Voraussetzung für die Normalisierung zwischen beiden deutschen Staaten ein. Auch die internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien in Moskau 1969 forderte die Kommunisten und anderen oppositionellen Kräfte nichtsozialistischer Staaten, besonders die Sozialdemokraten, zur Aktionseinheit auf. Mit der AdA., die eine wichtige Rolle in der gegenwärtigen Politik kommunistischer Parteien Westeuropas spielt, ist nicht der Begriff der „Aktionseinheit aller Kommunisten“ zu verwechseln, den die SED und andere eng mit der KPdSU verbündete Parteien in der internen Diskussion der kommunistischen Weltbewegung verwenden, wenn sie an abweichlerische Parteien appellieren, ihre Positionen zugunsten der Wiederherstellung der größeren Geschlossenheit im Weltkommunismus — zumindest zeitweilig für die gemeinsame Durchführung einzelner Aktionen — zurückzustellen. Bündnispolitik. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 37 Aktien A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Aktiv

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Definiert als Zusammenwirken verschiedener Organisationen der Arbeiterbewegung in nichtsozialistischen Staaten zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen ungeachtet politischer und ideologischer Unterschiede. Die AdA. soll die organisatorische Spaltung der Arbeiterbewegung überwinden helfen und den Kern eines umfassenderen Bündnisses aller antikapitalistischen Kräfte bilden. Bereits die Niederschlagung des…

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Seerecht (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Gesamtheit der Rechtsnormen für die Seeschiffahrt und andere Bereiche der Meeresnutzung. Unterschieden wird internationales S., das auf völkerrechtlichen, zumeist multilateralen Verträgen beruht oder als Gewohnheitsrecht anerkannt wird, und nationales (innerstaatliches) S. In der DDR erlangte internationales S. Geltung dadurch, daß [S. 954]Abkommen, denen das ehemalige Deutsche Reich vor dem Ende des II. Weltkrieges angeschlossen war, für wiederanwendbar erklärt wurden; die DDR internationalen Abkommen beigetreten ist; S.-Regeln, die nicht in völkerrechtlichen Abkommen festgelegt sind, aber als Vertragsrecht Bedeutung gewonnen haben, beim Abschluß von Verträgen im Seeverkehr mit zugrunde gelegt werden; die DDR bilaterale Verträge abschließt, und zwar Schiffahrtsverträge zur Förderung des Seeschiffsverkehrs beider Länder, meist gekoppelt mit Handelsverträgen über Inanspruchnahme der Häfen, Umschlageinrichtungen, Versorgungsbetriebe sowie über Gebühren. Schiffspapiere u. a.; die DDR hat mit den meisten sozialistischen Ländern Handels- und Schiffahrtsverträge abgeschlossen; die DDR gewohnheitsrechtliche Normen des internationalen S. anwendet, die allgemein als rechtlich verbindlich betrachtet werden. In den letzten Jahren ist die DDR mehreren internationalen S.-Konventionen beigetreten. Dem internationalen S. zuzurechnen sind auch die Vereinbarungen, die die Mitgliedsländer des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zur Wahrung ihrer gemeinsamen seewirtschaftlichen Interessen getroffen haben und an denen die DDR beteiligt ist. Im innerstaatlichen S. der DDR wurden die Bestimmungen, die aus der Zeit vor dem Ende des II. Weltkrieges bzw. des vorigen Jahrhunderts weitergegolten hatten (sog. sanktionierte Normen) aufgehoben und ersetzt u. a. durch das Seehandelsschiffahrtsgesetz der DDR — SHSG — vom 5. 2. 1976 (GBl. I, S. 109), die VO über die Flaggenführung und Eigentumsrechte an Schiffen und das Schiffsregister — Schiffsregisterverordnung — vom 27. 5. 1976 (GBl. I, S. 285), VO über zivilrechtliche Verfahren in Schiffahrtssachen — Schiffahrtsverfahrensordnung (SchVO) — vom 27. 5. 1976 (GBl. I, S. 290). Das SHSG regelt alle schuldrechtlichen Beziehungen der Seeschiffahrt. Es gilt nicht nur für die Handelsschiffahrt, sondern für die gesamte Seeschiffahrt der DDR sowie in ihren Häfen und Territorialgewässern und dort auch für die Binnenschiffahrt. Die Neugestaltung des innerstaatlichen S. der DDR geschah im Rahmen der Kodifikation großer Bereiche des Rechtssystems der DDR wie z. B. des Zivilrechts- und des Außenhandelsrechts (gleichzeitig mit dem SHSG trat das Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge — GIW — in Kraft, GBl. I, 1976, S. 61 (Rechtswesen; Wirtschaftsverträge, Internationale). Außer Kraft gesetzt wurden durch das SHSG insbesondere das IV. Buch des Handelsgesetzbuches vom 10. 5. 1897 (in zuletzt gültiger Fassung) sowie andere Gesetze und Verordnungen über das Seefrachtrecht, über privatrechtliche Verhältnisse der Binnenschiffahrt und der Flößerei sowie der Küstenschiffahrt; ferner sind durch das GIW in dessen Geltungsbereich auch das I.–III. Buch des HOB von 1897 außer Kraft gesetzt worden. In den S.-Gesetzen und -Verordnungen der DDR sind, so wird betont, internationale S.-Normen berücksichtigt, soweit die DDR diese anerkannt hat, Rechtsvorschriften internationaler Konventionen eingearbeitet, und zwar neben denjenigen, denen die DDR bereits angehörte und die auch schon in der zuletzt in der DDR geltenden Fassung des IV. Buches des HGB enthalten waren (über Schiffszusammenstöße — von 1910 —, über Bergung und Hilfeleistung — von 1910 — sowie die Haager Regeln — von 1924), auch einige Konventionen, in denen die DDR noch nicht Mitglied ist wie z. B. die Konvention über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen von 1957, die Konvention zur Vereinheitlichung bestimmter Regeln über Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken von 1967, die Konvention über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden des Meeres von 1969. Auswirkung auf die Gestaltung des S. der DDR haben ferner die internationale technische und handelspolitische Entwicklung im Seeverkehr und die Bestrebungen zu internationaler Rechtsvereinheitlichung, um die sich u. a. die folgenden Organisationen bemühen: In der DDR ist im Juni 1972 eine „Gesellschaft für S.“ gegründet worden, die bereits in das internationale Schiffahrtskomitee (CMI = Comité Maritime International), dem seit mehr als 75 Jahren bestehenden nichtstaatlichen internationalen Verband der Vereinigungen für S., aufgenommen worden ist. Außerdem ist die Seeschiffahrt der DDR in weiteren nichtstaatlichen internationalen Organisationen vertreten, und zwar: BIMCO (Baltic and International Maritime Conference) = Vereinigung von Reedern, Schiffsmaklern und Fachverbänden für deren Zusammenwirken in Fragen des internationalen Seeverkehrs; ICHCA (International Cargo Handling Coordination Association) = Internationale Organisation für die Koordinierung der Transport- und Umschlagtechnik mit der Aufgabe, den Güterumschlag im Seeverkehr durch Zusammenwirken aller Beteiligten zu verbessern; PIANC (Permanent International Association of Navigation Congresses) = Internationale ständige Vereinigung der Schiffahrtskongresse; FIATA (Federation Internationale des Associations des Transitaires et Assimiles) = Internationale Föderation der Spediteur-Organisationen; UNIDROIT = Internationales Institut zur Vereinheitlichung des Privatrechts, insbesondere des Handelsrechts und des internationalen Transportrechts. Nach der Aufnahme der DDR in die UN 1973 gehört sie auch einer Reihe von zwischenstaatlichen Institutionen an, so der IMCO (Inter-Governmental Maritime Consultative Organization) = Beratende Seeschiffahrtsorganisation der UN mit Schwerpunkt Sicherheit der Seeschiffahrt (Seestraßenordnung), UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) = Konferenz für Handel und Entwicklung der UN sowie deren Schiffahrtskomitee. UNCITRAL (United Nations Commission of International Trade Law) = UN-Kommission für internationales Handelsrecht. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 953–954 Seenotrettungsdienst A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Seeschiffahrt

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Gesamtheit der Rechtsnormen für die Seeschiffahrt und andere Bereiche der Meeresnutzung. Unterschieden wird internationales S., das auf völkerrechtlichen, zumeist multilateralen Verträgen beruht oder als Gewohnheitsrecht anerkannt wird, und nationales (innerstaatliches) S. In der DDR erlangte internationales S. Geltung dadurch, daß [S. 954]Abkommen, denen das ehemalige Deutsche Reich vor dem Ende des II. Weltkrieges angeschlossen war, für…

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1979: M

Maifeier MAK-Bilanzen Malerei Maoismus Mark der Deutschen Demokratischen Republik Marktproduktion Markt und Marktforschung Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Marxismus-Leninismus (ML) Maschinenbau Maschinen-Traktoren-Stationen Masseninitiative Massenorganisationen Materialistische Geschichtsauffassung Materialwirtschaft Materielle Interessiertheit Materielle Verantwortlichkeit Mathematik Mathematik-Olympiade Mauer Medaillen Medienpolitik Medizinische Akademie Medizinische Ausbildung Medizinische Berufe Medizinische Facharbeiter Medizinische Fachschulen Medizinische Forschung Medizinische Kräfte, Mittlere Mehrleistungslohn Mehrwerttheorie Meinungsforschung Meister Meldewesen, polizeiliches Meliorationen Menschenhandel Menschenrechte Menschlichkeit, Verbrechen gegen Messen Messen der Meister von Morgen (MMM) Metallverarbeitende Industrie Mieten Mietermitverwaltung Mietrecht Militärakademie „Friedrich Engels“ Militärbezirk Militärgerichtsbarkeit Militarismus Militärmissionen, Alliierte Militärpolitik Militärstaatsanwaltschaft Militärstrafrecht Mindestlohn Mindestrente Mindesturlaub Ministerium der Finanzen Ministerium der Justiz Ministerium des Innern Ministerium für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau Ministerium für Außenhandel (MAH) Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Ministerium für Bauwesen Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie Ministerium für Chemische Industrie Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali Ministerium für Geologie Ministerium für Gesundheitswesen Ministerium für Glas- und Keramikindustrie Ministerium für Handel und Versorgung Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen Ministerium für Kohle und Energie Ministerium für Kultur Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft Ministerium für Leichtindustrie Ministerium für Materialwirtschaft Ministerium für Nationale Verteidigung Ministerium für Post- und Fernmeldewesen Ministerium für Schwermaschinen- und Anlagenbau Ministerium für Staatssicherheit Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Ministerium für Verkehrswesen Ministerium für Volksbildung Ministerium für Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau Ministerium für Wissenschaft und Technik Ministerrat Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte Mitropa Mitteldeutschland Mittlere Medizinische Fachkräfte Möbelindustrie Monopolkapitalismus Moral, Sozialistische Museen Museum für Deutsche Geschichte Musik Musikschulen Mutterschutz Mütterunterstützung

Maifeier MAK-Bilanzen Malerei Maoismus Mark der Deutschen Demokratischen Republik Marktproduktion Markt und Marktforschung Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Marxismus-Leninismus (ML) Maschinenbau Maschinen-Traktoren-Stationen Masseninitiative Massenorganisationen Materialistische Geschichtsauffassung Materialwirtschaft Materielle Interessiertheit Materielle Verantwortlichkeit Mathematik Mathematik-Olympiade Mauer Medaillen Medienpolitik …

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Apotheken (1979)

Siehe auch: Apotheken: 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Apothekenreform: 1953 1954 1956 Alle A. sind 1949 durch VO der Deutschen Wirtschaftskommission enteignet worden. Die Apotheker sollten für ihre Person berechtigt sein, ihren Betrieb weiterzuführen, nicht jedoch, ihn durch andere (Erben, Pächter) weiterführen zu lassen. Nach der „A.-Ordnung“ von 1958 sind A. grundsätzlich staatliche Einrichtungen; Inhaber älterer Betriebsrechte haben die „Staatliche Befugnis zum Betrieb der A.“ erhalten, die zurückgenommen werden kann und als Übergangsregelung zu verstehen ist. A. werden als „öffentliche A.“ vom Rat des Kreises betrieben, können aber verpachtet sein; sie können Arzneimittelausgabestellen als Nebenstellen führen, um Industriebetriebe. Einrichtungen des Gesundheitswesens und verkehrsmäßig wenig erschlossene Gebiete zu versorgen. Daneben gibt es als „nichtöffentliche A.“ Krankenhaus-A. und Tierärztliche A., außerdem die A. der bewaffneten Organe. Die A. sind zwar in der Regel kleine Einzelbetriebe, werden jedoch in jedem Kreis zentral von einem Kreis-Apotheker angeleitet; in vielen Kreisen sind Buchhaltung, Rezeptabrechnung und oft auch Lagerhaltung und Belieferung in einer „Pharmazeutischen Zentrale“ unter Leitung eines „Direktors für Pharmazie“ bei der Abt. Gesundheits- und Sozialwesen des Ra[S. 47]tes des Kreises bzw. der Stadt zusammengefaßt, häufig auch Spezialaufgaben (Rezeptur, Defektur) auf die A. einer Stadt verteilt. Damit soll der Lagerbestand an Arzneimitteln möglichst klein gehalten werden. Rezeptur und eigene Arzneimittelherstellung als Fertigpräparate machen je 5 v. H. des Arzneimittelumsatzes aus, industrielle Präparate stellen 90 v. H. Der Verkauf von Arzneimitteln auf Kosten der Einzelverbraucher hat einen Umsatzanteil von nur 12 v. H.; zwei Drittel des Umsatzes gehen zu Lasten der Sozialversicherung, der Rest wird in den Einrichtungen des Gesundheitswesens verbraucht, die aber in der Regel vom zuständigen Versorgungsbetrieb für Pharmazie und Medizintechnik direkt beziehen (Arzneimittelversorgung) Bestand: Anfang 1977 gab es 1.388 A., davon werden 1292 als Staatliche A., 14 als Verpachtete staatliche A., 36 als nichtstaatliche A. geführt (die nichtstaatlichen stellen 2,6 v. H. dar — 1950 waren noch 645 oder 38 v. H. aller A. in Privatbesitz); hinzukommen 574 Arzneimittelausgabestellen, außerdem 46 Krankenhaus-A. Auf 8.350 Einwohner kommt also 1 A. oder Arzneimittelausgabestelle. Das Deutsche Institut für Apothekenwesen in Jena, errichtet 1964, ist „Leitstelle“ für die angewandte Pharmazie (Technologie, Qualitätsprüfung, Organisation und Betriebswesen der A.) und Fortbildung des Personals. Es untersteht dem Ministerium für Gesundheitswesen. Die Arbeit in den A. ist stark verlagert worden von den Apothekern mit Hochschulabschluß hin zu mittleren medizinischen Kräften, zu den mittleren medizinischen Berufen mit Fachschulausbildung (A.-Assistenten. Pharmazie-Ingenieure) und A.-Facharbeitern (früher: A.-Helfer) mit Lehrausbildung. Aufgabe des Apothekers ist die technische und organisatorische Leitung der A. und die Anleitung und Überwachung des Personals. Bestand Anfang 1977: 3.498 Apotheker einschl. derjenigen in Industrie und Großvertrieb, sowie 6.400 A.-Assistenten und Pharmazie-Ingenieure. Mittleres medizinisches Personal in den A. erhält — nach Abschluß der 10klassigen Oberschule — seine (3jährige) Fachschulausbildung auf der Pharmazieschule in Leipzig (Ausbildungskapazität rd. 2.400 Studenten, davon nur 780 im „Direktstudium“, 1.500 im Fernstudium). A.-Facharbeiter durchlaufen eine 2jährige Lehrausbildung; sie können nach Bewährung in der Berufstätigkeit durch Weiterbildung zum A.-Assistenten oder Pharmazie-Ingenieur aufsteigen. Das geschieht überwiegend im Fernstudium. Gesundheitswesen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 46–47 Antisemitismus A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Apothekenassistenten

Siehe auch: Apotheken: 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Apothekenreform: 1953 1954 1956 Alle A. sind 1949 durch VO der Deutschen Wirtschaftskommission enteignet worden. Die Apotheker sollten für ihre Person berechtigt sein, ihren Betrieb weiterzuführen, nicht jedoch, ihn durch andere (Erben, Pächter) weiterführen zu lassen. Nach der „A.-Ordnung“ von 1958 sind A. grundsätzlich staatliche Einrichtungen; Inhaber älterer Betriebsrechte haben die „Staatliche…

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LDPD (1979)

Siehe auch: LDPD: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Liberal-Demokratische Partei Deutschlands: 1965 1966 1969 1975 Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD): 1985 Abk. für Liberal-Demokratische Partei Deutschlands. Gründungsaufruf am 5. 7. 1945: Bekenntnis zur „liberalen Weltanschauung“ und „demokratischen Staatsgesinnung“, zu Freiheitsrechten, Privateigentum, freier Wirtschaft und Berufsbeamtentum. Wie die anderen Parteien mußte sich die LDPD am 14. 7. 1945 in eine „feste Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ einreihen. Ihr Vorsitzender, Dr. Wilhelm Külz, versuchte bis zu seinem Tode (10. 4. 1948) liberale und demokratische Politik beim Wiederaufbau in der sowjetischen Besatzungszone trotz aller Behinderungen seitens der SED und der Besatzungsmacht zur Geltung zu bringen. Im Frühjahr 1946 zählte die LDPD bereits 113.000 Mitglieder, im Juni 1948 waren es sogar 183.000. Obwohl die Partei wie auch die CDU im Wahlkampf zu den einzigen demokratischen Wahlen im Herbst 1946 in vieler Hinsicht benachteiligt oder unterdrückt wurde, erreichte sie bei den [S. 666]Gemeindewahlen (September 1946) 21,1 v. H., bei den Landtagswahlen (20. 10. 1946) 24,6 v. H. und war nach der SED die zweitstärkste Partei geworden. Auf ihrem III. Parteitag (27. 2. 1949 in Eisenach) beschloß sie ein liberales Grundsatzprogramm, in dem sie ihre wesentlichen Forderungen aufrechterhielt und sich zu einer einzigen deutschen parlamentarisch-demokratischen Republik bekannte. Ein halbes Jahr später war der Widerstand der LDPD gegen ihre Gleichschaltung und die Gründung der DDR ohne vorher abgehaltene Wahlen zusammengebrochen. Ihre Führer Prof. Kastner, Dr. Hamann und Dr. Loch wurden Regierungsmitglieder der DDR, zahlreiche Liberaldemokraten wurden verhaftet und verurteilt, viele flüchteten und spielten später im politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Rolle. 1952 bekannte sich die LDPD-Führung vorbehaltlos zum „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“. Aussagen und Gliederung der LDPD wurden der SED angepaßt und nachgebildet. Es gibt Zehnergruppen, Orts- und Wohnbezirksgruppen, darüber Stadtgruppen, Stadtbezirksgruppen, Kreisverbände und Bezirksverbände. Wichtigstes Führungsgremium ist der Politische Ausschuß des Zentralvorstandes (Vors. seit 1967 Dr. Manfred Gerlach). Die LDPD wendet sich an Angestellte, Handwerksmeister, Komplementäre (vor allem bis 1972), Kommissionseinzelhändler und an nicht aus der Arbeiterklasse stammende Angehörige der Intelligenz. Sie ist damit eine „ständische“ Organisation geworden mit der fest umrissenen Aufgabe, den Mittelstand, die wenigen noch Selbständigen und Intelligenzler an die Politik der SED zu binden. „Die LDPD ist“, so heißt es in den Dokumenten des XII. Parteitages, der vom 2. bis 4. 3. 1977 in Weimar stattfand, „eine große, selbständige Partei, die sich dem Sozialismus verschrieben und sich damit ein breites Wirkungsfeld geschaffen hat und immer wieder schaffen wird“. Ihre Rolle wurde bei dieser Gelegenheit auch von der SED gewürdigt: „Ohne das Bündnis von Kommunisten und Nichtkommunisten ist der Aufbau des Sozialismus nicht möglich“ (Albert Norden). Folgerichtig heißt es im vom Parteitag 1977 neuformulierten Statut der Partei: „Die LDPD arbeitet mit der SED vertrauensvoll und kameradschaftlich zusammen.“ Noch deutlicher wird dieses Unterordnungsverhältnis in der gleichfalls beschlossenen Grundsatzerklärung: „Die Bündnispolitik der Arbeiterklasse und ihrer Partei ist und bleibt feste, unwiderrufbare Grundlage unserer sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates bis in den Kommunismus hinein.“ Eine nur untergeordnete Rolle spielt die LDPD bei der Besetzung von leitenden Funktionen im Staatsapparat: der DDR: sie stellt einen stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrats (Manfred Gerlach), einen stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates (Hans-Joachim Heusinger, der zugleich Justizminister ist) und nur einen stellvertretenden Minister. Der Mitgliederstand beträgt ca. 75.000. Zentralorgan ist „Der Morgen“, außerdem existieren Provinzzeitungen (Gesamtauflage: ca. 190.000). Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 665–666 Lastschriftverfahren A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Lebensstandard

Siehe auch: LDPD: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Liberal-Demokratische Partei Deutschlands: 1965 1966 1969 1975 Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD): 1985 Abk. für Liberal-Demokratische Partei Deutschlands. Gründungsaufruf am 5. 7. 1945: Bekenntnis zur „liberalen Weltanschauung“ und „demokratischen Staatsgesinnung“, zu Freiheitsrechten, Privateigentum, freier Wirtschaft und Berufsbeamtentum. Wie die anderen Parteien mußte sich die LDPD…

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Nationale Demokratie (national-demokratische Staaten) (1979)

Siehe auch: Nationale Demokratie: 1975 Nationale Demokratie (national-demokratische Staaten): 1985 Nationale Demokratie (Staaten der Nationalen Demokratie): 1969 Gegenwärtig in der DDR nur noch selten gebrauchte Bezeichnung für einen Typ von Entwicklungsländern, die nach der erstmals auf der kommunistischen Weltkonferenz von 1960 entwickelten These den „Weg des sozialen Fortschritts rascher … beschreiten“, „konsequent gegen den Imperialismus und seine Militärblöcke“ und die „neuen Formen des Kolonialismus“ kämpfen, „der Bevölkerung breiteste demokratische [S. 751]Rechte und Freiheiten“ gewähren und deren Führer sich gegen „den demagogischen Mißbrauch der sozialistischen Losungen durch die bürgerlichen Politiker“ wenden und enge Beziehungen zum sozialistischen Lager unterhalten. Staaten der ND. sind aus dieser Sicht gekennzeichnet durch „ein breites Bündnis verschiedener Klassen und Schichten“, zu denen die „Arbeiterklasse, die werktätige Bauernschaft, das ländliche Halbproletariat, das städtische Kleinbürgertum sowie die demokratische und revolutionäre Intelligenz“ zählen (Wörterbuch zum sozialistischen Staat. Berlin [Ost] 1974, S. 194 f.). Der Gruppe von Staaten der ND. wurden zunächst Indonesien, Ceylon, Irak, die VAR (Ägypten), Ghana, Guinea zugerechnet. Nach den innenpolitischen Änderungen in einigen dieser Staaten und der folgenden Verschlechterung der Beziehungen zur Sowjetunion wird seit 1965 auf eine Konkretisierung, welche Staaten im einzelnen als Staaten der ND. zu bezeichnen sind, weitgehend verzichtet. Statt dessen werden gegenwärtig die Entwicklungsländer (E.) in die folgenden Kategorien eingeteilt: E., die einen „nichtkapitalistischen Entwicklungsweg“ gehen und sich außenpolitisch an das „sozialistische Lager“ anlehnen (auch: „Länder sozialistischer Orientierung“). E., die sich (noch) auf dem kapitalistischen Entwicklungsweg befinden, aber eine „antiimperialistische Außenpolitik“ treiben. E., die den kapitalistischen Entwicklungsweg eingeschlagen haben und sich auch außenpolitisch an die „imperialistischen Länder“ anlehnen, E., die noch einen „halbkolonialen Status“ besitzen, deren „nationale Befreiungsbewegungen“ aber die Loslösung von den Mutterländern erkämpfen. Außenpolitik; Entwicklungshilfe; Neokolonialismus. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 750–751 Nationaldemokratische Partei Deutschlands A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur

Siehe auch: Nationale Demokratie: 1975 Nationale Demokratie (national-demokratische Staaten): 1985 Nationale Demokratie (Staaten der Nationalen Demokratie): 1969 Gegenwärtig in der DDR nur noch selten gebrauchte Bezeichnung für einen Typ von Entwicklungsländern, die nach der erstmals auf der kommunistischen Weltkonferenz von 1960 entwickelten These den „Weg des sozialen Fortschritts rascher … beschreiten“, „konsequent gegen den Imperialismus und seine Militärblöcke“ und die…

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Militärpolitik (1979)

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Im Selbstverständnis der DDR ist M. die Politik, die der Sicherung und Verwirklichung der Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Partei sowie des Staates mit militärischen Mitteln dient. Darin unterscheidet sie sich von der Sicherheitspolitik, soweit diese die äußere Sicherheit betrifft. 1. Ideologische Grundlagen Als sozialistische M. beruht sie auf dem Marxismus-Leninismus, insbesondere auf der Lehre vom Klassenkampf, der Lehre vom sozialistischen Staat, der Lehre von der sozialistischen Revolution, der Lehre vom Krieg und den Streitkräften und vor allem auf der Lehre von der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes. Der Klassenkampf als Folge des Antagonismus der Klassen hat für die M. auch nach dem Verschwinden des Klassenkampfes in den sozialistischen Staaten Bedeutung, weil ersieh durch das Gegenüberstehen von sozialistischen und kapitalistischen Staaten im Weltmaßstab entwickelt. Sein wichtigstes Ziel ist, u. a. durch die militärische Stärkung der sozialistischen Staaten, einen Beitrag zur Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus zu schaffen. Dazu gehört auch die militärische Unterstützung („antiimperialistische Solidarität“) von Befreiungsbewegungen und sozialistischen Regimen in außereuropäischen Ländern. Die gegenwärtige Hauptform des Klassenkampfes ist der ideologische; er nimmt erst dann militärische Formen an, wenn eine andere Möglichkeit zur Abwehr der „aggressiven Politik des Imperialismus“ nicht mehr möglich ist. Gemäß der Lehre vom Krieg, wie sie von Lenin entwickelt wurde, wäre eine derartige Auseinandersetzung für die sozialistischen Staaten ein „gerechter“ Krieg, da sein Ziel, die Vernichtung des Imperialismus, mit den Zielen der revolutionären Arbeiterbewegung übereinstimmen würde. Als ungerechte Kriege werden in diesem Verständnis solche betrachtet, die diesen Zielen zuwiderlaufen. In seiner Charakterisierung des Krieges und seiner politischen Dimension griff Lenin auch auf die Thesen von Clausewitz zurück. Die Ansichten der vorleninistischen Klassiker des Marxismus-Leninismus über die Streitkräfte bzw. die Rolle des bewaffneten Volksheeres wurden relativiert: Heute sei ein stehendes Heer nach dem Prinzip der Kaderarmee notwendig, d. h. ein ständig vorhandener Bestand an Angehörigen der Streitkräfte, die politisch und militärisch zur Ausübung von Führungsfunktionen geeignet sind, während das Gros der Streitkräfte aus Wehrpflichtigen besteht. Unter den „gerechten“ Kriegen nimmt der Krieg zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes eine besondere Stellung ein; denn diese Lehre, die als ein allgemeingültiges Gesetz des Aufbaus von Sozialismus und Kommunismus bezeichnet wird, begründet die Verteidigung als internationale und kollektive Angelegenheit aller sozialistischen Staaten. Diese Auffassung hat u. a. zur ideologischen Begründung von multilateralen und bilateralen Beistandsverträgen gedient. Die Lehre von der Verteidigung beinhaltet auch die durch die M. zu verwirklichende moralische Komponente, da es nach ihr notwendig ist, einen Soldaten mit hohen kommunistischen Idealen, Treue zur Partei und zum ganzen Volk sowie zur Bereitschaft, alle Kräfte und Fähigkeiten für den Schutz der Interessen der sozialistischen Staatengemeinschaft einzusetzen, zu erziehen. Dieses Ziel, das auch für die Ge[S. 725]staltung der Wehrmoral als Aufgabe der sozialistischen Wehrerziehung gilt, ist im Fahneneid der Nationalen Volksarmee verankert. II. Politische Grundlagen Die ideologische Basis der M. spiegelt sich in der jeweiligen politischen Begründung ihrer Ziele und Maßnahmen wider. Diese sind im Militärprogramm der SED, in der Militärdoktrin und in aktuellen Beschlüssen zur M. der Partei- und Staatsführung zu finden. Das Militärprogramm der SED enthält die von der Partei formulierten militärpolitischen Grundsätze und Ziele. Seine einzelnen Bestandteile bilden bestimmte Schlußfolgerungen, die aus der Einschätzung der internationalen Lage, dem Charakter der möglichen Kriege und der Erkenntnisse der Militärwissenschaften gezogen werden. Es enthält ferner Aussagen zu Problemen der Herstellung der Verteidigungsbereitschaft, zu Bündnisverpflichtungen und über die Einstellung zum angenommenen Gegner und seine militärischen Kräfte sowie die allgemeinen Festlegungen der militärpolitischen Aufgaben und Ziele und die grundlegenden Prinzipien der Wehrerziehung. Das Militärprogramm beruht z. T. auf der Militärdoktrin. Die Militärdoktrin ist nicht festgeschrieben, sondern wird den jeweiligen politischen, militärstrategischen und rüstungstechnischen Bedingungen entsprechend formuliert. Sie umfaßt eine politisch-soziale und eine militärisch-technische Komponente. Erstere enthält die Aussagen über den politischen Charakter des zukünftigen möglichen Krieges, seine politische Zielsetzung und die Prinzipien seiner Führung sowie die politische Funktion der Streitkräfte. Die militärisch-technische Komponente enthält die Grundzüge für die Vorbereitung der Streitkräfte, der Bevölkerung und des ganzen Landes auf den Krieg und die im Kriegsfall zu erfüllenden Aufgaben in den einzelnen Bereichen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Festlegungen schlagen sich in gesetzlichen Vorschriften, militärischen Befehlen und den Führungsprinzipien der Streitkräfte nieder. Die Vorbereitung und Durchführung des Krieges sowie seiner einzelnen strategischen Operationen gehören zum Bereich der Militärstrategie. Die DDR hat keine eigene nationale Militärdoktrin entwickelt; gemäß ihrer internationalistischen M. ist für sie die einheitliche Militärdoktrin der Warschauer Vertragsstaaten, die auf der sowjetischen Militärdoktrin beruht, verbindlich. Eine militärische Konfrontation der beiden deutschen Staaten wird nicht als Besonderheit gewertet, da davon ausgegangen wird, daß dieser Krieg ein Krieg des „Imperialismus“ gegen den „Sozialismus“ sei und der Kampf Deutscher gegen Deutsche daher kein wesentliches politisches Merkmal eines möglichen Krieges sein könne, zumal dieser für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland Merkmale eines nationalen Befreiungskriegs annehmen würde. III. Entwicklung der Militärpolitik Eine eigenständige und durch nationale Besonderheiten gekennzeichnete M. der DDR gibt es im engeren Sinne erst seit 1952 bzw. 1955. Zwar gab es seit 1948 den Aufbau von Einheiten der Kasernierten Volkspolizei (KVP); auch Verbände der Grenztruppen der DDR und der Transportpolizei wurden frühzeitig aufgestellt. Zweifellos wurden damit erste militärpolitische Überlegungen der SED-Führung realisiert. Aber ihre Entstehung war das Ergebnis sowjetischer Politik; ihre Bewaffnung, Stärke und Führungsgrundsätze ließen sie als vornehmlich für Polizeiaufgaben geeignet erscheinen. Erst mit dem Aufbau der Nationalen Streitkräfte wurde 1952 versucht, den Grundstock für eine nach militärischen Prinzipien organisierte Streitkraft zu schaffen. Die Rolle der „Nationalen Streitkräfte“, mit denen die Einheiten der KVP gemeint waren, wurde auf der II. Parteikonferenz der SED (1952) definiert. Sie sollten sowohl die Grundlagen des Staates stärken als auch den Willen zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands verkörpern. Die Erfahrungen der folgenden Jahre, insbesondere des Jahres 1953, veranlaßte die SED, ihre M. nicht nur auf die KVP auszurichten, sondern die Bereitschaft zur Verteidigung der DDR unter den Bürgern durch gezielte militärpropagandistische Arbeit zu verstärken, die militärische Basis durch die Gründung der Kampfgruppen zu verbreiten und die Arbeit der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) auf die Propagierung des Wehrdienstes zu konzentrieren. Die politisch-ideologische Arbeit in der KVP sollte sie als Machtsicherungsinstrument im Sinne der SED stabilisieren. Es gelang, wenn auch unter Schwierigkeiten, mit der Entwicklung der KVP den Grundstock für die NVA zu schaffen. Die NVA wurde 1956 gegründet. Die Mehrzahl der Offiziere entstammte der Arbeiterklasse und war fachlich kaum geschult. Personelle Schwierigkeiten gab es auch im Bereich der Unterführer und Mannschaften, da das Prinzip der Freiwilligkeit einen planmäßigen personellen Ausbau der Armee beträchtlich erschwerte. Diese Schwierigkeiten wurden durch die Einführung der Wehrpflicht 1962 beseitigt, während die fachliche Ausbildung der Angehörigen der NVA durch intensive Beratungstätigkeit sowjetischer Offiziere sowie den Ausbau der Ausbildungsinstitutionen verbessert wurde. Neben dem Auf- und Ausbau der NVA und deren Einbeziehung in die Streitkräfte des Warschauer Vertrags galt die M. der SED den anderen bewaffneten Kräften. Dazu zählen die Bereitschaften der VP, die Transportpolizei, die Einheiten des Ministeriums für Staatssicherheit, die Grenztruppen (bis 1961 [S. 726]Deutsche Grenzpolizei, von 1961 bis 1974 in die NVA eingegliedert, seither keine Teilstreitkraft der NVA mehr) und die Kampfgruppen. Seit 1958 zählt auch der Luft- und Katastrophenschutz als Teilbereich der M. der SED. Das Ziel der M. bestand darin, alle diese Bereiche personell und materiell zu stärken und zu einem umfassenden, gut organisierten System der militärischen Sicherung zu entwickeln. Die Eingliederung der NVA in die Vereinigten Streitkräfte des Warschauer Paktes wurde seit 1961 durch eine Reihe von Manövern mit sowjetischen Truppen und Stäben, aber auch Verbänden anderer Vertragsstaaten forciert. Nur unzureichend gelang es jedoch, die Wehrbereitschaft in der Bevölkerung zu fördern. Das Verteidigungsgesetz vom September 1961 bildete die staatsrechtliche Grundlage für den Aufbau einer Landesverteidigung, nachdem bereits im Februar 1960 zur einheitlichen Leitung dieser Politik auf der zentralen staatlichen Ebene der Nationale Verteidigungsrat der DDR gegründet worden war. Das Verteidigungsgesetz bezeichnet den Dienst in der NVA, den anderen bewaffneten Organen und im Luftschutz als Dienst zum Schutz der DDR. Es enthält alle Bestimmungen zur Durchführung der Verteidigungsmaßnahmen und der Erfüllung der Bündnisverpflichtungen in Friedens- wie in Kriegszeiten. Das im Januar 1962 erlassene Wehrpflichtgesetz wurde von einer Reihe weiterer Maßnahmen zum Ausbau der Streitkräfte begleitet: Anordnungen des Nationalen Verteidigungsrates regelten die Erfassung und Musterung von Wehrpflichtigen, den Reservistenstatus und die Förderungsmaßnahmen für aus dem aktiven Wehrdienst entlassene Soldaten; eine Dienstlaufbahnordnung wurde erlassen und ein „Militärstrafgesetz“ verkündet. Mit diesem Gesetz und der im April 1963 folgenden „Militärgerichtsordnung“ wurden die Voraussetzungen für die Militärgerichtsbarkeit geschaffen. Eine im März 1963 erlassene „Lieferordnung“ (letzte Fassung 1975, GBl. I. S. 689) bildete die gesetzliche Grundlage für die Sicherung des militärischen Bedarfs der Streitkräfte durch die Volkswirtschaft der DDR; die Mehrzahl der Rüstungslieferungen erfolgte und erfolgt aus der Sowjetunion. 1964 war die Ausrüstung der NVA mit der Erstausstattung abgeschlossen; die M. der SED hatte ihr Ziel, eine kampfkräftige Armee aufzubauen, erreicht. Die Integration der NVA in die Streitkräfte des Warschauer Vertrags, die ab 1961/62 verstärkt wurde, führte 1965 zur Eingliederung der mobilen Teile in die „erste strategische Staffel“. Das bedeutete nicht nur die militärische Anerkennung durch die Sowjetunion, sondern auch, daß die DDR nunmehr einen erhöhten militärischen Beitrag im Rahmen des Warschauer Vertrags leisten mußte. Seit dem 3. Kongreß der GST im August 1964 wurde auch eine verstärkte wehrpolitische Agitation unter der Jugend durch die GST eingeleitet, um für die Führungsstellen ausreichenden Nachwuchs an Freiwilligen zu erhalten und durch die Mitarbeit in der GST die vormilitärische Ausbildung zu fördern. Festigung und Entwicklung der sozialistischen Wehrmoral, Förderung der politischen Arbeit in der NVA und intensive Vorbereitungen zur Schaffung eines Systems der Landesverteidigung bestimmten die M. der SED bis 1968. Die Beteiligung an der militärischen Intervention in der ČSSR war aus ihrer Sicht konsequent, denn sie bedeutete die Abwehr einer für ihre Politik gefährlichen Entwicklung. Die Aktion im August 1968 wurde auch als Bestätigung der M. der SED und der NVA als eines voll einsatzbereiten militärischen Instruments gewertet. 1968/69 wurde mit dem Aufbau eines Zivilverteidigungssystems begonnen. Die gesetzliche Grundlage dazu bildet das „Gesetz über die Zivilverteidigung“ vom September 1970. Damit war die Voraussetzung für den umfassenden Aufbau eines Landesverteidigungssystems in der DDR als Aufgabe der M. der SED gegeben. IV. Die gegenwärtige Gestaltung der Militärpolitik Im Selbstverständnis der SED hat ihre M. internationalistischen Charakter, da die Verteidigung der Warschauer Vertragsstaaten kollektiv durch alle Länder des Bündnisses erfolgt. Die SED ist bemüht, die nationalen Voraussetzungen für die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen zu schaffen. Im militärischen Bereich bedeutet dies, nachdem seit 1972 keine Manöver der Vereinten Streitkräfte mit Beteiligung der NVA mehr stattgefunden haben (1969: „Oder-Neiße“, 1970: „Waffenbrüderschaft“, 1971: „Herbststurm“, 1972: „Schild 72“), daß die Zusammenarbeit von Einheiten der NVA und der Sowjetarmee intensiviert wurde. Gestiegen ist der Anteil der DDR an den rüstungswirtschaftlichen Kosten. Der zentrale Punkt der gegenwärtigen M. der SED ist die „unablässige Stärkung der Verteidigungsbereitschaft“ (Erich Honecker) als „eine entscheidende Garantie dafür, den Frieden dauerhaft zu sichern und günstige Bedingungen für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und die Schaffung grundlegender Voraussetzungen für den Übergang zum Kommunismus zu gewährleisten“. Kernstück des Landesverteidigungssystems ist die Nationale Volksarmee; sie hat den Auftrag, die Grenzen des Territoriums der DDR und der anderen sozialistischen Staaten gemeinsam mit der Sowjetarmee und den Streitkräften des Warschauer Vertrags zu schützen. Dies gilt vor allem für die mobilen Truppen und Verbände der NVA, die in die Vereinten Streitkräfte integriert sind. Die Grenztruppen [S. 727]der DDR zählen nicht zur NVA; sie sind aber ebenso dem Kern der Landesverteidigung zuzurechnen. Einen weiteren Bereich bilden die bewaffneten Kräfte, die Aufgaben der inneren Sicherheit erfüllen und bei der Vorbereitung und Durchführung von Kampfhandlungen im Falle eines militärischen Konflikts den regulären Streitkräften Unterstützungsfunktionen leisten. Dies gilt in bestimmtem Maße auch für die Einheiten des Ministeriums für Staatssicherheit. Einen weiteren Bereich der Landesverteidigung stellen die Institutionen und Einrichtungen dar, die sowohl der Aus- und Weiterbildung als auch der militärwissenschaftlichen Arbeit dienen. Dazu gehören z. B. die Militärakademie „Friedrich Engels“ der NVA in Dresden, die Offiziershochschulen der Teilstreitkräfte und der Grenztruppen, die Hochschule der Deutschen Volkspolizei in Berlin (Ost), aber auch andere Institutionen, wie das Militärgeschichtliche Institut der DDR, das einen Beitrag zur Traditionspflege der NVA leisten sowie Militärpropaganda betreiben soll. In diesem Zusammenhang hat es die Aufgabe. Informationen über die M. der Bundesrepublik Deutschland zu sammeln und aufzubereiten und durch Veröffentlichungen über den Gegner und dessen politisch-militärische Maßnahmen die militärwissenschaftliche, -propagandistische und -politische Arbeit zu unterstützen. Einen weiteren Teil der sozialistischen Landesverteidigung bildet die Zivilverteidigung. Sie ist ein eigenständiger Bereich und gehört nicht zu den Streitkräften und den anderen bewaffneten Organen und verfügt über eine eigene Dienstlaufbahnordnung sowie ein eigenes Dienstverhältnis der Offiziere und Unteroffiziere. Ihre zentralen Aufgaben sind weiterhin der Luftschutz und der Katastrophenschutz. Die Unterstellung der Zivilverteidigung unter das Ministerium für Nationale Verteidigung (vorher war sie dem Ministerium des Innern zugeordnet) bedeutet, daß die DDR sich dem Verfahren der übrigen sozialistischen Staaten angeschlossen hat. Seit dem 1. 1. 1978 gilt eine neue Dienstlaufbahnordnung für die Zivilverteidigung, die die Grundlage für die Rekrutierung, Ausbildung und den Einsatz von Kadern mit politischen, staatsrechtlichen und Spezialkenntnissen darstellt (GBl. I, 1977, S. 365). Die Angehörigen der Zivilverteidigung haben einen ehrenamtlichen Status, der Dienst kann als Wehrersatzdienst geleistet werden. Mit dieser Vorschrift hat man die Grundlage dafür geschaffen, daß im Fall eines Einsatzes in geringerem Umfang auch wehrpflichtige Bürger einberufen werden können, um den Schutz der Bevölkerung und der Volkswirtschaft zu gewährleisten. Auch die Organisationen und Institutionen, die mit der sozialistischen Wehrerziehung befaßt sind, gehören zur sozialistischen Landesverteidigung, im weiteren Sinn auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), sofern es Aufgaben im Rahmen der Zivilverteidigung wahrnimmt. Zur ökonomischen Sicherung der Landesverteidigung werden bereits in Friedenszeiten auf internationalem wie nationalem Gebiet eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die Bestandteil der nationalen Wirtschaftsplanung sind (militärischer Bedarf der NVA und anderer Bereiche der Landesverteidigung, militärökonomische Integration, Rüstungsforschung und -entwicklung, Ausbau des militärischen Transport- und Sicherungswesens). Nach der Interpretation der internationalen Lage durch die SED wird die Entspannung ständig durch vermeintliche Aggressivität des Monopolkapitalismus bedroht bzw. kann nur, solange keine militärische Entspannung durch Abrüstung eintritt, durch weitere Stärkung der sozialistischen Staatengemeinschaft erreicht werden. Die Partei sieht daher keinen Anlaß, ihre militärpolitischen Maßnahmen abzuschwächen oder den weiteren Ausbau der Landesverteidigung zu vernachlässigen. Die behauptete Permanenz der Bedrohung durch den Imperialismus dient der SED als Grund, von den Streitkräften wie von der Bevölkerung weiterhin alle Anstrengungen zur Erfüllung der militärpolitischen Aufgaben zu verlangen. In jüngster Zeit stößt die SED besonders unter der jüngeren Bevölkerung auf Widerspruch bzw. es machen sich Erscheinungen der Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Propaganda von der Gefährlichkeit des Gegners breit. Sie wendet sich gegen diese Erscheinungen und bekämpft vor allem die Auffassung in der Bevölkerung, daß angesichts der behaupteten Stärke des sozialistischen Lagers und der ständigen Erfolge in der Sicherheitspolitik die sozialistischen Staaten als Zeichen guten Willens als erste einen Beitrag zur Abrüstung leisten könnten. Sie wehrt sich auch gegen den Vorwurf, daß ihre M. den Militarismus in der DDR fördere, indem z. B. durch die sozialistische Wehrerziehung militärische Normen einen hohen Stellenwert im Erziehungsprozeß erhielten, durch Rüstung der Volkswirtschaft Mittel für die Steigerung des Verbrauchsgüterangebots entzogen werden, militärische Kategorien im politischen Entscheidungsprozeß eine zu große Bedeutung hätten und der Ausbau des militärischen Bereichs zum Verzicht auf gesellschaftspolitische Reformen führe. Militarismus, so die SED, sei in sozialistischen Gesellschaften nicht möglich und mit deren Wesen unvereinbar, da er sich nur auf der Basis der kapitalistischen Eigentumsordnung entwickele und Kriterium des aggressiven Imperialismus sei. Diese Argumentation bezieht sich auf einen spezifischen Begriff des Militarismus, der keine Allgemeingültigkeit besitzt. Sie befreit die SED nicht von der Tatsache, daß ihre M. zu einer partiellen Militarisierung der DDR-Gesellschaft führt. Gero Neugebauer Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 724–727 Militärmissionen, Alliierte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Militärstaatsanwaltschaft

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Im Selbstverständnis der DDR ist M. die Politik, die der Sicherung und Verwirklichung der Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Partei sowie des Staates mit militärischen Mitteln dient. Darin unterscheidet sie sich von der Sicherheitspolitik, soweit diese die äußere Sicherheit betrifft. 1. Ideologische Grundlagen Als sozialistische M. beruht sie auf dem Marxismus-Leninismus, insbesondere auf der Lehre vom…

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Bergbau (1979)

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bis 1967 eigener Industriezweig. In ihm waren 1967 7 v. H. (183.300) der Arbeiter und Angestellten der Industrie beschäftigt; vom industriellen Bruttoanlagevermögen entfielen 16 v. H. auf diesen Bereich. Ab Planjahr 1968 werden die B.-Betriebe verschiedenen Industriebereichen mit den Zweigen Steinkohlenindustrie, Braunkohlenindustrie, Kali- und Steinsalzindustrie, Schwarzmetallurgie und NE-Metallurgie zugeordnet. Die Rohstoffbasis des B. ist relativ schmal. Sie erlaubt lediglich, den Eigenbedarf an Braunkohle und Kalisalzen aus inländischen Quellen zu decken. Auf 20 Mrd. t werden die abbauwürdigen Braunkohlenvorräte geschätzt. Obwohl dies noch nicht einmal 2 v. H. der Weltvorräte sind, ist die DDR mit einem Anteil von 30 v. H. das bedeutendste Braunkohlenförderland der Welt. 1978 war eine Fördermenge von 255 Mill. t geplant. In den 80er Jahren soll die Produktion weiter auf 270 Mill. t gesteigert werden. Vor dem Kriege konzentrierte sich die Förderung überwiegend auf die westelbischen Gebiete. Anfang der 50er Jahre wurde die Erschließung der Vorkommen — mit Schwerpunkt im Bezirk Cottbus — in großem Umfange aufgenommen. (Vorräte des „Lausitzer Reviers“ 11 Mrd. t.) Insgesamt verfügte die Braunkohlenindustrie Anfang 1978 über 35 Tagebaue, in denen die Förderung bzw. die Aufschlußarbeiten aufgenommen wurden. Rd. 100.000 Beschäftigte arbeiten gegenwärtig in den 18 Braunkohle-Kombinaten und -Betrieben, die vorwiegend in den Bezirken Cottbus und Leipzig angesiedelt sind. Von Vorteil ist, daß die Braunkohle im „Lausitzer“ und „mitteldeutschen Revier“ überwiegend in großen Feldern mit 200 Mill. t Vorrat ansteht, so daß kostengünstige Großtagebaue betrieben werden können. Allerdings verschlechtern sich die Förderbedingungen: Da die oberflächennahen Lagerstätten nahezu abgebaut sind, vermindert sich das Abraum-Kohle-Verhältnis: 1970 mußten für die Förderung einer Tonne Braunkohle 3,6 m³ Deckgebirge abgetragen werden, 1978 waren es bereits 4,7 m³, darüber hinaus müssen 6 m³ Wasser entfernt werden. Um die Braunkohlenförderung bis 1980 auf dem gegenwärtigen Niveau halten zu können, müssen im Planjahrfünft 1976–1980 7 neue Tagebaue mit einem Jahresaufkommen von rd. 100 Mill. t aufgeschlossen werden. Hierzu zählen die Vorkommen von Jänischwalde bei Cottbus, Delitzsch Südwest und Schlabendorf Süd. Energiewirtschaft. Die Steinkohleförderung wurde in der DDR 1977 vollständig eingestellt. Mangels abbauwürdiger Vorräte wurde die Kohle zuletzt nur noch in den Lagerstätten der Zwickauer Mulde gefördert. Die ungünstigen Abbauverhältnisse, die wiederum hohe Betriebskosten bedingten, haben dazu beigetragen, daß die Fördermengen (1960: 2,7 Mill. t) ständig zurückgenommen werden mußten. Zum Zeitpunkt der Produktionseinstellung arbeiteten im Zwickauer und Lugau-Oelsnitzer Revier nur noch 3.000 Bergarbeiter. Der für den Hochofenprozeß entstehende Bedarf an Steinkohle und Steinkohlenkoks wird durch Importe aus der UdSSR, der Tschechoslowakei und Polen gedeckt (1976: 9 Mill. t). Ein wichtiges Rohstoffreservoir für die Chemische Industrie sind die umfangreichen Steinsalz- und Kalivorkommen, die auf 5 Bill. t bzw. 13 Mrd. t geschätzt werden. Die Kaliindustrie beschäftigt rd. 32.000 Personen; drei Viertel ihrer Erzeugnisse werden exportiert. Die DDR ist damit einer der bedeutendsten Kaliexporteure der Welt; mit einer Jahresproduktion von 3,2 Mill. t (1976) nimmt sie den 3. Rang in der Welt ein. Gegenwärtig konzentriert sich die Kaliförderung noch auf das Werra- und Südharz-Revier. Dort befindet sich auch der zur Zeit größte Kalibetrieb (VEB Kalibetrieb „WERRA“, 9.000 Beschäftigte, Produktion rd. 1,3 Mill. t). Schwerpunkt des neuen Kaliprogramms bildet die Erschließung der Calvörder Scholle (bei Magdeburg). Hier sollen 0,7 Mrd. t Kali lagern. 1973 nahm dort der Kalibetrieb Zielitz die Produktion auf; er soll der größte Kaliproduzent der DDR werden. Aus den einheimischen Eisenerzlagerstätten kann die DDR lediglich 3 v. H. ihres Eigenbedarfs decken. Die Lagerstätten im Erzgebirge, Thüringer Wald, Harz und Harzvorland sind erschöpft bzw. nur noch im geringen Umfang abbauwürdig; die Eisenerze selbst sind eisenarm. Daher ist die Eisenerzförderung rückläufig. Wurden 1960 noch 1,6 Mill. t Roherz gefördert, so waren es 1976 nur noch 0,06 Mill. t. Selten sind auch die Erze von Stahlveredelungsmetallen, von denen lediglich das im Vorland des Erzgebirges abgebaute Nickelerz eine gewisse Bedeutung besitzt. Zwar befinden sich auf dem Territorium der DDR z. T. relativ umfangreiche Vorkommen von Buntmetallen. Ihr Abbau ist aber aufgrund der geringen Wertkonzentration erschwert bzw. wirtschaftlich nicht rentabel. Am bedeutendsten ist der Kupfer-B. mit etwa 27.000 Beschäftigten und einer (geschätzten) Jahresproduktion von knapp 20.000 t. Wichtigste Kupfervorkommen sind die südlich des Harzes gelegenen Mulden von Mansfeld und Sangerhausen (Cu-Gehalt bis zu 3 v. H.). Das [S. 145]Schwergewicht des Kupfer-B. hat sich jedoch in den letzten Jahren aus der Mansfelder in die Sangerhauser Mulde verschoben. Unter Berücksichtigung ständig steigender Importe liegt die inländische Produktion an Raffinade- und Elektrolytkupfer heute bei rd. 60.000 t jährlich. Abbauwürdige Blei- und Zinkerze (Gehalt etwa 2 bis 5 v. H.) befinden sich im Freiberger Raum; im Mansfelder Kupferschiefer treten Blei- und Zinkerze als Beimengungen auf. Die Erzförderung beträgt etwa 300.000 t, eine Steigerung ist gegenwärtig nicht möglich. Zentrum des Zinnerz-B. (Zinngehalt etwa 2 v. H.) ist Altenberg im Osterzgebirge; die Jahresproduktion betrug 1975 etwa 400 t Reinzinn und 1500 t Lötzinn. Im Zeitraum 1976–1980 soll die Produktion um knapp 50 v. H. gesteigert werden. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 144–145 Bergakademie Freiberg A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Bergbehörde

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bis 1967 eigener Industriezweig. In ihm waren 1967 7 v. H. (183.300) der Arbeiter und Angestellten der Industrie beschäftigt; vom industriellen Bruttoanlagevermögen entfielen 16 v. H. auf diesen Bereich. Ab Planjahr 1968 werden die B.-Betriebe verschiedenen Industriebereichen mit den Zweigen Steinkohlenindustrie, Braunkohlenindustrie, Kali- und Steinsalzindustrie, Schwarzmetallurgie und NE-Metallurgie zugeordnet. Die…

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Kinder- und Jugendliteratur (1979)

Siehe auch: Jugendliteratur: 1963 1965 1966 1969 1975 Kinder- und Jugendliteratur: 1969 1975 1985 Auf dem Gebiet der KuJ. sind in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 600 und 700 Titel mit einer Gesamtauflage zwischen 1 5 und 17 Mill. Exemplaren erschienen. Es gibt in der DDR 13 Verlage, die KuJ.-Literatur herausgeben. Eine Spitzenposition nimmt der Kinderbuch Verlag der DDR in Berlin (Ost) ein. Er hat von 1949 bis Ende 1977 rd. 7.000 Titel mit einer Gesamtauflage von mehr als 150 Mill. Exemplaren herausgebracht. Für die Herstellung sozialistischer Kinderliteratur werden 4 Quellen genannt: „das klassische deutsche Erbe und die humanistische Weltliteratur, die deutsche proletarische und die sowjetische Kinderliteratur“. Für den Kinderbuchverlag arbeiten etwa 140 belletristische Autoren und Übersetzer, 80 populärwissenschaftliche Autoren und 100 Grafiker. Seit Mitte 1958 untersteht der Kinderbuchverlag der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, einer Unterorganisation der FDJ. Erstes Buch des Verlages war 1949 „Der verwundete Sokrates“ von Bertolt Brecht. Spitzenreiter im Verlagsprogramm sind die Märchen der Gebrüder Grimm, die in verschiedenen Ausgaben in über 1~Mill. Exemplaren erschienen sind, und der sowjetische Bestseller „Timur und sein Trupp“ (bisherige Auflage: fast 700.000 Exemplare). Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren erzielten ferner: „Tinko“ von Erwin Strittmatter, „Trini“ von Ludwig Renn, „Mohr und die Raben von London“ von Ilse und Vilmos Korn, „Den Wolken ein Stück näher“ von Günter Görlich. Der Kinderbuchverlag stellt jährlich dem Buchklub der Schüler (fast 160.000 Mitglieder) etwa 800.000 Bücher zu herabgesetzten Preisen zur Verfügung, die nur in den Schulen vertrieben werden. Den Auftrag des Kinderbuchverlages sieht ein Verlagssprecher darin, „den weltanschaulichen Standpunkt der Leser mitzuformen. Wir wollen nicht junge Mathematiker, Physiker und Chemiker mit indifferenter Weltanschauung erziehen, sondern ― mit den Mitteln der Literatur ― junge charakterstarke Revolutionäre mit einem festen marxistisch-leninistischen Standpunkt, die eben deshalb zugleich gute Mathematiker, Physiker und Chemiker werden. Der ideelle Gehalt der Kinderliteratur muß sich über die Darstellung ethischer Verhaltensweisen in der sozialistischen Menschengemeinschaft mehr und mehr zu politisch-weltanschaulichen Fragestellungen ausweiten. Mit den sich in diesen Kämpfen und Auseinandersetzungen und bewährenden jungen und erwachsenen Menschengestalten unserer Zeit erfassen wir unser Ideal vom Menschen als Beherrscher und Veränderer unserer Welt.“ In der DDR erscheinen gegenwärtig 14 KuJ.-Zeitschriften mit einer jährlichen Gesamtdruckauflage von rd. 56 Mill. Exemplaren. Verlagswesen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 585 Kinderkrippen, Kindergarten A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Kirchen

Siehe auch: Jugendliteratur: 1963 1965 1966 1969 1975 Kinder- und Jugendliteratur: 1969 1975 1985 Auf dem Gebiet der KuJ. sind in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 600 und 700 Titel mit einer Gesamtauflage zwischen 1 5 und 17 Mill. Exemplaren erschienen. Es gibt in der DDR 13 Verlage, die KuJ.-Literatur herausgeben. Eine Spitzenposition nimmt der Kinderbuch Verlag der DDR in Berlin (Ost) ein. Er hat von 1949 bis Ende 1977 rd. 7.000 Titel mit einer Gesamtauflage von mehr als…

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Deutsche Volkspolizei (DVP) (1979)

Siehe auch: Deutsche Volkspolizei: 1969 Deutsche Volkspolizei (DVP): 1975 1985 Volkspolizei, Deutsche: 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 Im Selbstverständnis der DDR Organ der sozialistischen Staatsmacht, das nicht nur der Wahrung des gegenwärtigen Bestandes von Rechtsgütern (Gefahrenabwehr), sondern auch ― abweichend vom westlichen Polizeibegriff ― positiv der Verwirklichung angestrebter Gesellschaftsverhältnisse dient. Die Tätigkeit der DVP soll wie die jedes anderen Staatsorgans einen entwicklungsfördernden Charakter haben. Der Begriff DVP bezeichnete vom 1. 6. 1945 bis zum 18. 1. 1956 (Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung) alle waffentragenden Verbände der SBZ/DDR. Solche Verbände innerhalb der DVP, die eher militärische als polizeiliche Aufgaben erfüllten, waren die Kasernierte Volkspolizei, die Bereitschaftspolizei und die Deutsche Grenzpolizei. Die DVP war zunächst den Landes- und Provinzialverwaltungen, ab 1948 der Deutschen Verwaltung des Innern unterstellt und somit zonal zentralisiert. Seit der Gründung der DDR untersteht die DVP dem Ministerium des Innern, dessen Minister, seit 1963 Generaloberst Friedrich Dickel, zugleich Chef der DVP ist. Die DVP wird zentral von der Hauptverwaltung DVP geleitet, deren Chef Stellvertreter des Ministers des Innern ist. In der HVDVP laufen auch die Dienstzweige der DVP zusammen. Ihre wichtigsten sind: Schutzpolizei, Verkehrspolizei, Kriminalpolizei, Transportpolizei, Paß- und Meldewesen. Innerhalb der Schutzpolizei besteht als besonderer Dienstzweig der Betriebsschutz A(= aktive Volkspolizisten). Dienststellen der DVP in den Bezirken, Kreisen, Städten und Stadtbezirken sind: Bezirksbehörden der DVP (BDVP), VP-Kreisämter (VPKA), VP-Reviere. Der BDVP entspricht in Berlin das Polizeipräsidium mit je einer VP-Inspektion in den 8 Stadtbezirken. In Gemeinden, Stadtbezirken und Streckenabschnitten der Reichsbahn werden polizeiliche Aufgaben verantwortlich durch den Abschnittsbevollmächtigten (ABV) wahrgenommen. Den im Range eines Unterleutnants oder Leutnants der Schutzpolizei stehenden ABV wird im besonderen Maße die Aufgabe zugeschrieben, die Verbindung der DVP mit der Bevölkerung zu festigen. Unterstützt von gegenwärtig ca. 126.000 Freiwilligen Helfern der DVP überwachen die ABV u. a. die Einhaltung der Meldevorschriften durch Kontrolle der Hausbücher. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit obliegt der DVP insbesondere: Straftaten, Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten vorzubeugen, alle Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und aufzuklären, Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten zu ahnden sowie die Ursachen und Bedingungen der Straftaten, Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten aufdecken und beseitigen zu helfen; die Einhaltung der Ausweis-, Paß- und Meldebestimmungen zu gewährleisten; wichtige Betriebe, Anlagen und Objekte zu sichern; die ihr im Rahmen der Landesverteidigung übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Zu den in den militärischen Bereich übergreifenden Aufgaben der DVP gehört die Ausbildung der Kampfgruppen durch Instrukteure der Schutzpolizei. Nachdem man in der DDR anfangs von einer teilweisen Fortgeltung des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes und der anderen Landespolizeigesetze ausging, vollzog sich die Tätigkeit der DVP jahrelang faktisch ohne Rechtsgrundlage, bis sie schließlich durch das „Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der DVP“ vom 11. 6. 1968 geregelt wurde. Seit dem 1. 12. 1962 besteht die „Hochschule der Deutschen Volkspolizei“ in Berlin, die seit 1965 über das Promotionsrecht verfügt. Uniform der DVP: hellgrau-grün. Ca. 73.000 Mann, zusätzlich ca. 8.000 Mann Transportpolizei und ca. 15.000 Mann Betriebs[S. 258]schutz A. In jedem Jahr wird der 1. Juli als „Tag der Volkspolizei“ begangen. In der DVP gibt es folgende Dienstgrade: VP-Anwärter Unterwachtmeister Wachtmeister Oberwachtmeister Hauptwachtmeister Meister Obermeister Unterleutnant Leutnant Oberleutnant Hauptmann Major Oberstleutnant Oberst Generalmajor Generalleutnant <LI>Generaloberst. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 257–258 Deutsche Versicherungsanstalt A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Deutsche Wirtschaftskommission (DWK)

Siehe auch: Deutsche Volkspolizei: 1969 Deutsche Volkspolizei (DVP): 1975 1985 Volkspolizei, Deutsche: 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 Im Selbstverständnis der DDR Organ der sozialistischen Staatsmacht, das nicht nur der Wahrung des gegenwärtigen Bestandes von Rechtsgütern (Gefahrenabwehr), sondern auch ― abweichend vom westlichen Polizeibegriff ― positiv der Verwirklichung angestrebter Gesellschaftsverhältnisse dient. Die Tätigkeit der DVP soll wie die jedes anderen…

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Finanzkontrolle und Finanzrevision (1979)

Siehe auch: Finanzkontrolle: 1969 Finanzkontrolle und Finanzrevision: 1975 1985 Um ihre Regierungsaufgaben zu erfüllen, werden den zentralen Staatsorganen und den Gebietsverwaltungen auf Bezirks-, Kreis- und Gemeindeebene Etatmittel zur Verfügung gestellt. Diese Verteilung von Geldkapital erfolgt nach Maßgabe der Haushaltspläne. Auch die im Staatseigentum befindlichen Betriebe und Betriebsvereinigungen erhalten für die Erfüllung ausgewählter Wirtschaftsaufgaben (Erweiterungsinvestitionen, Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten) Geld aus der Staatskasse. Hinzu kommen, weiterhin, Subventionszahlungen bei besonderen Anlässen. Dazu gehören z. B. Zuschüsse zum Ausgleich von Verlusten oder produktgebundene Preisstützungen. Aufgrund dieser Umverteilung von Teilen des im Staatshaushalt konzentrierten Volkseinkommens ergibt sich für die Regierung der DDR die Verpflichtung, nachzuforschen, ob die Empfänger des Geldkapitals dieses plankonform, sparsam und zweckmäßig verwenden. Die durch Regierungsorgane durchgeführte „staatliche Finanzkontrolle“ (Fk.) umfaßt alle Überprüfungen, die feststellen sollen, ob zentrale und regionale Verwaltungsstellen sowie die Wirtschaftsbetriebe in ihrem Finanzgebaren das Staatsinteresse wahren und die zentralen Anweisungen befolgen. Neben der Fremdkontrolle, die durch externe Prüfungsorgane erfolgt, organisiert jeder Leiter einer Verwaltungsstelle und eines Wirtschaftsbetriebes zusätzlich noch eine Eigenkontrolle über den Umgang mit Finanzmitteln in seinem Verantwortungsbereich. Diese haus- oder betriebsinternen Kontrollen bedürfen meist keiner Anstöße von außen. Sie erfolgen aus Eigeninteresse der Leitungskader, denn bei diesen Kontrollaktionen geht es stets vorrangig darum festzustellen, ob die verfügbaren Finanzmittel zweckmäßig genutzt werden, um die dezentralen Sonderinteressen (insbesondere die Einkommensinteressen) von Verwaltungsinstanzen und Einzelbetrieben zu verwirklichen. Aufgabe der Fk. ist es, a) laufend das Finanzwesen und die Finanzdisziplin der „Haushaltsorgane“ und „Haushaltsorganisationen“ zu überprüfen (dazu gehören u. a. die Ministerien, Zentralen Ämter, die örtlichen Räte samt Verwaltungsunterbau, die Einrichtungen der „gesellschaftlichen Konsumtion“ im Bereich des Gesundheitswesens, der Kultur und des Sports und die Massenorganisationen). Außerdem ist der Fk. b) die fortwährende Überwachung der Finanzwirtschaft der produzierenden Wirtschaftseinheiten übertragen (VEB, Kombinate, VVB, Produktionsgenossenschaften). Letztlich erstreckt sich der Aufgabenbereich der Zentralen Fk. c) auch auf die Geschäftspolitik der Banken, Sparkassen und Versicherungen. In der Verwaltungspraxis und der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre wird von „staatlicher Finanzkontrolle“ hauptsächlich dann gesprochen, wenn es sich um die folgenden beiden Kontrollmaßnahmen handelt: a) die „Vorkontrolle“ der Qualität der gerade ausgearbeiteten Finanzpläne und b) die „kontinuierliche, mit[S. 380]laufende Kontrolle über das Maß der Erfüllung der Finanzpläne“. Finanzwirtschaftliche Pläne sind die Haushalts-, Kredit-, Valuta- und Kassenpläne sowie die globalen und einzelwirtschaftlichen Planbilanzen von Wirtschaftsgruppen (z. B. Staat, Banken, Industrie) und einzelnen Kombinaten sowie Betrieben. Die „nachträgliche Kontrolle“ der Finanzgebarung der Verwaltungen, Banken und Versicherungen nach Ablauf des Haushalts- und Geschäftsjahres sowie die rückblickende Überprüfung der Erfüllung der Finanzpläne der Produktionseinheiten ist Aufgabe der „Finanzrevision“ (Fr.). Die bei der Fk. angewendeten Analyse- und Prüfungsverfahren unterscheiden sich danach, ob die Überwachungsmaßnahmen „reinen“ Verwaltungsorganen gelten oder ob die Finanzen von selbständigen Betrieben und/oder überbetrieblichen Produktionsorganisationen überprüft werden sollen. Beide Arten von Institutionen verfolgen voneinander abweichende (Betriebs-)Zwecke. Die Unterschiedlichkeit der Aufgaben bestimmt jedoch nicht nur die Art der angewendeten Kontrollmethoden. Sie ist auch dafür verantwortlich, daß sich der staatliche Kontrollapparat der DDR selbst spezialisiert hat, je nachdem, ob haushaltswirtschaftliche Kontrollen gegenüber Etatmittelverwendern und Zuwendungsempfängern durchgeführt werden müssen oder ob die Aufgabe darin besteht, die Finanzwirtschaft von erwerbswirtschaftlich tätigen Betrieben zu überprüfen. Gegenüber den erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Organisationen (VEB; Kombinate; VVB) verfolgen die Fk. zunächst vor allem das Ziel, „ungeschminkt“ zu erfahren, welche Ergebnisse bei der a) vom Plan vorgeschriebenen und bei der b) auf Eigeninitiative der Produktionsorganisationen vorgenommenen Verwertung von Finanzkapital erzielt worden sind. Diese Erkundungen erfolgen durch gezielte Einholung von Informationen, periodisch angeforderte Rechenschaftsberichte und durch überraschend anberaumte Prüfungen der Buchhaltung und des betrieblichen Rechnungswesens. Werden durch die Kontrollen Leistungsmängel aufgedeckt, sind die Kontrollorgane verpflichtet. Maßnahmen vorzubereiten, mit denen die Effektivität der überprüften Wirtschaftsorganisationen verbessert werden kann. Die VEB, Kombinate und VVB der volkseigenen Wirtschaft sind verpflichtet, ihre Geschäftspolitik nach dem „Rentabilitätsprinzip“ (Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung) auszurichten. Diese Handlungsmaxime verlangt von ihnen, ihre Produktionskosten aus dem Erlös verkaufter Erzeugnisse, also durch eigene Leistungen, zu decken. Der Normalfall soll jedoch sein, daß die Betriebe und Betriebsvereinigungen einen Gewinn erwirtschaften. Das „Rentabilitätsprinzip“ verpflichtet somit die Produktionsorganisationen zu einer möglichst effizienten, flexiblen Kombination der Produktionsfaktoren im Rahmen der für sie verbindlichen Betriebspläne. Diese Forderung nach Rentabilitätssteigerung durch flexible Unternehmenspolitik läßt sich natürlich von Seiten der Wirtschaftskader in den Produktionsbereichen nur in dem Maße erfüllen, wie ihnen die Daten der Betriebspläne hierfür Entscheidungsspielraum lassen. Im Gegensatz zu den Wirtschaftsbetrieben richtet sich das Verwaltungshandeln der Staatsorgane nicht unmittelbar auf erwerbswirtschaftliche Ziele. Sie sind vielmehr z. B. damit beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen und die administrativen Hilfen zu gewähren, damit die Produktionsorganisationen ihre staatlichen Planaufgaben termingerecht erhalten und in die Lage versetzt werden, diese zu erfüllen. Das Handeln der Verwaltungsorgane wird durch Anweisungen und Regeln in Form von Gesetzen, Anordnungen und Durchführungsbestimmungen gelenkt und zusätzlich durch operative Verfügungen vorgesetzter Regierungsstellen gesteuert. Bei der Aufteilung der von ihnen verwalteten Haushaltsmittel (Einzeletats) auf die ihnen zur Erledigung zugewiesenen Aufgaben sind die Verwaltungsinstanzen verpflichtet, weisungsgetreu zu verfahren und sachgemäß zu handeln. Daraus folgt, daß je nach der Art der Institutionen und der diesen übertragenen spezifischen Aufgaben sich auch die Ziele, die Methoden und die Beurteilungsmaßstäbe der Fk. ändern. Im Bereich der staatlich gelenkten Produktion. Zirkulation und Distribution lautet der Überwachungsauftrag, den erreichten Grad der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Produktionseinheiten kritisch zu prüfen. Dagegen steht bei der Kontrolle des Verwaltungsbereiches die Einhaltung der Haushaltsdisziplin durch die einzelnen Haushaltsorganisationen im Mittelpunkt der Kontrolltätigkeit. Seit 1966 befassen sich in der DDR vor allem 4 Finanzorgane mit der Fk. der Staatswirtschaft.: 1. Das Ministerium der Finanzen, 2. die Banken. 3. die staatliche Finanzrevision und 4. die Abteilungen Finanzen der örtlichen Räte. Ergänzende Kontrollanalysen werden von den Industrieministerien, den Abteilungen Finanzen der VVB, den Versicherungen und den ständigen Ausschüssen der Volksvertretungen verlangt. Bei dieser Vielzahl der sich bereichsweise überschneidenden Kontrollen seitens verschiedener Instanzen ist es unumgänglich, daß diese ihre Tätigkeit in der Sache und im Termin aufeinander abstimmen. Aus diesem Grunde erfolgen vor allem die üblichen Kontrollen und Revisionen zum Abschluß des Wirtschaftsjahres häufig gemeinsam. In den Betrieben und Betriebsvereinigungen ist der Hauptbuchhalter der verantwortliche Ansprechpartner der staatlichen Kontrollorgane für Finanzfragen. Er ist der vom Staat beauftragte und von der Wirtschaftsverwaltung eingesetzte Inspektor, der sicherzustellen hat, daß bei den Planträgern an der Produktionsbasis die Staatsinteressen vorrangig berücksichtigt werden. Er hat dafür zu sorgen, daß das betriebliche Rechnungswesen ordnungsgemäß geführt wird, damit die Kontrolleure des Staatsapparats jederzeit Einsicht in die Buchhaltung und Erfolgsrechnung des Betriebes nehmen können. In der DDR hat der Begriff „Finanzrevision“ 2 Bedeutungen. Einerseits stellt die Fr. eine Prüfungsmaßnahme [S. 381]dar. Andererseits ist sie ein staatliches Kontrollorgan. Als Prüfungsmaßnahme bedeutet die Fr. die jährliche Prüfung der Vorschriftsmäßigkeit des Rechnungswesens und der Jahresabschlußbilanzierung bei den einzelnen VEB. Kombinaten und VVB (= nachträgliche Kontrolle). Als staatliches Kontrollorgan stellt die Fr. eine Hierarchie institutionell verselbständigter Kontroll- und Revisionsinstanzen dar, die unter der direkten Anleitung des Ministeriums der Finanzen Revisionen durchführt. Der Zuständigkeitsbereich der staatlichen Fr. erstreckt sich a) auf die Produktionseinheiten aller Wirtschaftsbereiche (Industrie, Bauwesen. Handel, Verkehr. Landwirtschaft, sonstige Dienstleistungssektoren), sofern diese ihre „Unternehmenspolitik“ nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung ausrichten; b) auf die staatlichen Kreditinstitute; c) auf alle staatlichen Verwaltungsorgane (= Haushaltsorgane/Haushaltsorganisationen) und d) auf sämtliche gesellschaftlichen Massenorganisationen. Bei den erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Produktionseinheiten wird durch die Fr. geprüft, ob die vorgelegte Jahresbilanz und die unterbreitete Gewinn- und-Verlust-Rechnung ordnungsgemäß zustande gekommen sind. Hinzu kommt die Analyse der wirtschaftlichen „Tüchtigkeit“ des Betriebskollektivs. Als Prüfungsunterlagen zur Beurteilung des erreichten Wirtschaftserfolges werden die gesammelten Belege, Dokumente, Buchungen, Statistiken, Betriebspläne (einschließlich Finanzpläne), Planabrechnungen (Soll-Ist-Vergleiche) und die Ergebnisse der Gewinn-und-Verlust-Rechnungen ausgewertet. Zweck der Revision ist die Beurkundung der Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses der Produktionseinheiten (Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Planabrechnung) durch Erteilung eines „Bestätigungsvermerks“. Erst mit diesem Vermerk und durch einen positiven Prüfungsbericht wird das vom Arbeitgeber Staat eingestellte Führungspersonal der VEB, Kombinate und VVB durch diesen selbst für ihre Tätigkeit in der vergangenen Wirtschaftsperiode entlastet. Prüfungsobjekte bei den zentralen und örtlichen Staatsorganen sind die Jahresabrechnungen der Finanz-, Haushalts-, Kredit- und Valutapläne, die Gesetzestreue bei der Erfüllung der ihnen aufgetragenen Aufgaben und der sparsame und pflegliche Umgang mit Staatsvermögen. Entdecken die Revisionsinstanzen bei ihren Prüfungen, daß einzelne Produktionseinheiten und Verwaltungen unwirtschaftlich gearbeitet haben, planwidrige Aktionen unternahmen oder gegen Gesetze verstießen, so können sie bei kleineren Beanstandungen selbst die Beseitigung der Fehlleistungen und der Plan- und Ordnungswidrigkeiten anordnen. Bei größeren Vergehen müssen sie den Fall den übergeordneten Lenkungsinstanzen sowie den Gerichten übergeben. Sofern es sich nicht um einen Fall handelt, bei dem die Gerichte aufgrund der Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts zwingend eingeschaltet werden müssen, sorgt in den meisten Fällen das Ministerium der Finanzen für Abhilfe. Während der Wirtschaftsreform in der DDR (1963 bis 1970) hat die primäre Verantwortlichkeit für die Fr. gegenüber der volkseigenen Wirtschaft zweimal gewechselt. Zunächst erhielten die „Konzern“-Spitzen der VVB 1963/64 anstelle behördlicher Kontrollinstanzen den Auftrag, die Finanzwirtschaft der ihnen angegliederten VEB laufend zu überwachen und das betriebliche Rechnungswesen nach Abschluß jedes Wirtschaftsjahres nach Maßgabe staatlicher Prüfungsvorschriften zu revidieren. Die Fr. gegenüber den VVB übernahmen die 1963/64 neu eingerichteten „Industrie-Bankfilialen“ der damaligen Deutschen Notenbank (heute Staatsbank der DDR). Die VVB führten jedoch ihre Nachkontrolle nicht im Interesse der vorrangigen Durchsetzung der Staatsziele vor denen der Individual- und Betriebsinteressen durch. Wegen „Kumpanei“ mit den Kontrollierten wurden ihnen deshalb 1966 die primären Revisions- und Überwachungsbefugnisse wieder entzogen. Das Scheitern dieses Experimentes, die Verantwortlichkeit für Fk. und Fr. auf die VVB-Leitungen zu delegieren, rührte daher, daß durch die Umwandlung der VVB zu „Organen mit wirtschaftlicher Rechnungsführung“ diese mit ihren Betrieben zu einer Gewinn-und-Verlust-Gemeinschaft mit vielfach gleichen Interessen zusammenwuchsen. Daher deckten die Konzernleitungen finanzielle und wirtschaftliche Manipulationen ihrer VEB, sofern diese dem Konzern insgesamt zum Vorteil gereichten. Aus diesen Gründen wurde Anfang 1966 das Revisionswesen in der DDR in der Weise umgestaltet, daß seit dieser Zeit eine eigene, von anderen wirtschaftsleitenden Organen unabhängige staatliche Instanz die Revisionen vornimmt. Die fachliche Anleitung dieser Sonderbehörde liegt beim Ministerium der Finanzen. (Vgl. den „Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision“ vom 12. 5. 1967, GBl. II, S. 329 ff.) Finanzsystem; Banken; Sparkassen; Örtliche Organe der Staatsmacht; Bezirk; Kreis; Gemeinde; Wirtschaft; Staatsapparat. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 379–381 Finanzberichterstattung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Finanzökonomik

Siehe auch: Finanzkontrolle: 1969 Finanzkontrolle und Finanzrevision: 1975 1985 Um ihre Regierungsaufgaben zu erfüllen, werden den zentralen Staatsorganen und den Gebietsverwaltungen auf Bezirks-, Kreis- und Gemeindeebene Etatmittel zur Verfügung gestellt. Diese Verteilung von Geldkapital erfolgt nach Maßgabe der Haushaltspläne. Auch die im Staatseigentum befindlichen Betriebe und Betriebsvereinigungen erhalten für die Erfüllung ausgewählter Wirtschaftsaufgaben…

DDR A-Z 1979

Betriebsgewerkschaftsorganisation (BGO) (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Gewerkschaftliche Grundorganisation, die in allen Betrieben und Institutionen, in denen wenigstens 10 Mitglieder des FDGB beschäftigt sind, gebildet wird. (Die Gewerkschaftsmitglieder an allgemeinbildenden Schulen werden in Schulgewerkschaftsorganisationen [SGO] mit eigener Schulgewerkschaftsleitung [SGL], Gewerkschaftsmitglieder, die in Kleinbetrieben ohne eigene BGO arbeiten, in Ortsgewerkschaftsorganisationen [OGO] mit eigener Ortsgewerkschaftsleitung [OGL] zusammengefaßt. Aufbau, Leitung und Aufgaben entsprechen denen der BGO.) Die BGO untergliedert sich in Anlehnung an die Betriebsstruktur (Produktionsprinzip) nach Brigaden, Schichten, Meisterbereichen, Produktions- bzw. Verwaltungsabschnitten usw. in Gewerkschaftsgruppen. An der Spitze der BGO steht die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL). Sie wird alle 2½ Jahre (d. h. [S. 186]zweimal in einem Fünfjahrplan-Zeitraum) von der Mitgliederversammlung, in Großbetrieben von der Delegiertenkonferenz, direkt und geheim gewählt. Zahlenmäßige Größe (3–25 Mitglieder) und Wahlmodus werden in den jeweils vor den Wahlen veröffentlichten Wahlordnungen des FDGB-Bundesvorstandes festgelegt. Die sozialstrukturelle Zusammensetzung der BGL (Frauen-, Produktionsarbeiteranteil) soll möglichst der des Betriebes entsprechen. Die Zahl der für die Leitungsarbeit freigestellten BGL-Mitarbeiter ist gleichfalls von der Größe des Betriebes abhängig; überwiegend ist Gewerkschaftsarbeit jedoch ehrenamtlich; selbst in Großbetrieben sind außer dem BGL-Vorsitzenden nur wenige BGL-Mitglieder für ihre Leitungstätigkeit von ihrer Arbeit freigestellt. In Betrieben mit mehr als 300 Gewerkschaftsmitgliedern werden als mittlere Leitungsebene in den einzelnen Betriebsabteilungen Abteilungsgewerkschaftsleitungen (AGL: 5–13 Mitglieder) gewählt. Die AGL organisieren in ihrem Bereich die Gewerkschaftsarbeit, sichern die Durchführung der Beschlüsse der BGL und halten die Mitgliederversammlung ab. Die Kandidatenaufstellung erfolgt auf Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen. Die Kandidatenauswahl wird zwischen amtierender BGL und Betriebsparteileitung (BPL), der der BGL-Vorsitzende in aller Regel angehört, sowie mit den übergeordneten Gewerkschafts- und Parteileitungen vorher abgesprochen. Vorgeschlagene Kandidaten können von der Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlung in offener Abstimmung mit Stimmenmehrheit abgelehnt werden; über die Reihenfolge der Kandidaten und den Abschluß der Kandidatenliste wird ebenfalls offen abgestimmt. Die Wahl erfolgt geheim, Streichungen und Hinzufügungen können vorgenommen werden. Gewählt sind die Kandidaten (in der festgelegten Reihenfolge des Wahlvorschlages), die mehr als 50 v. H. der Stimmen erhalten haben. Die BGL bildet Kommissionen (K.), in denen ein BGL-Mitglied den Vorsitz führt und deren Angehörige berufen werden: K. Agitation und Propaganda; K. Arbeit. Lohn und Wettbewerb; K. Sozialpolitik; K. Kultur und Bildung; Rat für Sozialversicherung; Arbeitsschutz-K.; Finanz-K.; Rechts-K.; Ständige Produktionsberatung; Jugend-K. (in GO mit mehr als 30 Mitgliedern unter 25 Jahre); Neuereraktiv. Der Frauenausschuß wird auf Frauenvollversammlungen gewählt; die Vorsitzende ist ebenfalls Mitglied der BGL. Je nach Größe und spezieller Problematik des Betriebes können weitere K. oder Arbeitsgruppen eingerichtet (z. B. für Feriendienst des FDGB, für die Zusammenarbeit mit den Schulen) oder die Aufgaben verschiedener K. zusammengefaßt werden. Bei den AGL finden sich gleichfalls K. und Arbeitsgruppen. Ihre Zahl ist jedoch rückläufig, selbst die Bildung von Ständigen Produktionsberatungen ist auf Abteilungsebene seit 1976 freigestellt. Die AGL haben offensichtlich Schwierigkeiten, genügend Mitglieder zu aktivieren, um über eine Wahlperiode arbeitsfähig zu bleiben. Die K. und Ausschüsse sollen die Leitungen bei der Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle von Beschlüssen unterstützen. Sie arbeiten im Auftrage und unter Leitung der BGL. Neuere Untersuchungen zeigen, daß 10–25 v. H. der K.-Mitglieder in die Tätigkeit der BGL effektiv einbezogen sind. Eine Sonderstellung nehmen die Konflikt- und Revisions-K. ein. Die Konflikt-K. sind Teil des Systems der Rechtspflege; für die Wahl und die Qualifizierung ihrer Mitglieder und die Auswertung der Arbeitsergebnisse der Konflikts-K. sind die BGL verantwortlich (Gesellschaftliche Gerichte). Die Revisions-K. werden zugleich mit den BGL gewählt; sie sind als Kontrollorgane der Gewerkschaftsmitglieder definiert und überprüfen das Finanzgebaren und das satzungsgemäße Arbeiten der Leitungen. Es entspricht der Intention, möglichst viele Mitglieder aktiv in die Gewerkschaftsarbeit einzubeziehen, um einen ständigen Prozeß der Erziehung und Selbsterziehung in Gang zu setzen, wenn auch in der Gewerkschaftsgruppe (G.) mehrere Wahlfunktionen zu besetzen sind. Die G. soll etwa 10–30 Mitglieder haben; sie wird vom Vertrauensmann (zugleich Kassierer) geleitet. Sein Stellvertreter ist der Kulturobmann. Weitere Funktionäre der G. sind der Arbeitsschutzobmann, der Bevollmächtigte für Sozialversicherung und der Sportorganisator. Die Wahl aller G.-Funktionäre erfolgt grundsätzlich offen. Die G. soll monatlich und zu besonderen Anlässen (Plandiskussion, Übernahme von Wettbewerbsverpflichtungen usw.) außerhalb der Arbeitszeit zu Versammlungen zusammenkommen. Ihre Tätigkeit wird inhaltlich durch die Beschlüsse der BGL und AGL bestimmt, die wesentlich durch die Arbeit in der G. verwirklicht werden müssen und auf die die G. ihrerseits durch Kritik, Information und Vorschläge Einfluß nimmt. Seit den FDGB-Wahlen 1976/77 sind die Jugendvertrauensleute keine Funktionäre der G. mehr. Sie werden nunmehr in den BGO (bis 30 jugendliche Mitglieder) bzw. in den AGO (mit mehr als 30 jugendlichen Mitgliedern) in offener Abstimmung auf Jugendversammlungen gewählt, kandidieren anschließend für die entsprechenden BGL bzw. AGL und werden dort Vorsitzende oder Mitglieder der Jugend-K. Auf Mitglieder- bzw. Abteilungsversammlungen wird auf 30–50 Mitglieder ferner jeweils ein sog. Arbeiterkontrolleur gewählt. Als Gewerkschaftsfunktionäre arbeiten sie ehrenamtlich im Rahmen der Betriebs-K. und der in den Wohngebieten tätigen Volkskontrollausschüsse der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion. Im Unterschied zu allen anderen betrieblichen Gewerkschaftsfunktionären erfolgt ihre Wahl auf 5 Jahre, da die ihnen zugewiesenen Kontrollfunktionen gegenüber den Werkleitungen bzw. im betrieblichen und örtlichen Versorgungsbereich eine erst in längerer Tätigkeit zu erwerbende Kenntnis von rechtlichen Regelungen, Institutionen und Personen voraussetzen. Bei den staatlichen Organen, bei den Banken, Sparkassen und Versicherungen sowie in den Bereichen Unterricht. Erziehung und Kunst werden keine Arbeiterkontrolleure gewählt. Nach den Gewerkschaftswahlen 1976/77 ergab sich fol[S. 187]gendes statistisches Bild der GO: Es bestanden 45.974 GO mit 344.156 Mitgliedern in BGL, SGL und OGL. In deren rd. 100.000 K. waren 600.000 Mitglieder tätig: darunter 10.074 Frauenausschüsse (80.968 Mitglieder) und 5.971 Jugend-K. (40.597 Mitglieder, davon 17.978 auf Betriebs- bzw. Abteilungsebene gewählte Jugendvertrauensleute). Auf mittlerer Leitungsebene bestanden 20.204 AGL mit 156.168 gewählten Funktionären. Auf unterster Ebene, in den G., hatten 1.248.965 Mitglieder Funktionen übernommen; darunter: 277.875 Vertrauensleute. 260.560 Kulturobleute, 260.564 Bevollmächtigte der Sozialversicherung, 241.356 Arbeitsschutzobleute, 208.610 Sportorganisatoren. Die Revisionskommissionen der BGL, SGL, OGL und AGL (mit eigener Kassenführung) hatten 131.652 Mitglieder. Ferner wurden insgesamt 92.707 Arbeiterkontrolleure gewählt. Bei der Bewertung dieser Angaben ist nicht nur zu berücksichtigen, daß die Wahl in eine Funktion nicht notwendig etwas über deren Ausübung besagt; vielmehr nimmt der einzelne Gewählte häufig mehrere Aufgaben wahr: BGL-Mitglieder und Gruppenfunktionäre sind in aller Regel zugleich in den K. der BGL und AGL tätig usw. Der FDGB spricht von 2,2 Mill. gewählten Funktionären auf Betriebsebene, davon 46,1 v. H. Frauen. In der Tätigkeit der BGO. insbesondere ihrer BGL und deren Organe, sollen die im Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB, Arbeitsrecht) vorgesehenen Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs- und Mitwirkungsrechte der Werktätigen verwirklicht werden. Inhalt und Möglichkeiten der Arbeit der BGO bzw. der BGL werden bestimmt durch die feste Einbindung in den durch den Demokratischen Zentralismus bestimmten Organisationszusammenhang des FDGB, den Primat der SED und die (durch das Prinzip der Einzelleitung, zentral vorgegebene bzw. entschiedene Produktionspläne, gesetzlich vorgeschriebenen Formen der Verwendung der betrieblichen Fonds bestimmte) Struktur und Funktionsweise des Betriebes. Die Tätigkeit der BGL richtet sich sowohl auf die optimale Erfüllung der wirtschaftlichen Aufgaben, die Einhaltung und Durchführung der staatlichen, gewerkschaftlichen und Parteibeschlüsse als auch innerhalb dieses Rahmens auf Vertretung der unmittelbaren Interessen der Gewerkschaftsmitglieder. Zwar spricht das AGB der BGO und ihren Organen ausdrücklich die Aufgabe zu. „die Interessen der Werktätigen im Betrieb“ zu vertreten. Die Parteibeschlüsse, Planauflagen, rechtlichen Normen usw. gelten im marxistisch-leninistischen Verständnis jedoch als grundsätzlich nicht in Frage zu stellender Ausdruck der gesellschaftlichen Interessen der Werktätigen und beanspruchen von daher Vorrang vor den Interessen einzelner oder sozialer Gruppen. Wenn auch die grundsätzliche Identität der verschiedenen Interessen postuliert wird, bleibt das Verfolgen der verschiedenen Ziele betrieblicher Gewerkschaftsarbeit konfliktreich. Die BGL soll mit Hilfe der differenzierten Organisationsstruktur der BGO die Betriebsangehörigen in den Plandiskussionen mobilisieren und eine eigene Stellungnahme zum Betriebsplanentwurf erarbeiten; sie schließt jährlich den Betriebskollektivvertrag (BKV) mit Jugend- und Frauenförderungsplan. Planteil Förderung der Arbeits- und Lebensbedingungen) mit der Werkleitung ab und vereinbart Arbeitsschutz- und Prämienordnungen. Der BKV und andere Vereinbarungen werden zuvor der Mitgliederversammlung, in Großbetrieben der Vertrauensleutevollversammlung unterbreitet, der die BGL viertel jährlich einen Rechenschaftsbericht gibt. Auf der Grundlage des Betriebsplans und zu seiner Erfüllung organisiert die BGL den Sozialistischen Wettbewerb und unterstützt die Neuererbewegung. Sie setzt sich gegenüber der Werkleitung und ihren Mitgliedern für die Ausarbeitung und Einhaltung der Arbeitsnormen, der Lohn- und Prämiensysteme ein, die, auf generellen Vorgaben beruhend, leistungsstimulierend wirken sollen (Materielle Interessiertheit). Die Betriebsleiter sind zur laufenden Berichterstattung über Planerfüllung und -ablauf, über grundlegende Fragen der Entwicklung des Betriebes, über die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen usw. auf den Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen verpflichtet; diesen Gewerkschaftsgremien ist ein Recht auf Information und Rechenschaftslegung zugesprochen worden. Durch von ihr organisierte Formen der Massenschulung (Schulen der sozialistischen Arbeit), Wochenendkurse, Delegation zu Lehrgängen an Gewerkschaftsschulen unterstützt die BGL die Bildung sozialistischen Bewußtseins und soll zur Heranbildung neuer Kader beitragen (Kaderpolitik). Die auf und nach dem VIII. Parteitag der SED zu beobachtende Betonung der Rolle des FDGB als Organisation der gesellschaftspolitisch entscheidenden Klasse hat auch zu einer Stärkung der Stellung der BGO. insbesondere der BGL. geführt. Das am 1. 1. 1978 in Kraft getretene Arbeitsgesetzbuch hat diese Veränderungen zusammengefaßt und in einzelnen Punkten weitergeführt. Der BGL-Vorsitzende hat nunmehr — wie der Parteisekretär — das Recht, an den Arbeitssitzungen der Leiter teilzunehmen und in die Betriebsunterlagen, einschließlich der Personalakten, Einsicht zu nehmen. Soweit Entscheidungen des Betriebsleiters zustimmungspflichtig sind, erhalten sie erst Rechtskraft, wenn die BGL eine entsprechende Entscheidung herbeigeführt haben. Das — bereits vorhandene — Recht der BGL zur Beschwerde über Betriebsleiter bei deren übergeordneten Wirtschaftsleitungen wurde deutlicher gefaßt. Das Prinzip der Einzelleitung gilt zwar weiter uneingeschränkt, jedoch hat die BGL gegenwärtig neben der BPL der SED und der Werkleitung eine rechtlich gestärkte Position und kann in den mannigfachen betrieblichen Entscheidungsprozessen nicht mehr übergangen werden. Der Ausbau der Mitwirkungsrechte war verbunden mit einer Konzentration der entsprechenden Gremien in der Organisationsstruktur der BGO; die außerhalb stehenden Produktionskomitees (Ständige ➝Produktionsberatungen), Neuererräte usw. wurden aufgelöst. [S. 188]Abschluß, Änderung, Auflösung und Kündigung von Arbeitsverträgen bedürfen der Mitwirkung bzw. der Mitbestimmung der BGL. Die BGL gewährt Rechtsschutz, erzieht aber zugleich ihre Mitglieder zu Arbeitsmoral und -disziplin und zur Erfüllung ihrer arbeitsrechtlichen Verpflichtungen. Erweitert wurde der Rechte- und Pflichtenkatalog der BGL in der betrieblichen Sozialpolitik. Arbeits- und Gesundheitsschutz, Qualifizierung und Weiterbildung der Werktätigen, kulturelle Betreuung (Kulturarbeit des FDGB). Versorgung mit Dienstleistungen, Konsumgütern und Wohnraum werden von der BGL innerhalb der im Plan gesetzten materiellen Grenzen mitgestaltet und sollen in Zukunft in ein zusammenhängendes und langfristiges Konzept gebracht werden. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Staatsorganen, insbesondere auch mit den Vertretern des FDGB in den Volksvertretungen, greift die Arbeit der BGL in die Wohngebiete über; sie soll dort die politische, soziale und kulturelle Betreuung mitübernehmen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 185–188 Betriebsgesundheitswesen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Betriebskollektivvertrag (BKV)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Gewerkschaftliche Grundorganisation, die in allen Betrieben und Institutionen, in denen wenigstens 10 Mitglieder des FDGB beschäftigt sind, gebildet wird. (Die Gewerkschaftsmitglieder an allgemeinbildenden Schulen werden in Schulgewerkschaftsorganisationen [SGO] mit eigener Schulgewerkschaftsleitung [SGL], Gewerkschaftsmitglieder, die in Kleinbetrieben ohne eigene BGO arbeiten, in Ortsgewerkschaftsorganisationen [OGO] mit eigener Ortsgewerkschaftsleitung…

DDR A-Z 1979

CDU (1979)

Siehe auch: CDU: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Christlich-Demokratische Union: 1965 1966 1969 Christlich-Demokratische Union (CDU): 1975 Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU): 1985 Die Christlich-Demokratische Union (CDU) trägt als einzige Partei in der DDR den gleichen Namen wie eine Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Beide haben dieselbe Wurzel. Auf den Gründungsaufruf vom 26. 6. 1945 (1. Vors. Hermes, Stellv. Schreiber) folgte am 10. 7. 1945 die Genehmigung zur Gründung durch die SMAD. Bereits im August erreichte die Partei einen Mitgliederstand von über 100.000. Nach dem von der SMAD erzwungenen Rücktritt von Hermes und Schreiber wegen eines Konfliktes vor allem über die Bodenreform, übernahm Jakob Kaiser die Führung der Partei, die sich in den folgenden Monaten heftig gegen die Volkskongreßpolitik der im April 1946 durch Zusammenschluß von KPD und SPD entstandenen SED wehrte. Als auch Kaiser durch die Sowjets aus seinem Amt gedrängt wurde, ging die Führung an Otto Nuschke über, der die Partei gegen den Willen der meisten Mitglieder vollständig in die Bündnispolitik der SED einordnete. Zunächst übernahm)- er interimistisch mit Wilhelm Wolff die Leitung der CDU. Auf dem 3. Parteitag, 19. 9. 1948, wurde Nuschke ihr Vorsitzender. Die CDU fand damals ihre Anhänger vornehmlich in den Reihen der Bauern, Handwerker und kleinen Gewerbetreibenden. Viele engagierte Christen, darunter auch Pfarrer und Theologen beider Konfessionen, gehörten ihr an. Den höchsten Mitgliederstand verzeichnete sie im Dezember 1947: 218.000. Ende der 40er Jahre — vor allem im Zusammenhang mit der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft — sank die Zahl stark ab. Zwar wurden genaue Angaben seitdem nicht mehr: bekanntgegeben, die Partei soll jedoch bis in die 60er Jahre nur rd. 70.000 Mitglieder gehabt haben. Erst im Juli 1975 wurden wieder Mitgliederzahlen veröffentlicht. Sie schwanken seither zwischen 100.000 und 140.000 (1977); 37.000 sollen „Mandatsträger“ im gesellschaftlichen Leben, 21.000 in Funktionen der Nationalen Front der DDR und 1.500 in Leitungsfunktionen in Staat und Wirtschaft tätig sein. Unter Nuschkes Führung und der totalen Unterordnung unter die SED, die der 6. Parteitag der CDU im Oktober 1952 offiziell bestätigte, wandelte sich die ideologische Konzeption der Partei zum „christlichen Realismus“. Gerald Götting. Generalsekretär der CDU 1949–1966 und seither ihr Vorsitzender, definierte auf der Meißner Arbeitstagung Oktober 1951: „Echte Christen sind Friedensfreunde.“ Daraus ergab sich, daß sie im „Friedenslager“ der UdSSR stehen müssen, wie auch Christus „im Lager des Fortschritts“ gestanden habe („Neue Zeit“ Nr. 244/1951). Nach der vom 6. Parteitag angenommenen neuen Satzung werden ein „Politischer Ausschuß“ und ein „Hauptvorstand“ ― entsprechend dem Politbüro und dem ZK der SED ― als oberste Organe gebildet. Nuschke: „Wir sind eine einschränkungslos sozialistische Partei.“ Nach Nuschkes Tod im Dezember 1957 übernahm auf dem 9. Parteitag der CDU im Oktober 1958 August Bach den Vorsitz. Die Partei folgte dem verschärften kirchenpolitischen Kurs der SED und forderte ihrerseits die Kirchen in Ost und West auf, den in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Militärseelsorgevertrag rückgängig zu machen. Sie unterstützte fortan auch die verstärkten Bemühungen der SED-Regierung, die EKD zu spalten. Als Ulbricht am 9. 2. 1961 in seinem Amtssitz eine größere Anzahl evangelischer Theologen und kirchlicher Amtsträger unter Führung von Prof. Emil Fuchs empfing, rechnete sich die CDU diese Begegnung, die einen gewissen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche darstellte, als ihr Verdienst an. Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben nannte die CDU in den 60er Jahren die Verwirklichung einer immer engeren Zusammenarbeit von Christen und Marxisten („Bündnispolitik“). Sie bezeichnet die DDR als die politische und geistige Heimat der Christen in Deutschland. Die 1958 von der Regierung der DDR in Angriff genommene Vollkollektivierung des Handwerks nach dem Vorbild der Landwirtschaft wurde von der CDU; unterstützt. Die Partei warb im Einklang mit den gesellschaftspolitischen Zielen der SED unter Einzelhändlern, Handwerkern und Unternehmern für die vollständige Überführung noch vorhandener privater Betriebe in Staatseigentum. Daneben betrachtet sie es als ihre [S. 239]Aufgabe, die „parteilosen Christen“ zur gesellschaftspolitischen Mitarbeit zu gewinnen. Dazu werden vornehmlich die in vielen Orten und Kreisen innerhalb der „Nationalen Front“ gebildeten „Arbeitsgemeinschaften Christliche Kreise“ benutzt. Ebenso, wie sich die CDU bei der Niederschlagung der Unruhen im Juni 1953 und bei der Errichtung der Berliner Mauer im August 1961 hinter die SED stellte, begrüßte sie die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die ČSSR 1968. Zu einer Modifikation ihres Kurses sah sich die Partei 1971 nach der Ablösung Ulbrichts durch Honecker gezwungen. Der von Ulbricht geschaffene und jahrelang von der CDU als politische Maxime erachtete Begriff der „sozialistischen Menschengemeinschaft“, in der Christen und Marxisten gemeinsam an der Verwirklichung des Sozialismus arbeiteten, wurde von Honecker zugunsten einer Wiederbelebung des Klassenkampfkonzeptes und der Rückbesinnung auf die Grundlagen des Marxismus-Leninismus fallen gelassen. Die CDU legte fortan das Schwergewicht ihrer Aktivität auf außenpolitische Fragen, die mit Problemen von „Frieden und Sicherheit in Europa“ zusammenhängen. Sie drängte zugleich die Kirchen, sich stärker im Sinne der von der UdSSR und der Regierung der DDR verfolgten europäischen Politik zu engagieren. Auf dem 13. Parteitag im Oktober 1972 in Erfurt tauchte erstmals in einer Rede von SED-Politbüro-Mitglied Albert Norden der Begriff „sozialistische Staatsbürger christlichen Glaubens“ auf, der künftig in der Propaganda der CDU eine Vorrangstellung einnahm und den Christen die Möglichkeit einräumen sollte, sich als vollwertige Bürger des sozialistischen Staates unter Verzicht auf ein ausdrückliches Bekenntnis zur materialistisch-atheistischen Staatsideologie zu fühlen. Der Begriff verschwand jedoch 1974 aus Publizistik und Agitation. An seine Stelle trat 1975 die Formel „Christenpflicht ist Bürgerpflicht“. Sie schien geeignet, auch die nicht der Partei angehörenden Christen auf eine Gefolgschaft gegenüber den von der CDU festgelegten politischen Zielen zu verpflichten und so die Basis der Partei zu verbreitern. Bekannte sich die CDU längst zur „sozialistischen Schule“ und suchte bei christlichen Eltern Bedenken gegen die marxistische Erziehung auszuräumen. so befürwortete sie auf ihrem Parteitag in Dresden im Oktober 1977 sogar die von den christlichen Kirchen nachdrücklich abgelehnte atheistische Jugendweihe. In zunehmendem Maß hat die CDU den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf kulturelles Gebiet verlegt und ihre Außenbeziehungen mit befreundeten Parteien in den osteuropäischen sozialistischen Staaten ausgebaut. Kontakte wurden auch zu christlichen Gruppierungen in westeuropäischen Ländern sowie nach Afrika und Lateinamerika aufgenommen. Die SED-Führung scheint jedoch der CDU als Mittlers für das Gespräch mit den Kirchen kaum noch zu bedürfen. Das wurde zuletzt deutlich, als Honecker am 6. 3. 1978 die Spitze des Evangelischen Kirchenbundes empfing, ohne daß der Vorsitzende der CDU oder sein Stellvertreter daran teilnahmen. In enger, z. T. auch personaler Verbindung steht die CDU zur Christlichen Friedenskonferenz und zur Berliner Konferenz katholischer Christen aus europäischen Staaten. Über beide Organisationen pflegt sie zahlreiche internationale Verbindungen nach Ost und West. Enge Kontakte bestehen zur polnischen PAX-Bewegung und zur Christlichen Volkspartei in der ČSSR bzw. zur dortigen Friedenspriesterbewegung „Pacem in terris“. Ähnliche Kontakte unterhält die Partei nach Ungarn. Entscheidendes Führungsorgan der CDU ist das Präsidium des Hauptvorstandes (21 Mitglieder). Parteivorsitzender Götting (Jahrg. 1923) bekleidet neben diesem Posten das Amt des Stellvertretenden Staatsratsvorsitzenden; er ist außerdem Präsident der Liga für Völkerfreundschaft. Die Leitung der Volkskammer, die er seit 1969 innehatte, mußte er 1976 an Horst Sindermann (SED) abgeben. Dem Präsidium der CDU gehören u. a. der Präsident des Obersten Gerichts der DDR. Heinrich Toeplitz, ferner die beiden Stellvertretenden Minister. Harald Naumann (Handel und Versorgung) und Rudolf Schulze (Post) sowie der Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Hermann Kalb, an. Presse: Zentralorgan „Neue Zeit“ und 5 Provinzzeitungen mit einer Gesamtauflage von rd. 150.000. Als Funktionärsorgan fungiert „Union teilt mit“. Der Union-Verlag in Berlin (Ost) druckt neben politischer Literatur vornehmlich Bücher mit historischer und kirchlich-relevanter Thematik. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 238–239 Caritas A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Checkpoint Charlie

Siehe auch: CDU: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Christlich-Demokratische Union: 1965 1966 1969 Christlich-Demokratische Union (CDU): 1975 Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU): 1985 Die Christlich-Demokratische Union (CDU) trägt als einzige Partei in der DDR den gleichen Namen wie eine Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Beide haben dieselbe Wurzel. Auf den Gründungsaufruf vom 26. 6. 1945 (1. Vors. Hermes, Stellv. Schreiber)…

DDR A-Z 1979

SED (1979) Siehe auch: SED: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Sozialistische Einheitspartei: 1965 1966 1969 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): 1975 1985 Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands konstituierte sich am 21./22. 4. 1946 auf dem sog. Vereinigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD/DKP) im sowjetisch besetzten Berlin. I. Geschichte der SED und ihrer Herrschaft A. Vorgeschichte Im Gegensatz zu anderen in Deutschland von 1933 bis 1945 verbotenen und verfolgten Parteien besaß die KPD im Moskauer Exil am Ende des II. Weltkrieges eine intakte Führung. Unter Kontrolle der Sowjets hatte dort die Parteiführung in den Jahren nach 1933 Weiterarbeiten, unter den kriegsgefangenen Offizieren und Soldaten agitieren (Nationalkomitee Freies Deutschland) und sich auf die politische Arbeit im Nachkriegsdeutschland vorbereiten können. In enger Zusammenarbeit mit der Politverwaltung der sowjetischen Streitkräfte wurde unter der Leitung des damaligen Mitgliedes des Politbüros und Sekretärs des Zentralkomitees der KPD, W. Ulbricht, Anfang Februar 1945 eine Kommission ins Leben gerufen, die Einzelheiten der politischen Arbeit im Nachkriegsdeutschland festlegte. Die von dieser Kommission ausgearbeiteten Thesen, die sich auf Vorarbeiten aus den Jahren 1943/44, so das „Aktionsprogramm des Blocks der Kämpferischen Demokratie“ (1. Fassung Oktober 1944), stützten, wurden einer ausgewählten Gruppe von kommunistischen Emigranten in Schulungskursen vorgetragen. Sie können als Leitlinien der frühen sowjetischen Deutschlandpolitik angesehen werden: 1. Das deutsche Volk ist kollektiv verantwortlich für die Entfesselung des II. Weltkrieges und die Kriegsgreuel (Kollektivschuld). 2. Nach dem Krieg ist die „bürgerlich-demokratische Umgestaltung“ zu vollenden; die Losung vom unmittelbaren revolutionären Übergang zum Sozialismus liegt nicht im Interesse der kommunistischen Bewegung (antifaschistisch-demokratische Ordnung). 3. Nach Kriegsende sind alle antifaschistischen Kräfte in einem „Block“ zu sammeln; linkssektiererische Gruppen sind aufzulösen (Konzept eines antifaschistisch-demokratischen Blocks). 4. Die Einheit der Arbeiterklasse ist herbeizuführen. (Das Ziel der „Einheitsfront“ bezog sich zu dieser Zeit — da die Gründung politischer Parteien in Deutschland zunächst nicht vorgesehen war — auf die „Zusammenarbeit im Block“. Erst nach der Zulassung von Parteien durch die sowjetische Besatzungsmacht richtete sich diese Forderung speziell an SPD und KPD.) Ein unmittelbar danach verabschiedetes 14-Punkte-Programm legte Einzelmaßnahmen fest und sollte die bürgerlichen Freiheitsrechte garantieren. Ziel war die „Vollendung der bürgerlichen Revolution“ und nicht die „sozialistische Revolution“. Im Gegensatz zu solchen Vorstellungen der Moskauer Exil-KP waren unter den in Deutschland verbliebenen, z. T. inhaftierten Mitgliedern der SPD [S. 928](nicht selten in Kontakt und Übereinstimmung mit ehemaligen KPD-Mitgliedern, die das Schicksal der Verfolgung und Inhaftierung teilten) andere Auffassungen für die Neuordnung nach dem Kriege entwickelt worden. Die sog. „Buchenwälder Plattform“ vom 1. 5. 1944 und das „Buchenwälder Manifest“ vom 13. 4. 1945 optierten klar für die „Verwirklichung des Sozialismus“. B. Eroberung einer Mitgliederbasis in der Phase der antifaschistisch-demokratischen Ordnung (1945 bis 1947) Ende April 1945 kehrte die erste Gruppe kommunistischer Emigranten, die sog. Gruppe Ulbricht, aus der Sowjetunion nach Berlin zurück. Am 10. 6. 1945 erließ die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) den Befehl Nr. 2, der die Gründung antifaschistischer Parteien und Gewerkschaften gestattete. Bereits am nächsten Tag trat die KPD mit einem Aufruf, der überwiegend von den aus Moskau zurückgekehrten Kommunisten unterzeichnet war, an die Öffentlichkeit. Der Aufruf zielte auf eine flexible Machtübernahme entweder in Gesamtdeutschland oder in dessen Teilen. Der zentrale Gedanke war die Errichtung einer „einheitlichen“, „friedliebenden“, „antifaschistisch-demokratischen“ deutschen Republik. Es wurde hervorgehoben, daß es nicht sinnvoll sei, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen. Die Bildung einer Einheitspartei der Arbeiterklasse wurde zunächst nicht ins Auge gefaßt. (Die Parteiführung wollte vermutlich erst einmal die eigenen Kader sammeln und schulen.) Besonders unter den in Deutschland aktiv gebliebenen KPD-Mitgliedern und vor allem bei den Überlebenden der Konzentrationslager regte sich gegen den Aufruf vom 11. Juni Widerstand. In ihren Augen bedeuteten die Konzeptionen der von der SMAD gesteuerten KPD-Führung eine Absage an die revolutionären Traditionen der deutschen Kommunisten. Ferner riefen die SPD (15. 6.), die CDU (26. 6.) und die LDPD (5. 7.) zur Neugründung auf. Alle 3 Parteien erhielten von der SMAD die Genehmigung zur Aufnahme ihrer Tätigkeit, hatten aber durch ihre Zusammenfassung mit der von den Sowjets gestützten KPD im „antifaschistisch-demokratischen Block“ (Bündnispolitik) diese als politisch willensbildende Kraft anzuerkennen. Die KPD in der SBZ und in Berlin ihrerseits sah sich in der Lage, zwar die von der sowjetischen Besatzungsmacht favorisierte Partei zu sein, gleichzeitig jedoch war sie zunächst nur eine politische Kraft unter mehreren. Der Weg zur Alleinherrschaft lag noch vor ihr. Ehemalige Mitglieder der SPD, die in der Zeit 1933–1945 in Deutschland geblieben waren, im Untergrund gekämpft hatten und sich nach Kriegsende in Berlin zusammenfanden, hatten als Führungsgremium der wieder aufzubauenden Partei den Zentralausschuß (ZA) unter O. Grotewohl gebildet. Der Gründungsaufruf des ZA forderte Demokratie in Staat und Gemeinde sowie Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft. Aus den Erfahrungen des mit den Kommunisten z. T. gemeinsam gefochtenen Untergrundkampfes gegen das NS-Regime heraus traten die Sozialdemokraten für die organisatorische Einheit der beiden Arbeiterparteien ein. Die aus Moskau heimgekehrten Kommunisten jedoch lehnten die Einheit nachdrücklich ab. Der Haltung der SPD in dieser Frage lag auch die Vorstellung zahlreicher ihrer Führer und Mitglieder zugrunde, daß der Zusammenbruch der Weimarer Republik hätte verhindert werden können, wenn es rechtzeitig zu einer Aktionseinheit von SPD und KPD gekommen wäre. Hinzu kam, daß die SPD-Führung annehmen konnte, aufgrund der Stärke ihrer Partei sei den Kommunisten der Weg zur alleinigen Machtausübung versperrt. Diese Einschätzung mag sich noch verstärkt haben, nachdem am 15. 6. 1945 (Gründungsaufruf) erstmals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung die Gründung einer überparteilichen Einheitsgewerkschaft (FDGB) möglich zu werden schien. Als die SPD — aufgrund der Aufnahme ihrer Tätigkeit auch in den Westzonen unter K. Schumacher, der von der Londoner Exil-SPD Unterstützung erhielt, sowie aufgrund ihrer starken gesamtdeutschen Ambitionen — politisch zu mächtig zu werden drohte und als zudem die Kommunisten im Herbst bei den Wahlen in Österreich und Ungarn in der Minderheit blieben, nahm die KPD in der SBZ nunmehr ihrerseits konsequenten Kurs auf eine Vereinigung mit der SPD. Der Berliner ZA unter O. Grotewohls Vorsitz stellte nun Vorbedingungen an das formal von W. Pieck und de facto von W. Ulbricht im Einvernehmen mit der SMAD geführte ZK der KPD. Zu echten Verhandlungen zwischen beiden Spitzengremien ist es jedoch nicht gekommen. Vielmehr ließen der zunehmende Druck der sowjetischen Besatzungsmacht, einzelne Verhaftungen von SPD- Funktionären, jedoch auch Spannungen in der Partei selbst (insbesondere mit Schumacher in Hannover) Grotewohl Ende des Jahres 1945 nachgeben. Hinzu kam, daß in den SPD- und KPD-Landesverbänden von Sachsen, Thüringen und Mecklenburg zahlreiche Stimmen für eine Vereinigung beider Parteien laut wurden. Schon im Februar 1946 war es dann auf der Kreisebene zu Vereinigungen gekommen, wobei eventueller Widerstand durch Überredung und Gewalt seitens der Besatzungsmacht gebrochen wurde. Die SMAD erlaubte weder gesamtdeutsche Parteitage beider Parteien noch eine Urabstimmung ihrer Mitglieder. Die einzige freie Urabstimmung fand in der SPD in den Westsektoren von Berlin am 31. 3. 1946 statt. Hier entschieden sich bei einer Wahlbeteiligung von ca. 73 v. H. mehr als 80 v. H. [S. 929]der Sozialdemokraten gegen eine Einheitspartei. Allerdings sprachen sich die SPD-Mitglieder in den Westsektoren von Berlin deutlich für eine Zusammenarbeit von SPD und KPD aus. In der SBZ wurden die Vereinigungsbeschlüsse auf dem 40. Parteitag der SPD und dem 15. der KPD gefaßt (19./20. 4. 1946). Der I. Parteitag der SED (Vereinigungsparteitag, 21./22. 4. 1946) fand dann im Admiralspalast in Berlin statt. Die Mehrheit der (1055) Delegierten kam entsprechend dem Mitgliederstand aus der SPD, 230 Delegierte waren aus den Westzonen angereist. Die Partei gab sich ein (Organisations-)Statut. Gemäß diesem (1.) Statut wählte der Parteitag einen 80köpfigen Parteivorstand (PV), aus dem ein 14 Personen umfassendes Zentralsekretariat (ZS) hervorging. Die Bildung von Landes- und Kreisvorständen (später, nach Auflösung der Länder im Jahre 1952, Bezirksleitungen [BZL] und Kreisleitungen [KL] genannt, s. u.) war ebenfalls in dem Statut festgelegt. Für den Organisationsaufbau wurde zwischen der früheren Organisationsform der SPD (Wohnbezirksgruppen) und der KPD (Betriebsgruppen) ein Kompromiß insofern gefunden, als neue Mitglieder zwar von den „Ortsgruppen“ aufgenommen, aber berufstätige Mitglieder gleichzeitig der „Betriebsgruppe“ der SED angehören mußten. Territorial- und Produktionsprinzip bestanden nebeneinander (s. u. III, B). Alle Leitungsfunktionen — von Betriebs- und Ortsgruppen bis zum ZS — wurden paritätisch aus ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern besetzt. Pieck und Grotewohl wurden zu Vorsitzenden der Partei, Ulbricht und P. Fechner zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Das ZS, das auf dem II. Parteitag um je einen Vertreter von KPD und SPD erweitert wurde, faßte selbständig Beschlüsse. In besonders wichtigen Fällen wurden sie dem PV zur Entscheidung unterbreitet. Die SED hatte sich in den vom I. Parteitag verabschiedeten „Grundsätzen und Zielen“ programmatisch auf einen „demokratischen“ deutschen Weg zum Sozialismus festgelegt. Das lag auf der Linie der vom späteren ZS-Mitglied A. Ackermann im Auftrag der sowjetischen Führung erarbeiteten und im Februar 1946 in der Zeitschrift „Einheit“ vertretenen These vom besonderen deutschen Weg zum Sozialismus. Das Ziel, der Sozialismus, sollte auf demokratischem Wege „erstrebt“ werden, wenn nicht „die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verläßt“. Obwohl sich die SED — wenn auch bis 1948 nicht offen — als „sozialistische“ Partei verstand und auf den Marxismus als grundlegende Theorie berief, wurden in die für ganz Deutschland konzipierten „Gegenwartsforderungen“ der „Grundsätze“ Programmpunkte (z. B. Bestrafung aller Kriegsverbrecher, Punkt. 1) aufgenommen, die zeigten, daß die Partei eine breite Basis suchte. Bekenntnisse zur Meinungs- und Koalitionsfreiheit und zum Streikrecht standen allerdings erst an 8. und 9., die „Einheit Deutschlands“ an 12. Stelle des Programms, und Forderungen wie: Beseitigung der kapitalistischen Monopole (Punkt 2), Entmachtung der Großgrundbesitzer und Durchführung der demokratischen Bodenreform (Punkt 3), wirtschaftlicher Aufbau auf der Grundlage von Wirtschaftsplänen (Punkt 6), gaben dem Gegenwartsprogramm sozialistisch-kommunistische Züge. Solche Ambivalenz in den „Grundsätzen“ war nicht zufällig, denn die von der Parteiführung in ihrem Streben nach Erweiterung der Herrschaftsbasis zu berücksichtigenden Interessenlagen waren sehr unterschiedlich. Die Verbreitung eines demokratischen Profils bei der Mitgliedschaft und der Bevölkerung lag im Interesse der Parteiführung. Sie versprach sich davon Erleichterungen in der Verfolgung gesamtdeutscher Ziele. Damals wie auch in den folgenden Jahren war die SED vorbereitet, in Übereinstimmung mit der sowjetischen Deutschlandpolitik durch Ausdehnung ihrer Organisation aktiv Einfluß auch in den Westzonen auszuüben. Das starke gesamtdeutsche Engagement wurde deutlich, als der PV am 7. 5. 1946 in einem offenen Brief alle SPD- und KPD-Mitglieder in den drei westlichen Besatzungszonen aufforderte, auch in ihrem Gebiet eine Sozialistische Einheitspartei zu gründen. Im Herbst 1946 fanden in der SBZ die ersten Wahlen statt. Die SED erhielt in den Gemeindewahlen im Durchschnitt 58,5 v. H., in den Kreistagswahlen 50,3 v. H. und in den Wahlen zu den Landtagen 47,5 v. H. aller Stimmen, obwohl CDU und LDPD starken Behinderungen unterlagen. In den meisten größeren Städten konnte die SED nicht die absolute Mehrheit erlangen. Damit war sie — trotz Hilfestellung von Seiten der Besatzungsmacht — hinter ihrem selbstgesteckten Ziel zurückgeblieben. Andererseits war sie stärker und besser organisiert als die bürgerlichen Parteien. Ihr Mitgliederstand wuchs (s. u. III. D.), und die Zahl der Grundorganisationen stieg von ca. 13.000 (I. Parteitag) auf 24.000 (II. Parteitag). Den Aufbau ihres hauptamtlichen Apparates hatte die SED der sowjetzonalen Verwaltungsstruktur angeglichen und sich durch die Gründung Personalpolitischer Abteilungen (PPA) bei den verschiedenen Parteiorganisationen wirksame Instrumente geschaffen, um die Personalpolitik in allen Bereichen des öffentlichen Lebens mitbestimmen zu können. Noch war allerdings innerhalb der SED die Moskau-orientierte ehemalige KPD, die vor allem für solche Maßnahmen verantwortlich zeichnete, auf die SPD und andere Gruppierungen angewiesen. Die einheitliche Ausrichtung und Umwandlung der neuen Partei im Sinne einer „Partei neuen Typus“ sollte die Aufgabe der kommenden Jahre sein. [S. 930]<C. Umorganisationen im Sinne der Kaderpartei und der volksdemokratischen Ordnung (1947–1955)> Der II. Parteitag (20.–24. 9. 1947) beschloß die weitere Geltung der „Grundsätze und Ziele“ bis zur Verabschiedung eines neuen Parteiprogramms, zu der es allerdings erst 1963 kam. Der Marxismus — nicht ausdrücklich seine Verbindung mit dem Leninismus — sollte der „sichere Kompaß“ auf dem Weg zur demokratischen Neugestaltung und zur Einheit Deutschlands sein. Der Kampf um diese Einheit wurde zur „Hauptaufgabe“ der Arbeiterklasse erklärt; dabei verstand die SED sich als politisch führende Kraft in ganz Deutschland. Gleichzeitig wurde gefordert, in den Volkseigenen Betrieben die Überlegenheit der neuen demokratischen Wirtschaftsordnung über die „kapitalistische Wirtschaftsanarchie“ zu beweisen. Besondere Bedeutung kam dabei der politischen Aktivität der ca 13.000 Betriebsgruppen der SED zu, auf die sich nun immer mehr das Schwergewicht der politischen Arbeit verlagerte. Dies zeigte sich auf der zentralen Organisations-Schulungskonferenz, die vom 27. 1. bis 6. 2. 1948 im Gebäude der Karl-Marx-Parteihochschule (Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED) stattfand. Auf ihr waren folgende Richtlinien zur Verbesserung der Arbeitsmethoden der Parteileitungen und der Arbeit der Grundeinheiten erlassen worden: Die Betriebsgruppen sollten die „führende Kraft“ in allen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen des Betriebes sein. Die Betriebsgruppen der staatlichen Industrieverwaltungen erhielten die Aufgabe, diese Institutionen von „reaktionären Elementen“ zu säubern und bürokratische Hemmnisse zu beseitigen. Die Richtlinien legten ferner fest: Jede Betriebsgruppe hatte einen Arbeitsplan aufzustellen; in jedem Betrieb mit über 1.000 Parteimitgliedern waren hauptamtliche Parteisekretäre zu wählen und zu beschäftigen. Betriebsgruppen mit mehreren tausend Mitgliedern, wie die Buna- und Leunawerke, erhielten die Pflichten und Rechte einer eigenen Kreisleitung der SED und neben dem 1. Sekretär auch weitere hauptamtliche Parteisekretäre für festgelegte Arbeitsgebiete. Gleichzeitig wurden von der SED erste Formen der späteren Aktivistenbewegung, der organisatorischen Vorform des Sozialistischen Wettbewerbs, in einzelnen Betrieben eingeführt. Die SED der Jahre 1946 und 1947 kann weder als eine Fortsetzung der alten KPD noch als eine Kaderpartei leninistischen Typs angesehen werden. Erst der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz, die auf der Gründungskonferenz des Kominform im Herbst 1947 von Stalins Vertrautem, dem Ersten Sekretär der Leningrader Parteiorganisation Shdanow, erstmalig nach dem Ende des II. Weltkrieges wieder erneuerte orthodoxe Einteilung der Welt in zwei feindliche Lager (Zwei-Lager-Theorie) und der Konflikt der Sowjetunion mit Jugoslawien führten zu eindeutigeren Strukturen. Innenpolitisch wurde diese Entwicklung gestützt durch die von der SMAD befohlenen gesellschaftlichen Umwandlungen (Besatzungspolitik; Agrarpolitik; Enteignung), die zunehmende Anpassung an das sowjetische Wirtschaftsmodell (Planung), die Aufwertung der Deutschen Wirtschaftskommission, die Auflösung der Betriebsräte und die Stärkung der Betriebsgruppen sowie schließlich die generelle Einführung der Aktivistenbewegung. Zwar sollte die SED eine Massenpartei bleiben, jedoch wurde nun die Übernahme von Organisations- und Befehlsstrukturen, wie sie für eine leninistische Kaderpartei typisch sind (Demokratischer Zentralismus), angezielt. Die außen- und innenpolitisch motivierte Ausrichtung der SED an der KPdSU und der SBZ/DDR an der UdSSR wurde seit 1948 konsequent verfolgt. So forderte der PV im Juni 1948, die SED zu einer „Partei neuen Typus“ (s. u.) zu entwickeln. Grotewohl erklärte außerdem auf der 11. Tagung des PV am 29./30. 6. 1948 die Spaltung Deutschlands für vollzogen und lehnte für Deutschland jegliche Brückenfunktion im Ost-West-Konflikt ab. Von ihm wie von Ulbricht wurde betont, daß die SBZ sich eindeutig am volksdemokratischen Vorbild (Staatslehre) zu orientieren und von der UdSSR zu lernen habe. Nachdem sich das ZS in einer Resolution vom 3. 7. 1948 auf die Seite Stalins und des Kominform-Büros gegen die jugoslawischen Kommunisten gestellt hatte, begann in allen Parteiorganisationen der SED eine Kampagne, die eine positive Haltung zur Politik der KPdSU-Führung und zum gesellschaftspolitischen Modell der Sowjetunion erzwingen sollte. Den Funktionären des Verwaltungsapparates wurde die angezielte Einordnung in den Sowjetblock und deren Konsequenzen für die Funktionsweise des Staatsapparates (Beseitigung der Selbstverwaltung. Durchsetzung des Prinzips des Demokratischen Zentralismus) auf der 1. Staatspolitischen Konferenz in Werder (23./24. 7. 1948) erläutert. Gegen die neue Linie der Partei erhob sich besonders in den Reihen ehemaliger SPD-Mitglieder Widerstand. Nach Shdanows Rede über die „zwei Lager“ hatten außerdem die sowjetischen Organe ehemalige Sozialdemokraten verschärft überwacht. Reden führender Funktionäre, die jetzt der SED angehörten, wurden zensiert bzw. durften in der Parteipresse nicht publiziert werden. In der Sicht derjenigen Sozialdemokraten, die den Zusammenschluß mit der KPD als ein Experiment, das in ganz Deutschland einen demokratisch-sozialistischen Neubeginn vorbereiten sollte, betrieben hatten, war die Einheitspolitik gescheitert. Sie konnten nicht verhindern, daß der von den Sowjets gestützte Ulbricht immer mächtiger wurde. Im Gegenteil: Ulbricht forderte nun die Beseitigung des Prinzips der [S. 931]paritätischen Besetzung der Führungspositionen der SED, und auf der 12. und 13. PV-Tagung gelang es ihm, Beschlüsse durchzusetzen, die eindeutig gegen nicht anpassungswillige ehemalige SPD-Mitglieder gerichtet waren. Die 12. PV-Tagung (28./29. 7. 1948) beschloß die „organisatorische Festigung der Partei“ und „ihre Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen“ sowie, zur Unterstützung der jetzt nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus arbeitenden Leitungen, die Bildung von Parteiaktivs, die die zuverlässigsten Mitglieder umfassen sollten. Die 13. PV-Tagung (15./16. 9. 1948) beschloß die Errichtung der Zentralen Parteikontrollkommission (Kontrollkommissionen der SED) und den sofortigen Aufbau von Parteikontrollkommissionen bei den Landes- und Kreisvorständen (s. u. III. C.). Ihre Bedeutung bestand zunächst darin, oppositionelle Sozialdemokraten zu entfernen. In mehreren Fällen wurden auch oppositionelle Alt-Kommunisten bzw. Angehörige ehemaliger kommunistischer Splittergruppen ausgeschlossen. Gleichzeitig wurde die Aufnahme von neuen Mitgliedern in die Partei erschwert. Im Vordergrund der 12. und 13. PV-Tagungen stand ferner die Eliminierung der von Ackermann entwickelten These vom besonderen deutschen Weg zum Sozialismus. Gleichzeitig suchte die SED die verstärkte Übernahme sowjetischer Herrschaftsmethoden und die Anpassung der Verhältnisse in der SBZ an das sowjetische Gesellschaftsmodell zu rechtfertigen. indem sie auf die größeren „Erfahrungen“ der KPdSU beim Aufbau des Sozialismus verwies und die Propagierung der Lehren Stalins in allen gesellschaftlichen Bereichen verstärkte. Im September 1948 wurden alle Parteimitglieder zum Studium von Stalins Schrift „Kurzer Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)“ verpflichtet. Durch den Beschluß der 14. PV-Tagung (20./21. 10. 1948) „Zur Verbesserung der Arbeit der Parteibetriebsgruppen in den Großbetrieben“ wurde die Arbeit der Partei (später: Betriebsparteiorganisationen, BPO) konzentriert. Auch dies war ein Schritt der Abkehr von den Organisationsprinzipien der SPD und der Hinwendung zur leninistischen Kaderpartei (Grundorganisationen der SED; Kaderpolitik). Unmittelbar vor der 1. Parteikonferenz wurde auf der 16. PV-Tagung (24. 1. 1949) das Prinzip der paritätischen Besetzung von Leitungsfunktionen aufgehoben; nur in der Einrichtung zweier Parteivorsitzender blieb es weiter bestehen. Auf dieser Tagung wurde auch erstmals in der Geschichte der SED ein Politisches Büro (Politbüro [PB], seinerzeit mit 7 Mitgliedern und 2 Kandidaten unter der Leitung von Pieck und Grotewohl) eingerichtet sowie ein sog. Kleines Sekretariat des Politbüros (5 Mitglieder unter der Leitung von Ulbricht). Entsprechende Änderungen wurden für die SED-Landes- und Kreisvorstände beschlossen. Schließlich wurde die Kandidatenzeit als Bedingung für die Aufnahme in die Partei eingeführt. Für eine kurze Zeit der Geschichte der SED bestanden ZS, PB und das Kleine Sekretariat des PB nebeneinander, denn das ZS wurde erst im Laufe des Jahres 1949 aufgelöst. Im PB fielen, unter Berücksichtigung entsprechender sowjetischer Weisungen, alle wichtigen Entscheidungen; dem Kleinen Sekretariat des PB (ab 1950: Sekretariat des ZK der SED) oblag die Durchführung der Beschlüsse des PB und damit zugleich die Anleitung und Kontrolle der einzelnen Abteilungen des Parteiapparates. Die 1. Parteikonferenz (25.–28. 1. 1949) bestätigte den vorangegangenen organisatorisch-politischen Wandel, in dessen Verlauf die Massenpartei SED typische Elemente einer Kaderpartei übernommen hatte. Danach war Fraktionsbildung in der Partei strikt verboten. Die führende Rolle der Sowjetunion und der KPdSU (B) wurde jetzt als für alle Mitglieder verbindlicher politischer Grundsatz noch stärker betont. Das bereits auf dem II. Parteitag 1947 in Frage gestellte Prinzip der paritätischen Besetzung aller Leitungsgremien der Partei mit ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern wurde endgültig aufgegeben; die neue Führungsspitze (PB) bildeten 5 frühere Mitglieder der KPD und 4 frühere Mitglieder der SPD. Im Februar 1949 wurde die Kandidatenzeit nach sozialer Herkunft differenziert. Für Arbeiter war nun eine 1jährige, für andere Gruppen eine 2jährige Kandidatenzeit vorgeschrieben. Die 1. Organisationskonferenz der SED (7./8. 6. 1949) verpflichtete erneut alle Mitglieder in den Betrieben, sich in BPO zu organisieren. Sämtliche SED-Mitglieder wurden zu verstärktem Selbststudium der Werke Stalins angehalten. Im Oktober des gleichen Jahres wurden die PPA entsprechend dem sowjetischen Vorbild in Kaderabteilungen umbenannt und ein Nomenklatursystem für leitende Funktionäre eingeführt (Nomenklatur). Nach der Gründung der DDR (7. 10. 1949) entwickelte sich die SED zur dominierenden Partei auch im Staatsapparat. Alle wichtigen Leitungspositionen in Regierung, Verwaltung und Gesellschaft wurden in zunehmendem Maße mit als politisch zuverlässig geltenden SED-Mitgliedern besetzt. Die Vorsitzenden der SED traten an die Spitze des Staates: Pieck als Präsident, Grotewohl als Ministerpräsident. Trotz des damit bereits erkennbaren Vormarsches der SED zur herrschenden Partei war ihre „Suprematie“ (S. Mampel) noch nicht verfassungsmäßig verankert. Die Verfassung von 1949 sieht für die DDR vielmehr ein Mehrparteiensystem vor. Zu den bestehenden drei Parteien waren 1948 noch der DBD und die NDPD hinzugekommen. Der „antifaschistisch-demokratische Block“, dem sie und die wichtigsten Massenorganisationen ange[S. 932]hörten, ging mit der Gründung der DDR in der Nationalen Front auf. Spätestens bei den ersten Wahlen zur Volkskammer (15. 10. 1950) wurde jedoch klar, daß ein Mehrparteiensystem im westlich-demokratischen Verständnis von der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED nicht geduldet wurde. Über die Nationale Front und die entsprechenden Bestimmungen im Wahlgesetz vom 9. 8. 1950 war es der SED möglich, alle zu wählenden Kandidaten selbst zu ernennen oder zu billigen und mit Hilfe der Einheitslisten auch wählen zu lassen (Wahlen). Die von der SED besetzte Volkskammer wählte ferner die Regierung der DDR. Unersetzlich für die Erreichung dieser Stufe ihrer Herrschaft war für die SED der Staatssicherheitsdienst, dessen organisatorischer Aufbau im Februar 1950 mit der Schaffung des Ministeriums für Staatssicherheit abgeschlossen worden war. Der III. Parteitag (20.–24. 7. 1950) verabschiedete das (2.) Statut. Hier definierte sich die SED als „die Partei der deutschen Arbeiterklasse, ihr bewußter und organisierter Vortrupp, die höchste Form ihrer Klassenorganisation“, die „den fortschrittlichsten Teil der Werktätigen in ihren Reihen“ vereinigt. In ihrem Selbstverständnis war die SED eine auf eine Massenbasis gestützte Kaderpartei, die die führende Rolle der KPdSU bedingungslos anerkannte, oder — wie es in der Entschließung des Parteitages hieß — eine „Partei neuen Typus“. Gleichzeitig rief der Parteitag zum „Kampf gegen die Überreste des Sozialdemokratismus in der SED“ auf. Die „Grundsätze und Ziele“ von 1946 wurden für überholt erklärt, die Vorbildrolle der KPdSU (B) sowie die Einbindung der DDR in das System der Volksdemokratien bestätigt. Gesamtdeutsche Ambitionen wurden allerdings nicht aufgegeben: Der III. Parteitag verabschiedete (wie seinerzeit der Vereinigungsparteitag) ein „Manifest an das deutsche Volk“. Auch als „Partei neuen Typus“ spiegelte die SED damit eine Ambivalenz der Zielsetzungen: Moskau-Gebundenheit bzw. -Hörigkeit einerseits, Deutschland-Orientierung andererseits, wider. Der Verzicht auf die Bezeichnung „revolutionär“ deutete diese Ambivalenz ebenfalls an. Das Verhältnis der Partei zu den anderen gesellschaftlichen Organisationen in der DDR wurde mit den Worten, daß die SED auf diese „Einfluß ausübe“, umschrieben; eine normative Setzung der „Suprematie“ war also noch nicht erfolgt. Die vorher eingeleiteten innerparteilichen Umstrukturierungen erfuhren im Statut ihre Sanktionierung. Der PV wurde durch ein Zentralkomitee (ZK: 51 Mitglieder und 30 Kandidaten) mit 2 Vorsitzenden (Pieck und Grotewohl) ersetzt. Das ZK seinerseits wählte anstelle des ZS das PB (9 Mitglieder und 6 Kandidaten, unter ihnen nur noch 3 ehemalige Sozialdemokraten) und das Sekretariat des ZK (11 Mitglieder) mit Ulbricht als Generalsekretär des Zentralkomitees an der Spitze. In dieser Funktion hatte Ulbricht im politischen Entscheidungsprozeß größere Macht als die Parteivorsitzenden. Über die- inzwischen aufgegebene - Praxis der paritätischen Zusammensetzung der Leitungsorgane wurde im Statut nichts ausgesagt. Pieck und Grotewohl blieben jedoch gleichgestellte Vorsitzende der Partei. In der Absicht, die Masse der passiven Mitglieder zu aktiven „Parteiarbeitern“ und zuverlässigen politische Kadern zu erziehen, wurden die statutenmäßigen Ansprüche an die Mitglieder erhöht und der Parteiausschluß (der zu dieser Zeit überwiegend den Verlust der beruflichen Stellung nach sich zog) denen angedroht, die die Forderungen der Partei (Parteiauftrag) nicht erfüllten. Die BPO wurden zur wichtigsten Grundeinheit. Am 1. 11. 1950 begann das 1. Parteilehrjahr, in dessen Verlauf 1 Mill. Mitglieder und Kandidaten systematisch mit Grundfragen des Marxismus-Leninismus, der Geschichte der deutschen und sowjetischen Arbeiterbewegung sowie der Strategie und Taktik der SED vertraut gemacht werden sollten (Parteischulung der SED). Gleichzeitig ist im 1. Halbjahr 1951 der Umtausch der Parteimitgliedsbücher und -kandidatenkarten durchgeführt worden. Die in den osteuropäischen Nachbarländern stattfindenden Schauprozesse („Titoisten“-Prozesse) wurden von der SED-Führung zwar mit Beifall kommentiert, jedoch vermied sie es, ähnliche Prozesse in der DDR zu veranstalten. Bereits die 2. ZK-Tagung (24. 8. 1950) beschloß jedoch Säuberungen in der Partei- und Staatsspitze. Ehemalige KPD-Mitglieder, die während der NS-Zeit in den Westen emigriert waren und nach ihrer Rückkehr führende Positionen in der DDR bekleideten, wurden unter Spionagebeschuldigungen (sog. Affäre Noel H. Field) aus der Partei ausgeschlossen. Das prominenteste unter ihnen war P. Merker, seit Juli 1946 ununterbrochen Mitglied des ZS bzw. des PB. seit Oktober 1949 außerdem Staatssekretär im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft. Er wurde im August 1950 seiner Ämter enthoben, allerdings erst im Dezember 1952 verhaftet. Insgesamt waren die Jahre 1950–1952 durch permanente Säuberungen der Partei vor allem von Altkommunisten mit „Westvergangenheit“, oppositionellen Sozialdemokraten, sog. Zionisten und Angehörigen linker Splittergruppen der Arbeiterbewegung gekennzeichnet. Allein im Jahre 1951 wurden 150.696 Mitglieder ausgeschlossen. Von November 1950 bis Juni 1951 wurden keine neuen Parteimitglieder aufgenommen. Eine zentrale Kaderkonferenz (25. 1. 1952) forderte, in der Nomenklatur auf Westemigranten weitgehend zu verzichten und eine neue Intelligenz heranzuziehen. Im Mai 1953 schließlich gelang es Ulbricht, seinen damals stärksten Opponenten in der SED-Spitze, F. Dahlem (Altkommunist, Westemigrant und Mit[S. 933]glied der KPD- bzw. SED-Führung seit 1945), seiner Funktionen zu entheben und ihn aus dem PB und dem ZK-Sekretariat auszuschließen. (Dahlem wurde allerdings schrittweise rehabilitiert und 1957 wieder in das ZK aufgenommen.) Zugleich verstärkte die Parteiführung die Propagierung der Sowjetideologie und begründete die administrative Übernahme zahlreicher Merkmale des sowjetischen Wirtschaftsmodells (Vertragssystem; Wirtschaftliche Rechnungsführung; Kollektivierung). Der Kult um Stalin und das sowjetische Gesellschaftsmodell nahm groteske Züge an. Nachdem die innerparteilichen Umorganisationen im Sinne der „Partei neuen Typus“ besiegelt und alle parteipolitischen Kräfte prinzipiell unter Kontrolle gebracht worden waren, präsentierte sich die SED mit eindeutig sozialistisch-kommunistischen gesellschaftspolitischen Vorstellungen auf der 2. Parteikonferenz (9.–12. 7. 1952). Hier wurde das Ende der „antifaschistisch-demokratischen Phase“ verkündet und der „planmäßige Aufbau des Sozialismus“ im Sinne des „Klassenkampfes nach innen“ beschlossen. Mit dieser Periodisierung der eigenen Geschichte rechtfertigte die SED die vorangegangenen Umorganisationen in Wirtschaft und Gesellschaft (Frauen; Jugend; Kirchen; Kulturpolitik; Polytechnische Bildung; Rechtswesen; Universitäten und Hochschulen) und leitete die Kollektivierung in der Landwirtschaft, verschärfte Maßnahmen in der Arbeitspolitik sowie eine umfassende Verwaltungsneugliederung (Länder; Bezirke) ein. Der Tod Stalins (5. 3. 1953) führte zu einer der schwersten politischen Krisen der SED, denn die von den Sowjets noch immer eindeutig abhängige SED-Führung wurde durch die aus der Stalin-Nachfolge erwachsende Unsicherheit im Ostblock besonders stark erfaßt. Hinzu kam, daß sich in der DDR selbst als Folge der Kollektivierungsmaßnahmen auf dem Lande und der Steigerung der Arbeitsnormen (ohne entsprechende Erhöhung der Löhne) in der Industrie eine explosive Stimmung entwickelt hatte. In dieser Situation wurde Ulbricht gezwungen, das Tempo des gerade erst begonnenen Aufbaus des Sozialismus zu verlangsamen. Mit PB-Beschluß vom 9. 6. 1953 wurde der Neue Kurs verkündet. Diese Maßnahme ist ein Versuch gewesen, nicht nur die Unzufriedenheit in der Bevölkerung abzubauen, sondern auch innerparteiliche Kritik abzufangen. In der Hoffnung auf einen Sieg der Malenkow-Berija-Gruppe im PB der KPdSU hatte sich im SED-Politbüro eine gegen Ulbrichts Politik gerichtete Fronde gebildet, die in den Personen des damaligen Ministers für Staatssicherheit, W. Zaisser (zugleich Mitglied des PB), und des damaligen Chefredakteurs des „Neuen Deutschland“, R. Herrnstadt (zugleich Kandidat des PB), eine personelle und sachliche Alternative darstellte. Es scheint heute sicher, daß Ulbricht mehrere Wochen keine Mehrheit in den SED-Führungsgremien, vor allem im PB, fand. Nach dem 17. Juni (Juni-Aufstand) jedoch konnte sich die Sowjetunion offenbar keine Experimente am Rande ihres Machtbereichs leisten, und Berija war inzwischen (Ende Juni 1953) ausgeschaltet worden. Daher erreichte Ulbricht auf der 15. ZK-Tagung (24.–26. 7. 1953) den Ausschluß Zaissers und Herrnstadts aus dem ZK (und damit automatisch auch aus dem PB) sowie ihre Amtsenthebung. Wegen ihrer Unterstützung der Zaisser-Herrnstadt-Opposition wurden ferner A. Ackermann, H. Jendretzky und E. Schmidt nicht wieder in das PB, das im Juli 1953 vom ZK gewählt wurde, aufgenommen, blieben jedoch zunächst Mitglieder des ZK. Im Gegensatz zu der relativ milden Behandlung, die diese Moskau-orientierte Gruppe altgedienter hoher KPD- bzw. SED-Funktionäre erfuhr, wurde im direkten Zusammenhang mit dem 17. Juni der aus der SPD gekommene damalige Justizminister und ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende, M. Fechner, bedeutend härter gestraft. Er verlor seine Mitgliedschaft in der SED und wurde verhaftet. Ihm wurde zum Vorwurf gemacht, er hätte den Arbeitern nicht entschieden genug widersprochen, als sie am 17. Juni die Anerkennung ihres verfassungsmäßig garantierten Streikrechts forderten. Auf der 17. ZK-Tagung (22/23. 1. 1954) wurden Zaisser und Herrnstadt dann aus der SED ausgeschlossen, blieben aber auf freiem Fuß; ihre Sympathisanten sowie andere als oppositionell eingeschätzte Parteimitglieder erhielten schwere Parteistrafen. Die anschließende Parteisäuberung erfaßte auch den Apparat und die einfachen Mitglieder. Von den 1952 gewählten Mitgliedern der 15 Bezirksleitungen schieden 62 v. H. bis zum IV. Parteitag im Jahre 1954 aus. Von den im Juni 1953 amtierenden 1. und 2. Kreissekretären wurden sogar 71 v. H. ausgewechselt. Unter den von Juli bis Oktober 1953 ausgeschlossenen einfachen Mitgliedern der Partei hatten fast ein Drittel mehr als 20 Jahre einer der vor 1933 bestehenden Arbeiterparteien angehört. Obwohl die Parteiführung keine Fehler-Diskussion zuließ, machte sie der Bevölkerung doch politische wie soziale Zugeständnisse. Der Neue Kurs brachte einen vorübergehenden Halt in der Kollektivierung auf dem Lande und eine Reihe sozialer, vor allem lohnpolitischer Erleichterungen für die Arbeitnehmerschaft. Auch der IV. Parteitag (30. 3.–6. 4. 1954) fand noch unter den Zeichen des Neuen Kurses statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen ferner die notwendige Modernisierung der Industrieproduktion und die Schaffung eines breiteren Konsumgüterangebots. Verschiedene Eigentumsformen sollten zwar noch längere Zeit nebeneinander bestehen können, doch wurde zugleich betont, daß die Partei zur „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ übergegangen sei. [S. 934]Der IV. Parteitag verabschiedete das (3.) Statut. In ihm wurde, entsprechend dem Bericht der ZPKK (durch H. Matern), erstmals der Charakter der Partei als „revolutionärer“ Avantgarde betont sowie ihre Führungsrolle („Suprematie“) gegenüber allen gesellschaftlichen Organisationen (s. u. III. E.) festgelegt. Die Vorsitzenden des ZK wurden abgeschafft, die Spitze der Partei nunmehr vom Ersten Sekretär des ZK gebildet. Im neuen Statut ist das Prinzip der kollektiven Führung wieder stärker betont worden. (Das zeigte sich u. a. darin, daß bei den BZL und KL Büros als kollektive Leitungsorgane gebildet wurden.) § 70 des Statuts legte fest, daß die Grundorganisationen das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen in allen Volkseigenen Betrieben, einschließlich der verstärkt zu fördernden LPG, haben. Ulbricht wurde zum Ersten Sekretär des ZK (bisher Generalsekretär) der SED gewählt, das Sekretariat auf 6 Mitglieder verkleinert. In das neue PB wurden 9 Mitglieder und 5 Kandidaten aufgenommen. Im November 1954 wurde zugegeben, daß die Verfolgungen von Westemigranten auf erpreßten und verfälschten Geständnissen beruhten. Die erst 1956 zögernd eingeleitete Rehabilitierung (28. ZK-Tagung, 27.–29. 7. 1956) führte die seinerzeit gemaßregelten Funktionäre jedoch nicht in ihre alten Parteiämter zurück (Rehabilitierungen). Ab 1954 unternahm die SED neue Anstrengungen, um die Effektivität der Wirtschaft zu erhöhen. Ulbricht forderte auf einer Konferenz mit 600 Wissenschaftlern und Ingenieuren (16. 6. 1954), sich an internationalen Spitzenleistungen zu orientieren und den Weltruf deutscher Erzeugnisse zu erhalten. Die BPO wurden nun verpflichtet, sich für die Qualitätssteigerung der produzierten Waren und ein strenges Sparsamkeitsregime einzusetzen sowie stärker als bisher Kosten- und Preisprobleme zu studieren. Die 21. ZK-Tagung (12.–14. 11. 1954) beschloß eine Vereinfachung der Planung. Die 1. Baukonferenz des ZK und des Ministeriums für Bauwesen (3.–6. 4. 1955: Beginn der Industrialisierung in der Bauwirtschaft) und die II. Wissenschaftlich-technische Konferenz (6.–8. 7. 1955) rückten die Probleme der technologischen Modernisierung noch eindeutiger in den Vordergrund. Im Beschluß der 24. ZK-Tagung (1./2. 6. 1955) über die Förderung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts zeichnete sich die gleiche Tendenz ab. Auf der 25. ZK- Tagung (24.–27. 10. 1955) wurde dann neben der ideologisch-politischen Erziehungsarbeit die Propagierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zur wichtigsten Aufgabe der leitenden Parteiorgane erklärt. Auf dieser Tagung wurden außerdem neue Vorstellungen für eine deutsche Wiedervereinigung formuliert (Deutschlandpolitik der SED). Vorausgegangen waren von Seiten der UdSSR der Verzicht auf noch ausstehende Reparationsleistungen sowie die Streichung aller Nachkriegsschulden und die Gewährung eines beträchtlichen Kredits (Wirtschaft). Mit diesen Maßnahmen wurden von den Sowjets nicht nur wirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern es wurde u. a. auch die politische Stärkung der SED angezielt. Die SED wurde ferner gestützt durch die Auflösung der Sowjetischen Kontrollkommission (Besatzungspolitik) und die Unterzeichnung des „Vertrages über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ am 20. 9. 1955 (Außenpolitik). Am Ende der Besatzungspolitik war die DDR in das System der Volksdemokratien, in das Sozialistische Weltsystem, eingegliedert (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe; Warschauer Pakt). Die Umwandlung der SED zu einer Moskau-hörigen Kaderpartei mit Massenbasis kann zu diesem Zeitpunkt als abgeschlossen gelten. D. Innerparteiliche Konsolidierung und Aufbau des Sozialismus in der DDR (1955--1961/62) Chruschtschows Geheimrede und seine Enthüllungen über die Stalinschen Herrschaftsmethoden auf dem XX. Parteitag der KPdSU (14.–25. 2. 1956) stürzten die Führung der SED in eine neue Krise. Diesmal ging es — stärker als im Jahr 1953 — auch um den seit Kriegsende praktizierten Herrschaftsstil der Partei, um ihr Selbstverständnis als „führende Kraft der Arbeiterklasse“. Zwar konnte die SED-Führung auf erhebliche Aufbauleistungen verweisen, mußte sich jedoch gerade angesichts der sowjetischen Entwicklungen den Fragen der Parteimitglieder und der Bevölkerung nach ihrem Verhältnis zu Stalin und nach der „innerparteilichen Demokratie“ stellen. In dieser Situation tagte die 3. Parteikonferenz (24.–30. 3. 1956). Entgegen den Erwartungen vieler Delegierter und Parteimitglieder erfolgte auf ihr keine deutliche Distanzierung von den stalinistischen Terrormethoden. Wie schon 1955 geplant, beschäftigte sich die Konferenz vielmehr überwiegend mit Struktur- und wirtschaftspolitischen Fragen. Ihr Beschluß „Zur breiteren Entfaltung der Demokratie in der DDR“ stellte der SED die Aufgabe, den Staatsapparat für die Organisation des „endgültigen Sieges der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ vorzubereiten (vgl. Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. 1. 1957; Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates vom 11. 2. 1958; Staatsapparat). Er zeigte aber gleichzeitig, daß die SED-Führung einen neuen Führungsstil suchte, wenn auch — angesichts der Erfahrungen von 1953 — in sehr vorsichtiger Weise. Die Ereignisse in Polen und Ungarn bestärkten die Parteiführung dann ferner in ihrer vorsichtig-abwartenden Haltung zur „Entstalinisierung“. [S. 935]Die Betonung wirtschaftspolitischer Fragen auf der 3. Parteikonferenz wurde von zahlreichen Mitgliedern und Unterorganisationen der Partei als ein Manöver, das von den Fehlern der eigenen Vergangenheit ablenken sollte, empfunden. Die Kritik an der von Ulbricht geführten Partei und ihrer Politik wurde immer lauter. Die stärkste Opposition war in der Parteiführung selbst anzutreffen, wo die PB- Mitglieder K. Schirdewan (ZK-Sekretär für Organisation und Information) und F. Oelßner (Leiter der Kommission für Fragen der Konsumgüterproduktion und der Versorgung der Bevölkerung) sowie die Mitglieder des ZK G. Ziller (ZK-Sekretär für Wirtschaft). F. Selbmann (Stellvertretender Ministerpräsident) und E. Wollweber (Minister für Staatssicherheit) eine Reform der Parteispitze und der Parteiarbeit sowie eine Verlangsamung der gesellschaftlichen Umwälzungen forderten. Opposition regte sich ferner in verschiedenen Verlagen und Universitäten. W. Harich (Chefredakteur der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“, Dozent an der Humboldt-Universität) u. a. entwickelten Konzepte des Reformkommunismus (Dritter Weg; Opposition und Widerstand; Revisionismus) und der Parteireform, die ebenfalls die Parteispitze betroffen hätten. An mehreren Universitäten wandten sich Parteiorganisationen gegen die bisherige Anwendung des Prinzips des Demokratischen Zentralismus. Marxistische Wirtschaftstheoretiker und -praktiker, angeführt von F. Behrens (zu jener Zeit Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig und Direktor des Staatlichen Zentralamtes für Statistik), A. Benary (damals Oberassistent am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften [DAW] und dort Leiter der Abteilung „Sozialistische Wirtschaft“) und G. Kohlmey (seinerzeit Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der DAW), forderten stärkere Dezentralisierungen der wirtschaftspolitischen Entscheidungen, Orientierung an realistischen wirtschaftlichen Daten, materielle Stimuli und echte Kostenpreise; andere, wie K. Vieweg (zu jener Zeit Leiter des Instituts für Agrarökonomik bei der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, 1950–1953 ZK-Sekretär für Landwirtschaft), verlangten die Auflösung unrentabler LPG. Kritisiert wurde ferner die Deutschlandpolitik der Parteiführung. Trotz einiger Teilerfolge der Opposition (vgl. z. B. die Stellungnahme des PB vom 8. 7. 1956 gegen Dogmatismus und Personenkult und den Beschluß der 28. ZK-Tagung über „Die nächsten ideologischen Aufgaben der Partei“ vom 29. 7. 1956) setzte sich Ulbricht — unterstützt von den Ereignissen in Polen und Ungarn sowie der sowjetischen Reaktion im Oktober/November 1956 — gegen seine Gegner in der SED durch. Zunächst traf allerdings nur die intellektuelle Opposition die volle Reaktion der Parteiführung. Harich und einige seiner Anhänger wurden am 29. 11. 1956 verhaftet und am 9. 3. 1957 zu Zuchthausstrafen verurteilt. Ulbricht entwickelte auf der 30. ZK-Tagung (30. 1.–1. 2. 1957) sein „Konföderationskonzept“ (Deutschlandpolitik der SED) und forderte zugleich den verstärkten Ausbau der „sozialistischen Produktionsverhältnisse“ innerhalb der DDR. Damit sollte die gegensätzliche gesellschaftspolitische Entwicklung in beiden deutschen Staaten beschleunigt werden. Gegen die zur Durchsetzung dieser neuen Konzeption erforderliche Verstärkung administrativer Unterdrückungsmethoden wandten sich in der Parteiführung vor allem Schirdewan und Wollweber. Diese für Sicherheitsfragen und Kaderpolitik verantwortlichen Spitzenfunktionäre hatten aus den Ereignissen in Polen und Ungarn die Lehre gezogen, daß zu starker Druck von oben die Gefahr einer politischen Explosion auch in der DDR heraufbeschwören könnte. Auch an der Parteibasis (Halle, Jena, Dresden) wurde gegen die neue Linie opponiert. Um die entsprechenden Parteileitungen zu disziplinieren, entsandte der ZK-Apparat Agitationsbrigaden. In allen Fällen versteckte sich hinter dem Eingreifen des ZK-Apparates auch der Versuch Ulbrichts, seine damaligen Gegenspieler zu isolieren und aus der SED-Führung zu entfernen. Dies gelang ihm schließlich auf der 35. ZK-Tagung (3.–6. 2. 1958), auf der Schirdewan und Oelßner ihre Sitze im PB verloren, Schirdewan darüber hinaus zusammen mit Wollweber aus dem ZK ausgeschlossen und mit einer „strengen Rüge“ bestraft wurde. Ziller hatte zuvor Selbstmord begangen. Auf dieser (35.) ZK-Tagung wurde außerdem im Vorgriff auf den V. Parteitag gefordert, die Volkswirtschaft der DDR so zu entwickeln, daß eine höhere Pro-Kopf-Produktion als in der Bundesrepublik Deutschland erzielt wird. Einige Monate später sind dann auf Beschluß der Volkskammer die Lebensmittelkarten für die Bevölkerung abgeschafft worden (Verbrauch, privater; Lebensstandard). Ferner wurde die Bildung der Wirtschaftskommission beim PB (Leitung: E. Apel) beschlossen; sie sollte Anfang der 60er Jahre eine qualitative Änderung der Parteiarbeit im Wirtschaftsbereich vorbereiten. Der V. Parteitag (10.–16. 7. 1958) war — mehr als jeder andere Parteitag zuvor — der Parteitag Ulbrichts, der von da an

SED (1979) Siehe auch: SED: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Sozialistische Einheitspartei: 1965 1966 1969 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): 1975 1985 Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands konstituierte sich am 21./22. 4. 1946 auf dem sog. Vereinigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD/DKP) im sowjetisch besetzten Berlin. I. Geschichte der SED und…

DDR A-Z 1979

Gerichtsverfassung (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Grundsätzliche Bestimmungen Nach Artikel 92 der Verfassung wird die Rechtsprechung in der DDR durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die Gesellschaftlichen Gerichte ausgeübt; in Militärstrafsachen besteht eine besondere Militärgerichtsbarkeit. Aufbau und Organisation der staatlichen Gerichte werden durch das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 27. 9. 1974 (GBl. I, S. 457) geregelt, das mit Wirkung vom 1. 11. 1974 an die Stelle des GVG vom 17. 4. 1963 (GBl. I, S. 45) getreten ist, nachdem mit dem ersten GVG der DDR vom 2. 10. 1952 (GBl., S. 985) die alte, in Deutschland seit 1879 bestehende G. beseitigt worden war. In den grundsätzlichen Bestimmungen betont das GVG die Unabhängigkeit der Richter, hebt die der Rechtsprechung gestellten Aufgaben hervor (Rechtswesen, II.) und legt die Zulässigkeit des Rechtsweges für alle Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen fest, soweit nicht die Zuständigkeit anderer Staatsorgane begründet ist. Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist also Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit; selbständige Kreis- und Bezirksarbeitsgerichte bestanden nur bis zum 25. 4. 1963. Das GVG beinhaltet ferner den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung Rechtswesen, IV.), der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, das Recht auf Verteidigung (Verteidiger), die Möglichkeit der Kassation gerichtlicher Entscheidungen und die Zulässigkeit der Gerichtskritik. Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Die Gerichtssprache ist deutsch (in der Lausitz kann in sorbischer Sprache verhandelt werden), und die Urteile werden „Im Namen des Volkes“ verkündet. [S. 455]II. Das Oberste Gericht (OG) Das höchste Organ der Rechtsprechung ist das Oberste Gericht (§ 36 GVG) mit dem Sitz in Berlin (Ost), das von einem Präsidenten (Dr. Toeplitz) geleitet wird. Es leitet die Rechtsprechung aller Gerichte und hat die „einheitliche und richtige Gesetzesanwendung durch alle Gerichte“ zu sichern. Mit der Bestimmung, daß das OG der Volkskammer und zwischen ihren Tagungen dem Staatsrat verantwortlich ist (§ 36 Abs. 2 GVG), wurde das Prinzip des Demokratischen Zentralismus auch in der Rechtsprechung durchgesetzt. In Verwirklichung dieses Prinzips wurde ein umfassendes „System der wissenschaftlichen Leitung der Rechtsprechung“ entwickelt, das insbesondere die Anleitung der unteren durch die oberen Gerichte und durch das OG sowie die mit dem neuen GVG vom 27. 9. 1974 erneut eingeführte Anleitung und Kontrolle der Bezirks- und Kreisgerichte durch das Ministerium der Justiz regelt. In Art. 74 der Verfassung ist dem Staatsrat die ständige Aufsicht über die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzlichkeit der Tätigkeit des OG übertragen. Diese Aufsichtsbefugnis erstreckt sich nach der Stellung des OG auf die gesamte Rechtsprechung der DDR, dürfte jedoch in der Praxis angesichts der erheblich geminderten Rolle des Staatsrats kaum mehr Bedeutung erlangen. Die Organe des OG sind das Plenum, das Präsidium, die Kollegien für Straf-, Militärstraf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen und die bei den Kollegien gebildeten Senate. Dem Plenum gehören der Präsident, die Vizepräsidenten, die Oberrichter und die Richter des OG, die Direktoren der Bezirksgerichte und die Leiter der Militärobergerichte an. Mitglieder des Präsidiums sind der Präsident, die Vizepräsidenten und die Oberrichter des OG. Die Mitglieder des Präsidiums werden auf Vorschlag des Präsidenten vom Staatsrat berufen. Die Rechtsprechung liegt in Händen der Senate, die mit einem Oberrichter als Vorsitzendem und zwei beisitzenden Richtern besetzt sind. In Arbeitsrechtssachen entscheidet der zuständige Senat mit einem Oberrichter, einem weiteren Richter und drei Schöffen. Seit 1967 sind bei den Senaten des OG, ohne daß es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt, „Konsultativräte“ gebildet worden, die mit beratender Funktion ausgestattet sind. Es bestehen — soweit erkennbar — Konsultativräte für Familienrecht und LPG-Recht (beide beim 1. Zivilsenat des OG), für Urheber- und Patentrecht sowie 2 Konsultativräte für Strafrecht beim 3. und 5. Strafsenat des OG. Betont wird, daß die Konsultationen vor Durchführung einer Verhandlung keine „vorweggenommene Beweisaufnahme“ sein dürfen. Plenum und Präsidium können zur Leitung der Rechtsprechung Richtlinien und Beschlüsse erlassen, die für alle Gerichte verbindlich sind. Seit 1953 hat das OG 32 Richtlinien beschlossen, von denen allerdings, bedingt durch die Verabschiedung neuer Gesetze, die Mehrzahl inzwischen wieder aufgehoben wurde. Anträge auf Erlaß solcher Richtlinien und Beschlüsse können der OG-Präsident, der Generalstaatsanwalt, der Minister der Justiz und der Bundesvorstand des FDGB stellen. Das Plenum, an dessen Tagungen der Generalstaatsanwalt, der Minister der Justiz und ein Vertreter des Bundesvorstandes des FDGB teilzunehmen berechtigt sind, tagt grundsätzlich einmal in 3 Monaten. Entgegen der bis zum 31. 10. 1974 geltenden Regelung ist der Staatsrat an Plenartagungen des OG nicht mehr beteiligt. Das Präsidium bereitet die Tagungen des Plenums vor und beruft diese ein, ist zuständig für die Entscheidung, wenn ein Senat des OG in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines einem anderen Kollegium angehörenden Senats oder des Präsidiums abweichen will, wertet die Rechtsprechung der Gerichte und die Eingaben der Bürger aus, organisiert die Tätigkeit des OG und regelt die Geschäftsverteilung. Ferner ist das Präsidium Kassationsinstanz (s. u.). Es ist dem Plenum verantwortlich und rechenschaftspflichtig. In der Rechtsprechung ist das OG zuständig: 1. in erster und letzter Instanz für Strafsachen, in denen der Generalstaatsanwalt wegen ihrer überragenden Bedeutung Anklage vor dem OG erhebt; 2. in zweiter Instanz für die mit einem Rechtsmittel angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidungen der Bezirksgerichte und Militärobergerichte und für die Entscheidung über die Berufung in bestimmten Patentsachen; 3. als Kassationsgericht (Kassation) in Straf-, Militärstraf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen. Auf Anforderung des Ministerrates hat das OG Rechtsgutachten zu Fragen des Straf-, Zivil-, Familien-, Arbeits- und Prozeßrechts zu erstatten. III. Die Bezirksgerichte (BG) In jedem Bezirk besteht ein BG, das von einem Direktor geleitet wird. Das BG leitet im Bezirk die Tätigkeit der Kreisgerichte und der gesellschaftlichen Gerichte. Nachdem mit dem neuen GVG das Plenum des BG weggefallen ist, fungiert als beratendes Kollegialorgan für den Direktor das Präsidium, dem der Direktor des BG, seine Stellvertreter und die Oberrichter angehören. Das Präsidium ist Kassationsinstanz und entscheidet als solche in der Besetzung mit dem Direktor oder einem Stellvertreter als Vorsitzendem und vier vom Direktor zu bestimmenden Mitgliedern des Präsidiums. Die Rechtsprechung des BG in Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen liegt in den Händen der Senate, deren Zahl bei den einzelnen BG unterschiedlich ist. Diese sind in der ersten Instanz mit ei[S. 456]nem Oberrichter oder Richter als Vorsitzendem und zwei Schöffen, in der zweiten Instanz mit einem Oberrichter als Vorsitzendem und zwei weiteren Richtern besetzt. In Arbeitsrechtssachen entscheiden auch in zweiter Instanz ein Oberrichter und zwei Schöffen. Das BG ist zuständig: 1. als Gericht erster Instanz a) in Strafsachen für die Entscheidung über Verbrechen gegen die Souveränität der DDR, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte, Staatsverbrechen, über vorsätzliche Tötungsverbrechen, schwerere Verbrechen gegen die Volkswirtschaft und in allen anderen Strafsachen, in denen die Anklage durch den Staatsanwalt vor dem BG erhoben wird, b) in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen für die Entscheidung über Streitigkeiten, in denen wegen der Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge der Sache der Staatsanwalt des Bezirks die Verhandlung vor dem BG beantragt oder der BG-Direktor die Sache an das BG heranzieht (durch diese Zuständigkeitsregelung wird die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters — Artikel 101 der Verfassung — eingeschränkt); 2. in zweiter Instanz für die mit einem Rechtsmittel angefochtenen Entscheidungen der Kreisgerichte in Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen; 3. als Kassationsgericht für die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Kreisgerichte. IV. Die Kreisgerichte (KrG) In jedem Kreis besteht ein KrG, das von einem Direktor geleitet wird und in Kammern für Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen gegliedert ist. Die Kammern sind mit einem Richter als Vorsitzendem und zwei Schöffen besetzt. Das KrG ist zuständig: 1. für alle Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen, soweit nicht die Zuständigkeit des BG oder des OG begründet ist. Es gehören also grundsätzlich alle Zivilsachen in erster Instanz vor das KrG; 2. für Entscheidungen über den Einspruch gegen eine Entscheidung der Konfliktkommission oder Schiedskommission (Gesellschaftliche Gerichte); 3. für die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Staatlichen Notariats oder eines Einzelnotars; 4. für die Verhandlung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine polizeiliche Strafverfügung wegen einer Verfehlung; 5. für Vollstreckbarkeitserklärungen von Entscheidungen der Gesellschaftlichen Gerichte; 6. für Einsprüche gegen die Nichtaufnahme in die Wählerliste zur Wahl der Volksvertretungen. Als Neuregelung im GVG ist vorgesehen, daß in bestimmten, vom Gesetz festgelegten Fällen ein Richter allein verhandeln und entscheiden kann. Insoweit ist auch in § 6 GVG der Grundsatz der „Kollektivität der Rechtsprechung“ eingeschränkt. Bei jedem KrG besteht eine Rechtsauskunftsstelle zur Beratung der Bevölkerung. An die Stelle des früheren Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist bei jedem Gericht der Sekretär des Gerichts getreten; bei Gerichten mit mehreren Sekretären gibt es einen „leitenden Sekretär“. Die Bezeichnung „Rechtspfleger“ gibt es nicht. Der Sekretär des Gerichts bzw. der leitende Sekretär ist für die Durchsetzung der ihm übertragenen materiellen, finanziellen und technisch-organisatorischen Aufgaben am KrG verantwortlich. Ihm obliegt daneben die Vollstreckung aus gerichtlichen Entscheidungen (Zivilprozeß). Gerichtsvollzieher gibt es in der DDR nicht mehr. V. Gerichtsorganisation in Berlin (Ost) In Berlin (Ost) besteht eine eigene Gerichtsorganisation seit der Auflösung des Kammergerichts im Herbst 1961 nicht mehr. In jedem der 8 Stadtbezirke gibt es ein Stadtbezirksgericht (Zuständigkeit wie Kreisgericht). Mit der Zuständigkeit eines Bezirksgerichts ausgestattet ist das Stadtgericht. Über Rechtsmittel und Kassationsanträge gegen dessen Entscheidungen entscheidet seit der Auflösung des Kammergerichts das Oberste Gericht. VI. Die Militärgerichtsbarkeit Die Militärgerichtsbarkeit war durch die Militärgerichtsordnung (Erlaß des Staatsrats) vom 4. 4. 1963 (GBl. I, S. 71) eingerichtet worden. Sie wurde durch die AO des Nationalen Verteidigungsrates (Militärgerichtsordnung [MilGO] vom 27. 9. 1974, GBl. I; S. 481) neu geregelt. Die Rechtsprechung in Militärstrafsachen wird von dem OG, bei dem ein Militärkollegium gebildet ist, von den Militärobergerichten und den Militärgerichten ausgeübt. Die Leitung der Rechtsprechung liegt beim OG. Die Militärgerichte sind nicht nur in Strafsachen gegen Militärpersonen zuständig, sondern für alle Personen, die Straftaten gegen die militärische Sicherheit begehen. Der Standort und die örtliche Zuständigkeit der Militärgerichte und Militärobergerichte werden vom Minister für Nationale Verteidigung unter Berücksichtigung ihrer militärischen Notwendigkeit festgelegt. (MilOG in Leipzig, Neubrandenburg, Berlin [Ost]). Als Grundlage für die Tätigkeit der Militärgerichte nennt die MilGO an erster Stelle die Beschlüsse der SED. Die sachliche Zuständigkeit ist entsprechend der allgemeinen Zuständigkeit in Strafsachen geregelt. Darüber hinaus sind die Militärstrafsenate des OG zuständig für die Entscheidung über strafbare Handlungen, die von Militärpersonen ab Dienstgrad Generalmajor/Konteradmiral oder Dienststellung Di[S. 457]visionskommandeur begangen werden, die Militärobergerichte ab Dienstgrad Oberst/Kapitän zur See oder ab Dienststellung Regimentskommandeur. Für die Organisierung der Tätigkeit der Militärgerichte und Militärobergerichte sind deren Leiter allein verantwortlich. Das MilOG, das weder ein Plenum noch ein Präsidium hat, entscheidet über Kassationsanträge (Kassation) gegen Entscheidungen des MilG. Kassationsinstanz sind ebenfalls (bei Entscheidungen der MilOG ausschließlich) die Militärstrafsenate des Militärkollegiums. Walther Rosenthal Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 454–457 Gerichtskritik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Germanistik

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Grundsätzliche Bestimmungen Nach Artikel 92 der Verfassung wird die Rechtsprechung in der DDR durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die Gesellschaftlichen Gerichte ausgeübt; in Militärstrafsachen besteht eine besondere Militärgerichtsbarkeit. Aufbau und Organisation der staatlichen Gerichte werden durch das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 27. 9. 1974 (GBl. I,…

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Ministerrat (1979)

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Der M. bildet die Regierung der DDR und stellt damit die Spitze des Staatsapparates dar. Seine Stellung im Regierungssystem der DDR und seine Funktionen und Aufgaben wurden in der im Oktober 1974 durch Gesetz ergänzten und geänderten Verfassung (Art. 76–80) sowie dem Gesetz über den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. I. S. 253) vom Oktober 1972 festgelegt. Diese Bestimmungen waren das staatsrechtliche Resultat der vom M. im Regierungssystem der DDR seit Anfang 1971 tatsächlich wahrgenommenen Funktionen einer „Regierung“. 1949 wurde die „Provisorische Regierung der DDR“ von der Provisorischen Volkskammer gewählt. Diese Regierung wurzelte organisatorisch in der auf dem Gebiet der SBZ bis zur Gründung der DDR bestehenden Deutschen Wirtschaftskommission, in der Deutschen Verwaltung des Inneren, der Deutschen Verwaltung für Volksbildung und dem Zentralen Komitee für Staatliche Kontrolle, die im Auftrage der sowjetischen Besatzungsmacht Verwaltungsaufgaben wahrnahmen. Die Bezeichnung „Regierung“ wurde nur kurze Zeit beibehalten; bereits im ersten Gesetz über die Regierung vom November 1950 wurde die Bezeichnung M. geprägt. 1952 wurde die Bezeichnung „Regierung“ durch M. ersetzt; ein Wandel der Stellung als zentrales staatliches Organ war damit jedoch nicht verbunden. Mit der Gründung des Staatsrates der DDR im September 1960 gingen in zunehmendem Maße die Regierungsfunktionen auf diesen über; dies schlug sich auch in der Bezeichnung des M. als „Exekutivorgan der Volkskammer und des Staatsrates“ im Gesetz über den M. von 1963 nieder. Der M. war in erster Linie für die Leitung und Planung der Volkswirtschaft zuständig. Seit 1970/71 hat er wieder Regierungsfunktionen übernommen, während der Staatsrat gleichzeitig an Bedeutung verlor. [S. 740]Der M. setzt sich zusammen aus dem Vorsitzenden, seinen beiden Ersten Stellvertretern, den weiteren Stellvertretern des Vorsitzenden sowie den übrigen Mitgliedern, die auch dann den Titel „Minister“ tragen, wenn sie kein Ministerium leiten. Die Mitglieder des M. werden auf Vorschlag des Vorsitzenden des M., den die stärkste Fraktion zur Wahl vorschlägt, nach der Neuwahl der Volkskammer von ihr auf die Dauer von 5 Jahren gewählt und vom Vorsitzenden des Staatsrates auf die Verfassung vereidigt. Zwischen den Tagungen der Volkskammer kann der Vorsitzende des M. den Auftrag zur Wahrnehmung einer Funktion als Stellvertreter oder als Minister erteilen, muß dies aber von der Volkskammer bestätigen lassen. Der M. ist ein Gremium mit 44 Mitgliedern (25. 1. 1979). Er tagt einmal wöchentlich. Die Mehrzahl der Mitglieder (40) stellt die SED, die anderen Parteien verfügen über je einen Stellvertreter des Vorsitzenden, die auch Ressortleiter sind; der Vertreter der NDPD ist Vorsitzender des Staatlichen Vertragsgerichts. Die Aufgaben des M. ergeben sich aus seiner Funktion als zentralen staatlichen Exekutivorgans. Der § 1 des Gesetzes legt im einzelnen fest, daß der M. als Organ der Volkskammer unter Führung der SED im Auftrag der Volkskammer die Grundsätze der staatlichen Innen- und Außenpolitik ausarbeitet, die einheitliche Durchführung der Staatspolitik leitet und die Erfüllung der politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen sowie der ihm übertragenen Verteidigungsaufgaben organisiert. Seine Tätigkeit soll das materielle und kulturelle Lebensniveau der Bevölkerung erhöhen und dem Wohl der Arbeiterklasse und aller Bürger dienen. Er soll: die Volkswirtschaft leiten und planen, die kulturelle und geistige Entwicklung fördern, wissenschaftliche Leitungsmethoden verwirklichen, die Initiative der Werktätigen fördern, Aufgaben der sozialistischen ökonomischen Integration im Rahmen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) lösen, die Sozialistische ➝Demokratie durch Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften entwickeln, mit diesen zusammen Maßnahmen zur Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, der Arbeitskultur und der kulturellen und sportlichen Betätigung festlegen und die Grundlinie der Sozial-, Lohn- und Einkommenspolitik mit dem Bundesvorstand des FDGB erarbeiten, die Grundsätze der Außenpolitik verwirklichen, die Tätigkeit des Staatsapparates auf der Grundlage des Demokratischen Zentralismus verbessern, die Räte der Bezirke anleiten und kontrollieren und sie in die Ausarbeitung von Beschlüssen einbeziehen, wenn diese materielle, soziale und kulturelle Erfordernisse der Bezirke berühren, grundsätzliche Entscheidungen zur Abstimmung und Harmonisierung der politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Entwicklung der Territorien treffen, womit Standortentscheidungen über Industrieansiedlungen sowie Entscheidungen über Verkehrssysteme, Arbeitskräfteverteilung und -einsatz, Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen und Umweltschutz gemeint sind. Schließlich soll er die Rechtsordnung planmäßig ausbauen, die sozialistische Gesetzlichkeit festigen und Rechte und Freiheit der Bürger schützen. Alle Aufgaben sollen der Verwirklichung der Beschlüsse der SED dienen sowie auf der Grundlage der Beschlüsse und Gesetze der Volkskammer gelöst werden. Diese Entwürfe zu Gesetzen und Beschlüssen werden der Volkskammer vom M. unterbreitet; diese stimmt auch der Regierungserklärung zu Beginn jeder Wahlperiode zu. Die Wahrnehmung faktisch aller Leitungs- und Planungsaufgaben — mit Ausnahme von Aufgaben im militärischen Bereich durch die Bindungen im Warschauer Pakt und die Funktionen des Nationalen Verteidigungsrates — gewährleistet der M. durch die Ministerien und die anderen zentralen Organe, die ihm unterstellt sind, wie z. B. Staatssekretariate, staatliche Ämter und Komitees, die Staatliche Plankommission u. a. m. Für die eigene Geschäftstätigkeit des M. ist dessen Sekretariat zuständig. Er verfügt ferner über eine Pressestelle sowie andere Gremien, Kommissionen und Arbeitsgruppen, die u. a. für seine Entscheidungstätigkeit zur Verfügung stehen. Das Sekretariat des M. ist die Koordinationsstelle für die Arbeiten des M.; es dient jedoch vor allem dem Vorsitzenden. Zu seinen Aufgaben gehören u. a. die Vorbereitung der Sitzungen des M., die Begutachtung der Vorlagen, die Abfassung von Gesetzestexten, die Kontrolle der Tätigkeit der Ministerien und anderer zentraler Organe, die Anleitung von staatlichen Institutionen wie der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, des Presseamtes und anderer Ämter. Es verfügt über Abteilungen, die mit bestimmten Komplexen der Innen- wie der Außenpolitik, z. B. Fragen des RGW, befaßt sind. Die Arbeitsgruppe Organisation und Inspektion ist zuständig für die Anleitung und Kontrolle des örtlichen Staatsapparates und anderer Institutionen. Der M. wird als kollektiv arbeitendes Gremium bezeichnet. In seinen Sitzungen werden Vorlagen der Ministerien diskutiert, Koordinationsentscheidungen getroffen, Berichte entgegengenommen und Entscheidungen des Präsidiums des M. bestätigt. Das Präsidium ist das für das Funktionieren des M. als zentraler Entscheidungsinstanz wichtigste Gremium. Es umfaßt den Vorsitzenden des MR. und seine Stellv. sowie den Finanzminister, den Leiter des Amtes für Preise und den Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft. Das Präsidium nimmt die Funktionen des M. zwischen dessen Tagungen wahr, kann also auch Beschlüsse fassen, die als solche des gesamten M. gelten, bereitet grundlegende Entscheidungen des M. vor. konzentriert die Arbeit des M. auf die zu lösenden Aufgaben. Die Kompetenzen des M. werden im wesentlichen vom Präsidium des M., vor allem aber dem Vorsitzenden [S. 741]wahrgenommen. Die Rolle des gesamten M. wird u. a. dadurch gekennzeichnet, daß manche seiner Entscheidungen zwar der Zustimmung der Volkskammer bedürfen (Perspektiv- und Jahres- sowie Haushaltspläne), die Vorarbeiten dazu aber von ihm geleistet und die zur Durchführung notwendigen Entscheidungen in eigener Verantwortlichkeit getroffen werden, womit er die zentrale staatliche Instanz im Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß darstellt; im Selbstverständnis der SED impliziert dies jedoch nicht eine Trennung von Volkskammer und Regierung. Zusammensetzung des M. (Januar 1979): Vorsitzender Stoph, Willi (SED) I. stellv. Vors. Krolikowski, Werner (SED) Neumann, Alfred (SED) Stellv. Vors. u. Vors. d. Staatl. Vertragsgerichts Flegel, Manfred (NDPD) Stellv. Vors. u. Min. der Justiz Heusinger, Hans-Joachim (LDPD) Stellv. Vors. u. Min. f. Allg. Masch.-, Landm.- u. Fahrzeugbau Kleiber, Günther (SED) Stellv. Vors. u. Min. f. Materialwirtschaft Rauchfuß, Wolfgang (SED) Stellv. Vors. u. Min. f. Umweltschutz u. Wasserwirtschaft Reichelt, Hans (DBD) Stellv. Vors. u. Vors. d. Staatl. Plankomm. Schürer, Gerhard (SED) Stellv. Vors. u. Min. f. Post- u. Fernmeldewesen Schulze, Rudolph (CDU) Stellv. Vors. Weiß, Gerhard (SED) Stellv. Vors. u. Min. f. Wissenschaft u. Technik Weiz, Herbert (SED) Mitglieder: Min. f. Verkehrswesen Arndt, Otto (SED) Staatssekretär im Min. f. Außenhandel Beil, Gerhard (SED) Staatssekretär f. Arbeit und Löhne Beyreuther, Wolfgang (SED) Min. f. Geologie Bochmann, Manfred (SED) Min. d. Finanzen Böhm, Siegfried (SED) Min. f. Hoch- u. Fachschulwesen Böhme, Hans-Joachim (SED) Min. f. Handel u. Versorgung Briksa, Gerhard (SED) Min. f. Leichtindustrie Buschmann, Werner (SED) Min. des Innern Dickel, Friedrich (SED) Stellv. Vors. d. Staatl. Plankommission Fichtner, Kurt (SED) Min. f. Auswärtige Angelegenheiten Fischer, Oskar (SED) Min. f. Werkzeug- u. Verarbeitungsmaschinenbau Georgi, Rudi (SED) Min. f. Glas- u. Keramikindustrie Greiner-Petter, Werner (SED) Leiter d. Amts f. Preise Halbritter, Walter (SED) Min. f. Kultur Hoffmann, Hans-Joachim (SED) Min. f. Nationale Verteidig. Hoffmann. Heinz (SED) Min. f. Volksbildung Honecker-Feist, Margot (SED) Min. f. Bauwesen Junker, Wolfgang (SED) Präsident d. Staatsbank Kaminsky, Horst (SED) Staatssekretär in der Staatl. Plankommission Klopfer, Heinz (SED) Oberbürgermeister von Berlin (Ost) Krack, Erhard (SED) Min. f. Land-, Forst- u. Nahrungsgüterwirtschaft Kuhrig, Heinz (SED) Min. f. Gesundheitswesen Mecklinger, Ludwig (SED) Min. f. Staatssicherheit Mielke, Erich (SED) Min. f. Kohle u. Energie Siebold, Klaus (SED) Min. f. Erzbergbau, Metallurgie u. Kali Singhuber, Kurt (SED) Min. f. Außenhandel Sölle, Horst (SED) Min. f. Elektrotechnik u. Elektronik Steger, Otfried (SED) Vors. d. Komitees d. Arbeiter-u.-Bauern-Inspektion Stief, Albert (SED) Min. f. Bezirksgeleitete u. Lebensmittelindustrie Wange, Udo-Dieter (SED) Min. f. Chemische Ind. Wyschofsky, Günther (SED) Min. f. Schwermaschinen- u. Anlagenbau Zimmermann, Gerhard (SED) —— Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 739–741 Ministerium für Wissenschaft und Technik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Der M. bildet die Regierung der DDR und stellt damit die Spitze des Staatsapparates dar. Seine Stellung im Regierungssystem der DDR und seine Funktionen und Aufgaben wurden in der im Oktober 1974 durch Gesetz ergänzten und geänderten Verfassung (Art. 76–80) sowie dem Gesetz über den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. I. S. 253) vom Oktober 1972 festgelegt. Diese Bestimmungen waren das…

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Marxismus-Leninismus (ML) (1979)

Siehe auch: Marxismus-Leninismus: 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Marxismus-Leninismus (ML): 1985 Theorie des Marxismus-Leninismus-Stalinismus: 1953 1954 1956 1958 I. Grundlagen Der ML ist ein — dem Anspruch nach — geschlossenes und homogenes theoretisches System, das im wesentlichen auf den Lehren von Marx, Engels und Lenin aufbaut. Er wird als „Ideologie der Arbeiterklasse“ definiert. Da jene die historisch letzte und fortschrittlichste Klasse darstellt, ist ihre Ideologie — im Gegensatz zu früheren — wissenschaftlich und kann somit Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit beanspruchen. Gegenstand der marxistisch-leninistischen Ideologie ist das Verhältnis des Menschen zur Welt, d. h. zur Natur und zur Gesellschaft gleichermaßen; von hier ausgehend das Verhältnis von Materiellem und Ideellem, die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Natur, der Gesellschaft und des Denkens sowie der Strategie und Taktik des Klassenkampfes und der sozialen Revolution. Der ML dient nicht nur der Erklärung der „Gesetzmäßigkeiten“ in Natur und Gesellschaft, d. h. der Analyse der Triebkräfte in der Geschichte, sondern vor allem der Anleitung zu ihrer Veränderung. Weiterhin versucht der ML die Erscheinungsformen von Ideologien, Kultur, Kunst und Wissenschaft in der Gesellschaft zu deuten — jedoch stets im Sinne eines kämpferischen, parteilichen Verständnisses (Parteilichkeit). Als Weltanschauung der Arbeiterklasse ist der ML auf das Ziel des Sozialismus bzw. Kommunismus ausgerichtet und hat demnach ganz bestimmte Funktionen zu erfüllen: eine Integrationsfunktion, nämlich die Geschlossenheit und „Einheit“ von Dialektischem und Historischem Materialismus sowie die „Einheit von Theorie und Methode“; eine wissenschaftlich-theoretische Funktion, d. h. Analyse und Verallgemeinerung der wichtigsten Resultate der [S. 704]Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften und der gesellschaftlichen Praxis; eine politisch-ideologische Funktion, d. h. Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse in politische Aktionen; eine ethisch-erzieherische Funktion, d. h. Bildung bzw. Verstärkung des richtigen Gesellschaftlichen ➝Bewußtseins. Der ML gliedert sich in den Dialektischen (Diamat) und Historischen (Histomat) Materialismus (= Philosophie des ML), die Politische Ökonomie sowie den wissenschaftlichen Sozialismus und Kommunismus. Diamat und Histomat sind Hauptbestandteile des ML und zugleich dessen Grundlage. Als Grundwerke des ML gelten heute neben den „Klassikern“ die „Grundlagen des Marxismus-Leninismus“, Teil 1 u. 2, Dietz Verlag, Berlin (Ost) 1974; „Philosophisches Wörterbuch“, Teil 1 u. 2, 11. Aufl., VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1975; „Grundlagen des Historischen Materialismus“, Dietz Verlag, Berlin (Ost) 1976; „Philosophischer Revisionismus. Quellen, Argumente. Funktionen im ideologischen Klassenkampf“, Dietz Verlag, Berlin (Ost) 1977. II. Organisation der Forschung Die Organisation der philosophischen Forschung bzw. der Forschung auf dem Gebiet des ML ist bei folgenden Institutionen konzentriert: 1. Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) 2. Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED (PH „KM“) 3. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML). Für die weitere Erforschung der marxistisch-leninistischen Philosophie, des wissenschaftlichen Kommunismus und der marxistisch-leninistischen Kultur- und Kunstwissenschaften im Rahmen der Philosophie gilt die AfG als Leitinstitution. Für jeden dieser Forschungsbereiche ist ein Wissenschaftlicher Rat eingerichtet worden (Wissenschaftliche Räte). Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den „Grundfragen der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“ erfolgt zentral bei der PH „KM“. Die gesamte Marx-Engels-Forschung ist am IML konzentriert. III. Philosophie des Marxismus-Leninismus Der Dialektische wie der Historische Materialismus geben eine philosophische Deutung des Wesens der Welt, untersuchen das Verhältnis des Bewußtseins zur objektiven Realität (= Grundfrage der Philosophie), die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Natur, der Gesellschaft und des Denkens (Erkennens) sowie die Stellung des Menschen in der Welt. Sie stützen sich vor allem auf die Ausführungen Engels' („Anti-Dühring“, 1878, und „Dialektik der Natur“. 1873 ff.) und Lenins („Materialismus und Empiriokritizismus“, 1909). Dagegen wird Stalins lange Jahre als wichtig angesehener Aufsatz „Über dialektischen und historischen Materialismus“ (1938) gegenwärtig kaum erwähnt. Der Dialektische — ebenso wie der Historische Materialismus — haben jedoch in jüngster Zeit, vor allem durch die Rezeption der Ergebnisse der Systemtheorie und der Kybernetik, ferner des Strukturalismus, des Funktionalismus, der Informations- und Spieltheorie sowie der allgemeinen Wissenschaftstheorie, wesentliche Erweiterungen erfahren. Zudem hat man sich im Zuge des Ausbaus und der Verfeinerung der Argumentation im Dialektischen wie im Historischen Materialismus in den letzten Jahren zunehmend und in bemerkenswerter Offenheit auch mit den sozialphilosophischen Denksystemen des Westens auseinandergesetzt. Dazu gehören: die Theoreme der sog. „Frankfurter Schule“ (Th. Adorno. M. Horkheimer, J. Habermas, bis zu einem gewissen Grad auch H. Marcuse und E. Fromm), die Auffassungen von Theoretikern der „Praxis“-Gruppe in Jugoslawien (P. Vranicki, G. Petrović, R. Supek, S. Stojanovic u. a.), die Vertreter des demokratischen Sozialismus (R. Löwenthal), die Repräsentanten der These von der postindustriellen oder „technotronischen“ Gesellschaft (R. Aron, Z. Brzezinski, D. Bell, J. K. Galbraith). Nicht zuletzt durch solche Rezeptionen können die generelle Methodologie des Dialektischen Materialismus sowie die sozialphilosophischen Anreicherungen des Historischen Materialismus nicht nur für die einzelwissenschaftlichen Methodologien genutzt werden, sondern auch die Theorie- und Konzeptbildung etwa in der marxistischen Soziologie und Empirischen Sozialforschung, der Politologie und der Sozialpsychologie befruchten, indem in verallgemeinerter Form wesentliche Erkenntnisse sowohl der Wissenschaftstheorie und der Naturwissenschaften wie der politischen und Sozialphilosophie des Westens vermittelt werden. A. Der Dialektische Materialismus (DM) 1. Grundlagen des Dialektischen Materialismus Die grundlegende Unterscheidung der dialektisch-materialistischen von der traditionellen Philosophie liegt in ihrem Verhältnis zu Theorie und Praxis. Der DM gibt eine philosophische Deutung des „Wesens“ der Welt, versteht sich jedoch nicht nur als eine Erklärung der Welt, sondern, wie bereits angedeutet, vor allem als eine Anleitung zu deren Veränderung. In der 11. Feuerbachthese hat Marx diesen Unterschied auf die klassische Formel gebracht: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.“ Theorie und Praxis bilden im ML eine „organische Einheit“, d. h. sie bedingen und beeinflussen sich gegenseitig; eine „parteilose“ Werthaltung ist demnach Ideolo[S. 705]gie im Sinne von falschem Bewußtsein, Parteilichkeit erste Voraussetzung der marxistischen Philosophie. 2. Der Begriff der Materie und die Grundfrage der Philosophie Die einzige Eigenschaft der Materie, sagt Lenin, an deren Anerkennung der philosophische Materialismus gebunden ist, ist die Eigenschaft, objektive Realität zu sein (Lenin, Werke, nach der 4. russ. Ausgabe, dt., Berlin [Ost], 1973, Bd. 14, S. 124); das bedeutet, daß die Materie außerhalb des Bewußtseins, existiert. Der philosophische Materiebegriff würde damit nichts über die qualitative und quantitative Beschaffenheit der Bewegungs-, Struktur- und Entwicklungsformen der Materie aussagen; er enthielte lediglich eine weltanschauliche und erkenntnistheoretische Aussage über das Verhältnis von Materie und Bewußtsein, und zwar dergestalt, daß die Materie primär, das Bewußtsein sekundär ist. Bewußtsein ist demnach nur die höchste Bewegungsform der Materie; der DM ist also im Gegensatz zum Idealismus eine monistische Entwicklungslehre. 3. Ontologische Thesen Auch der ML besitzt eine Lehre vom Sein als Sein überhaupt; allerdings behaupten seine Vertreter in der Sowjetunion wie in der DDR, die ontologische Frage nach dem Sein des Seienden sei durch die materialistische Beantwortung dieser Grundfrage der Philosophie erschöpft. Im ML wird diese Grundfrage durch die These von der allgemeinen Daseinsweise der Materie beantwortet; deren Wesen bestehe in der ständigen Veränderung, in der Veränderung überhaupt. Der Grundfehler der idealistischen Ontologie sei die Annahme einer absoluten Existenz der Materie sowie die Annahme ihrer Erkennbarkeit. Dagegen habe erst der „dialektisch-materialistische Materiebegriff“ als grundlegende philosophische Kategorie des ML das gemeinsame aller — im einzelnen qualitativ und quantitativ unterschiedlichen — Gegenstände, nämlich „objektive Realität“ (Lenin) zu sein, die außerhalb des menschlichen Bewußtseins existieren, adäquat erfaßt. „Die Materie ist eine philosophische Kategorie zur Bezeichnung der objektiven Realität, die dem Menschen in seinen Empfindungen gegeben ist, die von unseren Empfindungen kopiert, fotografiert, abgebildet wird und unabhängig von ihnen existiert“ (W. I. Lenin). Der Materie wird damit einerseits jede konkrete Existenzform abgesprochen. Der Begriff „Materie“ gilt als Abstraktion und wird lediglich im Hinblick auf das Bewußtsein definiert. Andererseits wird jedoch im ML behauptet, die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften habe den „zutiefst dialektischen Charakter“ der Materie bzw. die „innere Widersprüchlichkeit“ der Bewegung erwiesen. In diesem Zusammenhang werden immer wieder der Korpuskel- bzw. der Wellenaspekt der Elementarteilchen sowie die Existenz von Anti-Teilchen als Standardbeweise für das dialektische Wesen der Materie herangezogen. Eine weitere, wenn auch verschleierte Behauptung des ML ist die These, daß sich die Materie stets von niederen zu höherer/Formen bewege (Fortschrittsprinzip). Neuerdings wird diese These dadurch modifiziert, daß eine solche Höherentwicklung nur innerhalb des Weltalls, nicht für das Weltall als solches gelte. Von den Vertretern des ML wird immer wieder erklärt, daß die marxistisch-leninistische Philosophie keiner Ontologie bedarf. Auf die inneren Widersprüche, die verschleierten ontologischen Behauptungen und auf das Zusammenfallen von Ontologie und Erkenntnistheorie im ML geht man dabei nicht ein. 4. Die Dialektik und ihre Hauptkategorien Die marxistisch-leninistische Dialektik wird im gegenwärtigen ML als „Produkt der Entwicklung des philosophischen Denkens“ seit der Antike begriffen. Meist werden in der vormarxistischen Dialektik eine spontane, „naturwüchsig-naive“ sowie die idealistische Dialektik der klassischen bürgerlichen Philosophie von Kant bis Hegel unterschieden. Hegels Dialektik gilt als die „größte Errungenschaft“ der klassischen deutschen Philosophie. Sie wird auch gegenwärtig, wie schon von Marx, als eine der bedeutsamsten theoretischen Grundlagen des DM angesehen. Marx habe dann in seiner sogenannten materialistischen Dialektik, vor allem im „Kapital“ die „Gesetzmäßigkeiten“ der kapitalistischen Gesellschaft seiner Zeit detailliert analysiert. Er habe damit Hegels idealistische Dialektik „auf die Füße gestellt“, d. h. als Theorie und Methode auf konkrete Gesellschaftsformen angewandt. Die marxistische Dialektik wird als „die philosophische Theorie vom Zusammenhang, von der Bewegung und Entwicklung in der Welt“ definiert. Unter Dialektik in diesem Sinne wird ein Wirkungszusammenhang verstanden, bei dem Dinge, Systeme usw. nicht nur Einwirkungen der verschiedensten Art von anderen Dingen, Systemen usw. erleiden, sondern auch auf diese zurückwirken. Der DM betrachtet das Universum als ein Netz von Wechselwirkungen. Methodologisch ergäbe sich daraus die Forderung, bei der Analyse eines Sachverhaltes alle Wechselwirkungszusammenhänge zu berücksichtigen. Da dies die menschliche Erkenntnisfähigkeit übersteigt, ist es im besten Falle nur möglich, die wesentlichen Wechselwirkungen zu untersuchen. Unter den „wesentlichen“ dialektischen Widersprüchen gelten die „inneren“ und „äußeren“ als die vorrangig zu untersuchenden. Während die inneren dialektischen Widersprüche die Daseinsweise der Materie und die Bewegung in ihr zum Ausdruck bringen, bezeichnen [S. 706]die äußeren dialektischen Widersprüche Wechselwirkungen zwischen Systemen des Denkens und der Umwelt. Im DM der Gegenwart werden — im Zuge der Methodologisierung und der Versuche der Operationalisierung einzelner Axiome des DM und des HM — die wesentlichen Aspekte der materialistischen Dialektik in ihren methodologisch-methodischen Dimensionen gesehen. Die dialektische Methode sei sowohl „allseitig“ wie historisch-empirisch ausgerichtet. Gerade durch diesen ihren Doppelcharakter könne sie die Fakten in ihren vielfältigen Zusammenhängen erkennen und adäquat analysieren. Die Kausalbeziehung (Ursache und Wirkung) ist ein Spezialfall der Wechselwirkung. Hier wirkt x auf y ein, während die Rückwirkung von y auf x praktisch null ist und darum vernachlässigt werden kann. Umstritten in der gegenwärtigen Diskussion des DM ist die Frage, ob x y zeitlich vorangeht oder ob die Wirkung gleichzeitig mit dem Vergehen der Ursache entsteht. Das Kausalprinzip des DM besagt, daß jedes Geschehen in der Welt seine materielle Ursache hat; die Kausalität trägt also absoluten und universellen Charakter. Eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen inneren und äußeren Ursachen; sie bilden eine dialektische Einheit, d. h. die inneren Ursachen werden nur wirksam durch die Einwirkungen der äußeren Ursachen und umgekehrt. In den höheren Bewegungsformen der Materie kommt den inneren Ursachen eine immer größere Bedeutung zu. Organische wie gesellschaftliche Systeme verändern und entwickeln sich vor allem aufgrund ihrer inneren Bedingungen. Die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wird ausschließlich durch innergesellschaftliche Ursachen, nämlich durch die Entwicklung der Produktivkräfte, vorangetrieben. Im Gegensatz zum mechanischen Materialismus, der Kausalität nur im Sinne von linearer Kausalität versteht, die materielle Welt also als eine einzige ununterbrochene Kette von Ursachen und Wirkungen begreift, verläuft beim DM die Entwicklung in einem dialektischen Prozeß von Notwendigkeit und Zufall. Das bestimmende Moment ist freilich die Notwendigkeit. Zufällig sind nur jene Ereignisse, die außerhalb des gesteckten Rahmens der Bedingungen auftreten. Notwendigkeit und Zufall sind insofern relativ, als ihr Gegensatz nur für ein gegebenes Feld von Bedingungen besteht. Entscheidend ist nun, daß z. B. im gesellschaftlichen Bereich die Absteckung dieses Bedingungsfeldes und damit dessen, was notwendig und was zufällig ist, mehr oder weniger von der Entscheidungselite der Partei abhängt. Insofern ist gerade dieses Kategorienpaar von großer politischer Bedeutung. Mit diesem Problembereich hängt die Dialektik von Möglichkeit und Wirklichkeit eng zusammen. Möglich im Sinne des DM ist ein Ereignis dann, wenn es- bezogen auf einen bestimmten Rahmen von Bedingungen - sowohl eintreten als auch nicht eintreten kann. Was zufällig ist, muß möglich sein, während das Umgekehrte nicht gilt. Von besonderer Bedeutung ist die Art und Weise, wie sich in der geschichtlich gewordenen Gesellschaft Möglichkeiten in Wirklichkeiten umwandeln. Dies kann bewußt und spontan geschehen. Dem DM stellt sich das Problem so dar: Damit eine gesellschaftliche Möglichkeit Wirklichkeit wird, muß ein bestimmter Schwellenwert individueller spontaner Handlungen erreicht werden. Die Aufgabe der marxistisch-leninistischen Partei ist nicht, spontane Handlungen zu eliminieren, sondern bestimmte — und nicht beliebige — Schwellenwerte zu steuern. Damit ist die Dialektik von Bewußtsein und Spontaneität bestimmt. Engels' Definition der Dialektik von Notwendigkeit und Freiheit ist für den DM noch immer unübertroffen: „Nicht in der erträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen … Freiheit des Willens heißt daher nichts anderes als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können“ (Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 106). Freiheit als Möglichkeit, zwischen verschiedenen Alternativen wählen zu können, ist für den DM zwar ebenfalls eine wesentliche Bestimmung der Freiheit, insofern aber nur eine negative, als sie von den objektiven Natur- bzw. Gesellschaftsgesetzen abstrahiert. Die Erkenntnis dieser „objektiven“ Gesetze ist im wesentlichen der Parteiführung vorbehalten. 5. Dialektische Entwicklungsgesetze Die dialektische Entwicklungskonzeption des ML wird in den drei sog. „Grundgesetzen“ der Dialektik erkennbar: dem „Gesetz“ von der Einheit und vom Kampf der Gegensätze; dem „Gesetz“ vom Umschlagen quantitativer in qualitative Veränderungen; dem „Gesetz“ der Negation der Negation. Im wissenschaftstheoretischen Verständnis des Westens handelt es sich bei den Grundgesetzen der Dialektik nicht um Gesetze — weder um logische noch um Naturgesetze, noch um wahre Aussagen einer empirischen Wissenschaft über ein Naturgesetz. Gesetzesaussagen sollen uneingeschränkt in Raum und Zeit gelten. Ist die Geltung eines Gesetzes raum-zeitlich eingeschränkt, wird bisweilen auch von „Quasi-Gesetzen“ (H. Albert) gesprochen. Bei den dialektischen Gesetzen des ML handelt es sich eher um Axiome bzw. Normen, die für Handlungsweisen bestimmter Personengruppen in bestimmten Gesellschaften, nämlich den Gesellschaften der Sowjetunion und Osteuropas, als verbindlich angesehen werden, deren konkrete Auslegungsmöglichkeiten jedoch so gut wie beliebig sind. Hier sei zunächst auf das zweite Grundgesetz der Dialektik eingegangen. Zur Erklärung der qualitativ [S. 707]verschiedenen Erscheinungsformen der Materie dient dem DM das „Gesetz“ vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative. Qualität ist die wesentliche bzw. invariante Eigenschaft von Dingen, Systemen usw.; Quantität erfaßt Mengen (Größe, Anzahl, Gewicht, Intensität) dieser Qualitäten. Das Maß gibt die Grenze an, bis zu der sich eine gegebene Qualität quantitativ ändern kann, ohne aufzuhören, eben diese Qualität zu sein. Das „Gesetz“ besagt, daß Qualitätsänderungen sprunghaft (revolutionär) erfolgen, einmal durch stoffliche, quantitative Veränderungen, also z. B. durch kontinuierliche (evolutionäre) Zu- oder Abnahme der Anzahl der Elemente eines materiellen Systems, Qualitätsänderungen aber auch dann eintreten können. wenn die Zahl der Elemente des Systems gleich bleibt und sich nur deren Anordnung oder Kopplung ändert. Heute ist dieses „Gesetz“ für den DM vor allem politisch bedeutsam im Kampf gegen Reformismus und Revisionismus, denen er die Notwendigkeit der revolutionären, qualitativen Veränderungen entgegensetzt, sowie im Kampf gegen Sektierertum und linksradikale Strömungen, gegen die er die Notwendigkeit der allmählichen, quantitativen Vorbereitung jeder revolutionären Umwälzung hervorhebt. Der Umschlag von einer Qualität in eine andere heißt „dialektischer Sprung“. Eine für die Gesellschaft besonders wichtige Form des dialektischen Sprungs ist die soziale Revolution, d. h. der Umschlag von einer Gesellschaftsformation in eine andere. Neu in der Diskussion des DM ist die systemtheoretische Variante des dialektischen Sprungs. Obwohl die politische - und damit auch die philosophische Bedeutung der Systemtheorie in der DDR seit 1971 stark zurückgegangen ist, spielen einige ihrer Elemente auch im philosophischen Denken noch immer eine bedeutsame Rolle. Der Vorteil der systemtheoretischen Variante liegt vor allem darin, daß der dialektische Sprung — infolge eines höheren Abstraktionsgrades — ohne Schwierigkeiten auf alle möglichen Erscheinungen übertragen werden kann. Die Aussage verliert dafür aber an Informationsgehalt. Die dialektisch-materialistische Systemtheorie unterscheidet systemzerstörende von systemerhaltenden Sprüngen. Beispielsweise ist die proletarische Revolution ein solcher systemzerstörender Qualitätsumschlag; da das kapitalistische System nur ein historisch bedingtes Teilsystem des Gesamtsystems „menschliche Gesellschaft“ ist. die Diktatur des Proletariats aber eine höhere Entwicklungsstufe darstellt, ist der systemzerstörende Qualitätsumschlag bezüglich eines Teilsystems ein systemerhaltender für das Gesamtsystem. Daraus folgt, daß Entwicklung letztlich nur über solche Qualitätssprünge erfolgen kann, die systemerhaltenden Charakter tragen. Ein systemerhaltender Qualitätsumschlag ist identisch mit der dialektischen Negation. Im Gegensatz zur Negation der formalen Logik treten damit zwei positive Momente in der dialektischen Negation auf: 1. Das Negativum „Nicht-A“ stellt in bezug zur Entwicklung des Gesamtsystems etwas Positives dar; 2. das Gesamtsystem wird nicht negiert, sondern nur eine wesentliche Eigenschaft davon, während andere wesentliche Eigenschaften „aufgehoben“ bzw. bewahrt werden. Das Gesetz der Negation der Negation besagt, daß die Entwicklung nicht auf dem Stand der Qualität „Nicht-A“ stehenbleibt, sondern auf eine Rückkehr zur Qualität „A“ drängt, freilich auf einer höheren Stufe. Lenin gebraucht dafür das Bild der Spirale. Mit der Negation der Negation ist der Entwicklungszyklus abgeschlossen, aber nur insofern, als die ihm entsprechende Qualität ihre Variationsmöglichkeiten im Stadium der Negation ausgeschöpft hat und im Stadium der Negation der Negation eine weitere Entwicklung nur noch hinsichtlich anderer Qualitäten möglich ist. So ist mit dem Übergang zum Sozialismus der Entwicklungszyklus der menschlichen Gesellschaft abgeschlossen, den Marx als die „Vorgeschichte der Menschheit“ bezeichnete. Das erste Grundgesetz der Dialektik (vgl. o.) sagt aus, daß die Bewegung der Materie Selbstbewegung ist und daß die Triebkraft jeder Bewegung und erst recht jeder Entwicklung die den „Dingen innewohnenden dialektischen Widersprüche“ sind. Neben den drei Grundgesetzen der Dialektik steht in der Lehre des ML eine Reihe weiterer dialektischer Gesetzesmäßigkeiten, vor allem die folgenden: die — z. T. schon weiter oben behandelten — dialektischen Gesetze von Wesen und Erscheinung, Wirklichkeit und Möglichkeit, Inhalt und Form, Notwendigkeit und Zerfall, Ursache und Wirkung, vom Allgemeinen und Einzelnen. 6. Marxistisch-leninistische Erkenntnistheorie Den zweiten Aspekt der „großen Grundfrage“ der marxistisch-leninistischen Philosophie stellt das Problem dar, inwieweit das Bewußtsein die Wirklichkeit richtig widerspiegelt; dies ist Gegenstand der marxistisch-leninistischen Erkenntnistheorie. Die Grundprinzipien sind: a) Die allgemeinen Gesetze der Dialektik sind mit denen der Logik und Erkenntnistheorie identisch (vgl. o.); insofern gibt es auch keine eigenständige marxistische Erkenntnistheorie. b) Die Erkenntnistheorie ist nur insofern eine relativ selbständige Disziplin, als der Erkenntnisprozeß spezifische Besonderheiten zeigt. c) Da Real- und Erkenntnisdialektik übereinstimmen, halten es die Vertreter des DM für unzulässig, bei der Analyse von Denkformen und Denkgesetzen von den Denkinhalten zu abstrahieren (im Gegensatz z. B. zu Kant). d) Erkenntnissubjekt ist im ML nicht das Individuum, sondern die Gesamtmenschheit, und zwar als [S. 708]Subjekt eines sich erst in der Geschichte entfaltenden Denkprozesses. Erkenntnisobjekt ist die vom Bewußtsein unabhängige objektiv-reale Existenz der Außenwelt, die jedoch nicht unabhängig vom Subjekt gedacht werden darf. Die materielle Welt wird erst dann zum Erkenntnisobjekt, wenn sie vom Subjekt verändert, beeinflußt, beobachtet wird, also dadurch, daß das Subjekt sie in die gesellschaftliche Lebenstätigkeit einbezieht und seine Wesenskräfte in ihr vergegenständlicht (Subjekt-Objekt-Dialektik). e) Die gesellschaftliche Praxis wird als das konstitutive Element im Erkenntnisprozeß angesehen, d. h. nicht nur als ein äußerliches Kontrollorgan der Erkenntnis, sondern sowohl als Grundlage und Ziel der Erkenntnis als auch als Kriterium der Wahrheit. f) Erkenntnis ist Prozeß bzw. Resultat der sinnlichen und rationalen Widerspiegelung der objektiven Realität im Bewußtsein. Mit der Rezeption der allgemeinen Informationstheorie hat die marxistisch-leninistische Erkenntnistheorie eine Bedeutung erreicht, die der Bedeutung des HM und des DM gleichkommt. Damit verbunden ist aber auch ein Auflösungsprozeß des geschlossenen Gedankengebäudes, der vor allem im Bereich der Abbildtheorie sichtbar wird: An die Stelle des Begriffs „Widerspiegelung“ tritt der Begriff „inneres Modell der Außenwelt“. Dieses besteht aus einem dynamischen System von Informationen, dessen Struktur „bestimmte Übereinstimmungen mit der Struktur der Außenwelt aufweist“. Isomorphie, also eindeutige Zuordnung der Elemente des inneren Modells an die der Außenwelt, ist ein anzustrebendes Ideal. Tatsächlich wird nur Homomorphie erreicht, d. h. eine „mehr-eindeutige Zuordnung“ der Elemente. Insbesondere der semantische Aspekt der Information läßt subjektiven Deutungen größeren Spielraum, als es die traditionelle Abbildtheorie zugestehen wollte. Neuere Darstellungen des HM räumen denn auch ein, daß dem „subjektiven Faktor“ bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft eine stärkere Bedeutung zukommt. Allerdings, so wird behauptet, käme darin eine „höhere Stufe der Dialektik von Objektivem und Subjektivem in der Geschichte“ zum Ausdruck. Weiter ist umstritten, bei welchen Formen des kognitiven Abbildes von Wahrheit gesprochen werden kann. G. Klaus stand z. B. auf dem Standpunkt, daß nur Aussagen Wahrheit zukommt, während andere Theoretiker allen Formen des kognitiven Abbildes, also auch sinnlichen Abbildern, Wahrheit zuschreiben wollen. B. Der Historische Materialismus (HM) Im Verständnis des ML gilt der HM als die „Vollendung“ des marxistisch-philosophischen Materialismus. Der HM soll vom „wirklichen Lebensprozeß“ der Menschen ausgehen; er versteht diesen vor allem als Praxis des „materiellen Produktions- und Reproduktionsprozesses sowie des Klassenkampfes und der sozialen Revolution …“, d. h. er gibt eine materialistische Interpretation der praktisch-kritischen, revolutionären Tätigkeit der Menschen, in der diese ihre gesellschaftlichen Verhältnisse und damit sich selbst gestalten und verändern; er deckt die entscheidenden sozialen Triebkräfte des Geschichtsprozesses auf, die, in der Auffassung des ML, letztlich aus dem realen Lebensprozeß der Gesellschaft selbst hervorgehen, und untersucht die allgemeinen und grundlegenden Struktur- und Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft als Ganzes. „Erst auf dieser Grundlage wird die marxistische Philosophie zu einer optimistischen und revolutionären Weltanschauung, welche die weltanschaulichen Probleme, die in bezug auf die Welt als Ganzes auftreten, mit den Entwicklungsproblemen der menschlichen Gesellschaft“, mit der praktischen Lebenstätigkeit des historisch konkret lebenden und arbeitenden Menschen, mit den revolutionären. Weltprozessen, die die gegenwärtige Geschichtsepoche kennzeichnen, zu einer einheitlichen philosophischen Fragestellung verbindet. Die Hauptleistungen des von Marx und Engels begründeten HM werden gegenwärtig in der DDR wie folgt gekennzeichnet: erstens begründe der HM eine „wissenschaftlich-materialistische Theorie“ der Gesellschaft als Ganzes, als „Totalität“; zweitens ermögliche es der HM, alle einzelnen sozialen Erscheinungen in ihren historisch-objektiven Zusammenhängen zu sehen; drittens vermittle der HM dem Menschen stets die Möglichkeit des aktiven Eingreifens in gesellschaftspolitische Zusammenhänge. In allen Lehrbüchern des ML wird auf die untrennbare, „sich wechselseitig bedingende“ Einheit des DM und HM besonders großer Wert gelegt. Es wird behauptet, der HM sei die „Anwendung“ des DM auf die Gesellschaft. Diese These ist sowohl wissenschaftsgeschichtlich wie sachlich schwer aufrechtzuerhalten. Der HM als Theorie der allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetze der Gesellschaft wurde von Marx ohne Hinzuziehung bzw. Kenntnis der „Naturdialektik“ begründet. Die Verbindung von HM und DM hat freilich eine starke gesellschaftspolitische Bedeutung; sie soll die Kluft zwischen dem System der marxistischen Philosophie, insbesondere des HM, und dem realen gesellschaftlichen Prozeß überwinden. Dies geschieht allerdings, wie schon anhand der Darstellung des DM gezeigt worden ist, auf Kosten des Informationsgehalts. Das Kerndogma wird, um seine Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit zu bewahren, auf eine höhere Abstraktionsstufe gestellt, d. h. die dialektische Methode wird gegenüber dem Inhalt der dialektischen Bewegungsgesetze hervorgehoben. Dafür gewinnen die jeweiligen politischen Aktionsprogramme mehr Bewegungsfreiheit; sie wer[S. 709]den offener und variabel und damit für die Entwicklung der Ideologie bedeutungsvoller. 1. Die dialektisch-materialistische Geschichtsauffassung Im Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ (1859) hat Marx die wichtigsten Grundthesen des HM entwickelt: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und der bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“ (Marx/Engels, Werke. Bd. 13, S. 8 f.). Marx gelangte zu diesem Schluß aufgrund einer spezifischen Beurteilung der Arbeit, die er nicht wie Hegel nur geistig, sondern auch materiell-gegenständlich begriff. Die Arbeit erzeugt jene Güter, die der Mensch für die Befriedigung seiner Bedürfnisse nötig hat. Der ursprüngliche Arbeitsvorgang vereint „Kopf- und Handarbeit“. Im Produkt der Arbeit vergegenständlicht sich menschliche Energie, der Mensch entäußert bzw. entfremdet sich selbst (Entfremdung). Da diese Gegenstände nicht Selbstzweck sind, sondern Mittel der Lebenserhaltung sein sollen, erfüllen sie ihre Bestimmungen erst, wenn sie wieder „aufgehoben“ bzw. vernichtet werden, indem sie dem Menschen zum Genuß bzw. zu seiner Reproduktion dienen. Arbeit befriedigt und erzeugt die Bedürfnisse in einem. Durch die Arbeitsteilung wird aber der „natürliche“ Kreislauf des Arbeitsprozesses durchbrochen. Geschichtlich gesehen ist die Arbeitsteilung unvermeidlich; sie ergibt sich aus der widersprüchlichen Eigenbewegung der Produktionsmittel. Wenn jene soweit entwickelt sind, daß die Produktion über die unmittelbare Existenzsicherung hinausgeht, kann sich Privateigentum an Produktionsmitteln bilden, das die Teilung von Kopf- und Handarbeit ermöglicht, die zur natürlichen Arbeitsteilung als bestimmender Faktor hinzukommt. Dies hat aber zwei folgenschwere Konsequenzen: Die Trennung von Kopf- und Handarbeit bewirkt, daß das Bewußtsein sich ein eigenes Objekt schafft, eine Welt von geistigen Wesenheiten, von Ideen, die es für die bewegenden Kräfte und Ziele der Geschichte ausgibt; die Arbeitsteilung schafft mit dem Idealismus also eine Ideologie im Sinne von „falschem Bewußtsein“. Andererseits wird durch die Bildung von Privateigentum der Dreitakt Mensch — Entäußerung — Genuß bzw. Wiederaneignung gestört, die produzierten Gegenstände werden einem Großteil von Menschen vorenthalten, und/oder sie werden ihnen zu einer fremden Macht (Entfremdung vom Produkt der eigenen Arbeit). 2. Ideologie In der DDR — wie übrigens auch in der Sowjetunion und in den übrigen Staaten Osteuropas — wird die Herausarbeitung eines „wissenschaftlichen“ Ideologiebegriffs in erster Linie Marx, Engels und Lenin zugeschrieben. Auf der Grundlage des HM hätten Marx und Engels diesen Ideologiebegriff im Zuge ihrer Analysen des gesellschaftlichen Bewußtseins als Widerspiegelung des gesellschaftlichen Seins geschaffen. Der Begriff der „Ideologie“ wird damit in der DDR sowohl positiv, als Kennzeichnung der „Bewußtheit der gesellschaftlichen Praxis“ im Sozialismus, wie negativ, als „falsches Bewußtsein“ der Bourgeoisie und ihrer Helfer im Kapitalismus bzw. Imperialismus, verwandt. Obwohl die Struktur, Bedeutung und Funktionen des marxistisch-leninistischen Ideologiebegriffs in der entsprechenden Literatur in der DDR häufig erwähnt werden, ist eine authentische Darstellung der gegenwärtigen Einschätzung der Begriffe „Ideologie“ und „Ideologisches Bewußtsein“ durch die ideologischen Strategen der DDR erst in dem Ende 1976 erschienenen Lehrbuch „Grundlagen des Historischen Materialismus“ (Dietz Verlag, Berlin [Ost] 1976, S. 296) enthalten. Dort heißt es: „Den Zusammenhang von Klasseninteressen und Bewußtsein erfaßt der Historische Materialismus mit dem Begriff der Ideologie. Das Erkennen dieses Zusammenhangs und seiner geschichtlichen Rolle führte zur Erkenntnis der ideologischen Triebkräfte. Der ideologische Klassenkampf ist untrennbar mit dem politischen und ökonomischen Klassenkampf verbunden.“ Nach wie vor werden Ideologien, wie schon in Marx' und Engels' Gemeinschaftswerk „Die heilige Familie“ (1847), in Bezug zu gesellschaftlichen bzw. ökonomischen Interessen gestellt. Für das gegenwärtige Selbstverständnis der Vertreter der offiziellen Lehre des ML ist typisch, daß sie auf „die Geschichte“ zurückgreifen, um auf die „enormen sozialen Energien“ hinzuweisen, die Ideologien besitzen, sofern sie die fundamentalen Interessen von gesellschaftlichen Klassen, Schichten und Gruppen zum Ausdruck bringen. Der Ausdruck „soziale Energien“ weist auf die nach wie vor bestehende Vorstellung der Ideologen in der DDR über die politisch-psychologische Verwendbarkeit im Sinne der Verhüllung und Enthüllung von Tatsachen, jedoch auch auf den geschlossenen Charakter der Weltanschauungslehre des ML hin. Die Bedeutung, die der Ideologie im ML zugemessen wird, läßt nicht zuletzt Schlüsse auf die ihr angesonnene integrative Funktion zu. [S. 710]<3. Die Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen und der Klassenkampf als Triebkräfte der Geschichte> Entscheidend für die gesellschaftliche Entwicklung ist also, wie die Menschen die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse notwendigen Güter produzieren. Produzieren bedeutet ein Zweifaches: ein bestimmtes Verhältnis der Menschen zur Natur und ein bestimmtes Verhältnis der Menschen zueinander. Das Verhältnis der Menschen zur Natur ist bedingt durch seine Produktivkräfte, das gegenseitige Verhältnis der Menschen durch die Produktionsverhältnisse. Die Produktion wird verstanden als dialektischer Prozeß, und zwar als eine dialektische Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, in der beide in Wechselwirkung stehen und einander gegenseitig bedingen, aber so, daß die Produktivkräfte die führende Rolle in der Entwicklung spielen. Wichtig ist, daß die Faktoren der Entwicklung nicht außerhalb der Produktion gesucht werden, etwa in geographischen und klimatischen Bedingungen oder etwa im Anwachsen der Bedürfnisse durch das Wachstum der Bevölkerung. Quelle der Entwicklung ist vielmehr die „Selbstbewegung“, die dialektische Wechselwirkung der Elemente der Produktion, insbesondere der Elemente der Produktivkräfte, ihre inneren Widersprüche und hauptsächlich die Wechselwirkung zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen. „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist. mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein“ (Marx/Engels, Werke, Bd. 13, S. 9). So bewirkt z. B. die Entwicklung der Technik, die zunehmende Mechanisierung der Produktion im Kapitalismus, daß die Weise der Gütererzeugung sich immer mehr vergesellschaftet. Dies wird in Großbetrieben. Großorganisationen und in der Massenproduktion deutlich sichtbar. Aber die Aneigung des Ertrages, und daher die Bestimmung des Produktionszwecks, bleibt eine private. Zur Überwindung dieses Widerspruchs muß das Privateigentum an Produktionsmitteln überhaupt abgeschafft werden. Dies geschieht durch die sozialistische Revolution. Die sozialistische Revolution ist die höchste und damit letzte Form der sozialen Revolution. Als soziale Revolution werden solche gesellschaftlichen Umwälzungen verstanden, bei denen die eine herrschende Klasse durch eine neue herrschende Klasse abgelöst wird. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal einer Klasse ist ihr Verhältnis zu den Produktionsmitteln, das wiederum im wesentlichen ein Eigentumsverhältnis ist. Alle anderen Verhältnisse, etwa schichtenspezifische, lassen sich daraus ableiten. So gesehen stellt sich für den ML die Geschichte als eine „Geschichte von Klassenkämpfen“ dar, die identisch ist mit der Entwicklung der Formen des Privateigentums an Produktionsmitteln. 4. Die Gesellschaftsformationen Während Marx und Engels die Begriffspaare „Produktionsverhältnisse“ und „Produktivkräfte“, „Basis“ und „Überbau“, „gesellschaftliches Sein“ und „Bewußtsein“ geschaffen haben, ist der Begriff der „Gesellschaftsformation“ auf Lenin zurückzuführen. Mit diesem Begriff konnte Lenin, entsprechend bestimmten, bereits von Marx und Engels herausgearbeiteten geschichtlichen Grundtypen von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften, aus deren Vielfalt gemeinsame Merkmale herausarbeiten. Meistens wird heute in der DDR der Begriff „ökonomische Gesellschaftsformation“ gebraucht. Nach der metaphorischen, auf die romantische Biologie des 19. Jh. zurückgehenden Vorstellung, die Gesellschaft verhalte sich wie ein lebendiger Organismus, sollen mit dem Begriff der „ökonomischen Gesellschaftsformation“ die verschiedenen „Organe“ der Gesellschaft erfaßt werden, ökonomische Gesellschaftsformationen würden sich im Lauf der geschichtlichen Entwicklung gegen diese Prozesse, in denen sich ein neuer „Gesellschaftsorganismus“, eine neue historische Totalität herausbildet, langsam durchsetzen. Viel Platz wird in der aktuellen Literatur zu Einzelproblemen des ML den „gesetzmäßigen“ Entstehungsbedingungen der ökonomischen Gesellschaftsformation eingeräumt. Die bereits erwähnte, sich stets weiter entwickelnde „Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen“ soll neue ökonomische Gesellschaftsformationen herausbilden. Zusammenfassend lassen sich, im Verständnis des ML, folgende Merkmale für die ökonomische Gesellschaftsformation angeben: „Erstens ist sie ein gesellschaftlicher Organismus, der objektiv gesetzmäßig entsteht, sich voll entfaltet und ebenso gesetzmäßig an einem bestimmten Punkt seiner Entwicklung von einer höheren Formation abgelöst wird. Die kommunistische Gesellschaftsformation ist auf ihrer eigenen materiellen Grundlage unbegrenzt entwicklungsfähig. Zweitens ist die tiefste Ursache der Entwicklung und Aufeinanderfolge ökonomischer Gesellschaftsformationen die Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Drittens werden der konkret-historische Charakter und die Struktur einer jeden Formation vom jeweiligen Typ der Produktionsverhältnisse, insbesondere des Eigentums an den Produktionsmitteln bestimmt. Viertens bringt die jeweilige Produktionsweise die für jede Formation charakteristischen historischen Gemeinschaften, die sozialen Bezie[S. 711]hungen und Triebkräfte hervor. Fünftens ergibt sich aus dem jeweiligen Typ der Produktionsverhältnisse eine spezifische Gesamtheit gesellschaftlicher Verhältnisse, und es entsteht ein den Produktionsverhältnissen entsprechender gesellschaftlicher Überbau“ (Grundlagen des Historischen Materialismus, a. a. O., S. 327). Die bereits erwähnte Entwicklung erfolgt im Rahmen der dialektischen Bewegungsgesetze (s. o.) in fünf Stufen: Urgesellschaft: kein Privateigentum an Produktionsmitteln, da noch keine nennenswerten vorhanden; Sklavenhaltergesellschaft: Privateigentum an Werkzeugen sowie den unmittelbaren Produzenten, den Sklaven; Feudalismus: Privateigentum vor allem an Boden, Rohstoffen sowie den Leibeigenen; Kapitalismus: Privateigentum an Kapital in Form von Geld, Maschinen und menschlicher Arbeitskraft, äußerste Zuspitzung des Klassenantagonismus in Gestalt der Bourgeoisie (Ausbeuterklasse, den Mehrwert der Lohnarbeiter zurückhaltend) und des Proletariats, der „Klasse mit radikalen Ketten“, an der das „Unrecht schlechthin“ verübt wird; Kommunismus (Vorstufe: Sozialismus): Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln durch deren Vergesellschaftung und damit Negation der Negation, d. h. Rückkehr zum Urzustand auf höherer Ebene, auf. welcher der Kreislauf des Arbeitsprozesses wieder geschlossen und damit auch der Abschluß der „Vorgeschichte der Menschheit“ erreicht ist. C. Wissenschaftlicher Sozialismus und Kommunismus 1. Sozialismus oder die Diktatur des Proletariats Hauptfrage des wissenschaftlichen Sozialismus und Kommunismus ist die Frage nach der „Gesetzmäßigkeit“ des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus. In dieser Frage vor allem unterscheiden sich Marxismus und Leninismus. Der verbindende Grundgedanke ist aber folgender: Aus den antagonistischen Klassengegensätzen zwischen Bourgeoisie und Proletariat ergibt sich, daß die sozialistische Revolution nur gewaltsam sein kann. Denn die herrschenden Klassen setzen der Veränderung der Produktionsverhältnisse Widerstand entgegen und benutzen dazu vor allem den Zwangsapparat des Staates. In der Übergangsphase muß daher das Proletariat den Staatsapparat erobern und gegen die noch vorhandenen Reste der Bourgeoisie, und zwar sowohl gegen deren ökonomische, politische als auch ideologische Erscheinungsformen (Revisionismus), als Instrument der Macht einsetzen. Diese Diktatur des Proletariats unterscheidet sich dem Anspruch nach insofern von bisherigen Diktaturen, als sie eine Herrschaft der Mehrheit über eine Minderheit bedeutet. Marx selbst wollte über taktische Einzelheiten dieser Diktatur keine verbindlichen Aussagen für die Zukunft machen. Er glaubte, daß diese Übergangsphase ohnehin sehr kurz sei. In der Schrift „Klassenkämpfe in Frankreich“ (verfaßt 1850; von Fr. Engels 1895 publiziert) empfahl er das Modell der Pariser Kommune: Die Länder sollten sich föderativ auf freiwilliger Basis organisieren; abgestufte Organe der direkten Demokratie nehmen zugleich legislative wie exekutive Aufgaben wahr; die Beamten sind abhängige Organe des organisierten Volkes und sollen nicht besser als Facharbeiter bezahlt werden; wie auch die Vertreter der Polizei unterliegen sie der ständigen Kontrolle der Kommunen und sind jederzeit absetzbar; die Delegierten der Kommunen werden in Urwählerversammlungen gewählt und sind ebenfalls jederzeit abwählbar. Das zeigt, daß Marx — wie übrigens auch Engels (vgl. „Kritik des Erfurter Programms“, 1891) — Diktatur gegenüber der Bourgeoisie und Demokratie innerhalb der proletarischen Organisationen für vereinbar hielt. Anders Lenin: Unter den Bedingungen des zaristischen Rußland, in dem soziologisch von einer Mehrheit des Proletariats nicht die Rede sein konnte, entwickelte er vor allem in der Schrift „Staat und Revolution“ (1917) die Diktatur des Proletariats im Rahmen einer geschlossenen Revolutionstheorie. Darin wird der Diktaturbegriff in seiner traditionellen machttechnischen Bedeutung verstanden, d. h. in Praxis Diktatur einer Minderheit über eine Mehrheit, wobei die Minderheit sich als potentielle Mehrheit versteht. Mit dieser inhaltlichen Änderung des Diktaturbegriffs hängt eng zusammen die ebenfalls von Lenin entwickelte Theorie der „Partei neuen Typs“ („Was tun?“, 1902). Deren Hauptmerkmale sind: 1. Die Partei ist der „bewußte Vortrupp der Arbeiterklasse“. Sie rekrutiert sich infolgedessen historisch gesehen zunächst aus der sozialen Schicht der Intelligenz, die einerseits das richtige proletarische Bewußtsein entwickeln, bewahren und verbreiten soll, andererseits die Organisation der proletarischen Bewegung zu übernehmen hat. 2. Die Partei ist der „organisierte Vortrupp der Arbeiterklasse“, d. h. sie ist einheitlich bis in die kleinsten sozialen Grundeinheiten („Zellen“) organisiert. 3. Das organisatorische Grundprinzip ist der Demokratische Zentralismus. Aufgrund der spezifischen historischen und nationalen Bedingungen unterscheidet der ML heute zwei Typen der Diktatur des Proletariats: die Sowjetmacht und die Volksdemokratie. 2. Die Entwicklungsphasen des Sozialismus Angesichts der relativ ungebrochenen Kraft des „imperialistischen Monopolkapitalismus“ nach dem 1. Weltkrieg sah sich der ML zu einer weiteren Modifizierung der Marxschen Lehre gezwungen: Im Unterschied zu der Annahme von Marx und Engels, daß die entwickelten Länder zur gleichen Zeit zum Sozialismus übergehen würden, wurde die These vom [S. 712]sozialistischen Sieg in einem Staat entwickelt; das imperialistische Weltsystem soll nach und nach an seinen schwächsten Gliedern durchbrochen werden. Diese These wird zwar Lenin zugesprochen, tatsächlich wurde sie aber besonders von Stalin propagiert. Bis zur Ablösung Ulbrichts 1971 wurde aus dem noch immer währenden „erbitterten Kampf gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus“ der Schluß gezogen, daß der Sozialismus nicht eine kurzfristige Übergangsphase in der Entwicklung der Gesellschaft sei, sondern eine relativ selbständige sozialökonomische Formation, die sich auf ihren „eigenen Grundlagen“ und dann direkt hin zum Kommunismus entwickle. Diese Auffassung wurde seit Oktober 1971 von der SED auf mehreren Konferenzen und ZK-Tagungen als falsch bezeichnet und zurückgewiesen. Der Sozialismus galt erneut als Vorphase und Teil des Kommunismus, der keine „relative Selbständigkeit“ beanspruchen kann. Die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei beschränke sich darum nicht auf die Negation des Kapitalismus, vielmehr sei infolge ihrer wachsenden „sozialpolitischen Funktion“ im gesamtgesellschaftlichen Erkenntnis-, Planungs- und Leitungsprozeß ihre Verstärkung erforderlich. Dasselbe gelte für den Staat: „Die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ist nicht durch ‚Entstaatlichung‘ oder ‚Absterben des Staates‘ zu verwirklichen. Der sozialistische Staat wird vielmehr neue Aufgaben übernehmen und durchführen müssen, um alle Teilbereiche und damit das Gesamtsystem so zu gestalten, daß die materielle und geistige Überlegenheit des Sozialismus nachgewiesen wird“ (Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 16. Jg., H. 6, 1968, S. 57). Die erste Aufbauphase ist gekennzeichnet durch das Klassenbündnis zwischen Industriearbeiterschaft und Bauern. Der Existenz von mehreren Klassen entsprechend gibt es hier noch mehrere Formen des gesellschaftlichen Eigentums: das gesamtgesellschaftliche, das genossenschaftliche sowie Reste privatwirtschaftlichen Eigentums. Da das Entwicklungsniveau der Produktivkräfte noch relativ gering ist, überwiegt die materielle Interessiertheit als Anreiz vor dem gesellschaftlich-moralischen Bewußtsein, und die Verteilung der Güter erfolgt nach dem Prinzip: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen.“ Ebenso findet in dieser Phase das Wertgesetz seine volle Anwendung. Die erste Aufbauphase vollzieht sich in zwei Etappen: einmal Aufbau und Behauptung des Sozialismus in der Sowjetunion im Kampfe gegen den Imperialismus (etwa 1917–1945); zweitens Herausbildung des sozialistischen Weltsystems und Umschlag des Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus (1945 bis 1956). Die zweite Aufbauphase, der „umfassende Aufbau des Sozialismus“, wird 1962/63 — nach einer Zeit des Übergangs — mit dem „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ eingeleitet. Sie wird darüber hinaus durch folgende Faktoren bestimmt: militärische Überlegenheit des sozialistischen Lagers und wissenschaftlich-technische Revolution. Daraus ergeben sich für die marxistisch-leninistische Partei die folgenden Aufgaben: 1. International: Politik der Friedlichen Koexistenz bei Verschärfung des internationalen Klassenkampfes auf den Gebieten der Ökonomie, der Ideologie und der Kultur. Weiter erfordert der internationale Charakter der technischen Revolution eine qualitativ höhere Form der internationalen Arbeitsteilung. 2. Im Innern: Schutz des sozialistischen Eigentums und Entwicklung der Verteidigungsbereitschaft gegen mögliche imperialistische Überfälle. Volle Entfaltung der Wissenschaft als Produktivkraft; Einholen bzw. Überflügeln des wissenschaftlich-technischen Vorlaufs des Imperialismus; allseitige Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft, insbesondere die Entwicklung des Gesellschaftlichen ➝Bewußtseins. Der „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ und damit der Beginn der zweiten Phase wurde in der DDR auf dem VI. Parteitag der SED im Januar 1963 in Verbindung mit dem „Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung“ verkündet. Auf dem VII. Parteitag (1967) wurde diese Formel abgelöst durch die von der „Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“. Auf dem VIII. Parteitag (1971) wurde die gegenwärtige Entwicklungsphase als „entwickelte sozialistische Gesellschaft“ bezeichnet. Auf dem IX. Parteitag der SED (1976) wurden ein neues Parteiprogramm und -Statut der SED verabschiedet. Auch im neuen Programm wird (im 2. Teil) die weitere Ausgestaltung der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ unter Führung der Arbeiterklasse behandelt. Im gesamten zweiten Programm wird der Bedeutung der Ideologie des ML in Verbindung mit der Partei der Arbeiterklasse eine womöglich noch größere Funktion zuerkannt als vorher. 3. Der wissenschaftliche Kommunismus Nach der Vollendung des Aufbaus des Sozialismus beginnt, nach der Lehre des ML, erst die eigentliche Geschichte der Menschheit, der Kommunismus. Während Marx diese Epoche noch eher philosophisch charakterisierte als eine Vernichtung der „Fremdheit“, mit der sich die Menschen zu ihrem eigenen Produkt gegenseitig verhalten, sind es heute eher pragmatische Kriterien, die zu ihrer Bestimmung genannt werden. Das Verteilungsprinzip lautet jetzt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Es gibt zwar noch Klassen; die Produktionsmittel sind jedoch ausschließ[S. 713]lich einheitliches Volkseigentum; die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind mehr und mehr aufgehoben; körperliche und geistige Arbeit sollen immer mehr verschmolzen werden; die Intelligenz ist zwar noch eine besondere soziale Schicht, sie ist aber mit den beiden „Hauptklassen“, den Arbeitern und Bauern, eine enge Verbindung eingegangen; der Charakter der Arbeit ist ein ganz anderer geworden: Der Mensch tritt mit der Vollendung der Automation aus dem naturwüchsigen Produktionsprozeß heraus und leitet diesen nach seinen Zielvorstellungen. Damit wird, dem ML zufolge, die Arbeit zum „hauptsächlichsten Lebensbedürfnis der Menschen“. Nach dem Selbstverständnis des ML hat der Aufbau des Kommunismus in der UdSSR seit dem XXII. Parteitag der KPdSU (1961) begonnen. Freilich ist auch in dem dort entwickelten Programm für die Jahre 1961–1980 von einem „Absterben des Staates“. wie es sich Marx und Engels vorstellten, nicht die Rede. (Zitate im vorangehenden, soweit ohne Angabe, aus Art. „Materialismus, dialektischer und historischer“. in: Phil. Wörterbuch, Hrsg. M. Buhr, G. Klaus, 11. Aufl., 2 Bde., Leipzig 1975, hier Bd. 2.) Agnostizismus; Moral, Sozialistische; Objektivismus;

Siehe auch: Marxismus-Leninismus: 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Marxismus-Leninismus (ML): 1985 Theorie des Marxismus-Leninismus-Stalinismus: 1953 1954 1956 1958 I. Grundlagen Der ML ist ein — dem Anspruch nach — geschlossenes und homogenes theoretisches System, das im wesentlichen auf den Lehren von Marx, Engels und Lenin aufbaut. Er wird als „Ideologie der Arbeiterklasse“ definiert. Da jene die historisch letzte und fortschrittlichste Klasse darstellt, ist…

DDR A-Z 1979

Warschauer Pakt (1979)

Siehe auch: Warschauer Beistandspakt: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Warschauer Pakt: 1975 1985 Im Westen gebräuchliche Kurzform für den „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“, der am 14. 5. 1955 zwischen der UdSSR, Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, der CSSR und Ungarn als militärischer Beistandspakt abgeschlossen wurde. Die DDR wurde offiziell am 28. 1. 1956 als Mitglied, die Nationale Volksarmee (NVA) (bis 18. 1. 1956 gab es nur eine „Kasernierte Volkspolizei“) am 24. 6. 1956 in das Vereinte Oberkommando aufgenommen. Albanien ist im September 1968 aus Protest gegen den Einmarsch von WP.-Truppen in die CSSR am 21. 8. 1968 aus der Paktorganisation ausgetreten. Der WP. soll ausschließlich bei einem Angriff auf einen oder mehrere Unterzeichnerstaaten „in Europa“ wirksam werden. Er wurde auf die Dauer von 20 Jahren abgeschlossen und bleibt, da er 1975 nicht gekündigt wurde, weitere 10 Jahre in Kraft. Organe des WP. sind: Der Politische Beratende Ausschuß (PBA); ihm gehören die Vorsitzenden der Ministerräte, d. h. die Regierungschefs der Mitgliedstaaten an. Dem PBA stehen Hilfsorganisationen zur Verfügung: a) Ständige Kommissionen (für Logistik, Rüstungsforschung usw.), b) das Vereinigte Sekretariat; Vorsitzender ist in Personalunion der Chef des Stabes des Vereinten Oberkommandos. Die Position ist stets mit einem hohen sowjetischen Armeeführer besetzt, gegenwärtig (seit Oktober 1976) mit Generaloberst A. Gribkow, dem bisherigen Befehlshaber des Leningrader Militärbezirkes. Der PBA gilt formal als höchstes Organ des WP. Das Vereinte Oberkommando mit Sitz in Moskau; an der Spitze steht seit 1965 stets ein sowjetischer General, seit November 1976 Marschall W. G. Kulikow. Die Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten fungieren als seine Stellvertreter. Sie leiten gelegentlich auch gemeinsame Manöver der Paktstreitkräfte. Das Komitee der Verteidigungsminister (seit 1969); sie sind gleichzeitig stellvertretende Oberbefehlshaber der Vereinten Streitkräfte und Oberste Befehlshaber der Streitkräfte des eigenen Landes. Außerdem delegiert jedes Mitgliedsland einen hochrangigen Offizier als Vertreter in das Vereinte Oberkommando; das Oberkommando entsendet einen „Vertreter des Vereinten Oberkommandos“ in jedes Teilnehmerland. Der Stab des Vereinten Oberkommandos mit Sitz in Moskau. Chef des Stabes ist bisher ein sowjetischer Militärführer. Stabskonferenzen mit den Stabschefs bzw. den Chefs der Hauptstäbe der Armeen der Mitgliedstaaten finden regelmäßig statt. Als beratendes Organ fungiert der Militärrat der Vereinten Streitkräfte, Vorsitzender ist ebenfalls der Oberbefehlshaber bzw. Chef des Vereinten Oberkommandos. Ihm gehören ferner die Generalstabschefs der Mitgliedsländer und die Verbindungsoffiziere beim Vereinten Oberkommando an. Da offenbar der PBA bisher die politische Aufgabe der Koordinierung der Außenpolitik der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erfüllt hat, wurde auf der Tagung vom November 1976, die erstmals seit 10 Jahren wieder in Bukarest stattfand, der weitere institutionelle Ausbau des WP. beschlossen. Zu diesem Zweck ist ein Komitee der Außenminister konstituiert worden, dessen bisher nicht näher beschriebene Kompetenzen z. T. von regelmäßigen Konferenzen der Stellvertretenden Außenminister der Mitgliedstaaten wahrgenommen werden. Eine weitere Stärkung der politischen Funktionen des [S. 1158]WP. ist in den inzwischen zur Regel (Ausnahme: 1975) gewordenen Krim-Konferenzen der Ersten und Generalsekretäre der kommunistischen Parteien der WP.-Staaten zu sehen. Dem Vereinten Oberkommando unterstehen im Kriegsfall alle Land- und Luftstreitkräfte der Teilnehmerstaaten; die Seestreitkräfte Polens, der DDR und der sowjetischen Ostseeflotte auch zu Friedenszeiten der Vereinten Ostseeflotte mit Sitz in Leningrad. In Friedenszeiten unterstellen die Teilnehmerstaaten nur Teile ihrer Streitkräfte dem Vereinten Oberkommando. Ständig unterstellt sind: die sowjetischen Truppen in Polen (Gruppe Nord, Hauptquartier Liegnitz — 2 Divisionen), in Ungarn (Gruppe Süd, Hauptquartier Budapest — 4 Divisionen); in der CSSR (Zentrale Gruppe, Hauptquartier Milovice — 5 Divisionen); die Gruppe Sowjetischer Streitkräfte in Deutschland (GSSD) (Hauptquartier Wünsdorf bei Berlin — 21 Divisionen mit rd. 425.000 Mann, einschließlich 20 Raketen-Bataillonen, die mit taktischen Kurzstreckenraketen ausgerüstet sind. Ferner untersteht der GSSD die 24. Taktische Luftflotte, die als modernste Luftstreitmacht der Roten Armee gilt); alle bewaffneten Verbände der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA, Hauptquartier Strausberg bei Berlin, insgesamt rd. 203.000 Mann, einschließlich Grenztruppen) ohne Einheiten der Territorialverteidigung (ca. 493.000 Mann). In der konventionellen Bewaffnung scheint der WP. dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis (NATO) zahlenmäßig weit überlegen zu sein. Allerdings ist die Kampfkraft der Verbände nur schwer einzuschätzen; Vorteile auf Seiten des WP. bestehen aber darin, daß die Waffensysteme im Gegensatz zur NATO weitgehend standardisiert und bei einzelnen Typen (schwere Artillerie, Panzer) vollständig vereinheitlicht worden sind. [S. 1159] Die Bewaffnung aller Verbände der Mitgliedstaaten des WP. wurde auch qualitativ der der Roten Armee angeglichen und wird von westlichen Militärexperten als sehr modern und teilweise der NATO gleichwertig eingeschätzt. Obwohl die UdSSR sowohl der Ausrüstung als auch der Reorganisation der Armeen des WP., insbesondere nach der Invasion der CSSR 1968, größere Aufmerksamkeit widmete, hat sie bisher weder Atomwaffen noch strategische und taktische Trägersysteme an die Armeen der übrigen Mitgliedstaaten weitergegeben. Unbekannt ist, ob sie Personal der anderen „Bruderarmeen“ an atomaren Waffen ausbildet. Seit Mitte 1976 sind verstärkte militärische Aufrüstungen im Rahmen des WP. festzustellen. So ist z. B. mit der Umrüstung der GSSD auf den modernsten sowjetischen Panzertyp, den T-72, begonnen worden. Ferner werden die mehr als 600 in Osteuropa und den westlichen Militärbezirken der UdSSR stationierten Mittelstreckenraketen (MRBM: Reichweite 5.000 km) mit modernsten Mehrfachsprengköpfen vom Typ SS-20 ausgestattet. Seit 1961 werden gemeinsame Manöver der WP.-Staaten abgehalten. Neben einer großen Zahl von Kommando- bzw. Kommandostabs-, Nachschub- und Flottenübungen fanden u. a. folgende größere Landmanöver bzw. kombinierte Land- und Luftlandemanöver unter Beteiligung der NVA statt: September 1962 „Vito“ (UdSSR. DDR, CSSR), September 1963 „Quartett“ (UdSSR, DDR, Polen, CSSR), April 1965 „Manöverübung Berlin“ (UdSSR, DDR), Oktober 1965 „Oktobersturm“ (UdSSR. DDR. Polen, CSSR), September 1966 „Moldau“ (UdSSR, DDR, CSSR, Ungarn), September 1967 „Dnjepr“ (UdSSR, CSSR, Ungarn, DDR), Juli/August 1968 „Njemen“ (UdSSR. DDR. Polen, Ungarn), September/Oktober 1969 „Oder-Neiße“ (UdSSR, Polen, DDR), Oktober 1970 „Waffenbrüderschaft“ (UdSSR, DDR, CSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien), Oktober/November 1972 „Schild“ (UdSSR, DDR, CSSR, Polen, Ungarn). September 1976 „Schild 76“ (UdSSR, Polen, CSSR, DDR). Bereits 1973, 1974 und 1975 hatten Manöver unter dem Tarnnamen „Schild“ und mit Beteiligung dieser Staaten stattgefunden. Ferner fanden in Ungarn und Bulgarien eine Reihe von Manövern statt, an denen die NVA jedoch nicht teilnahm. Die NVA nimmt im Rahmen der Vereinten Streitkräfte des WP. eine Sonderstellung ein: Sie gilt gegenwärtig als bestausgerüstete Truppe neben der Roten Armee. Ihre Verbände gehören der 1965 gebildeten „1. Strategischen Staffel“, d. h. einer Gruppierung an, die vor allem aus Truppen der UdSSR, der DDR und Polens besteht. Diese voll mobile Formation hat im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung besondere Aufgaben zu erfüllen. Westliche Manöveranalysen legen die Vermutung nahe, daß sie auch für offensive Einsätze gerüstet und gegliedert ist. DDR-Verteidigungsminister H. Hofmann hat bisher als einziger der Stellvertreter des sowjetischen Oberkommandierenden (mindestens) 2 große Manöver geleitet („Quartett“ und „Waffenbrüderschaft“). Als einzige Armee ist die NVA voll in die Vereinten Streitkräfte integriert, sie besitzt keinen eigenen Generalstab. Die Analyse des Textes des Warschauer Vertrages zeigt eine entscheidene Benachteiligung der DDR: Während alle nichtdeutschen Fassungen festlegen, daß die Teilnehmerstaaten selbst Umfang und Zeitpunkt der von ihnen zu leistenden Hilfe (im Beistandsfall) bestimmen, heißt es in der deutschen Übersetzung, daß der von der DDR zugunsten der anderen Mitglieder zu leistende Beistand von diesen bestimmt wird (Art. 11 Abs. 3). Im Gegensatz zu dem Stationierungsvertrag, der den Aufenthalt sowjetischer Truppen in Polen regelt und der polnischen Regierung formell ein Mitspracherecht bei Truppenbewegungen einräumt, sieht der Truppenstationierungsvertrag zwischen DDR und UdSSR (1957) nur eine „Verständigung“ vor. Die politische Bedeutung des WP. resultiert vor allem aus seiner Funktion für die Blockpolitik der UdSSR. Aufgrund ihres militärischen und politischen Übergewichts in der Paktorganisation sichert er der sowjeti[S. 1160]schen Führung die Kontrolle über alle Streitkräfte der übrigen Staaten, die in Ausbildung, Ausrüstung, Bewaffnung und Logistik vollständig von der UdSSR abhängig sind. Darüber hinaus ist es der UdSSR möglich, durch direkte und indirekte Beeinflussung im Rahmen des WP. ihre sicherheits- und militärpolitischen Vorstellungen innerhalb ihres Einflußbereiches uneingeschränkt zur Geltung zu bringen. Bemerkenswert ist, neben dem Ausbau der politischen Organe des WP., die seit der Tagung der Stellvertretenden Außenminister im Juli 1976 in Moskau zu beobachtende konsultative Teilnahme von Vertretern asiatischer Staaten (Mongolei, Vietnam, Laos) an den Beratungen der Mitgliedsländer. Über die unmittelbare militärische Bedeutung des WP., d. h. seine Verteidigungsfunktion für das westliche Glacis der UdSSR, hinaus, garantiert er gleichzeitig die politische Stabilität des „sozialistischen Lagers“, wie der Einsatz der WP.-Truppen im August 1968 in der CSSR deutlich macht. Ein Austritt aus der Paktorganisation, wie im Jahr 1956 von der Regierung Nagy in Ungarn verkündet, wird von der UdSSR als Angriff gegen alle Mitglieder verstanden. Er hat den Einsatz militärischer Machtmittel der „Verbündeten“ zur Folge und ist daher praktisch unmöglich. In welchem Umfang die UdSSR die politischen Druckmittel des WP. einzusetzen gedenkt, zeigen die besonders zahlreichen Zusammenkünfte der sowjetischen Führung mit polnischen und rumänischen Partei- und Regierungsvertretern vor allem im Jahr 1976. In beiden Fällen kam es bereits Ende 1976 zu gemeinsamen Erklärungen, in denen die Sowjets eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen des WP. durchsetzen konnten. Die für den Fall der Auflösung der NATO dem Westen angebotene Kündigung des Warschauer Vertrages ist politisch ohne Bedeutung, da gegenwärtig zwischen allen Mitgliedstaaten und der UdSSR (wie zwischen den Teilnehmerländern selbst) bilaterale Beistandspakte geschlossen wurden, die von einer Auflösung des WP. nicht betroffen wären. Die DDR hat mit der UdSSR (1964), mit Polen, der CSSR, Ungarn und Bulgarien (1967 und 1977) und Rumänien (1972) ebenfalls derartige zweiseitige Verträge unterzeichnet, deren Beistandsklauseln denen des WP. entsprechen (Außenpolitik). Die militärische Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 und die bewaffnete Invasion von Truppen des WP. in der CSSR 1968 stellen bisher die einzigen Fälle der „Anwendung“ des Warschauer Vertrages dar. In beiden Fällen handelt es sich um einen objektiven Bruch des Vertrages, der nur gegen Angreifer „von außen“, also gegen Nichtmitglieder, wirksam werden sollte. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1157–1160 Warenzeichen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Wartezeiten

Siehe auch: Warschauer Beistandspakt: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Warschauer Pakt: 1975 1985 Im Westen gebräuchliche Kurzform für den „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“, der am 14. 5. 1955 zwischen der UdSSR, Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, der CSSR und Ungarn als militärischer Beistandspakt abgeschlossen wurde. Die DDR wurde offiziell am 28. 1. 1956 als Mitglied, die Nationale Volksarmee (NVA) (bis 18. 1. 1956 gab es nur…

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Berliner Konferenz katholischer Christen aus europäischen Staaten (BK) (1979)

Siehe auch: Berliner Konferenz europäischer Katholiken (BK): 1985 Berliner Konferenz Katholischer Christen (BK): 1975 Die BK wurde 1964 in der DDR ins Leben gerufen. Die Initiative ging von katholischen Funktionären der CDU der DDR, vor allem dem 1950 aus der Bundesrepublik Deutschland in die DDR übergesiedelten Publizisten Otto Hartmut Fuchs sowie dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Zentrumsabgeordneten Karl Grobbel aus. Etwa 140 Katholiken aus 12 europäischen Staaten trafen sich zur I. Tagung der BK im November 1964 in Berlin (Ost). Das Thema lautete: „Dauerhafte Friedensordnung durch Vertrauen und Verträge“. Neben führenden Mitgliedern der CDU, Funktionären der polnischen PAX- sowie der Christlich-Sozialen Bewegung, Friedenspriestern aus Ungarn und der ČSSR. litauischen Priestern nahm ferner eine größere Anzahl von Linkskatholiken und Pazifisten aus mehreren westeuropäischen Ländern teil. In einer „Berliner Erklärung“ bekannte sich die BK unter Berufung auf die 1963 veröffentlichte Enzyklika Papst Johannes' XXIII. „Pacem in terris“ zu den „Friedensprinzipien der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit“. Sie wandte sich gegen Wettrüsten, vor allem gegen die in Westeuropa unter Beteiligung der USA geplante multilaterale Atomstreitmacht (MLF). Seither fanden in etwa 2jährlichem Turnus weitere Vollversammlungen jeweils in Berlin (Ost) mit bis zu 300 Teilnehmern statt; die letzte (VI.) fand im November 1977 unter dem Motto „Europa — Abrüstung — Solidarität“ statt. Bei dieser Veranstaltung wurde u. a. auch das Thema „Eurokommunismus“ lebhaft diskutiert. Neben den Plenarversammlungen tritt ein sog. „Internationaler Fortsetzungsausschuß“ (IFA), der seinen Sitz ebenfalls in Berlin (Ost) hat, mehrmals jährlich zusammen. Außerdem werden in regelmäßigen Abständen Regionalkonferenzen in verschiedenen europäischen Ländern und zu unterschiedlichen Themen durchgeführt (z. B. Frauen- und Jugendtreffen). Seit der II. Plenarversammlung 1966 versteht sich die BK als „Forum katholischer Friedenskräfte aus ganz Europa zur Beratung und Aktivierung des Friedensdienstes auf der Grundlage der Lehre der Kirche“. Als gleichgesinnte Partner erwiesen sich nicht nur die mehr protestantisch ausgerichtete Christliche Friedenskonferenz (CFK), sondern auch die vornehmlich in Westeuropa aktive und von der Kirche offiziell unterstützte katholische Friedensbewegung „Pax Christi“ Wegen der politischen Festlegung dieser Gruppierung auf die Politik der kommunistisch regierten Staaten und wegen des Widerstandes vor allem der katholischen Bischöfe in der DDR gegen die „Pax“-Bewegung haben sich Priester aus beiden Teilen Deutschlands bisher von den BK-Veranstaltungen nahezu ausnahmslos ferngehalten. Auch der Vatikan, um dessen Gunst sich der Vorsitzende des Präsidiums der BK, Fuchs, und seine Freunde seit Jahren bemühen, blieb bisher auf Distanz. Dennoch ist es BK-Präsidiumsmitgliedern in einigen Fällen gelungen, vom päpstlichen Prälaten empfangen zu werden. Bischöfe wie der ehemalige Utrechter Erzbischof Kardinal Alfrink, und der Wiener Kardinal König, päpstlicher Beauftragter für den Kontakt mit den Nichtglaubenden, bekundeten zeitweilig ihr Interesse an der Arbeit der BK. An den beiden letzten Plenarversammlungen in Berlin (Ost) nahmen auch einige ungarische Bischöfe teil. In eine Krise geriet die BK im Herbst 1968 durch dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR. Im IFA kam es damals zu scharfen Auseinandersetzungen über die Invasion und ihre Folgen für die Friedenspropaganda, in deren Verlauf eine Reihe von Mitgliedern aus dem Westen den IFA verließ. Weitgespannt sind die internationalen Aktivitäten der BK: Führende Funktionäre bereisten erst kürzlich u. a, auch Litauen und Lettland, während Treffen in anderen osteuropäischen Ländern längst selbstverständlich geworden sind. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gab es einige kleinere Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit örtlichen oder regionalen Pax-Christi-Gruppen. Der Tübinger Politologe Dr. W. Kralewski wurde inzwischen in das BK-Präsidium gewählt. Seit kurzem strebt die BK die Errichtung von festen Stützpunkten in Spanien und Portugal an. Zur chilenischen Unidad Popular im Exil werden enge Beziehungen unterhalten. Die BK genießt in der DDR aktive Unterstützung seitens des Staates, der ihr die Funktion eines Werbeträgers für die Politik der SED im katholischen Volksteil zugedacht hat. Darüber hinaus ist ihr die Aufgabe ge[S. 163]stellt, Verbindungen zu kooperationswilligen Gruppen von Katholiken in Ost- und Westeuropa herzustellen bzw. auszubauen. Die Finanzierung der verschiedenen Aktivitäten dürfte über die Nationale Front der DDR erfolgen. Das Auftreten größerer Sympathisanten-Gruppen aus dem Westen soll der Masse der katholischen Bevölkerung in der DDR den Eindruck vermitteln. als unterstütze das katholische Europa die BK und die von ihr vertretenen Ziele. Auf diese Weise will die SED-Führung offensichtlich die Reserve der Mehrheit der Katholiken und die Ablehnung der Bischöfe gegenüber der BK überwinden. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 162–163 Berliner Ensemble A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Berliner Stadtkontor

Siehe auch: Berliner Konferenz europäischer Katholiken (BK): 1985 Berliner Konferenz Katholischer Christen (BK): 1975 Die BK wurde 1964 in der DDR ins Leben gerufen. Die Initiative ging von katholischen Funktionären der CDU der DDR, vor allem dem 1950 aus der Bundesrepublik Deutschland in die DDR übergesiedelten Publizisten Otto Hartmut Fuchs sowie dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Zentrumsabgeordneten Karl Grobbel aus. Etwa 140 Katholiken aus 12 europäischen Staaten…

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Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) (1979)

Siehe auch: Deutsche Wirtschaftskommission: 1965 1966 1969 Deutsche Wirtschaftskommission (DWK): 1975 1985 Zentrale deutsche Verwaltungsinstanz in der SBZ. Sie wurde auf Befehl Nr. 138 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 14. 6. 1947 in Berlin gegründet und bestand bis zur Bildung der DDR am 7. 10. 1949. Die DWK setzte sich aus den Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltungen für Industrie, Verkehr, Handel und Versorgung, Land- und Forstwirtschaft, Brennstoff und Energie sowie den 1. Vors. des FDGB und der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) zusammen. Einen Vorsitzenden hatte die DWK zunächst nicht. In der Anfangsphase bestanden ihre Aufgaben hauptsächlich darin, a) die Arbeiten der angeschlossenen Zentralverwaltungen zu koordinieren, b) die SMAD zu beraten und c) die Reparationsleistungen an die Sowjetunion sicherzustellen. Durch Befehl Nr. 32 der SMAD vom 12. 2. 1948 wurden die Zuständigkeiten der DWK um die Vollmacht zum Erlaß von Verordnungen und Anordnungen erweitert, „um die deutschen demokratischen Organe zu einer aktiven Teilnahme am Wiederaufbau und an der Entwicklung der Friedenswirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone heranzuziehen“. Während nunmehr die Entscheidungen der Plenarsitzungen und des Sekretariats der DWK als Verordnungen innerhalb der SBZ galten, wurden die Anweisungen des neu institutionalisierten ständigen Vorsitzenden (H. Rau) und seiner zwei Stellvertreter (B. Leuschner, F. Jelbmann) zu verpflichtenden Anordnungen für den Apparat der DWK. Ferner erhielt die DWK, die weiterhin unter der Kontrolle der SMAD stand, eine Abteilung für die Planung und Leitung der Wirtschaft. Am 9. 3. 1948 wurden die Zentralverwaltungen in Hauptverwaltungen (HV) umbenannt und ihre Zahl von 12 auf 17 erhöht. Auf Befehl Nr. 183 der SMAD vom 27. 11. 1948 wurde die Mitgliederzahl der DWK von 38 auf 101 Mitglieder erweitert. Hinzu kamen 48 „Vertreter der Bevölkerung“, ferner 15 Vertreter der Parteien und 10 Vertreter der Massenorganisationen. Aufgrund der übertragenen Vollmachten hatte das Sekretariat der DWK allmählich die Funktionen einer ersten Regierung der SBZ übernommen. Mit der Proklamation der SBZ zur Deutschen Demokratischen Republik vom 7. 10. 1949 ging die DWK in der „Provisorischen Regierung“ der DDR auf. Zur Durchführung ihrer Aufgaben war der DWK die Mehrzahl der bereits auf Befehl Nr. 17 der SMAD vom 27. 7. 1945 gegründeten Deutschen Zentralverwaltungen unterstellt. Am 10. 4. 1945 hatten sich Zentralverwaltungen auf folgenden Arbeitsgebieten konstituiert: Industrie, Landwirtschaft, Brennstoffindustrie. Handel und Versorgung, Nachrichtenwesen, Verkehrswesen, Finanzen, Arbeit und Sozialfürsorge, Gesundheitswesen; später folgte die Gründung von Zentralverwaltungen auch für Inneres, Umsiedler und für Interzonen- und Außenhandel. Unabhängig von der DWK blieben die Zentralverwaltungen für Volksbildung, Justiz und Inneres. Die Deutschen Zentralverwaltungen arbeiteten unabhängig voneinander. Ohne Kompetenz zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen lag das Schwergewicht ihrer Arbeit auf der Koordination der Verwaltungsmaßnahmen der Länder der SBZ und der zentralen Einrichtungen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 258 Deutsche Volkspolizei (DVP) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Deutscher Bauernkongreß

Siehe auch: Deutsche Wirtschaftskommission: 1965 1966 1969 Deutsche Wirtschaftskommission (DWK): 1975 1985 Zentrale deutsche Verwaltungsinstanz in der SBZ. Sie wurde auf Befehl Nr. 138 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 14. 6. 1947 in Berlin gegründet und bestand bis zur Bildung der DDR am 7. 10. 1949. Die DWK setzte sich aus den Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltungen für Industrie, Verkehr, Handel und Versorgung, Land- und Forstwirtschaft,…