DDR A-Z 1979

Staatsapparat (1979) Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Der St. stellt den Teil des Staates dar, der als vollziehend-verfügender Apparat der Volksvertretungen diesen die Ausübung staatlicher Macht durch Vollzug ihrer Entscheidungen ermöglicht. Gemäß der marxistisch-leninistischen Lehre vom sozialistischen Staat wird der St. nicht als eigenständige staatliche Gewalt gesehen. Seine Existenz und seine organisatorische Gestaltung werden mit funktionalen Erfordernissen, die aus der Rolle und den Funktionen des Staates bei der Entwicklung der Gesellschaft resultieren, begründet. I. Organisation Das grundlegende Organisationsprinzip des St. ist der Demokratische Zentralismus. Es besagt, daß die Grundfragen der staatlichen Leitung und Planung zentral entschieden werden, daß diese Entscheidungen für die nachgeordneten Organe verbindlich sind, daß die Durchführung dieser Entscheidungen auch im Fall der Existenz zentraler Richtlinien in eigener Verantwortung der nachgeordneten Organe erfolgt, daß eine strenge Staatsdisziplin durchgesetzt und die Mitwirkung der Bürger an der Ausarbeitung und Durchführung staatlicher Entscheidungen gewährleistet werden muß. Der demokratische Zentralismus regelt somit das Verhältnis der hierarchisch geordneten Ebenen im St. zueinander und bestimmt damit auch den jeweiligen Grad der Zentralisation, konstituiert aber auch die Mitwirkung der Bürger an der Leitung der staatlichen Aufgaben als Ausdruck der Sozialistischen ➝Demokratie. Zum St. gehören: der Staatsrat, der Ministerrat mit den Ministerien, Staatssekretariaten, Ämtern, Kommissionen, Verwaltungen und anderen Organen, wie z. B. der Nationale Verteidigungsrat, die örtlichen Räte auf der Ebene der Bezirke, Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden mit ihren Fachabteilungen, das Oberste Gericht mit den Bezirks- und Kreisgerichten sowie der Generalstaatsanwalt und die Bezirks- und Kreisstaatsanwälte, die Nationale Volksarmee, die Deutsche Volkspolizei und die Organe der Staatssicherheit. Generaldirektoren der VVB, der Kombinate und der VEB gehören ebenfalls zum St., nicht aber die Leiter anderer staatlicher Institutionen und Einrichtungen, wie z. B. Rektoren von Hochschulen. Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion ist staatlich strukturiertes Organ der SED; ihr Leiter ist Mitglied des Ministerrats. Die Spitze des St. bildet die Regierung als das höchste Exekutivorgan des Staates. Von 1949 bis 1960/61 und seit 1970/71 wurde bzw. wird die Regierungsfunktion vom Ministerrat wahrgenommen. Zwischen 1961 und 1969/70 hat der im September 1960 gegründete Staatsrat Regierungsfunktionen ausgeübt. In der Verfassung der DDR (in der Fassung vom 7. 10. 1974) heißt es: „Der Ministerrat ist als Organ der Volkskammer die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik.“ Er setzt sich [S. 1029]aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern und den übrigen Mitgliedern zusammen. II. Die Ministerien (M.) Die M. sind staatliche Organe, die für die zentrale Anleitung und Durchführung der staatlichen Aufgaben in den verschiedenen Gebieten (Wirtschaft; Industrieministerien). Innen-, Außen- und Sozialpolitik verantwortlich sind. Verantwortungsbereich, Struktur und Kompetenzen sind im Statut des jeweiligen M. festgelegt. Die M. sind für die planmäßige Entwicklung der von ihnen geleiteten Industriezweige bzw. anderen Bereiche verantwortlich und verpflichtet, Beschlüsse der SED, die Gesetze sowie andere staatliche Rechtsnormen durchzuführen und die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen. Zu diesem Zweck haben sie das Recht, eigenverantwortlich am Rechtsverkehr teilzunehmen und vermögensrechtliche Beziehungen einzugehen, wozu ihnen durch den Staatshaushalt der DDR jährlich finanzielle Mittel in Form eines Haushalts übertragen werden. Zur Verwirklichung der dem M. übertragenen Leitungsaufgaben erläßt das M. Erlasse und Verordnungen. Die Beschäftigung der Mitarbeiter wird nach arbeitsrechtlichen, in bestimmten Fällen nach zivilrechtlichen Vorschriften gestaltet. Als Sitz aller M. ist Berlin (Ost) festgelegt. Die Bildung der M. als zweig- und bereichsleitende Organe wird durch die existierende Spezialisierung und Arbeitsteilung im St. bedingt, wobei das Prinzip der Zweigleitung Ausdruck der zentralisierten staatlichen Leitung ist. Veränderungen der Zahl und der Art von M. erfolgen vor allem dann, wenn durch die Entwicklung der Produktion und der Struktur der Bereiche und Zweige, aber auch durch veränderte staatliche Leitungsaufgaben neue Strukturen erforderlich werden. Der Ministerrat legt die Grundsätze für die Tätigkeit der M. fest, bestimmt deren Aufgaben und übt die Kontrolle über ihre Verwirklichung aus. Er schafft die Voraussetzungen für die Koordination und Kooperation der M. untereinander bzw. mit den örtlichen Räten. A. Zusammenarbeit der Ministerien mit den Räten der Bezirke Die Beziehungen zwischen den M. und den örtlichen Räten sind nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus zu gestalten und sollen auf einer klaren Abgrenzung der Kompetenzen beruhen. Die Formen der Zusammenarbeit reichen von gegenseitiger Information und Abstimmung, gemeinsamer Erarbeitung von Entscheidungsvorlagen bis zur arbeitsteiligen Durchführung bestimmter Vorhaben (Investitionsmaßnahmen). Diese Zusammenarbeit findet in der Hauptsache zwischen den Räten der Bezirke und den M. in sog. Komplexberatungen, z. B. bei vorbereitenden Plandiskussionen im Bezirk, statt. Das Prinzip der doppelten Unterstellung erlaubt es dem Minister, dem Leiter des entsprechenden Fachorgans des Rats des Bezirks Anweisungen zu erteilen; Beschlüsse der Räte können unter bestimmten Voraussetzungen durch den Ministerrat aufgehoben werden (§ 8 Abs. 4 Gesetz über den Ministerrat, GBl. I, 1972, S. 253). B. Zusammenwirken von Ministerien Das Zusammenwirken von M. geschieht zur Vorbereitung von Ministerrats-Entscheidungen in Form gemeinsamer Arbeitsgruppen; bei der Durchführung komplexer Aufgaben kann der Ministerrat ein M. mit Koordinierungsaufgaben betrauen, wodurch dieses Leitungsfunktionen gegenüber ihm nicht unterstellten Einrichtungen wahrnehmen kann. C. Aufgaben der Ministerien Die Aufgaben der M. erstrecken sich auf: die Ausarbeitung von Planvorschlägen für ihren Bereich auf der Grundlage staatlicher Direktiven; die Leitung und Planung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts; die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf den Gebieten der Finanzen, Preise und der Wirtschaftlichen Rechnungsführung; die Steuerung der Arbeitskräfte und die Erarbeitung der Lohnpolitik (Lohnformen und Lohnsystem) ihres Zweiges bzw. Bereiches. Bei der Erfüllung dieser Aufgaben sind sie verpflichtet, volkswirtschaftliche Verflechtung im nationalen wie internationalen Bereich zu berücksichtigen, mit den für Fragen der Planung, der Wissenschaft und Technik, der Preispolitik (Preissystem und Preispolitik) und der Lohnpolitik zentral verantwortlichen Organen wie dem Ministerium für Wissenschaft und Technik, der Staatlichen Plankommission, dem Amt für Preise oder dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne zusammenzuarbeiten und ein effektives Wirtschaften der ihnen unterstellten Einrichtungen, Betriebe und Institutionen zu ermöglichen. Bei der Erfüllung ihrer fachspezifischen Leitungsaufgaben sind sie berechtigt, im Rahmen der ihnen übertragenen Kompetenzen im System der doppelten Unterstellung (Anleitung und Kontrolle) den nachgeordneten Apparaten auf der örtlichen Ebene Weisungen zu erteilen. D. Die Leitung der Ministerien Die M. werden vom Minister nach dem Prinzip der Einzelleitung geleitet. Er hat die Befugnis, zur Wahrnehmung seiner Verantwortung rechtlich bindende Entscheidungen zu treffen. Die dem Minister als Mitglied des Ministerrates übertragenen Rechte und Pflichten kann dieser nicht auf seine Stellvertreter oder den Apparat übertragen. Die wichtigsten dieser Rechte und Pflichten sind: die kollektive Beratung und Beschlußfassung im Ministerrat; die Vorbereitung von Entscheidun[S. 1030]gen des Ministerrates und das Einbringen von Vorlagen; die Ausübung der Rechtsetzungsbefugnis; die Wahrnehmung von Regierungsverantwortung in auswärtigen Beziehungen, internationalen Gremien und Ausschüssen, z. B. des RGW, und seine Befugnisse als höchster Disziplinarvorgesetzter seines Verantwortungsbereiches. Die Praxis zeigt, daß bei Verhinderung diese Rechte und Pflichten auch vom 1. Stellvertreter des Ministers wahrgenommen werden. E. Beratungsorgan Zur Vorbereitung seiner Entscheidungen stehen dem Minister das Kollegium und bestimmte Einrichtungen seines Ministeriums (Stäbe) zur Verfügung. Außerdem existieren als Beratungsorgane bei den meisten M. wissenschaftliche Beiräte für bestimmte Fachgebiete, wissenschaftliche Räte für den gesamten Bereich des Ministeriums und andere Beratungsgremien, wie z. B. der Hoch- und Fachschulrat beim Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen. Diese Gremien, deren Mitglieder vom Minister berufen und die häufig von leitenden Mitarbeitern des M. oder ihm unterstellten Einrichtungen geleitet werden, setzen sich aus Vertretern des St., Wissenschaftlern, Praktikern und Funktionären der im jeweiligen Bereich tätigen Massenorganisationen (Kammer der Technik; FDGB) sowie der SED zusammen. Sie werden über anstehende Entscheidungen informiert, diskutieren Vorlagen, informieren über bereichsbezogene Aspekte und Aktivitäten, geben fachspezifische Informationen und erstellen selbst, soweit sie dazu geeignet sind und beauftragt werden, Entscheidungsunterlagen. Sie können sich in Arbeitsgruppen und -kreise untergliedern, arbeiten nach einem mit dem Ministerium abgestimmten Arbeitsplan und werden auch als institutioneller Ausdruck der sozialistischen Demokratie im St. betrachtet. F. Stellvertreter des Ministers Der Minister verfügt über mehrere Stellvertreter; ihre Zahl ist abhängig vom Umfang der vom M. wahrzunehmenden Aufgaben und Außenbeziehungen. Der 1.~Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs ist verantwortlich für den Geschäftsbetrieb des M. Er vertritt den Minister. Die anderen Stellvertreter sind für einzelne Bereiche des M. verantwortlich, haben aber gegenüber den Struktureinheiten der ihnen zugeordneten Bereiche (Abteilungen und Sektoren) kein leitungsbezogenes, sondern nur ein aufgabenbezogenes Weisungsrecht. Die Bereiche sind nach inhaltlichen (z. B. Weiterbildung, internationale Beziehungen), funktionalen (z. B. im Sicherheitsbereich) oder regionalen (z. B. im Außenwirtschafts- und Außenministerium) Kriterien organisiert. G. Organisationsstruktur der Ministerien Eine verbindliche Organisationsstruktur für alle M. gibt es nicht; der Ministerrat entscheidet nur über die Hauptstruktur. M. gliedern sich in der Regel in Hauptabteilungen (Hauptverwaltungen), Abteilungen (Verwaltungen) und Sektoren, wobei nur in großen M. Hauptabteilungen bzw. -Verwaltungen bestehen. Durch Spezialisierung, Kooperation, Bildung von Kombinaten und Entwicklung neuer Industriezweige werden die inneren Strukturen der M. verändert und den Erfordernissen angepaßt. Die Struktureinheiten werden entweder dem funktionalen oder dem linearen Typ zugeordnet. Bei dem funktionalen Strukturtyp werden die unterstellten Bereiche und Zweige durch den Minister und seine Stellvertreter mit Hilfe von Fachstäben geleitet, die für alle unterstellten Einheiten jeweils einen funktional bestimmten Bereich (Planung. Bilanzierung, Technik, Außenhandel usw.) bearbeiten. Bei dem linearen Typ der Leitung werden die jeweils unterstellten Industriezweige vom M. in allen Fragen komplex geleitet. Die Aufgabenstellungen der Abteilungen des M. sind zweigbezogen; ihre Leiter können im Auftrag des Ministers bzw. seines Stellvertreters gegenüber den Leitern der unterstellten wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe und Einrichtungen anleitend tätig werden. In den meisten M. findet sich ein gemischter Typ der Organisationsstruktur, d. h. die gleichzeitige Existenz von zweigbezogenen neben funktional aufgebauten Abteilungen und Sektoren. Die Stabsabteilungen des M. sind diesen Typen nicht zuzuordnen. Sie stehen vor allem dem Minister als Spezialistengruppen für bestimmte Fragen (grundsätzliche Probleme der Perspektiv- und Jahresplanung, wissenschaftlich-technischer Fortschritt) zur Verfügung, leisten analytische und prognostische Arbeit, ziehen aus wissenschaftlich-technischen sowie organisatorischen Entwicklungen Schlußfolgerungen und legen diese dem Minister zur Entscheidung vor. Die Entscheidungen des Ministers ergehen in der Form von Anordnungen, Durchführungsbestimmungen. Verfügungen, Richtlinien und Dienstanweisungen. Sie unterscheiden sich nach Dauer, Umfang, Inhalt und Adressatenkreis. III. Andere zentrale Organe des Ministerrats Die anderen zentralen Organe des Ministerrats, wie die Staatssekretariate oder die zentralen Ämter, unterscheiden sich von den Ministerien hinsichtlich ihrer Aufgaben und der Führung z. T. dadurch, daß sie Querschnittsaufgaben wahrnehmen (Amt für Preise), nicht über mehrere Leitungsebenen verfügen und ihre Leiter nicht Mitglied des Ministerrates sind [S. 1031](Ausnahmen: Amt für Preise, SPK, Staatl. Vertragsgericht, Staatsbank, Staatssekretariat für Arbeit und Löhne). Sie sind ansonsten den gleichen Prinzipien der Leitung und Organisation unterworfen. IV. Der Staatsapparat auf der örtlichen Ebene Die Räte und deren Fachabteilungen bilden den St. auf der örtlichen Ebene. Die Mitglieder der Räte werden durch die Volksvertretung gewählt, die Leiter der Fachabteilungen durch den Rat in Abstimmung mit dem Leiter des übergeordneten Fachorgans, im Falle des Bezirkes mit dem Minister, berufen. Die Volksvertretung bestätigt die Entscheidung. Die Räte bestehen aus dem Vorsitzenden, dem Ersten Stellvertreter, dem Sekretär und den übrigen Mitgliedern. Der Vorsitzende leitet den Rat; er ist berechtigt, den Mitgliedern des Rates, den Leitern der Fachorgane und den dem Rat unterstellten Einrichtungen und Betrieben Weisungen zu erteilen und deren Durchführung zu kontrollieren. Weisungen an den Vorsitzenden dürfen nur vom Vorsitzenden des übergeordneten Rates bzw. dem Vorsitzenden des Ministerrates erteilt werden. Die Leiter der Fachabteilungen haben das Recht, im Rahmen ihrer Kompetenzen im System der doppelten Unterstellung Weisungen an Leiter von Fachabteilungen nachgeordneter Räte zu erteilen, wovon der Ratsvorsitzende unterrichtet werden muß. Weisungen dürfen nicht in die von den örtlichen Volksvertretungen beschlossenen Pläne eingreifen, Entscheidungen der Räte können durch die Volksvertretung, den übergeordneten Rat und den Ministerrat aufgehoben werden. Die Beziehungen der verschiedenen Ebenen des St. werden durch rechtliche Regelungen fixiert, die entsprechend dem gesellschaftlichen Entwicklungsstand, den Anforderungen an die staatliche Leitung und den erklärten Bedürfnissen (z. B. rasche Umsetzung von wissenschaftlichen Ergebnissen in die Produktion) formuliert werden. Das Prinzip des Demokratischen Zentralismus ermöglicht die Regelung der Beziehungen auch dann, wenn eine rechtliche Fixierung noch nicht stattgefunden hat bzw. bestehende Regelungen durch neue Entwicklungen überholt worden sind und sich die Erfüllung der Rechtsbeziehung als Hemmnis der gesellschaftlichen Entwicklung erweisen würde. Deshalb sind die in der Verfassung und in einzelnen Gesetzen formulierten Vorschriften über Rolle und Funktion der Organe des St. nur bedingt geeignet, verbindliche Aussagen über ihre jeweils aktuelle Bedeutung und Stellung zu machen. V. Partei und Staatsapparat Die marxistisch-leninistische Staatslehre definiert den sozialistischen Staat als wichtigstes Instrument der Arbeiterklasse und ihrer Partei zur Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklung. Das Verhältnis von Partei und St. verdeutlicht die instrumentale Rolle des Staats. Die Beschlüsse der Partei sind die Grundlagen der staatlichen Normsetzung und verbindlich für die Arbeit des St. Seine Entscheidungen konkretisieren die Vorgaben der Partei, soweit diese nicht bereits detaillierte Durchführungsbestimmungen enthalten. Die Umsetzung der Parteibeschlüsse in die staatliche Tätigkeit erfolgt sowohl auf der zentralen wie auf der örtlichen Ebene durch verschiedene Methoden und Mechanismen. Gemeinsame Beschlüsse von Politbüro der SED und Präsidium des Ministerrates oder des Zentralkomitees (ZK) der SED und des Ministerrats, in sozialpolitischen Angelegenheiten auch des Präsidiums des Bundesvorstandes des FDGB, werden ohne Umsetzung direkt vom St. durchgeführt. Das Politbüro gibt dem Ministerrat Hinweise, Empfehlungen oder Anweisungen, in bestimmten Angelegenheiten tätig zu werden bzw. Vorlagen für Gesetze auszuarbeiten; diese werden dann über das Präsidium der Volkskammer der Volkskammer vorgelegt. Partei- und St. bilden gemeinsame Kommissionen bzw. Arbeitsgruppen zur Vorbereitung, operativen Durchführung und Kontrolle von Entscheidungen. Die Parteileitungen, d. h. die Sekretariate, geben dem St. der entsprechenden Ebene „Hinweise“ zur Erfüllung bestimmter Aufgaben. Sie legen die Grundzüge der Tätigkeit der Parteikader im St. fest. Mitglieder der hauptamtlichen Leitungen der SED sind befugt, an Sitzungen der Leitungsgremien des St. teilzunehmen, Konsultationen mit Staatsfunktionären durchzuführen und grundsätzliche Fragen der Durchführung der staatlichen Politik zu erörtern. Leitende Funktionen im St. werden von Mitgliedern der SED wahrgenommen, die faktisch als Beauftragte der Partei staatliche Funktionen ausüben. Die Vorsitzenden der Räte und anderer Einheiten des St. sind Mitglieder der Sekretariate der Parteileitungen der örtlichen Ebenen. Auf der zentralen Ebene sind z. B. der Vorsitzende des Ministerrates, seine beiden Ersten Stellvertreter sowie zwei Minister Mitglieder des Politbüros des ZK der SED; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke, der Bezirksplankommissionen und -Wirtschaftsräte sind stets Mitglieder der Sekretariate der Bezirksleitung der SED. Die Partei besitzt das Recht, die von ihr als wichtig angesehenen Positionen im St. nach ihren Vorstellungen zu besetzen. Dies geschieht mit Hilfe des Nomenklatursystems (Nomenklatur). Die Mitglieder der SED im St. werden in nach besonderen Vorschriften des Statuts arbeitenden Parteiorganisationen zusammengefaßt. Sie bzw. ihre Leitungen leisten politisch-ideologische Erziehungsarbeit, kontrollieren die Tätigkeit der Mitarbeiter und Institutionen bezüglich der Durchführung [S. 1032]der Parteibeschlüsse, organisieren gemeinsam mit den Gewerkschaftsleitungen Kampagnen und Wettbewerbe, sorgen für die Schulung von Mitgliedern, Kandidaten und Parteilosen im Parteilehrjahr und die marxistisch-leninistische Weiterbildung mit Hilfe der Kreis- und Betriebsschulen des Marxismus-Leninismus, informieren die übergeordneten Parteileitungen über die Probleme der Organisationsbereiche und sind bemüht, neben politisch-ideologischen auch fachliche Anforderungen zu erfüllen, um so die — früher häufig zu beobachtende unzureichende — Autorität der Parteifunktionäre zu stärken. Die SED geht davon aus, daß der Parteiapparat die Funktionen des St. nicht übernehmen kann und darf. Er soll den St. als das wichtigste Instrument der Partei gemäß deren Beschlüssen anleiten, Entwicklungen kontrollieren und, falls notwendig, entstehende Konflikte rechtzeitig kanalisieren bzw. lösen. Zwischen Partei- und St. bestehen zahlreiche strukturelle Ähnlichkeiten. Die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder beider Apparate führen jedoch zu einer Reihe von Konflikten. Die wachsende Komplexität des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sowie die Tatsache, daß der St. stets unmittelbarer Adressat der Wünsche der Bevölkerung ist, wirken sich in besonderer Weise auf die Formen staatlicher Leitungstätigkeit aus und bedingen deren rascheren Wandel. Insofern bedeutet die Anweisung der Parteiführung an die örtlichen Parteileitungen, sich nicht in die Arbeit des St. im Sinne der Übernahme seiner Funktionen einzumischen, auch eine Anerkennung der Tatsache, daß die Tätigkeiten von Partei und St. sich gegenseitig bedingen und die Vermischung der Aufgaben die notwendige Arbeitsteilung durchbricht. So führen die Kooperationsformen zwischen Partei- und St. im Rahmen der Entscheidungsprozesse (Einleitung, Ausarbeitung und Durchführung von Entscheidungen für das Gesamtsystem DDR) zu einer weitgehenden fachlichen Abhängigkeit der Partei vom St. Die Kritik an Mängeln der staatlichen Leitungstätigkeit, der gelegentlich dem St. gegenüber erhobene Vorwurf des Bürokratismus und andere kritische Stellungnahmen seitens der SED richten sich vor allem gegen Einzelpersonen und Verfahrensweisen. Eine Änderung im Verhältnis von Partei und St. als Bestandteile des politischen Systems wird von der SED-Führung gegenwärtig als unmöglich erklärt, da dies die Machtfrage entscheidend berühren würde. Gero Neugebauer Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1028–1032 Staatsanwaltschaft A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Staatsarchive

Staatsapparat (1979) Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Der St. stellt den Teil des Staates dar, der als vollziehend-verfügender Apparat der Volksvertretungen diesen die Ausübung staatlicher Macht durch Vollzug ihrer Entscheidungen ermöglicht. Gemäß der marxistisch-leninistischen Lehre vom sozialistischen Staat wird der St. nicht als eigenständige staatliche Gewalt gesehen. Seine Existenz und seine organisatorische Gestaltung werden mit funktionalen…

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Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR (1979)

Siehe auch: Verband der Film- und Fernsehschaffenden: 1969 Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR: 1975 1985 1967 gegründet, macht der V. seinen Mitgliedern laut Statut und „Grundsätzen zur ideologisch-politischen Orientierung des V.“ u. a. zur Aufgabe, „in ständiger Auseinandersetzung mit der reaktionären bürgerlichen Ideologie in ihren Werken mitzuhelfen, die Ideen des Marxismus-Leninismus zu verbreiten, die Verbundenheit der Werktätigen zu ihrem Staat und die neuen menschlich-gesellschaftlichen Beziehungen zu festigen sowie den Geist des Internationalismus zu vertiefen; anknüpfend an die besten künstlerischen Traditionen die Gestaltung des neuen Gegenstandes, des Helden unserer Epoche, und die weitere Ausprägung des sozialistischen Menschenbildes zur Hauptlinie des Schaffens zu machen und dazu alle Genres und Gattungen des künstlerischen und publizistischen Ausdrucks als differenzierte, spezifische Wirkungsmittel von Film und Fernsehen komplex zu nutzen.“ Die Mitglieder arbeiten in den Sektionen Dramatische Kunst im Fernsehen, Spielfilm in Kino und Fernsehen, Unterhaltung, Dokumentarfilm und Publizistik, populärwissenschaftlicher Film, Trickfilm, Wissenschaft und Technik, Theorie und Kritik sowie in den Kommissionen für internationale Verbindungen, für Nachwuchs und für Verbandsfragen. Der V. veranstaltet Diskussionen über künstlerische und ideologische Fragen des Filmschaffens, informiert seine Mitglieder durch Vorführungen über die internationale Filmproduktion und beeinflußt die Entwicklung von Film und Fernsehen in der DDR durch Vorschläge an die zuständigen staatlichen Organe. Er pflegt durch Arbeitsvereinbarungen geregelte enge Kontakte mit gleichartigen Organisationen der anderen sozialistischen Länder, insbesondere der Sowjetunion. Diese bestehen z. B. in gegenseitigem Erfahrungsaustausch dienenden Zusammenkünften, bei denen neue Produktionen vorgeführt und diskutiert werden; der V. ist Mitveranstalter alljährlich durchgeführter Informationstage des sowjetischen Films in der DDR. Der V. nimmt Einfluß auf die Verleihung von Auszeichnungen, Prädikaten, Preisen und Titeln an seine Mitglieder. Seit September 1973 gibt er die Monatszeitschrift „Film und Fernsehen“ heraus. Präsident des V. ist seit Gründung der Dokumentarist Andrew Thorndike. Filmwesen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1113 Verband Bildender Künstler der DDR A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Verband der Journalisten der DDR

Siehe auch: Verband der Film- und Fernsehschaffenden: 1969 Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR: 1975 1985 1967 gegründet, macht der V. seinen Mitgliedern laut Statut und „Grundsätzen zur ideologisch-politischen Orientierung des V.“ u. a. zur Aufgabe, „in ständiger Auseinandersetzung mit der reaktionären bürgerlichen Ideologie in ihren Werken mitzuhelfen, die Ideen des Marxismus-Leninismus zu verbreiten, die Verbundenheit der Werktätigen zu ihrem Staat und die neuen…

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Bekleidungsindustrie (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Allgemeine Bezeichnung für den Zweig Konfektionsindustrie, der entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR zum Bereich Leichtindustrie zählt. Die B. umfaßt alle Betriebe zur Herstellung von Bekleidung, Leib- und Haushaltswäsche aus textilen Flächengebilden. Neben Betrieben zur industriellen und serienmäßigen Fertigung von Kleidungs- und Wäschestücken (Konfektionsbetriebe) gehören zum Zweig B. auch Maß-, Ateliers- und Bekleidungsreparaturwerkstätten. Ähnlich wie die Textilindustrie war auch die B. vor dem II. Weltkrieg in Mitteldeutschland stark konzentriert. Dies ergibt sich sowohl aus dem überdurchschnittlichen Anteil der mitteldeutschen B. an der gesamten dortigen Industrie als auch an der Gesamtdeutschlands. Die starke Stellung, welche die B. damals besaß, ging in den Jahren zwischen 1950 und 1965 schnell verloren. Während Mitte der 60er Jahre fast die Hälfte der Beschäftigten in privaten oder halbstaatlichen Betrieben tätig war und der Umsatzanteil dieser Betriebe rd. 40 v. H. am Gesamtumsatz der B. betrug, wurden 1972 nahezu sämtliche noch bestehenden privaten und halbstaatlichen Betriebe in Volkseigene Betriebe überführt. Von 1960 bis 1976 hat sich die Bruttoproduktion der B. nur um das 1,9fache erhöht (zum Vergleich: im gleichen Zeitraum stieg die industrielle Bruttoproduktion um das 2,62fache). Die Versorgung der Bevölkerung mit Erzeugnissen der B. ist immer noch uneinheitlich und unbefriedigend. Der Anteil aus pflegeleichten synthetischen Fasern (Chemiefaserindustrie) ist noch relativ gering, wenn sich auch die Materialstruktur in der B. durch einen verstärkten Einsatz synthetischer Faserstoffe verbessert hat. Ihr Anteil betrug 1960 nur 3 v. H., 1970 17 v. H. und 1973 26 v. H. Zellulosefaserstoffe werden damit zunehmend in ihrer Bedeutung zurückgedrängt. Modische Gesichtspunkte — an westlichen, nicht an osteuropäischen Maßstäben gemessen — bleiben beim Bekleidungsangebot vielfach unberücksichtigt. Untersuchungen im Einzelhandel zeigen, daß 20 v. H. aller Oberbekleidung überhaupt nicht oder kaum absetzbar sind. Nicht befriedigt werden kann der Bedarf an z. Z. aktuellen Jeans-Moden. Das im Jahr 1953 gegründete Modeinstitut der DDR ist Anleitungs- und Kontrollorgan des Ministeriums für Leichtindustrie auf dem Gebiet der Modegestaltung der Erzeugnisse der Textilindustrie, der B., der Schuh- und Lederwarenindustrie. Es hat die Aufgabe, die Entwicklung der Mode zu analysieren und die B. über Trends für die Entwicklung der Trage- und Bekleidungsgewohnheiten, der Erzeugnisgestaltung, der Sortimentsveränderungen usw. zu informieren. Neben der bedarfsgerechten Fertigung bringt die zweigleisige Planung und Leitung der B. große Probleme für die Betriebe. So erfolgt die Bilanzierung und Verteilung der Gewebe sowie auch die Bilanzierung der Konfektionserzeugnisse durch die VVB Konfektion bzw. durch das Ministerium für Leichtindustrie. Die staatlichen Planaufgaben werden aber für die bezirksgeleiteten Betriebe, die das überwiegende Volumen der Konfektion [S. 144]produzieren, durch das Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie erteilt. Aus dieser uneinheitlichen Leitungsstruktur resultieren immer wieder beklagte Reibungsverluste. Eine bedarfsgerechte Produktion durch schnelles Anpassen an unerwartete Verbraucherwünsche ist durch das Planungsverfahren praktisch ausgeschlossen. Ca. 14 Monate vor Beginn eines Planjahres müssen die B.-Betriebe ihre Sortimentsvorstellungen bis ins Feinsortiment nach Stückzahlen erarbeiten. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 143–144 Beistandsverträge A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Bereitschaftspolizei

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Allgemeine Bezeichnung für den Zweig Konfektionsindustrie, der entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR zum Bereich Leichtindustrie zählt. Die B. umfaßt alle Betriebe zur Herstellung von Bekleidung, Leib- und Haushaltswäsche aus textilen Flächengebilden. Neben Betrieben zur industriellen und serienmäßigen Fertigung von Kleidungs- und Wäschestücken (Konfektionsbetriebe) gehören zum Zweig B. auch Maß-, Ateliers- und…

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Wiedergutmachung (1979)

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Eine individuelle W. nationalsozialistischen Unrechts erfolgt für Vermögensschäden und in Form von Haftentschädigungen in der DDR nicht. Auch mit anderen Staaten sind keine W.-Abkommen abgeschlossen worden. Die anerkannten Verfolgten des Naziregimes genießen gewisse Vorteile, darunter Gesundheitshilfe sowie erhöhten Urlaub, Vorrechte bei der Zuteilung von Wohnraum (Bau- und Wohnungswesen), bei der Beschaffung von Hausrat und durch Gewährung von Studienbeihilfen für Kinder. Bis zum 30. 4. 1965 erhielten sie bei Erwerbsminderung Leistungen aus der Sozialversicherung, die denen bei Arbeitsunfällen glichen, auch wenn sie keine Versiche[S. 1174]rungszeiten aufweisen konnten. Seit dem 1. 5. 1965 erhalten anerkannte „Kämpfer gegen den Faschismus“ und „Verfolgte des Faschismus“ aus dem Staatshaushalt über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten Ehrenpensionen. Die Ehrenpension für „Kämpfer“ beträgt 800 Mark, für „Verfolgte“ 600 Mark monatlich. An Witwen und Waisen werden Hinterbliebenenpensionen gezahlt von 120 Mark für arbeitsfähige Witwen und bis 500 Mark für arbeitsunfähige Witwen. Das Pensionsalter wird von Männern mit 60 Jahren, von Frauen mit 55 Jahren erreicht. Ist das Pensionsalter noch nicht erreicht, wird eine Teilpension, entsprechend dem Prozentsatz des Körperschadens, auf jeden Fall aber werden 20 v. H. der Vollpension gezahlt (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen). Neben der Ehrenpension erhalten „Kämpfer“ und „Verfolgte“ vom Erreichen der vorgezogenen Altersgrenze an oder bei Invalidität eine Alters- oder Invalidenrente in Höhe von 350 Mark bzw. von 240 Mark, wenn noch Altersversorgung der Intelligenz gezahlt wird; hinzu tritt ggf. Ehegattenzuschlag. Neben der Hinterbliebenen(ehren)pension werden Witwen-(Witwer-)Rente in Höhe von 210 Mark bzw. 60 v. H. der gekürzten Rente, Vollwaisenrente in Höhe von 150 Mark bzw. 40 v. H. und Halbwaisenrente in Höhe von 105 Mark bzw. 30 v. H. der Rente des Verstorbenen gezahlt. Bei Anspruch auf zwei Renten der Sozialversicherung gelten die allgemeinen Anrechnungsbestimmungen (Renten). Kämpfer gegen den Faschismus und Verfolgte des Faschismus erhalten bei Krankheit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit und Quarantäne für die gesamte Dauer Krankengeld in Höhe des Nettodurchschnittsverdienstes. Die stark sinkende Zahl der Empfänger staatlicher Ehrenpensionen lag Anfang 1976 bei 26.000. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1173–1174 Widerstand A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Wiedervereinigungspolitik der SED

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Eine individuelle W. nationalsozialistischen Unrechts erfolgt für Vermögensschäden und in Form von Haftentschädigungen in der DDR nicht. Auch mit anderen Staaten sind keine W.-Abkommen abgeschlossen worden. Die anerkannten Verfolgten des Naziregimes genießen gewisse Vorteile, darunter Gesundheitshilfe sowie erhöhten Urlaub, Vorrechte bei der Zuteilung von Wohnraum (Bau- und Wohnungswesen), bei der Beschaffung von Hausrat und…

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Grundmittelumbewertung (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Angesichts der uneinheitlichen Bewertung der Grundmittel und deren Folgen wurde 1963 ― noch vor der Industriepreisreform ― eine Neubewertung der Grundmittel zu Wiederbeschaffungspreisen von 1962 zunächst für die volkseigene Industrie, später für die halbstaatlichen und privaten Betriebe durchgeführt. In den folgenden Jahren wurde auch die Neubewertung des Vermögens der anderen Wirtschaftsbereiche realisiert. Ziel dieser Maßnahme war sowohl eine Berichtigung der bis dahin zu niedrigen Abschreibungen als auch die Erfassung des Brutto-Anlagevermögens zu vergleichbaren Preisen. Nur auf der Basis einheitlich bewerteter Anlagemittel waren ökonomisch sinnvolle Vergleiche der Vermögensstruktur und der Kapitalproduktivitäten zwischen Betrieben, Branchen und Zwei[S. 496]gen möglich - Voraussetzung vernünftiger gesamtwirtschaftlicher Investitionsentscheidungen. Nach umfangreichen und detaillierten Vorarbeiten erfolgte mit dem Stichtag des 30. 6. 1963 eine Generalinventur der Grundmittel; praktisch war dies eine Totalerhebung des industriellen Anlagevermögens. Gleichzeitig mit dieser Erfassung der Grundmittel wurden sie neu bewertet. Zu Preisen von 1962 ergab sich für die gesamte Industrie ein Brutto-Anlagevermögen von 105 Mrd. Mark, das entspricht einer durchschnittlichen Erhöhung der Neuwerte um 52 v. H. Da die Wertansätze der Bauten durchschnittlich um 74 v. H. und die der Ausrüstungen nur um 37 v. H. erhöht worden waren, vergrößerte sich der Bauanteil des Anlagevermögens durch die Umbewertung von 39 auf 45 v. H. Damit setzte sich das gesamte Industrievermögen von 105 Mrd. Mark zur Jahresmitte 1963 aus etwa 47 Mrd. Mark Bauten und 58 Mrd. Mark Ausrüstungen zusammen. Im Zuge der G. stellte man in der zentralgeleiteten Industrie einen Bestand an ungenutzten Grundmitteln von ca. 1~Mrd. Mark fest, die über das Staatliche Vermittlungskontor für Maschinen- und Materialreserven dem Produktionsprozeß wieder zugeführt werden sollten, sofern sie nicht verschrottet werden mußten. Die mit der G. geschaffenen Daten galten auch noch im Jahr 1978; sie werden jährlich zur Preisbasis von 1962 amtlich fortgeschrieben. Zu Höhe und Entwicklung des Grundmittelbestandes nach Wirtschaftsbereichen vgl. Anlagevermögen. Wegen der durch die Industriepreisreform und der seitdem eingetretenen weiteren Preisänderungen ist heute eine einheitliche Bewertung des Brutto-Anlagevermögens nicht mehr gewährleistet, weil die Preise von 1962 keinesfalls mehr den jetzigen Wiederbeschaffungspreisen der Anlagegüter entsprechen. Deshalb wurde in der DDR verschiedentlich auch eine erneute G. gefordert, zu deren Durchführung sich die Wirtschaftsführung der DDR bisher allerdings nicht entschließen konnte. Preissystem und Preispolitik. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 495–496 Grundmittel A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Grundorganisationen der SED

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Angesichts der uneinheitlichen Bewertung der Grundmittel und deren Folgen wurde 1963 ― noch vor der Industriepreisreform ― eine Neubewertung der Grundmittel zu Wiederbeschaffungspreisen von 1962 zunächst für die volkseigene Industrie, später für die halbstaatlichen und privaten Betriebe durchgeführt. In den folgenden Jahren wurde auch die Neubewertung des Vermögens der anderen Wirtschaftsbereiche realisiert. Ziel dieser Maßnahme war sowohl eine…

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Wasserwirtschaft (1979)

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bereich der Industrie, der für die Wasserbereitstellung und die Verteilung von Wasservorkommen an die Bedarfsträger Sorge zu tragen hat. Im einzelnen fallen diesem Bereich folgende 4 Aufgaben zu: 1. Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser für Haushalte, Industrie, Landwirtschaft, Verkehrswesen sowie Feuerwehr u. a. 2. Ableitung, Behandlung und Reinigung der Abwässer zur Gewährleistung einer schnellen Wasserwiederbe[S. 1161]nutzung; hiermit in Zusammenhang steht der Schutz der Gewässer vor Verunreinigung (z. B. um Beeinträchtigungen der Fischwirtschaft zu vermeiden; Umweltschutz). 3. Kontinuierlicher Ausbau der Gewässer und laufende Instandhaltung der Talsperren, Rückhaltebecken sowie der Wasserförderungs- und Leitungssysteme, um dadurch dem steigenden Wasserbedarf gerecht werden zu können. 4. Realisierung eines wirksamen Hochwasser- und Küstenschutzes. Die Leitung, Planung und Organisation der W. obliegen dem Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft. Es sorgt z. B. für die Aufstellung von Wasserbilanzen, in denen Wasserbedarf und -dargebot für bestimmte Gebiete unter Berücksichtigung der Wassergüte gegenübergestellt werden. Dabei muß die regionale Witterungsabhängigkeit von Bedarf und Dargebot berücksichtigt werden, weil einige Gebiete niederschlagsarm und andere niederschlagsreich sind. Für Trinkwasser werden Bilanzen sowohl für alle Bezirke als auch für das Gebiet der gesamten DDR ausgearbeitet. Die Reproduktion der gegebenen Wasserressourcen erfolgt durch den natürlichen Wasserkreislauf, dessen Phasen in der Wasserhaushaltsgleichung dargestellt werden können. Die kurzfristige Wasserhaushaltsgleichung lautet: N (Niederschlag) minus A (Abfluß) minus V (Verdunstung) = B (Bodenspeicherung) minus G (Grundwasserminderung). Die langfristige Wasserhaushaltsgleichung ist: A (Abfluß) plus V (Verdunstung) = N (Niederschlag). In der DDR ist das durchschnittliche jährliche Wasserdargebot auf 17 Mrd. m³ Wasser zu beziffern. Während in Trockenjahren nur etwa 6–8 Mrd. m³ Wasser anfallen, sind es in niederschlagsreichen Jahren bis zu 30 Mrd. m³. Die Hauptdargebotsarten sind Oberflächenwasser, Grundwasser sowie uferfiltriertes Wasser. Dem steht gegenwärtig ein Gesamtverbrauch bei Industrie, Landwirtschaft und privaten Haushalten von knapp 9 Mrd. m³ gegenüber, 1980 werden es rd. 10 Mrd. m³ sein. Diese Gegenüberstellung allein wird allerdings der wasserwirtschaftlichen Situation der DDR nicht gerecht, denn es muß berücksichtigt werden, daß dort die Inanspruchnahme des Wassers ― bei einem zwei- bis dreimal so hohen Nutzungsgrad wie in anderen mitteleuropäischen Ländern ― extrem hoch ist. Während im internationalen Vergleich für einen Bewohner jährlich im Durchschnitt 12.000 m³ Wasser zur Verfügung stehen, sind es in der DDR nur rund 10.000 m³. In Trockenjahren muß deshalb das Wasser in industriellen Ballungsgebieten (so z. B. das der Flüsse Saale und Pleiße) bis zu fünfmal genutzt werden. Hinzu kommt, daß der Wasserbedarf sprunghaft ansteigt. Gegenwärtig entfallen auf die Industrie rd. 75 v. H., die Landwirtschaft 14 v. H. und die Haushalte gut 10 v. H. des gesamten Wasserbedarfs. Industrielle Großverbraucher sind die Energie mit 40 v. H., die Chemie mit 25 v. H. sowie der Bergbau und die Metallurgie mit je 9 v. H. des Wasserbedarfs der Industrie. Dieser hohe spezifische Bedarf zeigt sich auch bei den Einzelprodukten; z. B. beträgt in der DDR der Wasserverbrauch zur Erzeugung einer t Zellstoff 230 m³, für eine t Garn zur Trikotagenherstellung 200 m³, für eine t Stahl 150 m³ (Walzstahl 35 m³) sowie für eine t Zucker 100 m³. Entscheidend ist, daß bei der Industrie gerade die starken Wassernutzer — wie Kraftwerke, chemische Betriebe, Einrichtungen der Metallurgie, der Kaliindustrie sowie der Zellstoff- und Papiererzeugung — auch künftig noch erheblich expandieren werden. Aber auch der Wohnungsbau erfordert einen zunehmenden Wasserverbrauch: Während in städtischen Altbauten pro Kopf und je Tag nur 40 bis 70 1 Wasser sowie in modernisierten Wohnungen 110 bis 125 1 verbraucht werden, sind es in Neubauwohnungen (mit Bad, WC, Waschmaschine, Durchlauferhitzer und Zentralheizung) 250 1, in heißen Perioden sogar 400 1 Wasser. Auch für die Landwirtschaft ist ein erheblich steigender Wasserbedarf festzustellen: So sollen bis 1990 in 5 zusammenhängenden Gebieten (Magdeburger Börde, Erfurter Ackerebene und vor allem in den Nordbezirken) 2,7 Mill. ha Boden bewässert werden, das sind 43 v. H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche der DDR. Damit steigt der Wasserbedarf für die landwirtschaftliche Bewässerung von derzeit 0,97 Mrd. m³ auf 1,4 Mrd. m³ an. Insgesamt wird die Zunahme des gesamten Wasserbedarfs der DDR (gegenüber 1975) für 1980 auf 20 v. H. und bis 1990 auf 60 bis 65 v. H. geschätzt. Dabei ist durch entsprechende Rationalisierungsmaßnahmen vorgesehen, den hohen spezifischen Wasserbedarf der Industrie bis 1980 um 20 v. H. zu senken. Dennoch rechnet man bis 1990 für die Industrie mit einer Verbrauchszunahme von 35 v. H. und in der Landwirtschaft von sogar 150 v. H. gegenüber dem Niveau von 1975. In der Zeit von 1945 bis 1975 sind in der DDR ca. 86 Talsperren, Rückhaltebecken und andere Speicheranlagen mit einem Speicherraum von 600 Mill. m³ gebaut worden; damit beläuft sich der gesamte Stauraum gegenwärtig auf 1,2 Mrd. m³. Im gegenwärtigen Fünfjahrplan 1976–1980 ist vorgesehen, den Stauraum um weitere 180 Mill. m³ zu erweitern, so daß die Speicherkapazität 1980 1,4 Mrd. m³ erreichen wird. Das 1. größere wasserwirtschaftliche Bauvorhaben war die Errichtung der „Sosa-Talsperre“ im Erzgebirge mit einem Fassungsvermögen von 6 Mill. m³, die 1953 fertiggestellt wurde. Sie dient der Sicherstellung des Wasserbedarfs für den Uranbergbau im Erzgebirge. Das 2. Projekt war der 1952 in Angriff genommene und 1959 fertiggestellte Bau der „Rapp-Bode-Talsperre“ mit einer 106 m hohen Staumauer bei Blankenburg im Harz. Sie kann 110 Mill. m³ Wasser speichern und dient der Wasserversorgung von Industrie, Landwirtschaft sowie der 2 Mill. Einwohner im Raum Halle-Magdeburg. Das 3. größere Vorhaben war der Bau der Talsperre „Pöhl“ im Vogtland in den Jahren 1958–1965; sie hat ein Fassungsvermögen von 64 Mill. m³. Ein weiteres Großvorhaben ist das Projekt „Elbaue“, das später dem im Regenschatten des Harzes liegenden Industriegebiet Halle-Leipzig Elbwasser zuführen soll. In den Jahren 1966–1970 sind Speicherkapazitäten von ca. 120 Mill. m³ geschaffen worden. Neben der Errichtung [S. 1162]von Talsperren hat dabei zunehmend auch der Bau von Kleinspeichern — in der Größenordnung von 1000 m³ bis zu einigen Mill. m³ — eine Rolle gespielt. Aber auch die Bedeutung von größeren „Wasserleitungssystemen“ zur Umleitung von Wasser aus niederschlagsreichen in niederschlagsarme Gebiete (Beispiel: Bewässerungsanlagen, die 5.400 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche im Kreis Riesa über Pump- und Rohrleitungssysteme mit Elbwasser künstlich beregnen) hat zugenommen. Für den Zeitraum von 1971 bis 1975 war der Bau von 250 Mill. m³ zusätzlicher Speicherkapazität vorgesehen, erreicht wurden 232 Mill. m³. Damit wurde 1975 einerseits das System der Gottleuba-Talsperren im Osterzgebirge fertiggestellt, das nicht nur die Industriegebiete Pirna und Heidenau mit Trinkwasser versorgt, sondern auch — zusammen mit 4 weiteren Rückhaltebecken — das in der Vergangenheit häufig von Hochwasserkatastrophen heimgesuchte Gebiet schützt. Weiterhin wurden die Talsperren „Zeulenroda“, „Schönbrunn“ sowie „Lichtenberg“ in Betrieb genommen. Letztere hat ein Fassungsvermögen von 15 Mill. m³ und versorgt die Städte Brand-Erbisdorf und Freiberg. Andererseits ist der Ausbau der im flachen Land liegenden Spreetalsperren erheblich vorangetrieben worden. So erhielten das seit 1965 betriebene erste Staubecken nördlich von Spremberg (zur Belieferung der Kraftwerke Lübbenau und Vetschau) sowie das 1970 in Betrieb genommene Speicherbecken „Lohsa“ nahe der Kleinen Spree wichtige Ergänzungen durch die 1974 fertiggestellten Talsperre „Quitzdorf“ bei Niesky sowie die Talsperre „Bautzen“. Diese neuen Talsperren sind im Zusammenhang mit dem Energieprogramm der DDR zu sehen und dienen vornehmlich der Wasserversorgung des Kraftwerkes Boxberg. Da Großkraftwerke in der Nähe von natürlichen Kohlevorkommen entstehen, jedoch ebenfalls in erheblichem Umfang Wasser benötigen, mußte man Flachlandtalsperren bauen. Bemerkenswert ist dabei die zur Abdichtung des Untergrundes angewandte Technologie. Mit speziellen Schlitzschleifgeräten wurde der lockere Untergrund bis zu einer Tiefe von 45 m aufgeschlitzt, und die so entstandenen Öffnungen wurden dann mit Zementbeton ausgefüllt. Damit entstand unter dem Damm eine stabile Mauer in einer Dicke von 60 bis 80 m, um ein Durchsickern des Wassers zu verhindern. Im gegenwärtigen Fünfjahrplanzeitraum 1976–1980 soll an der 1974 begonnenen Talsperre „Eibenstock“ bei Aue, deren Stauraum 84 Mill. m³ betragen wird, weitergebaut werden; ihre Fertigstellung ist für 1981/82 geplant. Sie wird vor allem Karl-Marx-Stadt, Zwickau und Stollberg mit Trinkwasser versorgen. Insgesamt soll der Stauraum der DDR in diesem Jahrfünft um 180 Mill. m³ erhöht werden. Daneben sind besondere Anstrengungen darauf gerichtet, die Wasserversorgung und die Abwasserbehandlung in Neubau- und Ballungsgebieten zu verbessern, vor allem in Berlin (Ost) (Erweiterung der Wasserwerke Friedrichshagen und Stolpe sowie Bau des Klärwerkes Falkenberg), Leipzig (Erweiterung der Kläranlage Leipzig-Rosental sowie Ausbau des Wasserwerkes Mockritz), Karl-Marx-Stadt (Aufbau des Wasserwerkes Eibenstock, Erweiterung des Wasserwerkes Einsiedel und Erweiterung der Kläranlage Heinersdorf) und in anderen Großstädten. Die Kapazitäten der Wasserwerke sollen von 5.800 t m³ pro Tag auf 6.800 t m³ erhöht werden; das Trinkwasserleitungsnetz soll um 5.000 km erweitert werden (1971–1975 wurden 7.200 km gebaut). Trotz durchaus beachtlicher Neubauten ist die W. insgesamt — als ein wichtiger Infrastrukturbereich — doch stark vernachlässigt worden: So ist der Anteil des Brutto-Anlagevermögens der W. an der Industrie in der Zeit von 1960 bis 1976 von 8,4 auf 6,6 v. H. zurückgegangen (vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1977, S. 83). Dieser Rückgang ist mit den stark ansteigenden Anforderungen an die W. — überproportional zunehmender Wasserbedarf — nicht vereinbar. Erhebliche Schwierigkeiten macht auch das Problem der Regenerierung und Wiederverwendung der in immer größeren Mengen anfallenden Abwässer der Industrie, besonders der Chemischen Industrie, wofür nur unzureichend Investitionsmittel bereitgestellt werden. Gegenwärtig wird noch ein großer Teil der industriellen Brauchwässer ungenügend regeneriert wieder in die Flüsse, Seen und Grundwässer eingespeist. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1160–1162 Wasserstraßen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Wehrbezirkskommando

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bereich der Industrie, der für die Wasserbereitstellung und die Verteilung von Wasservorkommen an die Bedarfsträger Sorge zu tragen hat. Im einzelnen fallen diesem Bereich folgende 4 Aufgaben zu: 1. Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser für Haushalte, Industrie, Landwirtschaft, Verkehrswesen sowie Feuerwehr u. a. 2. Ableitung, Behandlung und Reinigung der Abwässer zur Gewährleistung einer schnellen…

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Nationale Front der DDR (1979)

Siehe auch: Nationale Front: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nationale Front der DDR: 1975 1985 Die NF. des Demokratischen Deutschland ging aus der Volkskongreßbewegung (Deutscher Volkskongreß) hervor, die 1947 von der SED im Hinblick auf die Staatsgründung als eine Art Vorparlament initiiert wurde. Nachdem bereits seit Mitte 1948 der Demokratische Block als Zusammenschluß der Parteien (SED; CDU; LDPD; NDPD; DBD) sowie später auch der Massenorganisationen (FDGB; FDJ; Demokratischer Frauenbund Deutschlands [DFD]; Kulturbund) unter Führung der SED wirkte, wurde die NF. am 7. 10. 1949 als zusätzliche Form der Bündnispolitik auf der programmatischen Grundlage der vom SED-Parteivorstand am 4. 10. 1949 angenommenen Entschließung „Die Nationale Front des Demokratischen Deutschland und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ gegründet. Sie war als gesamtdeutsche Bewegung zur „Rettung der deutschen Nation“ konzipiert, der jede Partei, Organisation, Persönlichkeit in West und Ost unbeschadet ihrer politischen, ökonomischen oder weltanschaulichen Prinzipien beitreten konnte. Der gesamtdeutschen Funktion wurde von Anfang an die Aufgabe der wirtschaftlichen Stärkung der SBZ/DDR zugeordnet, deren Partei- und Staatsführung sich noch für Gesamtdeutschland verantwortlich fühlte. Unter Überwindung von Widerständen gegen die Bündnispolitik in den eigenen Reihen entwickelte die SED die NF. von einer allgemein antifaschistisch-demokratisch orientierten zu einer sozialistischen Volksbewegung. Ähnlich wie die Volksfronten in einigen anderen sozialistischen Ländern gilt die NF. als das breiteste und umfassendste „Bündnis aller politischen und sozialen Kräfte des werktätigen Volkes unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei“. Innerhalb des politischen Systems der DDR wird der NF. die Rolle eines wichtigen Bindegliedes zwischen Staat und Gesellschaft beigemessen, dessen Wirksamkeit an der erwünschten Annäherung der Klassen und Schichten an die Arbeiterklasse und der damit verbundenen wachsenden sozialen Homogenität sowie der politisch-moralischen Einheit der Bevölkerung gemessen wird. Charakteristisch für die Nationale Front der DDR — so die neue Bezeichnung seit 1973 — ist, daß sie keine Massenorganisation mit eingetragenen Mitgliedern und Grundorganisationen darstellt, sondern bei einem geringen Anteil von hauptamtlichen Kräften auf der breiten ehrenamtlichen Tätigkeit von 335.000 Bürgern in 17.000 Orts-, Wohnbezirks-, Stadtbezirks-, Kreis- und Bezirksausschüssen beruht, die von den Wahlberechtigten des jeweiligen Bereiches gewählt werden. In den Ausschüssen, die als wichtige Organisationsform nicht nur Repräsentativorgane der Parteien und Massenorganisationen der NF., sondern operative Arbeitsorgane im jeweiligen Territorium bilden, arbeiten Vertreter der Parteien, Massenorganisationen und auch nichtorganisierte Einzelpersonen ohne bestimmten [S. 752]Proporz zusammen. Den Ausschüssen gehören die Vorsitzenden der jeweiligen Räte der Bezirke. Kreise, Städte und Gemeinden an. Höchstes Organ ist der direkt von der Bevölkerung gewählte Kongreß, der den Nationalrat und seinen Präsidenten (seit 1950 Prof. Dr. E. Correns, parteilos) wählt. Der Nationalrat leitet die Arbeit zwischen den Kongressen durch sein Präsidium und Sekretariat. Beim Nationalrat sowie bei Bezirks- und Kreisausschüssen bestehen Arbeitsgruppen, die als Konsultativgremien fungieren (z. B. Arbeitsgruppe Mittelstand seit 1956, 1963 in Arbeitsgruppe Komplementäre, Handwerker und Gewerbetreibende umbenannt). Den Kern und den Träger der zahlreiche Vereinigungen, Gesellschaften und Verbände umfassenden NF. bildet der „Demokratische Block“, dessen Ausschüsse ähnlich staatlich-territorial wie die der NF. aus der jeweils gleichen Zahl von Vertretern der 5 Parteien (SED, DBD, CDU, LDPD, NDPD) und 4 Massenorganisationen (FDGB, FDJ, DFD, KB der DDR) zusammengesetzt sind. Während in den Ausschüssen der NF. das Gemeinsame im Vordergrund der Arbeit steht, dienen die Blockausschüsse durchaus als Foren, in denen parteipolitische Vorstellungen und auch kontroverse Meinungen diskutiert werden. Es ist die allgemeine Tendenz festzustellen, daß die NF. nicht nur umfangreichere Aufgaben und eine breitere Basis hat, sondern in der politischen Praxis mehr und mehr den Block auf allen Ebenen ersetzt. Zu den vielfältigen Aufgaben der NF gehören u. a.: Mobilisierung staatsbürgerlicher Aktivität und Verantwortung der Bürger bei der Vorbereitung und Durchführung der Gesetze der Volkskammer und der Beschlüsse der örtlichen Volksvertretungen; Propaganda und Agitationsarbeit auf breitester Basis; rechtzeitiges Erkennen von neuen Problemen; Benennung der Kandidaten für Wahlen auf allen Ebenen; Unterbreitung der vom Demokratischen Block beratenen und beschlossenen Kandidatenliste sowie des Wahlprogramms; Bestätigung der Richterkandidaten und Unterstützung der Wahl und Tätigkeit der Gesellschaftlichen Gerichte im Wohnbezirk; Antragsrecht zur Abberufung von Abgeordneten; Zusammenarbeit mit den Volksvertretungen, vor allem durch enge Verbindung der Ausschüsse mit den Abgeordneten; Mithilfe bei der Lösung der Aufgaben des Volkswirtschaftsplans, u. a. durch den Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit!“; Unterstützung der Bemühungen, die vor allem im Produktionsbereich angestrebte Herausbildung sozialistischer Denk- und Verhaltensweisen im Wohnbereich fortzuführen (Hausgemeinschaften). Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 751–752 Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Nationale Gedenkstätten

Siehe auch: Nationale Front: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nationale Front der DDR: 1975 1985 Die NF. des Demokratischen Deutschland ging aus der Volkskongreßbewegung (Deutscher Volkskongreß) hervor, die 1947 von der SED im Hinblick auf die Staatsgründung als eine Art Vorparlament initiiert wurde. Nachdem bereits seit Mitte 1948 der Demokratische Block als Zusammenschluß der Parteien (SED; CDU; LDPD; NDPD; DBD) sowie später auch der Massenorganisationen…

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Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) (1979)

Siehe auch: Deutsche Wirtschaftskommission: 1965 1966 1969 Deutsche Wirtschaftskommission (DWK): 1975 1985 Zentrale deutsche Verwaltungsinstanz in der SBZ. Sie wurde auf Befehl Nr. 138 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 14. 6. 1947 in Berlin gegründet und bestand bis zur Bildung der DDR am 7. 10. 1949. Die DWK setzte sich aus den Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltungen für Industrie, Verkehr, Handel und Versorgung, Land- und Forstwirtschaft, Brennstoff und Energie sowie den 1. Vors. des FDGB und der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) zusammen. Einen Vorsitzenden hatte die DWK zunächst nicht. In der Anfangsphase bestanden ihre Aufgaben hauptsächlich darin, a) die Arbeiten der angeschlossenen Zentralverwaltungen zu koordinieren, b) die SMAD zu beraten und c) die Reparationsleistungen an die Sowjetunion sicherzustellen. Durch Befehl Nr. 32 der SMAD vom 12. 2. 1948 wurden die Zuständigkeiten der DWK um die Vollmacht zum Erlaß von Verordnungen und Anordnungen erweitert, „um die deutschen demokratischen Organe zu einer aktiven Teilnahme am Wiederaufbau und an der Entwicklung der Friedenswirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone heranzuziehen“. Während nunmehr die Entscheidungen der Plenarsitzungen und des Sekretariats der DWK als Verordnungen innerhalb der SBZ galten, wurden die Anweisungen des neu institutionalisierten ständigen Vorsitzenden (H. Rau) und seiner zwei Stellvertreter (B. Leuschner, F. Jelbmann) zu verpflichtenden Anordnungen für den Apparat der DWK. Ferner erhielt die DWK, die weiterhin unter der Kontrolle der SMAD stand, eine Abteilung für die Planung und Leitung der Wirtschaft. Am 9. 3. 1948 wurden die Zentralverwaltungen in Hauptverwaltungen (HV) umbenannt und ihre Zahl von 12 auf 17 erhöht. Auf Befehl Nr. 183 der SMAD vom 27. 11. 1948 wurde die Mitgliederzahl der DWK von 38 auf 101 Mitglieder erweitert. Hinzu kamen 48 „Vertreter der Bevölkerung“, ferner 15 Vertreter der Parteien und 10 Vertreter der Massenorganisationen. Aufgrund der übertragenen Vollmachten hatte das Sekretariat der DWK allmählich die Funktionen einer ersten Regierung der SBZ übernommen. Mit der Proklamation der SBZ zur Deutschen Demokratischen Republik vom 7. 10. 1949 ging die DWK in der „Provisorischen Regierung“ der DDR auf. Zur Durchführung ihrer Aufgaben war der DWK die Mehrzahl der bereits auf Befehl Nr. 17 der SMAD vom 27. 7. 1945 gegründeten Deutschen Zentralverwaltungen unterstellt. Am 10. 4. 1945 hatten sich Zentralverwaltungen auf folgenden Arbeitsgebieten konstituiert: Industrie, Landwirtschaft, Brennstoffindustrie. Handel und Versorgung, Nachrichtenwesen, Verkehrswesen, Finanzen, Arbeit und Sozialfürsorge, Gesundheitswesen; später folgte die Gründung von Zentralverwaltungen auch für Inneres, Umsiedler und für Interzonen- und Außenhandel. Unabhängig von der DWK blieben die Zentralverwaltungen für Volksbildung, Justiz und Inneres. Die Deutschen Zentralverwaltungen arbeiteten unabhängig voneinander. Ohne Kompetenz zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen lag das Schwergewicht ihrer Arbeit auf der Koordination der Verwaltungsmaßnahmen der Länder der SBZ und der zentralen Einrichtungen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 258 Deutsche Volkspolizei (DVP) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Deutscher Bauernkongreß

Siehe auch: Deutsche Wirtschaftskommission: 1965 1966 1969 Deutsche Wirtschaftskommission (DWK): 1975 1985 Zentrale deutsche Verwaltungsinstanz in der SBZ. Sie wurde auf Befehl Nr. 138 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 14. 6. 1947 in Berlin gegründet und bestand bis zur Bildung der DDR am 7. 10. 1949. Die DWK setzte sich aus den Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltungen für Industrie, Verkehr, Handel und Versorgung, Land- und Forstwirtschaft,…

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Elternhaus und Schule (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Nach der Verfassung und dem Bildungsgesetz ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Eltern, „ihre Kinder zu sozialistischen Persönlichkeiten und staatstreuen Bürgern zu erziehen“ und dabei mit den gesellschaftlichen und staatlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen zusammenzuwirken. Wenn auch die (gesellschaftliche) Bildung und Erziehung stets als das gemeinsame Anliegen aller Erziehungsträger und die Schule als das Zentrum aller pädagogischen Bemühungen angesehen werden, so wird doch auch der Erziehung der Kinder und Jugendlichen durch die Eltern bzw. in der Familie große Bedeutung beigemessen. Um die erzieherischen Potenzen der Fa[S. 326]milie für die gesellschaftliche Erziehung der Kinder voll zu nutzen, werden die Eltern angehalten und zum Teil auch verpflichtet, eine feste Ordnung in der Familie zu schaffen, die bestimmte Gewohnheiten herausbildet, eine sinnvolle gegenseitige Ergänzung von häuslicher Erziehung und erzieherischer Einwirkung durch die gesellschaftlichen Bildungseinrichtungen anzustreben, ständig an schulischen Fragen interessiert zu sein sowie an Elternversammlungen teilzunehmen und damit engen Kontakt zur Schule zu halten. Andererseits ist aber auch die Schule ― das gilt auch für den Kindergarten, den Hort und die Einrichtungen der Berufsausbildung Jugendlicher ― verpflichtet, eng mit dem Elternhaus zusammenzuarbeiten und dabei nicht nur den Wünschen der Eltern nach Erziehungshilfen zu entsprechen, sondern im Sinne der Bildungs- und Erziehungsziele ― auch über die Betriebe, in denen die Eltern tätig sind, z. B. im Rahmen der Bewegung „Kollege, wie erziehst du dein Kind?“ ― nachdrücklich einzuwirken. Die Familienerziehung, die also den gleichen Zielen und Grundsätzen wie die gesellschaftliche Erziehung verpflichtet ist, wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kollektiv- und Arbeitserziehung gesehen und zu beeinflussen getrachtet; sie wird aber auch insofern als besonders problematisch angesehen, als die Sozialisations- und Erziehungseinflüsse in der Familie im geringsten Maße gesellschaftlich steuerbar sind, weshalb auch die ganztägige erzieherische Beeinflussung in Ergänzung zur schulischen Bildung und Erziehung besonders forciert wird. Mitwirkung der Eltern bei der Gestaltung der schulischen Bildung und Erziehung und Einflußnahme der Schule auf die Familienerziehung stehen also in einem engen wechselseitigen Verhältnis. Als gewählte Elternvertretungen an den Schulen sollen die Elternbeiräte und die Klassenelternaktive Mitverantwortung für die Sicherung hoher Ergebnisse der schulischen Bildung und Erziehung übernehmen. Für Elternbeiräte der Schule beträgt die Wahlperiode zwei Jahre, für Klassenelternaktive ein Jahr. Darüber hinaus werden Schulelternversammlungen einmal jährlich und Klassenelternversammlungen etwa dreimal jährlich durchgeführt. Grundsätzlich sollen alle Veranstaltungen der Schule mit den Eltern immer auch der pädagogischen Propaganda dienen; darunter wird die Gesamtheit der Bildungsmaßnahmen verstanden, die darauf gerichtet sind, die Werktätigen, und insbesondere die Eltern, zu befähigen, ihrer speziellen erzieherischen Verantwortung in den verschiedenen Bereichen ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit gerecht zu werden. Durch vermehrtes pädagogisches Wissen der Eltern soll auch die Familienerziehung stärker pädagogisiert werden und die „Pädagogik der individuellen Erfahrung“ ablösen. Hauptformen der pädagogischen Propaganda sind einmal die von der Schule durchgeführten Elternseminare sowie die pädagogischen Seminare, die vor allem von der Urania (Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse) in Zusammenarbeit mit den Volksbildungsorganen, den gesellschaftlichen Organisationen und den kulturellen Einrichtungen durchgeführt werden. Durch die Behandlung der Grundfragen der sozialistischen Bildungspolitik, der politisch-ideologischen Erziehung im Elternhaus, der Erziehungs- und Lernschwierigkeiten, der Freizeitgestaltung der Kinder usw. sollen vor allem die Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern zur „sozialistischen Erziehung“ ihrer Kinder und zur Zusammenarbeit mit der Schule gefördert werden. Entscheidungen in Eheverfahren, in denen das elterliche Erziehungsrecht, das bisher beide Elternteile ausübten, nur einem Teil übertragen wird, haben wegen ihrer Häufigkeit und Folgen besondere Bedeutung erlangt. Außerdem ergeben sich weitreichende Auswirkungen für Eltern und Kinder auch aus Entscheidungen über den Entzug, die Rückübertragung und die Änderung des Erziehungsrechts sowie die Ersetzung der Einwilligung der Annahme an Kindes Statt. Mit der Entscheidung über das Erziehungsrecht haben die Gerichte in der DDR deshalb zu sichern, daß die weitere Erziehung und Entwicklung der Kinder unter den veränderten Bedingungen gewährleistet sind, und das Erziehungsrecht dem Elternteil zu übertragen, der nach den im Zeitpunkt der Ehescheidung gegebenen Voraussetzungen am besten geeignet ist, die sozialistischen Erziehungsziele zu verwirklichen. Den betreffenden Elternteilen sollen von der Schule und im Rahmen der pädagogischen Propaganda die nötigen Hilfen gegeben werden. Einheitliches sozialistisches Bildungssystem. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 325–326 Elternbeiräte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Elternseminare

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Nach der Verfassung und dem Bildungsgesetz ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Eltern, „ihre Kinder zu sozialistischen Persönlichkeiten und staatstreuen Bürgern zu erziehen“ und dabei mit den gesellschaftlichen und staatlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen zusammenzuwirken. Wenn auch die (gesellschaftliche) Bildung und Erziehung stets als das gemeinsame Anliegen aller Erziehungsträger und die Schule als das Zentrum aller…

DDR A-Z 1979

Selbstkosten (1979)

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Abweichend von der Begriffsbestimmung der westlichen Betriebswirtschaftslehre, wonach Kosten unabhängig von Geldausgaben aufgefaßt wer[S. 958]den, sind die S. der Betriebe in der DDR der Geldausdruck des laufenden Aufwandes von vergegenständlichter und in Lohn ausgedrückter lebendiger Arbeit sowie sonstiger Geldaufwendungen zur Vorbereitung und Durchführung der Produktion und Realisierung der Erzeugnisse und Leistungen. Eine Unterscheidung von Geldausgaben und Kosten gibt es dagegen praktisch nicht. Als ein besonderer Maßstab des in der DDR geltenden Kostenverständnisses wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur hervorgehoben, daß die S. keinen Kapitalaufwand ausdrücken. Laut Definitionen für Planung, Rechnungsführung und Statistik sind S. der „Teil der Kosten, der den Erzeugnissen und Leistungen als Plan- bzw. Normativ- oder Istgrößen zugerechnet wird und aus den Erlösen für die realisierten Erzeugnisse und Leistungen zu decken ist…“. Unberücksichtigt bleiben hierbei jene Kosten, die „nicht durch erzielte Erlöse aus dem Absatz hergestellter Erzeugnisse und Leistungen, sondern aus anderen Quellen“ (z. B. Kultur- und Sozialfonds) gedeckt werden. Kosten und S. werden „meist als synonyme Begriffe verwendet“ (Sozialistische Betriebswirtschaft für Ökonomen. Berlin [Ost] 1977). Die derart definierten S. werden nach Arten der betrieblichen Tätigkeit (technologische Kosten, Beschaffungskosten, Leitungs- und Betreuungkosten, Absatzkosten), nach ihrer Zurechenbarkeit auf die Erzeugnisse und Leistungen (direkte und indirekte technologische Kosten) sowie nach ihrer Kalkulierbarkeit (kalkulierbare und nicht kalkulierbare Kosten) gruppiert (die Bezeichnung „technologische Einzelkosten und technologische Gemeinkosten“ ist seit der 2. Ergänzung zu den amtlichen Definitionen für Planung, Rechnungsführung und Statistik von 1976 entfallen). Ihre Verrechnung erfolgt auf dem Wege der betriebswirtschaftlich üblichen Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung. (Frühere, vor allem nach den Grundsätzen des „Neuen Rechnungswesens“ von 1952 in der DDR entwickelte anderweitige Gruppierungen und Verrechnungsformen stehen gegenwärtig nicht mehr zur Diskussion.) Das derzeit geltende Grundschema zur Vor- und Nachkalkulation der Gesamt-S. der Kostenträger umfaßt: Bis zu den „Gesamt-S. der planbaren Kostenarten“ stimmt dieses Grundschema mit dem der Preiskalkulation (Preissystem und Preispolitik) überein. Das in der DDR vorherrschende Verständnis vom Rechnungswesen als einem Instrument der staatlichen Wirtschaftslenkung läßt nicht den gesamten tatsächlichen Güter- und Dienstleistungsverkehr zur Erstellung von Leistungen als S. gelten, sondern nur denjenigen Teil, der betriebsextern von dem zuständigen Organ des Wirtschaftsapparates vorgegeben und normativ als Kosten anerkannt worden ist. Der Ausgangspunkt für die S.-Erfassung sind die „gesellschaftlich notwendigen Produktionskosten“ für die Erstellung von Leistungen. Die „gesellschaftlich notwendigen S.“ erscheinen als durchschnittliche S. für eine in der Volkswirtschaft hergestellte Einheit einer Erzeugnis- oder Leistungsart. Sie werden häufig als eine Durchschnittsgröße im Bereich der Betriebe einer VVB oder eines Kombinates ermittelt. Die von den Wirtschaftsbehörden (hierfür insbesondere zuständig: Ministerium der Finanzen und Staatliche Zentralverwaltung für Statistik) anerkannten und bestätigten durchschnittlichen S. sind die Ausgangsgröße für die Bestimmung der Fest- oder Planpreise (Wertpreisbildung). Von den „gesellschaftlich notwendigen S.“ sind die „betriebsnotwendigen S.“, die individuellen S. und die Plan- und/oder Istkosten zu unterscheiden. Die „betrieblich notwendigen S.“ sind ebenfalls eine normative Kostengröße. Sie berücksichtigen die spezifischen Produktionsbedingungen eines bestimmten Betriebes, wobei ein reibungsloser Produktions- und Zirkulationsprozeß vorausgesetzt wird. In der Regel werden daher die „betrieblich notwendigen S.“ durch die geplanten betrieblich notwendigen S. ausgedrückt. Die „betrieblich notwendigen S.“ werden ebenfalls zur Grundlage der Festsetzung von Betriebs- und Industrieabgabepreisen gemacht, und zwar dienen sie der Bestimmung der betriebsindividuellen Kalkulationspreise. Die individuellen S. sind die in einem Betrieb für eine Periode geplanten und/oder effektiv angefallenen Kosten. Diese Kostenerfassung spiegelt nicht die unter idealen Produktions- und Zirkulationsbedingungen angenommenen Normkosten wider, sondern sie gibt die S. an, die bei gegebenen Standortbedingungen, technischem Ausrüstungsstand, Qualifikation der Betriebsorganisation und der Belegschaft o. ä. entstanden sind. Dennoch bleiben auch die individuellen S., z. B. bei einer Ist-Kostenermittlung, „normative“ Kosten, da die gültige S.-Definition von vornherein bestimmte Kostenelemente aus der Betrachtung ausschließt. Allerdings werden gegenwärtig im Gegensatz zur früheren Entwicklung des Rechnungswesens auch Aufwendungen in die S. einbezogen, die im Sinn der prinzipiell technologisch orientierten Kostendefinition eigentlich bereits eine „Verwendung von Reineinkommensbestandteilen“ darstellen, wie z. B. Bankzinsen, bestimmte Sozialausgaben und Vertragsstrafen. Ein er[S. 959]heblicher Unterschied besteht zwischen der Ist-Kostenrechnung und der Rechnung mit gesellschaftlich notwendigen Kosten bei der Bildung der Industrieabgabepreise. In besonderer Weise offenbarte sich dies in dem in der S.-Verordnung vom 12. 7. 1962 (GBl. II, S. 445) festgelegten Verfahren der Plankostenermittlung und Preiskalkulation. In der VO wurden bei der Verrechnung der Kosten unterschieden: a) planbare und für die Zwecke der Preisbildung nicht kalkulierbare Kosten, b) planbare, jedoch für die Preisplanung nicht kalkulierbare Kosten und c) nicht planbare und nicht kalkulierbare Kosten. Wegen dieser vorgeschriebenen Aussonderung von Kostenelementen bei der Preiskalkulation ist es möglich, daß durch den Verkauf von Erzeugnissen zu den aufgrund dieses Kalkulationsverfahrens zustande gekommenen Preisen unter Umständen ein Teil der den Betrieben bei der Produktion effektiv entstandenen Kosten durch die erzielten Erlöse nicht gedeckt wird. Die S.-VO von 1962 wurde am 9. 11. 1967 (GBl. II, S. 757) aufgehoben. Ihre Vorschriften wurden sinngemäß von anderen VO übernommen. Die derzeit gültige Regelung ergibt sich aus der 1976 erlassenen AO über die zentrale staatliche Kalkulationsrichtlinie zur Bildung von Industriepreisen vom 10. 6. 1976 (GBl. I. S. 321 ff.) in Verbindung mit einer Vielzahl von speziellen Kalkulationsrichtlinien für einzelne Wirtschaftszweige oder Erzeugnisgruppen. Maßgebend für Veränderungen im System der Preisbildung waren ein Beschluß des Ministerrates der DDR vom 25. 3. 1976 zur Leistungsbewertung der Betriebe und Kombinate sowie ein darauf basierender „Beschluß über die Bildung der Industriepreise …“ (GBl. I, 1976, S. 317 ff.). Mit diesem veränderten Preisbildungsverfahren nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis entfernt sich jedoch die Preiskalkulation noch weiter von der Kostenbasis. Unbeschadet dessen dürfen die Betriebe nach wie vor, soweit ihnen keine überbetrieblichen Kostennormative vorgegeben sind, in der Kosten- und Industriepreiskalkulation ausdrücklich nur solche Kosten ansetzen, die kalkulationsfähigen Charakter haben. Für die Kalkulierbarkeit der Kosten nach Art und Höhe erhält die VO ausführliche verbindliche Verzeichnisse der kalkulationsfähigen und der nicht kalkulationsfähigen Kosten nach Kostenarten und Kostenkomplexen. Abgesehen von anderen Anlagen umfaßt allein die Auflistung der genannten Kostengruppierungen in der einschlägigen VO ca. 9 Gesetzblatt-Textseiten. Eines der Hauptziele der beschriebenen kostenrechnerischen Verfahren ist die ständige Senkung der S., da sie unter den gegebenen betriebswirtschaftlichen Bedingungen als das wichtigste Instrument zur Erhöhung des Gewinns und der Rentabilität erachtet wird. Darüber hinaus spielt die Entwicklung der S. in dem gemäß Ordnung der Planung für den Fünfjahrplan 1976–1980 neu zu erstellenden komplexen Effektivitätsnachweis der Betriebe eine wichtige Rolle. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 957–959 Selbstbestimmung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Selbstkritik

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Abweichend von der Begriffsbestimmung der westlichen Betriebswirtschaftslehre, wonach Kosten unabhängig von Geldausgaben aufgefaßt wer[S. 958]den, sind die S. der Betriebe in der DDR der Geldausdruck des laufenden Aufwandes von vergegenständlichter und in Lohn ausgedrückter lebendiger Arbeit sowie sonstiger Geldaufwendungen zur Vorbereitung und Durchführung der Produktion und Realisierung der Erzeugnisse und…

DDR A-Z 1979

Chemische Industrie (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Vor der Spaltung Deutschlands hatte die mitteldeutsche ChI. bei einer Anzahl von Erzeugnissen überdurchschnittliche Produktionsanteile, bei einigen wichtigen chemischen Grundstoffen bestand sogar eine weitgehende Abhängigkeit Westdeutschlands von der mitteldeutschen ChI. Das größte Chemiewerk Europas, das Leunawerk, die 3 IG.-Farbenwerke in Bitterfeld und andere Werke waren Lieferanten Westdeutschlands und der ganzen Welt. 1945 entfielen 35 v. H. der Produktion und der Beschäftigten der deutschen ChI. auf die damalige sowjetische Besatzungszone, nahezu zwei Drittel auf die Westzonen. Auf dem Territorium der späteren DDR befand sich nach 1945 die Produktion von Grundchemikalien. Ihre Rohstoffgrundlage bestand in den Braunkohlevorkommen, den Salzlagerstätten und einem Rohstoffreservoir an Gips, Kalk und Ton. Die Verteilung des Produktionspotentials der ChI. entsprach nach der Teilung in etwa der Bevölkerungsproportion, allerdings ergaben sich aus der Sicht der Branchenstruktur erhebliche Disproportionen. In der sowjetischen Besatzungszone wurden vor allem Grundchemikalien gewonnen, während in den Westzonen vornehmlich die verarbeitende ChI. konzentriert war. Die Produktion anorganischer Chemikalien war seit 1949 in der DDR bereits relativ gut entwickelt, mit Ausnahme der Schwefelsäureproduktion. Ein besonderer Mangel bestand weiterhin an einigen hochveredelten chemischen Erzeugnissen, deren Produktion im westdeutschen Raum konzentriert war. Die Herstellung von Farbstoffen auf Teergrundlage, die Paraffinverarbeitung und die Produktion von Pharmazeutika lagen zum größten Teil auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Bei verhältnismäßig geringen Kriegsschäden mußte die ChI. 1945–1946 empfindliche Demontagen hinnehmen. Die wichtigsten Chemie-Großbetriebe wurden von der UdSSR beschlagnahmt. Nach dem Wiederaufbau verfügten die Sowjets über mehr als 52 v. H. aller Kapazitäten in der ChI. (Stand: Anfang 1952). Erst am 1. 1. 1954 wurden die SAG-Betriebe der ChI. an die deutsche Verwaltung zurückgegeben. In der Periode des ersten Siebenjahrplans sollte die Produktion der ChI. bis 1965 gegenüber 1958 annähernd verdoppelt werden (Chemieprogramm von 1958). Entwicklungsschwerpunkte waren Kunststoffe (Plaste) und synthetische Fasern. Die Kraftstofferzeugung und die Düngemittelproduktion sollten gegenüber 1958 um 100 v. H. gesteigert werden. Alle Planziele wurden jedoch nicht erreicht. Nach 4 Jahren Laufzeit des ersten Siebenjahrplans hat die ChI. nur 45 v. H. des in dieser Zeit geplanten Zuwachses der Produktion erzielt. Gegenwärtig ist die ChI. entsprechend ihrer Beschäftigtenzahl mit 335.488 Arbeitern und Angestellten, die 1976 in 556 Betrieben tätig waren, der viertgrößte, entsprechend ihrem Produktionswert nach dem Maschinen- und Fahrzeugbau und der Lebensmittelindustrie der drittgrößte Industriebereich der DDR. Ihr Anteil an der industriellen Bruttoproduktion der DDR betrug 1976 14,4 v. H. Von 1960 bis 1976 konnte die ChI. die Bruttoproduktion um das 3,37fache steigern (zum Vergleich: Steigerung der gesamten industriellen Brutto[S. 241]produktion im gleichen Zeitraum um das 2,62fache). Im einzelnen umfaßt die ChI. folgende Industriezweige: Kali- und Steinsalzindustrie; Erdöl-, Erdgas- und Kohlewertstoffindustrie; Anorganische und organische Grundchemie; Pharmazeutische Industrie; Plasteindustrie; Gummi- und Asbestindustrie; Chemiefaserindustrie; Industrie chemischer und chemisch-technischer Spezialerzeugnisse. Die einzelnen Industriezweige in der ChI. der DDR zeigten in den letzten Jahren eine Entwicklung, wie sie internationalem Standard entspricht. Relativ hohe Produktionszuwächse erzielten die Kunststoff- und die Faserindustrie, aber auch die pharmazeutische Industrie. Die Faserproduktion soll bis 1980 nur noch um 4,5 v. H. jahresdurchschnittlich steigen; dies deutet auf gewisse Sättigungserscheinungen hin. Die Hauptstandorte der ChI. liegen in den Bezirken Halle, Frankfurt (Oder), Leipzig und Dresden. Die ChI. ist auch heute noch überwiegend Braunkohlenchemie, d. h., sie basiert primär auf der Verarbeitung der noch reichlich verfügbaren Braunkohle. Allerdings ist seit einigen Jahren ein bedeutsamer Strukturwandel im Rohstoffeinsatz — von der Braunkohlen- zur Mineralölverarbeitung — eingetreten. In beachtlichem Umfang sind die Kapazitäten der Petrochemie und Erdölverarbeitung erweitert worden. Die Erdölverarbeitung stieg von 10,6 Mill. t (1960) auf 17 Mill. t (1975) und soll bis 1980 auf 23 Mill. t wachsen. Das über 5.000 km lange Pipelinesystem „Freundschaft“ transportiert Erdöl aus Westsibirien in die Verarbeitungswerke von Schwedt (Bezirk Frankfurt/Oder), Böhlen (Bezirk Leipzig) und Leuna (Bezirk Halle). Die bedeutendsten VVB und VEB des Ministeriums für Chemische Industrie sind: VEB Chemiefaserkombinat Schwarza „Wilhelm Pieck“ (27.000 Beschäftigte) VEB Chemiekombinat Bitterfeld VVB Agrochemie und Zwischenprodukte VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt (28.000 Beschäftigte) VVB Plast- und Elastverarbeitung VVB Pharmazeutische Industrie VVB Lacke und Farben VEB Filmfabrik Wolfen, Fotochemisches Kombinat VVB Leichtchemie VEB Leuna-Werke „Walter Ulbricht“ (30.000 Beschäftigte) VEB Chemische Werke Buna (18.000 Beschäftigte) VVB Chemieanlagen VEB Reifenkombinat Fürstenwalde Die Spezialisierung führt aber dazu, daß neben den „Industriegiganten“ 1975 noch 467 Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten bestanden, die 76,4 v. H. aller Chemiebetriebe ausmachten. Absolut ist das Produktionsniveau in der Bundesrepublik Deutschland bei fast allen wichtigen chemischen Erzeugnissen erheblich höher als in der DDR; dies gilt auch in den meisten Fällen beim Vergleich der Produktion pro Kopf der Bevölkerung. Ausnahmen bilden hiervon u. a. die Produktion von Steinsalz, Kali-Düngemitteln, Phosphatdüngern, Kalziumkarbid und Viskosefasern. Den technologischen Rückstand der DDR dokumentieren die hohen Produktionszahlen bei Viskosefasern und Kalziumkarbid, da sie einerseits die noch in den Anfängen befindliche Umstellung auf synthetische Fasern und andererseits die verzögerte Umstellung der Rohstoffbasis von Kohle auf Erdöl zeigen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die organische Chemie zu 95 v. H. auf Erdöl- bzw. Erdgasbasis umgestellt gegenüber ca. 60~v. H. in der DDR, eine Relation, die in der Bundesrepublik Deutschland bereits 1963 erreicht war. Vor allem in denjenigen Bereichen ist sie im längerfristigen Vergleich in der Enwicklung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zurückgeblieben, in denen weltweit der stärkste Technologiewandel stattgefunden hat, also bei Kunststoffen. Arzneimitteln, syn[S. 242]thetischen Fasern sowie deren Vorprodukten und Verarbeitungsstufen. Innerhalb des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe hingegen hält die ChI. der DDR technologisch meist eine Spitzenposition. Das zeigt sich u. a. auch darin, daß die ständige RGW-Kommission für die ChI. ihren Sitz in Berlin (Ost) hat und vom Minister für ChI. geleitet wird. Zwischen der DDR und den anderen RGW-Ländern bestanden im Chemiebereich 1978 bereits über 30 Regierungsabkommen und mehr als 20 Spezialisierungs- und Kooperationsverträge. Die bedeutsamsten Objekte sind gegenwärtig die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der ČSSR ― hier sind seit 1975 aufgrund eines 1972 unterzeichneten Vertrages die Chemischen Werke in Böhlen (DDR) mit dem Chemischen Betrieb in Litvinov (ČSSR) durch eine Rohrleitung miteinander verbunden, wobei die DDR Olefine, die ČSSR Polyolefine liefert ― sowie die gemeinsame Entwicklung eines Hochdruck-Polyäthylen-Verfahrens und der dazugehörigen Anlagen durch sowjetische und deutsche Spezialisten. Die DDR-Chemie ist an 4 Wirtschaftsorganisationen des RGW beteiligt: Mit der Sowjetunion gemeinsam trägt die DDR die Organisationen „Assofoto“ (Fotoprodukte und Magnetaufzeichnungsmaterial) und „Domochim“ (Produkte der Haushaltschemie). Die beiden anderen Organisationen „Interchim“ (kleintonnagige Chemikalien) und „Interchimwolokno“ (Chemiefasern) arbeiten multinational. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 240–242 Chemiefaserindustrie A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Christenlehre

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Vor der Spaltung Deutschlands hatte die mitteldeutsche ChI. bei einer Anzahl von Erzeugnissen überdurchschnittliche Produktionsanteile, bei einigen wichtigen chemischen Grundstoffen bestand sogar eine weitgehende Abhängigkeit Westdeutschlands von der mitteldeutschen ChI. Das größte Chemiewerk Europas, das Leunawerk, die 3 IG.-Farbenwerke in Bitterfeld und andere Werke waren Lieferanten Westdeutschlands…

DDR A-Z 1979

Produktionsfondsabgabe (1979)

Siehe auch: Produktionsfondsabgabe: 1975 1985 Produktionsfondsabgabe (PFA): 1965 1966 1969 Im Rahmen des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) wurde der Verbesserung des Kapitaleinsatzes größeres Gewicht gegeben; anstelle der zinslosen Finanzierung der Anlagen aus dem Staatshaushalt trat die betriebliche Eigenerwirtschaftung der Mittel und Kreditfinanzierung bei Zinszahlung (Investitionsplanung, Investitionsfinanzierung). Zur besseren Ausnutzung des vorhandenen Brutto-Anlagevermögens wurde mit Wirkung vom 1. 1. 1967 — nach experimenteller Erprobung — die P. für die volkseigene Industrie eingeführt (GBl. II, 1967, S. 115 ff.). Mit dieser zinsähnlichen Abgabe auf das gesamte Brutto-Anlagevermögen und das Umlaufkapital von grundsätzlich 6 v. H. sollen die Betriebe veranlaßt werden, ihre Anlagen möglichst rationell einzusetzen: Stillgelegte Anlagen und unverwertete Materialien kosten nunmehr Zinsen. Ziel der Maßnahme ist es, die Betriebe zu bewegen, sowohl ungenutzte oder schlecht genutzte Grundmittel an Betriebe mit besseren Einsatzmöglichkeiten zu verkaufen und übermäßige Bestände an Rohstoffen, Halb- und Fertigerzeugnissen abzubauen, als auch eine höhere Auslastung ihrer bestehenden Kapazitäten durch mehrschichtigen Einsatz zu erreichen. Bemessungsgrundlagen der P. sind das Anlagevermögen zu den mit der Grundmittelumbewertung von 1963 festgesetzten Werten sowie das vorhandene Umlaufkapital, bewertet zu Anschaffungspreisen. Die P. wird nicht als Kostenfaktor verrechnet, sondern ist aus dem Gewinn zu finanzieren. Die aus dem Zins resultierenden Kapitalkosten rechnen somit nicht zu den Verarbeitungskosten und sind damit auch nicht Bestandteil der Bezugsbasis des im Preis kalkulierten Gewinns (Preissystem und Preispolitik). D. h., mit der Industriepreisreform sind zwar kostengerechtere Preise, als sie vor 1964 bestanden haben, geschaffen worden, bei ihnen ist aber als wesentlichster Mangel noch immer der volkswirtschaftlich erforderliche Kapitalaufwand unberücksichtigt geblieben. Deshalb ergab sich vor Einführung des Fondsbezogenen Preises ein wesentlicher Nachteil: Solange mit dem damaligen Preistyp der Industriepreisreform der volkswirtschaftlich notwendige Kapitalaufwand im Gewinnanteil des Preises noch nicht berücksichtigt war, mußten deutliche Differenzen der rechnerischen Fondsrentabilität (Gewinn je Einheit Grund- und Umlaufmittel) zwischen den Industriezweigen auftreten, je nachdem wie kapitalintensiv sie waren. Diese Rentabilitätsunterschiede lagen nach offiziellen Angaben aus der DDR bei 88 untersuchten VVB zwischen weniger als 5 und mehr als 50 v. H., so daß 1967 15 VVB nicht in der Lage waren, eine P. in der grundsätzlich vorgesehenen Höhe von 6 v. H. zu zahlen: 22 VVB hätten über 60 v. H. ihres Bruttogewinns dafür ausgeben müssen. Die Einführung eines einheitlichen Satzes von 6 v. H. erschien in dieser Situation unangebracht. Als Übergangslösung bis zur Einführung des fondsbezogenen Preises hat man deshalb zunächst zwischen 1,4 und 6 v. H. differenzierte Raten festgesetzt, wobei vor allem die kapitalintensiveren Zweige Ermäßigungen erhielten und für arbeitsintensivere Branchen — z. B. die Leichtindustrie — die volle Rate von 6 v. H. angesetzt wurde. Nach der schrittweisen Einführung fondsbezogener Preise für eine Reihe von Erzeugnissen wurde 1971 [S. 863](GBl. II, 1971, S. 33 ff.) die P. einheitlich auf 6 v. H. festgelegt (Ausnahme: Landwirtschaft). Davon sind auch die industriemäßig produzierenden privaten, genossenschaftlich oder mit staatlicher Beteiligung geführten Handwerksbetriebe erfaßt worden, allerdings hat man bei diesen die P. zur Vereinfachung der Erhebungsmethode als Produktionsfondssteuer in Relation zum Umsatz festgelegt (ND v. 17. 12. 1970, S. 4). Das Problem starker Unterschiede der Fondsrentabilitäten ist jedoch auch heute noch nicht überwunden, denn wegen des 1971 zunächst bis auf weiteres abgebrochenen Übergangs zu fondsbezogenen Preisen ist bei einer Reihe von Erzeugnisgruppen der Kapitalaufwand im Preis noch immer unberücksichtigt. Die Betriebe der betroffenen Branchen können die volle P. nur unter Beeinträchtigung ihrer Fondsbildung (Fonds) zahlen. Deshalb ist 1972 auch die Einführung differenzierter — für kapitalintensive Betriebe niedrigerer — P.-Koeffizienten diskutiert worden. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht akzeptiert; vielmehr scheint man bei bestimmten Betrieben mit verminderten Nettogewinnabführungsbeträgen bzw. Subventionen zu operieren. Generell kann die P. durchaus als ein Instrument zur Förderung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, wie es in der Marktwirtschaft Zins und Dividende sind, anerkannt werden. Jedoch ist ihre Funktion bisher noch durch bestehende Unvollkommenheiten der Preisbildung beeinträchtigt. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 862–863 Produktionsfaktoren A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Produktionsgenossenschaften des Handwerks

Siehe auch: Produktionsfondsabgabe: 1975 1985 Produktionsfondsabgabe (PFA): 1965 1966 1969 Im Rahmen des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) wurde der Verbesserung des Kapitaleinsatzes größeres Gewicht gegeben; anstelle der zinslosen Finanzierung der Anlagen aus dem Staatshaushalt trat die betriebliche Eigenerwirtschaftung der Mittel und Kreditfinanzierung bei Zinszahlung (Investitionsplanung, Investitionsfinanzierung). Zur besseren Ausnutzung des vorhandenen Brutto-Anlagevermögens…

DDR A-Z 1979

Industrieministerien (1979)

Siehe auch: Fachministerien: 1953 1954 Industrieministerien: 1966 1969 1975 1985 Produktionsministerien (auch Fachministerien genannt): 1956 Produktionsministerien (auch Industrieministerien genannt): 1958 1959 1960 Ein I. ist das staatliche Organ für die zentrale Leitung eines oder mehrerer Industriebereiche bzw. -zweige. Es arbeitet nicht nach dem Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung und verfügt über kein eigenes Grund- und Umlaufkapital. Einem I. sind in der Regel mehrere VVB (teilweise auch Kombinate) direkt unterstellt (dem Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie zusätzlich die Bezirkswirtschaftsräte). Die I. unterstehen auf dem Planungssektor der Staatlichen Plankommission (SPK). Die Leitung der Industrie war seit 1958 zunächst Aufgabe der SPK, von 1961 bis 1965 des Volkswirtschaftsrats. Ende 1965 wurde der Volkswirtschaftsrat aufgelöst; aus seinen Industrieabteilungen entstanden im Januar 1966 acht I. Gegenwärtig bestehen folgende I.: Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie (Minister: Udo-Dieter Wange), M. f. Chemische Industrie (Minister: Günther Wyschofsky). M. f. Elektrotechnik und Elektronik (Minister: Otfried Steger), M. f. Erzbergbau, Metallurgie und Kali (Minister: Kurt Singhuber), M. f. Kohle und Energie (Minister: Klaus Siebold; Bezeichnung vor dem 1. 1. 1972: M. f. Grundstoffindustrie). M. f. Leichtindustrie (Minister: Werner Buschmann), M. f. Schwermaschinen- und Anlagenbau (Minister: Gerhard Zimmermann), M. f. Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinen (Minister: Rudi Georgi), M. f. Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau (Minister: Günther Kleiber). M. f. Glas- und Keramikindustrie (Minister: Werner Greiner-Petter). Hinzu kommt das M. f. Materialwirtschaft (Minister: Wolfgang Rauchfuß) mit Querschnittsaufgaben, die die Materialversorgung der Industrie und der anderen Bereiche der Volkswirtschaft betreffen. Alle Minister gehören der SED an. Die I. sind Organe des Ministerrates, ihre Leiter, die Industrieminister, Mitglieder des Ministerrates. Ihre Aufgaben liegen in der Leitung. Koordinierung und Kontrolle der zum jeweiligen Industriebereich bzw. -zweig gehörenden VVB bzw. der den I. direkt unterstellten Kombinate. Zu den Aufgaben zählen: 1. Präzisierung der von der SPK erhaltenen „staatlichen Aufgaben“ für die einzelnen Industriezweige und Übergabe an die VVB zur Ausarbeitung eigener Planentwürfe. 2. Anleitung und Kontrolle der VVB bei der Ausarbeitung ihrer Perspektiv- und Jahrespläne. 3. „Verteidigung“ der zusammengefaßten Planvorschläge ihrer Bereiche vor dem Leiter der SPK. 4. Anleitung der VVB bei der Ausarbeitung langfristiger Prognosen der wissenschaftlich-technischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Industriebereiche und Haupterzeugnisse. Gleichzeitig arbeitet das I. eigene Prognosen für den gesamten unterstellten Wirtschaftsbereich aus. 5. Koordinierung der Pläne der wissenschaftlichen Vorbereitung, der Produktions- und Absatzpläne sowie des Investitionsplanes mit anderen Ministerien, besonders mit dem Ministerium für Außenhandel und dem Ministerium für Bauwesen. Der Industrieminister ist der unmittelbare Vorgesetzte der Generaldirektoren der VVB bzw. der den I. unmittelbar unterstellten Kombinate. Er hat diese direkt anzuleiten. Zwischen seinem Ressort und den VVB entstehen Beziehungen sehr unterschiedlicher Art. Es sind nicht nur die in den planmethodischen Bestimmungen geregelten Formen der Planausarbeitung und -bestätigung als wichtigster Leitungsform; es bestehen auch speziell geregelte Weisungsrechte in einer Vielzahl von Normativakten, z. B. der Investitionsordnung, der Bilanzordnung, die für den Minister Genehmigungsvorbehalte aufweisen, daneben das Recht zum Erlaß von Normativakten bis hin zur Disziplinarbefugnis gegenüber den Generaldirektoren der unterstellten VVB. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 520 Industrieläden A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Industriepreise

Siehe auch: Fachministerien: 1953 1954 Industrieministerien: 1966 1969 1975 1985 Produktionsministerien (auch Fachministerien genannt): 1956 Produktionsministerien (auch Industrieministerien genannt): 1958 1959 1960 Ein I. ist das staatliche Organ für die zentrale Leitung eines oder mehrerer Industriebereiche bzw. -zweige. Es arbeitet nicht nach dem Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung und verfügt über kein eigenes Grund- und Umlaufkapital. Einem I. sind in der…

DDR A-Z 1979

Arbeiterklasse (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Nach der marxistisch-leninistischen Ideologie ist die A. eine Hauptklasse in den Gesellschaftsformationen des Kapitalismus und des Sozialismus. Sie soll in beiden Gesellschaftsformationen die fortschrittlichste und revolutionärste Klasse sein, die als Träger der sozialistischen Revolution den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus herbeiführt und im Sozialismus die politische Macht im Bündnis mit den Genossenschaftsbauern und den sonstigen werktätigen Schichten der Bevölkerung ausübt. Die führende Rolle der A. im Sozialismus/Kommunismus wird mit deren — im Gegensatz zum Kapitalismus (vorwiegend Industriearbeiter, die lohnabhängig in der unmittelbaren Produktion arbeiten und ausgebeutet werden) veränderten — Stellung im Produktionsprozeß, der Trägerschaft des fortschrittlichsten Klassenbewußtseins und der einzig wissenschaftlichen Weltanschauung begründet. Zusätzlich wird heute auch geltend gemacht, daß die A. den größten Teil aller materiellen Werte schaffe und den größten Teil der Bevölkerung ausmache. Im Parteiprogramm der SED von 1976 wird diese Einschätzung mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „Die Arbeiterklasse ist die politische und soziale Hauptkraft des gesellschaftlichen Fortschritts und die zahlenmäßig stärkste Klasse. Sie ist Träger der politischen Macht, sie ist eng mit dem sozialistischen Volkseigentum verbunden, sie produziert den größten Teil des materiellen Reichtums der ganzen Gesellschaft. Ihre Interessen bringen zugleich die Grundinteressen des ganzen Volkes zum Ausdruck.“ Dennoch bedürfe die A. auch selbst einer führenden Kraft, nämlich der kommunistischen Partei, in der sich ihre bewußtesten und fortschrittlichsten Mitglieder zusammenschließen. Im marxistisch-leninistischen Sprachgebrauch ist der Ausdruck „Arbeiterklasse“ in neuerer Zeit an die Stelle des Ausdrucks „Proletariat“ getreten, mit der Marx ursprünglich die abhängigen Lohnarbeiter in der Maschinenfabrik des 19. Jh. bezeichnete. Der Ausdruck „Proletariat“ wird heute nur noch selten verwendet (vornehmlich in der Zusammensetzung „Diktatur des Proletariats“). Mit der Änderung der Terminologie sollte u. a. auch den soziologischen Veränderungen in der modernen Industriegesellschaft Rechnung getragen werden. Gleichzeitig ist aber der Begriff der A. als soziologische Kategorie inhaltlich verschwommen und konturlos geworden. Zur A. werden nicht nur die in der materiellen Produktion unmittelbar tätigen ungelernten, [S. 49]angelernten und Facharbeiter gezählt; zu ihr sollen auch die Angestellten, die Dienstleistungen erbringen, Verwaltungs- und Organisationstätigkeiten verrichten, sowie weite Teile der Intelligenz gehören. Auf diese Weise umfaßt die A. den größten Teil der erwerbstätigen Bevölkerung. Bei Analysen der sozioökonomischen Struktur der Bevölkerung werden die „Arbeiter und Angestellten“ üblicherweise zu einer Gruppe zusammengefaßt. Im Statistischen Jahrbuch der DDR wird diese Gruppe folgendermaßen definiert: „Arbeitskräfte, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Betrieb, einer Einrichtung, einem Verwaltungsorgan, einer Produktionsgenossenschaft, einem Rechtsanwaltskollegium, einer ein Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübenden Person stehen, das durch einen unbefristeten oder befristeten Arbeitsvertrag begründet wurde.“ Bündnispolitik; Aktionseinheit der Arbeiterklasse; Klasse. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 48–49 Arbeiterfestspiele A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Arbeiterkomitee

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Nach der marxistisch-leninistischen Ideologie ist die A. eine Hauptklasse in den Gesellschaftsformationen des Kapitalismus und des Sozialismus. Sie soll in beiden Gesellschaftsformationen die fortschrittlichste und revolutionärste Klasse sein, die als Träger der sozialistischen Revolution den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus herbeiführt und im Sozialismus die politische Macht im Bündnis mit den Genossenschaftsbauern und den sonstigen werktätigen…

DDR A-Z 1979

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML) (1979)

Siehe auch: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML): 1975 1985 Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut: 1956 1958 1959 1960 1962 Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut beim ZK der SED (MELST-Institut): 1954 MELS-Institut: 1958 1959 1960 1962 MELSTI: 1954 1956 Gegründet 1947 (Arbeitsaufnahme 1949), Sitz: Berlin (Ost). Direktor (seit 1969) Prof. Dr. Günter Heyden. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des IML war der Beschluß des ZK der SED vom 20. 10. 1951 über „die wichtigsten ideologischen Aufgaben der Partei“. Hier wurden die Aufgaben des Instituts erheblich erweitert, so daß es wesentlich dazu beitragen konnte, den Marxismus-Leninismus Schritt für Schritt als herrschende Ideologie in der DDR durchzusetzen. Das IML wurde bis 1953 Marx-Engels-Institut (MEL) genannt und zu Ehren Stalins im April 1953 in Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut (MELS) umbe[S. 538]nannt. Seit dem XX. Parteitag der KPdSU (1956) trägt es seine gegenwärtige Bezeichnung. Ursprünglich, in den Jahren 1949–1958, arbeiteten in dem Institut vor allem „erfahrene, im Klassenkampf erprobte, marxistisch-leninistisch geschulte Kader“; gegenwärtig sind es Hunderte von z. T. gut geschulten und ausgebildeten wissenschaftlichen Mitarbeitern. Aufgaben: Als zentrales Forschungs- und Editionsinstitut der SED ist das IML die Institution, die die Pflege der Klassiker des Marxismus-Leninismus sowie der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung übernommen hat. Im einzelnen gehören dazu folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Editionstätigkeit der wissenschaftlichen Institutionen der DDR auf den genannten Gebieten. 2. Herausgabe der Werke der marxistischen Klassiker, insbesondere von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Die 1953 begonnene Herausgabe der auf 40 Bände angelegten Marx-Engels-Werkausgabe (MEA) wurde 1968 abgeschlossen. Die Werke Lenins (aufgrund der 4. russischen Ausgabe herausgegeben) liegen in 40 vom IML herausgegebenen Bänden vor; sie werden seit 1969 ergänzt durch die Reihe „Lenin, Briefe“, die inzwischen mit dem 10. Band (erschienen 1976) abgeschlossen worden ist (nach der 5. russischen Ausgabe herausgegeben). Die Edition der Werke Stalins wurde 1956 mit dem 13. Band der auf 16 Bände angelegten Gesamtausgabe abgebrochen. Vor einigen Jahren hat man begonnen, zusammen mit dem IML beim ZK der KPdSU, eine historisch-kritische Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) in ca. 100 Bänden herauszugeben. Darin sollen alle Manuskripte, Entwürfe, Konzepte, Randbemerkungen in Büchern usw., die von Marx und Engels erhalten und bisher nicht veröffentlicht worden sind, berücksichtigt werden. 3. Erforschung der Geschichte der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung aus der Sicht des Marxismus-Leninismus sowie Leitung und Organisation der Erforschung der Geschichte der „örtlichen Arbeiterbewegung“ (Geschichte der deutschen ➝Arbeiterbewegung). Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind auf diesen Gebieten über 20 Dokumentationsbände, darunter die achtbändigen „Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, herausgegeben worden. 4. Übernahme eines wesentlichen Teils der Propagandaarbeit der SED, insbesondere die Verbreitung des marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes der Arbeiterklasse sowie die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Richtungen der antimarxistischen Historiographie. In diesen Zusammenhang gehören die achtbändige „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, die 1962 in Auftrag gegeben wurde und 1966 erschien, sowie die einbändige „Geschichte der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Abriß“, die 1978 erschienen ist. 5. Ausbildung auf den genannten Gebieten. Seit 1970 besitzt das IML das Recht auf Verleihung akademischer Grade. 6. Organisation von wissenschaftlichen Konferenzen, Kolloquien und Arbeitstagungen in Verbindung vor allem mit der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, der Akademie der Wissenschaften der DDR sowie verschiedenen Universitäten und Hochschulen. Diese Zusammenarbeit fand ihren Niederschlag u. a. in der Tätigkeit des „Rates für Geschichte“ und des „Wissenschaftlichen Rates für Marx-Engels-Forschung“, die beide ihren Sitz im IML haben. Im internationalen Rahmen bestehen Arbeitsgemeinschaften zur Verwirklichung gemeinsamer Projekte, u. a. mit dem IML beim ZK der KPdSU, dem Institut für Parteigeschichte beim ZK der KP Bjelorußlands, ferner dem Institut für Geschichte der Bulgarischen Kommunistischen Partei. Im Anschluß an den VIII. Parteitag der SED (Juni 1971) und aufgrund des „Zentralen Forschungsplans der Gesellschaftswissenschaften der DDR bis 1975“ aus dem Jahre 1972 war eine Schwerpunktverlagerung der Arbeit im IML vorgesehen. Bei der zukünftigen historischen Forschung sollte es in erster Linie darum gehen, die Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung und die „Politik der revolutionären Partei der deutschen Arbeiterklasse“ stärker als bisher als Teil der internationalen Arbeiterbewegung darzustellen. In diesem Zusammenhang nehmen auch gegenwärtig Forschungen über die Beziehungen der KPD zur KPdSU einen zentralen Platz ein. Schließlich sollen künftig in verstärktem Umfang Biographien über „hervorragende Persönlichkeiten der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung“ erscheinen. In diesem Zusammenhang sind die Memoiren von Franz Dahlem (bis Mitte 1953 Mitglied des Politbüros des ZK der SED und Leiter der Abteilung „Kader“ beim ZK der SED) zu erwähnen: „Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Erinnerungen“, 2 Bde., Berlin (Ost) 1976/1978. Zur Organisationsstruktur: Das IML ist u. a. in folgende Abteilungen untergliedert: Marx-Engels-Abteilung; Lenin-Abteilung; Abteilung Geschichte der Arbeiterbewegung (einschließlich der örtlichen Arbeiterbewegungen); Zentrales Parteiarchiv der SED (seit April 1963); Bibliothek (gegenwärtig rd. 350.000 Bände); Informations- und Dokumentationsstelle. Das zentrale Parteiarchiv enthält die bedeutendste Quellensammlung der deutschen Arbeiterbewegung von den Anfängen bis zur Gegenwart in der DDR. Die Informations- und Dokumentationsstelle veröffentlicht seit 1950 (z. T. internationale) Spezialbibliographien, seit 1963 den „Dokumentationsdienst zur Geschichte der Arbeiterbewegung und der Marx-Engels-Forschung“. Jede Abteilung des IML ist in Unterabteilungen (Sektoren) untergliedert. Außerdem sind Arbeitsleiter an größeren Projekten außerhalb der genannten Abteilungen tätig. Neben den Abteilungsleitern, die auch lehren und forschen, sind am IML Dozenten und wissenschaftliche Assistenten beschäftigt. Das IML gibt seit 1959 eine eigene, gegenwärtig 6mal jährlich erscheinende Zeitschrift heraus: „Beiträge zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung“, die 1969 in „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung“ umbenannt wurde. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 537–538 Institut für Marktforschung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Institut für Meinungsforschung beim ZK der SED

Siehe auch: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML): 1975 1985 Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut: 1956 1958 1959 1960 1962 Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut beim ZK der SED (MELST-Institut): 1954 MELS-Institut: 1958 1959 1960 1962 MELSTI: 1954 1956 Gegründet 1947 (Arbeitsaufnahme 1949), Sitz: Berlin (Ost). Direktor (seit 1969) Prof. Dr. Günter Heyden. Von…

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Ministerium für Nationale Verteidigung (1979)

Siehe auch: Ministerium für Nationale Verteidigung: 1959 1960 1962 1963 1975 1985 Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV): 1965 1966 1969 Das MfNV. wurde im Januar 1956 in Zusammenhang mit der Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) geschaffen. Es ist das zentrale staatliche Organ des Ministerrats, der im militärischen Bereich nur beschränkte Aufgaben besitzt. Für alle wesentlichen Entscheidungen ist das Politbüro zuständig; dessen Beschlüsse werden durch den Nationalen Verteidigungsrat der DDR und das MfNV. durchgeführt. Ihm obliegen die Führung der NVA sowie die Planung, Koordinierung, Organisation und Durchführung der Aufgaben der Landesverteidigung im militärischen und zivilen Bereich. Das MfNV., dessen Minister den Rang eines Armeegenerals besitzt, gliedert sich in einen Hauptstab sowie in Verwaltungen und Abteilungen; zum Bereich des MfNV. gehört ebenfalls die Politische Hauptverwaltung der NVA, die dem Politbüro der SED bzw. dessen Sekretariat untersteht. Dem Minister, Heinz Hoffmann, und seinen 9 Stellvertretern, dem Admiral Wilhelm Ehm, den Generalobersten Werner Fleißner, Heinz Keßler und Horst Stechbarth, den Generalleutnanten Erich Peter, Helmut Poppe, Wolfgang Reinhold und Fritz Streletz und dem Generalmajor Wolfgang Neidhardt (Stand: Mai 1979) — sie sind u. a. die Chefs der Politischen Hauptverwaltung, der Volksmarine, der Luftstreitkräfte, der Rückwärtigen Dienste, der Grenztruppen, der Zivilverteidigung und des Hauptstabes der NVA —, unterstehen die sowohl nach funktionalen Maßstäben, Ausbildungswesen, Planungs- und Koordinierungswesen u. a. wie nach Waffengattungen untergliederten Abteilungen. Zum Hauptstab, der die Landstreitkräfte der NVA führt, gehören als Untergliederungen Verwaltung, wie z. B. die Verwaltung Operativ (Einsatzpläne), Aufklärung (Informationsbeschaffung über ausländische Streitkräfte), Wehrersatzwesen (zuständig für die 15 Wehrbezirks- und 219 Wehrkreiskommandos) und Abteilungen. Dem Minister unterstehen direkt die Waffengattungsfachabteilungen, die als Verwaltungen von einem Chef der Verwaltung geleitet werden und für die Ausbildung und Bewaffnung der einzelnen Waffengattungen (Panzer, Artillerie usw.) zuständig sind (der militärische Einsatz der Verbände wird von den dem Minister direkt unterstellten Chefs der Militärbezirke befohlen), die Verwaltung der Militärstaatsanwaltschaft und Abteilungen, wie z. B. die Abteilung Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Die Militärakademie „Friedrich Engels“ der NVA ist dem MfNV. unterstellt. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 736 Ministerium für Materialwirtschaft A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Ministerium für Post- und Fernmeldewesen

Siehe auch: Ministerium für Nationale Verteidigung: 1959 1960 1962 1963 1975 1985 Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV): 1965 1966 1969 Das MfNV. wurde im Januar 1956 in Zusammenhang mit der Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) geschaffen. Es ist das zentrale staatliche Organ des Ministerrats, der im militärischen Bereich nur beschränkte Aufgaben besitzt. Für alle wesentlichen Entscheidungen ist das Politbüro zuständig; dessen Beschlüsse werden durch den Nationalen…

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Ministerium für Staatssicherheit (1979)

Siehe auch: Ministerium für Staatssicherheit: 1975 1985 Ministerium für Staatssicherheit (MfS): 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 „Zentrales staatliches Organ des Ministerrats der DDR zur Organisation der Abwehr und Bekämpfung konterrevolutionärer Anschläge auf die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR“ („Militärlexikon“, Berlin (Ost) 1971, S. 269). Durch Gesetz vom 8. 2. 1950 (GBl., S. 95) wurde die nach Gründung der DDR im Ministerium des Innern gebildete „Hauptverwaltung Schutz der Volkswirtschaft“ verselbständigt zum MfS. Dieses Ministerium war nach dem Juni-Aufstand im Jahre 1953 in ein dem Min. des Innern unterstehendes Staatssekretariat umgewandelt worden, bis es am 24. 11. 1955 unter Ernst Wollweber (SED) wieder zum Ministerium erklärt wurde. Seit 1. 11. 1957 ist Erich Mielke, Mitglied des Politbüros der SED, Minister, seit 1959 im militärischen Rang eines Generalobersten. Erster stellv. Minister ist Generalleutnant Bruno Beater (SED). Weitere Stellv. Minister sind Generalmajor Rudolf Mittig und Generalleutnant Markus Wolf (SED). [S. 737]Letzterer leitet die wichtige Hauptverwaltung Aufklärung. Unter der zusammenfassenden Bezeichnung Staatssicherheitsdienst wird die Zentrale des MfS. mit den in den Bezirken und Kreisen bestehenden Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen, den Beauftragten in den Großbetrieben und Strafanstalten sowie den Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten des 4.000 Mann starken Wachregiments verstanden, das seit dem 15. 12. 1967 den Namen des Begründers der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka, Feliks Dzierzynski, trägt. Die Zentrale befindet sich in Berlin-Lichtenberg. Offizielle Angaben über Aufbau und Gliederung des MfS. werden nicht gemacht. Mit einigem Vorbehalt kann über die Gliederung gesagt werden: In der Hauptverwaltung „Sicherung“ (Abwehr) sind diejenigen Aufgaben zusammengefaßt, die „zur allseitigen Stärkung des Sozialismus, zur rechtzeitigen Aufklärung und konsequenten Verhinderung aller gegen den Sozialismus gerichteten feindlichen Pläne und Absichten“ („Neues Deutschland“ vom 16. 2. 1974) erfüllt werden müssen. Es bestehen dort die Hauptabt. bzw. Abt. „Sicherung der Streitkräfte“, „Abwehr westlicher Nachrichtendienste“ (Nachrichtendienste sozialistischer Staaten sind nicht abzuwehren, denn von dort kann der Natur der Sache nach Spionage nicht begangen werden; Staatsverbrechen Ziff. 2a), „Sicherung der Wirtschaft“, „Bekämpfung von Untergrundorganisationen und verdächtigen Vereinigungen“, „Sicherung der Forschung“, „Sicherung der Deutschen Volkspolizei“, „Verkehrssicherung“ und „Personenschutz“ (PS): Schutz hoher Staats- und Parteifunktionäre. Das Haupttätigkeitsfeld dieser Hauptverwaltung mit ihren 8 operativen Hauptabteilungen ist die DDR selbst. Die Dienststellen des MfS. unterhalten ein weitverzweigtes, alle staatlichen und gesellschaftlichen Bereiche umspannendes Spitzelsystem, das ideologisch mit der notwendigen „politischen Wachsamkeit gegenüber den Feinden der Arbeiterklasse“ begründet wird. Die Spitzel heißen Geheime Informanten (Gl) oder Geheime Mitarbeiter (GM). Über ihre Beobachtungen haben sie regelmäßig Berichte zu erstatten, die sie mit ihren Decknamen unterzeichnen müssen. Nach den Arbeitsrichtlinien des SSD sollen nach Möglichkeit nur solche Personen als Gl verwendet werden, denen die Bevölkerung wegen ihrer dienstlichen oder parteipolitischen Tätigkeit nicht mit besonderer Zurückhaltung begegnet. Spitzel werden entweder durch Überzeugung auf „materieller Basis“ oder unter Druck angeworben und verpflichtet. Die Postüberwachung wird durch die in den größeren Postämtern eingerichteten Kontrollstellen („Stelle 12“) des MfS. durchgeführt. Den Untersuchungsorganen des MfS. obliegt in den wichtigen politischen Strafsachen das Ermittlungsverfahren. Sie verfügen über eigene Gefängnisse in Berlin (Ost) und allen Bezirkshauptstädten der DDR. Wenn auch die im Ermittlungsverfahren bis 1954 festgestellten Vernehmungsmethoden des MfS. (Licht-, Wasser- und Kältezellen, Verpflegungsentzug, schwere Mißhandlungen) selten geworden sind, werden doch immer wieder Einzelheiten über mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Vernehmungspraktiken der Untersuchungsorgane des MfS. bekannt (Strafverfahren). Der unter Leitung von Generallt. Markus Wolf — Sohn des Dramatikers Friedrich Wolf und Bruder des langjährigen Präsidenten der Akademie der Künste, Konrad Wolf — stehenden Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) obliegt die offensive Tätigkeit des MfS., der Einsatz „sozialistischer Kundschafter an der unsichtbaren Front“ (E. Mielke, „Einheit“, Nr. 1/1975, S. 43 ff.). Gemeint ist die vorwiegend gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Spionage- und Subversionstätigkeit des MfS., das sich dabei auf sog. Residenturen (Spionageköpfe innerhalb und außerhalb der DDR) und Agenten stützt. Eine selbständige spezielle Abteilung ist die in Berlin-Johannisthal, Großberliner Damm 101, befindliche Abt. 21 mit dem Aufgabengebiet „Sicherheitsüberprüfung und Rückführungen“. Sie war 1960 als Folge der sich häufenden Übertritte hauptamtlichen MfS.-Personals in den Westen gebildet worden. Sie soll vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen für alle hauptamtlichen MfS.-Mitarbeiter ergreifen und etwaige Flüchtlinge aus den Reihen des MfS. im Westen aufspüren und notfalls unter Gewaltanwendung in die DDR zurückholen. In den 50er Jahren hielten es SED und Staatssicherheitsdienst offenbar für notwendig, bestimmte Personen, die als Gegner der SED in der Bundesrepublik Deutschland oder in Berlin (West) aktiv in Organisationen oder als Journalisten tätig waren oder die aus besonders wichtigen Funktionen in den Westen geflüchtet waren, mit Hilfe gedungener krimineller Elemente gewaltsam oder mittels Täuschung oder durch List in die DDR zu verschleppen. Die dabei angewandten Methoden reichten bis zur Giftbeibringung und zum Überfall auf offener Straße. Die Polizei in Berlin (West) hat seit Herbst 1949 295 Fälle von Entführungen aus Berlin (West) registriert, darunter 87 gewaltsam begangene Menschenraub-Verbrechen und 208 durch List inszenierte Entführungen; in weiteren 81 Fällen blieb es beim Versuch. Besonders krasse Fälle waren: Dr. Walter Linse, Leiter der Abt. Wirtschaftsrecht im Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen, 1952 auf der Straße überfallen, vom Staatssicherheitsdienst an die sowjetischen Behörden übergeben und in die Sowjetunion transportiert, inzwischen für tot erklärt; Journalist Alfred Weiland, 1950 auf der Straße überfallen, inzwischen nach Berlin (West) zurückgekehrt; Journalist Karl-Wilhelm Fricke, 1955 durch Giftbeibringung in einer fremden Wohnung, inzwischen in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt; der ehemalige SSD-Kommissar Silvester Murau, 1955 mit Hilfe der eigenen Tochter durch Betäubung aus der Bundesrepublik Deutschland verschleppt, vermutlich zum Tode verurteilt und hingerichtet; der ehemalige Inspekteur (General) der Volkspolizei Robert Bialek, 1956 unter Giftbeibringung in einer fremden Wohnung, tot (in der Haft verstorben oder hinge[S. 738]richtet); Dr. Erwin Neumann, Leiter der Abt. Wirtschaft im Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen, 1958 beim Segeln auf dem Wannsee in Berlin (West) überfallen und verschleppt. Einige der im Auftrag des SSD tätigen Verbrecher wurden gefaßt und vom Landgericht in Berlin (West) zu z. T. langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Personalstärke des MfS. in Berlin-Lichtenberg wird auf 1500 Offiziere und Unteroffiziere und ca. 1.600 Zivilangestellte geschätzt, die Zahl der Offiziere, Unteroffiziere und Zivilangestellten des Staatssicherheitsdienstes insgesamt auf 17.000 (ohne Wachregiment). Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 736–738 Ministerium für Schwermaschinen- und Anlagenbau A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft

Siehe auch: Ministerium für Staatssicherheit: 1975 1985 Ministerium für Staatssicherheit (MfS): 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 „Zentrales staatliches Organ des Ministerrats der DDR zur Organisation der Abwehr und Bekämpfung konterrevolutionärer Anschläge auf die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR“ („Militärlexikon“, Berlin (Ost) 1971, S. 269). Durch Gesetz vom 8. 2. 1950 (GBl., S. 95) wurde die nach Gründung der DDR im Ministerium des Innern gebildete…

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Medienpolitik (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 I. Grundsätze M. ist ein wesentlicher Bestandteil der Agitation und Propaganda und der staatlichen Machtpolitik der SED zur planmäßigen Beeinflussung des Bewußtseins der Bevölkerung, des „subjektiven Faktors“, zur Erzielung von sozialistischen (kommunistischen) Denk- und Verhaltensweisen. Ihr Ziel ist nicht breiteste Information über alle gesellschaftlich relevanten Vorgänge und Meinungen im In- und Ausland und die generelle Befriedigung des allgemeinen Bildungs- und Unterhaltungsbedürfnisses, sondern vorrangig Indoktrinierung und Meinungsmanipulation („sozialistische Bewußtseinslenkung“) durch „parteiliche“ Information, Darstellung und Kommentierung von Ereignissen und Sachverhalten unter zusätzlicher Nutzung von Bild und Ton. Die sich aus dieser Zielsetzung ergebenden Beschränkungen im Informations- und Unterhaltungsangebot sind gewollt, wenn auch versucht wird, den allgemeinen Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen zunehmend mehr Rechnung zu tragen. Dabei spielt die Konkurrenzsituation zu westlichen Massenmedien (Rundfunk und Fernsehen) eine erhebliche Rolle. Angestrebt wird größere „Massenwirksamkeit“ der eigenen Medien durch ein differenzierteres Angebot ohne Aufgabe der ideologischen Grundsätze: Auch im Zeichen der Friedlichen Koexistenz sollen „Feindbild, Abgrenzung und Normalisierung“ eine „dialektische Einheit“ bilden. Die Konzeption dieser M. geht aus von Lenins Thesen über die Parteipresse als „kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator“. Sie wurden übertragen auf alle Massenkommunikationsmittel (Massenmedien), zu denen, nach SED-eigener Darstellung, nicht nur die im engeren Sinne journalistischen Massenmedien Presse, Rundfunk, Fernsehen gehören, sondern auch Filme (Filmwesen), Bücher und andere nichtperiodische Druckerzeugnisse (u. a. Mitteilungsblätter, Plakate, Flugschriften) sowie Schallplatten und Tonbänder. Besonders die journalistischen Massenmedien werden als „scharfe Waffen“, als „Instrumente der marxistisch-leninistischen Partei und des sozialistischen Staates“ bezeichnet, die auf der Grundlage der Prinzipien der Parteilichkeit gesellschaftliche Informationen verbreiten, die für die „bewußte Gestaltung sozialistischer Beziehungen erforderlich und geeignet [S. 718]sind“, und die dafür „notwendigen Argumentationen“ vermitteln, u. a. auch in „künstlerischen Formen“. „Unsere Partei hat frühzeitig die Wirkungsmöglichkeiten der modernen Massenmedien richtig eingeschätzt. Bei uns sind sie Teil des Machtapparates der herrschenden Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten. Sie sind — wie Lenin sagte — eine Abteilung der Partei“ (Rudi [Rudolf] Singer, 9. ZK-Tagung Oktober 1968). Siehe Rede Honeckers auf dem VIII. Parteitag der SED, Juni 1971, sowie die beiden Beschlüsse des Politbüros des ZK der SED vom 7. 11. 1972 über „Die Aufgaben der Agitation und Propaganda bei der weiteren Verwirklichung der Beschlüsse des VIII. Parteitages der SED“ und vom 18. 5. 1977 (ND 21. 5. 1977): „Die weiteren Aufgaben der politischen Massenarbeit der Partei.“ II. Lenkung und Kontrolle Die Lenkung und Leitung der Massenmedien erfolgt zentral: Die politisch-ideologische Richtlinienkompetenz liegt beim Politbüro der SED, verantwortliches Politbüromitglied ist Joachim Herrmann, seit März 1978 Sekretär des ZK für Agitation und Propaganda (Nachfolger des in Libyen tödlich verunglückten Werner Lamberz). Richtlinien ergehen von der Abteilung Agitation, den Sektoren für Presse, Rundfunk usw. Auf diesem Wege erfolgt auch die direkte Anleitung der SED-eigenen Presse. Staatliche Lenkungs- und Leitungsorgane sind — unter der politisch-organisatorischen Richtlinienkompetenz des Ministerrates der DDR — das weisungsberechtigte — Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates. das Staatliche Komitee für Rundfunk beim Ministerrat, das Staatliche Komitee für Fernsehen beim Ministerrat und die staatliche Nachrichten- und Fotoagentur ADN, deren Generaldirektor vom Vorsitzenden des Ministerrates berufen wird. Für örtliche M. (z. B. Lokal- und Betriebszeitungen) sind die SED-Bezirksleitungen und die Vorsitzenden der Räte der Bezirke zuständig. Zentrale Lenkung und Kontrolle zur „Durchsetzung der Linie der Partei“ (indirekte Zensur) werden ausgeübt — institutionell und inhaltlich — durch: Personalpolitik (Kaderpolitik) der SED und der staatlichen Organe (auch der übrigen Parteien und Massenorganisationen). „Wir haben von jeher an die Mitarbeiter die politischen und moralischen Anforderungen gestellt, die man stellen muß, wenn Genossen in einem Teil des Machtapparates arbeiten dürfen“ (Singer, a. a. O.). Generelle staatliche Lizenzpflicht (zuständig: Presseamt) für alle Massenmedien, soweit sie nicht sowieso zentrale staatliche Einrichtungen sind, wie ADN, Rundfunk und Fernsehen. Lizenzen können, müssen aber nicht erteilt und können jederzeit widerrufen werden. (VO über die Herausgabe und Herstellung periodisch erscheinender Presseerzeugnisse vom 12. 4. 1962.). Staatliche Zuteilung und Mengenbegrenzung (Kontingentierung) aller wichtigen Materialien (Papier usw.) aus dem Volkswirtschaftsplan. Staatliches Vertriebsmonopol, z. B. für alle Presseerzeugnisse des In- und Auslands durch den Postzeitungsvertrieb. Es dürfen nur die Presseerzeugnisse vertrieben, verkauft oder unentgeltlich abgegeben werden, die zur Aufnahme in die Postzeitungsliste zugelassen sind (Postzeitungsvertriebsordnung, GBl. I, 1975, S. 769 ff.). Der Bezug von West-Zeitungen ist genehmigungspflichtig (Zeitungsaustausch). Strafandrohung der politisch-ideologisch interpretierten Paragraphen des Strafgesetzbuches der DDR vom 12. 1. 1968, u. a. § 106: „Staatsfeindliche Hetze“. Einheitliche Ausbildungsrichtlinien für Journalisten und deren Weiterbildung (Schulung) auch von „Volkskorrespondenten“ durch den „Verband der Journalisten der DDR“ (Journalismus). (Zur Kontrolle von Journalisten anderer Staaten in der DDR Korrespondenten.) Sprachregelung in den verbindlichen Argumentationsrichtlinien der Agitationsabteilung des ZK, in den Kommuniqués und „Presse-Informationen“ des Presseamtes und in der „parteilichen“ Nachrichtenpolitik von ADN. Nachrichtengebung wird verstanden als „Agitation durch Tatsachen“, innerhalb der Medien durch Plandirektiven „auf der Grundlage der Beschlüsse von Partei und Regierung“ für Quartals- oder Perspektivpläne. Monats- und Dekadenpläne (z. B. monatlicher Leitartikelplan) mit Agitationsschwerpunkten für die einzelnen Fachbereiche und durch die Funktion von Kritik und Selbstkritik. Die Feststellung im Art. 27 der DDR-Verfassung von 1968 (auch in der Neufassung vom 7. 10. 1974): „Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet“, bedeutet nach dem Selbstverständnis der Verfassungsrechtler der DDR keinen Widerspruch. Sie wird im offiziellen Kommentar zur DDR-Verfassung u. a. so interpretiert: „Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens zu sichern heißt deshalb vor allem, keinerlei Mißbrauch der Massenmedien für die Verbreitung bürgerlicher Ideologien zu dulden und ihre Tätigkeit bei der Verbreitung der marxistisch-leninistischen Ideologie, als Foren des schöpferischen Meinungsaustausches der Werktätigen bei der Organisierung des gemeinsamen Handelns der Bürger für die gemeinsamen sozialistischen Ziele voll zu entfalten.“ III. Medienpolitik nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 Die inhaltlichen Schwerpunkte der M. ergeben sich jeweils aus den verbindlichen Beschlüssen des letzten SED-Parteitages, den folgenden Tagungen des [S. 719]SED-Zentralkomitees und den Beschlüssen des Ministerrates. Seit dem VIII. Parteitag der SED (Juni 1971) stehen im Vordergrund: Die allseitige Integration der DDR in die sozialistische Staatengemeinschaft, die Vorbildrolle der Sowjetunion, die Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland (Auslandsverhältnis), die politisch-ideologische Immunisierung der Bevölkerung gegen alle Formen des „Antikommunismus und Antisowjetismus“ (gegen „bürgerliche Ideologie, Nationalismus, Sozialdemokratismus, Revisionismus, Maoismus“) sowie die aktuelle ökonomische Agitation zur Erfüllung und Übererfüllung der wirtschaftlichen Planziele (sozialistischer Wettbewerb, Steigerung der Arbeitsproduktivität, Senkung des Materialverbrauchs, Einführung moderner wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse in die Produktion als Voraussetzung zur Realisierung der ökonomischen Hauptaufgabe). Vor allem im Rundfunk und im Fernsehen ist das Informations- und Unterhaltungsangebot verbessert worden. „Antworten“-Sendungen wurden informativer. Interpretationen der Wirtschafts- und Versorgungslage realistischer. In der politischen Information dominiert jedoch weiterhin der ermüdende Kommuniqué-, Protokoll- und Agitationsstil. Zugeständnisse an den Publikumsgeschmack sind mehr Musik- und Unterhaltungssendungen (auch mit westlichen Schlagerstars), mehr Lustspiele, die Übernahme englischer und französischer Kriminalfilme, eine durch Magazinsendungen aufgelockerte Programmgestaltung vor allem für die Jugend mit starker Anpassung an westliche Musik. Dem Unterhaltungsbedürfnis soll auch künftig mehr Rechnung getragen und damit gleichzeitig die Abwanderung zu westlichen Medien gestoppt werden. Vorherrschend bleiben jedoch weiterhin Eigenproduktionen und Übernahmen aus der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten. Fernsehen; Rundfunk. Die Berichterstattung über den Westen wurde im Zeichen der „Normalisierung“ im Nachrichtenstil formaler (ohne früher übliche aggressive Denunzierungen). Sie beschränkt sich darüber hinaus im wesentlichen auf das Krisen-Geschehen im „Kapitalismus“ (Vermittlung eines negativen Bildes durch eigene Korrespondenten oder durch entsprechend zusammengestellte Zitate aus westlichen Zeitungen), auf die Wiedergabe von Stellungnahmen der dortigen kommunistischen Parteien sowie positiver westlicher Stimmen zu östlichen Ereignissen und Vorschlägen. Generell gilt das auch für die Berichterstattung über die Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), wenn auch hier die Kommentierung aus der Sicht der SED ausgeprägter ist („Die Unterstützung des Klassenkampfes in der BRD ist oberstes Anliegen“). Nur die direkten Appelle an die westdeutsche Bevölkerung sind im Zuge der Abkehr von der gesamtdeutschen Konzeption Ulbrichts aufgegeben worden. In Anpassung an die neue Politik der Abgrenzung (Leugnung der Einheit der Nation) wurde der Deutschlandsender in „Stimme der DDR“ umbenannt; der „Deutsche Freiheitssender 904“, der „Deutsche Soldatensender 935“ und die speziell für Berlin (West) sendende „Berliner Welle“ stellten ihre Sendungen ein. Die Nationalhymne der DDR wird seit dem 1. 8. 1971 ohne Gesang („Deutschland, einig Vaterland“) gespielt (Radio DDR und Berliner Rundfunk zum Programmschluß). Generalsekretär Erich Honecker forderte auf dem IX. Parteitag der SED (Mai 1976): „Alle Massenmedien stehen vor der Aufgabe, den neuen Anforderungen der Innen- und Außenpolitik mit immer größerer Wirksamkeit gerecht zu werden. Dies gilt um so mehr, als unter unseren Bedingungen die ideologische Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie vor allem im Äther in voller Schärfe und ohne Pause sozusagen täglich rund um die Uhr stattfindet.“ IV. Wertung Die Wirkung der M. der SED ist in der DDR selbst umstritten. Die vermeintlichen Vorteile einer derart administrativen „sozialistischen Bewußtseinslenkung“ wirken sich in der Praxis auch nachteilig aus: Der Zwang zur Herstellung einer „einheitlichen“ Meinung, die einseitige, lückenhafte Information und der auf die Dauer ermüdende Agitationsstil mit vorgegebenem Sprachschatz, die Monotonie vor allem der Tagespresse stumpfen ab, mindern das Interesse. „übersättigen“ und bauen emotionale Barrieren der Ablehnung auf. Die Befriedigung des Informations- und Unterhaltungsbedürfnisses wird anderswo gesucht — nicht zuletzt bei westlichen Medien. Ein Empfangsverbot für Rundfunk- und Fernsehsendungen aus dem Westen und besonders aus der Bundesrepublik Deutschland hat sich als nicht durchsetzbar erwiesen — auch für Partei- und Staatsfunktionäre sind die westlichen Medien eine geschätzte Informationsquelle. Das parteiliche und staatliche Informations- und Meinungsmonopol wird zudem durch steigenden Reise- und Besuchsverkehr (auch zwischen den östlichen Nachbarstaaten) immer mehr durchbrochen. Die parteilichen Darstellungen der sozialistischen Gegenwart gleichen mehr dogmatischen Wunschinterpretationen („verändernde Widerspiegelung“) statt Widerspiegelungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit und ihrer Problematik: Während vor allem das Alltagsleben das Bewußtsein der Bevölkerung bestimmt, wird versucht, ein Bewußtsein des Seinsollenden zu vermitteln. Die Kluft zwischen Agitation und Wirklichkeit stellt daher die Glaubwürdigkeit der eigenen Massenmedien ständig in Frage. Die administrative Tendenz zur einheitlichen Interpretation gesellschaftlicher Vorgänge verhindert, [S. 720]daß Alternativen auch zur Lösung von Einzelproblemen öffentlich diskutiert werden können. Von der offiziellen Linie abweichende Stellungnahmen, z. B. der Kirchen, werden von den Partei- und staatlichen Medien nicht veröffentlicht; nicht genehme Diskussionsbeiträge, Bücher und Filme fallen der Zensur zum Opfer. Statt einer öffentlichen Meinung wird ein Zwitter hervorgebracht: eine von der SED produzierte, gleichsam offizielle Meinung für die Öffentlichkeit und eine andere, die eigene Meinung, die sich unterschwellig summiert. Ein daraus resultierendes Mißtrauen zwischen Herrschenden und Beherrschten, aber auch untereinander, trägt permanent zur Aufrechterhaltung eines instabilen Verhältnisses zwischen SED und Bevölkerung bei. Die dogmatisierten Grundsätze der M. sind indessen unverändert geblieben, Anpassungen an die jeweilige Generallinie der SED, Wandlungen in der Kulturpolitik und die Nutzung erster Ergebnisse soziologischer und psychologischer Forschung, z. B. für die Programmgestaltung von Rundfunk und Fernsehen, haben zwar ihre Auswirkungen gehabt; die agitatorische Aufgabenstellung, die „Parteilichkeit“ und die zentrale Lenkung und Kontrolle wurden jedoch niemals in Frage gestellt. Auch das Bestreben, Agitation mit mehr Information zu verbinden, soll nur die eigene Politik verständlicher machen, läßt jedoch nicht auf einen grundsätzlichen Wandel in der Informations- und M. schließen. Wilfried Schulz Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 717–720 Medaillen A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Medizinische Akademie

Siehe auch die Jahre 1975 1985 I. Grundsätze M. ist ein wesentlicher Bestandteil der Agitation und Propaganda und der staatlichen Machtpolitik der SED zur planmäßigen Beeinflussung des Bewußtseins der Bevölkerung, des „subjektiven Faktors“, zur Erzielung von sozialistischen (kommunistischen) Denk- und Verhaltensweisen. Ihr Ziel ist nicht breiteste Information über alle gesellschaftlich relevanten Vorgänge und Meinungen im In- und Ausland und die generelle Befriedigung des allgemeinen…

DDR A-Z 1979

Strafverfahren (1979) Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Gesetzliche Grundlage Das St. regelt sich nach der Strafprozeßordnung (StPO) vom 12. 1. 1968 (GBl. I, S. 49), die mit ihrem Inkrafttreten am 1. 7. 1968 die im Zuge der ersten Justizreform geschaffene StPO vom 2. 10. 1952 abgelöst hat. Sie gilt nunmehr in der Fassung des 1. Änderungsgesetzes zur Strafprozeßordnung vom 19. 12. 1974 (GBl. I, S. 597) und des 2. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 7. 4. 1977 (GBl. I, S. 100). Die StPO regelt die Voraussetzungen der Strafverfolgung, das Verfahren der staatlichen Gerichte, des Staatsanwalts und der staatlichen Untersuchungsorgane. Auf Verfahren vor den Gesellschaftlichen [S. 1066]Gerichten und in Ordnungsstrafverfahren (Ordnungswidrigkeiten) findet die StPO keine Anwendung. II. Grundsatzbestimmungen Nach § 1 StPO dient das St. „der gerechten Anwendung des sozialistischen Strafrechts und damit dem Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und jedes Bürgers. Es sichert, daß jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird“. Mit dem St. sollen die Ursachen und Bedingungen von Straftaten beseitigt und neuen Straftaten vorgebeugt werden. Auf diese Weise soll das St. beitragen „zum Schutz der sozialistischen Gesellschaftsordnung und ihres Staates und der Rechte und gesetzlich geschützten Interessen der Bürger vor Straftaten, zur Gestaltung der sozialistischen Beziehungen der Bürger zu ihrem Staat und im gesellschaftlichen Zusammenleben und zur Entwicklung der schöpferischen Kräfte des Menschen und der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (§ 2 Abs. 3 StPO). In Übereinstimmung mit der Verfassung verpflichtet auch die StPO die Gerichte und die Strafverfolgungsorgane, die Grundrechte und die Würde des Menschen zu achten. Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Unantastbarkeit der Person, Unverletzlichkeit des Eigentums, der Wohnung und des Post- und Fernmeldegeheimnisses werden garantiert. Willkürliche und unangemessene Strafverfolgungshandlungen sollen, wie der Lehrkommentar zum Strafrecht der DDR ausführt (S. 51), unzulässig sein. Die aus diesen allgemeinen Grundsätzen abgeleitete Auffassung, daß Vernehmungsmethoden, die die Menschenwürde verletzen, unzulässig sind, haben zur Abkehr von Foltermethoden geführt, die insbesondere der Staatssicherheitsdienst (Ministerium für Staatssicherheit) in den 50er Jahren praktiziert hat. Nach wie vor ist jedoch die Praxis des SSD von dem Ziel bestimmt, ein Geständnis des Beschuldigten zu erhalten. Die Methoden, ein Geständnis zu erzielen, sind vielseitig. Es wurden Dauerverhöre bis zur völligen Erschöpfung des Vernommenen ebenso festgestellt wie Versprechungen für vorzeitige Haftentlassung oder Zusagen, von Repressalien gegen Familienangehörige absehen zu wollen. Eine Schutzvorschrift gegen verbotene Vernehmungsmethoden wie im Recht der Bundesrepublik Deutschland (§ 136 a StPO) gibt es in der DDR nicht. Ausdrücklich hervorgehoben sind in den Grundsatzbestimmungen der StPO die richterliche Unabhängigkeit. das Rechtsprechungsmonopol der Gerichte, das Verbot doppelter Bestrafung („ne bis in idem“), das Recht auf Verteidigung (Verteidiger) und das Prinzip der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung, von dem nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen abgewichen werden darf. Unter Berufung auf eine Gefährdung der Sicherheit des Staates oder auf „die Notwendigkeit der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen“ (§ 211 Abs. 3 StPO) ist allerdings der Ausschluß der Öffentlichkeit ziemlich leicht zu erreichen. Nichtöffentlich werden St. gegen ehemalige Volkspolizisten und Armeeangehörige sowie solche politische St. verhandelt, in denen der Angeklagte trotz aller Bemühungen nicht zu einem Geständnis gebracht wurde und die Zeugenaussagen oder sonstigen Beweismittel wenig überzeugend sind. Wenn aber von einem St. eine besondere erzieherische Wirkung erwartet wird, dann sollen die Gerichte die Verhandlungen unmittelbar in Betrieben, Genossenschaften pp. zu einer Tageszeit durchfuhren, die es den Werktätigen ermöglicht, daran teilzunehmen. In Schauprozessen wird die Öffentlichkeit häufig dadurch beeinträchtigt, daß nur ein bestimmter und speziell ausgesuchter Kreis von Zuhörern zugelassen wird. Am St. kann auch der durch eine Straftat Geschädigte mitwirken. Er ist berechtigt, Schadensersatzanträge geltend zu machen. Beweisanträge zu stellen und Beschwerde in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen einzulegen. In St. gegen Jugendliche gelten keine besonderen Grundsätze; es soll aber auf die entwicklungsbedingten Besonderheiten der Beschuldigten Rücksicht genommen und eng mit den Organen der Jugendhilfe zusammengearbeitet werden. Die Eltern und anderen Erziehungsberechtigten sowie die Schule, der Lehrbetrieb, die Jugendorganisation und sonstige gesellschaftliche Kräfte sind am Verfahren zu beteiligen. III. Ermittlungsverfahren A. Einleitung und Abschluß Das St. gliedert sich in das Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren. Das Ermittlungsverfahren wird unter Leitung der Staatsanwaltschaft von den staatlichen Untersuchungsorganen (UOrg) durchgeführt. Dies sind die Kriminalpolizei, der Staatssicherheitsdienst und die zuständigen Dienststellen der Zollverwaltung (bei Zoll- und Devisenvergehen). Die UOrg haben die Befugnis, durch schriftlich begründete Verfügung ihres Leiters die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens anzuordnen und dieses Verfahren durchzuführen. Von ihrer Weisungsbefugnis macht die Staatsanwaltschaft in der Praxis gegenüber dem Staatssicherheitsdienst keinen Gebrauch. Der Leiter eines UOrg ist auch befugt, das Ermittlungsverfahren selbständig einzustellen (§§ 141, 143 StPO) oder an ein Gesellschaftliches Gericht zu übergeben (§ 142 StPO). Erfolgt das nicht, so hat das UOrg die Akten dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammenfaßt, zu übergeben. Alle Ermittlungsverfahren sollen innerhalb einer Frist von höchstens 3 Monaten abgeschlossen [S. 1067]sein. Überschreitungen dieser Höchstfrist bedürfen der Genehmigung des Bezirksstaatsanwalts, die in der Regel erteilt wird. Bereits im Ermittlungsverfahren ist den Betriebsleitungen, Dienststellen oder gesellschaftlichen Einrichtungen Mitteilung zu machen, wenn gegen einen Mitarbeiter des Betriebes pp. der Verdacht einer Straftat besteht. B. Zwangsmittel Zwangsmittel im Ermittlungsverfahren sind Durchsuchung, Beschlagnahme, vorläufige Festnahme und Verhaftung (Untersuchungshaft). Obwohl § 121 StPO vorschreibt, daß jede Beschlagnahme einer richterlichen Bestätigung bedarf, wird diese in der Mehrzahl der Fälle nicht eingeholt, vor allem dann nicht, wenn die Beschlagnahme von der Zollverwaltung vorgenommen wird, die das Recht zur selbständigen Anordnung von Beschlagnahmen hat. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft sind, daß gegen den Beschuldigten dringende Verdachtsgründe vorliegen und daß Fluchtverdacht, Verdunklungsgefahr oder Wiederholungsgefahr gegeben sind, daß ein Verbrechen (Strafrecht) den Gegenstand des Verfahrens bildet oder daß bei einem schweren fahrlässigen Vergehen der Ausspruch einer Freiheitsstrafe von über 2 Jahren zu erwarten ist. Untersuchungshaft kann schließlich auch dann verhängt werden, wenn die den Gegenstand des Verfahrens bildende Tat mit Haftstrafe oder als Militärstraftat mit Strafarrest (Strafensystem) bedroht ist. Bei „Verbrechen“ im Sinne des StGB bedarf es also zur Anordnung der Untersuchungshaft keines zusätzlichen Fluchtverdachts, keiner Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr. Das trifft mithin zu bei Aggressionsverbrechen, Staatsverbrechen, vorsätzlichen Straftaten gegen das Leben und bei anderen Straftaten, wenn entweder mindestens 2 Jahre Freiheitsstrafe angedroht oder mehr als 2 Jahre Freiheitsstrafe erwartet werden. Gegen einen richterlichen Haftbefehl ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, aber nur ein einziges Mal, und zwar binnen einer Woche nach Erlaß des Haftbefehls. Eine weitere Beschwerde gibt es nicht. Ein formales Haftprüfungsverfahren kennt das DDR-Strafprozeßrecht gleichfalls nicht. § 131 StPO beschränkt sich auf die allgemeine Klausel: „Der Staatsanwalt und nach Einreichung der Anklageschrift auch das Gericht haben jederzeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Untersuchungshaft noch vorliegen. Das Ergebnis ist zum Zwecke der Nachprüfung aktenkundig zu machen.“ § 130 StPO schreibt vor, daß dem Verhafteten nur die Beschränkungen auferlegt werden dürfen, die der Zweck der Untersuchungshaft, die Ordnung der Anstalt oder die Sicherheit erfordern. Trotzdem ist vor allem im politischen St. das Recht des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten, zusätzlich Lebensmittel zu erhalten. Bücher und Zeitschriften zu lesen, zu schreiben und Besuche zu empfangen, in der Praxis so starken Einschränkungen unterworfen, daß es als nicht bestehend angesehen werden kann. Der Untersuchungsgefangene befindet sich in einer fast totalen Isolierung von der Außenwelt, z. T. auch von Mitgefangenen. Erheblichen Einschränkungen unterliegt der Untersuchungsgefangene auch im brieflichen oder persönlichen Verkehr mit seinem Verteidiger. C. Beweismittel Als Beweismittel werden von der StPO für zulässig erklärt: Zeugenaussagen und Aussagen sachverständiger Zeugen, Sachverständigengutachten, Aussagen von Beschuldigten und Angeklagten, Beweisgegenstände und Aufzeichnungen. Beweismittel sind auch die Aussagen von „Vertretern der Kollektive“ (s. u. Ziff. 5), soweit sie die Mitteilung von Tatsachen zum Inhalt haben. Unter Beweisgegenständen sind Sachen zu verstehen, „die durch ihre Beschaffenheit und Eigenart oder ihre Beziehung zu der Handlung, die Gegenstand der Untersuchung ist, Aufschluß über die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen sowie den Beschuldigten oder den Angeklagten geben“ (§ 49 Abs. 1). Aufzeichnungen sind „Schriftstücke oder in anderer Form fixierte Mitteilungen. deren Inhalt für die Aufklärung der Handlungen, deren Ursachen und Bedingungen und der Person des Beschuldigten oder des Angeklagten von Bedeutung sind“ (§ 49 Abs. 2). Mit dieser Definition soll den Erfordernissen der modernen Technik Rechnung getragen werden, so daß also auch Tonbandaufzeichnungen zu den Beweismitteln zählen. Ehegatten und Geschwister des Beschuldigten oder Angeklagten und Personen, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder unter Annahme an Kindes Statt verbunden sind, sind zur Verweigerung der Zeugenaussage ebenso berechtigt wie Geistliche, Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Zahnärzte, Psychologen, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen bei der Ausübung ihres Berufes oder ihrer Tätigkeit anvertraut oder bekannt geworden ist. Der Kreis der zur Aussageverweigerung berechtigten Personen ist kleiner als nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Ausnahme für Geistliche besteht das Aussageverweigerungsrecht für den gesamten Personenkreis nicht, soweit nach dem Strafgesetz eine Pflicht zur Anzeige besteht. Das ist u. a. nach § 225 StGB bei allen Staatsverbrechen der Fall. Sachverständige, die bei staatlichen Einrichtungen angefordert werden sollen, können vom Angeklagten nicht abgelehnt werden. Der Beschuldigte ist zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung zu vernehmen. Ein Recht, jede Äußerung zur Beschuldigung abzulehnen oder schon vor seiner Vernehmung einen zu wählenden Verteidiger zu befragen, gewährt die StPO nicht. [S. 1068]<D. Abschluß des Ermittlungsverfahrens> Das Ermittlungsverfahren schließt mit der Einstellung des Verfahrens, der Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Gericht, der vorläufigen Einstellung des Verfahrens oder der Übergabe des Verfahrens an den Staatsanwalt. Der Staatsanwalt fällt seinen Entschluß nach Prüfung des vom Untersuchungsorgan vorgelegten Schlußberichts. Er kann folgende Entscheidungen treffen: Einstellung, vorläufige Einstellung, Übergabe an ein gesellschaftliches Gericht, Rückgabe an das Untersuchungsorgan (mit bestimmten Weisungen), Erhebung der Anklage, Beantragung eines Strafbefehls. IV. Das Gerichtsverfahren A. örtliche Zuständigkeit In den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte ist die in der NS-Zeit aufgenommene Bestimmung enthalten, daß auch das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bereich der Beschuldigte oder Angeklagte auf Anordnung eines staatlichen Organs untergebracht ist (§ 170 Abs. 3). Hierdurch ist es dem Untersuchungsorgan möglich, die gerichtliche Zuständigkeit durch Begründung eines entsprechenden Verwahrungsortes eines inhaftierten Beschuldigten zu bestimmen. B. Eröffnungsbeschluß Das Gericht beschließt über die Eröffnung oder die Nichteröffnung des Hauptverfahrens unter Mitwirkung der Schöffen. Es kann auch die vorläufige oder endgültige Einstellung des Verfahrens, die Rückgabe an den Staatsanwalt sowie die Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Gericht beschließen. Die Anklageschrift und der Eröffnungsbeschluß müssen dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zur Hauptverhandlung zugestellt werden. Bei Gefährdung der Staatssicherheit oder bei Notwendigkeit der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen wird die Anklageschrift nicht zugestellt, sondern dem (dann in der Regel inhaftierten) Angeklagten nur zur Kenntnis gebracht (§ 203 Abs. 3). C. Hauptverhandlung und Beweisaufnahme In der Hauptverhandlung soll das Gericht „die Art und Weise der Begehung der Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden, die Persönlichkeit des Angeklagten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in belastender und entlastender Hinsicht allseitig und unvoreingenommen“ feststellen (§ 222). Der Angeklagte ist zu vernehmen. Eine Bestimmung des Inhalts, daß es dem Angeklagten freisteht, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 243 Abs. 4 StPO der Bundesrepublik Deutschland), ist in der StPO/DDR nicht enthalten; der Angeklagte ist zur Aussage verpflichtet. Aussagen des Angeklagten, die in einem richterlichen, staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Protokoll über eine frühere Vernehmung enthalten sind, können durch Verlesung zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden. Das Plenum des OG hat in einer Richtlinie vom 16. 3. 1978 (GBl I, S. 169) Grundsätze zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im Strafprozeß besonders herausgestellt. Zunächst gilt der Grundsatz der Wissenschaftlichkeit und Unvoreingenommenheit der Beweisführung, wobei eine Einheit von Wahrheit, Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit angenommen wird. Der Grundsatz der Präsumtion der Unschuld wird ausdrücklich als in enger Beziehung zum Grundsatz der Wissenschaftlichkeit und Unvoreingenommenheit der Beweisführung stehend genannt. Die Beweisführungspflicht des Gerichts umfaßt die Pflicht, alle erforderlichen Beweismittel festzustellen und der Beweisführung zugrunde zu legen, das Recht des Angeklagten, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, das Verbot, dem Angeklagten eine Beweisführungspflicht aufzuerlegen. Aus dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ergibt sich, daß für die Urteilsfindung nur solche Beweismittel herangezogen werden können, die Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung waren. Angeklagte, Zeugen und Kollektivvertreter sind in der gerichtlichen Beweisaufnahme grundsätzlich mündlich zu vernehmen, Beweisgegenstände sind grundsätzlich in der Hauptverhandlung vorzulegen, Aufzeichnungen im erforderlichen Umfang den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu bringen. Aussagen von Zeugen dürfen aber gemäß § 225 Abs. 1 Ziffer 2 StPO durch Verlesen des Protokolls über eine frühere Vernehmung ersetzt werden, wenn dem Erscheinen des Zeugen u. a. nicht zu beseitigende oder erhebliche Hindernisse entgegenstehen. Zum Geständnis des Angeklagten legt die Richtlinie fest, daß dadurch das Gericht nicht von der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit entbunden wird. Das Geständnis ist insbesondere dann kein ausreichender Beweis, wenn aus anderen Quellen begründete Zweifel bestehen. Zur rationellen Gestaltung des Verfahrens ist aber immer zu prüfen, ob es bei Vorliegen eines Geständnisses noch der Vernehmung von Zeugen bedarf, wenn das Geständnis bereits mit anderen Beweismitteln übereinstimmt. Am Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt, der gesellschaftliche Ankläger, der gesellschaftliche Verteidiger, der Angeklagte oder sein Verteidiger das Wort zu ihren Ausführungen und Anträgen. Den Angeklagten gebührt das letzte Wort. D. Urteil Die Hauptverhandlung schließt mit dem Urteil oder [S. 1069]mit einem auf Einstellung oder vorläufige Einstellung lautenden Beschluß. Bei einem auf Freispruch lautenden Urteil sind Formulierungen, welche die Unschuld des Freigesprochenen in Zweifel ziehen (Freispruch „mangels Beweises“ oder „mangels ausreichenden Beweisen“), unzulässig. Nicht auf Freisprechung, sondern auf Einstellung des Verfahrens durch Beschluß ist zu erkennen, wenn Voraussetzungen für die Strafverfolgung fehlen, jugendliche Angeklagte eine mangelnde Entwicklungsreife aufweisen oder der Angeklagte zurechnungsunfähig ist. Das Urteil des Gerichts ist während der Beratung schriftlich zu begründen, von allen Richtern (auch den Schöffen) zu unterschreiben und öffentlich „Im Namen des Volkes“ zu verkünden. E. Hauptverhandlung gegen Flüchtige und Abwesende Die gesetzliche Regelung über die Hauptverhandlung gegen Flüchtige und Abwesende geht recht weit. Jedes Verfahren kann auch gegen einen Abwesenden oder Flüchtigen durchgeführt werden. Als flüchtig gilt, wer sich dem Gerichtsverfahren dadurch entzieht, daß er sich außerhalb des Gebietes der DDR aufhält oder sich verbirgt. Diese Bestimmungen über die Durchführung der Hauptverhandlung gegen Flüchtige finden auch auf Personen Anwendung, denen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden und die sich außerhalb der DDR aufhalten (§ 262). V. Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte An der Auseinandersetzung mit einem straffällig gewordenen Bürger soll sich nicht nur das Gericht, sondern auch die Gesellschaft beteiligen. Die StPO bestimmt in § 4, daß die „Bürger in Verwirklichung ihres grundlegenden Rechts auf Mitgestaltung aller staatlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten aktiv und unmittelbar an der Durchführung des Strafverfahrens“ teilnehmen. Als Formen der Mitwirkung werden erwähnt: Schöffen (Rechtswesen), Vertreter der Kollektive, gesellschaftliche Ankläger, gesellschaftliche Verteidiger und Übernahme von Bürgschaften. Bereits der Rechtspflege-Erlaß des Staatsrats vom 4. 4. 1963 hatte angeordnet, daß die Gerichte in St. Vertreter von sozialistischen Brigaden, Hausgemeinschaften oder anderen Kollektiven der Werktätigen zur Teilnahme an der Hauptverhandlung laden sollen. A. Vertreter der Kollektive Nach § 53 StPO haben Vertreter der Kollektive (VdK) zur allseitigen Aufklärung der Straftaten, ihrer Ursachen und Bedingungen und der Persönlichkeit des Angeklagten im St. mitzuwirken. Als VdK können Personen von einem Kollektiv aus dem Arbeits- und Lebensbereich des Beschuldigten oder Angeklagten beauftragt werden. Neben dem Vertreter des Arbeitskollektivs kann ein Vertreter aus dem Wohngebietskollektiv, aus einer gesellschaftlichen Organisation oder aus der Interessenssphäre des Beschuldigten, z. B. Sportgemeinschaft, benannt werden. Der VdK soll dem Gericht die Meinung des Kollektivs zur Straftat, zu ihren Ursachen und begünstigenden Umständen und den vorhandenen Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung darlegen. Er soll auch die Person des Angeklagten, insbesondere dessen Arbeitsmoral und seine Arbeitsleistungen, einschätzen und damit zur Erziehung und Selbsterziehung des straffällig gewordenen Bürgers und zur Verhütung weiterer Straftaten beitragen. Der VdK hat im Unterschied zu den Zeugen das Recht auf ununterbrochene Anwesenheit in der Hauptverhandlung (§ 221 StPO) und darf auch nach seiner Vernehmung bis zum Schluß der Beweisaufnahme zu allen bedeutenden Fragen Stellung nehmen (§ 227 StPO). Anträge zur Schuld- und Straffrage darf er aber nicht stellen. B. Gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger Neben den VdK oder an dessen Stelle kann ein gesellschaftlicher Ankläger (GA) oder gesellschaftlicher Verteidiger (GV) treten. Als GA oder GV können Volksvertreter, Vertreter der Ausschüsse der Nationalen Front, Vertreter der Gewerkschaften, der ehrenamtlichen Organe der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion, anderer gesellschaftlicher Organisationen sowie sozialistischer Kollektive in der Hauptverhandlung mitwirken. Voraussetzung ist, daß sie von ihrem Kollektiv einen entsprechenden Auftrag haben und vom Gericht durch Beschluß zugelassen werden. Der ablehnende oder zulassende Beschluß, an dem auch die Schöffen mitwirken müssen, unterliegt nicht der Beschwerde (§ 197). Die GA und GV haben in der Hauptverhandlung eine andere Stellung als die Vertreterder Kollektive. Ihre Darlegungen sind keine Beweismittel. Sie sollen dem Gericht die Auffassung des Kollektivs zur Tat und zur Persönlichkeit des Angeklagten vortragen. Sie können Beweisanträge stellen und ihre Ansicht über die Bestrafung und das Strafmaß darlegen (§ 54 Abs. 2). Das Gericht hat sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen und in seiner Entscheidung zu ihren Vorbringen, Anträgen und Vorschlägen Stellung zu nehmen. Im Jahr 1977 haben 44.100 „Werktätige“ als VdK, GA oder GV an St. mitgewirkt (Neue Justiz 1978, H. 9, S. 373). Ein GA soll insbesondere dann beauftragt werden, wenn der Verdacht einer schwerwiegenden, die sozialistische Gesetzlichkeit im besonderen Maße verletzenden Straftat besteht und dadurch oder auch durch den Verdacht einer weniger schwerwiegenden Straftat besondere Empörung in der Öffentlichkeit oder im betreffenden Kollektiv hervorgerufen wurde. Ein GV soll beauftragt werden, wenn nach der Auffassung des Kollektivs oder gesellschaftlichen [S. 1070]Organs unter Berücksichtigung der Schwere des bestehenden Tatverdachts und des bisherigen Verhaltens des Beschuldigten oder des Angeklagten eine Strafe ohne Freiheitsentzug oder der Verzicht auf eine Strafe möglich erscheinen. GA oder GV sind zur Hauptverhandlung zu laden, Anklageschrift und Eröffnungsbeschluß sind ihnen jedoch nicht zu übersenden. Sie haben das Recht, nach ihrer Zulassung Einsicht in die Akten zu nehmen. Sie sind in der Hauptverhandlung vorzustellen und im Urteilsrubrum aufzuführen. In einem Strafverfahren kann sowohl ein GA als auch ein GV auftreten, die jedoch nicht vom selben Kollektiv oder Organ beauftragt sein dürfen. Dem Staatsanwalt, dem Angeklagten und seinem Verteidiger ist mitzuteilen, wer als GA oder GV zugelassen wurde. Begründete Einwendungen gegen die Person des Zugelassenen soll der Angeklagte dem Gericht unverzüglich zur Kenntnis bringen. Ob in diesem Falle, wie dies noch die aufgehobene Richtlinie Nr. 22 des Plenums des OG vom 14. 12. 1966 (GBl. II, 1967, S. 17) vorschrieb, das Gericht den Zulassungsbeschluß aufheben muß, wenn das Kollektiv keinen anderen GA oder GV beauftragt, geht aus der StPO nicht eindeutig hervor. VI. Rechtsmittel Rechtsmittel sind die Berufung des Angeklagten, der Protest der Staatsanwaltschaft und die Beschwerde. Die Einlegungsfrist beträgt eine Woche nach Verkündigung der angefochtenen Entscheidung. Eine Begründung für das eingelegte Rechtsmittel ist nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Berufung und Protest sollen aber begründet werden. Die Berufung des Angeklagten kann durch das Rechtsmittelgericht ohne Hauptverhandlung durch einstimmigen Beschluß als „offensichtlich unbegründet“ verworfen werden, während über den form- und fristgerecht eingelegten Protest der Staatsanwaltschaft immer verhandelt werden muß. Eine im Entwurf zur StPO insoweit zunächst vorgesehene Gleichbehandlung von Berufung und Protest wurde bei der endgültigen Fassung des Gesetzes wieder fallengelassen, so daß es also bei dieser dem St.-Recht der Bundesrepublik unbekannten Beschlußverwerfung des Rechtsmittels bei der Besserstellung der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Angeklagten verblieben ist. Ein Rechtsmittel gegen zweitinstanzliche Entscheidungen, wie etwa die „Revision“, gibt es nicht. Die Beschwerde ist zulässig gegen alle von den Gerichten in erster Instanz erlassenen Beschlüsse, sofern diese nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzogen sind. Durch Einlegung der Beschwerde wird die Durchführung des angefochtenen Beschlusses nicht gehemmt. Eine „weitere Beschwerde“ gibt es nicht. Rechtskräftige Urteile können durch die in der Praxis kaum vorkommende Wiederaufnahme des Verfahrens angefochten werden, deren Einleitung aber nur durch den Staatsanwalt erfolgen kann. Ein bedeutsames Institut für die Beseitigung von rechtskräftigen Entscheidungen, die nicht der sozialistischen Gesetzlichkeit entsprechen, ist die Kassation. VII. Kosten Gerichtskosten für die Durchführung eines St. werden nicht erhoben. Der Verurteilte hat lediglich die Auslagen des Verfahrens zu tragen. Das sind Auslagen des Staatshaushalts und notwendige Auslagen eines am Verfahren Beteiligten. Auslagen des Staatshaushalts sind die Aufwendungen, die bei der Vorbereitung und Durchführung des gerichtlichen Verfahrens für die Entschädigung von Zeugen, Vertretern der Kollektive, Sachverständigen und Pflichtverteidigern, für Post-, Fernsprech- und Telegrammgebühren sowie für ähnliche Zwecke oder für die Veröffentlichung der Entscheidung entstehen, soweit sie 3 Mark übersteigen (§ 362 StPO). Die weiteren Aufwendungen der Untersuchungsorgane und der Staatsanwaltschaft gehören nicht zu diesen Auslagen. Notwendige Auslagen eines am Verfahren Beteiligten sind dessen Aufwendungen bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere Verdienstausfall und Reisekosten sowie erstattungsfähige Kosten des gewählten Verteidigers des Angeklagten und des Rechtsanwalts des Geschädigten (§ 362 Abs. 4 StPO). Verurteilten, die nicht Bürger der DDR sind und in der DDR keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, können auch die weiteren durch die Strafverfolgung, die Untersuchungshaft und den Strafvollzug entstandenen Kosten auferlegt werden (§ 364 Abs. 4 StPO). Walther Rosenthal Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1065–1070 Strafregister A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Strafvollstreckung

Strafverfahren (1979) Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Gesetzliche Grundlage Das St. regelt sich nach der Strafprozeßordnung (StPO) vom 12. 1. 1968 (GBl. I, S. 49), die mit ihrem Inkrafttreten am 1. 7. 1968 die im Zuge der ersten Justizreform geschaffene StPO vom 2. 10. 1952 abgelöst hat. Sie gilt nunmehr in der Fassung des 1. Änderungsgesetzes zur Strafprozeßordnung vom 19. 12. 1974 (GBl. I, S. 597) und des 2.…

DDR A-Z 1979

Forschung (1979) Siehe auch die Jahre 1965 1966 1969 1975 1985 I. Forschungsarten und Forschungsphasen Die F. in der DDR gliedert sich entsprechend der in kommunistisch regierten Staaten üblichen Betrachtungsweise, F.-Aktivitäten unter institutionellen und bürokratischen Aspekten zu klassifizieren, in: Akademie-F., Hochschul-F., Ressort- und Industrie-F. (F. und Entwicklung). Als Oberbegriff bei der Planung und Leitung der F. fungiert das Begriffspaar „Wissenschaft und Technik“, das neben der F. auch die Lehre bzw. die Ausbildung und Anwendung von F.-Ergebnissen der betroffenen Disziplinen mit einschließt. Es umfaßt grundsätzlich alle natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer. Während jedoch wirtschafts- und erziehungswissenschaftliche Disziplinen und einige Spezialgebiete in den staatlichen Leitungs- und Planungsbereich von „Wissenschaft und Technik“ eng mit einbezogen sind, wird die Entwicklung der wichtigsten gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen ― Dialektischer und Historischer Materialismus, wissenschaftlicher Sozialismus und Kommunismus, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung — von den Parteihochschulen der SED unmittelbar geleitet und geplant. A. Akademie- und Universitätsforschung Die Aufgaben der Akademie- und Universitäts-F. sind in den 70er Jahren stärker einander angenähert worden. Dies äußert sich z. T. in gleichlautenden Festlegungen. So soll die F. der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) und der Universitäten auf „der Grundlage des Dialektischen und Historischen Materalismus einen wirksamen Beitrag zur Erforschung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse und ihrer objektiven Gesetzmäßigkeiten leisten“ (VO über die Leitung, Planung und Finanzierung an der Akademie der Wissenschaften und an Hochschulen, GBl. II. 1972, Nr. 53). Ebenso werden „komplexe“ F.-Themen, denen längerfristige Bedeutung zukommt und deren Ergebnisse in verschiedenen Wirtschaftsbereichen und Industriezweigen genutzt werden sollen, bearbeitet. Die F. der AdW und der Universitäten ist vor allem darauf gerichtet, „strategische“ Aufgaben von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung zu lösen und die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen ausgewogen weiterzuentwickeln. Seitdem im Anschluß an Beschlüsse des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971) die Intensivierung und Rationalisierung der Wirtschaftsprozesse in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik gerückt wurden, soll die Akademie- und Hochschul-F. gegenwärtig jedoch — zumindest stärker als in der Vergangenheit — auch unmittelbar anwendungsorientiert und zur Neu- und Fortentwicklung von Technologien und industriellen Erzeugnissen beitragen. Stärker als von den F.-Arbeiten der Hochschulen wird von der Akademie-F. erwartet, daß sie der Staatsführung systematisch Entscheidungsgrundlagen für die Wirtschafts-, Bildungs-, Sozial- und Gesundheits- wie Wissenschafts- und Technologiepolitik bereitstellen. Daneben wird ihre generelle Verantwortung für die Vertiefung des Grundlagenwissens und die Pflege von ausgewählten Gebieten der Grundlagen-F., die nicht unmittelbar anwendungsorientiert sind, hervorgehoben. So sind die F.-Aufgaben der AdW seit 1971 noch stärker als bisher zwischen die Pole der Sicherung des Grundlagenwissens und der Weiterentwicklung der Wissenschaftsdisziplinen einerseits und der Anwendungs-F. und unmittelbaren Produktionsunterstützung andererseits angesiedelt. Die Akademie versucht den unterschiedlichen und z. T. widersprüchlichen, da nicht näher bestimmten Anforderungen mit einer F.-Politik des Sowohl-Als-auch zu entsprechen. Danach ist die AdW sowohl um langfristige Grundlagen-F. als auch um die Überführung von Teil- und Zwischenergebnissen in die laufende Produktion bemüht. Allerdings zeigt sich immer wieder die Tendenz, die Aufgaben der Grundlagen-F. vorrangig zu bearbeiten. Dies äußerte sich u. a. in der Personalrekrutierung der AdW in den Jahren nach dem VIII. Parteitag der SED [S. 406](1971), in denen das F.-Potential für die Grundlagen- und die angewandte F. der AdW überproportional vergrößert wurde. Während die Zahl der in der F. und Entwicklung Beschäftigten im Zeitraum von 1965 bis 1973 um 25 v. H. stieg — davon um 23 v. H. zwischen den Jahren 1971 und 1973 —, stieg der Anteil der in den Applikationsbereichen des Musterbaus, der Technika und Versuchsfelder Beschäftigten lediglich um 5 v. H. Nach einem schnellen Anstieg der Gesamtzahl dieser Beschäftigtengruppen im Zeitraum von 1965 bis 1969 um 51 v. H. folgte insbesondere in den Jahren nach 1971 eine erhebliche Abnahme, zwischen 1971 und 1973 allein um 39 v. H. Inzwischen wurde die Unausgewogenheit der Personalrekrutierung als disproportionale Entwicklung kritisiert; zukünftig soll vor allem die technologische F. stärker gefördert werden. Die Konzentration der AdW auf die Grundlagen-F. wird durch die Zusammensetzung der Wissenschaftlichen Räte erleichtert, die seit 1972 in den Gesellschaftswissenschaften und seit 1974 auch in wichtigen naturwissenschaftlich-technischen F.-Zweigen „bei der inhaltlichen Gestaltung der Forschungsprogramme und Hauptforschungsrichtungen“ (GBl. I, 1975, S. 293) intensiv mitwirken. Sie setzen sich mehrheitlich aus Wissenschaftlern der AdW, der Hochschulen und Universitäten zusammen. Im Mittelpunkt der F.-Leitung und -Planung der AdW steht die Frage nach der unter kurz- wie langfristigen Aspekten angemessenen Proportionierung des eingesetzten F.-Personals, der finanziellen Mittel und der apparativen Ausrüstungen. Angemessene Proportionen sind generell zu finden a) zwischen den verschiedenen F.-Phasen, vor allem zwischen Grundlagen-F., angewandter F., Entwicklungs- und Überleitungsarbeiten, b) hinsichtlich der Terminfestlegung, d. h. der Berücksichtigung kurz-, mittel- oder langfristiger Anforderungen, c) zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsarbeiten (F., Dokumentation, Lehre, Verwaltung), d) zwischen den verschiedenen Personalgruppen, vor allem zwischen der Gruppe der Forschenden und dem Hilfspersonal sowie e) zwischen den Anteilen der einzelnen F.-Richtungen bezogen auf einzelne Disziplinen wie auf das personelle und finanzielle Gesamtvolumen aller Wissenschaftszweige. Als Problem zwar erkannt, aber im einzelnen noch ungelöst ist gegenwärtig die von der staatlichen F.-Politik der AdW aufgegebene, möglichst optimale Kombination der folgenden 4 Arbeitsschwerpunkte: 1. Langfristige Pflege von ausgewählten Gebieten der Grundlagen-F. sowie die „Sicherung der Rezeption der Ergebnisse der internationalen Wissenschaft auf breiter Basis“, 2. angewandte F., Entwicklungs- und Überleitungsarbeiten auf wichtigen Gebieten der industriellen Produktion in enger Zusammenarbeit mit der Industrie unter Nutzung internationaler F.-Resultate und Erfahrungen, 3. Modernisierung und Rationalisierung der vorhandenen Produktionsverfahren sowie 4. „Verwissenschaftlichung des Alltags“ durch Beiträge vor allem in den Erziehungs- und Arbeitswissenschaften. Die Auswahl der intensiv zu erforschenden Themenbereiche der Grundlagen-F. soll in erster Linie unter den Gesichtspunkten dringender volkswirtschaftlicher Anforderungen, d. h. besonders der potentiellen Nützlichkeit des F.-Gebietes für die industrielle Fertigung sowie generell ihrer „gesellschaftlichen Nützlichkeit“ vorgenommen werden. Weitere Auswahlkriterien beziehen sich auf das Vorliegen von fachlichen und methodischen Erfahrungen sowie auf die Möglichkeit internationaler Zusammenarbeit. Die internationale Kooperation wird seit 1971 als das wichtigste Mittel zur Überwindung der engen Grenzen des F.-Potentials der DDR angesehen. Die Zuständigkeit der AdW bei der Gestaltung der bilateralen und multilateralen Wissenschaftskontakte (Zusammenarbeit vor allem mit den Akademien der Sowjetunion und der übrigen RGW-Mitgliedsländer) wurde ausgeweitet. Die AdW ist Sitz von 12 wissenschaftlichen Gesellschaften, u. a. der Chemischen Gesellschaft der DDR, der Physikalischen Gesellschaft der DDR, der Astronautischen Gesellschaft der DDR. Wissenschaftsbeziehungen mit internationalen Organisationen unterhält sie ferner über 23 „Nationalkomitees“, so den Nationalkomitees für Biowissenschaften, für Chemie, für Elektronenmikroskopie, für Krebs-F. Ähnlich der Akademie-F. besteht auch die Hochschul-F. vor allem aus Grundlagen-F. Die Hochschul-F. der DDR ist dadurch gekennzeichnet, daß der Grundsatz der Einheit von Lehre und F. — Merkmal des deutschen Universitätstyps — auch nach mehreren Hochschulreformen nicht aufgegeben wurde. Folglich soll Hochschul-F. thematisch an den jeweils gegebenen Aufgaben der Wirtschaft und anderer Gesellschaftsbereiche orientiert sein, um somit zugleich für die Ausbildung der Studenten genutzt werden zu können. Eine engere Verflechtung der Universitäten mit Fertigungs- und Dienstleistungsbetrieben wurde seit 1967 mit institutionellen und finanziellen Mitteln, d. h. durch vertraglich geregelte Beziehungen zur thematischen Abstimmung und zum Personalaustausch (institutionalisierte F.-Kooperation) sowie durch Auftrags-F. erreicht. Der Anteil der extern finanzierten naturwissenschaftlich-technischen Vertrags-F. erreichte zwischen den Jahren 1969 und 1971 sowohl in der Hochschul-F. wie in der Akademie-F. seinen Höhepunkt (73 v. H. beider AdW im Jahr 1971). Seit dem Jahr 1972 wird ein größerer Teil der Grundlagen-F. an den Universitäten und Hochschulen aus Staatshaushaltsmitteln über das Ministerium für [S. 407]Hoch- und Fachschulwesen bzw. für die Grundlagen-F. in den AdW-Instituten über den Präsidenten der AdW — bis zum Jahr 1975 auch über das Ministerium für Wissenschaft und Technik — finanziert. Die thematische Steuerung des F.-Potentials der AdW (rd. 18.000 Mitarbeiter im Jahre 1978) und der Universitäten und Hochschulen (rd. 26.000 Hochschullehrer und wissenschaftliche Mitarbeiter im Jahr 1975) folgt zentralen Plänen bzw. Konzeptionen, so gegenwärtig vor allem der „Konzeption zur langfristigen Entwicklung der naturwissenschaftlichen. mathematischen und technischen Grundlagen-F. bis 1990“ sowie dem „Teilplan Gesellschaftswissenschaften des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen“. B. Industrie- und Ressortforschung Industrie- und Ressort-F. bezeichnet demgegenüber die Gesamtheit aller F.-Aktivitäten von Einrichtungen, die entweder staatlichen Leitungsinstitutionen auf zentralen und mittleren Ebenen, den „wirtschaftsleitenden Organen“, direkt unterstehen oder selbständige Betriebsteile darstellen. Gegenwärtig (1978) sind rd. 160.000 Beschäftigte in der F. und Entwicklung in Industrie, Bauwesen, Landwirtschaft und Verkehr tätig. Rund die Hälfte sind Hoch- und Fachschulabsolventen. In den F.-Stätten der Industriearbeiten rd. 70 v. H. der Beschäftigten, während rd. 20 v. H. in den übrigen materiell produzierenden Wirtschaftsbereichen und rd. 10 v. H. in der AdW eingesetzt werden. Das F.-Potential der zentralgeleiteten Industrie ist zu über 80 v. H. in den Wachstumsindustrien — Elektrotechnik/Elektronik/Gerätebau, Maschinenbau und chemische Industrie — konzentriert. Die F.-Einrichtungen arbeiten in erster Linie an der Fortentwicklung der Produktionssortimente und -verfahren. Die Aufgaben sind jeweils auf der Grundlage der voraussehbaren Entwicklungsrichtungen von Wissenschaft und Technik und der geplanten wirtschaftlichen Struktur- und Wachstumspolitik zu formulieren. Zugleich sollen sie den internationalen Entwicklungsstand der Erzeugnisse und Verfahren in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht berücksichtigen. Sie sind in „Plänen Wissenschaft und Technik“ festgelegt und beziehen sich entweder auf bestimmte Fertigungs- und Dienstleistungsgebiete oder auf die Lösung einzelner praktischer Aufgaben. Das Potential der Industrie-F. konzentriert sich in den F.-Zentren der Großbetriebe und der zwischen 1967 und 1970 geschaffenen Industriekombinate sowie den Industriezweiginstituten der Ministerien und Vereinigungen Volkseigener Betriebe. In den Fällen, in denen Akademie- und Hochschulinstitute Auftrags-F. für die Wirtschaft übernehmen, rechnet das dabei eingesetzte Potential ebenfalls zur Industrie- und Ressort-F. Seit 1967 wird die F. und Entwicklung in den Industriezweigen, die von erhöhter Bedeutung für das gesamtwirtschaftliche Wachstum sind (chemische, elektrotechnische und elektronische Industrien, Geräte- und Fahrzeugbau) besonders gefördert; seit 1971 ist die Industrie-F. auch in den Verbrauchsgüterindustrien und im Energiewesen intensiviert worden. C. Forschungsphasen F. ist ein arbeitsteiliger Vorgang, der in verschiedenen Phasen abläuft und an dem im Zeitverlauf unterschiedliche Forschergruppen und -institutionen beteiligt sind. Ihre Aktivitäten werden in der Bezeichnung „wissenschaftlich-technische Arbeit“ zusammengefaßt; darunter wird im einzelnen verstanden: Erstellung von Prognosen, Grundlagen-F., angewandte F., Entwicklung von Erzeugnissen und Verfahren, Arbeiten zur Optimierung technologischer und wirtschaftlicher Abläufe, F. zum Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung. Leistungen für den Aufbau „zentralisierter Fertigungen“. Abweichend von der international verbreiteten Klassifikation der F. in Grundlagen-F. und angewandte F. und Entwicklung wird in der DDR für die F.-Leitung und -Planung eine 4stufige Gliederung verwendet: a) Erkundungs-F. bzw. reine Grundlagen-F., die sich ausschließlich auf die Vervollkommnung der natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Grundkenntnisse sowie auf die Untersuchung neuer Erscheinungen und die Erforschung ihrer Regelmäßigkeiten richtet; b) „gezielte Grundlagen-F.“. die in einer umrissenen thematischen Richtung zur Erweiterung der Grundkenntnisse betrieben wird; c) angewandte F., die demgegenüber auf ein festgelegtes wirtschaftlich-technisches Ziel gerichtet ist. und neue Verfahren und Erzeugnisse erforschen bzw. vorhandene auf den jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bringen soll; d) Entwicklung von Konstruktionen und Verfahren, die F.-Resultate für die industrielle Fertigung nutzbar machen soll. Daneben werden mit den „Studienentwürfen“ und der „Überleitung von Konstruktionen und Verfahren“ noch weitere Anfangs- bzw. Abschlußphasen unterschieden. Die Studienentwürfe dienen der technischen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Vorklärung von Aufgabenstellungen und Vorhaben. In der Überleitungsphase werden je nach Industriezweig die Konstruktion bzw. technologischen Voraussetzungen für die Fertigung und Serienproduktion geschaffen. Die Arbeitsstufen werden in einer „Nomenklatur für Arbeitsstufen und Leistungen von Aufgaben des Planes Wissenschaft und Technik“, die vom Ministerium für Wissenschaft und Technik herausgegeben wird, differenziert festgelegt. [S. 408]<II. Forschungsinstitutionen> A. Akademieforschung Sie wird von der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) und der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR durchgeführt. Als traditionelle Gelehrtenorganisationen bestehen weiterhin die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina zu Halle und die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Anders als die vorgenannten Akademien besitzen sie jedoch keine F.-Institute. Dagegen erfüllen die Bauakademie der DDR, Berlin (Ost), und die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR, Berlin (Ost), als Ressort-Akademien vor allem F.-Aufgaben. Ferner besteht beim Zentralkomitee der SED seit der Umwandlung des Instituts für Gesellschaftswissenschaften im Dezember 1976 eine Akademie für Gesellschaftswissenschaften. B. Hochschulforschung Von den 64 Universitäten und Hochschulen (einschl. der 4 Hochschulen der SED und des FDGB) widmen sich den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern vor allem 29 dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstehende Universitäten, Fachhochschulen, Technische Hochschulen und Medizinische Akademien sowie 2 landwirtschaftliche Hochschulen, die dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft unterstellt sind. Der Anteil der Hochschul-F. am gesamten F.-Potential der DDR wurde 1969 auf rd. 40 v. H. geschätzt. Er dürfte sich seitdem verringert haben. Durch die Maßnahmen der Dritten Hochschulreform (1967–1971) wurde die Hochschul-F. inhaltlich und organisatorisch umgestaltet. Thematisch erfolgte eine stärkere Ausrichtung und Konzentration auf die Aufgaben der Wirtschaftsbereiche, insbesondere auf die wachstumsintensiven Industriezweige. Die Organisation. Planung und Finanzierung der Hochschulen wurden verändert, um das begrenzte und 1967 auf rd. 900 Universitätsinstitute verteilte Potential wirksamer für die Planaufgaben der Wirtschaftszweige einsetzen zu können. Die thematischen und organisatorischen Veränderungen wurden mit einer Neugliederung auch der Studiengänge verbunden. Durch die Bildung besonderer organisatorischer Formen der Zusammenarbeit („Forschungsverband“ bzw. „Forschungskooperationsverband“, „Forschungsgemeinschaft“) ist eine engere Verflechtung der spezialisierten Hochschulen mit Industriebetrieben sowie deren übergeordneten Leitungsinstanzen (Industrieministerien, VVB) institutionalisiert worden. Zugleich eröffneten sich damit Möglichkeiten zu einem Verbund von Hochschul-F., Industrie-F. und Akademie-F. So konzentriert sich etwa die Technische Hochschule „Otto-von-Guericke“, Magdeburg, seit 1968 auf die F. und Lehre - für Schwermaschinen- und Anlagenbau (Kombinat VEB Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht“, Magdeburg). Das F.-Personal und die apparative Ausrüstung der wichtigsten Sektionen der Friedrich-Schiller-Universität Jena werden zur Lösung von Aufgaben des wissenschaftlichen Gerätebaus eingesetzt, der im Kombinat VEB Carl Zeiss, Jena, konzentriert ist. Ein weiteres Beispiel stellt die Technische Universität Dresden dar; sie ist die größte universitäre F.-Stätte der DDR auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet. Entsprechend ihrer besonderen Spezialisierung auf F.-Themen der Informationstechnik und -Verarbeitung, Elektrotechnik, Feingerätetechnik und Mathematik bestehen enge Beziehungen zum Hauptproduzenten von Datenverarbeitungsanlagen, dem VEB Kombinat Robotron, Radeberg bei Dresden. C. Ressort- und Industrie-Forschung (Forschung und Entwicklung) Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Institutstypen sind in der Industrie- und Ressort-F. größer als in der Akademie- und Hochschul-F., deren institutionelle Strukturen — auch aufgrund der Hochschul- und Akademiereform in den Jahren 1967–1971 — homogener sind. Die größere Nähe und die engere Verknüpfung der Institute mit den Anwendungsbereichen haben starke strukturelle Differenzierungen entsprechend den fachspezifischen und fertigungstechnischen Eigentümlichkeiten der Wirtschaftsbereiche zur Folge gehabt. Typische Formen der Ressort- und Industrie-F. sind: 1. Ressortakademien: Hierzu zählen die Bauakademie der DDR und die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR. Sie unterstehen dem Ministerium für Bauwesen bzw. dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft als zentrale fachwissenschaftliche Einrichtungen der DDR. Sie leiten die F. der angeschlossenen Institute, koordinieren die Zusammenarbeit mit Hochschulen, Akademien und ausländischen F.-Zentren. Die Mehrzahl der naturwissenschaftlichen, technisch-technologischen F.-Themen der ressortbezogenen Fachgebiete wird in den Zentren und Instituten der Ressortakademien bearbeitet. Die Aufgaben reichen von der Grundlagen-F. bis zur Applikations-F. Sie werden bisweilen auch als F.-Akademien bezeichnet. 2. Ressortforschung des Ministeriums für Gesundheitswesen: Die Organisation der Ressort-F. im Bereich des Ministeriums für Gesundheitswesen stellt eine Sonderform dar. Dieses Ministerium arbeitet den Gesamtplan der medizinischen F. aus. Es ist für die Formulierung der staatlichen Ziele, die Durchführung der F.- und Entwicklungsarbeiten sowie für die praktische Nutzung der F.-Resultate verantwortlich, ohne daß ihm die wichtigsten medi[S. 409]zinischen F.-Einrichtungen, die medizinischen Bereiche der Universitäten und die Medizinischen Akademien in Dresden, Erfurt und Magdeburg unterstehen. Diese Organisationsbereiche gehören zum Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Als beratendes Gremium des Ministers für Gesundheitswesen besteht seit 1962 ein „Rat für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaft beim Ministerium für Gesundheitswesen“. 3. Industriezweiginstitute: Sie stellen wissenschaftliche Einrichtungen dar, die F.- und Entwicklungsarbeiten zu Querschnittsthemen leisten, die über den Rahmen einer Vereinigung Volkseigener Betriebe oder eines Kombinates hinausgehen und ganze Industriezweige betreffen. Industriezweiginstitute sind in der Regel einem Industrieministerium oder einem anderen Fachministerium unterstellt. Sie bestimmen durch ihre F.- und Entwicklungsaktivitäten weitgehend die Entwicklung der Verfahren, der Geräte und der Produktionssortimente und den Stand der Fertigungstechnologien des jeweiligen Industriezweiges. Die Bereitstellung fachwissenschaftlicher Unterlagen zur Lenkung und Koordinierung aller grundlegenden F.- und Entwicklungsaufgaben auf die Schwerpunkte des betreffenden F.-Gebietes zählt zu ihren Hauptaufgaben. Die Industriezweiginstitute führen entsprechend neben angewandter F. und Entwicklung auch Grundlagen-F. durch. Sie arbeiten nach den Prinzipien der Wirtschaftlichen Rechnungsführung. Bekannte Industriezweiginstitute mit jeweils mehreren hundert Mitarbeitern sind: Zentralinstitut für Fertigungstechnik des Maschinenbaus der DDR, Karl-Marx-Stadt; Zentralinstitut für Gießereitechnik, Leipzig; Zentralinstitut für Schweißtechnik, Halle; Institut für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen. Dresden; Institut für Sekundärrohstoffwirtschaft. Berlin (Ost); Forschungszentrum für Schwermaschinen und Anlagenbau, Magdeburg; Institut für Energetik, Leipzig; Institut für Rationalisierung der Elektrotechnik/Elektronik, Dresden; Zentrales Forschungsinstitut des Verkehrswesens, Berlin (Ost); Institut für Seeverkehr und Hafenwirtschaft, Rostock. 4. Wissenschaftlich-technische Institute: Zu den wissenschaftlich-technischen Einrichtungen, die F. und Entwicklungsarbeiten jeweils für bestimmte Branchen durchführen, zählen a) F.-Zentren und b) Wissenschaftlich-technische Zentren (WTZ). Die WTZ wurden 1964 bei den VVB eingerichtet. Mit ihrer Hilfe sollte die VVB eine „allseitige Entwicklung und Einführung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ in dem betreffenden Industriezweig erreichen. Die F.-Zentren gingen aus den F.-Einrichtungen in wichtigen Industriezweigen hervor, die 1969/70 für den Ausbau zu Großforschungszentren vorgesehen waren. Der in diesen Jahren stark propagierte Aufbau einer industriellen Groß-F. scheiterte jedoch schon bald aufgrund von finanziellen und organisatorischen Schwierigkeiten. Von den 16 Großforschungszentren, deren Aufbau bei struktur- und wachstumspolitisch bedeutsamen Kombinaten für 1970 geplant war, bestand für längere Zeit lediglich das „Großforschungszentrum der Werkzeugmaschinenindustrie im VVB Werkzeugmaschinen-Kombinat ‚Fritz Heckert‘, Karl-Marx-Stadt“. Andere Einrichtungen, wiez. B. die F.-Stätten des VEB Petrolchemisches Kombinat, Schwedt, und des VEB Kombinat Robotron, Dresden, führten nur kurzfristig die Bezeichnung Großforschungszentrum. Seit 1972 wird einheitlich die Bezeichnung F.-Zentrum verwendet. WTZ und F.-Zentren ähneln sich hinsichtlich ihrer Aufgaben und der zentralen Stellung als Lenkungsinstitutionen für die F. und Entwicklung im Rahmen einer VVB oder eines Kombinates. Sie arbeiten nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung und unterstehen der Leitung des Generaldirektors der VVB bzw. des Kombinats. Ihre wichtigsten Aufgaben sind die Analyse des technischen Standes der Erzeugnisse und Verfahren im Industriezweig sowie die Ermittlung von Entwicklungstendenzen im Ausland; ferner die Ausarbeitung von Grundkonzeptionen für die Entwicklung der Erzeugnisse. Arbeitsgebiete der wissenschaftlich-technischen Institute sind — bezogen auf den jeweiligen Industriezweig — Probleme der Modernisierung, Mechanisierung, Automatisierung; die Entwicklung neuer technologischer Verfahren, neuer Werkstoffe; die wissenschaftliche Wirtschaftsführung der VVB, Kombinate und VEB; die Erforschung der Arbeitsbedingungen; die Erarbeitung „wissenschaftlich begründeter“ Arbeitsnormen. Die wissenschaftlich-technischen Institute differieren in der Größe, in den typischen Arbeitsschwerpunkten und im Organisationsaufbau. F.-Zentren stellen in der Regel größere organisatorische Einheiten von Industriekombinaten mit jeweils mehreren hundert Mitarbeitern dar. Sie sind vor allem im Maschinenbau und in der chemischen Industrie verbreitet. Wichtige F.-Zentren bestehen bei den Kombinaten; VEB Leuna-Werke „Walter Ulbricht“. Leuna; VEB Petrolchemisches Kombinat, Schwedt; VEB Kombinat Robotron. Radeberg bei Dresden; VEB Kombinat Luft- und Kältetechnik, Dresden; VEB Werkzeugmaschinen-Kombinat „Fritz Heckert“, Karl-Marx-Stadt; VEB Kombinat Umformtechnik, Erfurt; VEB Werkzeugmaschinen-Kombinat „7. Oktober“, Berlin (Ost). Bei den WTZ lassen sich verschiedene Organisationsformen unterscheiden, unter denen 2 Formen dominieren; a) als VEB im Rahmen einer VVB und b) als selbständiges Institut unter der Anleitung ebenfalls einer VVB. Zur ersten Form zählen z. B. die VEB WTZ für Bau-, Baustoff- und Keramikmaschinen Leipzig, ferner die VEB WTZ Getriebe und Kupplungen, Magdeburg, sowie die VEB WTZ [S. 410]Kraftwerksanlagenbau, Berlin (Ost); sie gehören jeweils zu den gleichnamigen und am selben Ort ansässigen VVB. Bekannte WTZ in der Institutsform sind: Institut für Lacke und Farben, Berlin (Ost) (VVB Lacke und Farben, Berlin [Ost]); Institut für Kraftwerke, Vetschau (VVB Kraftwerke, Cottbus); Institut für Fördertechnik, Leipzig (VVB Tagebauausrüstungen, Krane und Förderanlagen, Leipzig); Institut für Regelungstechnik, Berlin (Ost) (VVB Automatisierungsgeräte, Berlin [Ost]); Institut für Bauelemente und Faserbaustoffe, Leipzig (VVB Bauelemente und Faserbaustoffe, Leipzig); Institut für Nachrichtentechnik. Berlin (Ost) (VVB Nachrichten- und Meßtechnik. Leipzig); Institut für Schienenfahrzeuge, Berlin (Ost) (VVB Schienenfahrzeuge, Berlin [Ost]); Institut für Luft- und Kältetechnik, Dresden (VEB Kombinat Luft- und Kältetechnik, Dresden); Institut für Zellstoff und Papier, Heidenau (VVB Zellstoff, Papier und Pappe, Heidenau); Institut für Öl- und Margarineindustrie, Magdeburg (VVB Öl- und Margarineindustrie, Magdeburg). 5. Zentrale Entwicklungs- und Konstruktionsbüros (ZEK): Ähnlich den Industriezweiginstituten und den Wissenschaftlich-technischen Instituten übernahmen auch die ZEK als überbetriebliche Einrichtungen F.- und Entwicklungsarbeiten. Sie sind in der Regel als VEB organisiert, unterstehen der Leitung einer VVB und arbeiten nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung. Die Hauptaufgabe der ZEK ist die Entwicklung neuer Erzeugnisse bis zur Nullserienreife. Kleinere Betriebe, die keine eigenen Büros für Entwicklung und Konstruktion einrichten können, erhalten zudem die Möglichkeit, die Produktion durch die Anfertigung der Konstruktionszeichnungen und Materialstücklisten technisch vorbereiten zu lassen. Weiterhin sind die ZEK an der Aufstellung der Pläne Wissenschaft und Technik, den Standardisierungsarbeiten und der Lenkung und Koordinierung aller F.- und Entwicklungsaktivitäten der VVB beteiligt. 6. Wissenschaftliche Industriebetriebe (WIB): Seit 1963 errichtete neue oder durch Ausbau bisheriger Industriebetriebe entstandene Einrichtungen, deren Aufgabe es ist, Ergebnisse der Grundlagen- und Anwendungs-F. in die Produktion überzuleiten. Die WIB sind Entwicklungs- und Produktionsbetriebe zugleich. Sie stellen Apparate, Spezialgeräte und Maschinen her, die in anderen Betrieben zur Organisierung der Fertigung nach den neuesten technischen Stand eingesetzt werden. Da die Erzeugnisse der WIB kurzfristig produktionswirksam sein sollen, werden von jedem Erzeugnistyp nur geringe Stückzahlen gefertigt. WIB unterliegen den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung nur eingeschränkt, da sie Produkte herzustellen haben, deren Ergebnisse oft nicht vorausberechenbar sind. WIB übernehmen auch Teilfunktionen der WTZ. 7. Projektierungsbetriebe: Spezialbetriebe in Form von VEB, deren Aufgaben entweder darin bestehen, bautechnische Unterlagen für Investitionsvorhaben auszuarbeiten oder technologische Dokumentationen und Unterlagen (Projekte) dafür anzufertigen. Sie sind damit beauftragt, die auf dem jeweiligen Spezialgebiet anfallenden Projektierungsaufgaben durchzuführen bzw. verantwortlich zu lenken und zu überwachen. Projektierungsbetriebe sind in der Regel einer VVB oder einem Kombinat angeschlossen. Für die meisten Industriezweige bestehen zentrale Projektierungsbetriebe, die Zweigstellen unterhalten. Projektierungsbetriebe arbeiten nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung. 8. Betriebliche F.- und Entwicklungsstellen (F/E-Stellen): Während die vorgenannten Institute und Betriebe überbetriebliche F., Entwicklung und Projektion durchführen, konzentrieren sich die F/E-Stellen auf die Entwicklung neuer und verbesserter Erzeugnisse und Verfahren der eigenen Betriebe. Häufig verfügen die betrieblichen F/E-Stellen nur über wenig Personal und unzureichende apparative Ausrüstungen. Typisch war ― zumindest in der Vergangenheit — eine thematische Zersplitterung, was zu den immer wieder kritisierten langen Entwicklungszeiten beitrug. So beschäftigten über die Hälfte der 1966 in der DDR insgesamt bestehenden 1.800 F/E-Stellen (einschließlich überbetrieblicher Einrichtungen) nur bis zu 10 Personen, 43 v. H. nur bis zu 5 Personen. Inzwischen ist die personelle und thematische Zersplitterung vor allem durch die Kombinatsbildungen von 1967 bis 1970 (Zusammenschluß von Produktionsbetrieben und parallel dazu von F/E-Stellen) eingeschränkt worden. 9. Sozialistische Arbeits- und F.-Gemeinschaften: Unter dieser Bezeichnung werden die Brigaden der sozialistischen Arbeit sowie die Neuerer-, Rationalisierungs- und Erfindergruppen in den Betrieben zusammengefaßt. Die letztgenannte Gruppe soll sich vorrangig auf die Lösung von Aufgaben auf dem Gebiete der F. und Entwicklung, der Konstruktion, der Betriebsorganisation und der Technologie konzentrieren. Hierbei wird eine „selbstlose, dem gemeinsamen Ziel untergeordnete Mitarbeit“ von Beschäftigten verschiedener Arbeitsbereiche und Berufe in den Betrieben erwartet. Den Themen der Grundlagen- und angewandten F. widmen sich besondere F.-Gemeinschaften, die in der Regel aus Wissenschaftlern und erfahrenen Neuerern und Rationalisatoren zur Lösung einer sachlich und zeitlich begrenzten F.-Aufgabe gebildet werden. Ausgehend von der jeweiligen Zielstellung erfassen sie Mitarbeiter wissenschaftlicher Institute und eines oder mehrerer Betriebe. Aufgabenstellung, Art der Durchführung, Termine und Finanzierung werden durch den Abschluß von F.-Verträgen festgelegt. [S. 411]<III. Zentrale Planungs- und Leitungsinstanzen> Im Parteiprogramm der SED von 1963 wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, die F., besonders die technisch-naturwissenschaftliche und die wirtschaftswissenschaftliche F., einheitlich zu leiten, um die Zersplitterung und isolierte Behandlung wichtiger F.-Themen zu beseitigen. Die Grundlagen-F. sei so zu entwickeln, daß ein „Vorlauf für die Technik und Produktion von morgen gewonnen wird“. Auch das Programm von 1976 zählt die F.-Förderung zu den „wichtigsten Aufgaben“ der SED. Sachlich ist der hohe politische Stellenwert der F. in ihrem wichtigen Beitrag für die Stabilität und das Wachstum der Wirtschaft und damit zusammenhängend des Lebensstandards der Bevölkerung begründet. Die Planungs- und Leitungsinstanzen der F.-Politik arbeiten auf der „Grundlage des Programms der SED, der Beschlüsse des ZK der SED, der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates sowie der Verordnungen und Beschlüsse des Ministerrates“. Sie umfassen parteigebundene, staatliche und wissenschaftliche Institutionen. Im einzelnen ist die Kompetenzverteilung zwischen diesen Institutionen und die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit immer wieder verändert worden. Bislang ist eine auch nur mittelfristig geltende Regelung des Aufbaus und der Abläufe innerhalb der F.-Organisation trotz intensiverer wissenschaftsorganisatorischer Bemühungen seit 1967 nicht gefunden worden. Institutionell ausgebaut und gesichert ist lediglich der Führungsanspruch der SED. Grundlegende Fragen wie die generelle thematische Ausrichtung der F., die Verwendung der Investitionsmittel für den Auf- und Ausbau von F.-Stätten, die Verteilung der Planungs- und Leitungskompetenzen auf die verschiedenen Institutionen (Ministerien, Akademien, Hochschulen, Institute und wissenschaftliche Beiräte) und die organisatorische Regelung der Überführung von wissenschaftlichen Resultaten in die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Praxis werden in den Führungsgremien der SED. dem Politbüro und dem Sekretariat des ZK der SED, entschieden. Vorbereitet werden die Entscheidungen in den Abteilungen „Wissenschaften“ und „Forschung und technische Entwicklung“ des zentralen Parteiapparates; sie kontrollieren auch die Durchführung der zentralen SED-Beschlüsse. Auf der Ebene der F.-Institute, der WTZ und Projektierungsbetriebe haben die dort gebildeten SED-Organisationen „das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen“ (§ 63 des Statuts der SED von 1976, so auch bereits im Statut von 1963). Die dem Zentralkomitee der SED unterstellten Parteihochschulen und -institute fungieren zugleich als Leiteinrichtungen für die wichtigsten gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen: Parteihochschule „Karl Marx“ (PHKM), Berlin (Ost); Akademie für Gesellschaftswissenschaften (AfG), Berlin (Ost); Institut für Marxismus-Leninismus (IML), Berlin (Ost); Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung (ZSW), Berlin (Ost). Forschungspolitische Funktionen werden im staatlichen Bereich vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, das für eine koordinierte und umfassende Bildungspolitik des Ministerrats verantwortlich ist und unmittelbares Weisungsrecht gegenüber den Hochschulrektoren besitzt, und vom Ministerium für Wissenschaft und Technik übernommen. Das Ministerium für Wissenschaft und Technik ist für die koordinierte gesamtstaatliche Leitung und Planung von Wissenschaft und Technik zuständig. Im Vordergrund steht dabei die Festlegung der schwerpunktartig zu bearbeitenden Themenbereiche der Grundlagen- und angewandten F., entsprechend den langfristigen Wissenschafts-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen und Notwendigkeiten. Volkswirtschaftlich bedeutsame F.- und Entwicklungsprojekte werden vom Ministerium im Rahmen des Staatsplans Wissenschaft und Technik direkt geplant. Daneben erstellt das Ministerium Expertisen zu den wichtigsten Richtungen und Tendenzen, der naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung und erarbeitet Entscheidungsunterlagen für den Ministerrat. Das Ministerium kann sich bei diesen Aktivitäten auf die Arbeitsergebnisse des Forschungsrates und der Wissenschaftlichen Räte bei der AdW stützen. Im Jahr 1967 wurde das Ministerium für Wissenschaft und Technik im Zuge der generellen Aufwertung der Wissenschafts- und Bildungspolitik in der DDR durch Umwandlung des seit 1961 bestehenden Staatssekretariats für Forschung und Technik geschaffen. Zum gleichen Zeitpunkt entstand, ebenfalls durch Umwandlung eines Staatssekretariats, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Zum Wissenschafts- und Technikressort gehört das Zentralinstitut für Information und Dokumentation (ZIID), das anleitende, koordinierende und kontrollierende Zentrum für das gesamte Informations- und Dokumentationswesen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik. Es ist vor allem für die Gestaltung und Fortentwicklung des „Informationssystems Wissenschaft und Technik“ zuständig. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Ministerien und Ämter mit eigenem Geschäftsbereich, die für die F. in ihren Ressorts verantwortlich sind. So ist das Ministerium für Volksbildung zuständig für die pädagogische Wissenschaft, das Ministerium für Kultur für Kultur- und Kunstwissenschaft, das Ministerium für Gesundheitswesen für die medizinische Wissenschaft. Ressort-F. betreiben ― ebenfalls in unterschiedlicher Form und Intensität ― die Industrieministerien. Zur sachverständigen Beratung bestehen bei einigen [S. 412]Ministerien wissenschaftliche Beiräte: z. B. beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der „Hoch- und Fachschulrat“; beim Ministerium für Gesundheitswesen der „Rat für Planung und Koordinierung der medizinischen F.“. Eine besondere Stellung nahm in der Vergangenheit der Forschungsrat ein. Er setzt sich aus Wissenschaftlern, Technikern und Vertretern der Staats- und Wirtschaftsverwaltung zusammen. Der F.-Rat wurde 1957 als höchstes beratendes Gremium für die Planung und Koordinierung der naturwissenschaftlichen und technischen Forschung geschaffen. Er ist wie die Ministerien ein Organ des Ministerrats. Der F.-Rat erarbeitet Analysen und Prognosen zum Entwicklungsstand und zu den Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Disziplinen. Seit 1966 nimmt der F.-Rat auch die Aufgaben des „Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Anwendung der Atomenergie“ wahr. Zur Durchführung der dem F.-Rat übertragenen Arbeiten entstanden verschiedene Gremien. Die wichtigsten Gremien sind: die Kommissionen des F.-Rates, die Zentralen Arbeitskreise für Forschung und Technik (ZAK), die Forschungsbereiche und Zentralinstitute der AdW, der Bauakademie und der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften und die Hauptproblem- und Problemkommissionen des Rates für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissenschaft beim Ministerium für Gesundheitswesen. In einer vom Ministerrat und Minister für Wissenschaft und Technik erlassenen VO vom 7. 8. 1967 wird auf die Bedeutung der ZAK hingewiesen, die für volkswirtschaftlich wichtige Fachgebiete und Problemkomplexe Analysen und Prognosen zu erarbeiten, zu vervollkommnen, zu präzisieren und aus den Einschätzungen Folgerungen für die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft abzuleiten haben. Die ZAK sollen von den Mitgliederorganisationen der Kammer der Technik weitgehende Unterstützung erhalten. Eine solche Regelung soll gewährleisten, daß alle Probleme der wissenschaftlich-technischen Entwicklung von der Grundlagen-F. bis zur Produktion erfolgreich behandelt werden können. Durch die VO über die Leitung, Planung und Finanzierung der F. an der AdW und an Universitäten und Hochschulen (GBl. II, Nr. 53, vom 16. 9. 1972) wird der AdW die Aufgabe übertragen, die Entscheidungsgrundlagen für die Partei- und Staatsführung über die Hauptrichtungen und Schwerpunkte der naturwissenschaftlichen F. vorzubereiten. Mit dieser Aufgabenverlagerung verlor der F.-Rat eine entscheidende Funktion. Damit sank zugleich seine allgemeine Bedeutung. Auf gesamtstaatlicher Ebene ist die Staatliche Plankommission (SPK) das wichtigste Organ des Ministerrats für die zusammenfassende Planung der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Entwicklung. In der Wissenschaftsplanung ist seit 1972 die Verbindlichkeit der zentralen Pläne — Staatsplan Wissenschaft und Technik, Zentraler F.-Plan für die Gesellschaftswissenschaften — erhöht worden. Von neuem ist darüber hinaus der Versuch unternommen worden, eine höhere Verbindlichkeit der langfristigen Entwürfe und der Fünfjahrpläne gegenüber den Jahresplänen zu erzielen. Gegenwärtig existieren in der F.-Planung a) Jahrespläne Wissenschaft und Technik, b) Fünfjahrpläne Wissenschaft und Technik und c) die Konzeption „Die langfristige Entwicklung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen-F. im Bereich der AdW der DDR und des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen bis 1990“. Die wichtigsten Themenkomplexe der gesellschaftswissenschaftlichen F. sind im „Zentralen F.-Plan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR 1976–1980“ zusammengefaßt. Unter den wissenschaftlichen Institutionen besitzt die Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW), Berlin (Ost), überragende Bedeutung. Sie wirkte mit ihren Sektionen und Instituten bereits bis zur Herausgabe der VO über die Leitung, Planung und Finanzierung der Akademie-F. (GBl. II, Nr. 53, vom 16. 9. 1972) maßgeblich an der Vorbereitung vor allem der langfristigen F.-Politik mit. Diese Vorbereitung erfolgte z. T. parallel zu den Arbeiten des F.-Rates, z. T. im Rahmen dieser Arbeiten. Der tatsächliche Kompetenzzuwachs erstreckt sich darauf, daß die AdW gegenwärtig a) für die Vorbereitung der forschungspolitischen Entscheidungsgrundlagen der Partei- und Staatsführung zuständig ist, und b) die wissenschaftliche Zusammenarbeit aller naturwissenschaftlichen F.-Stätten (Grundlagen-F.) sowohl innerhalb der DDR als auch mit den F.-Stätten der Akademien der RGW-Mitgliedsländer zu organisieren und koordinieren hat. Im Zuge dieser Entwicklung intensivierte sich 1972 die Zusammenarbeit zwischen der AdW, den Hochschulen, den Instituten der Ressort- und Industrie-F. und ausländischen F.-Einrichtungen. Die Zusammenarbeit umfaßt den Austausch von Personal und Information, gemeinschaftliche Nutzung der F.-Geräte und -Apparaturen, gemeinsame F.-Projekte und internationale Arbeitsgemeinschaften. Als Gremien zur fachspezifischen Vorbereitung von F.-Entscheidungen und zur Koordinierung. Leitung und Kontrolle der F. wichtiger Disziplinen und Fachgebiete bestehen verschiedene Wissenschaftliche Räte; z. B.: Wissenschaftlicher Rat für soziologische Forschung (Vorsitzender: Prof. Dr. Rudi Weidig) beim IfG; Wissenschaftlicher Rat für marxistisch-leninistische Philosophie (Vorsitzender: Prof. Dr. Erich Hahn) beim IfG; Wissenschaftlicher Rat für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (Vorsitzender: Prof. Dr. Helmut Koziolek) bei der AdW; [S. 413]Rat für Geschichtswissenschaft (Vorsitzender: Prof. Dr. Ernst Diehl) beim IML; Rat für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung (Vorsitzender: Prof. Dr. Gerhard Schußler) bei der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft; Wissenschaftlicher Rat für Imperialismusforschung (Vorsitzender: Prof. Dr. Werner Paff) beim Institut für Internationale Politik und Wirtschaft. Im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich wurde der Aufbau der Wissenschaftlichen Räte (insgesamt 19 Räte) im Jahr 1976 vorerst abgeschlossen. Seit 1974 werden darüber hinaus Wissenschaftliche Räte auch zu wichtigen Themenkomplexen der naturwissenschaftlichen und mathematischen Grundlagen-F. gegründet. Als Beratungsgremien werden sie entweder beim Minister für Hoch- und Fachschulwesen oder dem Präsidenten der AdW berufen. IV. Forschungspolitik seit 1967 Die auf dem VII. SED-Parteitag (1967) erneut und besonders nachdrücklich erhobene Forderung. Wissenschaft „zur Wirkung zu bringen“, eröffnete eine Phase erhöhter forschungspolitischer Aktivität der SED- und Staatsführung. 1966 bestanden in der DDR 1.800 F.- und Entwicklungsstellen mit 87.000 Beschäftigten. Die Zahl der F.-Themen belief sich 1965 auf rd. 17.300. Dahinter verbarg sich eine thematische und personelle Zersplitterung, die von der SED-Führung scharf kritisiert wurde. Auch die lange Bearbeitungsdauer der F.-Themen forderte immer wieder die Kritik der Parteiführung heraus. Sie forderte daher die Ausarbeitung einer exakten Konzeption der Schwerpunkte der F. und Lehre. Der Wirkungssteigerung vor allem der naturwissenschaftlichen und technischen F. wurde unter verschiedenen Aspekten besondere Bedeutung zugemessen: den begrenzten F.-Möglichkeiten eines kleineren Industriestaats (finanzielle, personelle und materielle Möglichkeiten); der Konkurrenzsituation auf den internationalen Märkten und dem Innovationstempo westlicher Industrieländer; der politischen und wissenschaftlichen Position der DDR innerhalb des RGW; der im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland erheblich geringeren Arbeitsproduktivität in der Wirtschaft und der politischen Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Auseinandersetzung zwischen „Sozialismus“ und „Kapitalismus“. Der Wissenschaft und F. wurde die Funktion einer „Produktivkraft“, eines „dritten Faktors“ (neben den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital) zugewiesen. Das forschungspolitische Programm von 1967 bis 1971 verfolgte das anspruchsvolle Ziel, unter dem Slogan „Überholen, ohne einzuholen“ einen sprunghaften Fortschritt in Naturwissenschaft und Technik zu erreichen, der ausreichen sollte, um auf breiter Linie den Anschluß an das internationale Niveau („Weltniveau“) herzustellen. Zu diesem Zweck wurden sowohl die F.-Budgets erhöht als auch das wissenschaftliche Personal verstärkt. Damit parallel gingen eine engere Verflechtung von Industrie-F. und -Produktion sowie eine stärkere Konzentration des F.-Potentials in den neugebildeten Industriekombinaten einher. Das Ziel war der Aufbau der „sozialistischen Groß-F.“. Die AdW entwickelte sich im Zuge der Akademiereform aus einer Gelehrtengesellschaft mit zugeordneten F.-Einrichtungen zu einer „F.-Gemeinschaft“, die eng mit den Erfordernissen des sozialistischen Gesellschaftssystems verbunden sein soll. Verändert wurde auch das forschungspolitische Leitungssystem. Nunmehr wurde größerer Wert gelegt auf eine systematische Entscheidungsvorbereitung, auf die Kontrolle der F.-Durchführung sowie eine Angleichung der Planungs- und Leitungsstrukturen der F. mit denen der Produktion. Thematisch wurde die F. stärker auf die wissenschaftliche Durchdringung der Produktion und die Entwicklung kostensparender hochproduktiver Technologien und Verfahren eingestellt. Die Hauptrichtungen der Grundlagen-F. sind im Gesetz über den Perspektivplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR bis 1970 festgelegt worden. Schwerpunkte waren u. a. die F. auf dem Gebiet der Festkörperphysik und die Entwicklung hochwertiger Plaste, Elaste und Synthesefasern. Von der wirtschaftswissenschaftlichen F. wurde erwartet, daß sie gemeinsam mit der naturwissenschaftlich-technischen F. dazu beitragen sollte, die wissenschaftlichen Grundlagen für eine vorausschauende Strukturpolitik und die einzelnen Strukturentscheidungen zu erarbeiten. Das Jahr 1971 markiert eine Tendenzwende in der F.-Politik der SED. Der VIII. Parteitag der SED (1971) und die Verabschiedung eines langfristigen Entwicklungsprogramms für die Zusammenarbeit der Mitgliedsländer des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) („Komplexprogramm“) lösten forschungspolitische Veränderungen aus. Entscheidend war, daß das Ziel des schnellen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts nicht mehr ausschließlich durch isolierte Anstrengungen der DDR erreicht werden sollte. Die Aktivitäten richten sich seit 1971 vielmehr stärker darauf, die internationale Zusammenarbeit mit den am stärksten industrialisierten Ländern des RGW zu vertiefen und im Rahmen dieser Zusammenarbeit zu einer Arbeitsteilung auch in Wissenschaft und Technik zu gelangen. Damit im Zusammenhang steht erneut die Forderung nach Verzicht auf „schematische“ Übernahme „kapitalistischer“ F.-Ansätze und Lösungen. Im Gegensatz zu den Jahren vor dem VIII. Parteitag werden Grundlagen-F. und angewandte F. (einschließlich Entwicklung) jetzt deutlicher als gleichwertige Arbeitsbereiche anerkannt. Inhaltlich wurde die naturwissenschaftliche Grundlagen-F. im Zeitraum 1971–1975 auf folgende Bereiche konzen[S. 414]triert: Energieerzeugung, Nutzung der vorhandenen Ressourcen, Entwicklung neuer Werkstoffe. Probleme der Stoffwandlung, mathematische und kybernetische Lösungsverfahren und die Nutzbarmachung von Erkenntnissen biologischer F. Die Planung der naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen-F. in der Phase des Fünfjahrplans 1976–1980 sieht vor, daß folgende Disziplinen schwerpunktförmig gefördert werden sollen: Mathematik, Mechanik, Kybernetik und Informationsverarbeitung, Physik (einschl. Kern- und Werkstoff-F.), Chemie, Biowissenschaften, „Geo- und Kosmoswissenschaften“ und ingenieurwissenschaftliche Grundlagenbereiche (insbesondere der Energie- und Rohstoffwirtschaft). Im Zeitraum von 1976 bis 1980 sollen 60–70 v. H. der geplanten Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch wissenschaftlich-technische Leistungen ermöglicht werden, ferner rd. 80 v. H. der geplanten Materialeinsparungen sowie der überwiegende Teil der einzusparenden Arbeitsplätze (rd. 130.000 pro Jahr). Die Erzielung wissenschaftlich-technischer Leistungen ist damit zu einem zentralen Bestandteil der auf dem VIII. und IX. Parteitag der SED (1971, 1976) begründeten und weiterentwickelten wirtschaftspolitischen Strategie geworden, ein stabiles Wirtschaftswachstum und Erhöhung des Lebensstandards vor allem durch effizientere, intensive Nutzung der gegebenen Wirtschaftsressourcen zu erreichen (Intensivierung und Rationalisierung). Insgesamt sind für die F. finanzielle Mittel in folgendem Umfang aufgewandt worden: Im Durchschnitt der Jahre 1966–1970 waren es 3 v. H. des jährlich produzierten Nationaleinkommens; von 1971 bis 1975 stieg der Anteil auf durchschnittlich 3,9 v. H. Für die Periode des laufenden Fünfjahrplans 1976–1980 ist eine weitere Steigerung auf durchschnittlich 4,2 v. H. geplant. Die theoretischen und faktischen Zusammenhänge zwischen wissenschaftlich-technischen Innovationen, der intensiven Nutzung der vorhandenen Produktionsanlagen und des gegebenen Arbeitskräftepotentials sowie der Entwicklung der Produktionssortimente und Wirtschaftsstrukturen sind allerdings noch weitgehend ungeklärt. Da theoretische Vorarbeiten fehlen, ist bisher in der DDR nicht entschieden worden, ob die F.-Politik der Förderung einzelner umfassender Innovationen mit volkswirtschaftlichen Auswirkungen oder einer breit gestreuten Modernisierung und Rationalisierung den Vorzug geben soll. Die praktische F.-Politik strebte bisher sowohl das eine wie das andere Ziel an. Zahlreiche, z. T. recht unterschiedliche Maßnahmen wurden ergriffen, die hauptsächlich die Motivation und das Verhalten der Wissenschaftler und des Leitungspersonals in den Betrieben und staatlichen Institutionen sowie die Auswahl und Durchführung von naturwissenschaftlich-technischen Entwicklungen und ihre Anwendung und Diffusion in der Industrie und den anderen Wirtschaftsbereichen betreffen. Zu den Maßnahmen gehören: die materielle Förderung der Erfinder und Neuerer; die stärkere Verankerung der F.-Strategie in der Zuständigkeit der

Forschung (1979) Siehe auch die Jahre 1965 1966 1969 1975 1985 I. Forschungsarten und Forschungsphasen Die F. in der DDR gliedert sich entsprechend der in kommunistisch regierten Staaten üblichen Betrachtungsweise, F.-Aktivitäten unter institutionellen und bürokratischen Aspekten zu klassifizieren, in: Akademie-F., Hochschul-F., Ressort- und Industrie-F. (F. und Entwicklung). Als Oberbegriff bei der Planung und Leitung der F. fungiert das Begriffspaar „Wissenschaft und Technik“,…

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Jugendforschung (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Die J. in der DDR dient der Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für die Jugendpolitik der SED. Ihre Aufgaben sind: 1. die Untersuchung von Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten der persönlichen und sozialen Entwicklung der 14–25jährigen, 2. die Erarbeitung geeigneter Erziehungsmethoden und 3. die Beratung der mit der Leitung der Jugendpolitik befaßten Instanzen, speziell der FDJ. J. vollzieht sich im Rahmen der in der DDR propagierten marxistisch-leninistischen Theorie. Enger Praxisbezug, Auftragscharakter und eine zentralistische Organisationsform zählen zu ihren wesentlichen Merkmalen. Aufgaben und Organisation der J. wurden erstmals im Ministerratsbeschluß vom 26. 2. 1968 (GBl. II, S. 97) zusammenfassend festgelegt und in der AO über das Statut des Zentralinstituts für J. vom 4. 7. 1973 (GBl. I, S. 372) weiter präzisiert. Wissenschaftliches Zentrum der J. ist das 1966 in Leipzig gegründete Zentralinstitut für J. (ZIJ), sein Direktor seit Gründung der Psychologe Prof. Dr. Walter Friedrich. Das ZIJ ist eine staatliche wissenschaftliche Einrichtung, dem Leiter des Amtes für Jugendfragen beim Ministerrat unterstellt; es arbeitet nach dessen Weisungen sowie nach den Beschlüssen der SED und des Zentralrates der FDJ. Der Ministerratsbeschluß vom 26. 2. 1968, das ZIJ-Statut und das 3. Jugendgesetz der DDR von 1974 sichern den Einfluß von Staat, Partei und vor allem der FDJ auf Entwicklung und Schwerpunktbildung der J. Nach deren thematischen Vorgaben entwickelt das ZIJ die Forschungspläne, stellt die Verbindung zwischen Auftraggebern, Forschern und Institutionen her und soll zugleich die J. anderer wissenschaftlicher Einrichtungen und die Zusammenarbeit mit der J. der übrigen sozialistischen Staaten koordinieren und inhaltlich wie methodologisch beeinflussen. Beratende und kontrollierende Funktion hat der „Wissenschaftliche Rat für J.“ im ZIJ. Seine Mitglieder sind Wissenschaftler, erfahrene Praktiker, Vertreter der FDJ, der Partei und anderer Massenorganisationen, die vom Leiter des Amtes für Jugendfragen in Absprache mit dem Zentralrat der FDJ berufen und abberufen werden. Damit soll eine enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis hergestellt und gesichert werden. J. wird interdisziplinär betrieben, in Zusammenarbeit von Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Kriminologen, Medizinern und Vertretern anderer Fachrichtungen. Die personelle und technische Ausstattung des ZIJ entspricht den Anforderungen moderner Sozialforschung. Insgesamt gliedert sich das ZIJ in 7 Abteilungen bzw. 4 Hauptabteilungen: 1. Jugendforschung: Arbeiter-J., Studentenforschung, Theorie und Methodik; 2. Organisation: Vorbereitung der empirischen Erhebungen, Bereitstellung des Arbeitsmaterials, Einsatz der Interviewer, Übermittlung der Daten an die 3. Datenverarbeitung: Aufbereitung und statistische Auswertung, danach Rückmeldung an die Abt. Forschung, ferner theoretische Arbeit auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und Statistik; 4. Koordination/Information: Verbreitung der Forschungsergebnisse (Publikationen, Referentenmaterial, interne Berichte), Arbeitstagungen, Archiv. Thematische Arbeitsschwerpunkte sind die Untersuchung 1. der politischen und moralischen Einstellungen und Verhaltensweisen, 2. des Verhaltens in der Gruppe (FDJ-Gruppe, Freizeitgruppe, Arbeits- und Lernkollektiv), 3. des Leistungsverhaltens und der Einstellung zu Arbeit, Beruf und Qualifizierung, 4. des Freizeitverhaltens und der Freizeiterziehung sowie 5. der Probleme; der Leitung der Jugendpolitik und der Jugendgruppen. Zielgruppen sind 16–25jährige Lehrlinge, Arbeiter, Studenten. Diese Schwerpunktthemen werden langfristig in Form von Intervallstudien fortgesetzt, wobei der Akzent bis 1980 stärker auf die Situation der Studenten, der jungen [S. 563]Ehen und Familien, d. h. der Heranwachsenden gelegt werden soll. Einschränkend in Rechnung zu stellen ist die durch den Auftragscharakter der J. bedingte Publikationsstrategie des ZIJ. Empirische Forschungsergebnisse unterliegen weitgehend den Vorschriften über den Geheimschutz. Die Arbeitsergebnisse des ZIJ wurden bis Ende 1970 u. a. in der hauseigenen Zeitschrift „Jugendforschung“ publiziert, die ihr Erscheinen bald nach der Kontroverse zwischen Ernst-Heinrich Berwig und Walter Friedrich (Pädagogik 1970, Nr. 2; Jugendforschung 1970, Nr. 13) über die Tragfähigkeit des Friedrichschen Forschungsansatzes ohne Vorankündigung einstellte (letzte Ausgabe: Nr. 16/1970). In den folgenden Jahren erschienen kaum beachtenswerte Publikationen aus dem ZIJ. Teils war diese Pause bedingt durch den für empirische Forschung typischen Arbeitsrhythmus, der in der Phase der Feldarbeit bzw. Datenerhebung wenig Möglichkeiten für Veröffentlichungen bietet. Erst seit etwa 1976 erschienen wieder mehrere einschlägige Publikationen aus dem ZIJ, die nach der Intention der Autoren vornehmlich Lehrbuchcharakter haben sollen (insbesondere v. W. Friedrich) und sich dabei z. T. kritisch mit der westlichen „bürgerlichen“ J. auseinandersetzen. Unter den Funktionen des ZIJ tritt die Organisation von Kolloquien und Fachtagungen mit Beteiligung von Fachvertretern der anderen sozialistischen Staaten gegenwärtig stärker hervor. Hier werden auch aktuelle Forschungsergebnisse zur Diskussion gestellt, die jedoch nur begrenzt publiziert werden. Trotz der zentralistischen Organisationsform der J. ist das ZIJ nicht die einzige Institution, die sich mit J. befaßt. Vielmehr hat eine zunehmende Intensivierung und zugleich Spezialisierung seit 1970 dazu geführt, daß nebeneinander verschiedene Institutionen z. T. sogar analoge Fragestellungen untersuchen. Diese Entwicklung entspricht nicht den Intentionen des Statuts von 1973. Beachtlich ist u. a. die Schwerpunktverlagerung psychologisch-pädagogischer Forschungsaspekte im Kindes- und Schulalter an die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, dort speziell an die Abt. Pädagogische Psychologie. Außerdem werden Fragen der Berufswahl und -Vorbereitung im Jugendalter vom Zentralinstitut für Berufsbildungsforschung bearbeitet. Am Institut für Soziologie und Sozialpolitik an der AdW (gegründet 1978) werden ferner soziologische Aspekte der sozio-ökonomischen Integration behandelt. Hinzu kommen Forschungsgruppen an Hochschulen (so z. B. an der Universität Jena), in Betrieben, die ebenfalls spezielle Aspekte des Kindes- und Jugendalters erforschen. Hierzu zählen auch Untersuchungen zur Kriminalität der Jugend. Insgesamt entsprechen die Arbeitsschwerpunkte der J. den Brennpunkten der Jugendpolitik. Im übrigen wurde die J. in der DDR bisher in erster Linie von einzelnen namhaften Wissenschaftlern, insbesondere von Psychologen, geprägt. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 562–563 Jugendförderungspläne A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Jugendgericht

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Die J. in der DDR dient der Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für die Jugendpolitik der SED. Ihre Aufgaben sind: 1. die Untersuchung von Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten der persönlichen und sozialen Entwicklung der 14–25jährigen, 2. die Erarbeitung geeigneter Erziehungsmethoden und 3. die Beratung der mit der Leitung der Jugendpolitik befaßten Instanzen, speziell der FDJ. J. vollzieht sich im Rahmen der in der DDR propagierten…

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Londoner Protokoll (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Unter der Sammelbezeichnung LP. ist zu verstehen: 1. Das Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 12. 9. 1944, 2. das Abkommen über Ergänzungen zum Protokoll vom 12. 9. 1944 über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 14. 11. 1944, 3. das Abkommen über Ergänzungen zum Protokoll vom 12. 9. 1944 über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 26. 7. 1945 und 4. die Feststellung über die Besatzungszonen in Deutschland vom 5. 6. 1945. Frankreich, Großbritannien, die UdSSR und die Vereinigten Staaten einigten sich über die Aufteilung von „Deutschland … innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31. 12. 1937 bestanden, für Besatzungszwecke in vier Zonen …“ Die Besatzungstruppen jeder Zone unterstanden einem von der verantwortlichen Macht bestimmten Oberbefehlshaber. Das Gebiet von Groß-Berlin wurde von Truppen einer jeden der Vier Mächte besetzt. „Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung dieses Gebietes“ wurde eine interalliierte Behörde (russisch: Komendatura) errichtet, die aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten bestand. Die Demarkationslinien zwischen den Besatzungszonen verlaufen nach dem LP. weitgehend entlang den 1945 bestehenden Landes- bzw. Provinzgrenzen. Örtliche Abweichungen dieser Grenze erfolgten aufgrund späterer Vereinbarungen der damaligen Besatzungsmächte. Die Bundesrepublik Deutschland entstand in den Grenzen der ehemaligen amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone, die DDR innerhalb der Grenzen der sowjetisch besetzten Zone. Berlin war nicht Bestandteil einer der vier Besatzungszonen, insbesondere nicht der es umgebenden sowjetischen Besatzungszone; Deutschland wurde in die Zonen und das Sondergebiet Berlin geteilt. In einer Erklärung zu Protokoll beim Abschluß des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Grundlagenvertrag) über die Aufgaben der Grenzkommission durch die beiden Delegationsleiter wurde Einvernehmen darüber erklärt, daß der Verlauf der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sich nach den diesbezüglichen Festlegungen des LP. vom 12. 9. 1944 bestimmt. Soweit örtlich die Grenze von diesen Festlegungen aufgrund späterer Vereinbarungen der damaligen Besatzungsmächte abweicht, soll ihr genauer Verlauf durch die Grenzkommission an Ort und Stelle unter Beiziehung aller Unterlagen festgelegt und markiert werden. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 698 Lohnsteuer A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Lotterie

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Unter der Sammelbezeichnung LP. ist zu verstehen: 1. Das Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 12. 9. 1944, 2. das Abkommen über Ergänzungen zum Protokoll vom 12. 9. 1944 über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 14. 11. 1944, 3. das Abkommen über Ergänzungen zum Protokoll vom 12. 9. 1944 über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin…

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Produktionsverhältnisse (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bezeichnung für die Gesamtheit der Beziehungen, die die Menschen notwendigerweise in den Bereichen der Produktion, des Austausches und der Verteilung des gesellschaftlichen Produkts eingehen. Sie sollen die grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnisse und die gesellschaftliche Form der Produktion und Reproduktion widerspiegeln. Ihr Wesen werde bestimmt durch die Eigentumsverhältnisse, d. h., in wessen Eigentum sich die Produktionsmittel befinden und auf welche Weise die Produzenten mit den Produktionsmitteln Zusammenwirken. Der Begriff P. wird nicht nur als formaljuristische Kategorie verstanden, sondern auch als soziologische, wie die folgende Aufzählung der wichtigsten Merkmale zeigt: 1. Die Beziehungen zwischen den Menschen in bezug auf das Eigentum an den Produktionsmitteln und der damit verbundene Charakter der Arbeit; daraus ergebe sich die Stellung der Klassen und sozialen Gruppen zueinander; 2. die Beziehungen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, der Verteilung der Produktionsmittel und der gesellschaftlichen Arbeit auf die verschiedenen Bereiche der Volkswirtschaft sowie der Organisation der Produktion; 3. die Leitungsbeziehungen in der gesellschaftlichen Produktion, in denen die Einheit des arbeitsteiligen Produktionsprozesses verwirklicht werde; 4. die verschiedenen Formen des Austausches der Arbeit oder der Produkte zwischen den Produzenten; 5. die gesellschaftlichen Formen der Verteilung und der materiellen Interessiertheit an der Entwicklung und Nutzung der Produktivkräfte. Es werden zwei Haupttypen von P. genannt; der eine beruhe auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln. Er sei durch Ausbeutung und Unterdrückung der unmittelbaren Produzenten und durch die daraus resultierenden unversöhnlichen Klassengegensätze und Klassenkämpfe gekennzeichnet; er soll sich von der Sklaverei über den Feudalismus bis zum Kapitalismus, wo die antagonistischen Klassengegensätze ihre höchste Zuspitzung erfahren hätten, entwickelt haben. Im revolutionären Prozeß der Beseitigung des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln entstehe der andere Typ von P., der auf gesellschaftlichem Eigentum beruhe und den feindlichen Gegensatz der Klassen beseitige, da in ihm die gesellschaftliche Produktion nicht den Gesetzen der Ausbeutung folge, sondern den Regeln der gegenseitigen Hilfe und Zusammenarbeit tendenziell unterworfen werde. Die P. sollen sich in wechselseitigem Zusammenhang mit und in Abhängigkeit von den Produktivkräften entwickeln. Die historisch-konkrete Form der P. werde durch das jeweilige Niveau der Produktivkräfte bestimmt, auf das sie hemmend oder fördernd einwirken. Produktivkräfte und P. bilden in ihrer Einheit die Produktionsweise. Die sozialistischen P. werden von der Politischen Ökonomie als die adäquaten Entwicklungsformen der modernen Produktivkräfte angesehen, da sie auf der Identität von Produzent und Eigentümer im gesellschaftlichen Maßstab beruhen und somit dem ständig steigenden Grad der Vergesellschaftung der Produktion gerecht würden. Daher seien die durch die Dynamik der Produktivkräfte auftretenden gesellschaftlichen Widersprüche nichtantagonistischer Natur und könnten durch Vervollkommnung der P. innerhalb [S. 866]der sozialistischen Produktionsweise gelöst werden. Die planmäßige Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse sei mit der weiteren Vergesellschaftung der Produktion (vor allem durch Arbeitsteilung, Konzentration, Kooperation und Kombination der Produktion auch über Ländergrenzen hinweg) verbunden, ferner mit dem Wachstum des Volkseigentums bei Verstärkung seiner bestimmenden Funktion im Wirtschaftsprozeß, mit der zunehmenden Reife des genossenschaftlichen Eigentums und der schrittweisen Annäherung und Verflechtung beider Eigentumsformen, mit der Vervollkommnung der Verteilungsverhältnisse, mit der Erhöhung des Lebensniveaus des Volkes sowie mit der Herausbildung der sozialistischen ➝Lebensweise. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 865–866 Produktions- und Dienstleistungsabgaben A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Produktionsweise

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Bezeichnung für die Gesamtheit der Beziehungen, die die Menschen notwendigerweise in den Bereichen der Produktion, des Austausches und der Verteilung des gesellschaftlichen Produkts eingehen. Sie sollen die grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnisse und die gesellschaftliche Form der Produktion und Reproduktion widerspiegeln. Ihr Wesen werde bestimmt durch die Eigentumsverhältnisse, d. h., in wessen…

DDR A-Z 1979

SED (1979) Siehe auch: SED: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Sozialistische Einheitspartei: 1965 1966 1969 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): 1975 1985 Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands konstituierte sich am 21./22. 4. 1946 auf dem sog. Vereinigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD/DKP) im sowjetisch besetzten Berlin. I. Geschichte der SED und ihrer Herrschaft A. Vorgeschichte Im Gegensatz zu anderen in Deutschland von 1933 bis 1945 verbotenen und verfolgten Parteien besaß die KPD im Moskauer Exil am Ende des II. Weltkrieges eine intakte Führung. Unter Kontrolle der Sowjets hatte dort die Parteiführung in den Jahren nach 1933 Weiterarbeiten, unter den kriegsgefangenen Offizieren und Soldaten agitieren (Nationalkomitee Freies Deutschland) und sich auf die politische Arbeit im Nachkriegsdeutschland vorbereiten können. In enger Zusammenarbeit mit der Politverwaltung der sowjetischen Streitkräfte wurde unter der Leitung des damaligen Mitgliedes des Politbüros und Sekretärs des Zentralkomitees der KPD, W. Ulbricht, Anfang Februar 1945 eine Kommission ins Leben gerufen, die Einzelheiten der politischen Arbeit im Nachkriegsdeutschland festlegte. Die von dieser Kommission ausgearbeiteten Thesen, die sich auf Vorarbeiten aus den Jahren 1943/44, so das „Aktionsprogramm des Blocks der Kämpferischen Demokratie“ (1. Fassung Oktober 1944), stützten, wurden einer ausgewählten Gruppe von kommunistischen Emigranten in Schulungskursen vorgetragen. Sie können als Leitlinien der frühen sowjetischen Deutschlandpolitik angesehen werden: 1. Das deutsche Volk ist kollektiv verantwortlich für die Entfesselung des II. Weltkrieges und die Kriegsgreuel (Kollektivschuld). 2. Nach dem Krieg ist die „bürgerlich-demokratische Umgestaltung“ zu vollenden; die Losung vom unmittelbaren revolutionären Übergang zum Sozialismus liegt nicht im Interesse der kommunistischen Bewegung (antifaschistisch-demokratische Ordnung). 3. Nach Kriegsende sind alle antifaschistischen Kräfte in einem „Block“ zu sammeln; linkssektiererische Gruppen sind aufzulösen (Konzept eines antifaschistisch-demokratischen Blocks). 4. Die Einheit der Arbeiterklasse ist herbeizuführen. (Das Ziel der „Einheitsfront“ bezog sich zu dieser Zeit — da die Gründung politischer Parteien in Deutschland zunächst nicht vorgesehen war — auf die „Zusammenarbeit im Block“. Erst nach der Zulassung von Parteien durch die sowjetische Besatzungsmacht richtete sich diese Forderung speziell an SPD und KPD.) Ein unmittelbar danach verabschiedetes 14-Punkte-Programm legte Einzelmaßnahmen fest und sollte die bürgerlichen Freiheitsrechte garantieren. Ziel war die „Vollendung der bürgerlichen Revolution“ und nicht die „sozialistische Revolution“. Im Gegensatz zu solchen Vorstellungen der Moskauer Exil-KP waren unter den in Deutschland verbliebenen, z. T. inhaftierten Mitgliedern der SPD [S. 928](nicht selten in Kontakt und Übereinstimmung mit ehemaligen KPD-Mitgliedern, die das Schicksal der Verfolgung und Inhaftierung teilten) andere Auffassungen für die Neuordnung nach dem Kriege entwickelt worden. Die sog. „Buchenwälder Plattform“ vom 1. 5. 1944 und das „Buchenwälder Manifest“ vom 13. 4. 1945 optierten klar für die „Verwirklichung des Sozialismus“. B. Eroberung einer Mitgliederbasis in der Phase der antifaschistisch-demokratischen Ordnung (1945 bis 1947) Ende April 1945 kehrte die erste Gruppe kommunistischer Emigranten, die sog. Gruppe Ulbricht, aus der Sowjetunion nach Berlin zurück. Am 10. 6. 1945 erließ die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) den Befehl Nr. 2, der die Gründung antifaschistischer Parteien und Gewerkschaften gestattete. Bereits am nächsten Tag trat die KPD mit einem Aufruf, der überwiegend von den aus Moskau zurückgekehrten Kommunisten unterzeichnet war, an die Öffentlichkeit. Der Aufruf zielte auf eine flexible Machtübernahme entweder in Gesamtdeutschland oder in dessen Teilen. Der zentrale Gedanke war die Errichtung einer „einheitlichen“, „friedliebenden“, „antifaschistisch-demokratischen“ deutschen Republik. Es wurde hervorgehoben, daß es nicht sinnvoll sei, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen. Die Bildung einer Einheitspartei der Arbeiterklasse wurde zunächst nicht ins Auge gefaßt. (Die Parteiführung wollte vermutlich erst einmal die eigenen Kader sammeln und schulen.) Besonders unter den in Deutschland aktiv gebliebenen KPD-Mitgliedern und vor allem bei den Überlebenden der Konzentrationslager regte sich gegen den Aufruf vom 11. Juni Widerstand. In ihren Augen bedeuteten die Konzeptionen der von der SMAD gesteuerten KPD-Führung eine Absage an die revolutionären Traditionen der deutschen Kommunisten. Ferner riefen die SPD (15. 6.), die CDU (26. 6.) und die LDPD (5. 7.) zur Neugründung auf. Alle 3 Parteien erhielten von der SMAD die Genehmigung zur Aufnahme ihrer Tätigkeit, hatten aber durch ihre Zusammenfassung mit der von den Sowjets gestützten KPD im „antifaschistisch-demokratischen Block“ (Bündnispolitik) diese als politisch willensbildende Kraft anzuerkennen. Die KPD in der SBZ und in Berlin ihrerseits sah sich in der Lage, zwar die von der sowjetischen Besatzungsmacht favorisierte Partei zu sein, gleichzeitig jedoch war sie zunächst nur eine politische Kraft unter mehreren. Der Weg zur Alleinherrschaft lag noch vor ihr. Ehemalige Mitglieder der SPD, die in der Zeit 1933–1945 in Deutschland geblieben waren, im Untergrund gekämpft hatten und sich nach Kriegsende in Berlin zusammenfanden, hatten als Führungsgremium der wieder aufzubauenden Partei den Zentralausschuß (ZA) unter O. Grotewohl gebildet. Der Gründungsaufruf des ZA forderte Demokratie in Staat und Gemeinde sowie Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft. Aus den Erfahrungen des mit den Kommunisten z. T. gemeinsam gefochtenen Untergrundkampfes gegen das NS-Regime heraus traten die Sozialdemokraten für die organisatorische Einheit der beiden Arbeiterparteien ein. Die aus Moskau heimgekehrten Kommunisten jedoch lehnten die Einheit nachdrücklich ab. Der Haltung der SPD in dieser Frage lag auch die Vorstellung zahlreicher ihrer Führer und Mitglieder zugrunde, daß der Zusammenbruch der Weimarer Republik hätte verhindert werden können, wenn es rechtzeitig zu einer Aktionseinheit von SPD und KPD gekommen wäre. Hinzu kam, daß die SPD-Führung annehmen konnte, aufgrund der Stärke ihrer Partei sei den Kommunisten der Weg zur alleinigen Machtausübung versperrt. Diese Einschätzung mag sich noch verstärkt haben, nachdem am 15. 6. 1945 (Gründungsaufruf) erstmals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung die Gründung einer überparteilichen Einheitsgewerkschaft (FDGB) möglich zu werden schien. Als die SPD — aufgrund der Aufnahme ihrer Tätigkeit auch in den Westzonen unter K. Schumacher, der von der Londoner Exil-SPD Unterstützung erhielt, sowie aufgrund ihrer starken gesamtdeutschen Ambitionen — politisch zu mächtig zu werden drohte und als zudem die Kommunisten im Herbst bei den Wahlen in Österreich und Ungarn in der Minderheit blieben, nahm die KPD in der SBZ nunmehr ihrerseits konsequenten Kurs auf eine Vereinigung mit der SPD. Der Berliner ZA unter O. Grotewohls Vorsitz stellte nun Vorbedingungen an das formal von W. Pieck und de facto von W. Ulbricht im Einvernehmen mit der SMAD geführte ZK der KPD. Zu echten Verhandlungen zwischen beiden Spitzengremien ist es jedoch nicht gekommen. Vielmehr ließen der zunehmende Druck der sowjetischen Besatzungsmacht, einzelne Verhaftungen von SPD- Funktionären, jedoch auch Spannungen in der Partei selbst (insbesondere mit Schumacher in Hannover) Grotewohl Ende des Jahres 1945 nachgeben. Hinzu kam, daß in den SPD- und KPD-Landesverbänden von Sachsen, Thüringen und Mecklenburg zahlreiche Stimmen für eine Vereinigung beider Parteien laut wurden. Schon im Februar 1946 war es dann auf der Kreisebene zu Vereinigungen gekommen, wobei eventueller Widerstand durch Überredung und Gewalt seitens der Besatzungsmacht gebrochen wurde. Die SMAD erlaubte weder gesamtdeutsche Parteitage beider Parteien noch eine Urabstimmung ihrer Mitglieder. Die einzige freie Urabstimmung fand in der SPD in den Westsektoren von Berlin am 31. 3. 1946 statt. Hier entschieden sich bei einer Wahlbeteiligung von ca. 73 v. H. mehr als 80 v. H. [S. 929]der Sozialdemokraten gegen eine Einheitspartei. Allerdings sprachen sich die SPD-Mitglieder in den Westsektoren von Berlin deutlich für eine Zusammenarbeit von SPD und KPD aus. In der SBZ wurden die Vereinigungsbeschlüsse auf dem 40. Parteitag der SPD und dem 15. der KPD gefaßt (19./20. 4. 1946). Der I. Parteitag der SED (Vereinigungsparteitag, 21./22. 4. 1946) fand dann im Admiralspalast in Berlin statt. Die Mehrheit der (1055) Delegierten kam entsprechend dem Mitgliederstand aus der SPD, 230 Delegierte waren aus den Westzonen angereist. Die Partei gab sich ein (Organisations-)Statut. Gemäß diesem (1.) Statut wählte der Parteitag einen 80köpfigen Parteivorstand (PV), aus dem ein 14 Personen umfassendes Zentralsekretariat (ZS) hervorging. Die Bildung von Landes- und Kreisvorständen (später, nach Auflösung der Länder im Jahre 1952, Bezirksleitungen [BZL] und Kreisleitungen [KL] genannt, s. u.) war ebenfalls in dem Statut festgelegt. Für den Organisationsaufbau wurde zwischen der früheren Organisationsform der SPD (Wohnbezirksgruppen) und der KPD (Betriebsgruppen) ein Kompromiß insofern gefunden, als neue Mitglieder zwar von den „Ortsgruppen“ aufgenommen, aber berufstätige Mitglieder gleichzeitig der „Betriebsgruppe“ der SED angehören mußten. Territorial- und Produktionsprinzip bestanden nebeneinander (s. u. III, B). Alle Leitungsfunktionen — von Betriebs- und Ortsgruppen bis zum ZS — wurden paritätisch aus ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern besetzt. Pieck und Grotewohl wurden zu Vorsitzenden der Partei, Ulbricht und P. Fechner zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Das ZS, das auf dem II. Parteitag um je einen Vertreter von KPD und SPD erweitert wurde, faßte selbständig Beschlüsse. In besonders wichtigen Fällen wurden sie dem PV zur Entscheidung unterbreitet. Die SED hatte sich in den vom I. Parteitag verabschiedeten „Grundsätzen und Zielen“ programmatisch auf einen „demokratischen“ deutschen Weg zum Sozialismus festgelegt. Das lag auf der Linie der vom späteren ZS-Mitglied A. Ackermann im Auftrag der sowjetischen Führung erarbeiteten und im Februar 1946 in der Zeitschrift „Einheit“ vertretenen These vom besonderen deutschen Weg zum Sozialismus. Das Ziel, der Sozialismus, sollte auf demokratischem Wege „erstrebt“ werden, wenn nicht „die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verläßt“. Obwohl sich die SED — wenn auch bis 1948 nicht offen — als „sozialistische“ Partei verstand und auf den Marxismus als grundlegende Theorie berief, wurden in die für ganz Deutschland konzipierten „Gegenwartsforderungen“ der „Grundsätze“ Programmpunkte (z. B. Bestrafung aller Kriegsverbrecher, Punkt. 1) aufgenommen, die zeigten, daß die Partei eine breite Basis suchte. Bekenntnisse zur Meinungs- und Koalitionsfreiheit und zum Streikrecht standen allerdings erst an 8. und 9., die „Einheit Deutschlands“ an 12. Stelle des Programms, und Forderungen wie: Beseitigung der kapitalistischen Monopole (Punkt 2), Entmachtung der Großgrundbesitzer und Durchführung der demokratischen Bodenreform (Punkt 3), wirtschaftlicher Aufbau auf der Grundlage von Wirtschaftsplänen (Punkt 6), gaben dem Gegenwartsprogramm sozialistisch-kommunistische Züge. Solche Ambivalenz in den „Grundsätzen“ war nicht zufällig, denn die von der Parteiführung in ihrem Streben nach Erweiterung der Herrschaftsbasis zu berücksichtigenden Interessenlagen waren sehr unterschiedlich. Die Verbreitung eines demokratischen Profils bei der Mitgliedschaft und der Bevölkerung lag im Interesse der Parteiführung. Sie versprach sich davon Erleichterungen in der Verfolgung gesamtdeutscher Ziele. Damals wie auch in den folgenden Jahren war die SED vorbereitet, in Übereinstimmung mit der sowjetischen Deutschlandpolitik durch Ausdehnung ihrer Organisation aktiv Einfluß auch in den Westzonen auszuüben. Das starke gesamtdeutsche Engagement wurde deutlich, als der PV am 7. 5. 1946 in einem offenen Brief alle SPD- und KPD-Mitglieder in den drei westlichen Besatzungszonen aufforderte, auch in ihrem Gebiet eine Sozialistische Einheitspartei zu gründen. Im Herbst 1946 fanden in der SBZ die ersten Wahlen statt. Die SED erhielt in den Gemeindewahlen im Durchschnitt 58,5 v. H., in den Kreistagswahlen 50,3 v. H. und in den Wahlen zu den Landtagen 47,5 v. H. aller Stimmen, obwohl CDU und LDPD starken Behinderungen unterlagen. In den meisten größeren Städten konnte die SED nicht die absolute Mehrheit erlangen. Damit war sie — trotz Hilfestellung von Seiten der Besatzungsmacht — hinter ihrem selbstgesteckten Ziel zurückgeblieben. Andererseits war sie stärker und besser organisiert als die bürgerlichen Parteien. Ihr Mitgliederstand wuchs (s. u. III. D.), und die Zahl der Grundorganisationen stieg von ca. 13.000 (I. Parteitag) auf 24.000 (II. Parteitag). Den Aufbau ihres hauptamtlichen Apparates hatte die SED der sowjetzonalen Verwaltungsstruktur angeglichen und sich durch die Gründung Personalpolitischer Abteilungen (PPA) bei den verschiedenen Parteiorganisationen wirksame Instrumente geschaffen, um die Personalpolitik in allen Bereichen des öffentlichen Lebens mitbestimmen zu können. Noch war allerdings innerhalb der SED die Moskau-orientierte ehemalige KPD, die vor allem für solche Maßnahmen verantwortlich zeichnete, auf die SPD und andere Gruppierungen angewiesen. Die einheitliche Ausrichtung und Umwandlung der neuen Partei im Sinne einer „Partei neuen Typus“ sollte die Aufgabe der kommenden Jahre sein. [S. 930]<C. Umorganisationen im Sinne der Kaderpartei und der volksdemokratischen Ordnung (1947–1955)> Der II. Parteitag (20.–24. 9. 1947) beschloß die weitere Geltung der „Grundsätze und Ziele“ bis zur Verabschiedung eines neuen Parteiprogramms, zu der es allerdings erst 1963 kam. Der Marxismus — nicht ausdrücklich seine Verbindung mit dem Leninismus — sollte der „sichere Kompaß“ auf dem Weg zur demokratischen Neugestaltung und zur Einheit Deutschlands sein. Der Kampf um diese Einheit wurde zur „Hauptaufgabe“ der Arbeiterklasse erklärt; dabei verstand die SED sich als politisch führende Kraft in ganz Deutschland. Gleichzeitig wurde gefordert, in den Volkseigenen Betrieben die Überlegenheit der neuen demokratischen Wirtschaftsordnung über die „kapitalistische Wirtschaftsanarchie“ zu beweisen. Besondere Bedeutung kam dabei der politischen Aktivität der ca 13.000 Betriebsgruppen der SED zu, auf die sich nun immer mehr das Schwergewicht der politischen Arbeit verlagerte. Dies zeigte sich auf der zentralen Organisations-Schulungskonferenz, die vom 27. 1. bis 6. 2. 1948 im Gebäude der Karl-Marx-Parteihochschule (Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED) stattfand. Auf ihr waren folgende Richtlinien zur Verbesserung der Arbeitsmethoden der Parteileitungen und der Arbeit der Grundeinheiten erlassen worden: Die Betriebsgruppen sollten die „führende Kraft“ in allen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen des Betriebes sein. Die Betriebsgruppen der staatlichen Industrieverwaltungen erhielten die Aufgabe, diese Institutionen von „reaktionären Elementen“ zu säubern und bürokratische Hemmnisse zu beseitigen. Die Richtlinien legten ferner fest: Jede Betriebsgruppe hatte einen Arbeitsplan aufzustellen; in jedem Betrieb mit über 1.000 Parteimitgliedern waren hauptamtliche Parteisekretäre zu wählen und zu beschäftigen. Betriebsgruppen mit mehreren tausend Mitgliedern, wie die Buna- und Leunawerke, erhielten die Pflichten und Rechte einer eigenen Kreisleitung der SED und neben dem 1. Sekretär auch weitere hauptamtliche Parteisekretäre für festgelegte Arbeitsgebiete. Gleichzeitig wurden von der SED erste Formen der späteren Aktivistenbewegung, der organisatorischen Vorform des Sozialistischen Wettbewerbs, in einzelnen Betrieben eingeführt. Die SED der Jahre 1946 und 1947 kann weder als eine Fortsetzung der alten KPD noch als eine Kaderpartei leninistischen Typs angesehen werden. Erst der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz, die auf der Gründungskonferenz des Kominform im Herbst 1947 von Stalins Vertrautem, dem Ersten Sekretär der Leningrader Parteiorganisation Shdanow, erstmalig nach dem Ende des II. Weltkrieges wieder erneuerte orthodoxe Einteilung der Welt in zwei feindliche Lager (Zwei-Lager-Theorie) und der Konflikt der Sowjetunion mit Jugoslawien führten zu eindeutigeren Strukturen. Innenpolitisch wurde diese Entwicklung gestützt durch die von der SMAD befohlenen gesellschaftlichen Umwandlungen (Besatzungspolitik; Agrarpolitik; Enteignung), die zunehmende Anpassung an das sowjetische Wirtschaftsmodell (Planung), die Aufwertung der Deutschen Wirtschaftskommission, die Auflösung der Betriebsräte und die Stärkung der Betriebsgruppen sowie schließlich die generelle Einführung der Aktivistenbewegung. Zwar sollte die SED eine Massenpartei bleiben, jedoch wurde nun die Übernahme von Organisations- und Befehlsstrukturen, wie sie für eine leninistische Kaderpartei typisch sind (Demokratischer Zentralismus), angezielt. Die außen- und innenpolitisch motivierte Ausrichtung der SED an der KPdSU und der SBZ/DDR an der UdSSR wurde seit 1948 konsequent verfolgt. So forderte der PV im Juni 1948, die SED zu einer „Partei neuen Typus“ (s. u.) zu entwickeln. Grotewohl erklärte außerdem auf der 11. Tagung des PV am 29./30. 6. 1948 die Spaltung Deutschlands für vollzogen und lehnte für Deutschland jegliche Brückenfunktion im Ost-West-Konflikt ab. Von ihm wie von Ulbricht wurde betont, daß die SBZ sich eindeutig am volksdemokratischen Vorbild (Staatslehre) zu orientieren und von der UdSSR zu lernen habe. Nachdem sich das ZS in einer Resolution vom 3. 7. 1948 auf die Seite Stalins und des Kominform-Büros gegen die jugoslawischen Kommunisten gestellt hatte, begann in allen Parteiorganisationen der SED eine Kampagne, die eine positive Haltung zur Politik der KPdSU-Führung und zum gesellschaftspolitischen Modell der Sowjetunion erzwingen sollte. Den Funktionären des Verwaltungsapparates wurde die angezielte Einordnung in den Sowjetblock und deren Konsequenzen für die Funktionsweise des Staatsapparates (Beseitigung der Selbstverwaltung. Durchsetzung des Prinzips des Demokratischen Zentralismus) auf der 1. Staatspolitischen Konferenz in Werder (23./24. 7. 1948) erläutert. Gegen die neue Linie der Partei erhob sich besonders in den Reihen ehemaliger SPD-Mitglieder Widerstand. Nach Shdanows Rede über die „zwei Lager“ hatten außerdem die sowjetischen Organe ehemalige Sozialdemokraten verschärft überwacht. Reden führender Funktionäre, die jetzt der SED angehörten, wurden zensiert bzw. durften in der Parteipresse nicht publiziert werden. In der Sicht derjenigen Sozialdemokraten, die den Zusammenschluß mit der KPD als ein Experiment, das in ganz Deutschland einen demokratisch-sozialistischen Neubeginn vorbereiten sollte, betrieben hatten, war die Einheitspolitik gescheitert. Sie konnten nicht verhindern, daß der von den Sowjets gestützte Ulbricht immer mächtiger wurde. Im Gegenteil: Ulbricht forderte nun die Beseitigung des Prinzips der [S. 931]paritätischen Besetzung der Führungspositionen der SED, und auf der 12. und 13. PV-Tagung gelang es ihm, Beschlüsse durchzusetzen, die eindeutig gegen nicht anpassungswillige ehemalige SPD-Mitglieder gerichtet waren. Die 12. PV-Tagung (28./29. 7. 1948) beschloß die „organisatorische Festigung der Partei“ und „ihre Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen“ sowie, zur Unterstützung der jetzt nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus arbeitenden Leitungen, die Bildung von Parteiaktivs, die die zuverlässigsten Mitglieder umfassen sollten. Die 13. PV-Tagung (15./16. 9. 1948) beschloß die Errichtung der Zentralen Parteikontrollkommission (Kontrollkommissionen der SED) und den sofortigen Aufbau von Parteikontrollkommissionen bei den Landes- und Kreisvorständen (s. u. III. C.). Ihre Bedeutung bestand zunächst darin, oppositionelle Sozialdemokraten zu entfernen. In mehreren Fällen wurden auch oppositionelle Alt-Kommunisten bzw. Angehörige ehemaliger kommunistischer Splittergruppen ausgeschlossen. Gleichzeitig wurde die Aufnahme von neuen Mitgliedern in die Partei erschwert. Im Vordergrund der 12. und 13. PV-Tagungen stand ferner die Eliminierung der von Ackermann entwickelten These vom besonderen deutschen Weg zum Sozialismus. Gleichzeitig suchte die SED die verstärkte Übernahme sowjetischer Herrschaftsmethoden und die Anpassung der Verhältnisse in der SBZ an das sowjetische Gesellschaftsmodell zu rechtfertigen. indem sie auf die größeren „Erfahrungen“ der KPdSU beim Aufbau des Sozialismus verwies und die Propagierung der Lehren Stalins in allen gesellschaftlichen Bereichen verstärkte. Im September 1948 wurden alle Parteimitglieder zum Studium von Stalins Schrift „Kurzer Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)“ verpflichtet. Durch den Beschluß der 14. PV-Tagung (20./21. 10. 1948) „Zur Verbesserung der Arbeit der Parteibetriebsgruppen in den Großbetrieben“ wurde die Arbeit der Partei (später: Betriebsparteiorganisationen, BPO) konzentriert. Auch dies war ein Schritt der Abkehr von den Organisationsprinzipien der SPD und der Hinwendung zur leninistischen Kaderpartei (Grundorganisationen der SED; Kaderpolitik). Unmittelbar vor der 1. Parteikonferenz wurde auf der 16. PV-Tagung (24. 1. 1949) das Prinzip der paritätischen Besetzung von Leitungsfunktionen aufgehoben; nur in der Einrichtung zweier Parteivorsitzender blieb es weiter bestehen. Auf dieser Tagung wurde auch erstmals in der Geschichte der SED ein Politisches Büro (Politbüro [PB], seinerzeit mit 7 Mitgliedern und 2 Kandidaten unter der Leitung von Pieck und Grotewohl) eingerichtet sowie ein sog. Kleines Sekretariat des Politbüros (5 Mitglieder unter der Leitung von Ulbricht). Entsprechende Änderungen wurden für die SED-Landes- und Kreisvorstände beschlossen. Schließlich wurde die Kandidatenzeit als Bedingung für die Aufnahme in die Partei eingeführt. Für eine kurze Zeit der Geschichte der SED bestanden ZS, PB und das Kleine Sekretariat des PB nebeneinander, denn das ZS wurde erst im Laufe des Jahres 1949 aufgelöst. Im PB fielen, unter Berücksichtigung entsprechender sowjetischer Weisungen, alle wichtigen Entscheidungen; dem Kleinen Sekretariat des PB (ab 1950: Sekretariat des ZK der SED) oblag die Durchführung der Beschlüsse des PB und damit zugleich die Anleitung und Kontrolle der einzelnen Abteilungen des Parteiapparates. Die 1. Parteikonferenz (25.–28. 1. 1949) bestätigte den vorangegangenen organisatorisch-politischen Wandel, in dessen Verlauf die Massenpartei SED typische Elemente einer Kaderpartei übernommen hatte. Danach war Fraktionsbildung in der Partei strikt verboten. Die führende Rolle der Sowjetunion und der KPdSU (B) wurde jetzt als für alle Mitglieder verbindlicher politischer Grundsatz noch stärker betont. Das bereits auf dem II. Parteitag 1947 in Frage gestellte Prinzip der paritätischen Besetzung aller Leitungsgremien der Partei mit ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern wurde endgültig aufgegeben; die neue Führungsspitze (PB) bildeten 5 frühere Mitglieder der KPD und 4 frühere Mitglieder der SPD. Im Februar 1949 wurde die Kandidatenzeit nach sozialer Herkunft differenziert. Für Arbeiter war nun eine 1jährige, für andere Gruppen eine 2jährige Kandidatenzeit vorgeschrieben. Die 1. Organisationskonferenz der SED (7./8. 6. 1949) verpflichtete erneut alle Mitglieder in den Betrieben, sich in BPO zu organisieren. Sämtliche SED-Mitglieder wurden zu verstärktem Selbststudium der Werke Stalins angehalten. Im Oktober des gleichen Jahres wurden die PPA entsprechend dem sowjetischen Vorbild in Kaderabteilungen umbenannt und ein Nomenklatursystem für leitende Funktionäre eingeführt (Nomenklatur). Nach der Gründung der DDR (7. 10. 1949) entwickelte sich die SED zur dominierenden Partei auch im Staatsapparat. Alle wichtigen Leitungspositionen in Regierung, Verwaltung und Gesellschaft wurden in zunehmendem Maße mit als politisch zuverlässig geltenden SED-Mitgliedern besetzt. Die Vorsitzenden der SED traten an die Spitze des Staates: Pieck als Präsident, Grotewohl als Ministerpräsident. Trotz des damit bereits erkennbaren Vormarsches der SED zur herrschenden Partei war ihre „Suprematie“ (S. Mampel) noch nicht verfassungsmäßig verankert. Die Verfassung von 1949 sieht für die DDR vielmehr ein Mehrparteiensystem vor. Zu den bestehenden drei Parteien waren 1948 noch der DBD und die NDPD hinzugekommen. Der „antifaschistisch-demokratische Block“, dem sie und die wichtigsten Massenorganisationen ange[S. 932]hörten, ging mit der Gründung der DDR in der Nationalen Front auf. Spätestens bei den ersten Wahlen zur Volkskammer (15. 10. 1950) wurde jedoch klar, daß ein Mehrparteiensystem im westlich-demokratischen Verständnis von der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED nicht geduldet wurde. Über die Nationale Front und die entsprechenden Bestimmungen im Wahlgesetz vom 9. 8. 1950 war es der SED möglich, alle zu wählenden Kandidaten selbst zu ernennen oder zu billigen und mit Hilfe der Einheitslisten auch wählen zu lassen (Wahlen). Die von der SED besetzte Volkskammer wählte ferner die Regierung der DDR. Unersetzlich für die Erreichung dieser Stufe ihrer Herrschaft war für die SED der Staatssicherheitsdienst, dessen organisatorischer Aufbau im Februar 1950 mit der Schaffung des Ministeriums für Staatssicherheit abgeschlossen worden war. Der III. Parteitag (20.–24. 7. 1950) verabschiedete das (2.) Statut. Hier definierte sich die SED als „die Partei der deutschen Arbeiterklasse, ihr bewußter und organisierter Vortrupp, die höchste Form ihrer Klassenorganisation“, die „den fortschrittlichsten Teil der Werktätigen in ihren Reihen“ vereinigt. In ihrem Selbstverständnis war die SED eine auf eine Massenbasis gestützte Kaderpartei, die die führende Rolle der KPdSU bedingungslos anerkannte, oder — wie es in der Entschließung des Parteitages hieß — eine „Partei neuen Typus“. Gleichzeitig rief der Parteitag zum „Kampf gegen die Überreste des Sozialdemokratismus in der SED“ auf. Die „Grundsätze und Ziele“ von 1946 wurden für überholt erklärt, die Vorbildrolle der KPdSU (B) sowie die Einbindung der DDR in das System der Volksdemokratien bestätigt. Gesamtdeutsche Ambitionen wurden allerdings nicht aufgegeben: Der III. Parteitag verabschiedete (wie seinerzeit der Vereinigungsparteitag) ein „Manifest an das deutsche Volk“. Auch als „Partei neuen Typus“ spiegelte die SED damit eine Ambivalenz der Zielsetzungen: Moskau-Gebundenheit bzw. -Hörigkeit einerseits, Deutschland-Orientierung andererseits, wider. Der Verzicht auf die Bezeichnung „revolutionär“ deutete diese Ambivalenz ebenfalls an. Das Verhältnis der Partei zu den anderen gesellschaftlichen Organisationen in der DDR wurde mit den Worten, daß die SED auf diese „Einfluß ausübe“, umschrieben; eine normative Setzung der „Suprematie“ war also noch nicht erfolgt. Die vorher eingeleiteten innerparteilichen Umstrukturierungen erfuhren im Statut ihre Sanktionierung. Der PV wurde durch ein Zentralkomitee (ZK: 51 Mitglieder und 30 Kandidaten) mit 2 Vorsitzenden (Pieck und Grotewohl) ersetzt. Das ZK seinerseits wählte anstelle des ZS das PB (9 Mitglieder und 6 Kandidaten, unter ihnen nur noch 3 ehemalige Sozialdemokraten) und das Sekretariat des ZK (11 Mitglieder) mit Ulbricht als Generalsekretär des Zentralkomitees an der Spitze. In dieser Funktion hatte Ulbricht im politischen Entscheidungsprozeß größere Macht als die Parteivorsitzenden. Über die- inzwischen aufgegebene - Praxis der paritätischen Zusammensetzung der Leitungsorgane wurde im Statut nichts ausgesagt. Pieck und Grotewohl blieben jedoch gleichgestellte Vorsitzende der Partei. In der Absicht, die Masse der passiven Mitglieder zu aktiven „Parteiarbeitern“ und zuverlässigen politische Kadern zu erziehen, wurden die statutenmäßigen Ansprüche an die Mitglieder erhöht und der Parteiausschluß (der zu dieser Zeit überwiegend den Verlust der beruflichen Stellung nach sich zog) denen angedroht, die die Forderungen der Partei (Parteiauftrag) nicht erfüllten. Die BPO wurden zur wichtigsten Grundeinheit. Am 1. 11. 1950 begann das 1. Parteilehrjahr, in dessen Verlauf 1 Mill. Mitglieder und Kandidaten systematisch mit Grundfragen des Marxismus-Leninismus, der Geschichte der deutschen und sowjetischen Arbeiterbewegung sowie der Strategie und Taktik der SED vertraut gemacht werden sollten (Parteischulung der SED). Gleichzeitig ist im 1. Halbjahr 1951 der Umtausch der Parteimitgliedsbücher und -kandidatenkarten durchgeführt worden. Die in den osteuropäischen Nachbarländern stattfindenden Schauprozesse („Titoisten“-Prozesse) wurden von der SED-Führung zwar mit Beifall kommentiert, jedoch vermied sie es, ähnliche Prozesse in der DDR zu veranstalten. Bereits die 2. ZK-Tagung (24. 8. 1950) beschloß jedoch Säuberungen in der Partei- und Staatsspitze. Ehemalige KPD-Mitglieder, die während der NS-Zeit in den Westen emigriert waren und nach ihrer Rückkehr führende Positionen in der DDR bekleideten, wurden unter Spionagebeschuldigungen (sog. Affäre Noel H. Field) aus der Partei ausgeschlossen. Das prominenteste unter ihnen war P. Merker, seit Juli 1946 ununterbrochen Mitglied des ZS bzw. des PB. seit Oktober 1949 außerdem Staatssekretär im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft. Er wurde im August 1950 seiner Ämter enthoben, allerdings erst im Dezember 1952 verhaftet. Insgesamt waren die Jahre 1950–1952 durch permanente Säuberungen der Partei vor allem von Altkommunisten mit „Westvergangenheit“, oppositionellen Sozialdemokraten, sog. Zionisten und Angehörigen linker Splittergruppen der Arbeiterbewegung gekennzeichnet. Allein im Jahre 1951 wurden 150.696 Mitglieder ausgeschlossen. Von November 1950 bis Juni 1951 wurden keine neuen Parteimitglieder aufgenommen. Eine zentrale Kaderkonferenz (25. 1. 1952) forderte, in der Nomenklatur auf Westemigranten weitgehend zu verzichten und eine neue Intelligenz heranzuziehen. Im Mai 1953 schließlich gelang es Ulbricht, seinen damals stärksten Opponenten in der SED-Spitze, F. Dahlem (Altkommunist, Westemigrant und Mit[S. 933]glied der KPD- bzw. SED-Führung seit 1945), seiner Funktionen zu entheben und ihn aus dem PB und dem ZK-Sekretariat auszuschließen. (Dahlem wurde allerdings schrittweise rehabilitiert und 1957 wieder in das ZK aufgenommen.) Zugleich verstärkte die Parteiführung die Propagierung der Sowjetideologie und begründete die administrative Übernahme zahlreicher Merkmale des sowjetischen Wirtschaftsmodells (Vertragssystem; Wirtschaftliche Rechnungsführung; Kollektivierung). Der Kult um Stalin und das sowjetische Gesellschaftsmodell nahm groteske Züge an. Nachdem die innerparteilichen Umorganisationen im Sinne der „Partei neuen Typus“ besiegelt und alle parteipolitischen Kräfte prinzipiell unter Kontrolle gebracht worden waren, präsentierte sich die SED mit eindeutig sozialistisch-kommunistischen gesellschaftspolitischen Vorstellungen auf der 2. Parteikonferenz (9.–12. 7. 1952). Hier wurde das Ende der „antifaschistisch-demokratischen Phase“ verkündet und der „planmäßige Aufbau des Sozialismus“ im Sinne des „Klassenkampfes nach innen“ beschlossen. Mit dieser Periodisierung der eigenen Geschichte rechtfertigte die SED die vorangegangenen Umorganisationen in Wirtschaft und Gesellschaft (Frauen; Jugend; Kirchen; Kulturpolitik; Polytechnische Bildung; Rechtswesen; Universitäten und Hochschulen) und leitete die Kollektivierung in der Landwirtschaft, verschärfte Maßnahmen in der Arbeitspolitik sowie eine umfassende Verwaltungsneugliederung (Länder; Bezirke) ein. Der Tod Stalins (5. 3. 1953) führte zu einer der schwersten politischen Krisen der SED, denn die von den Sowjets noch immer eindeutig abhängige SED-Führung wurde durch die aus der Stalin-Nachfolge erwachsende Unsicherheit im Ostblock besonders stark erfaßt. Hinzu kam, daß sich in der DDR selbst als Folge der Kollektivierungsmaßnahmen auf dem Lande und der Steigerung der Arbeitsnormen (ohne entsprechende Erhöhung der Löhne) in der Industrie eine explosive Stimmung entwickelt hatte. In dieser Situation wurde Ulbricht gezwungen, das Tempo des gerade erst begonnenen Aufbaus des Sozialismus zu verlangsamen. Mit PB-Beschluß vom 9. 6. 1953 wurde der Neue Kurs verkündet. Diese Maßnahme ist ein Versuch gewesen, nicht nur die Unzufriedenheit in der Bevölkerung abzubauen, sondern auch innerparteiliche Kritik abzufangen. In der Hoffnung auf einen Sieg der Malenkow-Berija-Gruppe im PB der KPdSU hatte sich im SED-Politbüro eine gegen Ulbrichts Politik gerichtete Fronde gebildet, die in den Personen des damaligen Ministers für Staatssicherheit, W. Zaisser (zugleich Mitglied des PB), und des damaligen Chefredakteurs des „Neuen Deutschland“, R. Herrnstadt (zugleich Kandidat des PB), eine personelle und sachliche Alternative darstellte. Es scheint heute sicher, daß Ulbricht mehrere Wochen keine Mehrheit in den SED-Führungsgremien, vor allem im PB, fand. Nach dem 17. Juni (Juni-Aufstand) jedoch konnte sich die Sowjetunion offenbar keine Experimente am Rande ihres Machtbereichs leisten, und Berija war inzwischen (Ende Juni 1953) ausgeschaltet worden. Daher erreichte Ulbricht auf der 15. ZK-Tagung (24.–26. 7. 1953) den Ausschluß Zaissers und Herrnstadts aus dem ZK (und damit automatisch auch aus dem PB) sowie ihre Amtsenthebung. Wegen ihrer Unterstützung der Zaisser-Herrnstadt-Opposition wurden ferner A. Ackermann, H. Jendretzky und E. Schmidt nicht wieder in das PB, das im Juli 1953 vom ZK gewählt wurde, aufgenommen, blieben jedoch zunächst Mitglieder des ZK. Im Gegensatz zu der relativ milden Behandlung, die diese Moskau-orientierte Gruppe altgedienter hoher KPD- bzw. SED-Funktionäre erfuhr, wurde im direkten Zusammenhang mit dem 17. Juni der aus der SPD gekommene damalige Justizminister und ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende, M. Fechner, bedeutend härter gestraft. Er verlor seine Mitgliedschaft in der SED und wurde verhaftet. Ihm wurde zum Vorwurf gemacht, er hätte den Arbeitern nicht entschieden genug widersprochen, als sie am 17. Juni die Anerkennung ihres verfassungsmäßig garantierten Streikrechts forderten. Auf der 17. ZK-Tagung (22/23. 1. 1954) wurden Zaisser und Herrnstadt dann aus der SED ausgeschlossen, blieben aber auf freiem Fuß; ihre Sympathisanten sowie andere als oppositionell eingeschätzte Parteimitglieder erhielten schwere Parteistrafen. Die anschließende Parteisäuberung erfaßte auch den Apparat und die einfachen Mitglieder. Von den 1952 gewählten Mitgliedern der 15 Bezirksleitungen schieden 62 v. H. bis zum IV. Parteitag im Jahre 1954 aus. Von den im Juni 1953 amtierenden 1. und 2. Kreissekretären wurden sogar 71 v. H. ausgewechselt. Unter den von Juli bis Oktober 1953 ausgeschlossenen einfachen Mitgliedern der Partei hatten fast ein Drittel mehr als 20 Jahre einer der vor 1933 bestehenden Arbeiterparteien angehört. Obwohl die Parteiführung keine Fehler-Diskussion zuließ, machte sie der Bevölkerung doch politische wie soziale Zugeständnisse. Der Neue Kurs brachte einen vorübergehenden Halt in der Kollektivierung auf dem Lande und eine Reihe sozialer, vor allem lohnpolitischer Erleichterungen für die Arbeitnehmerschaft. Auch der IV. Parteitag (30. 3.–6. 4. 1954) fand noch unter den Zeichen des Neuen Kurses statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen ferner die notwendige Modernisierung der Industrieproduktion und die Schaffung eines breiteren Konsumgüterangebots. Verschiedene Eigentumsformen sollten zwar noch längere Zeit nebeneinander bestehen können, doch wurde zugleich betont, daß die Partei zur „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ übergegangen sei. [S. 934]Der IV. Parteitag verabschiedete das (3.) Statut. In ihm wurde, entsprechend dem Bericht der ZPKK (durch H. Matern), erstmals der Charakter der Partei als „revolutionärer“ Avantgarde betont sowie ihre Führungsrolle („Suprematie“) gegenüber allen gesellschaftlichen Organisationen (s. u. III. E.) festgelegt. Die Vorsitzenden des ZK wurden abgeschafft, die Spitze der Partei nunmehr vom Ersten Sekretär des ZK gebildet. Im neuen Statut ist das Prinzip der kollektiven Führung wieder stärker betont worden. (Das zeigte sich u. a. darin, daß bei den BZL und KL Büros als kollektive Leitungsorgane gebildet wurden.) § 70 des Statuts legte fest, daß die Grundorganisationen das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen in allen Volkseigenen Betrieben, einschließlich der verstärkt zu fördernden LPG, haben. Ulbricht wurde zum Ersten Sekretär des ZK (bisher Generalsekretär) der SED gewählt, das Sekretariat auf 6 Mitglieder verkleinert. In das neue PB wurden 9 Mitglieder und 5 Kandidaten aufgenommen. Im November 1954 wurde zugegeben, daß die Verfolgungen von Westemigranten auf erpreßten und verfälschten Geständnissen beruhten. Die erst 1956 zögernd eingeleitete Rehabilitierung (28. ZK-Tagung, 27.–29. 7. 1956) führte die seinerzeit gemaßregelten Funktionäre jedoch nicht in ihre alten Parteiämter zurück (Rehabilitierungen). Ab 1954 unternahm die SED neue Anstrengungen, um die Effektivität der Wirtschaft zu erhöhen. Ulbricht forderte auf einer Konferenz mit 600 Wissenschaftlern und Ingenieuren (16. 6. 1954), sich an internationalen Spitzenleistungen zu orientieren und den Weltruf deutscher Erzeugnisse zu erhalten. Die BPO wurden nun verpflichtet, sich für die Qualitätssteigerung der produzierten Waren und ein strenges Sparsamkeitsregime einzusetzen sowie stärker als bisher Kosten- und Preisprobleme zu studieren. Die 21. ZK-Tagung (12.–14. 11. 1954) beschloß eine Vereinfachung der Planung. Die 1. Baukonferenz des ZK und des Ministeriums für Bauwesen (3.–6. 4. 1955: Beginn der Industrialisierung in der Bauwirtschaft) und die II. Wissenschaftlich-technische Konferenz (6.–8. 7. 1955) rückten die Probleme der technologischen Modernisierung noch eindeutiger in den Vordergrund. Im Beschluß der 24. ZK-Tagung (1./2. 6. 1955) über die Förderung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts zeichnete sich die gleiche Tendenz ab. Auf der 25. ZK- Tagung (24.–27. 10. 1955) wurde dann neben der ideologisch-politischen Erziehungsarbeit die Propagierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zur wichtigsten Aufgabe der leitenden Parteiorgane erklärt. Auf dieser Tagung wurden außerdem neue Vorstellungen für eine deutsche Wiedervereinigung formuliert (Deutschlandpolitik der SED). Vorausgegangen waren von Seiten der UdSSR der Verzicht auf noch ausstehende Reparationsleistungen sowie die Streichung aller Nachkriegsschulden und die Gewährung eines beträchtlichen Kredits (Wirtschaft). Mit diesen Maßnahmen wurden von den Sowjets nicht nur wirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern es wurde u. a. auch die politische Stärkung der SED angezielt. Die SED wurde ferner gestützt durch die Auflösung der Sowjetischen Kontrollkommission (Besatzungspolitik) und die Unterzeichnung des „Vertrages über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ am 20. 9. 1955 (Außenpolitik). Am Ende der Besatzungspolitik war die DDR in das System der Volksdemokratien, in das Sozialistische Weltsystem, eingegliedert (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe; Warschauer Pakt). Die Umwandlung der SED zu einer Moskau-hörigen Kaderpartei mit Massenbasis kann zu diesem Zeitpunkt als abgeschlossen gelten. D. Innerparteiliche Konsolidierung und Aufbau des Sozialismus in der DDR (1955--1961/62) Chruschtschows Geheimrede und seine Enthüllungen über die Stalinschen Herrschaftsmethoden auf dem XX. Parteitag der KPdSU (14.–25. 2. 1956) stürzten die Führung der SED in eine neue Krise. Diesmal ging es — stärker als im Jahr 1953 — auch um den seit Kriegsende praktizierten Herrschaftsstil der Partei, um ihr Selbstverständnis als „führende Kraft der Arbeiterklasse“. Zwar konnte die SED-Führung auf erhebliche Aufbauleistungen verweisen, mußte sich jedoch gerade angesichts der sowjetischen Entwicklungen den Fragen der Parteimitglieder und der Bevölkerung nach ihrem Verhältnis zu Stalin und nach der „innerparteilichen Demokratie“ stellen. In dieser Situation tagte die 3. Parteikonferenz (24.–30. 3. 1956). Entgegen den Erwartungen vieler Delegierter und Parteimitglieder erfolgte auf ihr keine deutliche Distanzierung von den stalinistischen Terrormethoden. Wie schon 1955 geplant, beschäftigte sich die Konferenz vielmehr überwiegend mit Struktur- und wirtschaftspolitischen Fragen. Ihr Beschluß „Zur breiteren Entfaltung der Demokratie in der DDR“ stellte der SED die Aufgabe, den Staatsapparat für die Organisation des „endgültigen Sieges der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ vorzubereiten (vgl. Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. 1. 1957; Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates vom 11. 2. 1958; Staatsapparat). Er zeigte aber gleichzeitig, daß die SED-Führung einen neuen Führungsstil suchte, wenn auch — angesichts der Erfahrungen von 1953 — in sehr vorsichtiger Weise. Die Ereignisse in Polen und Ungarn bestärkten die Parteiführung dann ferner in ihrer vorsichtig-abwartenden Haltung zur „Entstalinisierung“. [S. 935]Die Betonung wirtschaftspolitischer Fragen auf der 3. Parteikonferenz wurde von zahlreichen Mitgliedern und Unterorganisationen der Partei als ein Manöver, das von den Fehlern der eigenen Vergangenheit ablenken sollte, empfunden. Die Kritik an der von Ulbricht geführten Partei und ihrer Politik wurde immer lauter. Die stärkste Opposition war in der Parteiführung selbst anzutreffen, wo die PB- Mitglieder K. Schirdewan (ZK-Sekretär für Organisation und Information) und F. Oelßner (Leiter der Kommission für Fragen der Konsumgüterproduktion und der Versorgung der Bevölkerung) sowie die Mitglieder des ZK G. Ziller (ZK-Sekretär für Wirtschaft). F. Selbmann (Stellvertretender Ministerpräsident) und E. Wollweber (Minister für Staatssicherheit) eine Reform der Parteispitze und der Parteiarbeit sowie eine Verlangsamung der gesellschaftlichen Umwälzungen forderten. Opposition regte sich ferner in verschiedenen Verlagen und Universitäten. W. Harich (Chefredakteur der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“, Dozent an der Humboldt-Universität) u. a. entwickelten Konzepte des Reformkommunismus (Dritter Weg; Opposition und Widerstand; Revisionismus) und der Parteireform, die ebenfalls die Parteispitze betroffen hätten. An mehreren Universitäten wandten sich Parteiorganisationen gegen die bisherige Anwendung des Prinzips des Demokratischen Zentralismus. Marxistische Wirtschaftstheoretiker und -praktiker, angeführt von F. Behrens (zu jener Zeit Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig und Direktor des Staatlichen Zentralamtes für Statistik), A. Benary (damals Oberassistent am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften [DAW] und dort Leiter der Abteilung „Sozialistische Wirtschaft“) und G. Kohlmey (seinerzeit Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der DAW), forderten stärkere Dezentralisierungen der wirtschaftspolitischen Entscheidungen, Orientierung an realistischen wirtschaftlichen Daten, materielle Stimuli und echte Kostenpreise; andere, wie K. Vieweg (zu jener Zeit Leiter des Instituts für Agrarökonomik bei der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, 1950–1953 ZK-Sekretär für Landwirtschaft), verlangten die Auflösung unrentabler LPG. Kritisiert wurde ferner die Deutschlandpolitik der Parteiführung. Trotz einiger Teilerfolge der Opposition (vgl. z. B. die Stellungnahme des PB vom 8. 7. 1956 gegen Dogmatismus und Personenkult und den Beschluß der 28. ZK-Tagung über „Die nächsten ideologischen Aufgaben der Partei“ vom 29. 7. 1956) setzte sich Ulbricht — unterstützt von den Ereignissen in Polen und Ungarn sowie der sowjetischen Reaktion im Oktober/November 1956 — gegen seine Gegner in der SED durch. Zunächst traf allerdings nur die intellektuelle Opposition die volle Reaktion der Parteiführung. Harich und einige seiner Anhänger wurden am 29. 11. 1956 verhaftet und am 9. 3. 1957 zu Zuchthausstrafen verurteilt. Ulbricht entwickelte auf der 30. ZK-Tagung (30. 1.–1. 2. 1957) sein „Konföderationskonzept“ (Deutschlandpolitik der SED) und forderte zugleich den verstärkten Ausbau der „sozialistischen Produktionsverhältnisse“ innerhalb der DDR. Damit sollte die gegensätzliche gesellschaftspolitische Entwicklung in beiden deutschen Staaten beschleunigt werden. Gegen die zur Durchsetzung dieser neuen Konzeption erforderliche Verstärkung administrativer Unterdrückungsmethoden wandten sich in der Parteiführung vor allem Schirdewan und Wollweber. Diese für Sicherheitsfragen und Kaderpolitik verantwortlichen Spitzenfunktionäre hatten aus den Ereignissen in Polen und Ungarn die Lehre gezogen, daß zu starker Druck von oben die Gefahr einer politischen Explosion auch in der DDR heraufbeschwören könnte. Auch an der Parteibasis (Halle, Jena, Dresden) wurde gegen die neue Linie opponiert. Um die entsprechenden Parteileitungen zu disziplinieren, entsandte der ZK-Apparat Agitationsbrigaden. In allen Fällen versteckte sich hinter dem Eingreifen des ZK-Apparates auch der Versuch Ulbrichts, seine damaligen Gegenspieler zu isolieren und aus der SED-Führung zu entfernen. Dies gelang ihm schließlich auf der 35. ZK-Tagung (3.–6. 2. 1958), auf der Schirdewan und Oelßner ihre Sitze im PB verloren, Schirdewan darüber hinaus zusammen mit Wollweber aus dem ZK ausgeschlossen und mit einer „strengen Rüge“ bestraft wurde. Ziller hatte zuvor Selbstmord begangen. Auf dieser (35.) ZK-Tagung wurde außerdem im Vorgriff auf den V. Parteitag gefordert, die Volkswirtschaft der DDR so zu entwickeln, daß eine höhere Pro-Kopf-Produktion als in der Bundesrepublik Deutschland erzielt wird. Einige Monate später sind dann auf Beschluß der Volkskammer die Lebensmittelkarten für die Bevölkerung abgeschafft worden (Verbrauch, privater; Lebensstandard). Ferner wurde die Bildung der Wirtschaftskommission beim PB (Leitung: E. Apel) beschlossen; sie sollte Anfang der 60er Jahre eine qualitative Änderung der Parteiarbeit im Wirtschaftsbereich vorbereiten. Der V. Parteitag (10.–16. 7. 1958) war — mehr als jeder andere Parteitag zuvor — der Parteitag Ulbrichts, der von da an

SED (1979) Siehe auch: SED: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 Sozialistische Einheitspartei: 1965 1966 1969 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): 1975 1985 Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands konstituierte sich am 21./22. 4. 1946 auf dem sog. Vereinigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD/DKP) im sowjetisch besetzten Berlin. I. Geschichte der SED und…

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Amt für Preise beim Ministerrat (1979)

Siehe auch das Jahr 1985 Das AfP. wurde auf Beschluß des Ministerrates im Dezember 1965 gebildet. Entsprechend der VO über das Statut dieser Institution (GBl. II, 1968, S. 17) ist es Organ des Ministerrates und für die Ausarbeitung der Grundsätze der Preispolitik, zur Leitung der Preisbildung, Preisbestätigung und Preisplanung sowie für die Sicherung der einheitlichen Arbeit aller mit der Preisplanung, -festsetzung und -kontrolle befaßten Instanzen zuständig. Das AfP. hat zu gewährleisten, daß die Beschlüsse des ZK der SED und des Ministerrates sowie die Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer in der Preispolitik durchgesetzt werden. Im einzelnen soll es bei der Preisgestaltung sowohl die wirtschaftspolitischen Ziele des Staates unterstützen als auch sicherstellen, daß die Preise zur Stärkung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, zur Verbesserung des Material- und Arbeitsmitteleinsatzes, zur Senkung der Kosten und zur verbesserten Qualität der Erzeugnisse beitragen. Zudem sollen alle Konsumgüterpreise grundsätzlich stabil bleiben. Zur Realisierung dieser Aufgaben führt das AfP. eine planmäßige Preisbildung und eine umfangreiche Preiskontrolle durch, daneben erarbeitet es laufende Analysen bezüglich der Wirksamkeit der Preise. Neben dem Erlaß der zentralen staatlichen Kalkulationsrichtlinie (GBl. II. 1972, S. 741 ff.), die bis Mitte 1976 galt und inzwischen leicht verändert wurde (GBl. I. 1976, S. 321 ff.), bestätigt es spezielle Kalkulationsrichtlinien und Kalkulationsnormative. Gemeinsam mit der Staatlichen Plankommission und dem Ministerium der Finanzen setzt es die Gewinnormative fest und bestätigt die kalkulationsfähigen Normative für Forschung und Entwicklung sowie die Gemeinkostennormative. Weiterhin bestätigt das AfP. die Preise für neu- und weiterentwickelte Erzeugnisse. Unterstützt wird das AfP. durch den Zentralen Preisbeirat, der auf dem Gebiet der Konsumgüterpreise Entscheidungen sachkundig vorbereitet. Bis 1965 lag die Planung und Überwachung der Preise in der Zuständigkeit der Regierungskommission für Preise, die ebenfalls Organ des Ministerrates war. Ihr Vorsitzender war der Minister der Finanzen. Mir der Bildung des AfP. wurde die Regierungskommission für Preise mit ihren Nebenstellen aufgelöst und deren Aufgaben auf das neugebildete AfP. übertragen, dessen Leiter im Rang eines Ministers gegenwärtig (seit 1965) Walter Halbritter ist. Seit der Rezentralisierung ist das AfP. in seiner Rolle als entscheidende Kontrollinstanz für alle Preisbildungsprozesse aufgewertet worden: Es muß nicht nur die staatliche Preispolitik durch entsprechende Grundsatz- und Detailregelungen durchsetzen, sondern auch ständig Preiskontrollen in Betrieben und Kombinaten durchführen. Dazu gehören auch die Verhängung von Ordnungsstrafen bei Preismanipulationen sowie die Erarbeitung einer jährlich dem Ministerrat vorzulegenden Analyse über die Entwicklung von Kosten, Gewinnen und Preisen. Durch seinen Einfluß auf die jeweils geltenden Gewinn[S. 43]normen und die Kostenkalkulation kommt dem AfP. eine entscheidende Rolle bei der Ausrichtung der monetären Planungsbeziehungen zu. Da aber gerade die gegenwärtig in der DDR praktizierte außerordentlich komplizierte Preisbildung eine Unmenge an Detailinformationen aller beteiligten Wirtschaftseinheiten erfordert. dürfte das AfP. trotz seiner umfangreichen Kompetenzen allein schon wegen der übermäßigen Verwaltungsarbeit nicht in der Lage sein, die Prinzipien der Preisfestsetzung auch konsequent durchzusetzen. Allenfalls in Teilbereichen mag die Ausbreitung und Verstärkung von Preisverzerrungen oder auch Kostensteigerungen gebremst werden. Von den seit Mitte 1976 wirksamen Preisbildungsverfahren. mit denen Preise für neue und weiterentwickelte Produkte nach dem sog. Preis-Leistungs-Verhältnis festgelegt werden, erhoffte sich das AfP. wesentliche Erleichterungen gegenüber der bisher äußerst zeitaufwendigen Kontrolle der Kosten. Man glaubte, eine schnellere Preisbestätigung als bisher zu erreichen, da das AfP. und ihm nachgeordnete Organe die neuen Preise leichter aufgrund des bereits anerkannten Aufwands je Leistungseinheit von Vergleichserzeugnissen bilden können. Es hat sich jedoch gezeigt, daß objektive Maßstäbe zur Messung der Gebrauchswertverbesserungen neuer Erzeugnisse häufig fehlen und die Betriebe versuchen, Verbesserungen überzubewerten, hingegen Nachteile ihrer Neuerungen verschweigen. Somit obliegt dem AfP. nunmehr die gegenüber den Problemen der Kostenkontrolle noch schwierigere Aufgabe, eine wirksame Kontrolle und Bewertung der Gebrauchseigenschaften neuer Güter vorzunehmen. Insgesamt zeigt sich, daß es dem AfP. gegenwärtig nicht möglich ist, die Preise zu einem echten Maßstab des volkswirtschaftlich notwendigen Aufwands — unter den gegebenen Bedingungen der DDR — entwickeln zu können. Preissystem und Preispolitik. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 42–43 Amt für Jugendfragen beim Ministerrat A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung

Siehe auch das Jahr 1985 Das AfP. wurde auf Beschluß des Ministerrates im Dezember 1965 gebildet. Entsprechend der VO über das Statut dieser Institution (GBl. II, 1968, S. 17) ist es Organ des Ministerrates und für die Ausarbeitung der Grundsätze der Preispolitik, zur Leitung der Preisbildung, Preisbestätigung und Preisplanung sowie für die Sicherung der einheitlichen Arbeit aller mit der Preisplanung, -festsetzung und -kontrolle befaßten Instanzen zuständig. Das AfP. hat zu…

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Verfassung (1979) Siehe auch: Verfassung: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Verfassung und Verwaltung: 1953 1954 1956 Die Verfassung vom 6. 4. 1968 bezeichnet die DDR als sozialistischen Staat. Sie ist die zweite V. der DDR. Mit Wirkung vom 7. 10. 1974 erging zu ihr ein Gesetz zur Ergänzung und Änderung (GBl. I, S. 425, Neufassung GBl. I, S. 432). I. Entwicklung Die erste V. war mit der Konstituierung der DDR am 7. 10. 1949 in Kraft gesetzt worden. Sie wies Strukturelemente und -prinzipien eines parlamentarisch-demokratischen Systems mit föderalistischen und rechtsstaatlichen Zügen auf, bekannte sich jedoch bereits zum Prinzip der Gewaltenkonzentration, indem sie die Volkskammer zum höchsten Organ erklärte. Die V. enthielt den Grundsatz der Volkssouveränität und einen Grundrechtskatalog. An der Gesetzgebung war auch die Länderkammer als Vertretung der Länder, wenn auch nur schwach, beteiligt. Von den üblichen parlamentarisch-demokratischen Regeln wich die Bestimmung ab, daß die Regierung, deren Ministerpräsident von der stärksten Fraktion zu benennen war, unter Beteiligung aller Fraktionen der Volkskammer gebildet werden sollte, jedoch konnte sich eine Fraktion, wenn sie es wollte, dem Wortlaut der V. nach von der Regierungsbildung ausschließen. Wegen der Blockpolitik wurde von dieser Ausnahme jedoch niemals Gebrauch gemacht. Staatsoberhaupt war der Präsident der Republik. Die Unabhängigkeit der Richter wurde ebenso garantiert, wie die Selbstverwaltung der Gemeinden gewährleistet wurde. Die V. von 1949 hat unter ihrer Geltung den Aufbau einer sozialistischen Staatsordnung nicht verhindert. Einige ihrer Strukturpinzipien, wie das Prinzip der Gewaltenkonzentration, das Fehlen einer V.-Gerichtsbarkeit, aber auch ihre Bestimmungen zur Eigentumsordnung, haben diese Entwicklung begünstigt, weshalb sich auf der Basis dieser V. einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung eine sozialistische Umwälzung vollziehen konnte. Diese Umwälzung vollzog sich außerhalb und zum Teil gegen die V. von 1949. Nur dreimal wurde die V. von 1949 ergänzt oder geändert. 1955 wurde sie um Vorschriften über den Wehrdienst erweitert, 1958 wurde die Länderkammer abgeschafft. 1960 wurde der Staatsrat geschaffen, während gleichzeitig das Amt des Präsidenten der Republik beseitigt wurde. Im übrigen vollzog sich die Entwicklung zunächst außerhalb der Gesetze. Mit der Verwaltungsneugliederung wurde 1952 indessen eine Entwicklung eingeleitet, durch die die V.-Urkunde mehr und mehr durch andere gesetzliche Bestimmungen abge[S. 1116]löst wurde und so einer neuen materiellen Rechts-V. Platz machte, die bereits die Strukturelemente und -Prinzipien des sozialistischen Staates aufwies. Diese Strukturelemente sind: 1. die führende Rolle der marxistisch-leninistischen, also kommunistischen Partei, die in kritischer Sicht als deren Suprematie zu bezeichnen ist, weil sie ein Herrschaftsverhältnis begründet; 2. das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln, das sozialistische Produktions- oder Eigentumsverhältnisse schuf, und 3. auf dessen Grundlage die planmäßige Leitung aller Lebensvorgänge unter der Suprematie der SED. Die Strukturprinzipien sind: 1. die Gewalteneinheit und 2. der demokratische Zentralismus. Aus diesen Grundlagen und Grundsätzen folgt ein bestimmtes Verhältnis des einzelnen zum ganzen, das durch den Begriff „sozialistisches Persönlichkeitsrecht“ charakterisiert wird, für das auch der Begriff „sozialistisches Grundrecht“ (Grundrechte, Sozialistische) verwendet wird. II. Die Grundlagen der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung A. Die Strukturelemente und -prinzipien der Verfassung Die V. transformiert im Abschnitt I das im Zuge der V.-Entwicklung entstandene materielle V.-Recht in formelles V.-Recht. Die Strukturelemente und -prinzipien eines sozialistischen Staates bilden die politischen Grundlagen der DDR. Die „führende Rolle“ der marxistisch-leninistischen Partei als Vortrupp der Arbeiterklasse — ihre Suprematie — kommt in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 zum Ausdruck, wonach die DDR die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land sei, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirkliche. Die marxistisch-leninistische Partei der DDR ist die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die SED, wenn sie auch in der V. nicht mit ihrem Namen genannt ist. Im Licht dieser besonderen Stellung der SED ist auch Art. 2 Satz 1 zu lesen. Nach ihm wird alle politische Macht in der DDR von den „Werktätigen“, also nicht vom „Volke“ ausgeübt. Unter den Werktätigen werden freilich nicht nur die Angehörigen der Arbeiterklasse verstanden, sondern auch die Genossenschaftsbauern, die Angehörigen der Intelligenz und andere soziale Gruppen und Schichten - vorausgesetzt, daß sie sich als im festen Bündnis mit der Arbeiterklasse befindlich betrachten. Die V. versteht daher unter „Werktätigen“ nicht nur die in Betrieben und Verwaltung Beschäftigten, wie das Arbeitsrecht, sondern die „Bürger“, diese jedoch eingeordnet in die Klassenstruktur der Gesellschaft der DDR, wie sie von den politisch Verantwortlichen in der DDR gesehen wird. Art. 2 Abs. 2 bezeichnet das feste Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der Intelligenz und den anderen Schichten des Volkes als eine unantastbare Grundlage der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Allerdings ist im Verlauf der V.-Änderung vom 7. 10. 1974 der Abs. 4 des Art. 2 ersatzlos gestrichen worden. In ihm war die „Übereinstimmung … der Interessen der Werktätigen … mit den gesellschaftlichen Erfordernissen“ zur „wichtigsten Triebkraft der sozialistischen Gesellschaft“ erklärt worden. Den darin zum Ausdruck kommenden „harmonistischen“ Vorstellungen von der „sozialistischen Menschengemeinschaft“ — von Ulbricht geprägte Formel zur Beschreibung des Zustandes der Gesellschaft in der DDR — wurde damit auch verfassungsrechtlich eine Absage erteilt, nachdem sie schon 1971 von der SED faktisch aufgegeben worden war. Die Übereinstimmung der individuellen und kollektiven Interessen mit den gesellschaftlichen Erfordernissen wird dagegen wiederum in § 3 ZGB (Zivilrecht) als Gegenstand der Sicherung, hier durch das Zivilrecht, bezeichnet. Durch die Verfassungsnovelle wurde die durch den VIII. Parteitag der SED (1971) gestellte „ökonomische Hauptaufgabe“ (die weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität) in Art. 2 Abs. 1 Satz 3 konstitutionell festgeschrieben. In der DDR sind zwar außer der SED auch andere Parteien zugelassen (DBD; CDU; LDPD; NDPD). Da die politischen Parteien als Ausdruck der fortbestehenden Klassenstruktur angesehen werden, die Klassen in einer sozialistischen Gesellschaft aber eng miteinander verbunden sind, stehen die Parteien im Sinne der Blockpolitik nicht unverbunden nebeneinander. Nach Art. 3 findet das Bündnis aller Kräfte des Volkes in der Nationalen Front der DDR seinen organisierten Ausdruck. In ihr vereinigen die Parteien und Massenorganisationen alle Kräfte des Volkes zum gemeinsamen Handeln für die Entwicklung der Gesellschaft. Als eine weitere unantastbare Grundlage der Gesellschaftsordnung der DDR bezeichnet Art. 2 Abs. 2 das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln. Seine Existenz wird für die Garantie gehalten, daß es in der DDR keine der Arbeiterklasse feindlich gegenüberstehenden Klassen, also Kapitalisten oder Großgrundbesitzer, mehr gibt. Ohne sozialistisches Eigentum an den Produktionsmitteln wäre das Klassenbündnis in der DDR, das alle sozialen Gruppen und Schichten umfaßt, nicht denkbar. Vor allem ist das sozialistische Eigentum Grundlage für die Volkswirtschaft der DDR (Art. 9 Abs. 1). Die dritte unantastbare Grundlage der sozialisti[S. 1117]schen Gesellschaftsordnung ist nach Art. 2 Abs. 2 die Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung nach den fortgeschrittensten Erkenntnissen der Wissenschaft. Kernstück der Leitung und Planung ist jedoch die Volkswirtschaft, die in Art. 9 Abs. 3 ausdrücklich als sozialistische Planwirtschaft bezeichnet wird. Sache des sozialistischen Staates ist es. das Währungs- und Finanzsystem festzulegen (Finanzsystem; Währung/Währungspolitik). Abgaben und Steuern dürfen nur auf der Grundlage von Gesetzen erhoben werden (Art. 9 Abs. 4). Die Außenwirtschaft einschließlich des Außenhandels und der Valutawirtschaft werden zum staatlichen Monopol erklärt (Art. 9 Abs. 5). Das Prinzip der Gewaltenkonzentration ist in Art. 5 ausgedrückt, wonach die Bürger der DDR ihre politische Macht durch demokratisch gewählte Volksvertretungen (Wahlen) ausüben. Die Volksvertretungen werden als die Grundlage des Systems der Staatsorgane bezeichnet. Sie sollen ihre Tätigkeit auf die aktive Mitgestaltung der Bürger an der Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle ihrer Entscheidungen stützen. Das Prinzip des Demokratischen Zentralismus wird in Art. 47 Abs. 2 als die Grundlage genannt, auf der sich die „Souveränität des werktätigen Volkes“ verwirkliche. Es wird als das tragende Prinzip des Staatsaufbaus bezeichnet. Nach Art. 17 soll die DDR Wissenschaft, Forschung und Bildung fördern sowie mittels des Einheitlichen sozialistischen Bildungssystems allen Bürgern eine den ständig steigenden gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechende hohe Bildung sichern. Nach Art. 18 gehört auch die sozialistische Nationalkultur zu den Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft. Der DDR wird aufgetragen, die sozialistische Kultur zu fördern und zu schützen sowie die „imperialistische Unkultur“ zu bekämpfen (Kulturpolitik). B. Außenpolitische Bestimmungen Art. 6 Abs. 1 enthält die entscheidende außenpolitische Maxime. Danach hat die „DDR getreu den Interessen des Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet. Sie betreibt eine dem Frieden und dem Sozialismus, der Völkerverständigung und der Sicherheit dienende Außenpolitik“. Das Verhältnis zur Sowjetunion und zu den anderen sozialistischen Staaten legt Art.6 Abs. 2 fest. In seiner ursprünglichen Fassung hatte die DDR „entsprechend den Prinzipien des sozialistischen Internationalismus die allseitige Zusammenarbeit und Freundschaft mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und den anderen sozialistischen Staaten“ zu pflegen und zu entwickeln. Nach der Änderung der V. von 1974 ist die DDR „für immer und unwiderruflich mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verbündet. Das enge und brüderliche Bündnis mit ihr garantiert dem Volk der Deutschen Demokratischen Republik das weitere Voranschreiten auf dem Wege des Sozialismus und des Friedens.“ Das Lehrbuch „Staatsrecht der DDR“ (Berlin [Ost], 1977, S. 40) bezeichnet das immerwährende und unwiderrufliche Bündnis mit der UdSSR als ein Wesensmerkmal der DDR. Wegen der politischen Machtverhältnisse bedeutet das Bündnis mit der Sowjetunion für die DDR einerseits die Garantie ihrer Existenz, anderseits faktisch die völlige Abhängigkeit von der UdSSR. Die DDR wird als ein untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Staatengemeinschaft bezeichnet. Sie soll getreu den Prinzipien des Proletarischen ➝Internationalismus zu deren Stärkung beitragen, die Freundschaft, die allseitige Zusammenarbeit und den gegenseitigen Beistand mit allen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft pflegen und entwickeln. Ferner soll nach Art. 6 die DDR die Staaten und Völker, die gegen den Imperialismus und sein Kolonialregime für nationale Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen, in ihrem Ringen um gesellschaftlichen Fortschritt unterstützen. Schließlich soll sie für die Verwirklichung der Prinzipien der Friedlichen Koexistenz eintreten und auf der Grundlage der Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung die Zusammenarbeit mit allen Staaten pflegen und sich für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, für eine stabile Friedensordnung in der Welt und für allgemeine Abrüstung einsetzen. In diesem Zusammenhang wird bestimmt, daß militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form, Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhaß als Verbrechen geahndet werden. C. Staatsgebiet und Landesverteidigung Nach Art. 7 Abs. 1 haben die Staatsorgane die territoriale Integrität der DDR und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenzen einschließlich ihres Luftraums und ihrer Territorialgewässer sowie den Schutz und die Nutzung des Festlandsockels zu gewährleisten. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, daß die DDR die Landesverteidigung sowie den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger organisiert. Im folgenden Satz wird als Aufgabe der Nationalen Volksarmee und der anderen Organe der Landesverteidigung der Schutz der sozialistischen Errungenschaften des Volkes gegen alle Angriffe von außen bezeichnet. D. Außenpolitische Maximen und Völkerrecht Nach Art. 8 sind die allgemein anerkannten, dem Frieden und der friedlichen Zusammenarbeit der Völker dienenden Regeln des Völkerrechtes für die Staatsmacht und jeden Bürger verbindlich. In die[S. 1118]sem Zusammenhang wird angekündigt: „Die Deutsche Demokratische Republik wird niemals einen Eroberungskrieg unternehmen oder ihre Streitkräfte gegen die Freiheit eines anderen Volkes einsetzen.“ E. Einheit Deutschlands In Art. 1 wurde in der ursprünglichen Fassung die DDR als sozialistischer Staat deutscher Nation bezeichnet. Nach Art. 8 Abs. 2 a. F. sollten die Herstellung und Pflege normaler Beziehungen und die Zusammenarbeit der beiden deutschen Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung ein nationales Anliegen der DDR sein. Ferner hieß es, daß die DDR und ihre Bürger die „Überwindung der vom Imperialismus der Deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung Deutschlands, die schrittweise Annäherung der beiden deutschen Staaten bis zur ihrer Vereinigung auf der Grundlage der Demokratie und des Sozialismus“ erstreben. Im Zuge der Abgrenzungspolitik wurde behauptet, in der DDR bilde sich eine eigene sozialistische Nation heraus. Deshalb wurden anläßlich der V.-Änderung von 1974 alle Hinweise auf die deutsche Nation, das Wort „Deutschland“ sowie das Gebot, nach der Vereinigung beider deutscher Staaten zu streben, aus dem Text der V. gestrichen. Nunmehr wird die DDR in Art. 1 der revidierten Verfassung als „sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“ (in der alten Fassung „… deutscher Nation“) bezeichnet (Nation und nationale Frage; Deutschlandpolitik der SED; Abgrenzung). F. Hauptstadt, Staatsflagge, Staatswappen Art. 1 bezeichnet Berlin als Hauptstadt der DDR und nimmt keine Rücksicht darauf, daß nur der Ostteil der Stadt — im Widerspruch zum Viermächte-Status ganz Berlins — faktisch vollständig in die DDR eingegliedert wurde. Ferner legt derselbe Artikel die Staatsflagge (Flagge) und das Staatswappen (Wappen) fest. III. Bürger und Gemeinschaften in der sozialistischen Gesellschaft Die Stellung der Bürger und Gemeinschaften in der sozialistischen Gesellschaft wird durch die Grundlagen der in der V. festgelegten Ordnung bestimmt. Jedem Bürger der DDR werden nach Art. 20 Abs 1, unabhängig von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten zugebilligt. Der Gleichheit des Gesetzes entspricht die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Besonders betont wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau und ihre gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der beruflichen Qualifizierung, wird als gesellschaftliche und staatliche Aufgabe bezeichnet (Frauen). Die Jugend soll in ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Entwicklung besonders gefördert werden. Ihr wird die Möglichkeit versprochen, an der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung verantwortungsbewußt teilzunehmen (Jugend). Als allen anderen Rechten zugrunde liegendes Grundrecht wird das Recht, das politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der sozialistischen Gemeinschaft und des sozialistischen Staates umfassend mitzugestalten, verstanden (Art. 21 Abs. 1). Damit wird, auch in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Satz 2, ein konsultatives Element in die V. eingeführt, ohne daß dieses damit freilich zu einem Strukturprinzip der V. würde. Im einzelnen werden aufgeführt: Das Recht der Gleichbehandlung unabhängig von Nationalität, Rasse, weltanschaulichem und religiösem Bekenntnis sowie sozialer Herkunft und Stellung, Gewissens- und Glaubensfreiheit (Art. 20 Abs. 1). Wahlrecht (Art. 21 Abs. 2 und Art. 22), Recht auf Arbeit, das aus dem Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freier Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation sowie auf Lohn nach Qualität und Quantität der Arbeit besteht (Art. 24) (Arbeitsrecht), Recht auf Bildung, das die Möglichkeit des Übergangs zur nächsthöheren Bildungsstufe bis zu den höchsten Bildungsstätten, den Universitäten und Hochschulen, entsprechend dem Leistungsprinzip, den gesellschaftlichen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der Sozialstruktur der Bevölkerung, das Recht der Jugendlichen auf Erlernung eines Berufs sowie das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben einschließt (Art. 25, 26) (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem; Kulturpolitik). Recht auf freie und öffentliche Meinungsäußerung sowie die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens (Art. 27), Recht auf friedliche Versammlung (Art. 28), Vereinigungsrecht (Art. 29). Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Staatsgebietes der DDR (Art. 32), Anspruch auf Rechtsschutz durch die Organe der DDR und Auslieferungsverbot (Art. 33), Recht auf Freizeit und Erholung (Art. 34), Recht auf Schutz der Gesundheit und der Arbeitskraft (Art. 35), Recht auf Fürsorge der Gesellschaft im Alter und bei Invalidität (Art. 36), Recht auf Wohnraum entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen (Art. 37), das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben (Art. 39 Abs. 1), für Bürger der DDR sorbischer Nationalität das Recht zur Pflege ihrer Muttersprache und Kultur (Art. 40). Ferner werden die Persönlichkeit und die Freiheit jedes Bürgers der DDR für unantastbar erklärt. Einschränkungen sind nur im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen oder einer Heilbehand[S. 1119]lung zulässig und müssen gesetzlich begründet sein. Dabei dürfen die Rechte solcher Bürger nur insoweit eingeschränkt werden, als dies gesetzlich zulässig und unumgänglich ist (Strafrecht). Zum Schutze seiner Freiheit und der Unantastbarkeit seiner Persönlichkeit hat ferner jeder Bürger den Anspruch auf die Hilfe der staatlichen und gesellschaftlichen Organe (Art. 30). Das Post- und Fernmeldegeheimnis wird für unverletzbar erklärt. Sie dürfen jedoch auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden, wenn es die Sicherheit des Staates oder eine strafrechtliche Verfolgung erfordern (Art. 31). Ehe, Familie, Mutterschaft sind unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Jeder Bürger der DDR hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Ehe und Familie. Mutter und Kind genießen den besonderen Schutz des sozialistischen Staates (Art. 38) (Familienrecht; Schwangerschaftsunterbrechung). Die den Bürgern zugesagten Grundrechte werden durch die Grundlagen der Staats- und Gesellschaftsordnung inhaltlich bestimmt und zugleich beschränkt. Soweit etwa dem Bürger klassische Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit versprochen sind, darf er diese, wie in der V. in den Art. 27 bis 29 ausdrücklich gesagt ist, nur den Grundsätzen der V. gemäß oder im Rahmen der Grundsätze und Ziele der V. oder zu dem Zweck, seine Interessen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Zielen der V. zu verwirklichen, ausüben. Im Grundrechtsverständnis der DDR wird zuweilen jedes Grundrecht mit einer entsprechenden Grundpflicht gekoppelt. Das Mutterrecht aller politischen Grundrechte, das Recht auf Mitgestaltung, wird bereits in der V. (Art. 21 Abs. 3) als hohe moralische Verpflichtung für jeden Bürger gekennzeichnet und als Pflicht interpretiert, alle geistigen und körperlichen Kräfte zur Verwirklichung der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung einzusetzen. Die Verwirklichung der sozialen Grundrechte ist an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Staates gebunden. Welcher Anteil am Nationaleinkommen in Form sozialer Leistungen gewährt wird, ist außerdem in der DDR eine politische Entscheidung, die nicht als Kompromiß zwischen widerstreitenden Interessen zustande kommt, sondern allein von der politischen Führungskraft der SED gefällt wird. In kritischer Sicht fehlt den Grundrechten eine ausreichende Garantie für ihre Durchsetzung. Nach Art. 19 garantiert zwar die DDR allen Bürgern die Ausübung ihrer Rechte und ihre Mitwirkung an der Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung. Sie verspricht auch, die sozialistische Gesetzlichkeit und die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Achtung und Schutz der Würde und Freiheit der Persönlichkeiten werden zum Gebot für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftlichen Kräfte und jeden einzelnen Bürger erklärt (Art. 19 Abs. 1 und 2), jedoch stellt die Rechtsordnung der DDR keine geeigneten Mittel wie etwa eine V.-Gerichtsbarkeit oder eine Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfügung und kennt auch keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten zwischen dem einzelnen und den Staatsorganen (Gerichtsverfassung; Grundrechte, Sozialistische). Den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften wird zugestanden, ihre Angelegenheiten zu ordnen und ihre Tätigkeit auszuüben, jedoch nur „in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR“ (Art. 39 Abs. 2). Die sozialistischen Betriebe, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände werden als eigenverantwortliche Gemeinschaften im Rahmen der zentralen staatlichen Leitung und Planung bezeichnet, in denen die Bürger arbeiten und ihre gesellschaftlichen Verhältnisse gestalten. Sie sollen die Wahrnehmung der Grundrechte der Bürger, die wirksame Verbindung der persönlichen mit den gesellschaftlichen Interessen sowie ein vielfältiges gesellschaftlich-politisches und kulturell-geistiges Leben sichern. Sie werden ausdrücklich unter den Schutz der V. gestellt. Eingriffe in ihre Rechte sollen nur auf der Grundlage von Gesetzen erfolgen dürfen (Art. 41). Indessen werden im einfachen Gesetzesrecht kaum Konsequenzen aus dem Charakter der genannten Einheiten als eigenverantwortliche Gemeinschaften der Bürger gezogen. Insbesondere ist der Rahmen der zentralen staatlichen Leitung und Planung so eng, daß eine Selbstverwaltung im hergebrachten Sinn nicht festgestellt werden kann. Ein Novum der V. von 1968 war, den Einzelgewerkschaften, vereinigt im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB), eine verfassungsrechtliche Grundlage zu geben (Art. 44 u. 45). Der FDGB wird als die umfassende Klassenorganisation der Arbeiterklasse bezeichnet. Die Gewerkschaften sollen die Interessen der Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz durch umfassende Mitbestimmung in Staat. Wirtschaft und Gesellschaft wahrnehmen. Sie werden als unabhängig bezeichnet, niemand soll sie in ihrer Tätigkeit einschränken oder behindern dürfen. Die V. räumt den Gewerkschaften umfangreiche Befugnisse ein. So sollen sie an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft, an der Leitung und Planung der Volkswirtschaft, an der Verwirklichung der wissenschaftlich-technischen Revolution, an der Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, der Arbeitskultur, des kulturellen und sportlichen Lebens der Werktätigen maßgeblich teilnehmen. Sie haben das Recht, über alle die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen betreffenden Fragen mit staatlichen Organen, mit Betriebsleitungen und anderen wirtschaftsleitenden Organen Vereinbarungen abzuschließen. Sie sollen [S. 1120]auch aktiven Anteil an der Gestaltung der sozialistischen Rechtsordnung nehmen und besitzen das Recht der Gesetzesinitiative sowie der gesellschaftlichen Kontrolle über die Wahrung der gesetzlich garantierten Rechte der Werktätigen. Schließlich leiten die Gewerkschaften die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten (Arbeitsrecht; FDGB; Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte; Sozialversicherungs- und Versorgungswesen). In kritischer Sicht muß die Stellung des FDGB als einer von der SED geführten Massenorganisation in Betracht gezogen werden. Sie ist das Unterpfand dafür, daß die dem FDGB übertragenen umfangreichen Befugnisse nur im Sinn der Partei- und damit auch der Staatsführung ausgeübt werden können. Schließlich regelt die V. in diesem Zusammenhang auch die Stellung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (Art. 46), die als freiwillige Vereinigungen der Bauern zur gemeinsamen sozialistischen Produktion, zur ständig besseren Befriedigung ihrer materiellen und kulturellen Bedürfnisse und zur Versorgung des Volkes und der Volkswirtschaft bezeichnet werden. Sie sollen durch ihre Organisationen und ihre Vertreter in den Staatsorganen aktiv an der staatlichen Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung teilnehmen. Der Staat wird verpflichtet, den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften die sozialistische Großproduktion auf der Grundlage fortgeschrittener Wissenschaft und Technik zu ermöglichen. Die gleichen Grundsätze gelten für die sozialistischen Produktionsgenossenschaften der Fischer, der Gärtner und der Handwerker. Für ihre Stellung im gesamtgesellschaftlichen System gilt das für den FDGB Festgestellte entsprechend (Landwirtschaft; Gartenbau; Handwerk). IV. Aufbau und System der staatlichen Leitung Die V. legt Aufbau und System der staatlichen Leitung fest, deren tragendes Prinzip die „Souveränität des werktätigen Volkes“ auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus ist. Im einzelnen legt sie die Stellung, die Aufgaben und Kompetenzen von Volkskammer, Staatsrat, Ministerrat sowie der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe (Räte und Kommissionen) (Bezirk; Gemeinde; Kreis) fest (Gesetzgebung). Art. 5 Abs. 3 bestimmt, daß zu keiner Zeit und unter keinen Umständen andere als die verfassungsmäßig vorgesehenen Organe staatliche Macht ausüben dürfen. Die Ausübung der staatlichen Macht liegt also allein bei den genannten Staatsorganen. Von der staatlichen Macht ist aber die politische Macht zu unterscheiden, als deren Träger das werktätige Volk unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei im Bündnis mit den anderen sozialen Klassen und Schichten gilt. Träger der politischen Macht ist die SED. Als politische Führungskraft bestimmt sie, wie die staatliche Macht ausgeübt wird. Das geschieht, indem sie als führende Kraft der in der Nationalen Front zusammengefaßten Parteien und Massenorganisationen die Zusammensetzung der Volkskammer und der örtlichen Volksvertretungen mittels der Wahlen bestimmt. Zwar sind nicht alle Mitglieder der Volksvertretungen Mitglieder der SED, jedoch gewährleistet das Auswahlsystem, daß sich auch Nicht-SED-Mitglieder loyal gegenüber Partei- und Staatsführung verhalten. Da die Volksvertretungen die personelle Zusammensetzung der anderen Organe zu bestimmen haben, kann die SED über diese auch den Staatsrat, den Ministerrat, die örtlichen Räte sowie die Rechtsprechungsorgane vom Obersten Gericht abwärts (Gerichtsverfassung; Rechtswesen) kontrollieren, indem sie diese Organe mit Parteimitgliedern oder ihr genehmen Personen besetzen läßt. Alle Inhaber von Funktionen in den Staatsorganen sind der SED verpflichtet, die damit unmittelbar auf die Staatsorgane einwirken kann und nicht den Weg über die Volksvertretungen zu nehmen braucht. Nach der V. ist zwar die Volkskammer das oberste staatliche Machtorgan der DDR, die in ihren Plenarsitzungen über die Grundfragen der Staatspolitik zu entscheiden hat. Auch wird hervorgehoben, daß sie das einzige verfassungs- und gesetzgebende Organ der DDR ist und daß niemand ihre Rechte einschränken darf. Ihre Kompetenzen sind dementsprechend weit gefaßt, ihre Rolle in der V.-Wirklichkeit ist jedoch noch immer stark eingeschränkt. Der Staatsrat sollte bis zur V.-Änderung von 1974 als Organ der Volkskammer zwischen deren Tagungen alle grundsätzlichen Aufgaben erfüllen, die sich aus den Gesetzen und Beschlüssen der Volkskammer ergeben. Der Vorsitzende des Staatsrates hatte eine hervorgehobene Stellung. Bis zum Jahre 1971 wurden die Ämter des Ersten Sekretärs des ZK der SED und des Vorsitzenden des Staatsrates in Personalunion wahrgenommen. Seit der Auflösung dieser Personalunion mit der Wahl Erich Honeckers zum Ersten Sekretär des ZK der SED war bereits ein Funktionsverlust des Staatsrates und seines Vorsitzenden zu beobachten. Die V.-Änderung von 1974 trug dem Rechnung. Der Staatsrat nimmt nach Art. 66 n. F. nunmehr nur noch die Aufgaben wahr, die ihm durch die V. sowie die Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer übertragen sind, ist also nicht mehr ein die Volkskammer zwischen ihren Tagungen in der Ausübung der ihr zustehenden Funktionen vertretendes Organ. Vor allem ist die Funktion des Staatsrates als kollektives Staatsoberhaupt nunmehr stärker ausgeprägt. Der Funktionsverlust des Staatsrates wurde auch nicht aufgeholt, nachdem der seit dem IX. Parteitag der SED mit dem Titel „Generalsekretär des ZK der SED“ versehene Erich Honecker am 29. 10. 1976 [S. 1121]zum Vorsitzenden des Staatsrates gewählt worden war. Im Unterschied hierzu hat der Ministerrat eine Stärkung erfahren. Seine Stellung war ursprünglich in der V. nur sehr summarisch beschrieben (Art. 78 bis 80). Diese V.-Artikel wurden ergänzt und neu interpretiert durch das Gesetz über den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik vom 16. 10. 1972 (GBl. I, S. 253). Der Ministerrat wird darin wieder als die Regierung der DDR bezeichnet, die für die einheitliche Durchsetzung der grundsätzlichen Beschlüsse der Parteiführung auf allen staatlichen Ebenen verantwortlich ist. Der Ministerrat ist damit wieder ein operatives Führungsorgan geworden, dessen Kompetenz alle Bereiche staatlicher Politik umfaßt. Nur hinsichtlich der Verteidigung ist diese beschränkt, denn der Ministerrat hat nur die ihm übertragenen, also nicht alle Verteidigungsaufgaben der DDR durchzuführen. Die V.-Änderung des Jahres 1974 erhob diese Regelung durch eine Neufassung der Art. 76–80 in V.-Rang. Durch das Ministerratsgesetz von 1972 gewann der Vorsitzende des Ministerrates eine hervorgehobene Stellung. So ist er u. a. jetzt berechtigt, den Mitgliedern des Ministerrates und den Leitern der anderen Staatsorgane Weisungen zu erteilen und deren Durchführung zu kontrollieren. Er ist auch für die Anleitung und Kontrolle der Vorsitzenden der Räte der Bezirke verantwortlich und befugt, den Vorsitzenden der Räte der Bezirke Weisungen zu erteilen. Da der Vorsitzende des übergeordneten örtlichen Rates dem Vorsitzenden des nachgeordneten örtlichen Rates ebenfalls Weisungen erteilen kann, besteht eine Leitungslinie vom Vorsitzenden des Ministerrates bis zum Vorsitzenden des Rates der kleinsten Gemeinde. Diese Stellung des Vorsitzenden des Ministerrates ist auch nach der V.-Änderung von 1974 nur Bestandteil des einfachen Gesetzesrechtes geblieben. Im Ministerratsgesetz von 1972 wurde auch die Suprematie der SED unterstrichen. An sieben Stellen wird die führende Rolle der SED oder der Arbeiterklasse hervorgehoben; jedoch wurde diese Betonung der Suprematie der SED gegenüber dem Ministerrat auch mit dem Änderungsgesetz 1974 nicht Bestandteil des Verfassungstextes. Auch für die Stellung und die innere Ordnung der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe gibt die V. nur Rahmenbestimmungen. Im einzelnen sollten die Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Volksvertretungen, ihrer Abgeordneten, Kommissionen und ihrer Räte in den Bezirken, Kreisen, Städten, Stadtbezirken, Gemeinden und Gemeindeverbänden durch Gesetz festgelegt werden. Das erfolgte durch das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. 7. 1973 (GBl. I, S. 313) (Bezirk; Gemeinde; Gemeindeverband; Kreis). V. Sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtspflege Zur Sozialistischen Gesetzlichkeit und Rechtspflege legt die V. einige Grundsätze fest. So sollen nach Art. 87 Gesellschaft und Staat die Gesetzlichkeit durch die Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften in die Rechtspflege und in die gesellschaftliche und staatliche Kontrolle über die Einhaltung des sozialistischen Rechts gewährleisten (Gesellschaftliche Gerichte; Gerichtsverfassung; Rechtswesen). Nach Art. 88 soll die Verantwortlichkeit aller leitenden Mitarbeiter in Staat und Wirtschaft gegenüber den Bürgern durch ein System der Rechenschaftspflicht gewährleistet werden (Rechenschaftslegung). Art. 89 legt fest, daß die Gesetze und anderen allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften im Gesetzblatt und anderweitig veröffentlicht werden müssen; Rechtsvorschriften der örtlichen Volksvertretungen sollen in „geeigneter Form“ veröffentlicht werden (Gesetzgebung). Art. 90–102 befassen sich mit dem Rechtswesen (Richter; Staatsanwaltschaft). Art. 103 (früher Art. 103–105) regelt das Eingabe- und Beschwerdewesen (Eingaben). Art. 104 legt die Staatshaftung für Schäden fest, die einem Bürger an seinem persönlichen Eigentum durch gesetzliche Maßnahmen von Mitarbeitern der Staatsorgane zugefügt werden (Staatshaftung). VI. Schlußbestimmungen Nach Art. 105 ist die V. unmittelbar geltendes Recht. Nach Art. 106 kann die V. nur durch Gesetz der Volkskammer geändert werden, das den Wortlaut der V. ausdrücklich ändert oder ergänzt. VII. Würdigung Die V. ist in allen ihren Teilen so gestaltet, daß sie trotz des Festhaltens an einem formellen Mehrparteiensystem die Herrschaft der SED, deren Suprematie, sichert. Schon die Kritik daran wird als verfassungswidrig angesehen und mit Sanktionen, insbesondere des politischen Strafrechts (VI.) belegt. Gegen diese Wertung wendet sich das Lehrbuch „Staatsrecht der DDR“ (Berlin [Ost], 1977, S. 107) mit dem Vorwurf, die Staatsrechtswissenschaftler in der Bundesrepublik Deutschland entwürfen ein nach Maßstäben der bürgerlichen V.-Lehre zurechtgestutztes Bild der sozialistischen V. und der V.-Wirklichkeit in der DDR. Demgegenüber kann darauf verwiesen werden, daß auch oppositionelle Kreise in der DDR, die sich selbst als Kommunisten bezeichnen (Bahro, Manifest einer SED-Opposition, das Anfang 1978 veröffentlicht wurde), die Kritik teilen. Siegfried Mampel Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1115–1121 Vereinigung Volkseigener Warenhäuser (VVW) CENTRUM A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Verfehlungen

Verfassung (1979) Siehe auch: Verfassung: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Verfassung und Verwaltung: 1953 1954 1956 Die Verfassung vom 6. 4. 1968 bezeichnet die DDR als sozialistischen Staat. Sie ist die zweite V. der DDR. Mit Wirkung vom 7. 10. 1974 erging zu ihr ein Gesetz zur Ergänzung und Änderung (GBl. I, S. 425, Neufassung GBl. I, S. 432). I. Entwicklung Die erste V. war mit der Konstituierung der DDR am 7. 10. 1949 in Kraft gesetzt…

DDR A-Z 1979

Mietrecht (1979)

Siehe auch das Jahr 1985 Mit dem Begriff Miete wird in der DDR nur noch die im zweiten Kapitel (§§ 94–132) des dritten Teils des Zivilgesetzbuches (ZGB) vom 19. 6. 1975 (GBl. I, S. 465) geregelte „Wohnungsmiete“ bezeichnet. Dagegen ist die Sachmiete unter der Bezeichnung „Ausleihdienst“ in einem eigenen Abschnitt geregelt (§ 217–224 ZGB) und von der Wohnungsmiete getrennt. Das M. knüpft an das in der Verfassung (Art. 37) gewährleistete Recht auf Wohnraum an, das durch tätliche Förderung des Wohnungsbaus und Erhaltung vorhandenen Wohnraums sowie durch die öffentliche Kontrolle über die Verteilung des Wohnraums verwirklicht werden soll. Das M. regelt nicht nur die Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter, sondern auch die zwischen Mietergemeinschaften (Mietermitverwaltung, Hausgemeinschaften) und Vermietern und diejenigen zwischen den Mietern. Das M. ist vom Grundsatz der staatlichen Wohnraumlenkung beherrscht (§ 96 ZGB). Danach ist Voraussetzung für die Begründung eines Mietverhältnisses die Anweisung des Wohnraums durch das Wohnraumlenkungsorgan (§ 99 ZGB). Die Zuweisung verpflichtet Vermieter und Mieter, einen Mietvertrag zu schließen, durch den das Mietverhältnis in der Regel zustande kommt. Unterbleibt der Abschluß des Vertrages, so kann das Wohnraumlenkungsorgan den Vertragsabschluß ersetzen und den Inhalt des Vertrages verbindlich festlegen (§ 100 ZGB). Der Vermieter ist zur Gebrauchsüberlassung der Wohnung an den Mieter und zu ihrer Instandhaltung verpflichtet. Hauptpflicht der Mieter ist die Zahlung des Mietpreises, der staatlich festgesetzt wird, jedoch als vertraglich vereinbart gilt. Die Wohnung ist dem Mieter im renovierten Zustand zu übergeben. Die während der Mietzeit notwendig werdenden Renovierungen obliegen dem Mieter; eine generelle Pflicht des Mieters, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses zu renovieren, besteht dagegen nicht. Bei baulichen Maßnahmen, durch die die Nutzungsmöglichkeiten des Mieters beeinträchtigt werden, können die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag zeitweilig abgeändert werden. Bauliche Veränderungen durch den Mieter bedürfen der Zustimmung des Vermieters, wobei das Gesetz den Vermieter zur Zustimmung verpflichtet (notfalls durch Gerichtsurteil), wenn die bauliche Veränderung zu einer im gesellschaftlichen Interesse liegenden Verbesserung der Wohnung führt (§ 111 ZGB). Unter der gleichen Voraussetzung entfällt auch bei einer ohne Zustimmung des Vermieters durch den Mieter vorgenommenen baulichen Veränderung die Pflicht des Mieters zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (§ 112 II ZGB). In der Absicht, die Mieter zur Pflege, Instandhaltung, Modernisierung. Verschönerung sowie Verwaltung der Wohnhäuser heranzuziehen, sollen Mietergemeinschaften gebildet werden, die mit den Vermietern entsprechende Verträge abschließen. Die Übernahme von Mitwirkungsaufgaben durch die Mietergemeinschaften entbinden den Vermieter nicht von seinen Pflichten, obwohl es sich in der Regel um Angelegenheiten handelt, die zum Pflichtenkreis des Vermieters gehören. Die Mietergemeinschaften handeln deshalb insoweit als Vertreter des Vermieters. Eine wesentliche Aufgabe der Mietergemeinschaften ist die Erziehung der Mieter zur Einhaltung ihrer vertraglichen Pflichten, insbesondere die Erziehung säumiger Zahler. Eine Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters ist nur aufgrund eines Gerichtsurteils wegen gröblicher Vertragsverletzung, gröblicher Belästigung anderer Hausbewohner, wegen Eigenbedarfs des Vermieters und bei Werkswohnungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich. Umgekehrt kann der Mieter das Mietverhältnis jederzeit mit einer zweiwöchigen Frist kündigen. Außerdem kann das Mietverhältnis jederzeit durch Parteivereinbarung beendet werden (§ 120 ZGB). Bei Ableben des Mieters können im Haushalt lebende Familienangehörige in den Mietvertrag eintreten, sofern das Wohnraumlenkungsorgan nicht anders verfügt (§ 125 ZGB). Besondere Bestimmungen widmet das ZGB dem Wohnungstausch, der Untermiete, den Mietverhältnissen für Wochenendhäuser, Zimmer für Erholungszwecke und Garagen, Werkswohnungen und Gewerberäume. Hinsichtlich der Nutzungsverhältnisse über Wohnungen von Arbei[S. 724]terwohnungsbaugenossenschaften wird auf die einschlägigen Spezialregelungen verwiesen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 723–724 Mietermitverwaltung A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Militärakademie „Friedrich Engels“

Siehe auch das Jahr 1985 Mit dem Begriff Miete wird in der DDR nur noch die im zweiten Kapitel (§§ 94–132) des dritten Teils des Zivilgesetzbuches (ZGB) vom 19. 6. 1975 (GBl. I, S. 465) geregelte „Wohnungsmiete“ bezeichnet. Dagegen ist die Sachmiete unter der Bezeichnung „Ausleihdienst“ in einem eigenen Abschnitt geregelt (§ 217–224 ZGB) und von der Wohnungsmiete getrennt. Das M. knüpft an das in der Verfassung (Art. 37) gewährleistete Recht auf Wohnraum an, das durch tätliche Förderung…

DDR A-Z 1979

Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Die P. ist die sozialistische Massenorganisation der Kinder. Unter Leitung der FDJ soll sie helfen, unter Verwendung altersspezifischer Methoden die Kinder vom 6. Lebensjahr an zu jungen Sozialisten zu erziehen. Geschichte: Bei den kommunalen Jugendausschüssen wurden bereits 1945 erste Kindergruppen gebildet, die 1946 den Namen „Kinderland“ annahmen. Das II. Parlament der FDJ (23.–26. 5. 1947) in Meißen gründete eine „Kindervereinigung der FDJ“, die sowohl in den Wohngebieten als auch in den Schulen tätig werden sollte. Auf der 17. Tagung des Zentralrats (ZR) der FDJ am 13. 12. 1948 wurde unter Anlehnung an das Vorbild der sowjetischen Pioniere die Bildung der „Organisation der Jungen Pioniere“ beschlossen. Anläßlich des ersten Pioniertreffens in Dresden (19. 8. 1952) erhielt die P. vom ZK der SED das Recht, den Namen „Ernst Thälmann“ zu tragen. In den Jahren 1957–1966 war die P. organisatorisch eigenständig unter Beibehaltung der Anleitung durch die FDJ. Das geänderte Statut der P. vom 9. 4. 1968 bezog sie wieder in die FDJ-Arbeit ein und betonte ihren politischen Charakter. Organisation: Grundeinheit der P. ist die Pionierfreundschaft (Pf.), die an jeder Schule gebildet wird. Sie faßt die in allen 1.–7. Klassen bestehenden Pioniergruppen (Pg.) zusammen. In den Klassen 1–3 werden die Pg. als Gruppen der Jungpioniere, in den Klassen 4–7 als Gruppen der Thälmann-Pioniere bezeichnet. Die Pg. wählen in den Klassen 4–7 einen Gruppenrat, bestehend aus dem Gruppenvorsitzenden, seinem Stellvertreter, der zugleich für den Wimpel verantwortlich ist, dem Kassierer und dem Schriftführer; in den 3. Klassen können Jungpionierräte in gleicher Zusammensetzung gebildet werden, die Pg. der Klassen 1 und 2 wählen ihren Wimpelträger. Die Pf. wählen einen Freundschaftsrat mit bis zu 15 Mitgliedern: Freundschaftsvorsitzender, dessen Stellvertreter (zugleich verantwortlich für die Pionierfahne), Schriftführer, Wandzeitungsredakteur, „Trommel“-Reporter (Mitarbeiter der Zeitschrift der Thälmann-Pioniere), Hauptkassierer, verantwortliche Pioniere für die verschiedenen Arbeitsgebiete der Pf. Die Mitglieder der Gruppenräte und des Freundschaftsrates bilden mit anderen tätigen Mitgliedern der P. das Pionieraktiv. Der Freundschaftsrat hat gegenüber den Pg. gewisse Anleitungsbefugnisse, z. B. kann er [S. 809]ihnen Aufträge im Rahmen der Beschlüsse des ZR der FDJ erteilen. Die Wahlen für die Pionierräte finden jährlich statt. Für die eigentliche Leitung der Arbeit der Pf. wird von der Kreisleitung der FDJ ein hauptamtlicher Pionierleiter eingesetzt (1978 gab es 4 95 8 Freundschaftspionierleiter gegenüber ca. 5.500 10klassigen Normalschulen und Sonderschulen, an denen die P. ebenfalls vertreten ist). Der Pionierleiter ist ausgebildeter Pädagoge und kann nach einigen Dienstjahren in den Lehrerberuf überwechseln. Er ist gleichberechtigtes Mitglied des Kollegiums und verpflichtet, zu hospitieren. Die Pionierleiter werden durch ebenfalls berufene, ehrenamtliche Gruppenpionierleiter unterstützt (FDJ-Mitglieder höherer Klassen, jüngere Lehrer, nach Möglichkeit auch Mitglieder der FDJ-Grundorganisation des Patenbetriebes; 1978 gab es 71.936 Gruppenpionierleiter). Bei jeder Pf. wird ein Rat der Freunde der P. (RdF) gebildet, dem Eltern, Vertreter des Patenbetriebes, FDJ-Mitglieder der oberen Klassen, Vertreter der SED und der Massenorganisationen aus dem Wohngebiet angehören; den Vorsitz im RdF führt der Pionierleiter. Der RdF soll den einzelnen Arbeitsgemeinschaften der Pioniere helfen und seine Kontakte zum Elternbeirat, zum Patenbetrieb und zu den Organisationen im Wohngebiet für die Pionierarbeit fruchtbar machen. Die Pf. und die FDJ-Grundorganisation der Schule sind zu enger Zusammenarbeit, gegenseitiger Hilfe und gemeinsamem Auftreten verpflichtet. In der Leitung der FDJ-Grundorganisation des Patenbetriebes ist der Funktionär für Pionierarbeit, der zugleich Mitglied des RdF ist, für die Verbindung zur Pf. verantwortlich. Die Pf. der Kreise werden zu Kreisorganisationen, die Kreisorganisationen zu Bezirksorganisationen der P., die Bezirksorganisationen zum Gesamtverband der P. zusammengefaßt. Die Vorsitzende der P. (Helga Labs) ist Mitglied des Büros und des Sekretariats des ZR der FDJ. Der ZR leitet die P., beschließt ihr Statut, erteilt Verbandsaufträge usw. Auf den verschiedenen Stufen des Organisationsaufbaus der P. werden von den FDJ-Leitungen RdF als beratende und helfende Organe berufen. Ihnen gehören Vertreter der SED, der Bildungseinrichtungen, der staatlichen Organe, der Betriebe, der Elternbeiräte an. Mitglied der P. kann jedes Kind vom 6. bis zum 14. Lebensjahr werden. In den 8. Klassen werden die Pg. aufgelöst, die 14jährigen bilden eine FDJ-Organisation, in der die jüngeren Schüler, die noch Pioniere bleiben, mitarbeiten. Diese Regelung wurde eingeführt, um die Pioniere möglichst vollzählig in die FDJ zu übernehmen. Die Thälmann-Pioniere entrichten einen monatlichen Beitrag von 0,10 Mark. Im Jahr 1978 zählte die P. 1.740.000 Mitglieder. Damit waren nach Angaben aus der DDR 99 v. H. aller Kinder von 6 bis 13 Jahren in der P. organisiert. Es bestanden 5.421 Pf. und 71.936 Pg. Im Verlag der FDJ „Junge Welt“ werden neben einer Reihe von Kinderzeitschriften für die Jungpioniere die „ABC-Zeitung“, für die Thälmann-Pioniere „Die Trommel“, für die Gruppenpionierleiter und Pionierleiter der „Pionierleiter“ herausgegeben. Formen der Arbeit der P.: Eine wichtige Rolle in der Erziehungsarbeit der P. spielen die Formen der Teilnahme am Organisationsleben. Die Uniform, das Emblem, der Wimpel und die Fahne, der Pioniergruß werden zu Symbolen aufgewertet. Die 10 Gebote der Jungpioniere haben verpflichtenden programmatischen Charakter. Sie enthalten u. a. ein Bekenntnis zur DDR und zur Freundschaft mit der UdSSR, Verpflichtungen zu Fleiß, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, gegenseitiger Hilfe, zur Liebe zu den Eltern und Beteiligung am Sport. Für die älteren Kinder werden sie zu „Gesetzen der Thälmannpioniere“ erweitert und enthalten eine Parteinahme für den Sozialismus, ein Bekenntnis zum Haß „gegen die Kriegstreiber“, daneben Verpflichtungen zur Arbeit für die Allgemeinheit, zum Schutz des Volkseigentums usw. Die Jungpioniere legen beim Eintritt in die P. ein Versprechen ab, nach den „Geboten“ zu handeln, das bei der Übernahme in die Thälmann-Pioniere erneuert wird. Durch die Übertragung kleinerer und größerer Verantwortung im überschaubaren Raum der Schule, die durch Auszeichnungen und Rangabzeichen (Mitglieder des Gruppenrates haben einen, Vorsitzende des Gruppenrates und Mitglieder des Freundschaftsrates zwei, der Vorsitzende des Freundschaftsrates drei rote Armstreifen) gesellschaftlich anerkannt wird, sollen frühzeitig die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement und das Gefühl für die Notwendigkeit von Ein-, Unter- und Überordnung geweckt werden. Alljährlich wird vom ZR für die FDJ und P. als Arbeitsgrundlage eine Losung ausgegeben, die für die verschiedenen Aufgaben der einzelnen Organisationsbereiche als „Auftrag“ für ein Schuljahr präzisiert wird. Der Pionierauftrag für das Schuljahr 1977/78 lautete z. B.: „Vollbringt Pioniertaten für den Sozialismus!“ In 5 Etappen (2–3 Monate umfassende Abschnitte) wird die Tätigkeit der P. auf bestimmte Gedenktage, die Messen der Meister von Morgen, das Deutsche Turn- und Sportfest u. a. ausgerichtet und damit die Voraussetzung geschaffen, Selbstverpflichtungen, Pionieraufträge, Wettbewerbe an bestimmte Termine zu binden. Intensiv wird für die Beteiligung an verschiedenen schulischen und außerschulischen Arbeits- und Interessengemeinschaften geworben, in denen besonders die technisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse vertieft werden sollen. Die Arbeitsgemeinschaften bestehen teils bei den Schulen, teils bei den häufig gut ausgerüsteten Stationen der Jungen Naturforscher und Jungen Techniker sowie bei den Pionierhäusern. Pionierhäuser gibt es vorwiegend in großen Städten. Es sind Klubhäuser, die z. B. Kindertheater, Vortragssäle, Werkräume, Räume für Arbeitsgemeinschaften, Büchereien, Lesezimmer, Fernseh-, Spiel-, Filmräume u. a. m. enthalten und nur für Kinder bis zu 14 Jahren bestimmt sind. Das Pionierhaus Dresden wird als „Pionierpalast“ bezeichnet. Im „Zentralhaus der Jungen Pioniere“ in Berlin-Lichtenberg, das den Namen des sowjetischen Raumfahrers German Titow trägt, arbeitet der Lenkungsstab für alle anderen Pionierhäuser. Das Jugendwandern fördern die „Stationen Junger Touristen“. Sportliche Wettkämpfe, regionale und überregionale Spartakiaden [S. 810]sollen zu außerschulischer sportlicher Betätigung anregen. Musische Arbeitsgemeinschaften führen die Kinder an die Volkskunstbewegung heran. Die Beteiligung an den „Messen der Meister von Morgen“ soll ebenso wie die Mitarbeit von Angehörigen der Patenbetriebe in den Arbeitsgemeinschaften den Praxisbezug des Schulstoffes herstellen oder verdeutlichen. In den zentralen Pionierferienlagern werden die außerschulischen Arbeitsgemeinschaften, das Geländespiel usw. besonders gepflegt. Pioniervorhaben zur Verschönerung und Instandhaltung von Klassenräumen, Schulen und örtlichen Gemeinschaftseinrichtungen werden als „gesellschaftlich nützliche Taten“ gefordert und anerkannt. Am 1. 6. 1978 bestanden: 141 Pionierhäuser und Pionierparks, 48 Zentrale Pionierlager, 194 Stationen junger Naturforscher und Techniker sowie 45 Stationen junger Touristen. Im Schuljahr 1977/78 sammelte die P. im Rahmen der Aktion „Großfahndung — Millionen für die Republik“ Schrott für 6 Mill. Mark; 1,5 Mill. Jungen und Mädchen leisteten an 48.899 Pionierobjekten, vor allem der eigenen Schule, freiwillige Arbeit; 180.000 Schüler arbeiteten als freiwillige Helfer in 2.600 „Timur-Zentralen“ (zum Vergleich: in der DDR gibt es 7.200 Gemeinden) mit, besonders bei der Betreuung von „Veteranen der Arbeit“ und Familien von Armeeangehörigen; 1,4 Mill. Pioniere der Klassen 1–7 waren in 82.000 Arbeitsgemeinschaften tätig; 160.000 Pioniere wurden für fleißiges Lernen mit dem Abzeichen „Für gute Arbeit in der Schule“ ausgezeichnet; über 20.000 Thälmann-Pioniere nahmen an wehrsportlichen Arbeitsgemeinschaften teil. Im Sommer 1978 verbrachten 100.000 Thälmann-Pioniere die Ferien in den Zentralen Pionierlagern. Schulung: Die Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter erfolgt als 4jähriges pädagogisches Fachschul- oder Hochschulstudium. Absolventen der 10. Klasse studieren am Zentralinstitut der P. in Droyßig oder an den Instituten für Lehrerbildung in Berlin-Köpenick, Potsdam, Radebeul, Rostock und Weimar, Abiturienten an den Pädagogischen Hochschulen Dresden, Halle und Zwickau. Hochschüler erwerben gleichzeitig das Diplom als Fachlehrer für Geschichte oder Biologie, Chemie oder Staatsbürgerkunde. Für das Jahr 1978 wurde mitgeteilt, daß jährlich 635 Bewerber das Studium aufnähmen. Diese im Vergleich zur Zahl der Pionierfreundschaften große Zahl zeigt, daß die Funktion des Freundschaftspionierleiters von jungen Pädagogen nur für wenige Jahre ausgeübt wird. Ende 1975 waren 84,6 v. H. aller Freundschaftspionierleiter weiblich; 1978 besaßen 98,2 v. H. der Pionierleiter eine abgeschlossene Hochschul- oder Fachschulausbildung. Gruppenpionierleiter und Mitglieder der Freundschaftsräte werden in den Pionierhäusern geschult und durch Arbeitsanleitungen unterstützt. Die Vorbereitung der Schüler der 7. Klassen auf den Eintritt in die FDJ in den Zirkeln „Unter der blauen Fahne“, die Vorbereitung auf die Jugendweihe und die Veranstaltungen zur Unterstützung des Staatsbürgerkundeunterrichts werden als Vorstufe der Massenschulung in der FDJ angesehen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 808–810 Pionierleiter A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Plan Neue Technik

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Die P. ist die sozialistische Massenorganisation der Kinder. Unter Leitung der FDJ soll sie helfen, unter Verwendung altersspezifischer Methoden die Kinder vom 6. Lebensjahr an zu jungen Sozialisten zu erziehen. Geschichte: Bei den kommunalen Jugendausschüssen wurden bereits 1945 erste Kindergruppen gebildet, die 1946 den Namen „Kinderland“ annahmen. Das II. Parlament der FDJ (23.–26. 5. 1947) in Meißen gründete eine „Kindervereinigung der FDJ“, die…

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Fernsehen (1979)

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Das „Fernsehen der DDR“ (seit Januar 1972), früher „Deutscher Fernsehfunk“, ist als „äußerst wirksames Massenmedium“ eine einheitliche, zentralisierte staatliche Institution mit politisch-ideologischer Aufgabenstellung (Medienpolitik). Lenkungs- und Leitungsorgan ist seit dem 15. 9. 1968 das Staatliche Komitee für F. beim Ministerrat in Berlin (Ost), dessen Vorsitzender und seine Stellvertreter auf Beschluß des Ministerrates vom Vorsitzenden des Ministerrates berufen werden. Dem Ministerrat (nach dem Prinzip der Einzelleitung) verantwortlicher Vorsitzender des Staatlichen Komitees für F. ist Heinz Adameck, Mitglied des ZK der SED, seit 1954 Intendant des Deutschen Fernsehfunks, der als besonderer Intendanzbereich bis 1968 dem Staatlichen Rundfunkkomitee beim Ministerrat zugeordnet war. Die weiteren Mitglieder des Komitees werden vom Komiteevorsitzenden berufen; sie vertreten gleichzeitig die Programmdirektionen, Hauptabteilungen und Chefredaktionen, in die das [S. 373]staatliche F. gegliedert ist. Die Hauptstudios befinden sich in Berlin-Adlershof und Berlin-Johannesthal, nennenswerte Außenstudios in Halle und Rostock. Ausgestrahlt werden zwei zentrale Programme (keine Regionalprogramme): Das I. Programm (VHF-Bereich) beginnt kurz vor 8.00 Uhr (außer sonntags) mit unterrichtsbegleitenden Schulfernsehsendungen (sprach- und naturwissenschaftliche Fächer, Geschichte und Staatsbürgerkunde, z. B.: „Die wachsende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“) und wiederholt bis ca. 13.00 Uhr Informations- und Unterhaltungssendungen. Nach einer Sendepause von rd. 2 Stunden wird ein durchgehendes Programm bis 23.00 Uhr mit Schulfernsehen, politischer Information, Magazin-Sendungen, Kinder-F., Jugendsendungen. Sport, Unterhaltungsserien, Kriminal- und Spielfilmen aus östlicher und auch westlicher Produktion ausgestrahlt. An Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen gibt es ein ganztägiges Programm. Das II. Programm (UHF-Bereich) wird in der Regel von 17.40 Uhr bis ca. 23.00 Uhr, an Sonnabenden ab 16.25 Uhr, an Sonntagen etwa ab 15.30 Uhr ausgestrahlt. Während der Schulzeit werden in einem kurzen Vormittagsprogramm nur Schulfernseh- und populärwissenschaftliche Beiträge gesendet. Das Abendprogramm ist mit Theater-, Opern- und Konzertaufführungen kulturell anspruchsvoller als das I. Programm, im Filmangebot jedoch ideologieträchtiger u. a. durch vermehrte Ausstrahlung sowjetischer Filme („Für Freunde der russischen Sprache“). Regelmäßige Sendungen: Hauptnachrichten mit aktuellen Bildreportagen in „Aktuelle Kamera“ täglich 19.30–20.00 Uhr in beiden Programmen, ebenfalls Spätnachrichten zum Sendeschluß. Politische Informations- und Agitationssendungen, z. B.: „Antworten — eine Sendung zu Fragen der Zeit“ (Interviews mit Partei- und Staatsfunktionären), „Die Fernsehpressekonferenz“, „Der schwarze Kanal“, eine 25-Minuten-Polemik des Chefkommentators des F. der DDR, Karl-Eduard von Schnitzler, zu Sendungen von Fernsehanstalten der Bundesrepublik Deutschland. „Aufgabe dieser Sendereihe ist es, am naheliegenden Beispiel des BRD-Fernsehens die Methoden kapitalistischer Massenmedien zu entlarven“ (Schnitzler, November 1973) (montags 21.40 Uhr im I., mittwochs 19.00 Uhr im II. Programm). Seit kurzem gibt es eine 25-Minuten-Sendereihe „Alltag im Westen“ (z. Z. [1978] sonntags 12.00 Uhr im I. Programm mit Wiederholungen). produziert von der „Gruppe Dr. Katins“ mit Reportagen aus der Bundesrepublik Deutschland und westeuropäischen Ländern: „Immer wird mit ihrer Aussage eine bestimmte Seite des kapitalistischen Systems charakterisiert, bloßgelegt, angeklagt“ (Tribüne 13. 12. 1977). Ratgeber- und Fortbildungsserien gibt es in beiden Programmen, z. B.: „Fragen Sie Professor Kaul“ (Rechtsfragen), „Sie und Er und 1000 Fragen“ (Eheberatung) und „English for you“; „Kooperationsakademie“ für LPG-Bauern, Fortbildung für Lehrer. Ein unterrichtsbegleitendes Schulfernsehen („wissenschaftlich, parteilich und lebensverbunden“) gibt es seit September 1976 und wird in Zusammenarbeit mit der UdSSR ausgebaut. Von den Unterhaltungssendungen ist am beliebtesten „Ein Kessel Buntes“ mit Gästen aus dem Westen. Neue Unterhaltungssendung zur Stärkung des sozialistischen Integrationsgedankens: „Gemeinsam macht's Spaß“ mit Teilnehmern aus anderen kommunistisch regierten Staaten. Auch im Dokumentar- und Spielfilmeinsatz ist, im Zuge der Integrationspolitik, der Anteil von Filmen aus osteuropäischen Staaten verstärkt worden. Farbsendungen (System SECAM III b) gibt es zunehmend in beiden Programmen. Erste Farbsendungen erfolgten am 3. 10. 1969 im II., seit den Weltjugendfestspielen 1973 auch im I. Programm. 1978 wurden von 141 Programmstunden wöchentlich bis zu 106 Stunden in Farbe ausgestrahlt. Farbfernsehsendungen aus dem Westen sind nur durch zusätzlichen Einbau von Farb-Decodern (Pal/Secam) zu empfangen, im Intershop sind jedoch Westfarbfernseher direkt erhältlich. Fernsehgebühren: I. Fernsehprogramm und Rundfunk 7 Mark, zusammen mit dem II. Fernsehprogramm 10 Mark. Als wöchentliche Programm-Illustrierte wird „FF dabei“ (Funk und Fernsehen), Auflage: 1,4 Mill., publiziert. Die Monatsschrift „Film und Fernsehen“ befaßt sich mit Theorie und Praxis des Film- und Fernsehschaffens. Ausbildungsstätte für künstlerischen Nachwuchs ist die „Hochschule für Film und Fernsehen der DDR“ in Potsdam-Babelsberg. [S. 374]Programm-Austausch und Übernahmen von Gemeinschaftssendungen erfolgen über die OIRT in Prag, seit 1960 über deren Sonderinstitution, die „Intervision“, auch über das im Aufbau befindliche Satelliten-Netz „Intersputnik“ der osteuropäischen Staaten mit Sitz in Moskau. Offizielle Beziehungen (Austausch und Übernahmen, z. B. internationale Sportveranstaltungen) bestehen auch zur westlichen „Eurovision“, daneben direkte Austauschvereinbarungen mit westlichen und Staaten der Dritten Welt. Programm-Grundsätze: Dem F., das in der Freizeitbeschäftigung der DDR-Bevölkerung den ersten Platz einnimmt — nach Angaben von Kurt Hager auf der 6. ZK-Tagung der SED. Juli 1972, verbringt im Durchschnitt jeder DDR-Bürger etwa 15 Stunden in der Woche vor dem Bildschirm —, wird von der SED große Bedeutung beigemessen. Gefordert wird die „Einheit von Information, Unterhaltung, Bildung und Erziehung“ im Sinne „sozialistischer Parteilichkeit und Volksverbundenheit“. Sozialistische Bewußtseinsbildung soll durch Bild und Ton erzielt werden: „Dabei muß der Zuschauer durch die parteiliche Auswahl der (Bild-)Motive und Details und durch die bewertende und deutende Art der Darstellung (Kameraführung) zum Verständnis des Wesentlichen geführt werden, wobei ihm die logische Verknüpfung der Einzelbilder (Montage) eine verallgemeinernde Schlußfolgerung ermöglichen soll“ (Heinz Grote in „Journalistisches Handbuch der DDR“). Die F.-Nachricht gibt, nach gleicher Quelle, „dem Zuschauer in einer Bildfolge (Film) eine Reihe von neuen, wesentlichen Tatsachen, deren Vermittlung der sozialistischen Bewußtseinsbildung und damit letztlich der Veränderung der Realität dient“. In der F.-Nachricht sei „die Kommentierung geradezu Bedingung“. Sie dient nicht nur der Erklärung des Bildes: „Sie erläutert und wertet gleichzeitig die im Bild gegebenen parteilich ausgewählten Tatsachen und Erscheinungen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang. Ihr Wesen als informatorisches Genre bleibt auch im F. ‚Agitation durch Tatsachen‘, die als Prinzip das Wesen jeder Nachricht kennzeichnet.“ Problematik bei Spielfilmen: Der große Bedarf (500–600 Filme im Jahr) kann aus der Eigenproduktion der DDR nicht gedeckt werden, vor allem nicht bei Unterhaltungsfilmen (Kriminal-, Abenteuer- und Lustspielfilmen). Der Rückgriff auf alte UFA-Filme (Montag-Abend-Film im I. Programm unter der Rubrik „Für den Filmfreund“) und der Einsatz westlicher Filme entsprechen zwar dem Unterhaltungsbedürfnis der Bevölkerung der DDR, widersprechen aber der Forderung der SED nach sozialistischer Parteilichkeit: „Der große Bedarf des Fernsehens an Fremdfilmen führt dazu, daß ein beträchtlicher Teil Filme eingesetzt wird, der beim Zuschauer unter Umständen kleinbürgerliche Auffassungen aktiviert oder produziert. Das beginnt beim vieldiskutierten Montag-Abend-Film, der häufig geradezu das Musterbeispiel kleinbürgerlicher Denk- und Verhaltensweisen bietet, der aber in der Regel hohe Zuschauerzahlen und relativ positive Wertungen erhält. Das reicht bis zu den zahlreichen neueren und neuen Filmen aus kapitalistischen Ländern.“ Und: „Bei dem großen Bedarf an Filmen für das Fernsehen und den zunehmend kulturellen Verbindungen zu Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung ist es unvermeidbar, wenn wir mit Filmen konfrontiert werden, die bürgerliche Denk- und Verhaltensweisen widerspiegeln, vom Einfluß des gegnerischen Fernsehens hier gar nicht zu sprechen. Um so notwendiger ist ein reiches Angebot an Filmen, die unsere Ideologie verbreiten“ (M. Haiduk auf einer zentralen SED-Konferenz zum Thema „Das kulturelle Lebensniveau der Arbeiterklasse in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“, April 1973). Zuschauerforschung und Programmgestaltung: Bereits 1967 ergab eine vom Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED in 10 Städten der DDR durchgeführte Untersuchung über die kulturelle Betätigung der Bevölkerung (Lesen von Büchern. Theater- und Kino-Besuche usw., ohne Rundfunkhören) eine dominierende Stellung des F.: Von 100 Produktionsarbeitern nannten 91 (Angestellte 89, Techniker und Ingenieure 87 v. H.) den Empfang von F.-Sendungen. 1976 waren rd. 85 v. H. aller Haushalte mit einem F.-Gerät ausgestattet. Das I. Programm kann nach Ausbau des Netzes nahezu überall in der DDR empfangen werden, das II. Programm dagegen nur von etwa 80 v. H. der Bevölkerung, über 60 v. H. davon auch in Farbe. Geräte mit UHF-Teil für das II. Programm, UHF-Zusatzgeräte und Farbfernseher sind erst seit 1969 im Handel. Über die Sehgewohnheiten der Bevölkerung ermittelte die Abteilung Zuschauerforschung des DDR-F. 1971 nach einer Befragung von 10.000 F.-Zuschauern, daß die größte F.-Teilnahme zwischen 18.30 und 21.00 Uhr liegt. Um 18.30 Uhr sind 80 v. H. aller Zuschauer von der Arbeit zurück, um 21.00 Uhr aber fast ein Drittel schlafen gegangen, um 21.30 Uhr sind es schon knapp die Hälfte (ein Viertel muß um 4.30 Uhr wieder auf sein, um 6.00 Uhr sind es 80 v. H.). Um 22.00 Uhr sind nur noch 7 v. H. der F.-Zuschauer zu erreichen. Eine zur gleichen Zeit gestartete Leserumfrage in den Zeitungen nach Programmwünschen ergab eine große Nachfrage nach mehr Unterhaltungs- und Sportsendungen, erwünscht war mehr Humor im Programm, mehr Kriminalfilme wurden gefordert. Eine vom Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig 1971 veröffentlichte Studie über „Massenkommunikation und Jugend“ stellte fest: Jugendliche verbringen im Durchschnitt pro Tag eine Stunde vor dem Bildschirm. „Während beim Rundfunk ein starkes Interesse an Schlagersendungen und Tanzmusik zu verzeichnen ist, sind beim Fernsehen vor allem Kriminalfilme, Abenteuerfilme. Fernsehspiele. Fernsehfilme und Spielfilme gefragt. Sehr häufig werden auch Unterhaltungssendungen gesehen.“ (Vgl. dazu: L. Bisky: „Massenmedien und ideologische Erziehung der Jugend“, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin [Ost] 1976.) Die SED, der starken Konkurrenz des westdeutschen F. bewußt, reagierte: „Unser Fernsehen, das auf gute Leistungen zurückblicken kann, sollte verstärkt bemüht sein, die Programmgestaltung zu verbessern, eine be[S. 375]stimmte Langeweile zu überwinden, den Bedürfnissen nach guter Unterhaltung Rechnung zu tragen, die Fernsehpublizistik schlagkräftiger zu gestalten und den Erwartungen jener Teile der werktätigen Bevölkerung besser zu entsprechen, deren Arbeitstag sehr zeitig beginnt, und die deshalb schon in den frühen Abendstunden Zuschauer wertvoller Fernsehsendungen sein möchten“ (E. Honecker auf dem VIII. Parteitag der SED. Juni 1971). Seitdem sind die Programme attraktiver geworden, auch die „Aktuelle Kamera“ widmet sich gegenwärtig mehr der Auslandsberichterstattung; systembedingte Einförmigkeit und Parteilichkeit sind weitgehend geblieben. (Siehe Stefan Heym: „Je voller der Mund, desto leerer die Sprüche“, in „Der Stern“, 10. 2. 1977.) Zugeständnisse an den Publikumsgeschmack (mehr Kriminalfilme, auch westliche Serien, Sendungen wie „Schlager-Studio“, nach Vorbild der ZDF-„Hitparade“, andererseits aber auch die verstärkte Ausstrahlung von mehr sowjetischen, polnischen, tschechoslowakischen, ungarischen und bulgarischen Filmen) deuten auf den von Haiduk angesprochenen latenten Zielkonflikt. So besteht nach wie vor eine starke Anziehungskraft des West-F. Das gilt aber auch für die politische Information, deren Einseitigkeit ebenfalls viele DDR-Bürger, einschließlich Funktionäre der SED. veranlaßt, zur Schließung der Informationslücken auf West-Empfang zu schalten. Er ist in jenen Gebieten stark verbreitet, in denen westliche Sender, vor allem im VHF-Bereich, empfangen werden können: im gesamten Bereich der DDR vom Harz über den Berliner Raum bis zur Oder, in Thüringen und Teilen von Sachsen und im nordwestlichen und südlichen Teil Mecklenburgs. Über die Bedeutung des West-F., Einschaltquoten und die Kritik aus der DDR vgl. den Bericht: „Künftig auch wieder mehr an uns denken“ in: „Der Spiegel“ Nr. 17/1978, S. 41. Die SED hat mehrfach versucht, den Empfang des West-F. durch Störsender, FDJ-Abrißaktionen zur Entfernung von nach Westen ausgerichteten Antennen nach dem Mauerbau 1961, Vorschriften in Stadtordnungen über Gemeinschaftsantennen und andere Maßnahmen einzuschränken bzw. zu unterbinden. 1973, auf der 9. Tagung des ZK der SED, mußte Honecker indirekt ein Scheitern dieser Bemühungen eingestehen: „Die westlichen Massenmedien, vor allem der Rundfunk und das Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland, die ja bei uns jeder nach Belieben ein- oder ausschalten kann …“ Geschichte: Im März 1950 wurde auf Beschluß der Regierung mit dem Aufbau des F. begonnen. Am 11. 6. 1951 erfolgte die Grundsteinlegung des Studiokomplexes Berlin-Adlershof. Am 20. 12. 1951 begannen erste Versuche, im August 1952 wurde der F.-Funk ein besonderer Instanzbereich des „Staatlichen Rundfunkkomitees beim Ministerrat“. Die Chronik der folgenden raschen Entwicklung beweist, daß die SED sich zunehmend der Wirksamkeit des neuen Mediums bewußt wurde und es für ihre Zwecke zu nutzen verstand. 21. 12. 1952 20.00 Uhr — Beginn des täglichen offiziellen Versuchsprogramms aus dem Fernsehzentrum Adlershof, erste „Aktuelle Kamera“. 22. 12. 1952 Erste Sportsendung und erste Wetterkarte. 1953 Es gibt 600 Besitzer von F.-Geräten in dep DDR. 12. 9. 1954 Erster F.-Film aus eigener Produktion: „Die Entscheidung des Tilman Riemenschneider“. 4. 10. 1954 „Deutsche Hochschule für Filmkunst“ in Potsdam-Babelsberg gegründet, heute „Hochschule für Film und Fernsehen der DDR“. 1954 2.300 angemeldete F.-Empfänger. 1955 13.600 angemeldete F.-Empfänger. 3. 1. 1956 Beginn des offiziellen F.-Programms (VHF-Bereich); 2,2 Stunden täglich unter dem Titel „Deutscher Fernsehfunk“. Ende 1956 sind 71.000 F.-Geräte angemeldet, 1959 594.000 F.-Geräte angemeldet. 30. 1. 1960 Gründung der „Intervision“ bei der OIRT/Prag (ČSSR, DDR, Polen, Ungarn), 1961 Beitritt der Sowjetunion. 1960 über 1~Mill. F.-Genehmigungen, 1965 über 3 Mill. F.-Genehmigungen erteilt. Sendezeit täglich 10,3 Stunden. Dez. 1965 Kritik an Film und F. auf der 11. ZK- Tagung. 15. 9. 1968 Bildung des Staatlichen Komitees für F. beim Ministerrat. 1968 4,17 Mill. F.-Empfänger-Genehmigungen, 12,7 Sendestunden täglich. Januar 1969 Erstsendung des fünfteiligen F.-Films „Krupp und Krause/Krause und Krupp“ (Beispiel für sozialistische Gegenwartsdramatik). 4. 2. 1969 Theoretische Konferenz des Staatlichen Komitees für F. über die Entwicklung sozialistischer F.-Dramatik. Referat „Sozialistische Volksgestalten als Träger unserer Macht“. Sept. 1969 Beginn des Verkaufs von UHF- und Farbfernsehgeräten. 3. 10. 1969 Die Sender Berlin. Dresden, Dequede und Schwerin beginnen mit der Ausstrahlung des II. Programms (UHF-Bereich), erste Farbsendungen, System SECAM. Januar 1972 „Deutscher Fernsehfunk“ wird in „Fernsehen der DDR“ umbenannt. Ausbau des UHF-Sendenetzes (II. Programm), Ende 1972 erreichen die Sender etwa die Hälfte des DDR-Gebietes, 1973 seit den Weltjugendspielen, Farbsendungen auch im I. Programm. Sept. 1974 erste unterrichtsergänzende Sendungen. Sept. 1976 Schul-F. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 372–375 Ferienscheck A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Fernsprechdienst

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Das „Fernsehen der DDR“ (seit Januar 1972), früher „Deutscher Fernsehfunk“, ist als „äußerst wirksames Massenmedium“ eine einheitliche, zentralisierte staatliche Institution mit politisch-ideologischer Aufgabenstellung (Medienpolitik). Lenkungs- und Leitungsorgan ist seit dem 15. 9. 1968 das Staatliche Komitee für F. beim Ministerrat in Berlin (Ost), dessen Vorsitzender und seine Stellvertreter auf Beschluß…

DDR A-Z 1979

Phasen der Wirtschaftspolitik seit 1963 (1979)

Siehe auch das Jahr 1975 Die Wirtschaftspolitik steht neben der Deutschland- und Außenpolitik im Mittelpunkt der politischen Aktivitäten der Partei- und Staatsführung der DDR. Stellung und Aufgaben der Wirtschaft im politischen Gesamtsystem unterlagen seit 1963 unterschiedlichen Einschätzungen, die sich in generellen Schwankungen des wirtschaftspolitischen Kurses niederschlugen. Markiert durch die Parteitage der SED in den Jahren 1963 (VI. Parteitag), 1967 (VII. Parteitag) und 1971 (VIII. Parteitag) sind bestimmte PdW. zu unterscheiden. Während 1963/64 zu Beginn des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) den wirtschaftlichen Problemen politische Priorität eingeräumt wurde, so daß der SED intern der Vorwurf gemacht wurde, sie würde sich zu einer reinen „Wirtschaftspartei“ wandeln, wurde seit 1965, verstärkt seit 1967 der Akzent erneut mehr auf ideologisch-politische Fragen und die besondere Führungsrolle der SED gelegt. Die seit 1963 in den Phasen des NÖS und des Ökonomischen Systems des Sozialismus initiierten und durchgeführten Veränderungen im Aufbau und Ablauf des Wirtschaftssystems sind untrennbar mit dem Wirken des früheren Ersten Sekretärs des ZK der SED, W. Ulbricht, verbunden. Dabei kam es zu Ausprägungen einer DDR-typischen Wirtschaftsordnung, deren staatlich-nationale Elemente darauf zurückgeführt wurden, daß mit der DDR erstmals [S. 802]ein hochindustrialisiertes Land „sozialistische Planwirtschaft“ praktisch verwirklichte. So bezeichnete Ulbricht das NÖS als die konkrete Anwendung und Weiterentwicklung der leninistischen Prinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung in einem hochentwickelten Industrieland: „Wir sind uns bewußt, daß wir in der Deutschen Demokratischen Republik den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus entsprechend unserer nationalen Bedingungen durchgeführt haben und durchführen. Diese Bedingungen unterscheiden sich von denen, die die Sowjetmacht hatte, als sie den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus vollzog“ (5. Tagung des Zentralkomitees der SED, Februar 1964). Seit dem VIII. Parteitag der SED wird die Originalität der DDR-Wirtschaftspolitik nicht mehr hervorgehoben. Der neue wirtschaftspolitische Kurs betont statt dessen die enge Verbindung zur Entwicklung der Sowjetunion und zu anderen Ländern im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). An dieser Grundorientierung haben auch die Beschlüsse des IX. Parteitages der SED im Jahr 1976 nichts verändert. Die Wirtschaftspolitik der DDR seit 1963 verfolgte das umfassende Ziel, die real möglichen materiellen Nutzeffekte des technischen Fortschritts unter Aufrechterhaltung der staatlichen Verfügung über das Produktionsmitteleigentum und der zentralen Planung und Leitung — als den beiden konstitutiven Merkmalen des Wirtschaftssystems — zu erreichen. Die wirtschafts- und technologiepolitischen Formeln änderten sich wiederholt: „Erreichen des wissenschaftlich-technischen Höchststandes“, „Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution“. „Überholen ohne Einzuholen“, „Lösung der Hauptaufgabe“, „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Die ihnen zugrunde liegende Aufgabe besteht auch gegenwärtig vor allem darin, ein höheres Innovationstempo und eine größere Fähigkeit in der Anpassung der Produktion an die wissenschaftlich-technische Entwicklung zu erzielen (Forschung). Bei der in polit-ökonomischer Sicht entscheidenden Meßziffer, der Arbeitsproduktivität, erreichte die Wirtschaft der DDR ebenso wenig das Niveau westlicher Industrieländer wie generell im Bereich der Technologien, der Fertigungs- und Verteilungsorganisation und der Qualität der industriellen Güter und Leistungen. Die konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen wurden entscheidend durch den Übergang der Wirtschaft von der extensiven zur intensiven Produktion bestimmt. Die gestiegene Bedeutung einer effizienten Wirtschaftsstruktur, des technischen Wissens, des Ausbildungsniveaus und der Innovationsbereitschaft der Wirtschaftsleiter für die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wurde schon frühzeitig erkannt und führte zu einer gezielteren Strukturpolitik, die mit der Förderung der industriellen Forschung und Entwicklung und der Aus- und Weiterbildung verbunden wurde. In diesem Zusammenhang wird seit Mitte der 60er Jahre besonderes Gewicht auf langfristige Pläne gelegt, um für die Arbeit der Betriebe stabilere Bedingungen zu schaffen. Kennzeichnend ist zudem die verstärkte Konzentration von Beschäftigten und Fertigungsstätten in fast allen Branchen (Betriebsformen und Kooperation). Die Wirtschaftspolitik seit 1963 verlief nicht kontinuierlich. Die anfängliche wirtschaftswissenschaftliche Reformdiskussion (Liberman-Diskussion) hatte zunächst nur die Richtungen der Veränderungen geklärt, ohne schon erprobte Instrumente anbieten zu können. Die Mehrzahl der Steuerungsinstrumente und Regelmechanismen mußten in „Ökonomischen Experimenten“ erst entwickelt und erprobt werden. Das auch gegenwärtig noch verbreitete Experimentieren mit einzelnen wirtschaftspolitischen Maßnahmen erleichtert bestimmte Kursschwankungen und fördert insofern einen gewissen Voluntarismus in der Wirtschaftspolitik. Das schrittweise Vorgehen ist mit Schwerpunktbildungen sowohl bei der Gestaltung des Planungssystems, den wirtschaftsorganisatorischen Maßnahmen als auch bei der Investitionspolitik verknüpft. Bei der Investitionsentwicklung zeichnete sich eine Wellenbewegung ab, nach der zunächst der Schwerindustrie- und Energiesektor, dann in der zweiten Hälfte der 60er Jahre der Bereich der Wachstumsindustrien (Chemie, elektrotechnische und elektronische Industrie, wissenschaftlicher Gerätebau, Maschinen- und Fahrzeugbau) und seit 1971 der Bereich der Zuliefer- und Konsumgüterindustrie (sowie erneut und verstärkt, der Energiesektor) gefördert wurden. Entsprechend verlief auch die Wirtschaftsentwicklung in dem Zeitraum seit 1963 für die einzelnen Wirtschaftsbereiche nicht gleichmäßig, wenngleich gesamtwirtschaftlich ein bemerkenswert stetiges, relativ hohes Wirtschaftswachstum — mit leicht fallender Tendenz in den letzten Jahren — erzielt werden konnte. Dieser Trend wurde in den Jahren 1970/71 durch krisenhafte Wachstumsstörungen beeinträchtigt. I. Neues ökonomisches System (NÖS) Bezeichnung für die Konzeption und die Maßnahmen der auf dem VI. Parteitag der SED (15. 1.–21. 1. 1963) beschlossenen Wirtschaftsreform. Bis Ende 1965 (11. Tagung des ZK der SED) galt die Bezeichnung Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der [S. 803]Volkswirtschaft (NÖSPL). Nach praktischen Erprobungen und mehrfachen Beratungen (z. B. auf der gemeinsamen Wirtschaftskonferenz des ZK der SED und des Ministerrats am 24. und 25. 6. 1963) wurde durch Beschluß des Ministerrats die Richtlinie für das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft vom 11. 7. 1963 zum verbindlichen Programm der Modernisierung und Rationalisierung des Wirtschaftssystems. Mit ihm begann 1963 eine Phase des Ausbaus des wirtschaftlichen und politischen Systems der DDR. Das Programm ging von einer realistischen Einschätzung der Lage und der Möglichkeiten der Wirtschaft aus. Die Ziele der vergangenen wirtschaftspolitischen Kampagnen des „Einholens und Überholens der Bundesrepublik“ und der „Störfreimachung“ der Wirtschaft hatten sich ebenso wie die des Siebenjahrplanes von 1959 als nicht erreichbar erwiesen. Die Gründe waren neben unrealistischen Planansätzen auch im Fehlen wirtschaftlicher Lenkungskategorien, in der unsachgemäßen Leitung und — volkswirtschaftlich gesehen — im ökonomischen Verhalten der Wirtschaftenden und Planenden (kritisch gekennzeichnet als „Tonnenideologie“ und „weiche Planung“) zu suchen. Durch das NÖS sollten die bestehenden Mängel beseitigt und ein dem entwickelten industriellen Niveau angepaßtes Planungs- und Leitungssystem aufgebaut werden. Auch wenn die Einführung und Durchsetzung der Reform nicht in scharf voneinander zu trennenden Phasen abliefen, lassen sich dennoch Teilabschnitte aufzeigen: a) Teilphase 1963–1965. Kennzeichnend für das NÖS wurden die weitgehende Anerkennung einer technisch-ökonomischen Rationalität als eines allen Entscheidungen und wirtschaftlichen Handlungen zugrunde liegenden Prinzips und die Orientierung auf die Funktionstüchtigkeit des Systems. Die Richtlinien beschrieb das NÖS als „die organische Verbindung der wissenschaftlich fundierten Führungstätigkeit in der Wirtschaft und der wissenschaftlich begründeten, auf die Perspektive orientierten, zentralen staatlichen Planung mit der umfassenden Anwendung der materiellen Interessiertheit in Gestalt des in sich geschlossenen Systems ökonomischer Hebel“. Es sollte „eine gewisse Selbstregulierung auf der Grundlage des Plans“ erreicht werden. Das Reformprogramm enthielt personelle, institutionelle und funktionelle Aspekte. Seine Grundzüge sind die Anwendung eines „in sich geschlossenen Systems ökonomischer Hebel“ anstelle administrativer Einzelanweisungen, die Umstrukturierung der Wirtschaftsorganisation und die Forderung nach einer „wissenschaftlich fundierten“, fachgerechten Leitung und einer verbesserten Planungsmethodik. Die ökonomischen Hebel wurden als Beziehungen zwischen „objektiven gesellschaftlichen Erfordernissen und den materiellen Interessen der Menschen“ verstanden. Dies waren für den betrieblichen Bereich wichtige Größen wie Gewinn, Kosten, Preise, Umsatz und Rentabilität. Sie wurden insgesamt zu Kriterien der Beurteilung wirtschaftlicher Leistung, ohne daß eine einzelne Lenkungskategorie zur allein entscheidenden Kennziffer erhoben wurde. Im individuellen Bereich waren es leistungsabhängige Lohnarten sowie Prämien, aber auch zusätzliche Ferien, die das „materielle Interesse“ der Arbeitnehmer stimulieren und lenken sollten. Daneben ließ das indirekt wirkende System der ökonomischen Hebel eine Vereinfachung der Planung zu. Schrittweise ging man deshalb dazu über, Leistungsanforderungen der Pläne an die Betriebe statt in Mengenangaben in Finanzkennziffern auszudrücken. Der Versuch, monetäre Kennziffern zur Lenkung der Wirtschaft zu verwenden, erforderte zunächst eine Neufixierung des Preis- und Bewertungssystems, um eine wirklichkeitsnähere, den tatsächlichen Aufwand der Betriebe erfassende Kostenrechnung zu ermöglichen. Am 30. 1. 1964 beschloß der Ministerrat die Neubewertung der Produktionsanlagen (Umbewertung der Grundmittel) und die Korrektur der Abschreibungssätze. Am 1. 4. 1964 begann aufgrund eines Ministerratsbeschlusses vom 1. 2. 1964 eine Industriepreisreform. Über die neuen Industriepreise sollte für die Betriebe ein wirtschaftlicher Anreiz zu rationellerer Fertigung und zu günstigen Sortimenten geschafft werden. Die Preisreform wurde in 3 Etappen durchgeführt und 1967 abgeschlossen. Sie führte zu einer Anhebung des Preisniveaus für Industriegüter. Am Prinzip der staatlichen Preisfestsetzung änderte sich jedoch nichts (Preissystem und Preispolitik). Kernstück der durch das NÖS hervorgerufenen Umstrukturierung der Wirtschaftsorganisation war die Umbildung der Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) (Betriebsformen und Kooperation), die bisher lediglich administrative Hilfsorgane des Volkswirtschaftsrates und der Ministerien waren, zu „ökonomischen Führungsorganen“ der einzelnen Industriezweige. Die VVB wurden damit zu finanziell relativ selbständigen, nach dem Produktionsprinzip organisierten „sozialistischen Konzernen“ mit voller Verantwortung für die technische und kaufmännische Entwicklung der ihnen unterstellten Volkseigenen Betriebe (VEB). Neben der Stärkung der Rolle der VVB, was einer Kompetenzverlagerung von der zentralen auf die mittlere Ebene gleichkam, führten die wirtschaftsorganisatorischen Änderungen auch zu zusätzlichen Kompetenzen des VEB (z. B. beim Abschluß von Wirtschaftsverträgen) und der Bezirkswirtschaftsräte. Das Ziel einer fachlichen Leitung erforderte in erster Linie von den führenden Wirtschaftspolitikern und -fachleuten und der staatlichen Verwaltung ein Umdenken und die Beachtung von Kriterien der technisch-ökonomischen Effizienz sowie die Bereitschaft, neue Leitungsmethoden (z. B. Operationsforschung, Netzwerkplanung) anzuwenden bzw. zu entwickeln. Parallel dazu stieg der Bedarf an qualifizierten Ökonomen, Technikern und Wissenschaftlern. Die Aus- und Weiterbildung der Wirtschafts[S. 804]leiter und der staatlichen Funktionäre mußte vor allem in methodischer Hinsicht verbessert werden. In Verbindung damit und als Folge davon erhielt die wirtschaftswissenschaftliche Lehre und Forschung starke Impulse. b) Teilphase 1965–1967. Nachdem sich das Politbüro der SED kritisch mit der Arbeit zentraler Organe der Wirtschaftsleitung befaßt hatte, wurde auf der 11. Tagung des ZK der SED im Dezember 1965 der Beginn einer „zweiten Etappe“ des NÖS angekündigt. Merkmale der zweiten Phase waren organisatorische und planungsmethodische Veränderungen und neue Maßnahmen hinsichtlich der Art und des Umfangs der Lenkungsgrößen. So trat z. B. an die Stelle verschiedener, im Laufe des Jahres in den Betrieben gezahlter Prämien eine „Jahresendprämie“. In einigen VVB wurde 1966 die Produktionsfondsabgabe als Form eines Zinses auf das eingesetzte Kapital erprobt und 1967 eingeführt. Die Veränderungen auf der Ebene der zentralen Wirtschaftsleitung, wie die Gründung von 8 Industrieministerien anstelle des aufgelösten Volkswirtschaftsrats, und die Konzentration der Aufgaben der Staatlichen Plankommission auf die Ausarbeitung zukünftiger Entwicklungsziele stärkten die Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse des Ministerrats gegenüber den VVB, VEB und sonstigen Einrichtungen. c) Wirkungen und Korrektur des NÖS. Auf dem VII. Parteitag der SED vom 17. bis 22. 4. 1967 kam es zu einer zunächst noch vage formulierten konzeptionellen Wende. Die Gestaltung des „Entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ (ESS) mit dem „Ökonomischen System des Sozialismus“ (ÖSS) als „Kernstück“ wurde zur wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Aufgabe der nächsten Jahre bestimmt. Wenngleich diese allgemeine Zielsetzung explizit nicht zugleich eine grundlegende Änderung des NÖS bedeutete, war damit zumindest programmatisch der Übergang zu einer veränderten Wirtschaftskonzeption eingeleitet. Wichtige monetäre Steuerungsinstrumente, die im NÖS eingeführt worden waren, gelangten in den Jahren 1968–1970 erst zur vollen Wirksamkeit, der auch nach 1967 noch weiterentwickelte Rahmen eines die zentralen Planfestlegungen ergänzenden wirtschaftspolitischen Steuerungssystems blieb ebenfalls bestehen. Wichtige Änderungen erfolgten jedoch bei der Strukturpolitik. Die wirtschaftliche Entwicklung der DDR hatte in den Jahren des NÖS — nach einer Phase der Stagnation zu Anfang der 60er Jahre — einen relativ konstanten Aufwärtstrend erlebt, so daß die neue Wendung überraschte. Allerdings war ein funktionierendes System der langfristigen Wirtschaftsplanung noch nicht gefunden worden. Ungelöst blieb vor allem das Problem, die unterschiedlichen ökonomischen Hebel und Steuerungsgrößen so zu kombinieren, daß eine annähernde Übereinstimmung zwischen volkswirtschaftlichen, gesamtstaatlichen, betrieblichen und individuellen Interessen bei Vorrang staatlicher Zielvorstellungen erreicht werden konnte. Damit blieb vorläufig auch das Problem einer „optimalen“ Verteilung der Entscheidungskompetenzen auf den verschiedenen Ebenen der Wirtschaftsorganisation ungelöst. Zu den bis heute zu beobachtenden Auswirkungen des NÖS, die über den engeren Wirtschaftsbereich weit hinausgehen, zählt vor allem die stärkere Berücksichtigung, die moderne sozialwissenschaftliche und mathematisch-statistische Disziplinen und Methoden in Lehre, Forschung und gesellschafts- wie wirtschaftspolitischer Praxis fanden. Ferner wurde das Ausbildungssystem im Hinblick auf eine stärkere Berufsdifferenzierung reformiert; neue Wissenschaftszweige (z. B. Sozialistische Wirtschaftsführung; Sozialistische ➝Leitungswissenschaft) entfalteten sich, und der Sachverstand gewann auf allen Produktions- und Leitungsebenen an Bedeutung. Das Gesamtsystem der DDR wurde von dieser Entwicklung betroffen, die in gewissem Maße dadurch charakterisiert ist, daß die Verwirklichung des NÖS auch von einem Wandel der SED begleitet war. Dieser Wandel fand vor allem in führungsstruktureller, parteiorganisatorischer (zeitweilige Umstrukturierung der Parteiorganisation nach dem Branchenprinzip) und ideologischer Hinsicht statt. II. Ökonomisches System des Sozialismus (ÖSS) Bezeichnung für die in den Jahren 1967–1970 vorherrschende Konzeption und die Maßnahmen zur Gestaltung des Wirtschaftssystems. Diese neue Bezeichnung spiegelte das Bestreben wider, die in der Formulierung Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft zum Ausdruck kommende Betonung der Funktionstüchtigkeit und ökonomischen Effizienz so zu ergänzen, daß die ideologischen Aspekte der Wirtschaftsreform und damit die Führungsrolle der Partei deutlicher hervorgehoben wurden. Die SED-Führung suchte damit zu verhindern, daß ihre Zuständigkeit auf Teilfunktionen (z. B. der generellen wirtschaftspolitischen Zielauswahl) reduziert wurde und sich mehr oder weniger rein ökonomische Orientierungen ausbreiteten. Andererseits wurde an der durch das NÖS eingeführten Dezentralisierung von Entscheidungen in Form der — entsprechend unterschiedlicher Leitungsebenen — abgestuften Konkretisierungen einer zentral formulierten volkswirtschaftlichen Wachstumspolitik festgehalten. Die Grundidee des ÖSS wurde 1968 in Art. 9 der neuen DDR-Verfassung fixiert: „Das ökonomische System des Sozialismus verbindet die zentrale staatliche Planung und Leitung der Grundfragen der gesellschaftlichen Ent[S. 805]wicklung mit der Eigenverantwortung der sozialistischen Warenproduzenten und der örtlichen Staatsorgane.“ a) Maßnahmen: Die seit 1963 in der Industrie gesammelten Erfahrungen und neuere wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse wurden jetzt auf andere Wirtschaftsbereiche (Landwirtschaft, Banken, Handel) und partiell auch auf den staatlichen Bereich (z. B. durch Einführung des „Prinzips der Eigenverantwortlichkeit von Städten, Gemeinden, örtlichen Vertretungen und Betrieben“) übertragen. Mit der Einführung eines an den Staatshaushalt abzuführenden Kapitalzinses (als Produktionsfondsabgabe, Handelsfondsabgabe) der Bodennutzungsgebühr insbesondere für den Entzug landwirtschaftlicher Bodenflächen für andere Nutzungen, des „fondsbezogenen“ Preistyps und einer Reihe von Maßnahmen zur Preisdynamisierung (Preissystem und Preispolitik) standen Instrumente bereit, die eine höhere Kapitalproduktivität und Kostensenkungen ermöglichten. Die Betriebe konnten über einen Teil des erwirtschafteten Nettoertrages relativ frei verfügen (Anwendung des „Prinzips der Eigenerwirtschaftung der Mittel“), was in Verbindung mit einer verbesserten betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung (Wirtschaftliche Rechnungsführung) und der Herstellung von Geschäftsbeziehungen zwischen Betrieben und Banken zu Leistungssteigerungen führte. Damit waren wichtige monetäre Steuerungsinstrumente in das Planungssystem eingefügt worden. Zu diesen zählte auch die Berücksichtigung des Exporterlöses der staatlichen Außenhandelsunternehmen im „einheitlichen Betriebsergebnis“. Die Aktionsmöglichkeiten gerade der Betriebe, die volkswirtschaftlich wichtige Sortimente fertigten, verringerten sich allerdings wieder, als der Staatsrat am 22. 4. 1968 die Durchführung einer staatlichen Strukturpolitik beschloß. Darunter wurde die volkswirtschaftlich effiziente Gestaltung des Produktionsaufbaus, der Struktur der Sortimente, des Arbeitskräftepotentials, der Investitionsstruktur, der Kooperations- und Außenhandelsbeziehungen verstanden. Besonders nachteilig hatte sich bisher das immer noch sehr breite Erzeugnissortiment (kleine Produktionsserien, Zersplitterung der Forschung und Entwicklung, geringe Anpassungsfähigkeit an internationale Produktionsentwicklungen) ausgewirkt. Die vom Ministerrat am 16. 6. 1968 verabschiedete „Grundsatzregelung“ für die Jahre 1969 und 1970 rückte die weitere Qualifizierung der Wirtschaftsleitung (Sozialistische Wirtschaftsführung) sowie vor allem die Konzentration der zentralen Planung auf „volkswirtschaftlich strukturenbestimmende Erzeugnisse, Erzeugnisgruppen, Verfahren und Technologien“ in den wirtschaftspolitischen Mittelpunkt. Erzeugnisse und Verfahren mit hoher wachstumspolitischer Bedeutung, in erster Linie chemische, elektrotechnische und elektronische Produkte sowie Erzeugnisse des Werkzeugmaschinenbaus und des Bauwesens, wurden mit Vorrang geplant. Da sie nach Art und Menge staatlich fixiert wurden, war die Produktion nunmehr vom Reformkonzept ausgeklammert. Auch die zwischenbetriebliche Kooperation sowie Forschung und Entwicklung wurden im Bereich strukturbestimmender Erzeugnisse besonders gefördert. Der Ministerrat gewann dabei an Planungskompetenz (zurück), insofern er das langfristige strukturpolitische Förderungsprogramm in einer „strukturpolitischen Konzeption“ festlegte. Für diese Aufgabe erwiesen sich makroökonomische Prognosen als ebenso wichtig wie die Einschätzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts (Wissenschaftlich-technische Revolution). Strukturpolitische Festlegungen fanden in den Jahresplänen 1969 und 1970 ihren Niederschlag. Der Perspektivplan wurde nun als das wichtigste wirtschaftspolitische Instrument angesehen. Er sollte nicht nur die Volkswirtschaft steuern und lenken, sondern umfassend das „Modell der Deutschen Demokratischen Republik als entwickeltes gesellschaftliches System eines sozialistischen Industriestaates gestalten“ (W. Ulbricht am 26. 9. 1968). b) Abbruch und Auswirkung: Störungen der wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren 1969, insbesondere 1970, zeigten, daß die Kenntnisse über eine effiziente Wirtschaftsstruktur und die verfügbaren bzw. erforderlichen strukturpolitischen Planungsinstrumente noch zu gering waren. Als Folge der einseitigen Förderung der Produktion und Forschung in ausgewählten Wachstumsbranchen kam es zu Engpässen in den vorgelagerten Produktionsstufen und einigen Zweigen der Infrastruktur (z. B. Energiewirtschaft, Verkehrswesen, Bauwirtschaft), die sich im Herbst 1970 zu einer allgemeinen Wachstumskrise ausweiteten. Die Fortentwicklung des ÖSS, wie sie in dem vom Ministerrat am 15. 4. 1970 bestätigten Entwurf einer „Grundsatzregelung für die Gestaltung des ökonomischen Systems des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik im Zeitraum 1971–1975“, in umfangreichen Rechtsvorschriften und in Schulungsmaterialien der Arbeitsgruppe für die Gestaltung des ökonomischen Systems beim Präsidium des Ministerrates konzipiert worden war, wurde daher gestoppt. Nicht nur die Planansätze des Jahresplanes 1970, sondern auch die auf den ursprünglich erhofften Ergebnissen von 1970 basierende Konzeption des Perspektivplanes 1971–1975 mußten reduziert werden. Damit war aus der Wachstumskrise und den Versorgungsschwierigkeiten eine Krise der Wirtschafts- und Planungspolitik geworden, die schließlich auch den Wechsel in der Position des 1. Sekretärs des Zentralkomitees der SED auf dem VIII. Parteitag der SED im Juni 1971 beeinflußte. Nach den Korrekturen der Plankennziffern folgten [S. 806]Ende Dezember 1970 mit dem „Beschluß über die Durchführung des ökonomischen Systems des Sozialismus im Jahre 1971“ bedeutsame Änderungen der Planungsmethoden, der indirekten Steuerungsinstrumente und des Leitungssystems in Richtung einer stärkeren Rezentralisierung, die eine neue Phase der Wirtschaftspolitik einleiteten. Trotz dieses wirtschaftspolitischen Kurswechsels behielt die Erkenntnis ihre Gültigkeit, daß ein rascherer technischer Fortschritt und ein größeres Wirtschaftswachstum Änderungen der Wirtschaftsstruktur im Rahmen einer langfristigen Wirtschafts- und Strukturplanung notwendig machen. Waren die 50er Jahre durch den Aufbau eines Wirtschaftssystems gekennzeichnet, das sich am sowjetischen Modell orientierte, so brachten die 60er Jahre insofern einen Wechsel, als nunmehr eine längerfristige Wachstums- und Strukturpolitik betrieben wurde, die sich stark an DDR-spezifischen wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Ressourcen ausrichtete. Grundsätzlich unberührt von dem erneuten wirtschaftspolitischen Kurswechsel blieben auch die im NÖS bzw. ÖSS konzipierten und realisierten Rahmenelemente des indirekten volkswirtschaftlichen Steuerungsmechanismus: das Prinzip der Eigenerwirtschaftung der finanziellen Mittel durch Betriebe und VVB; ein verbessertes Vertragssystem mit Sanktionen bei Vertragsverletzungen; betriebswirtschaftliche Methoden der betrieblichen Kostenrechnung; ein zur Kreditvergabe gegen Zinszahlung befähigtes Bankensystem. III. Wirtschaftswachstum durch Intensivierung und Rezentralisierung der Wirtschaftssteuerung Der 1970 beginnende umfassende Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik bedeutete aber in entscheidenden Fragen der Planung und Leitung der Wirtschaft eine Rückkehr zur zentralen administrativen Wirtschaftssteuerung. Er bedeutete zudem eine Umformulierung der wirtschaftspolitischen Konzeption insofern, als a) Wirtschaftswachstum nunmehr in erster Linie durch die Intensivierung der Produktions- und Leistungsprozesse erzielt und b) der Konsum durch quantitativ und qualitativ erhöhte Warenbereitstellung und zusätzliche Einkommensübertragungen im Rahmen einer aktivierten Sozialpolitik gefördert werden sollen; c) ferner wurde vorgesehen, die internationale Arbeitsteilung in der industriellen Fertigung und in der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit im Rahmen des RGW auszudehnen; d) darüber hinaus soll für die Gestaltung des Wirtschaftssystems zukünftig vor allem das „sowjetische Modell“ als allgemeines Leitbild gelten. Diese Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik fand ihren für den Zeitraum des Fünfjahrplans 1971 bis 1975 verbindlichen Ausdruck in der auf dem VIII. Parteitag der SED formulierten „Hauptaufgabe“: „Die Hauptaufgabe des Fünfjahrplans besteht in der weiteren Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität“ (Direktive des VIII. Parteitags der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR 1971–1975). Die in der Hauptaufgabe gebündelten Ziele der Steigerung des Wirtschaftswachstums und der privaten Einkommensbildung sind bisher als die „prinzipielle und langfristige“ wirtschaftspolitische Orientierung der politischen Führung unter SED-Generalsekretär Erich Honecker bezeichnet worden. So wurde das Konzept der Hauptaufgabe, Wirtschaftswachstum und privaten Lebensstandard als Wechselverhältnis zu begreifen, auf dem IX. Parteitag der SED (1976) erneut als wirtschaftspolitische Leitlinie bestätigt. Danach soll im Zeitraum des Fünfjahrplans 1976–1980 „das Wechselverhältnis zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, zwischen der Erhöhung der Produktion und der Verbesserung der Lebensbedingungen immer enger“ gestaltet werden (Direktive des IX. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1976–1980). Die Maßnahmen zur Rezentralisierung der Wirtschaftssteuerung wurden ergriffen, da das bisherige, noch im Ausbau befindliche System die Übereinstimmung von gesamtstaatlich-volkswirtschaftlichen Zielsetzungen und betrieblichen Interessen nicht in erforderlichem Maße herbeiführen konnte und darüber hinaus die volle Übereinstimmung von materieller und finanzieller Planung nicht gewährleistete. Ausmaß und Art der Rezentralisierung bestimmten der „Beschluß über die Durchführung des ökonomischen Systems des Sozialismus im Jahre 1971“ sowie die planmethodischen Regelungen für die Volkswirtschaftspläne 1972, 1973 und 1974. Die Zahl der den Betrieben vorgegebenen Plankennziffern wurde wieder erhöht. Darunter sind nunmehr für alle „wichtigen“ Erzeugnisse Mengenkennziffern, die es in den Jahren 1969/70 nur noch für „strukturbestimmende“ Erzeugnisse und für besondere Investitions- und Exportaufgaben gegeben hatte. Die zuvor weithin eigenständige Investitionsplanung der Betriebe wurde rezentralisiert. Alle Investitionen werden jetzt in Mengen- und Werteinheiten und in technisch-ökonomischen Kennziffern fixiert, womit zugleich eine aktive Kreditpolitik der Banken wieder unterbunden worden ist. Für die Aufnahme von betrieblichen Investitionsprojekten in den Plan wurde ein abgestuftes Genehmigungsverfahren, an dessen Spitze die Staatliche Plankommission für Neuinvestitionen ab 50 Mill. Mark Gesamtwert je Projekt [S. 807]zuständig ist, eingerichtet. Produktionseinstellungen und -Verlagerungen bedürfen ebenfalls der zentralen Zustimmung. Eine Vielzahl von Kennziffern regelt außerdem den Einsatz von Energie und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen und bestimmt die Fertigungsorganisation und die Beschäftigungsstruktur. Mit der Bilanzierungsverordnung vom 20. 5. 1971 wurde die Bilanzierung zur wichtigsten Planungsmethode. Gegenüberstellungen von Aufkommen und Bedarf für „alle volkswirtschaftlich entscheidenden Aufgaben, Verflechtungen und Proportionen“ werden zentral, d. h. von der Staatlichen Plankommission, dem Ministerrat und den Ministerien, durchgeführt. Von dem vor 1970 entwickelten „ökonomischen Hebel“ gelten unverändert lediglich die Produktionsfondsabgabe sowie ein Teil der Mittelbereitstellungen (Fondsbildung) von Betrieben und VVB weiter. Die Gewinnbildung und -Verwendung sowie die Kreditaufnahme unterliegt nun wieder der finanziellen Planung, die verstärkt auf betriebliche Kosteneinsparungen ausgerichtet wurde. Auch die Entwicklung des Preissystems zu einem aktiven Planungsinstrument wurde gestoppt. Die bestehenden, zum Teil verzerrten Preisrelationen wurden 1971 durch einen Preisstopp zunächst bis 1975, dann bis 1980 fixiert. Die laufend auftretenden Kostenveränderungen konnten damit über Preise nicht mehr sichtbar gemacht werden. Auch kostengerechte Leistungsbewertungen sind sehr erschwert worden. Um insbesondere die international gestiegenen Energiekosten zu berücksichtigen, werden seit 1975 für ausgewählte Produktgruppen Preisanpassungen schrittweise durchgeführt. Die Preise für neue bzw. weiterentwickelte Erzeugnisse werden seit dem Jahr 1976 in Relation zur Verbesserung der Gebrauchseigenschaften gegenüber vergleichbaren Erzeugnissen kalkuliert. Den Nutzensvorteil können sich herstellender und abnehmender Betrieb im Verhältnis von 70:30 teilen. Von dieser Regelung werden innovationsfördernde Auswirkungen erwartet. Bilanzen und Kennziffern sind die wichtigsten Instrumente einer zentralisierten Planung. Ihre Darstellung nimmt den größten Teil der sehr umfänglichen Anordnungen über die „Ordnung der Planung der Volkswirtschaft“ und die „Rahmenrichtlinie der Betriebe und Kombinate der Industrie und des Bauwesens“ ein, die Ende 1974 zur Jahres- und Fünfjahrplanung der Volkswirtschaft und der Betriebe im Zeitraum 1976–1980 verabschiedet wurden (GBl., 1974, SDr. 775 a, b, c, 1975, SDr. 780). Seit Anfang 1973 haben über 400 Wirtschaftswissenschaftler und -fachleute in 28 Arbeitsgruppen eine Systematisierung der bisherigen Maßnahmen und Erfahrungen unternommen, die in Verbindung mit neueren sowjetischen Regelungen als Grundlage für die erstmals längerfristig, d. h. bis 1980 verbindliche Ordnung der Volkswirtschaftsplanung dient. Die Gliederung der Planung in Planteile spiegelt das veränderte wirtschaftspolitische Konzept wider: so in den Plan teilen: „Planung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Bevölkerung“, „Planung des komplexen Wohnungsbaus“, „Planung der Effektivität der gesellschaftlichen Produktion“ sowie „Planung der Maßnahmen der sozialistischen ökonomischen Integration“. Wirtschaftliches Wachstum soll seit dem VIII. Parteitag der SED im Jahre 1971 (15. 6.–19. 6.) vorrangig durch die intensive Nutzung der vorhandenen Produktionsanlagen und des vorhandenen Arbeitskräftepotentials erzielt werden: „Der Hauptweg, um den Umfang und die Qualität der gesellschaftlichen Produktion zu steigern, ist ihre Intensivierung und Rationalisierung und die Erhöhung der Effektivität“ (Direktive zum Fünfjahrplan 1971–1975). Die Produktionsanlagen sollen in erster Linie nicht mehr extensiv erweitert, sondern rationeller genutzt und die Arbeitsproduktivität erhöht werden. Mit dieser Konzeption wurden die Zielsetzungen der Technologiepolitik der ÖSS-Phase, die auf einen sprunghaften Fortschritt durch den Entwurf völlig neuer Technologien gerichtet waren, weitgehend zurückgenommen. Die Intensivierung des Wirtschaftsprozesses erfordert vor allem die Anwendung neuerer wissenschaftlicher Ergebnisse der Organisationswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre, wirtschaftlichen Rechnungsführung, des Arbeitsstudiums sowie der Informationswissenschaft und der Industriesoziologie. Intensivierung heißt zudem, daß aufgrund einer größeren Mechanisierung und Automatisierung die Fertigungsvorbereitung gegenüber der Produktionsdurchführung an Bedeutung gewinnt. Die Maßnahmen der Intensivierung sind in der Regel mit denen der Rationalisierung identisch. Sie sind darauf gerichtet, Ergebnisse des wissenschaftlich-technischen Fortschritts schneller und umfangreicher zu nutzen. Schon Ende der 60er Jahre waren in den immer wieder auftretenden Engpässen der technisch-wirtschaftlichen Entwicklung, wie vor allem der Überleitung wissenschaftlicher Resultate in die Praxis und ihre mehrfache Nutzung, gewisse Fortschritte erreicht worden. Ziel der Maßnahmen ist ferner die rationellere Verwendung und Nutzung der Rohstoffe und Energiearten, des Anlagevermögens sowie eine effizientere Arbeitskräftelenkung. Aufgrund der gegebenen Produktionsbedingungen, die durch Rohstoffarmut, steigende Importpreise für Roh- und Energiestoffe und den Mangel an zusätzlichen Arbeitskräften bestimmt werden, wurden folgende Aufgaben nach vorn gerückt: die Weiterentwicklung bestehender Technologien und Verfahren sowie die Entwicklung neuer Materialarten; die erhöhte und effizientere Nutzung einheimischer Rohstoffe (z. B. Braunkohle im Energiesektor); die Mechanisierung und Rationalisierung arbeitsintensiver Fertigungsabläufe; [S. 808]die Erneuerung und umfassende Rationalisierung (Rekonstruktion) von Fertigungsstätten mit veralteten technischen Ausrüstungen. Auf investitionspolitischem Gebiet bedeutet dies, daß das Anlagevermögen (Grundfonds) nur wenig erweitert werden kann, die Investitionen für den Ersatz und die Modernisierung dagegen erheblich erhöht und der bisher noch sehr hohe Anteil der Aufwendungen für die Instandhaltung und die Reparaturen gesenkt werden muß. Die Veränderungen in der Planung und Leitung der VEB, Kombinate und VVB sollen dazu beitragen, in den Mittelpunkt der betrieblichen Planung und Plandurchführung anstelle eines verbreiteten Expansionsstrebens stärker Kostensenkungen und die Aufdeckung von Produktivitäts- und Kapazitätsreserven zu stellen. Der wirtschaftspolitische Kurs seit dem Jahr 1971 ist darauf gerichtet, „alle vorhandenen Reserven“ zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und besseren Ausnutzung der Produktionsfaktoren zu erschließen. Damit treten jedoch Probleme der Messung und Bewertung der betrieblichen Leistung stärker hervor, deren Lösung dadurch erschwert wurde, daß wirtschaftliche Kriterien in der Form der „ökonomischen Hebel“ — vor allem der dynamischen fondsbezogenen Preise — gerade nach 1970 zugunsten zentral einsetzbarer Planungsinstrumente entweder abgeschafft oder stark modifiziert wurden. Ralf Rytlewski Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 801–808 PGH-Steuer A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Philatelie

Siehe auch das Jahr 1975 Die Wirtschaftspolitik steht neben der Deutschland- und Außenpolitik im Mittelpunkt der politischen Aktivitäten der Partei- und Staatsführung der DDR. Stellung und Aufgaben der Wirtschaft im politischen Gesamtsystem unterlagen seit 1963 unterschiedlichen Einschätzungen, die sich in generellen Schwankungen des wirtschaftspolitischen Kurses niederschlugen. Markiert durch die Parteitage der SED in den Jahren 1963 (VI. Parteitag), 1967 (VII. Parteitag) und 1971…

DDR A-Z 1979

Arbeitsproduktivität (1979)

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Meßziffer für die Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit (Leistung pro Beschäftigten und je Arbeitsstunde). In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist A. der Produktionswert je Beschäftigten. Der Wirkungsgrad der menschlichen Arbeit hängt von der Leistungsfähigkeit der verwendeten technischen Ausrüstungen (Kapitalaufwand), der Qualifikation der Beschäftigten (Ausbildung. Fertigkeit, Erfahrung) und der Organisation der Arbeitsprozesse ab. In marxistischer Terminologie bezeichnet A. den „Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit im gegebenen Zeitraum“ (K. Marx, Das Kapital. Bd. I, London 1867). also den Nutzeffekt der „konkreten, gebrauchswertschaffenden“ Arbeit. Der Begriff A. wird in der DDR als das Maß für den allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt angesehen, als dessen alleiniger Ausgangspunkt die menschliche Arbeit angenommen wird. Ihre Bedeutung überragt daher die aller anderen Meß- und Kennziffern. In der Planung wird sie allerdings als eine von mehreren gleichrangigen Planungskennziffern behandelt. Die A. wird gegenwärtig mit der Preissummenmethode in 2 Formen ermittelt: als a) die „Warenproduktion zu konstanten Preisen“ und b) die „Eigenleistung“ (betriebliche Wertschöpfung). jeweils bezogen auf Arbeiter und Angestellte sowie Produktionsarbeiter. Daneben bestehen betriebs- und branchenspezifische Plankennziffern, die unterschiedlichen Berechnungsmethoden folgen (Zeitsummenmethode, Naturalmethode, Leistung je Arbeitskraft und Arbeitsstunde). Methodenprobleme bei der Analyse und statistischen Erfassung aller die A. beeinflussenden Faktoren zählten [S. 62]bisher zu den permanenten wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsthemen in der DDR. So werden von der Kennziffer A. z. B. Materialeinsparungen — neben qualitativen Faktoren — nicht als Leistungsverbesserungen berücksichtigt, da in der Kennziffer Warenproduktion auch Vorleistungen erfaßt werden. Das hat zur Folge, daß Betriebe zu Sortimenten mit hohem Materialeinsatz tendieren (Rudimente der „Tonnenideologie“). Um die A. „wahrheitsgetreuer“ im betrieblichen Rechnungswesen messen zu können, wird diskutiert, inwieweit die Kennziffern Warenproduktion bzw. Eigenleistung durch Faktorenanalyse von der Wirkung solcher Größen gereinigt werden können, die die Leistung der Beschäftigten beeinflussen, z. B. Sortimentsverschiebungen. Änderungen der Zulieferungen, neue Fertigungsverfahren usw. Die marxistisch-leninistische Theorie in der DDR betont die Bedeutung der A.-Steigerung als „Dreh- und Angelpunkt“ für die wirtschaftliche und politische Stabilisierung — auch und besonders im Zusammenhang der Ost-West-Auseinandersetzung. Nach Lenin wird der Sozialismus eine „neue, weit höhere“ A. schaffen: „Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das Allerwichtigste, das Ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung“ (in: Die große Initiative, Moskau 1919). Die A. in der Industrie stieg — gemessen an der industriellen Bruttoproduktion je Beschäftigten (ohne Lehrlinge) — zwischen 1960 (= 100 v. H.) und 1976 erheblich: 1965: 133. 1970: 179, 1975: 231. 1976: 244. Vergleiche der Struktur und Entwicklung der A. der Industrie der DDR und der Bundesrepublik Deutschland ergaben einen Niveauunterschied von über 30 v. H. für das Jahr 1968: Die Industrie der DDR erzielte 68,4 v. H. der A. in der Bundesrepublik. (Vgl. Tabelle „Industrielle Arbeitsproduktivität in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland“.) Auch in der Landwirtschaft bestand ein beträchtlicher Niveaurück[S. 63]stand für die DDR (39 v. H.). Nach Berechnungen für den Zeitraum 1960–1971 wurde diese Lücke nicht geschlossen. so daß der Abstand zur Bundesrepublik Deutschland nach wie vor in der Industrie rd. 30 v. H. und in der Landwirtschaft rd. 40 v. H. betrug. In der DDR und der Bundesrepublik Deutschland wurden nahezu gleiche Zuwachsraten erzielt (vgl. Tabelle „Struktur und Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland“). Die höchsten Zuwachsraten der DDR im Jahresdurchschnitt erzielte die Industrie (5 v. H.), die geringsten die Bereiche Landwirtschaft (2,7 v. H.) und Verkehr (3,7 v. H.). Ein Vergleich des Sozialprodukts beider Staaten für das Jahr 1976 ergibt, daß die DDR den Produktivitätsrückstand inzwischen nicht verringern konnte (Niveaurückstand gegenüber der Bundesrepublik 37 v. H.). Arbeitsrecht; Automatisierung; Intensivierung und Rationalisierung; Wissenschaftlich-technische Revolution. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 61–63 Arbeitsorganisation, Wissenschaftliche (WAO) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Arbeitspsychologie

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Meßziffer für die Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit (Leistung pro Beschäftigten und je Arbeitsstunde). In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist A. der Produktionswert je Beschäftigten. Der Wirkungsgrad der menschlichen Arbeit hängt von der Leistungsfähigkeit der verwendeten technischen Ausrüstungen (Kapitalaufwand), der Qualifikation der Beschäftigten (Ausbildung. Fertigkeit, Erfahrung) und…

DDR A-Z 1979

Agrarökonomie (1979)

Siehe auch: Agrarökonomie: 1975 Agrarökonomik: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 Agrarökonomik (bzw. Agrarökonomie): 1969 Die A. soll als wissenschaftliche Grundlage für die organisatorische und ökonomische Gestaltung der Produktionstätigkeit in der Landwirtschaft der DDR dienen. Als Disziplin der Wirtschaftswissenschaften gründet sich die A. vor allem auf der Politischen Ökonomie des Sozialismus und dem Historischen Materialismus. Trotz zahlreicher Parallelen zur sog. „bürgerlichen“ A. bestehen im Hinblick auf die Aufgabenstellung erhebliche Unterschiede. Die A. in der DDR ist grundsätzlich auf die Steigerung der Produktion ausgerichtet mit dem Ziel, Nahrungsgüterimporte zu vermeiden. Ferner hat sie, ungeachtet der unterschiedlichen Eignung der Produktionszweige, von der Organisation der Produktion in Großbetrieben auszugehen (Primat der Agrarpolitik gegenüber der Agrarökonomie). In diesem Rahmen befaßt sich die A. mit der Wirkungsweise der ökonomischen Gesetze des Sozialismus im Bereich der Landwirtschaft. Sie gliedert sich in die Ökonomie des Volkswirtschaftszweiges Landwirtschaft, in die Ökonomie der Landwirtschaftsbetriebe und in die Ökonomie der einzelnen landwirtschaftlichen Produktionszweige. Neben wissenschaftlich gesicherten Aussagen über die zweckmäßige Gestaltung der Produktionszweige werden Auskünfte über die Standortverteilung, den Umfang und die Struktur der erforderlichen Investitionen, den Arbeitsaufwand und über die Qualifikationsstruktur der Arbeitskräfte erwartet. Als Instrumente dienen neben der Agrarstatistik spezielle mathematische Methoden, insbesondere die Verfahren der Elektronischen ➝Datenverarbeitung (EDV), die Operationsforschung, das landwirtschaftliche Rechnungswesen (Kostenstellen-, Kostenträgerrechnung) usw. Als Folge der Unterordnung unter die agrarpolitischen Zielsetzungen der SED-Führung können die agrarökonomischen Erkenntnisse nur mit Einschränkungen in die Praxis umgesetzt werden. So müssen in der DDR Produktionszweige im Interesse der angestrebten Selbstversorgung und sonstiger Planziele auch dann aufrechterhalten werden, wenn sie gesamtwirtschaftlich und/oder betriebswirtschaftlich uninteressant sind. Andererseits führt die Optimierung der einzelnen Produktionszweige häufig zu Ergebnissen, die betriebswirtschaftlich wenig sinnvoll sind. Die Methode, landwirtschaftliche Großbetriebe einzurichten, die auf die jeweils günstigste Herstellung eines Produktes oder die Anwendung eines Arbeitsverfahrens spezialisiert sind, hat sich insbesondere in der saisonabhängigen Pflanzenproduktion wegen der hohen Kosten für die Faktorbereitstellung als zu teuer erwiesen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 13 Agrar-Industrie-Vereinigung (AIV) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Agrarpolitik

Siehe auch: Agrarökonomie: 1975 Agrarökonomik: 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 Agrarökonomik (bzw. Agrarökonomie): 1969 Die A. soll als wissenschaftliche Grundlage für die organisatorische und ökonomische Gestaltung der Produktionstätigkeit in der Landwirtschaft der DDR dienen. Als Disziplin der Wirtschaftswissenschaften gründet sich die A. vor allem auf der Politischen Ökonomie des Sozialismus und dem Historischen Materialismus. Trotz zahlreicher Parallelen…

DDR A-Z 1979

Verteidigungshaushalt (1979)

Siehe auch das Jahr 1985 Der V. umfaßt die Mittel im Staatshaushalt, die zur Finanzierung der Landesverteidigung bestimmt sind. Der V. ist „Teil der bei den Organen der sozialistischen Staatsmacht zentralisierten Geldfonds, der für den Auf- bzw. Ausbau der sozialistischen Landesverteidigung verwandt wird … Die in den Verteidigungshaushalt einfließenden Geldmittel werden durch staatliche Pläne und Gesetze bestimmt. Ihre Höhe hängt von der Wirtschaftskraft des Landes sowie von den Erfordernissen der Landesverteidigung ab. Der Umfang der Ausgaben wird in den jeweiligen Staatshaushaltsplänen für das laufende Jahr festgelegt“ (Militärlexikon, Berlin [Ost] 1971, S. 395). Ergänzend dazu heißt es in einem Standardwerk zur Militärökonomie: „Die Militärpolitik des Gegners zwingt dazu, Geldfonds in sehr beachtlicher Höhe für Zwecke der Landesverteidigung zu bilden. Sie existieren auf zentraler Ebene vor allem als Verteidigungshaushalt. Er umfaßt die Haushalte der verschiedenen Bereiche. Die der Nationalen Volksarmee (NVA) für die Erfüllung ihrer politischen, militärischen und materiellen Versorgungsaufgaben zugewiesenen Geldfonds stellen den Haushalt der NVA dar“ (Beiträge zur Militärökonomie [Autorenkollektiv], Berlin [Ost] 1976, S. 115). Nach Verteidigungsminister H. Hoffmann umfaßt das „System der Landesverteidigung“ in der DDR fünf Hauptbereiche: 1. die mobilen militärischen Kräfte (bestehend aus den in die Vereinten Streitkräfte eingegliederten Verbänden und Truppenteilen der NVA sowie den Grenztruppen der DDR); 2. die territorial gebundenen Kräfte der Landesverteidigung (bestehend aus den territorialen Stäben, Truppen und Einrichtungen der NVA, den Staatssicherheitsorganen und der Volkspolizei, „soweit sie Aufgaben im Interesse der Landesverteidigung erfüllen“, den Kampfgruppen der Arbeiterklasse sowie den Stäben, Formationen, Aufklärungskräften und Spezialeinrichtungen der Zivilverteidigung); 3. staatliche und volkswirtschaftliche Organe und Einrichtungen, „soweit sie Aufgaben zur Sicherstellung der bewaffneten Kräfte sowie zur operativen Vorbereitung des Territoriums zu erfüllen haben“; 4. die wissenschaftlichen und Bildungseinrichtungen der bewaffneten Kräfte; und 5. die staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen zur sozialistischen Wehrerziehung der Bevölkerung, zur vormilitärischen Ausbildung der Jugend und zur militärischen Ausbildung von Reservisten (H. Hoffmann: Sozialistische Landesverteidigung, Teil II, Berlin [Ost] 1971, S. 650). Demnach sind die Grenztruppen der DDR dem „System der Landesverteidigung“ zugeordnet, und zwar den mobilen militärischen Kräften. Diese Feststellung ist aus folgendem Grund wichtig: Seit dem Staatshaushaltsplan für 1977 wird in den jeweils einschlägigen Gesetzen zwischen den „Ausgaben für die nationale Verteidigung“ einerseits, den „Ausgaben für die öffentliche Sicherheit, Rechtspflege und Sicherung der Staatsgrenze“ andererseits unterschieden, während in den Jahren zuvor beide Positionen zusammen als Ausgaben für „nationale Verteidigung und Sicherheit“ ausgewiesen worden sind. Die Aufspaltung des V. kann also insoweit ignoriert werden, als beide Teile zusammengenommen erst eine annähernd realistische Vorstellung der zu diesem Zweck von der Staatsführung aufgewendeten Gelder vermitteln. Zwar gehören die für „Rechtspflege“ und „öffentliche Ordnung“ eingeplanten Aufwendungen nicht zum V., aber da ihm fraglos auch verdeckte Gelder zufließen, die im Staatshaushalt nicht als Mittel für die Landesverteidigung erscheinen, kann dies bei einer Schätzung des tatsächlichen Umfangs des V. außer Betracht bleiben. Bei kritischer Wertung müssen die im V. offiziell ausgewiesenen Mittel ohnehin als zu niedrig angesehen werden, da ihm weitere materielle und finanzielle Mittel zugeführt werden, die überhaupt nicht im Staatshaushalt erfaßt werden (z. B. aus Betriebsfonds für die Kampfgruppen der Arbeiterklasse oder für Reservistenkollektive). Obwohl die DDR schon seit Anfang 1952 in Gestalt der Kasernierten Volkspolizei bewaffnete Kräfte unterhielt, sind offiziell erst seit 1956 Zahlen zum V. mitgeteilt worden - dem Jahr also, in dem offiziell die NVA gegründet wurde. Zumeist waren die entsprechenden An[S. 1136]gaben den Etatreden des Finanzministers zu entnehmen. In den Gesetzen über den Staatshaushaltsplan der DDR wird der V. erst seit 1968 ausgewiesen, und zwar konkret durch folgende Summen (in Mill. Mark): 1968 = 5.787,0; 1969 = 6.350,0; 1970 = 6.747,0; 1971 = 7.198,0; 1972 = 7.625,0; 1973 = 8.328,0; 1974 = 8.938,0; 1975 = 9.564,0; 1976 = 10.233,0; 1977 = 11.023,0 (7.868,0 + 3.155,0); 1978 = 11.573,0 (8.261,0 + 3.312,0). Wie Vergleiche mit den alljährlich vorgelegten Haushaltsrechnungen ergeben, sind die Plan-Daten mit den Ist-Daten im wesentlichen identisch. Demnach hat sich die jährliche Zuwachsrate des V. in der DDR seit 1968 zwischen 6 und 9 v. H. gegenüber dem jeweiligen Vorjahrsetat bewegt. Infolge seiner relativ geringen inflatorischen Schwächung ist die nominelle Steigerung des V. daher im ganzen einer realen Steigerung an militärischer Kampfkraft gleichzusetzen. Über die Struktur des V. sind in der DDR bisher keine Angaben veröffentlicht worden. Wie in jeder modernen Armee erklärt sich die Expansion des V. z. T. aus dem Zwang zu waffentechnologisch bedingten Umrüstungen, die in der DDR stets ungeachtet der sonstigen volkswirtschaftlichen Lasten erfolgt sind: „Die sozialistische Wirtschaft muß unter allen Bedingungen fähig sein, den militärökonomischen Bedarf allseitig zu decken, was an ihre Struktur, Mobilität, Organisation und Leitung hohe und komplizierte Anforderungen stellt. Die hiermit verbundene Verantwortung wächst in dem Maße, wie infolge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts die Revolution im Militärwesen voranschreitet, die ‚Industrialisierung‘ der Kriegführung zunimmt“ (Beiträge zur Militärökonomie, a. a. O., S. 87 f.). Bei allen wichtigen Waffensystemen der NVA wurde in den 70er Jahren bereits die dritte oder vierte Generation eingeführt. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1135–1136 Verteidigungsgesetz A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Verteidigungsrat, Nationaler

Siehe auch das Jahr 1985 Der V. umfaßt die Mittel im Staatshaushalt, die zur Finanzierung der Landesverteidigung bestimmt sind. Der V. ist „Teil der bei den Organen der sozialistischen Staatsmacht zentralisierten Geldfonds, der für den Auf- bzw. Ausbau der sozialistischen Landesverteidigung verwandt wird … Die in den Verteidigungshaushalt einfließenden Geldmittel werden durch staatliche Pläne und Gesetze bestimmt. Ihre Höhe hängt von der Wirtschaftskraft des Landes sowie von den…

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Textilindustrie (1979)

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR ab 1968 ein eigenständiger Industriebereich, zu dem folgende Zweige zählen: Industrie zur Aufbereitung textiler Rohstoffe; Spinnereien und Zwirnereien; Industrie textiler Flächengebilde; Wirkereien und Strickereien; Textilveredelungs- und -reparaturbetriebe. In der T. sind in 543 Betrieben 240.158 Arbeiter und Angestellte (7,8 v. H. aller in der Industrie Beschäftigten) tätig (1976). Von 1960 bis 1976 hat sich die Bruttoproduktion der T. um das 1,91fache und damit im Vergleich zur gesamten Industrie unterdurchschnittlich erhöht (die industrielle Bruttoproduktion stieg im gleichen Zeitraum um das 2,62fache). Der jahresdurchschnittliche Produktionszuwachs der T. betrug im Zeitraum 1960–1965 2,5 v. H., 1965–1970 4,3 v. H. und 1970–1975 5,3 v. H. In den letzten Jahren wurde die Produktion von Teppichen und Läufern, Tüllen, Gardinen und Strumpfwaren besonders gesteigert. Die T. gehörte vor dem letzten Krieg zu den wichtigsten Industriezweigen Mitteldeutschlands. Gegenwärtig steht die T. mit 5,8 v. H. des industriellen Bruttoprodukts an achter Stelle aller Industriebereiche. Die Spaltung Deutschlands hat innerhalb der T. eine früher besonders enge wirtschaftliche Zusammenarbeit beendet, was beträchtliche Folgen für die beiderseitigen Absatzmöglichkeiten hatte. In der DDR führte die Vernachlässigung der Verbrauchsgüterindustrie zu erheblichem Rückstand auch in der T. In den letzten Jahren sind verstärkt Anstrengungen unternommen worden, moderne Technologien in der T. einzuführen. Das bisher dominierende Webverfahren bei der textilen Flächenherstellung wurde z. B. zunehmend durch eine Reihe effektiver Alternativtechnologien wie Wirken, Stricken, Nähwirken abgelöst. Die in der DDR entwickelte und mit großem Aufwand eingeführte Nähwirktechnik hat bisher — trotz produktionstechnischer Vorteile gegenüber der herkömmlichen Webtechnik — international aber keinen entscheidenden Durchbruch erzielen können. In der Gespinstherstellung wurde mit dem Turbinenspinnverfahren eine neue Generation der Baumwolltechnik zum Einsatz gebracht. Der Anteil dieses Verfahrens an der Gesamtproduktion von Baumwollgespinsten stieg von 5 v. H. 1970 auf ca. 30 v. H. 1975. Die Verarbeitung von Textilfäden und chemischen Endlosmaterialien zur Ablösung der arbeitsaufwendigen Gespinstherstellung stieg auf über 40 v. H. der gesamten Fadenverarbeitung. In der Raumtextilienindustrie wurde das klassische Baumwollbobinettverfahren fast vollständig durch die Rascheltechnik ersetzt. [S. 1083]Die T. ist vor allem im Bezirk Karl-Marx-Stadt konzentriert. Auf diesen Bezirk entfielen 1976 55,9 v. H. der Bruttoproduktion der T. der DDR. Der Bezirk Dresden stand mit 13,9 v. H. an zweiter und der Bezirk Erfurt mit 10,4 v. H. an dritter Stelle. Industrie. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1082–1083 Terror A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Thälmann-Pioniere

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR ab 1968 ein eigenständiger Industriebereich, zu dem folgende Zweige zählen: Industrie zur Aufbereitung textiler Rohstoffe; Spinnereien und Zwirnereien; Industrie textiler Flächengebilde; Wirkereien und Strickereien; Textilveredelungs- und -reparaturbetriebe. In der T. sind in 543 Betrieben 240.158 Arbeiter und Angestellte (7,8 v. H. aller in der Industrie…

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Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland (1979)

Siehe auch: Übersiedler: 1969 1975 Übersiedlung in die Bundesrepublik: 1962 1963 1965 1966 1969 Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland: 1975 1985 Umsiedler: 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nach Errichtung der Mauer in Berlin am 13. 8. 1961 wurden zunächst alle Anträge auf Ü. abgelehnt. Im 1. Halbjahr 1962 durften dann wieder einige hundert Personen, meist im Rentenalter, im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik ausreisen. Seit dem 1. 7. 1962 sind die Zuwanderer, die mit Genehmigung der DDR-Behörden in die Bundesrepublik übergesiedelt sind, im Bundesnotaufnahmeverfahren besonders erfaßt worden (siehe Tabelle). Diese Statistik erfaßt jedoch nur die Übersiedler, die im Bundesgebiet die Notaufnahme beantragt haben. Es ist aber davon auszugehen, daß dies nicht alle Übersiedler getan haben. Die wirkliche Zahl derjenigen, die seit dem 1. 7. 1962 die DDR mit Genehmigung der dortigen Behörden verlassen haben, ist also höher. Sie übertrifft bei weitem die der Flüchtlinge. Im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972 ist vereinbart worden, auch Probleme der Familienzusammenführung zu lösen, und zwar durch Zusammenführung von Ehegatten, den Umzug von Eltern, die von ihren Kindern betreut werden sollen, und in besonderen Ausnahmefällen auch die Genehmigung zur Eheschließung und die Ausreise des in der DDR lebenden Verlobten. In vielen Fällen konnte seitdem geholfen werden, wie die Übersicht der Entwicklung seit 1964 zeigt: Umzugsgut darf mitgenommen werden, soweit dies nach den zollrechtlichen Bestimmungen der DDR zulässig ist. Die Zahl der Ausreisewilligen in der DDR ist jedoch weit höher, als dies in den o. a. Zahlen zum Ausdruck kommt. Insbesondere seit der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1. 8. 1975, die auch von der DDR unterzeichnet worden ist, beantragen viele Bewohner der DDR unter Berufung auf die Menschenrechte die Ausreise aus der DDR. Um diesen meist erfolglosen Bemühungen Nachdruck zu verleihen, legen viele Ausreisewillige ihre Arbeit nieder, demonstrieren öffentlich gegen die Verletzung der Menschenrechte oder wenden sich an westliche Organisationen. Die Behörden in der DDR haben darauf seit 1976 in zahlreichen Fällen mit Verhaftungen und Verurteilungen wegen Asozialen Verhaltens oder Hetze (Staatsverbrechen) reagiert. Seit dem Inkrafttreten des 2. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 7. 4. 1977 (Strafrecht) führen solche auf die Menschenrechte gestützten Ausreiseanträge häufig auch zu einer Freiheitsstrafe wegen „Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit“ nach § 214 StGB. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1089 Überplanbestände A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Übersiedlung in die DDR

Siehe auch: Übersiedler: 1969 1975 Übersiedlung in die Bundesrepublik: 1962 1963 1965 1966 1969 Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland: 1975 1985 Umsiedler: 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 Nach Errichtung der Mauer in Berlin am 13. 8. 1961 wurden zunächst alle Anträge auf Ü. abgelehnt. Im 1. Halbjahr 1962 durften dann wieder einige hundert Personen, meist im Rentenalter, im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik ausreisen. Seit dem 1. 7. 1962…

DDR A-Z 1979

Architektur (1979)

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Theorie A. als das Ergebnis einer Tätigkeit, die sich mit der Gestaltung der räumlichen Umwelt befaßt, hat von jeher einen ästhetischen (Baukunst) und ökonomischen (Bauwesen) Aspekt. Nach Auffassung der Theoretiker in der DDR sind durch die Veränderungen des gesellschaftlichen Systems seit 1945 zum ersten Male auf deutschem Boden die Voraussetzungen geschaffen worden, den Dualismus zwischen der künstlerischen und ökonomischen Seite des Bauens zu überwinden. Der Gegensatz von wenigen Kunstbauten und der Vielzahl kunstloser Bauten sei beseitigt und das Künstlerische zu einem durchgängigen Moment der Umweltgestaltung geworden, weil mit dem Marxismus-Leninismus die Möglichkeit bestehe, die objektiven Funktionen und Wirkungen der A. für die gesellschaftliche Produktions- und Lebensweise zu erkennen. Es liegen keine Untersuchungen darüber vor, inwieweit die aufgrund dieser Prinzipien gebaute A. tatsächlich milieu- und bewußtseinsprägend geworden ist. Jedoch zeigen die Auseinandersetzungen in der bisherigen Geschichte der A. der DDR um die Begriffe Formalismus und Funktionalismus, daß die jeweils konkret realisierte Verbindung von Ökonomie und Kunst nicht widerspruchsfrei war. So hat die Bekämpfung des Formalismus zugunsten des sozialistischen Realismus zu Qualitätsmängeln in der A. der DDR geführt, weil sich zeitweise eine durch die Ökonomie des industriellen Bauens forcierte Monotonie breitmachte. Die Gefahren einer verbalen Ablehnung des Funktionalismus bei gleichzeitiger Praktizierung eines mit Zweckmäßigkeit begründeten Schematismus sind seit längerem in der DDR bekannt. Die jüngere DDR-A. versucht mit z. T. neuen Konzepten (Städtebau) diesen Gefahren zu entgehen, scheitert jedoch oft an den begrenzten ökonomischen Möglichkeiten der DDR oder an politischen Vorgaben, die Monumentalität als Alternative zur Monotonie verstehen. II. Geschichte Die gesellschaftlichen Veränderungen in der SBZ/DDR nach 1945 schufen vor allem durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse und Eigentumsvorbehalte die Voraussetzungen für neue Möglichkeiten des Bauens: Grund und Boden sind überwiegend gesellschaftliches Eigentum bzw. können ohne größere Schwierigkeiten enteignet werden (Aufbaugesetz) (Inanspruchnahme); der größte Teil der Gebäude wie auch der Baubetriebe ist ver[S. 78]staatlicht; staatliche Organe sind nahezu die alleinigen Auftraggeber. Trotzdem hat es fast 20 Jahre gedauert, bis die städtebauliche Planung in die Volkswirtschaftspläne voll integriert war. bis über Verflechtungsbilanzen Städtebau, Industrieinvestition, Verkehrsplanung, Wohnungsbau und Raumplanung aufeinander bezogen wurden. Es lassen sich 3 Etappen der A. der DDR unterscheiden: 1945–1955: Erste Wiederaufbauphase, Schaffung der theoretischen und praktischen Grundlagen für eine Neuorientierung des Bauens in der SBZ/DDR. 1955–1966: Durchsetzung der neuen Prinzipien des Bauens in der DDR, vor allem deutlich in der Industrialisierung des Bauwesens. Seit 1966: Über die Grundprinzipien bestehen keine Diskussionen mehr. Die tatsächliche Bauleistung hängt von Entscheidungen der Parteiführung ab (z. B. Ulbricht: Ausbau der Stadtzentren, Honecker: Lösung der Wohnungsfrage). Schon seit längerem ist die Verabschiedung eines grundlegenden Städtebaugesetzes geplant. Am bedeutsamsten für die Entwicklung des Bauens war die Zeit von 1954 bis 1967, in der sich die für die DDR typische Form der A. (industrialisierter Massenwohnungsbau — Akzentuierung der gesellschaftlichen Bauten) herausbildete. In dieser Phase wandelte sich die gesamte Bauwirtschaft von einem Handwerkszweig in einen Bereich der industriellen Fertigung mit allen Konsequenzen, die das für Architekten, Wissenschaftler, Baufunktionäre und auch für Auftraggeber und Benutzer der A. hatte. Erst gegen Ende dieser Etappe gelang es jedoch, die Volkswirtschaftspläne und die Stadtplanung aufeinander zu beziehen (Generalbebauungsplan). Im einzelnen ist auf folgende Etappen hinzuweisen: 1946 Wohnungsbauprogramm der KPD („Planwirtschaft im Wohnungsbau“). 1950 1. Deutsche Bautagung in Leipzig (Fünfjahrplan: Industriezentren und Städtebau): 16 Grundsätze des Städtebaus; Aufbaugesetz. 1951 Gründung der Deutschen Bauakademie; Karl-Marx-Allee (1. Bauabschnitt). 1952 Beginn des Aufbaus von Eisenhüttenstadt (Grundstein 21. 8. 1950); Industriebau: Eisenhüttenkombinat Ost, Groß-Kokerei Lauchhammer, Eisenhüttenwerk Calbe, Stahlwerk Freital u. a.; Bund Deutscher Architekten (BDA) gegründet; 1. Ausgabe von „Deutsche Architektur“ (April). 1953 Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft/AWG gegründet. 1954 21. Tagung des ZK der SED: Industrialisierung des Bauens gefordert (Rationalisierung, Typisierung). 1955 1. Baukonferenz der DDR „Programm der umfassenden Industrialisierung und Typisierung des Bauens“; Ministerrat: Wichtige Aufgaben im Bauwesen (Beschluß); 2. wissenschaftlich-technische Konferenz der DDR (Standardisierung, Typisierung, Normung); Richtlinien für eine einheitliche Typenprojektierung. 1956 Beginn: Hoyerswerda; Industriebau: Schwarze Pumpe, Überseehafen Rostock, Reaktor Rossendorf, Kraftwerk Lübbenau u. a. 1958 Karl-Marx-Allee (2. Abschnitt); 2. Baukonferenz: Stärkung der örtlichen Bauindustrie; IX. RGW-Tagung: Ständige Kommission Bauwesen gegründet (Schaffung einer RGW-Maßordnung für den Fertigbau: TGL statt DIN). 1960 Industriebau: Petrolchemie (Schwedt/Leuna II); Ministerrat: Grundsätze zur Planung und Durchführung des Aufbaus der Stadtzentren (Beschluß). 1961 Ablösung von Kurt Liebknecht als Präsident der DBA. 1963 Ministerrat: Anwendung der Grundsätze des NÖSPL im Bauwesen (Beschluß). 1965 Berlin (Ost): Straße Unter den Linden (1962–1965) fertiggestellt. 1966 4. Baukonferenz: Überwindung der Monotonie im Bauwesen; Anfänge der Metalleichtbauweise; Reorganisation des Instituts für Städtebau und A. der DBA. 1967 VII. Parteitag: Komplexe Generalbebauungspläne der Bezirke und Städte gefordert. 1968 4. Tagung des ZK der SED: Beschleunigter Aufbau der Zentren der wichtigsten Städte der DDR. 1969 Ensemble Alexanderplatz Berlin (Ost) (1966- 1971); Ausstellung: Architektur und bildende Kunst. 1973 10. Tagung des ZK der SED: Orientierung auf den Wohnungsbau (bis 1990) und die Sanierung der Altbausubstanz. 1976 Beschlüsse des Ministerrates zur Förderung des genossenschaftlichen und privaten Wohnungsbaus; Palast der Republik (Berlin [Ost]); Architekturpreis der DDR (gegr.) Nach Auffassung der Architekten in der DDR drückt sich das Neue der DDR-A. insbesondere in 2 Bereichen aus: im Wohnungsbau und bei den gesellschaftlichen Bauten (z. B. beim Bau der Stadtzentren. Städtebau). In diesen Bereichen zeigt sich auch die Entwicklung der A. in der DDR am deutlichsten: Im Wohnungsbau wurde die Industrialisierung des Bauens durchgesetzt. Die Entwicklung von Hoyerswerda bis zu den letzten Abschnitten von Halle-Neustadt, desgleichen in Berlin (Ost) (Karl-Marx-Allee, 1. Abschnitt bis Umgebung Alexanderplatz) weist deutliche Fortschritte auf. Trotz großer Anstrengungen ist jedoch der Wohnungsbestand in der DDR stark überaltert und noch immer unzureichend ausgerüstet. Deshalb muß in den nächsten Jahren die Renovierung der Altbausubstanz eine noch größere Rolle spielen. Dies dürfte für die A. neue Probleme mit sich bringen, da sich die Bau[S. 79]weise des vergangenen Jahrzehnts — Aufbau 5stöckiger Wohnhäuser in Montagebau auf großen Freiflächen — in den Zentren der mittleren und kleineren Städte nicht fortsetzen läßt. Die Konzentration der Mittel auf den Wohnungsbau hat — etwa seit Mitte 1971 — dazu geführt, daß für den Bereich der „strukturbestimmenden“ gesellschaftlichen Bauten weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Das ambitionierte Programm des Umbaus der Stadtzentren aller größeren Städte der DDR wird nur dort, wo es wegen der Investitionen der Vergangenheit unumgänglich ist, weitergeführt. Die A. der DDR, die mit dem Aufbau der Zentren ein eigenes Gesicht zu bekommen schien, wurde durch die Diskussionen über die Verbindung mit der bildenden Kunst und die geforderte Umsetzung von Ergebnissen der Informationswissenschaften (Semiotik: Die A. soll unverwechselbare monumentale Zeichen geben) zunächst belebt, ist heute jedoch mehr oder weniger mit sozialpolitischen Aufgaben (Wohnungsbau) beschäftigt. Nach dem erklärten Willen von Partei- und Staatsführung der DDR soll die Wohnungsfrage bis 1990 durch den Bau (bzw. Um- oder Ausbau) von 2,8–3 Mill. Wohnungen gelöst sein. Die Gesamtkosten werden für die Jahre 1975–1990 auf über 200 Mrd. Mark geschätzt. Im laufenden Fünfjahrplan sollen 550.000 Wohnungen neu gebaut und 200.000 modernisiert werden. Seit 1971 wird der private Eigenheimbau in begrenztem Umfang gefördert (verstärkt seit 1976). Gegenwärtig werden jährlich etwa 10.000 Eigenheime fertiggestellt (ohne Wochenendhäuser, „Datschen“ o. ä.). III. Organisation An der Spitze des Bauwesens in der DDR steht das Ministerium für Bauwesen (Minister: Wolfgang Junker — seit 1963 —; 1. Stellv. Minister und Staatssekretäre Dr. Karl Schmiechen und Karl-Heinz Martini). Im Parteiapparat steht dem MfB die Abteilung Bauwesen beim ZK der SED zur Seite (Leiter: Gerhard Trölitzsch). Das MfB wurde 1949 als Mf Aufbau eingerichtet und 1958 umbenannt. Im Bereich des MfB arbeiten etwa 600.000 Bauschaffende. Dem Ministerium unterstehen die Bau- und Montagekombinate sowie die Bauämter der Bezirke, die Baumaterialindustrie und der Baumittelhandel. Das MfB ist Träger der staatlichen Bauaufsicht. Als zentrale Bildungs- und Forschungsinstitution sowie als Experimentierwerkstatt steht ihm die Bauakademie der DDR zur Verfügung. Zentraler Fachverband der Architekten und Bauingenieure ist der Bund der Architekten der DDR (Architekten). Die städtebauliche Planung in der DDR ist auf zentraler Ebene abhängig von den Fünfjahrplänen bzw. den Volkswirtschaftsplänen (1 Jahr) der Staatlichen Plankommission. Gesamtkapazität der Bauleistung, Schwerpunkte der Investitionen und territoriale Verteilung sind damit weitgehend festgelegt. Auf dieser Grundlage gibt das MfB Richtlinien für die Planung der Städte und Bezirke heraus (Ausarbeitung: Institut für Städtebau und A. der Bauakademie der DDR). Anhand dieser Richtlinien erarbeiten die Büros für Territorialplanung, Verkehrsplanung und Städtebau die Generalbebauungspläne der Bezirke und Städte. IV. Ausbildung Die Ausbildung der Lehrlinge erfolgt in 28 Bauberufen mit oder ohne Spezialisierung auf ganz bestimmte Fachbereiche. Die Studenten des Bauwesens können sich an den Hochschulen in 1 1 verschiedenen Fachrichtungen ausbilden lassen. Ausbildungsstätten: Hochschule für Architektur und Bauwesen. Weimar (gegründet 1860, wiedergegr. 1946; Architektur, Städtebau, Bauingenieurwesen, Baustoffkunde, Gebietsplanung; Weiterbildungsinstitut seit 1969) Technische Universität Dresden (der Bereich Bauwesen der TU umfaßt ca. 40 Institute; Sektion Architektur: Gesellschaftswissenschaftliche und gestalterische Grundlagen, Technische Entwurfsgrundlagen, Siedlung und Territorium, Hochbau, Landwirtschaftsbau. Rekonstruktion und Gebäudeerhaltung) Technische Hochschule Leipzig (bis 1977: Hochschule für Bauwesen; insbes. Bautechnologie) Kunsthochschule Berlin (Ost) (Grundstudienrichtung Architektur) Hochschule für Verkehrswesen „Franz List“, Dresden (Bereich Verkehrsbauten) Hochschule für industrielle Formgestaltung. Halle-Burg Giebichenstein (Sektion: Produkt- und Umweltgestaltung im Bereich des Wohnungs- und Gesellschaftsbaus) sowie Bauakademie der DDR (s. dort) Ingenieurschulen für Bauwesen: a) Fachrichtung Hochbau in Berlin (Ost), Cottbus, Erfurt, Gotha, Leipzig. Magdeburg, Neustrelitz; b) Fachrichtung Tiefbau in Berlin (Ost), Cottbus, Gotha, Leipzig, Magdeburg, Neustrelitz; c) Fachrichtung Baustoffe/Bauelemente an der Ingenieurschule für Baustofftechnologie in Apolda. Fachrichtungen: Ingenieurbau (Konstruktion und Statik): TU Dresden, HS Weimar, HS Leipzig Kommunaler Tiefbau Technologie der Bauproduktion (Leipzig, Ingenieurhochschule Wismar und Cottbus)[S. 80] Architektur (Weimar, Dresden) Städtebau (Weimar) Landschaftsarchitektur (Dresden) Vorfertigung im Bauwesen (Dresden) Silikattechnik (Weimar) Informationsverarbeitung (Weimar) Betriebswirtschaft und Ingenieurökonomie im Bauwesen (Leipzig, Dresden) Gebiets- und Stadtplanung (Weimar) V. Information und Dokumentation Dokumentationskartei: Zeitgeschichte des Bauwesens der DDR, I. 1945–1970, II. 1971–1976 (Bauakademie der DDR). Schriftenreihe für Bauforschung der Bauakademie der DDR, insbes. Reihe: Städtebau und Architektur; VEB Verlag für Bauwesen, Berlin. Zeitschrift „Architektur der DDR“ (1952 als „Deutsche Architektur“ gegr.). Bau- und Wohnungswesen. Manfred Ackermann Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 77–80 Architekten A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Archive

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Theorie A. als das Ergebnis einer Tätigkeit, die sich mit der Gestaltung der räumlichen Umwelt befaßt, hat von jeher einen ästhetischen (Baukunst) und ökonomischen (Bauwesen) Aspekt. Nach Auffassung der Theoretiker in der DDR sind durch die Veränderungen des gesellschaftlichen Systems seit 1945 zum ersten Male auf deutschem Boden die Voraussetzungen geschaffen worden, den Dualismus zwischen der…

DDR A-Z 1979

Agrarsteuern (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Bis zum Jahr 1971 zahlten die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) als wichtigste Gruppe unter den Erwerbsgenossenschaften der DDR keine Steuern. Seit der Schaffung dieses Typs von landwirtschaftlicher Betriebsorganisation im Jahre 1952 hat es nahezu 20 Jahre gedauert, bis die Ertragslage eines größeren Teils der LPG durch staatliche Subventionen so verbessert werden konnte, daß sie ihrerseits Abgaben an den Staat entrichten können. Das bedeutet nicht, daß diejenigen LPG, die seit 1971 Abgaben aufbringen müssen, tatsächlich „rentabel“ wirtschaften und ohne staatliche Unterstützung auskommen können. In der DDR erhalten alle LPG punktuelle „Entwicklungshilfen“ und eine laufende Unterstützung durch den Staat. Denn die Preise der meisten von den LPG benötigten Produktionsmittel werden durch staatliche Subventionen künstlich verbilligt. „Preisstützungen“ aus dem Staatshaushalt müssen für folgende Einsatzfaktoren der Landwirtschaft aufgebracht werden: Baustoffe, Bauleistungen für die Agrarbetriebe. Energielieferungen, Kraftstoffe, Schädlingsbekämpfungsmittel. Düngemittel, bestimmte Landmaschinen und Futtermittel (siehe J. Gurtz. G. Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR. Berlin [Ost] 1977, S. 106). Ferner profitieren auch alle LPG von den hochgeschraubten Erzeugerpreisen für landwirtschaftliche Produkte, deren Verkauf an Letztverbraucher zu herabgesetzten Einzelhandelspreisen dann ebenfalls durch erhebliche Budgetaufwendungen subventioniert werden muß. Mit Wirkung vom 1. 1. 1971 wurden alle LPG vom Typ III und die „zwischenbetrieblichen (kooperativen) Produktionsorganisationen (Abteilungen)“ der LPG und „Volkseigenen Güter“ (VEG) verpflichtet, eine „ökonomisch begründete Abgabe“ an den Staat zu leisten. Diese Zwangsabgabe setzte sich in den Jahren 1971 bis 1975 aus 2 Bestandteilen zusammen: a) einer „Abgabe auf das Bruttoeinkommen“ der Genossenschaften und der spezialisierten (überbetrieblichen) Produktionsorganisationen: b) einer Konsumsteuer. Das „Bruttoeinkommen“ der LPG ergibt sich durch den Abzug der Sachkosten (Materialverbrauch plus Abschreibungen) vom Umsatzerlös. Diese Größe enthält also noch die an die LPG-Mitglieder zu zahlenden Arbeitsvergütungen. Auch die auf Pflanzenproduktion spezialisierten „Volkseigenen Güter“ (VEG) müssen seit 1971 „ökonomisch begründete Abgaben“ an die Staatskasse zahlen. Da die VEG jedoch zum staatlichen Sektor der Volkswirtschaft zählen, gehören die von ihnen an den Fiskus geleisteten Zahlungen zu den „Abführungen der volkseigenen Wirtschaft“. Für die in der DDR „industriemäßig produzierenden Betriebe der Tiererzeugung“ wurde am 28. 8. 1975 eine Sonderbesteuerung beschlossen. Die von diesen Agrarbetrieben verlangte „ökonomisch begründete Abgabe“ besteht seit dem 1. Januar 1976 aus einer Abgabe auf den Gewinn. Mit der Einführung der neuen Abgaben für die LPG ab 1971 wurde die bis dahin von den Genossenschaftsbauern erhobene „Landwirtschaftssteuer“ abgeschafft. I. Die bis 1971 erhobenen Agrarsteuern. Bis Ende 1970 mußten nur die Mitglieder der LPG Steuern zahlen. Diese Abgaben wurden unter dem Sammelbegriff „Landwirtschaftssteuer“ geführt. Die Landwirtschaftssteuer vereinigte in einem Betrag die Steuerverpflichtungen aus drei Steuern in sich, und zwar aus der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer und der Vermögensteuer. Die Mitglieder der LPG beziehen Einkünfte aus Arbeitsleistungen für die Genossenschaft. Ferner erhalten sie noch einen Anteil vom Reinertrag, der sich nach der Fläche bemißt, die sie in die LPG eingebracht haben, es sei denn, sie haben auf die Auszahlung von „Bodenanteilen“ verzichtet. Dieses Einkommen unterlag bis Anfang 1971 der Einkommensteuer. Für die von ihnen getätigten Umsätze, zum Beispiel aus dem Verkauf von Erzeugnissen aus ihren privaten Hauswirtschaften, mußten sie Umsatzsteuer entrichten. Mit ihrem Eintritt in die LPG hatten sich jedoch alle Genossenschaftsbauern die Vergünstigung erworben, von ihrer Steuerschuld bei der Einkommensteuer 25 v. H., bei der Umsatzsteuer 75 v. H. und bei der Vermögensteuer 50 v. H. abzuziehen. II. Die Abgaben der kollektivierten Landwirtschaft. 1. Die Abgabe auf das Bruttoeinkommen. Die Abgabe auf das Bruttoeinkommen soll einen Teil der Differentialrente abschöpfen, die aufgrund der einheitlichen Festpreise für Agrarerzeugnisse alle diejenigen LPG ohne Mehrleistungsaufwand beziehen, die durch die Güte ihrer Böden. Standortvorteile und gute klimatische Bedingungen begünstigt sind. Die Abgabe hat somit eine doppelte Ausgleichsaufgabe. Sie soll einerseits die vor allem von der Bodenqualität her verschiedenen Startbedingungen der einzelnen LPG im zwischenbetrieblichen Wettbewerb einander annähern und andererseits für mehr sozialen Ausgleich unter den landwirtschaftlichen Produzenten sorgen. Darüber hinaus soll sie dazu beitragen, die LPG mit den guten Böden zu noch höheren Leistungen anzuspornen. Je nach der Einschätzung ihrer Lagevorteile oder der Bewertung der natürlichen Produktionserschwernisse werden für bestimmte Standortbereiche unterschiedliche durchschnittliche Abgabesätze vom Bruttoeinkommen festgesetzt. Diese Abgabesätze reichen von 2 bis 21 v. H. Sie beziehen sich stets auf das Bruttoeinkommen je Hektar (ha) landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN). Jede der zur Zeit bestehenden LPG vom Typ III erhält von der Landwirtschafts- und Finanzverwaltung neben ihrem individuellen Abgabesatz noch eine Zielgröße [S. 27]vorgegeben, die ihr anzeigt, wieviel Bruttoeinkommen je ha LN sie nach Ansicht des Staates unter ihren konkreten Standortbedingungen durchschnittlich erwirtschaften kann (= normatives Bruttoeinkommen je ha LN). Für alle Einkünfte, welche die LPG in den Jahren 1971–1975 über das staatlich gewünschte Norm-Einkommen hinaus erzielten, ermäßigte sich die Abgabe, die der Staat üblicherweise nach der Abgabenordnung von ihren Einkommen beanspruchte, um die Hälfte (50 v. H.). Seit dem 1. 1. 1976 wird den LPG Typ III jedoch nur noch eine Steuerermäßigung von 25 v. H. für dasjenige Bruttoeinkommen gewährt, das sie über, die staatliche Leistungsvorgabe hinaus erwirtschaften (vgl. GBl. I, 1975. S. 647). Dieser Anreiz mit einer verminderten Steuerlast soll die LPG dazu anspornen, ihre Produktion zu erweitern und ihre Kosten zu senken. Um ferner zu verhindern, daß die landwirtschaftlichen Produzenten nichts dagegen unternehmen, wenn die von ihnen erwirtschafteten Einkommen je ha LN in unvertretbarem Ausmaß absinken, war vom Staat in den Jahren von 1971 bis 1975 für jede LPG Typ III ein bestimmter Mindestabführungsbetrag vom Bruttoeinkommen in Mark festgelegt worden. Dies hatte zur Folge, daß die prozentuale Steuerbelastung der Genossenschaften anstieg, sofern ihre Erträge je Hektar unter jenes Leistungsniveau absanken, das der Staat in jedem Einzelfall als die erreichbare Mindestrentabilität des von den LPG bewirtschafteten Bodens festgelegt hatte. Diese schematische Lenkungsdirektive ist jedoch Mitte 1975 gelockert worden. Sofern die Wirtschafts- und Finanzorgane bei genauer Kenntnis der Leistungsbereitschaft der einzelnen Agrarbetriebe zu der Überzeugung gelangen, daß dieses steuerpolitische Druckmittel zur Leistungsmobilisierung nicht mehr benötigt wird, ist ihnen vom Haushaltsjahr 1976 an freigestellt worden, auf die Festlegung von Mindestabführungsbeträgen in Mark vom erzielten Bruttoeinkommen je ha LN zu verzichten. LPG vom Typ III, die infolge ihrer ungünstigen natürlichen Produktionsbedingungen ein geringeres Bruttoeinkommen als 1.100 Mark je ha LN erwirtschaften, sind ganz von einer Abgabenleistung befreit worden. Übersteigt ihr Einkommen diese Steuerfreigrenze einmal für ein Jahr, so wird eine Abgabe von nur 2 v. H. erhoben. 2. Die Besteuerung der individuellen Verbrauchseinkommen der Genossenschaftsbauern. Um bei der Verteilung des Bruttoeinkommens der Genossenschaften sicherzustellen, daß diese ihren Kapitalbedarf für Investitionen selbst akkumulieren und die Kapitalbildung nicht zugunsten eines hohen Verbrauchs vernachlässigen, wird ab 1971 auch die Einkommensverwendung für Konsumzwecke der LPG-Mitglieder besteuert. Eine Abgabe auf die an die Genossenschaftsbauern ausgeschütteten Erlöse müssen alle Landwirtschaftsbetriebe entrichten, bei denen keine Gewinnsteuern erhoben werden. Übersteigen die für den persönlichen Verbrauch freigegebenen Einkommenszuwendungen 7.200 Mark je Vollbeschäftigten-Einheit im Jahr ( = Steuerfreigrenze), so unterliegt das darüber hinausgehende Konsumeinkommen einer scharf progressiven Besteuerung. Steuerschuldner der „Konsumtionsabgabe“ ist die LPG (Typ III). Geldausgaben der Genossenschaft, die der kulturellen und sozialen Betreuung aller Genossenschaftsmitglieder dienen, zählen nicht zu den für Konsumzwecke ausgeschütteten Erlösen der Agrarbetriebe. 3. Gewinnbesteuerung ausgewählter Agrarbetriebe. Seit dem 1. 1. 1976 wird von den Agrarbetrieben, welche sich auf eine industriemäßig organisierte Tierzucht und Tierverwertung spezialisiert haben, lediglich eine Gewinnabgabe erhoben. Um die Höhe der jährlichen Abgabeverpflichtung erreichen zu können, wird der erzielte Gewinn ins Verhältnis zum Anlagevermögen des Betriebes gesetzt, wobei die „Grundfonds“ zu Anschaffungspreisen bewertet werden. Für die auf diesem Wege für jedes Wirtschaftsjahr ermittelte „Grundfondsrentabilität“ (= Kapitalrentabilität = Höhe des Gewinns in Mark je 1.000 Mark Anlagevermögen [= Grundfonds]) läßt sich die entsprechende prozentuale Abgabe vom Gewinn aus folgender Tabelle entnehmen. Sie gilt nach Weisung des Gesetzgebers für alle gewinnsteuerpflichtigen Agrarbetriebe. Dazu gehören die „industriemäßig produzierenden“ LPG und VEG für die Aufzucht von Nutzvieh und die auf diese Aufgabe spezialisierten „zwischenbetrieblichen Einrichtungen“ und „zwischengenossenschaftlichen Produktionsorganisationen“. [S. 28] Über die Ertragskraft der industriemäßig organisierten Betriebe für Viehaufzucht und -Verwertung liegen keine genauen Angaben vor. Dennoch scheint der Fiskus durch die 1976 eingeführte Gewinnbesteuerung diese Gruppe von Agrarbetrieben nur sehr schonend zur Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs heranzuziehen. Dadurch sollen weitere Agrarbetriebe angeregt werden, ebenfalls zu einer rentablen „industriemäßigen Tierproduktion“ überzugehen. Das von der Wirtschaftsführung geschaffene Verfahren der Steuerbelastung der Unternehmenserträge und der gewählte Besteuerungstarif dürften ferner durchaus dazu geeignet sein, die betreffenden Agrarbetriebe zur Erreichung einer hohen Kapitalrentabilität anzuspornen. 4. Sonstige Steuern der landwirtschaftlichen Erzeuger. Auch nach der völligen Neugestaltung der Agrarbesteuerung in der DDR 1971 bleibt für die Genossenschaftsbauern die Pflicht zur Zahlung von Grundsteuern grundsätzlich bestehen. Besteuerungsobjekt sind die Bodenanteile, die sie bei der Aufgabe ihrer privaten Bauernwirtschaften in die LPG eingebracht haben. Da dieses Grundeigentum formal noch den Genossenschaftsbauern gehört, sind diese auch die Steuerschuldner (Steuersubjekt) der Grundsteuer. Für Bauern, die den beiden nicht voll kollektivierten LPG-Typen~I und II angehören, hat man die Grundsteuer um 25 v. H. ermäßigt. Dagegen erhalten die Genossenschaftsbauern des politisch bevorzugten LPG-Typs III (höchste Kollektivierungsstufe) sogar einen Steuerrabatt von 75 v. H. auf ihre Grundsteuerverpflichtungen. Verzichten Genossenschaftsbauern darauf, sich Ertragsanteile entsprechend ihrem (früheren) Bodeneigentum auszahlen zu lassen, wird ihnen die Grundsteuer ganz erlassen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 26–28 Agrarstatistik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Agrartechnik

Siehe auch die Jahre 1975 1985 Bis zum Jahr 1971 zahlten die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) als wichtigste Gruppe unter den Erwerbsgenossenschaften der DDR keine Steuern. Seit der Schaffung dieses Typs von landwirtschaftlicher Betriebsorganisation im Jahre 1952 hat es nahezu 20 Jahre gedauert, bis die Ertragslage eines größeren Teils der LPG durch staatliche Subventionen so verbessert werden konnte, daß sie ihrerseits Abgaben an den Staat entrichten können. Das…

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Einheitliches sozialistisches Bildungssystem (1979) Siehe auch die Jahre 1975 1985 I. Ziele und Grundsätze Nach Auffassung der marxistisch-leninistischen Pädagogik (Pädagogische Wissenschaft und Forschung), wie sie gegenwärtig in der DDR ― darin vor allem der sowjetischen Pädagogik und Bildungspolitik folgend ― offiziell vertreten wird, ist die sozialistisch-kommunistische Bildung und Erziehung und darin besonders die Herausbildung eines sozialistischen Bewußtseins (Politisch-Ideologische bzw. Staatsbürgerliche ➝Erziehung) bei allen Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen eine notwendige Voraussetzung für die Errichtung und Sicherung der sozialistischen bzw. kommunistischen Gesellschaftsordnung. [S. 293]Für die sozialistische Bildungskonzeption wird aus der Sicht des Marxismus-Leninismus, d. h. aus der marxistisch-leninistischen Persönlichkeitstheorie, vor allem gefolgert, daß alle Bildungs- und Erziehungsprozesse (Sozialisationsprozesse) unlösbar in lebendige geschichtliche Prozesse eingebettet sind und von den materiellen Lebensprozessen, den politischen Kämpfen der Klassen und ihren ideologischen Reflexionen in bezug auf Ziele, Inhalte und Methoden entscheidend bestimmt werden. Sie können nur im Rahmen revolutionärer gesellschaftlicher Veränderungen unter der Führung der SED voll wirksam und zu einem bedeutenden Faktor des gesellschaftlichen Fortschritts werden. Dabei müsse aufgrund der Dialektik der äußeren und inneren Entwicklungsbedingungen und -Ursachen die Entwicklung des Menschen als ein „ununterbrochener Prozeß der aktiven Aneignung und Verinnerlichung der historisch-konkreten Umwelt“, der menschlichen Kultur in ihrer Gesamtheit, in der Arbeit, im Lernen und in weiteren „kulturschöpferischen Tätigkeiten“ verstanden und verwirklicht werden. Nach dem Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. 2. 1965 (GBl. I, 1965, S. 83) i. d. F. des Beschlusses vom 30. 6. 1966 (GBl. II, 1965, S. 571), das die bildungspolitischen Beschlüsse des Parteiprogramms der SED von 1963 rechtlich regelte und das auch nach Verabschiedung des neuen Parteiprogramms (1976) weiter Geltung hat, ist es das Hauptziel des B., alle Bürger zu „allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten, die bewußt das gesellschaftliche Leben gestalten, die Natur verändern und ein erfülltes, glückliches, menschenwürdiges Leben führen“, zu bilden und zu erziehen. Insbesondere sollen sie befähigt werden, „die technische Revolution zu meistern und an der Entwicklung der sozialistischen Demokratie mitzuwirken“. Dazu sollen sie eine moderne Allgemeinbildung und eine hohe Spezialbildung sowie „Charakterzüge im Sinne der sozialistischen Moral“ erwerben. Durch die gemeinsame, einheitliche Bildungs- und Erziehungsarbeit des sozialistischen Staates und aller gesellschaftlichen Kräfte sollen die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen befähigt werden, „als gute Staatsbürger wertvolle Arbeit zu leisten, ständig weiter zu lernen, sich gesellschaftlich zu betätigen, mitzuplanen und Verantwortung zu übernehmen, gesund zu leben, die Freizeit sinnvoll zu nutzen, Sport zu treiben und die Künste zu pflegen“. Dazu sichern Verfassung und Bildungsgesetz allen Bürgern das gleiche Recht auf Bildung zu, das gleichermaßen die gesellschaftliche Pflicht zur Bildung einschließt. Diese programmatischen Forderungen und gesetzlichen Bestimmungen sagen allerdings noch nichts über die individuelle Möglichkeit der Verwirklichung des Rechtes auf Bildung für alle aus. Maßgeblich für den Aufbau des Bildungssystems und für die inhaltliche Gestaltung der Bildung und Erziehung sind die Grundsätze der Einheit von Bildung und Erziehung, der Verbindung von Bildung und Erziehung mit dem „Leben“, der Verbindung von Theorie und Praxis, der Verbindung von Lernen und produktiver Arbeit sowie der Allseitigkeit und Permanenz der Bildung und Erziehung. In der DDR wird in der Regel der komplexe Begriff „Bildung und Erziehung“ für die Gesamtheit sowohl der pädagogischen Prozesse als auch ihrer Ergebnisse verwendet, um damit das Grundprinzip der Einheit von Bildung und Erziehung (im engeren Sinne) zum Ausdruck zu bringen. Dabei sollen wohl auch die Schwierigkeiten einer der Praxis standhaltenden definitorischen Abgrenzung beider pädagogischer Grundbegriffe vermieden werden. Unter Berücksichtigung der Einheit, also der praktischen Untrennbarkeit von Bildung und Erziehung, wird unter „Bildung“ jene Komponente der Gesamtheit der pädagogischen Prozesse und ihrer Ergebnisse verstanden, in der die Aneignung des vor allem in den Lehrplänen und anderen curricularen Materialien aufbereiteten Bildungsgutes unter dem Gesichtspunkt der Kenntnisse, Erkenntnisse, Fähigkeiten. Fertigkeiten usw., akzentuiert wird. Der Begriff „Erziehung“ (im engeren Sinne) meint jene Seite aller pädagogischen Prozesse und ihrer Ergebnisse, die sich auf die Herausbildung ideologischer (politischer, weltanschaulicher, ethischer und ästhetischer) Wertmaßstäbe, Normen und Einstellungen und auf die Entwicklung von Überzeugungen, Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen beziehen. Der jeweilige Gebrauch der Begriffe „Bildung“ oder „Erziehung“ (im engeren Sinne) meint jedoch nicht immer die dargestellte Differenzierung, sondern stellt häufiger nur eine Abkürzung des Gesamtbegriffes dar. Wenn beispielsweise von „Polytechnischer Bildung“ oder von „Politisch-ideologischer Erziehung“ gesprochen wird, so ist in der Regel damit „Polytechnische Bildung und Erziehung“ bzw. „Politisch-ideologische Bildung und Erziehung“ als untrennbare Einheit, nicht jedoch in der jeweiligen Akzentuierung gemeint. Der Grundsatz der Einheit von hoher wissenschaftlicher Bildung und „klassenmäßiger sozialistischer“ Erziehung beruht einmal auf der Erkenntnis der Unteilbarkeit der pädagogischen Prozesse, zum anderen aber auf dem marxistisch-leninistischen Grundaxiom der Einheit bzw. Identität von Wissenschaft und sozialistischer Ideologie und von Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus; er findet seinen inhaltlichen Niederschlag in allen Bereichen der Bildung und Erziehung, sei es nun in der politisch-ideologischen bzw. staatsbürgerlichen, der polytechnischen oder der ästhetischen Bildung und Erziehung, in der Körper-, Wehr-, Arbeits- oder Kollektiverziehung. [S. 294] Dies gilt aber auch für die damit eng verbundenen Grundsätze der Verbindung von Theorie und Praxis in der Bildung und Erziehung sowie der Verbindung von Lernen und produktiver Arbeit. Der Grundsatz der Allseitigkeit und Permanenz von Bildung und Erziehung schließlich ist vor allem bezogen auf die Realisierung eines ihrer wichtigsten Ziele, nämlich auf die Herbeiführung und langfristige Sicherung der beruflichen Disponibilität möglichst aller Bürger unter Berücksichtigung sowohl ihrer Befähigungen und Neigungen als auch der jeweiligen wechselnden volkswirtschaftlichen Erfordernisse. Eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zwischen individuellen Neigungen und gesellschaftlichen bzw. volkswirtschaftlichen Erfordernissen zu erreichen, ist eine zentrale Aufgabe aller Bildungseinrichtungen, speziell aber der umfassend angelegten Berufsberatung und Berufslenkung. Dazu wird eine „moderne sozialistische Allgemeinbildung“ angestrebt, deren Bestandteile „die mathematische, naturwissenschaftliche und polytechnische, die staatsbürgerliche, gesellschaftswissenschaftliche und moralische, die muttersprachliche, fremdsprachliche, ästhetische und körperliche Bildung und Erziehung“ sind und die auch auf den oberen Stufen des Bildungssystems fortgeführt werden soll. Auf diese Allgemeinbildung soll jede Spezialbildung zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit aufbauen und immer wieder zurückgreifen können. Damit wiederum eng verbunden ist die Befähigung zu selbständigem Lernen und zur Selbsterziehung. Umfassende sozialistische Bildung und Erziehung, verstanden und gestaltet als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, läßt kaum bildungs- und erziehungslose Freiräume zu und versucht darüber hinaus, auch die Familienerziehung und die außerschulische und außerunterrichtliche Bildung und Erziehung intentional-inhaltlich und organisatorisch-institutionell möglichst genau zu reglementieren und zu kontrollieren. Auf diese weitgreifende gesellschaftspolitische Zielstellung läßt sich partiell zurückführen, wenn heute in der DDR die Merkmale einer ausgeprägten Lern- und Leistungsgesellschaft zu beobachten sind. II. Aufbau und Gliederung Wird das B. vor allem unterintentional-inhaltlichem Gesichtspunkt als „sozialistisch“ bezeichnet, so erfolgt die Bezeichnung als „einheitlich“ besonders im Hinblick auf die Struktur und Gliederung in vertikaler Sicht. Das B. ist in aufeinander folgenden Stufen aufgebaut; in horizontaler Sicht ist das B. gegliedert in [S. 295]Dem Grundatz der Einheitlichkeit und Differenzierung (bei Dominanz der Einheitlichkeit) teils entsprechend, teils widersprechend, ist das B. zugleich vertikal gegliedert, und zwar auch so, daß unterschiedliche, voneinander deutlich geschiedene und undurchlässige Bildungswege entstehen, die qualitativ unterschiedliche Bildungschancen und soziale Aufstiegsmöglichkeiten bieten; in vertikaler Sicht ist das B. gegliedert in A. Normal- bzw. Regel-Bildungseinrichtungen (Normalkindergärten, Normalschulen), B. Spezialschulen und Spezialklassen, C. Sonderschulen und andere sonderpädagogische Einrichtungen, D. Sorbische Oberschulen und Klassen, E. Einrichtungen der Jugendhilfe und Heimerziehung, F. Einrichtungen der ganztägigen Bildung und Erziehung, G. Kulturelle Einrichtungen. Die „Einheitlichkeit“ wird in diesen speziellen bzw. komplementären Bildungseinrichtungen zumindest dadurch angestrebt, daß auch hier die verbindlich festgelegten Ziele der politisch-ideologischen Erziehung verwirklicht werden sollen. Wenn es im Bildungsgesetz heißt, das B. sei so aufgebaut, daß jedem Bürger der Übergang zur jeweils nächsthöheren Stufe bis zu den höchsten Bildungsstätten, den Universitäten und Hochschulen, möglich sei, so wird diese Möglichkeit im unmittelbaren Anschluß daran wieder durch die Bestimmung ― und zwar, wie die Praxis deutlich zeigt, erheblich ― eingeschränkt, daß nämlich für die höheren Bildungseinrichtungen nur die Besten und Befähigtesten unter Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung, d. h. möglichst unter Bevorzugung der Arbeiter- und Bauernkinder und damit Benachteiligung anderer sozialer Schichten, ausgewählt werden. Das Schema für die Gliederung des B. auf Seite 294, in dem die oben unter C. aufgeführten Einrichtungen nicht enthalten sind, kann deshalb nur einen Überblick über die verschiedenen Bildungswege als prinzipielle Möglichkeiten vermitteln, erlaubt also keine quantitative Aussage über ihre tatsächliche Nutzung. III. Planung und Leitung Planung und Leitung aller zwecks Realisierung der gestellten Bildungs- und Erziehungsaufgaben durchzuführenden Maßnahmen einschließlich der Weiterentwicklung des B. obliegen den zentralistisch-hierarchisch organisierten Volksbildungsorganen, die ihrerseits der Weisung und Kontrolle durch die oberste Staatsführung sowie durch die entsprechenden Abteilungen des Zentralkomitees der SED unterliegen. Zu den Volksbildungsorganen im weiteren Sinne zählen der Ministerrat der DDR, das Staatssekretariat für Berufsbildung, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, die Industrieministerien, das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, das Ministerium für Gesundheitswesen, das Ministerium für Kultur, das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport und das Ministerium für Nationale Verteidigung sowie die ihnen unter- und zugeordneten Organe und Institutionen auf den verschiedenen Ebenen. Als Volksbildungsorgane (im engeren Sinne) fungieren vor allem das Ministerium für Volksbildung und die Abteilungen Volksbildung der Räte der Bezirke und der Kreise einschließlich der Bezirks- bzw. der Kreis-Schulräte und -Inspektoren. Das Ministerium für Volksbildung hat insbesondere die Aufgabe, diejenigen grundsätzlichen Aufgaben des Bildungsgesetzes zu erfüllen, die wegen ihrer Bedeutung einer zentralen Koordination über den Verantwortungsbereich der unter- und zugeordneten Organe und Institutionen hinausgehen. Es hat zwecks Sicherung des erwünschten „Bildungsvorlaufes“ durch rechtzeitige Entscheidung der wesentlichen Grundfragen der Volksbildung den nachgeordneten Organen und Institutionen die Erfüllung der jeweils gestellten Aufgaben zu ermöglichen und mit Unterstützung der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften die Organisation sowie die (speziellen) Lernziele und Lerninhalte der Einrichtungen der Vorschulerziehung (Kindergärten usw.), der allgemeinbildenden Oberschulen, der zur Hochschulreife führenden Einrichtungen, der Spezialschulen und Spezialklassen, der Sonderschulen, der Einrichtungen und Veranstaltungen der außerschulischen und außerunterrichtlichen Bildung und Erziehung einschließlich der Feriengestaltung und der Einrichtungen der Jugendhilfe und Heimerziehung zu bestimmen. Es soll ferner die Erarbeitung entsprechender Vorschriften (Bildungsgesetz, Schulordnung usw.) sowie Lehrpläne, Lehrbücher und anderer Unterrichtsmittel gewährleisten. Ihm obliegen die Planung, Leitung und Kontrolle der pädagogischen Wissenschaft und Forschung — mit Ausnahme der Forschungen auf dem Gebiet der Berufsbildung und des Fach- und Hochschulwesens — unter Konzentration auf die im Bildungsgesetz gestellten Aufgaben. Ziele und Inhalte der Aus- und Weiterbildung der Lehrer und Erzieher sowie der Schulfunktionäre sind von ihm zu bestimmen, die entsprechenden Studienpläne zu bestätigen sowie die Arbeitsbedingungen und Vergütungen der Lehrer und Erzieher festzulegen. Durch Einbeziehung vor allem der Volkseigenen Betriebe, der gesellschaftlichen Organisationen, der Jugendorganisationen und der Eltern hat es eine einheitliche sozialistische Bildungs- und besonders Schulpolitik durchzusetzen sowie auf der Grundlage des Perspektivplans zur Entwicklung der Volkswirtschaft die proportionale Entwicklung der Bildungseinrichtungen und die [S. 296]ökonomische Verwendung der zur Verfügung stehenden personellen und materiellen Mittel zu garantieren. Im Jahr 1976 beliefen sich die Ausgaben für das Bildungswesen im Rahmen des Staatshaushaltes auf 8,9 Mrd. Mark, davon 6,3 Mrd. für die Volksbildung (Kindergärten und allgemeinbildende Schulen), 0,74 Mrd. für die Berufsausbildung Jugendlicher und für die Aus- und Weiterbildung der Werktätigen (die hauptsächlich von den Betrieben finanziert werden) sowie 1,8 Mrd. Mark für das Fach- und Hochschulwesen, was 7,6 v. H. des gesamten Staatshaushaltes entspricht. Grundlage für die Planung im Bildungssystem bilden die für die gesamte Volkswirtschaft geltenden mehr- und einjährigen Volkswirtschaftspläne. Im Gesetz über den Fünfjahrplan 1976–1980 werden als wichtigste Ziele festgelegt: in der Volksbildung die 10klassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule als Kernstück des ESB. inhaltlich weiter auszugestalten mit dem Ziel, das Niveau der Oberschulbildung als Einheit von Bildung und kommunistischer Erziehung stetig zu erhöhen und alle Kinder bis zum Abschluß der 10jährigen Oberschulbildung weiterzuführen, den polytechnischen Charakter der Oberschulen weiter auszuprägen, ein hohes Niveau fachlichen und pädagogischen Wissens und Könnens aller Lehrer zu sichern, es jedem Schüler zu ermöglichen, die aus unterschiedlichen Gründen die Oberschule vor dem Abschluß verlassen, ihre Allgemeinbildung im Rahmen der Berufsausbildung zu vervollkommnen, die Qualität der Betreuung und Erziehung in den Kindergärten und Schulhorten weiter zu verbessern, schrittweise Möglichkeiten zu schaffen, daß alle Kinder der entsprechenden Altersgruppen in Kindergärten erzogen, betreut und gut auf die Schule vorbereitet werden können, die Plätze in den Schulhorten zu erhöhen, daß alle Kinder der Klassen 1–4, deren Eltern es wünschen, aufgenommen werden können, die materiell-technischen Bedingungen der Einrichtung der Volksbildung kontinuierlich weiter zu entwickeln, entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen die Berufsberatung weiter zu vervollkommnen und dazu das Netz der Berufsberatungszentren weiter auszugestalten, in der Berufsbildung die Ausbildung und Erziehung von etwa 1~Mill. Schulabgängern zu Facharbeitern in hoher Qualität zu sichern und dabei den Inhalt der Ausbildung stärker auf die Erfordernisse der Intensivierung und Rationalisierung der gesellschaftlichen Produktion zu richten und so zu vervollkommnen, daß sich das Leistungsniveau der ausgebildeten Facharbeiter erhöht sowie die Investitionen vor allem für den erforderlichen Ausbau der Einrichtungen für die theoretische und praktische Berufsausbildung sowie für die internatsmäßige Unterbringung der bis 1980 wachsenden Zahl von Jugendlichen einzusetzen (und dazu 41.390 Plätze in Lehrlingswohnheimen zu schaffen) und schließlich die Zulassungen zum Hoch- und Fachschulstudium und deren Struktur nach Fachrichtungen entsprechend den langfristigen Erfordernissen des gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Fortschritts und in Übereinstimmung mit der planmäßigen Entwicklung der Qualifikationsstruktur des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens festzulegen, d. h. relativ gering zu halten. Diese wie alle übrigen Bestimmungen für das Bildungswesen sollen die Erfüllung der Hauptaufgaben des Fünfjahrplans sichern helfen. IV. Vorschulerziehung Die Vorschulerziehung umfaßt die Bildung und Erziehung der Kinder in gesellschaftlichen Einrichtungen und in den Familien bis zu ihrem Eintritt in die allgemeinbildende Schule, d. h. bis zum beginnenden 7. Lebensjahr. Die wichtigsten Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung, deren Besuch nicht obligatorisch ist, sind Kinderkrippen und Kindergarten; sie repräsentieren zugleich die beiden zeitlich aufeinanderfolgenden Etappen der Vorschulerziehung. Die erste Etappe der Vorschulerziehung (Elementarstufe I), die Pflege und Erziehung der Kinder von den ersten Lebenswochen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres vor allem in den Kinderkrippen, aber auch in den Saisonkrippen und Dauerheimen, soll in engem Zusammenwirken mit der Familie erfolgen. Die Einrichtungen der ersten Etappe der Vorschulerziehung unterliegen der Aufsicht durch das Ministerium für Gesundheitswesen, das einheitliche Grundsätze insbesondere für die Arbeit in den kommunalen, betrieblichen, genossenschaftlichen, aber auch kirchlichen Kinderkrippen erläßt. Dagegen ist die zweite Etappe der Vorschulerziehung (Elementarstufe II), die vorschulische Bildung und Erziehung der Kinder vom 3. Lebensjahr bis zum Beginn der Schulpflicht, also der 3- bis 5 jährigen, grundlegender Bestandteil des ESB. und untersteht deshalb auch der Anleitung und Aufsicht durch das Ministerium für Volksbildung; daher gelten die generellen Ziele und Grundsätze der sozialistischen Bildung und Erziehung der Jugend in der DDR auch für die vorschulische Bildung und Erziehung der 3- bis 5jährigen. Sie werden jedoch durch spezielle Ziele, Inhalte und Realisationsformen, die sich vor allem aus der Altersspezifik der 3- bis 5jährigen ergeben, präzisiert, komplettiert und auch modifiziert. Durch eine entsprechende vorschulische Bildung und Erziehung, wie sie insbesondere in der Kinder[S. 297]gartenordnung (1968) festgelegt ist, sollen die 3- bis 5jährigen — vor allem in den (kommunalen, betrieblichen, genossenschaftlichen, aber auch kirchlichen) Kindergärten und Wohnkindergärten sowie in den Ernte- und anderen Saisonkindergärten — auf das gesellschaftliche Leben in der DDR und auf das Lernen in der Schule bzw. im Klassenverband vorbereitet werden. Neben dieser Bildungs- und Erziehungsfunktion hat die Vorschulerziehung in beiden Etappen auch eine sozio-ökonomische Funktion zu erfüllen. Sie hat die berufstätigen Mütter und auch Väter von der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder im vorschulischen Alter zu entlasten. Diese Funktion gewinnt um so größere Bedeutung, je stärker Staat und Wirtschaft bestrebt sind, das Arbeitskräftepotential maximal auszuschöpfen. Deshalb werden auch Kinder alleinstehender Mütter oder Väter bzw. berufstätiger und auch studierender Mütter laut VO über Kindereinrichtungen (1976) bevorzugt in die Vorschuleinrichtungen aufgenommen. Für die Kinder im letzten vorschulischen Jahr, also für die 5jährigen, besteht im Rahmen der Vorschulerziehung ein dreiteiliges System der systematischen Schulvorbereitung; es umfaßt die Schulvorbereitung der älteren Gruppe des Kindergartens nach dem Bildungs- und Erziehungsplan für den Kindergarten (der auch für die jüngere und mittlere Gruppe gilt), ferner Spiel- und Lernnachmittage und die Vorbereitung in der Familie nach dem Buch „Bald bin ich ein Schulkind“ (1967). Die Vorschulerziehung und besonders die Schulvorbereitung erfolgen — entsprechend den Festlegungen des „Bildungs- und Erziehungsplans für den Kindergarten“ (1967) — in den „Beschäftigungen“ (unterrichtliche Sachgebiete) Muttersprache, Bekanntmachen mit der Kinderliteratur, Malen, Zeichnen, Formen, Basteln und Bauen, Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben, mit der Natur, mit Mengen (Vergleich von Längen, Breiten und Höhen), Turnen und Musik. Zum Zweck der Kollektiv- und Arbeitserziehung werden im Kindergarten verschiedene Arbeitsarten geübt. Neben der Hinführung zum verantwortlichen Handeln in der Gemeinschaft durch Übernahme entsprechender Arbeitsaufgaben hat die Arbeitserziehung der Vorschulkinder insofern propädeutischen Charakter, als mit der Anleitung zur Herstellung von Gegenständen für das Spiel und den täglichen Gebrauch die Kinder erste Fertigkeiten und Fähigkeiten erwerben sollen, die später im polytechnischen Unterricht der Schule als Grundlage für den Erwerb weiterer, komplexerer Arbeitsfähigkeiten dienen können bzw. sollen. Zunehmende Bedeutung wird der Wehrerziehung der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Vorschulerziehung beigemessen. Die Kindergartenkinder werden in 3 Alters- bzw. Jahrgangsgruppen zusammgengefaßt: die jüngere Gruppe umfaßt die 3jährigen, die mittlere Gruppe die 4jährigen und die ältere Gruppe die 5jährigen Kinder; daneben gibt es auch gemischte Gruppen. Die Gruppenstärke beträgt in der Regel 18–20 Kinder. Im Kindergarten arbeiten Kindergärtnerinnen mit staatlicher Abschlußprüfung, Erziehungshelferinnen mit pädagogischer Kurz- oder Teilausbildung und — meist nur stundenweise eingesetzte — Helferinnen ohne Ausbildung, und zwar in den Funktionen als Leiterin des Kindergartens, als stellvertretende Leiterin, als Gruppenleiterin und als Helferin. Die Spiel- und Lernnachmittage sind vorschulische, insbesondere schulvorbereitende Veranstaltungen der Abteilungen Volksbildung der Räte der Kreise, die vorwiegend an den Oberschulen für diejenigen Kinder im letzten vorschulischen Jahr durchgeführt werden, die keinen Kindergarten besuchen. In 20 14täglich stattfindenden und ca. 90 Minuten dauernden Spiel- und Lernnachmittagen werden die Vorschulkinder anhand des Planes für die Spiel- und Lernnachmittage (1968) und der darin vorgesehenen Beschäftigungsthemen systematisch auf das gemeinsame Lernen in der Schule vorbereitet, und zwar vorwiegend von Lehrern der unteren Klassen, aber auch von Kindergärtnerinnen und Horterzieherinnen. V. Zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule Die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, Oberschule (OS) genannt, ist die staatliche Regel- bzw. Normal-Pflichtschule der DDR, die jedoch keineswegs von allen Kindern bis zu ihrem Abschluß besucht wird. Mit der Bezeichnung „Oberschule“ wird zum Ausdruck gebracht, daß in ihr eine relativ hohe Allgemeinbildung als Grundlage für jede weiterführende Bildung und Berufsbildung vermittelt werden soll; die Bezeichnung „polytechnisch“ weist auf die besondere Bedeutung hin, die im Rahmen der schulischen Allgemeinbildung der Polytechnischen Bildung und dem polytechnischen Unterricht beigemessen wird. Obligatorische Unterrichtsfächer (mit Angabe der Gesamtwochenstunden, in denen das jeweilige Fach in den betreffenden Schuljahren unterrichtet wird) sind Deutsch (78), Russisch (23), Geschichte (11), Staatsbürgerkunde (5), Geographie (11), Mathematik (54), Physik (13), Chemie (10), Biologie (11), Astronomie (1), Werkunterricht (9), Schulgartenunterricht (4), Polytechnischer Unterricht (18), Zeichnen (10), Musik (11) und Sport (23); fakultative Unterrichtsfächer sind Nadelarbeit (2) und der Unterricht in Englisch oder Französisch als 2. Fremdsprache (11). Der Unterricht erfolgt ausschließlich anhand verbindlicher Lehrpläne (Lehrplanreform) und Unterrichtsmittel einschließlich Schulbücher, die vom Ministerium für Volksbildung herausgegeben [S. 298]bzw. bestätigt werden. Der im Bildungsgesetz festgelegten organisatorischen Gliederung der Oberschule in Unterstufe (Kl. 1–3), Mittelstufe (Kl. 4–6) und Oberstufe (Kl. 7–10), die zuzüglich der Abiturstufe (Kl. 11 und 12) das System 3 + 3 + 4 + + 2 bildet, steht bei Zugrundelegung der inhaltlichen Gliederung nach der Einführung der Unterrichtsfächer sowie der Übergangsmöglichkeiten in Spezialschulen und -klassen ein tatsächliches Zweijahresblock-System 2 + 2 + 2 + 2 + + 2 + + 2 gegenüber, bei dem besonders die Übergänge zu den Klassen 9 und 11 selektiv wirken. Die Unterstufe, die offiziell die Klassen 1–3 sowie faktisch auch noch die als Übergangsklasse bezeichnete Klasse 4 umfaßt, hat die Aufgabe, ein Fundament für den weiterführenden Unterricht und für die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt zu legen und die Schüler vor allem an beharrliches und fleißiges Lernen zu gewöhnen, und zwar in einem nach dem eingeschränkten Fachlehrerprinzip erteilten und bereits gefächerten Unterricht mit Deutsch einschließlich Heimatkunde und Mathematik als tragenden Fächern und den Fächern Werk- und Schulgartenunterricht, Sport, Musik und Zeichnen. Der Anfangsunterricht in der 1.~Klasse stellt an die betreffenden Lehrer insofern besondere Anforderungen, als die Schulanfänger zum größeren Teil eine systematische Schulvorbereitung zumindest im letzten vorschulischen Jahr erhalten haben, ein kleiner Teil jedoch noch an systematisches Lernen gewöhnt werden muß. Im Deutschunterricht der Klasse~1 steht der Erwerb der Grundfertigkeiten im Lesen und Schreiben im Vordergrund, wobei die analytisch-synthetische Leselernmethode und eine aus der Antiqua abgeleitete Schulausgangsschrift verbindlich sind. Der Mathematikunterricht zielt ― als Bestandteil einer von Klasse~1 bis 10 bzw. 12 reichenden Gesamtkonzeption ― auf die Vermittlung grundlegenden mathematischen Wissens sowie auf die Entwicklung des mathematischen Denkens und der Rechenfertigkeiten, und zwar anhand traditioneller Lehrstoffe, ist also nicht an Begriffen und Inhalten der Mengenlehre orientiert. Die polytechnische Bildung wird vor allem im Werkunterricht und die Politisch-Ideologische bzw. Staatsbürgerliche ➝Erziehung besonders im Heimatkundeunterricht (innerhalb des Faches Deutsch) vermittelt. Nach Abschluß der Klasse 2 besteht die erste Möglichkeit zum Übergang in Spezialklassen, nämlich in die Klassen 3 mit erweitertem Russischunterricht. Auf der Unterstufe stehen Schulunterricht und Schulhortarbeit in besonders engem Zusammenhang. Die Mittelstufe (Kl. 4 bzw. 5 und 6) ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß in ihr der Unterricht in den Fächern Russisch, Geschichte, Geographie, Biologie und Physik sowie die systematische Berufsberatung beginnen. Nach Abschluß der 5. Klasse besteht die Möglichkeit zum Übergang in weitere Spezialschulen und -klassen. Die polytechnische Bildung wird vor allem im Werkunterricht vermittelt. Die Oberstufe (Kl. 7–10) untergliedert sich in eine untere Oberstufe (Kl. 7 und 8) und eine obere Oberstufe (Kl. 9 und 10); denn mit Abschluß der Klasse 8 endet die eigentliche Einheitsschule und beginnt eine Verstärkung der Differenzierung in qualitativ unterschiedliche Bildungswege, wenn auch die Mehrzahl der Schüler die 9. und 10. Klassen der Normal-Oberschule besucht. Die Oberstufe wird dadurch differenziert, daß ab Klasse 7 der fakultative Unterricht in einer 2. Fremdsprache (Englisch oder Französisch mit 3 Wochenstunden) einsetzt und im Rahmen des polytechnischen Unterrichts auch die produktive Arbeit der Schüler in den beiden Varianten „Industrie“ und „Landwirtschaft“ durchgeführt wird. Eine noch stärkere Differenzierung erfährt der Unterricht in den Klassen 9 und 10 (obere Oberstufe) durch die zwar als außerunterrichtlich bezeichneten, jedoch eng mit dem Unterricht verbundenen jeweils wöchentlich 2stündigen Arbeitsgemeinschaften, für die 26 Rahmenprogramme vorliegen, sowie durch die polytechnischen Disziplinen Grundlagen der Produktion des sozialistischen Betriebes und produktive Arbeit der Schüler (seit 1974) in 10 Varianten. Auch mit dieser Differenzierung werden bereits verschiedene Bildungsgänge mit unterschiedlichen Aufstiegsmöglichkeiten angebahnt. Die zum 1. 9. 1978 erfolgte „Einführung des Wehrunterrichts als obligatorischer Bestandteil der Allgemeinbildung in den Klassen 9 und 10 der sozialistischen Oberschule“ stellt international eine bezeichnende didaktische bzw. intentional-inhaltliche Rarität dar. Der Wehrunterricht umfaßt für die Klasse 9: 4 Doppelstunden zu Fragen der sozialistischen Landesverteidigung für alle Schüler, die Wehrausbildung im Lager für Jungen (freiwillig; 12 Ausbildungstage zu je 8 Stunden) und den Lehrgang „Zivilverteidigung“ für alle Mädchen und den Teil der Jungen, der nicht an der Wehrausbildung im Lager teilnimmt (12 Lehrgangstage zu je 6 Stunden); für die Klasse 10: 4 Doppelstunden zu Fragen der sozialistischen Landesverteidigung für alle Schüler und 3 Tage Wehrbereitschaft mit insgesamt 18 Stunden für alle Schüler. Auf die Stundentafel bezogen, bedeutet dies für die 9. Klasse 3 und für die 10.~Klasse 1~Wochenstunde. Die Vorbereitungsklassen 9 und 10 stellen eine besondere Form der oberen Oberstufe insofern dar, als sie unmittelbar bzw. speziell auf den Unterricht in der Abiturstufe, insbesondere in der Erweiterten Oberschule, vorbereiten. Organisatorisch sind sie teilweise der 10klassigen Oberschule, hauptsächlich aber der Erweiterten Oberschule zugeordnet; sie [S. 299]stellen ein Relikt der vormals die Klassen 9–12 umfassenden Erweiterten Oberschule und „eine Übergangslösung, die lange Zeit Gültigkeit haben wird“, dar. Für die Aufnahme von Schülern in die Vorbereitungsklassen 9 und 10 gelten im wesentlichen die gleichen Grundsätze und Bedingungen wie für die Aufnahme in die Abiturstufe, insbesondere in die Erweiterte Oberschule. Zu einer Oberschule gehören in der Regel noch der Schulhort, unter Umständen auch das Schulinternat. Mit Ausnahme der 1. Klasse erfolgt am Ende jeder Klasse die Versetzung oder Nichtversetzung der Schülerin die nächsthöhere Klasse; probeweise Versetzung oder Rückversetzung sind nicht vorgesehen. Zum Abschluß der 10. Klasse wird von den Schülern der betreffenden Klassen in den verschiedenen Schulen die Abschlußprüfung (schriftliche Prüfung in Deutsch, Mathematik und Russisch sowie in Physik oder Chemie oder Biologie, mündliche Prüfung in 2 auszuwählenden Fächern und Sportprüfung) abgelegt und bei Bestehen das Abschlußzeugnis mit einem Gesamtprädikat erteilt. An den Abschlußprüfungen nehmen auch Lehrlinge, die bereits nach der 8. Klasse in die Berufsausbildung eingetreten sind und dort einen entsprechenden nachholenden allgemeinbildenden Unterricht erhalten haben, sowie Teilnehmer entsprechender Lehrgänge der Volkshochschulen teil. Für sämtliche Zeugnisse gilt eine einheitliche fünfgradige Zensurenskala: sehr gut (1), gut (2), befriedigend (3), genügend (4), ungenügend (5). Für besonders gute Leistungen bei der Abschlußprüfung werden Auszeichnungen verliehen (Schüler und Lehrlinge). Nach der Schulordnung (1967) sind alle Direktoren, Lehrer und Erzieher verpflichtet, ihre Leitungstätigkeit sowie ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit ausschließlich auf der Grundlage der verbindlichen staatlichen Lehrpläne, Stundentafeln, Lehrbücher und anderer Dokumente zu leisten und durch gewissenhafte Erfüllung der in diesen Dokumenten festgelegten Aufgaben die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß alle Schüler das Ziel der Klasse und der Schule erreichen können. Die politische, pädagogische und schulorganisatorische Leitung der Schule einschließlich des Schulhortes und des Schulinternates erfolgt nach dem Prinzip der Einzelleitung durch den Direktor sowie unter Teilnahme der Lehrer und Erzieher an der Arbeit des Pädagogischen Rates und der Schulleitung. Der Schulleitung, die vom Direktor ernannt wird, gehören an voll ausgebauten Oberschulen mindestens der Stellvertr. des Direktors, der Stellvertr. des Direktors für außerunterrichtliche Arbeit, der Leiter des Schulhortes, eventuell der Leiter des Schulinternats, der Lehrer für Berufsberatung (und polytechnischen Unterricht) sowie der Beauftragte des Patenbetriebes für den polytechnischen Unterricht an. Den Pädagogischen Rat, die Vollversammlung aller Lehrer und Erzieher einer Oberschule und beratendes Organ des Direktors, bilden die Schulleitung, alle Lehrer und Erzieher sowie der Freundschaftspionierleiter und der Vorsitzende des Elternbeirates. Die Ergebnisse der Beratungen des Pädagogischen Rates werden in Beschlüssen zusammengefaßt, die jedoch der Bestätigung durch den Direktor bedürfen und durch die die persönliche Verantwortung und damit auch die Entscheidung des Direktors nicht aufgehoben werden. Als Pläne für die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Oberschule sind jährlich der Arbeitsplan der Schule, die Klassenleiterpläne, der Stundenplan und der Zeitplan für die außerunterrichtliche Bildungs- und Erziehungsarbeit auszuarbeiten. Der Unterricht durch Privatschulen ist in der DDR grundsätzlich ausgeschlossen; Unterricht durch Privatpersonen an einzelne Schüler oder Schülergruppen außerhalb des obligatorischen Schulunterrichts in den schulischen Fächern darf nur mit Genehmigung des für die betreffenden Schüler zuständigen Schuldirektors erteilt werden. VI. Abiturstufe Die zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtungen, die Abiturstufe bzw. Abiturklassen, umfassen hauptsächlich die Erweiterte Oberschule mit den Klassen 11 und 12, aber auch die verschiedenen Spezialschul- und Sonderschul-Klassen 11 und 12, die Abiturklassen der Berufsausbildung (Jugendlicher), die Abiturlehrgänge (Gesamtlehrgänge) und die Sonderreifelehrgänge der Volkshochschulen sowie die (noch bestehenden) Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten der Bergakademie Freiberg und der Universität Halle-Wittenberg. Die fachgebundene Hochschulreife kann außerhalb dieses Systems auch in einer Sonderreifeprüfung an den Universitäten und Hochschulen erworben werden. An den Ingenieur- und Fachschulen erwerben die Studierenden die fachgebundene Hochschulreife mit der Abschlußprüfung. Die Hochschulreife bzw. das Abitur bezeugt lediglich den erfolgreichen Erwerb der für ein Hochschulstudium erforderlichen Allgemeinbildung und berechtigt nur zur Bewerbung, nicht jedoch zum Hochschulstudium, schon gar nicht in einem Fach eigener Wahl; denn der Zugang zum Hochschulstudium ist darüber hinaus von einem strengen Auswahl- und Zulassungsverfahren der Universitäten und Hochschulen abhängig, das jedoch praktisch immer mehr auf die 10. Klasse vorverlagert wird. Die Erweiterte Oberschule (EOS) bereitet unmittelbar und ausschließlich auf die Hochschulreife vor, auch wenn zahlreiche Abiturienten anschließend eine Berufsausbildung zum Facharbeiter im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen erwerben müssen; eine Ausbildung zum Facharbeiter ne[S. 300]ben der Vorbereitung auf den Erwerb der Hochschulreife, wie sie das Bildungsgesetz von 1965 noch vorsieht, erfolgt seit 1967/68 in den EOS nicht mehr. Obligatorische Unterrichtsfächer (mit Angabe der Gesamtwochenstundenzahl für beide Schuljahre) der EOS sind Deutsch (6), Russisch (6), 2. Fremdsprache (5), Staatsbürgerkunde (3), Geschichte (3), Geographie (2), Sport (4), Mathematik (10), Physik (6), Chemie (5) und Biologie (5); wahlweise-obligatorische Unterrichtsfächer sind Kunsterziehung oder Musik (2) sowie die wissenschaftlich-praktische Arbeit (8), die als Fortsetzung der Polytechnischen Bildung und des polytechnischen Unterrichts der Oberschule nach 9 verschiedenen Rahmenprogrammen durchgeführt werden kann. Für fakultative 25- und 50stündige Lehrgänge stehen insgesamt 6 Wochenstunden für beide Schuljahre sowie z. Z. 20 zusätzliche Lehrgangspläne unterschiedlicher Thematik zur Verfügung. Den EOS — wie auch den zur Hochschulreife führenden Spezial- und Sonderschul-Klassen — sind in der Regel Vorbereitungsklassen, deren Schüler nach den Lehrplänen für die Normalklassen 9 und 10 unterrichtet werden und die am Ende der 10. Klasse die Abschlußprüfung der Oberschule ablegen, sowie in den größeren Städten der ländlichen Bezirke häufig Schulinternate zur Aufnahme von Schülern aus den verschiedenen weiter entfernten Orten angegliedert. Die Reifeprüfung erfolgt als schriftliche Prüfung in den Fächern Deutsch. Russisch und Mathematik sowie in Physik oder Chemie oder Biologie, als mündliche Prüfung in 2 aus bestimmten Fächergruppen auszuwählenden Fächern und als Sportprüfung. Die Zahl der Fächer der mündlichen Prüfung kann bis auf 5 erhöht werden. Bei bestandenen Prüfungen wird das Reifezeugnis mit einem Gesamtprädikat ausgehändigt; für besonders gute Leistungen bei der Reifeprüfung werden Auszeichnungen verliehen (Schüler und Lehrlinge). In den Abiturlehrgängen (Gesamtlehrgängen) der Volkshochschulen werden Berufstätige mit abgeschlossener Oberschulbildung (10. Klasse) oder mit einer Bildung, die dem Niveau der Oberschulbildung entspricht, in 2 Jahren zum Abitur geführt, und zwar in den obligatorischen Fächern Deutsch (4), Russisch (4), Mathematik (8,5), Physik (5), Staatsbürgerkunde (2) und Geographie (1) sowie in den wahlweise-obligatorischen Fächern Chemie oder Biologie (4). Daneben werden an den Volkshochschulen auch Sonderreifelehrgänge zum Erwerb einer fachgebundenen Hochschulreife durchgeführt. Die Reifeprüfungen werden nach den Bestimmungen der Reifeprüfung für die EOS abgelegt und bewertet. In den Abiturklassen der Berufsausbildung werden Abgänger der Klasse 10 der Oberschule in einer in der Regel 3jährigen Lehrzeit zur Reife- und zur Facharbeiterprüfung geführt und vor allem auf ein Studium an Technischen und Ingenieur-Hochschulen vorbereitet; sie sollen deshalb auch vorrangig in solchen Berufen ausgebildet werden, die für den festgelegten Bedarf an Studienbewerbern in den technischen und ökonomischen Hauptfachrichtungen der Technischen und Ingenieur-Hochschulen die besten Voraussetzungen bieten. In den Abiturklassen der Berufsausbildung z. B. technischer und ökonomischer Richtung sind die obligatorischen allgemeinbildenden Fächer Deutsch (6), Russisch (6), 2. Fremdsprache (10), Staatsbürgerkunde (3), Geschichte (3), Geographie (2), Sport (6), Mathematik (10), Physik (6) und Chemie (5); dazu kommt noch der gegenüber der regulären Facharbeiterausbildung etwas gekürzte berufstheoretische (18) und berufspraktische Unterricht (22). Die Reifeprüfung wird nach den Bestimmungen für die Reifeprüfung an den EOS, die Facharbeiterprüfung nach den Bestimmungen der Facharbeiterprüfungsordnung durchgeführt; sind beide Prüfungen bestanden, so wird ein Reife- und Facharbeiterzeugnis mit zwei Gesamtprädikaten ausgehändigt; für besonders gute Prüfungsleistungen werden Auszeichnungen verliehen. Zur Aufnahme in die Abiturstufe, insbesondere in die EOS und dazu zuvor in die Vorbereitungsklassen 9 und 10, werden „die besten und befähigtesten Schüler unter Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung“ ausgewählt. Zu diesem Zweck schlagen die Direktoren der Oberschulen dem Kreisschulrat mit Zustimmung der Eltern die besten Schüler der 8. Klasse zur Vorbereitung auf den Besuch der EOS vor. Die vorgeschlagenen Schüler sollen sich sowohl durch gute Leistungen im Unterricht als auch durch einwandfreies Verhalten auszeichnen und „ihre Verbundenheit mit der DDR durch ihre Haltung und ihre gesellschaftliche Tätigkeit bewiesen haben“. Ferner werden bei den Vorschlägen Kinder von „Angehörigen der Arbeiterklasse“ besonders berücksichtigt. Aber auch Eltern von Schülern der 8. Klasse können beim Direktor der Oberschule einen Antrag auf Aufnahme ihrer Kinder in die Vorbereitungsklassen stellen. Der Direktor berät seine Vorschläge und die Anträge der Eltern zur Vorbereitung auf den Besuch der EOS mit den Klassenleitern und Fachlehrern der 8. Klasse unter Teilnahme des Elternbeiratvorsitzenden und des Freundschaftspionierleiters der Schule und reicht die von ihm übernommenen Vorschläge und Anträge an den Kreisschulrat weiter; dieser entscheidet in Zusammenarbeit mit den Direktoren der delegierenden Oberschulen und der EOS über die Aufnahme. Die in die Vorbereitungsklassen 9 und 10 aufgenommenen Schüler gelten als für den Besuch der EOS voraussichtlich geeignet und bleiben formal Schüler der Oberschule — auch wenn die Vorbereitungsklassen, wie es hauptsächlich der Fall ist, der EOS angegliedert sind — und legen am Ende des [S. 301]10. Schuljahres die Abschlußprüfung der Oberschule ab. Zur (endgültigen) Aufnahme in die EOS schlagen die Direktoren der EOS mit Vorbereitungsklassen die für geeignet befundenen Schüler der Klasse 10 vor. Darüber hinaus können aber auch Eltern von Schülern der Vorbereitungsklassen 10 die endgültige Aufnahme in die EOS beantragen. Aber auch von allen Schülern der 10. Normalklassen der Oberschule mit sehr guten Leistungen in den wissenschaftlichen Fächern, im fakultativen Unterricht einer zweiten Fremdsprache und in den außerunterrichtlichen Arbeitsgemeinschaften bzw. von deren Eltern können entsprechende Anträge gestellt werden. Zur (endgültigen) Aufnahme in die EOS bilden die Kreisschulräte Aufnahmekommissionen, die über jeden einzelnen Antrag entscheiden. Da die Aufnahmekommissionen in der Regel vor den Abschlußprüfungen tagen, erfolgt bei positiver Entscheidung die Aufnahme unter dem Vorbehalt, daß die Eignung durch die Leistungen und das Gesamtverhalten bis zur Abschlußprüfung der Oberschule und durch die Abschlußprüfung selbst bestätigt wird. Für die Aufnahme in die Berufsausbildung mit Abitur, d. h. in die Abiturklassen in den Einrichtungen der Berufsausbildung Jugendlicher, für die im Prinzip die gleichen Grundsätze wie für die Aufnahme in die EOS gelten, kommen vor allem solche Schulabgänger in Frage, die ein Studium an Ingenieurhochschulen, Technischen Hochschulen und Offiziershochschulen (mit technischer Fachrichtung) anstreben. Die Vorschläge und die Aufnahmeverfahren (Aufnahmekommission) werden jedoch in Zusammenarbeit mit den Kombinaten, Betrieben und Genossenschaften auf der Grundlage des zahlenmäßig eng begrenzten „Plans zur Neueinstellung von Schulabgängern für die Ausbildung in Abiturklassen“ durchgeführt, die auch die entsprechenden Lehrverträge abschließen. Die Aufnahmeverfahren werden zum Teil bereits im Laufe des 9. Schuljahres für die betreffenden Schüler durchgeführt. Auch bei der Aufnahme in die Abiturklassen der Berufsausbildung sollen Arbeiter- und Bauernkinder sowie Mädchen besonders berücksichtigt werden. Für den Besuch der Abiturlehrgänge (Gesamtlehrgänge) für Berufstätige an den Volkshochschulen ist eine Beurteilung durch den Betrieb, in dem der betreffende Berufstätige arbeitet, notwendig; Lehrlingen, sofern sie nicht in der Berufsausbildung mit Abitur lernen, ist seit kurzem die Teilnahme an den Abiturlehrgängen der Volkshochschulen (und Betriebsakademien) verboten; zeitweilig nicht berufstätige Frauen können dagegen aufgenommen werden. Nach dem VIII. Parteitag der SED (1971) wurde das auch heute noch anhaltende Bestreben deutlich, die Zahl der jährlichen Abiturienten und dazu die Schülerplätze an den zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtungen so niedrig zu halten, daß ihre Zahl möglichst weitgehend der in den Volkswirtschaftsplänen festgelegten Zahl der Hochschulstudienplätze entspricht. Dies bedeutet nichts anderes, als den „Numerus clausus“ vom Hochschuleingang auf den Abiturstufeneingang vorzuverlagern. VII. Sonderschulen und sonderpädagogische Einrichtungen Zum Sonderschulwesen gehören als Einrichtungen für wesentlich physisch oder psychisch geschädigte, jedoch schulbildungsfähige Kinder und Jugendliche Schulen für Schwachsinnige, Gehörlose, Schwerhörige, Sprachgestörte, Blinde, Sehschwache und Körperbehinderte sowie Schulen und Klassen für langfristig stationär Behandlungsbedürftige bzw. chronisch Erkrankte in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, und auch die sonderpädagogischen Beratungsstellen. Vorschul- und Berufsschulteile sowie zum Abitur führende Klassen sind jeweils organisatorische Bestandteile der betreffenden Sonderschulen. Darüber hinaus gibt es aber auch eigenständige Sonderkindergärten und Sonderberufsschulen, z. B. Sprachheilkindergarten, Gehörlosen-Berufsschule, Berufshilfsschule. Sonderschulen, die Kinder und Jugendliche eines oder mehrerer Kreise oder Bezirke aufnehmen, sind in der Regel Internatsschulen. Hilfsschulen sind 8klassige Schulen, denen zum Teil Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sind. Die schulbildungsfähigen schwachsinnigen Kinder und Jugendlichen werden entsprechend dem Grad ihrer Schädigung in einem A-, B- oder C-Zug nach differenzierten Lehrplänen unterrichtet. Die Gehörlosen-Schulen und die Gehörlosen-Hilfsschulen, denen Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein können, betreuen Kinder und Jugendliche, die auch bei Einsatz elektro-akustischer Hilfsmittel die Lautsprache auf natürlichem (akustischem) Wege nicht erlernen können. Die Gehörlosen-Schulen sind 10klassig, die Gehörlosen-Hilfsschulen 5klassig. Die 10- bzw. 12klassigen Schwerhörigen-Schulen und die 8klassigen Schwerhörigen-Hilfsschulen nehmen Kinder und Jugendliche auf, die durch eine Hörminderung dem Unterricht außerhalb dieser Einrichtungen nicht folgen können, die Sprache jedoch über das Ohr ― in der Regel mit Hörhilfen ― erlernen oder dem Unterricht über das Absehen vom Munde zu folgen vermögen; auch diesen Schulen können Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein. In den Sprachheilschulen oder durch ihre ambulant tätigen Sprach- und Stimmheilpädagogen werden Kinder und Jugendliche sonderpädagogisch gebildet und behandelt, die an einem totalen oder partiellen Unvermögen leiden, die normale Umgangssprache zu erlernen, so daß Erkenntnisfähigkeit und Kommunikation beeinträchtigt sind. Die sonderpädago[S. 302]gische Behandlung Sprach- und Stimmgeschädigter erfolgt in der Regel durch ambulant tätige Pädagogen in sonderpädagogischen Beratungsstellen; nur Kinder mit solchen Sprachstörungen, für deren Behandlung die Bedingungen der Beratungsstelle nicht genügen, werden in Vorschulgruppen und Sprachheilschulen eingewiesen. Die Sprachheilschulen sind 3- bzw. 6klassige Oberschulen, denen Vorschulgruppen angegliedert sind. Ziel der Sprachheilschulen ist es, die erfaßten Kinder sprachlich so zu fördern, daß die Mehrzahl von ihnen nach dem 3. Schuljahr in die Normalschule umgeschult werden kann. In den in der Regel 10klassigen Blindenschulen, denen Vorschulgruppen, Berufsschulklassen, zum Abitur führende Klassen für Sehgeschädigte sowie Hilfsschulklassen angegliedert sein können, werden Kinder und Jugendliche betreut, die infolge hochgradiger Sehschädigung auch mit Spezialsehhilfen Flachschrift nicht lesen und schreiben können und deren vollwertige Bildung und Erziehung außerhalb dieser Einrichtungen nicht gewährleistet ist. Abgänger der Blindenschule erhalten ihre Berufsausbildung im Rehabilitationszentrum für Blinde. Befähigte Schüler können in Klassen für Sehgeschädigte (Blinde und Sehschwache) zum Abitur geführt werden. Schulbildungsfähige schwachsinnige Blinde besuchen Hilfsschulklassen in den Blindenschulen. Die 10klassige Sehschwachen-Schule hat die Aufgabe, die Schüler auf der Grundlage der Lehrpläne der Normalschule mit Hilfe sonderpädagogischer Maßnahmen zum Oberschulabschluß zu führen. Befähigte Schüler können in den zum Abitur führenden Klassen für Sehgeschädigte die Hochschulreife erlangen. Abgänger aus der Sehschwachenschule, deren berufliche Ausbildung unter allgemeinen Bedingungen nicht gesichert werden kann, werden ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechend in speziellen Berufsschulklassen und gegebenenfalls Ausbildungsgruppen beruflich ausgebildet. Schulbildungsfähige schwachsinnige Sehschwache besuchen die 8klassigen Sehschwachen-Hilfsschulen. Ihre Berufsausbildung bzw. berufliche Eingliederung erfolgt nach den Rechtsvorschriften für Hilfsschulabgänger. Den Sehschwachen-Schulen und den Sehschwachen-Hilfsschulen können Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein. In Körperbehinderten-Schulen werden Kinder und Jugendliche aufgenommen, die in einer anderen Schule keine vollwertige Bildung und Erziehung erhalten können bzw. der Gefahr weiterer gesundheitlicher Schädigung oder psychischer Fehlentwicklung ausgesetzt sind; sie sind in der Regel 10klassig. Befähigte Schüler können in den zum Abitur führenden Klassen für Körperbehinderte die Hochschulreife erlangen. Abgänger aus den Körperbehindertenschulen, deren Berufsausbildung in den allgemeinen Ausbildungsstätten nicht gesichert werden kann, werden in Rehabilitationsstätten auf eine berufliche Tätigkeit vorbereitet. Schulbildungsfähige schwachsinnige Körperbehinderte besuchen die 8klassigen Körperbehinderten-Hilfsschulen; den Körperbehinderten-Schulen und den Körperbehinderten-Hilfsschulen können Vorschulgruppen und Berufsschulklassen angegliedert sein. Für Kinder und Jugendliche, die auch in Sonderschulen nicht betreut werden können, gibt es sonderpädagogische Einrichtungen, die auf allen Stufen die schul- und unterrichtsorganisatorischen Bedingungen, Methoden, Arbeitstechniken und pädagogischen Hilfen sowohl den Auswirkungen der Erkrankung als auch den Anforderungen der gültigen Lehrpläne anpassen und den altersgemäßen Übergang zur entsprechenden Bildungsstufe einer Sonder- oder örtlichen Oberschule ermöglichen sollen. Kinder und Jugendliche mit wesentlichen physischen und psychischen Schädigungen unterliegen der Meldepflicht; meldepflichtig sind die Jugendärzte, alle anderen Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens, Lehrer, Erzieher, Kindergärtnerinnen sowie die Eltern der geschädigten Kinder; die Meldung erfolgt an die zuständige Abteilung Volksbildung des Rates des Kreises. VIII. Sorbische Schulen und Klassen Auf der Grundlage zunächst des Gesetzes des Landes Sachsen zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung (1948), später der Verfassung der DDR und des Bildungsgesetzes wurden in dem sog. 2sprachigen Gebiet der heutigen Bezirke Cottbus und Dresden sorbische Schulen und Klassen bzw. sorbischer Sprachunterricht eingeführt. Darüber hinaus wird aber auch an anderen Bildungseinrichtungen, so in Kindergärten, an Berufsschulen, Betriebsakademien und Volkshochschulen der Gebrauch der sorbischen Sprache ermöglicht. Die Ausbildung entsprechend sprachlich befähigter Kindergärtnerinnen, Erzieher und Lehrer der unteren Klassen erfolgt am Sorbischen Institut für Lehrerbildung in Bautzen, die der Fachlehrer für das Fach Sorbisch in der Oberstufe erfolgt an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Die schulischen und anderen Möglichkeiten zur Pflege der sorbischen Sprache und Kultur sind offensichtlich größer als das tatsächliche Verlangen dieser Bevölkerungs- bzw. Sprachgruppe, insbesondere ihrer jüngeren Mitglieder, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Sorben (Minderheitenpolitik). IX. Spezialschulen und Spezialklassen Spezialschulen und Spezialklassen sind elitäre Bildungseinrichtungen im Rahmen des allgemeinbildenden Schulwesens, zum Teil auch in Verbindung [S. 303]mit dem Hochschulwesen, die „besonderen Erfordernissen der Nachwuchsentwicklung für die Wirtschaft, die Wissenschaft, den

Einheitliches sozialistisches Bildungssystem (1979) Siehe auch die Jahre 1975 1985 I. Ziele und Grundsätze Nach Auffassung der marxistisch-leninistischen Pädagogik (Pädagogische Wissenschaft und Forschung), wie sie gegenwärtig in der DDR ― darin vor allem der sowjetischen Pädagogik und Bildungspolitik folgend ― offiziell vertreten wird, ist die sozialistisch-kommunistische Bildung und Erziehung und darin besonders die Herausbildung eines sozialistischen Bewußtseins…

DDR A-Z 1979

Landwirtschaft (1979) Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Die Bedeutung der Landwirtschaft für die Volkswirtschaft Im Wirtschaftssystem der DDR ist der L. die Aufgabe gestellt, die Bevölkerung, soweit möglich, aus eigener Erzeugung mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Von Ausnahmen abgesehen (pflanzliche Produkte tropischer und mediterraner Herkunft), wird die DDR von der Wirtschaftsführung auf dem Ernährungssektor grundsätzlich als „autarkiebegabt“ bezeichnet. Während der Jahre 1973–1977 wurde in Abhängigkeit von der Entwicklung des Verbrauchs und der Ernteerträge ein Selbstversorgungsgrad von 72–82 v. H. erreicht. Die Abhängigkeit von Nahrungsgüterimporten soll durch die Steigerung der pflanzlichen Produktion, die zugleich die Futtergrundlage für die tierische Produktion darstellt, verringert werden. Bezogen auf das Jahr 1975 wird bis zum Ablauf des Perspektivplanes 1976—1980 folgende Entwicklung der Agrarproduktion angestrebt: Im vorausgegangenen Fünfjahrplan (1971–1975) überstieg die Leistung der tierischen Produktion — aufgrund umfangreicher Futtermittelimporte — die Planziele jährlich um bis zu 20 v. H., so daß die DDR z. B. bei Fleisch und Fleischprodukten zum Nettoexporteur auch für den EG-Markt wurde. Daher konnten die Zuwachsraten der tierischen Produktion für die Jahre 1976–1980 geringer angesetzt [S. 643]werden. Bedingt durch die trockenen Jahre 1975 und 1976 und den unvermindert ansteigenden Verbrauch der Bevölkerung sind 1977 vereinzelt Lücken in der Fleischversorgung aufgetreten (Lebensstandard). Zu den Aufgaben der L. gehören weiterhin landeskulturelle Maßnahmen (Bodennutzung, Meliorationen) sowie der Ausbau der ländlichen Infrastruktur. Die L.-Betriebe sind ferner Träger sozialer und kultureller Einrichtungen im ländlichen Raum, dessen Entwicklung darauf abzielt, die zwischen Stadt und Land bestehenden Unterschiede abzubauen (Agrarpolitik), wie die Politik der Industrialisierung der Landwirtschaft darauf abzielt, die Arbeits- und Lebensbedingungen in diesem Bereich denen in anderen Volkswirtschaftszweigen anzugleichen. Die Beziehungen der L. zu den direkt vor- bzw. nachgelagerten Wirtschaftszweigen werden im Rahmen des Agrar-Industrie-Komplexes (AIK) geregelt. Rund 86 v. H. der gesamten Agrarproduktion unterlagen 1976 der Weiterbe- und -Verarbeitung durch die Nahrungsgüterwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Die Bedeutung der L. für die Volkswirtschaft der DDR wird aus dem Umfang ihres Anteils am Produktionsaufwand und ihres Beitrages zum Sozialprodukt deutlich. Im Durchschnitt der Jahre 1973–1977 beanspruchte die L, 11,2 v. H. der Berufstätigen und 13,1 v. H. der Grundmittel (Produktionskapital ohne lebendes Inventar); sie verbrauchte 11,3 v. H. der Investitionen und trug mit 11,0 v. H. zur Entstehung des Nettoproduktes der DDR bei. II. Produktionsgrundlagen A. Nutz- und Ackerflächenverhältnisse Vom Staatsgebiet der DDR sind ca. 58 v. H. landwirtschaftlich genutzte Fläche (LN) (Bundesrepublik Deutschland 54 v. H.). Da zugleich die Bevölkerungsdichte der DDR um ca. 37 v. H. unter der der Bundesrepublik liegt, steht in der DDR die 1,8fache Nahrungsfläche je Einwohner zur Verfügung. Durch außerlandwirtschaftliche Inanspruchnahme hat die DDR zwischen 1950 und 1970 ca. 240.000 ha LN verloren. Zur Vermeidung unnötiger Bodenverluste wurde 1967 eine Bodennutzungsgebühr (bis zu 400.000 Mark/ha LN) eingeführt (Bodennutzung). Gleichzeitig wurde ein umfangreiches Wiederurbarmachungs- und Rekultivierungsprogramm für Bergbauflächen eingeleitet. Im Zeitraum 1971—1978 wurden insgesamt 13.800 ha Abbaufläche rekultiviert, aus denen jedoch nur 4.500 ha LN gewonnen werden konnten. Zusätzlich wurden seit 1970 jährlich rd. 2.200 ha Öd- und Umland kultiviert. Weitere Nutzflächen werden aus dem Umbruch von Wege- und Grabenflächen gewonnen, so daß der Umfang der LN seit 1972 mit durchschnittlich 6,29 Mill. ha konstant gehalten werden kann. Die Trennung der DDR vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und die wiederholten Eingriffe in die Agrarstruktur (Bodenreform, Kollektivierung, Industrialisierung) beeinflußten das Nutzflächenverhältnis bis 1970 insofern, als der Ackeranteil ständig zugunsten des Dauergrünlandanteiles verringert wurde. Auf dem VIII. Parteitag der SED (1971) ist diese Entwicklung gestoppt worden. Seitdem sind mehr als 200.000 ha Grünland zu Ackerflächen umgebrochen und gleichzeitig die vor allem durch Sonderkulturen genutzte Fläche erweitert worden. 1975 entfielen 76 v. H. der Nutzfläche auf Acker- und 20 v. H. auf Grünland (Bundesrepublik 57 v. H. Acker- und 39 v. H. Grünland). Ebenso wie das Nutzflächenverhältnis ist auch das Ackerflächenverhältnis in gegensätzlicher Weise verändert worden. Im Verhältnis zur Vorkriegszeit wurden die Getreide- und die Hackfruchtfläche verringert und — wegen des erweiterten Großviehbestandes — der Feldfutterbau ebenso wie das Dauergrünland (s. o.) erweitert. Dem Ziel der Selbstversorgung entsprechend erweiterte man den Anbau von Ölfrüchten und — in Abhängigkeit von den Hek[S. 644]tarerträgen — den Zuckerrübenanbau, während ― wegen der sich wandelnden Verzehrgewohnheiten ― der Kartoffel- und Hülsenfruchtanbau zurückgenommen wurden. Die Ende der 60er Jahre einsetzende Industrialisierung der L. bewirkte (entgegen den Planauflagen) nicht nur die unerwünschte Grünlanderweiterung, sondern sie bewirkte vor allem, daß die auf die Pflanzenproduktion spezialisierten Betriebe den Speisekartoffelanbau, den Feldfutter- und den Zwischenfruchtbau vernachlässigten. Statt dessen neigten sie zum Anbau von Verkaufsprodukten, die ihnen ― im Gegensatz zur Rauhfutterproduktion ― einen gesicherten Preis garantierten. Um die Futterversorgung zu sichern, mußten die Ptlanzenbaubetriebe durch Planauflagen verpflichtet werden, den häufig defizitären Feldfutter- und Zwischenfruchtbau zu erweitern. Die Eignung des Getreidebaus zur Mechanisierung und die seit 1972 verstärkt angewendeten Strohaufschlußverfahren zur Rauhfuttergewinnung haben zur Folge, daß der Getreideanbau ständig erweitert wird. Entsprechende Erträge bei den Hackfrüchten und im Futterbau vorausgesetzt, wird beim Getreide ein Ackerflächenanteil von rd. 60 v. H. (wie zur Vorkriegszeit) angestrebt. Das Vorkriegsniveau ist beim Wintergetreide mit rd. 1,9 Mill. ha bereits erreicht worden und soll zu Lasten des Sommergetreides (1977 rd. 625.000 ha LN) weiter ausgedehnt werden. In den Ackerflächen sind für das Jahr 1977 neben rd. 1 61.000 ha Freilandgemüse auch etwa 12.000 ha AF der Saat- und Pflanzguterzeugung sowie Flächen für 1 zahlreiche Sonderkulturen enthalten, sofern diese nicht dem Gartenbau oder den rd. 40.000 ha LN umfassenden Haus- und Kleingärten, die ebenfalls zur Marktproduktion bei Obst und Gemüse usw. beitragen, zuzuordnen sind. B. Die Viehbestände Die nach 1945 durchgesetzten strukturellen Veränderungen, insbesondere die Auflösung der meisten Großbetriebe und die Einrichtungen zahlreicher kleiner Neubauernbetriebe, haben zur Aufstockung der Viehbestände geführt, die auch während der Kollektivierung und in der nachfolgenden Industrialisierung unverändert fortgeführt worden ist. Zwar haben die Eingriffe in die Betriebsstruktur wie auch witterungsbedingte Futterverknappungen zeitweilig Bestandsverminderungen zur Folge gehabt. Dies ist jedoch in den Folgejahren jeweils ausgeglichen bzw. überkompensiert worden. Der Viehstapel der DDR ist im Verhältnis zur Bevölkerung relativ hoch. Trotz der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile ist die Produktionspolitik primär auf einen hohen Viehbestand gerichtet. Die Leistung der Tiere — und damit die Wirtschaftlichkeit der Viehhaltung — wird zwar ständig verbessert, gilt jedoch grundsätzlich als nachgeordnetes Ziel. C. Die Betriebs- und Arbeitskräftestruktur Die landwirtschaftliche Betriebsstruktur ist Hauptziel und Gegenstand der Agrarpolitik der DDR. Die Einrichtung ständig neuer Landwirtschaftlicher [S. 645]Betriebsformen wie auch deren Erweiterung, Einschränkung oder Abschaffung sind jedoch mehr ein Indikator für den Grad der Vergesellschaftung der Produktionsmittel als das Ergebnis einer nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gestalteten Betriebsorgan isation. Von den nach Abschluß der Kollektivierung (1960) bestehenden rd. 20.000 Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) unterschiedlichen Typs existierten 1975 noch 4.566. Im gleichen Zeitraum ist auch die Zahl der Volkseigenen Güter (VEG) von 669 auf 463 verringert worden. Während die von den VEG bewirtschaftete Fläche von rd. 396.000 ha auf 474.000 ha LN erweitert wurde, ist die von den LPG bewirtschaftete Fläche von rd. 5,41 Mill. ha auf 5,12 Mill. ha LN zurückgegangen. (Die Anzahl der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaften [GPG] stieg von ursprünglich 298 auf 369 Betriebe im Jahr 1963, und nahm danach kontinuierlich bis auf 287 Betriebe im Jahr 1975 ab. Dessenungeachtet hat die von den GPG insgesamt bewirtschaftete Fläche regelmäßig von rd. 13.700 ha im Jahr 1960 bis 1975 auf rd. 24.800 ha LN zugenommen.) Im Zuge der Einführung industriemäßiger Produktionsverfahren in die L. der DDR sind bis dahin bestehende Betriebsformen aufgelöst und durch völlig neue mit weitgehend spezialisierten Produktionsaufgaben ersetzt worden. Im Juni 1977 waren folgende Betriebe und Betriebsformen an der Agrarproduktion beteiligt: 1. Spezialisierte Betriebe der Pflanzenproduktion 114 Volkseigene Güter (VEG) Pflanzenproduktion 721 LPG Pflanzenproduktion 416 Kooperative Abteilungen Pflanzenproduktion 2. Spezialbetriebe zur Unterstützung der Pflanzen- und Tierproduktion 258 Agrochemische Zentren (ACZ) zur Durchführung der Mineraldüngung, der Pflanzenschutzarbeiten (sowie neuerdings zur Ausbringung organischer Dünger). 153 Kreisbetriebe für Landtechnik (KfL) zur vorbeugenden Instandhaltung und Instandsetzung der Agrartechnik. 15 VEB Organische Düngerstoffe mit 123 Betrieben und Betriebsteilen zur Aufarbeitung organischer Substanzen bzw. Humusgewinnung. 320 Trockenwerke zur Grüngut- und Hackfruchttrocknung sowie zum Aufschluß und nachfolgender Pelletierung von Stroh oder zur Ganzpflanzenpelletierung. 3. Spezialisierte Betriebe der Tierproduktion 31 Kombinate für Industrielle Mast (KIM) vorwiegend zur Geflügelfleisch- und Eierproduktion, 29 Volkseigene Güter (VEG) Tierproduktion 7 LPG Tierproduktion 328 ZBE Tierproduktion. 4. Darüber hinaus bestanden 2.960 nicht spezialisierte LPG Tierproduktion, deren Produktion noch weitere Zweige der Viehhaltung umfaßt. Während die Betriebe der Pflanzenproduktion in der Größenordnung von durchschnittlich 5.000 bis 6.000 ha LN organisiert sind, arbeiten die noch nicht spezialisierten Betriebe der tierischen Produktion aufgrund der gegebenen Gebäudeverhältnisse in einer Vielzahl kleiner Ställe, so daß die statistisch ausgewiesene Betriebsstruktur von nur geringem Aussagewert über die Produktionsverhältnisse ist. Die Veränderung der Agrarverfassung im allgemeinen und der Betriebsstruktur im besonderen haben sowohl den Arbeitskräftebesatz als auch die Struktur der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte beeinflußt. So war es den LPG-Mitgliedern während der 60er Jahre weitgehend verwehrt, die LPG bzw. die L. zu verlassen. Darüber hinaus wurden zusätzliche Arbeitskräfte den „Stützpunkten der Arbeiterklasse auf dem Lande“ zugewiesen (MAS, MTS bzw. KfL, ACZ usw.), so daß der AK-Besatz insgesamt höher liegt, als er unter bäuerlichen Bedingungen wäre. Die berufliche Beschränkung der LPG-Mitglieder hatte ferner zur Folge, daß die „bäuerliche“ Jugend entweder einen außerlandwirtschaftlichen Beruf ergriff, zumindest nicht Mitglied der LPG wurde. Eine zunehmende Überalterung der LPG-Mitglieder bzw. eine verstärkte Abnahme der LPG-Mitglieder nach 1970 war die Folge. Durch hohe Leistungen in der Berufsausbildung konnte jedoch eine relativ günstige Altersstruktur der ldw. Arbeitskräfte aufrechterhalten werden. Die Anzahl der Berufstätigen, die jünger als 25 Jahre [S. 646]sind, hat trotz des Rückganges der Beschäftigten von 1966 bis 1975 um 9.300 zugenommen. Mit der Auflösung der alten Sozialstruktur haben auch in der L. neue Strukturmerkmale Bedeutung erlangt. Als solche sind neben dem Ausbildungsstand (Landwirtschaftliche ➝Berufsausbildung) die Zugehörigkeit zu bestimmten Produktionsrichtungen (Spezialbetriebe), vor allem aber die Stellung innerhalb der errichteten Großbetriebe, von Bedeutung, die ihrerseits u. a. vom Qualifikationsniveau abhängt. Ein Vergleich der in den verschiedenen Aufgaben- und Arbeitsgebieten eingesetzten ständig beschäftigten Arbeitskräfte für die Jahre 1971 und 1974 zeigt, daß mit der Einführung industriemäßiger Produktionsverfahren der Anteil des Verwaltungs-, Leitungs- und Ausbildungspersonals absolut und relativ zunimmt, während der jenige der in der Produktionsphäre Beschäftigten insgesamt abnimmt. Diese Abnahme ist jedoch ausschließlich auf die Pflanzenproduktion beschränkt. Im Jahr 1974 waren einschließlich des zugehörigen Personals für Technik, Transport, Werkstatt- und Reparaturwesen in der Pflanzenproduktion rd. 347.000 Arbeitskräfte (= 5,5 ständige Berufstätige/100 ha LN) beschäftigt, die jedoch nur 42,9 v. H. der insgesamt beschäftigten Arbeitskräfte ausmachen. Rechnet man den Aufwand für Leitung und Verwaltung (rd. 12 v. H.) anteilig hinzu, erforderte allein die Pflanzenproduktion 6,25 Arbeitskräfte / 100 ha LN. Die Zunahme des Personals in der Viehwirtschaft und im Gartenbau wird mit der Erweiterung des Viehbestandes und mit der Ausdehnung des Obst- und Gemüsebaus erklärt. D. Die Ausstattung der Landwirtschaft mit Produktionsmitteln Die mit der Einführung industriemäßiger Produktionsverfahren vorgegebenen Ziele erforderten sowohl die verstärkte Verwendung ertragssteigernder Produktionsmittel, um höhere Erträge erzielen zu können, als auch den Einsatz arbeitssparender Technologien, d. h. eine steigende Kapitalausstattung der Arbeitskräfte und entsprechende Investitionen. Seit Abschluß der Kollektivierung (1960) hat der Einsatz dieser Mittel und Technologien ständig zugenommen. 1. Die Kapitalausstattung der Land- und Forstwirtschaft Der Zuwachs an Investitionsgütern ist statistisch nur unzureichend nachzuweisen, weil ihre steigende Qualität und Leistungsfähigkeit aus der rein zah[S. 647]lenmäßigen Aufstellung nicht ersichtlich wird. Die Investitionsprozesse der Landtechnik vollziehen sich in etwa 10jährigem Abstand, wobei eine neue technische Generation gegenüber der vorhergehenden eine um etwa 100 v. H. höhere Leistung erbringen soll. Statistisch nimmt daher die Zahl der eingesetzten Maschinen ab, während die Kapazität der technischen Ausrüstung steigt. Als Indikator für die steigende Mechanisierung der Agrarproduktion ist die „energetische Basis“ am besten geeignet. Obwohl also die Kapazität der eingesetzten Traktoren in 15 Jahren von 38,7 auf 129 PS je 100 ha LN gestiegen ist, nahm ihr Anteil an der PS-Ausstattung insgesamt ab, weil ein wachsender Anteil auf selbstfahrende Erntemaschinen und Transportfahrzeuge (Lkw) entfällt. Von Ausnahmen abgesehen sind gegenwärtig sämtliche Arbeitsverfahren mechanisiert. Alle Ernteverfahren können mit Vollerntemaschinen durchgeführt werden. Die Erwartung, daß die industriemäßigen Verfahren zu Rationalisierungsvorteilen durch Senkung der Maschinenkapazität führen, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil sind die entwickelten bzw. eingesetzten Spezialmaschinen nur während der jeweiligen Saison ausgelastet; ihr Einsatz erfordert zusätzliche Transportkapazitäten und schafft zusätzliche Auslastungsprobleme. Der Transportaufwand und damit die Transportkapazität haben insbesondere durch die eingeführten Betriebsgrößen erheblich zugenommen. In der tierischen Produktion werden jährlich für 2,0 bis 3,5 v. H. des Viehbestandes neue Ställe errichtet, was einer Nutzungsdauer der Gebäude von etwa 30 bis 50 Jahren entspricht. Da die Altgebäude nach Ablauf dieses Zeitraumes nur bedingt weiter verwendet werden können, ist eine Erhöhung des Gebäudekapitals anhand der in den Produktionsprozeß einbezogenen Stallgebäude schwer nachweisbar. Mit der Modernisierung von Altgebäuden ist in der DDR erst seit dem IX. Parteitag der SED (1976) in größerem Umfang begonnen worden. Zu diesem Zeitpunkt konnten rd. 90 v. H. der Milchkühe mit Hilfe von Melkanlagen gemolken werden. Andere arbeitsparende oder die Arbeit erleichternde Technologien (Stallmistung, Selbsttränken) waren seltener im Einsatz. Das Ziel, die tierische Produktion in industriemäßigen Anlagen zu betreiben, wird — auf den Gesamtviehbestand bezogen — 1980 durchschnittlich erst zu 20 v. H. verwirklicht sein. Bezogen auf den Durchschnitt der Jahre 1966–1970 haben die jährlichen Investitionen bis 1977 um 31,5 v. H. und der Grundmittelbestand (Besatzkapital ohne Viehvermögen) um 54,7 v. H. zugenommen. [S. 648]Die Höhe des Grundmittelbestandes und der Investitionen ist durch die Gestaltung der in der DDR geltenden Produktionsmittelpreise bestimmt. Gemessen am Preisniveau der Bundesrepublik Deutschland liegen die Preise der DDR für Maschinen und Fahrzeuge 1975 durchschnittlich um 10–15 v. H. niedriger, während die Gebäude und Stallausrüstungen um ein Mehrfaches teurer sind. Hieraus erklärt sich der hohe Anteil der Bauinvestitionen trotz der relativ geringen Bauleistung. 2. Der Einsatz ertragssteigernder Produktionsmittel. Der Sicherung eines hohen Selbstversorgungsgrades dienen alle Maßnahmen der Bodenverbesserung (Meliorationen) und der Bewässerung sowie vor allem die Düngung, der Pflanzenschutz und der Einsatz von Futterkonzentraten in der tierischen Produktion. Der monetäre Wert der Meliorations- und Bewässerungseinrichtungen ist in den o. g. Investitionen bzw. Grundmitteln enthalten. Im Jahr 1975 galten 38 v. H. der LN als entwässerungs- und 68 v. H. als bewässerungsbedürftig. Zu diesem Zeitpunkt konnten 20,6 v. H. entwässert und 10,5 v. H. der LN bewässert, davon 4,0 v. H. beregnet werden. Bis 1980 soll die bewässerte Fläche 18,0 v. H. der LN (Beregnung auf 9,7 v. H.) erweitert werden. Der Aufwand von Pflanzenschutz- und Düngemitteln hat ständig zugenommen, jedoch entfällt der überwiegende Anteil der Pflanzenschutzmittel auf Herbizide und wirkt damit vor allem arbeitssparend: In der Mineraldüngung wurde insbesondere der Stickstoff- und Phosphorsäureaufwand erhöht, der seit Ende der 60er Jahre über dem Aufwand der L. in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Mit den übrigen Mineraldüngern sind die Böden der DDR traditionsgemäß gut versorgt, so daß der zu verzeichnende Verbrauchsrückgang unbedenklich ist. Der monetäre Wert des Mineraldüngeraufwandes wird mit durchschnittlich 240 Mark/ha LN für das Jahr 1977 angegeben. Mit weiteren 135 Mark/ha LN werden die organischen Düngestoffe bewertet. Für Pflanzenschutzmittel wurden 1975 rd. 313 Mill. Mark (= 67 Mark/ha AF) aufgewendet. Bis 1980 wird eine Zunahme auf 428 Mill. Mark (bei 4,8 Milli ha Acker = ca. 90 Mark/ha AF) erwartet. Mit Hilfe der importierten Eiweißkonzentrate konnte die Mischfutterproduktion von 2,9 Mill. t (1970) auf 4,5 Mill. t (1975) erheblich gesteigert werden. Infolgedessen standen (unter Einbeziehung der Geflügelhaltung) 1975 mit 7,74 dt pro GV rd. 42,5 v. H. mehr Mischfutter zur Verfügung als im Jahr 1970 (5,43 dt/GV). Die Mischfutterproduktion soll bis 1980 auf 6,12 Mill. t erhöht werden. III. Die Produktionsleistung der Landwirtschaft A. Der naturale Ertrag Der naturale Produktionsertrag wird in der Pflanzenproduktion bestimmt durch den Umfang der Erntefläche (s. o.) und durch den Ertrag pro Flächeneinheit. Nachfolgend ist die Entwicklung der Erträge für die wichtigsten Verkaufsfrüchte und Futterkulturen, die etwa 90 v. H. der LN umfassen, während des Zeitraums 1966–1977 angegeben. Die Summe aller pflanzlichen Erzeugnisse wird in dt Getreideeinheiten (dt GE/ha LN) als Bruttobodenproduktion ausgewiesen. (Der von der DDR für die Ermittlung der Bruttobodenproduktion verwendete GE-Schlüssel stimmt nicht mit dem in der Bundesrepublik verwendeten GE-Schlüssel überein, so daß die Ergebnisse der DDR nicht direkt mit denen der Bundesrepublik verglichen werden dürfen. Die Produktionsergebnisse im Pflanzenbau müssen sowohl im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland als auch gemessen an den eigenen Zielen und am Produktionsaufwand als unbefriedigend angesehen werden. Von Ausnahmen (z. B. Wintergerste) abgesehen werden die Produktionsergebnisse der Bundesrepublik nicht erreicht. Die Verdopplung des Pflanzenschutzmittelaufwandes und die Erhöhung der Stickstoffgaben (s. o.) haben nicht zu einer entsprechenden Zunahme der Erträge geführt. Insbesondere sind die Hackfruchterträge der DDR gering, sie erreichen bei Kartoffeln und Zuckerrüben im Durchschnitt der Jahre 1971–1975 nicht die Vor[S. 649]kriegsergebnisse. (Im Durchschnitt der Jahre 1934–1938, der wegen der außerordentlich schlechten Ernte des Jahres 1934 auf niedrigem Niveau liegt, wurden im Gebiet der DDR durchschnittlich 173 dt Kartoffeln und 291 dt Zuckerrüben pro ha Erntefläche erzielt.) Ein weiteres Problem ergibt sich für die DDR aus dem von Jahr zu Jahr stark schwankenden Hektarerträgen. Die Silomaiserträge lagen 1977 um 96,0 v. H. über denen des Jahres 1976. Die Kartoffelerträge sanken von 1974 bis 1975 auf 63,5 v. H. Die Zuckerrübenerträge des Jahres 1971 (243,2 dt/ha) lagen um rd. 25 v. H. unter denen der Jahre 1970 und 1972. Ertragsschwankungen sind in diesem Umfang und in dieser Häufigkeit vor dem Krieg im Gebiet der DDR nicht üblich gewesen. Da sie nicht vorhersehbar sind, belasten sie die auf langfristige Planvorgaben und genaue Planerfüllung verpflichtete Wirtschaftsleitung der DDR. Die tierische Produktion ist abhängig vom Umfang des Viehbestands und von der durchschnittlichen Leistung der Tiere, wobei die Bestandsveränderungen zu berücksichtigen sind. Die DDR erreichte 1974 bei einem Besatz von 92,6 GV/100 ha LN ihren bisher höchsten Viehbestand. Die trockenen Erntejahre 1975 und 1976 führten insbesondere zu einer Verringerung der Rinderbestände, die bis 1978 nicht ausgeglichen werden konnte. Gleichzeitig sanken auch die Schlachtgewichte und das Durchschnittsgewicht der Tiere im Viehbestand, so daß das Aufkommen an Rind- und Kalbfleisch zunächst kaum ansteigen wird. Die Stagnation in der Rindfleischerzeugung wird durch weiterhin wachsende Schweine- und Geflügelbestände ausgeglichen, jedoch nimmt der Anteil des Rind- und Kalbfleisches an der Schlachtviehproduktion überproportional ab. Die insgesamt positive Bilanz der tierischen Produktion — wie sie sich aus dem Vergleich der Ergebnisse der Jahre 1966–1970 mit denen der Jahre 1971–1975 bzw. 1977 ergibt — beruht jedoch vorwiegend auf dem steigenden Einsatz hochwertiger Futtermittel, in dessen Folge die Milchleistung je Kuh bzw. die Legeleistung pro Henne um 12,8 bzw. 28,0 v. H. zugenommen hat. In gleicherweise ist das Schlachtviehaufkommen wesentlich stärker als der Viehbestand angestiegen. B. Die monetäre Leistung Die monetäre Produktionsleistung der L. ergibt sich aus der Summe der verkauften Produkte und den hierfür erzielten Preisen. Die Erzeugerpreise der DDR sind in den vergangenen Jahren mehrfach angehoben worden. Bezogen auf das Jahr 1968 stieg der Index der Erzeugerpreise bis 1977 im Durchschnitt auf 116,5 v. H. (pflanzliche Produkte 106,4 v. H., tierische Produkte 119,6 v. H.). Die durchschnittlichen Verkaufserlöse betrugen 1977 pro dt bei Ölfrüchten 107,90 Mark, Braugerste 55,09 Mark, Roggen 40,55 Mark, Weizen 36,35 Mark, Kartoffeln 25,28 Mark und Zuckerrüben 8,40 Mark. Für tierische Produkte wurden je 100 kg bezahlt für Schlachtschweine 504,60 Mark, Schlachtgeflügel 494,80 Mark, sonstiges Schlachtvieh 515,50 Mark, Milch 83 Mark, gewaschene Wolle 5.937,10 Mark und für 100 Eier 32,20 Mark. Die Relationen zwischen den Preisen für pflanzliche und tierische Produkte wie auch innerhalb dieser Produktgruppen sind nach marktwirtschaftlichem Verständnis nicht zu rechtfertigen. Die Preisfestsetzung erfolgt auf administrativem Wege (Agrarpolitik) und hat zur Voraussetzung, daß das Produktionsprogramm der Betriebe ebenfalls administrativ festgelegt wird (z. B. durch Trennung der Pflanzen- von der Tierproduktion, Spezialisierung der Betriebe auf bestimmte Produktionszweige oder Produkte usw.). Die wachsende Produktionsleistung bei gleichzeiti[S. 650]ger Anhebung der Erzeugerpreise hat zu einem überproportionalen Anstieg der monetären Erzeugungsleistung geführt. Aus Gründen der Vergleichbarkeit sind die Angaben für das Bruttoprodukt der L. und Forst- und Holzwirtschaft sowie für den Produktionsmittelverbrauch und das Nettoprodukt nur für die Jahre 1968–197 5 angegeben: Das Bruttoprodukt stieg im angegebenen Zeitraum um 61,4 v. H. Da jedoch gleichzeitig der Produktionsaufwand mehr als doppelt so stark (um 130,7 v. H.) zunahm, wuchs das bei den Erzeugern verbleibende Nettoprodukt nur um 7,5 v. H. Die steigenden Produktionskosten konnten von den Betrieben bzw. von der L. nur mit Hilfe der erhöhten Erzeugerpreise aufgebracht werden. Da jedoch die Verbraucherpreise auf relativ geringem Niveau festgeschrieben sind, waren umfangreiche Subventionen erforderlich. Aus dem Staatshaushalt der DDR wurden „zur Aufrechterhaltung niedriger Verbraucherpreise“ für Nahrungsmittel während der Jahre 1966–1970 insgesamt 22,0 Mrd. Mark aufgewendet. Für den selben Zweck mußten in den folgenden 5 Jahren (197 1–1975) 32,6 Mrd. Mark, d. h. 48,2 v. H. mehr aufgebracht werden. Christian Krebs Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 642–650 Landtechnik A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Landwirtschaftliche Betriebsformen

Landwirtschaft (1979) Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 I. Die Bedeutung der Landwirtschaft für die Volkswirtschaft Im Wirtschaftssystem der DDR ist der L. die Aufgabe gestellt, die Bevölkerung, soweit möglich, aus eigener Erzeugung mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Von Ausnahmen abgesehen (pflanzliche Produkte tropischer und mediterraner Herkunft), wird die DDR von der Wirtschaftsführung auf dem Ernährungssektor grundsätzlich als…

DDR A-Z 1979

Werkzeugmaschinenbau (1979)

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR ab 1968 ein Industriezweig des Industriebereichs Maschinen- und Fahrzeugbau, der alle Betriebe zum Bau, zur Reparatur und Montage von spanabhebenden und kaltumformenden Werkzeugmaschinen sowie von Scheren- und Schmiedeausrüstungen umfaßt. Die Bruttoproduktion des W. stieg von 1960 bis 1976 um das 3,4fache (zum Vergleich: die industrielle Bruttoproduktion stieg im gleichen Zeitraum nur um das 2,62fache). Bis Ende 1967 gehörte der W. zum Industriezweig Schwermaschinenbau im Industriebereich Metallverarbeitende Industrie. Der W. umfaßte damals ca. 70 Betriebe mit etwa 30.000 Beschäftigten. Gegenwärtig gehören zum Industriezweig W. 60 Volkseigene Betriebe, die in 5 Kombinaten mit insgesamt 70.000 Beschäftigten zusammengefaßt sind. Im Rahmen der 1969/70 verfolgten strukturpolitischen Konzeption, strukturbestimmende Bereiche zusammenzufassen, wurden u. a. im W. folgende Kombinate gegründet: der VEB Schwermaschinenbaukombinat „Ernst Thälmann“ Magdeburg (1969 gegründet - 13.000 Beschäftigte -), der VEB Werkzeugmaschinenkombinat „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt (1970 gegründet) und der VEB Werkzeugkombinat Schmalkalden (1969 gegründet). 1977 stammten 40 v. H. aller in der DDR gefertigten Werkzeugmaschinen aus den Betrieben des VEB Werkzeugkombinat „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt. Das Kombinat umfaßt 15 Produktionsbetriebe, 1 Projektierungsbetrieb und das Forschungszentrum des W. in Karl-Marx-Stadt. Insgesamt sind 25.000 Werktätige in diesem Kombinat beschäftigt. Der hohe Eigenbedarf an Werkzeugmaschinen kann durch die DDR nicht gedeckt werden, da mit der UdSSR langfristige Lieferabkommen eingegangen wurden, die die Maschinenbaukapazitäten auf Jahre hinaus beanspruchen. Im W. — z. B. in der spanlosen Verformung bei Bohrwerken, Dreh- und Schleifmaschinen — können Werkzeugmaschinen aus der DDR durchaus einen Qualitätsvergleich mit Produkten aus westlichen Industrieländern bestehen. In Osteuropa nimmt der W. der DDR eine führende Position ein. Nach Angaben des „American Machinist“ bestritt die DDR 1976 5,6 v. H. der Weltproduktion an Werkzeugmaschinen (13,26 Mrd. US-$) und 10,8 v. H. des Weltwerkzeugmaschinenexports (5,57 Mrd. US-$) und lag damit weiterhin an fünfter bzw. zweiter Stelle in der Länderrangfolge. Die Exportintensität des W. der DDR wird nur von wenigen Industrieländern übertroffen bzw. erreicht. Sie ist auch höher als die der Bundesrepublik Deutschland. Hauptabnehmer der Werkzeugmaschinen aus der DDR ist die UdSSR; mit Abstand folgen die übrigen RGW-Länder. Um den aus der Verbreiterung des Teilesortiments bei sinkenden Losgrößen resultierenden Anwenderwün[S. 1170]schen — z. B. nach rascher Umrüstbarkeit — nachzukommen und gleichzeitig die eigene Fertigung zu rationalisieren. hat sich auch in der DDR das Baukastenprinzip immer stärker durchgesetzt. Für Sondermaschinen genügt es oft, die Baukastenelemente mit Zusatzausrüstungen zu ergänzen. Zugleich ist das Angebot universell einsetzbarer Maschinen größer geworden. Der W. soll im gegenwärtigen Fünfjahrplan (1976 bis 1980) seine Produktion um 56–57 v. H. gegenüber 1975 erhöhen. Maschinenbau. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1169–1170 Werktätiger A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Wertgesetz

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1985 Entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR ab 1968 ein Industriezweig des Industriebereichs Maschinen- und Fahrzeugbau, der alle Betriebe zum Bau, zur Reparatur und Montage von spanabhebenden und kaltumformenden Werkzeugmaschinen sowie von Scheren- und Schmiedeausrüstungen umfaßt. Die Bruttoproduktion des W. stieg von 1960 bis 1976 um das 3,4fache (zum Vergleich: die industrielle Bruttoproduktion stieg im gleichen Zeitraum nur um das 2,62fache).…

DDR A-Z 1979

Akademie für Ärztliche Fortbildung (1979)

Siehe auch: Akademie für ärztliche Fortbildung: 1965 1966 Akademie für Ärztliche Fortbildung: 1962 1963 1969 1975 1985 Akademie für Sozialhygiene: 1965 1966 Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und Ärztliche Fortbildung: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 Unter diesem Namen sind 1970 3 der 4 Zentralinstitute zusammengefaßt worden, in die die 1948 gegründete Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und Ärztliche Fortbildung 1960 zerlegt worden war; nur das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin ist selbständig geblieben (Arbeitshygiene). das Institut für Sozialhygiene und Organisation des Gesundheitsschutzes ist 1976 wieder verselbständigt worden. Die A. untersteht dem Ministerium für Gesundheitswesen. Nach ihrem Statut (15. 12. 1971) ist die A. jetzt „Leitinstitut für die Weiterbildung der im Gesundheits- und Sozialwesen tätigen Hochschulkader“ (d. s. die berufstätigen Hochschulabsolventen). Außerdem sind ihr — als Nachfolgerin der in ihr aufgegangenen Institute für Sozialhygiene und für Planung und Organisation des Gesundheitsschutzes — Forschungsaufgaben auf den Gebieten der Leitung, Planung, Organisation und Ökonomie des Gesundheits- und Sozialwesens übertragen. Im einzelnen soll die A. nach ihrem Aufgabenkatalog 1. die Bildungsinhalte für die Leitungs- und Hochschulkader erarbeiten, 2. Qualifizierungsmaßnahmen für diese Kader zentral durchführen. 3. dezentrale Qualifizierungsmaßnahmen koordinieren. 4. die Weiterbildung der Ärzte und Zahnärzte fachlich und methodisch anleiten und koordinieren sowie die hohe Qualität der obligatorischen Fortbildung für Ärzte sichern und dafür Referentenmaterial herausgeben. 5. Lehrmaterialien und Lehrmittel erarbeiten, 6. die Berufsausbildung und die Weiterbildung der Mittleren medizinischen Fachkräfte und der Fachschulkader (d. s. die berufstätigen Fachschulabsolventen) im Gesundheits- und Sozialwesen unterstützen, 7. wissenschaftliche Grundlagen zur Entwicklung der Berufs- und Qualifikationsstruktur im Gesundheits- und Sozialwesen erarbeiten. 8. philosophische und wissenschafts-theoretische Grundlagen von Medizin und Biologie und deren Anwendung im Gesundheitsschutz und Beiträge zur Theorie der Medizin erarbeiten, 9. wissenschaftliche Grundlagen der Leitung und Planung des Gesundheits- und Sozialwesens, insbesondere für die Organisation der medizinischen und sozialen Betreuung und der medizinischen Forschung entwickeln und 10. wissenschaftliche Vorarbeiten für die Gestaltung des Informationswesens (d. i. Planung, Rechnungsführung und Statistik) des Gesundheits- und Sozialwesens leiten. Dieser weitgespannte Aufgabenkreis ist gegenüber dem der medizinischen Institute der Akademie der Wissenschaften nicht klar abgegrenzt. Leiter der A. ist der Rektor. Er wird auf 3 Jahre vom Wissenschaftlichen Rat gewählt, einem Kollegium aus „hervorragenden Hochschullehrern und Wissenschaftlern“, das dem Rektor als „kollektives wissenschaftliches Beratungsorgan“ zur Seite steht. Allgemeines Beratungs- und Kontrollorgan des Rektors ist ein Gesellschaftlicher Rat, wie er an den übrigen Universitäten und Hochschulen existiert. Die A. ist in Sektionen gegliedert. Diese haben Lehrstühle, auf denen Hochschullehrer, aber auch „hervorragende Ärzte und Wissenschaftler, die in Einrichtungen des Gesundheitswesens eine leitende Funktion ausüben“. hauptamtlich tätig sind. Außer ihnen sind nebenamtlich als Honorarprofessoren und Honorardozenten Hochschullehrer der Universitäten und Medizinischen Akademien tätig. Rektor ist gegenwärtig (1978): Prof. Dr. sc. med. Kurt Winter. Sitz: Berlin-Lichtenberg. Gesundheitswesen, VI. A. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 34 Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG)

Siehe auch: Akademie für ärztliche Fortbildung: 1965 1966 Akademie für Ärztliche Fortbildung: 1962 1963 1969 1975 1985 Akademie für Sozialhygiene: 1965 1966 Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und Ärztliche Fortbildung: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 Unter diesem Namen sind 1970 3 der 4 Zentralinstitute zusammengefaßt worden, in die die 1948 gegründete Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und Ärztliche Fortbildung 1960 zerlegt worden war; nur das Zentralinstitut…

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Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW) (1979)

Siehe auch: Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAdW): 1969 Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW): 1975 1985 In ihrem Statut von 1971 wird die SAW als wissenschaftliche Institution bezeichnet, die als „Gesellschaft hervorragender Gelehrter“ einen wichtigen Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen und geistig-kulturellen Lebens leistet. Sie wurde am 1. 7. 1846 als Königlich Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften gegründet und trägt seit dem 1. 7. 1919 ihren heutigen Namen. Seit 1956 untersteht sie dem Ministerrat der DDR. Ihre Aufgaben erfüllt die SAW in enger Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften der DDR auf der Grundlage eines langfristigen, abgestimmten Arbeitsprogramms. Die Zuordnung zur AdW erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Ministerrates mit dem Ziel, die Arbeit der SAW stärker auf die Schwerpunkte der Wissenschaftspolitik zu orientieren. Die Leitung der SAW liegt bei einem Präsidium, dem der Präsident (gegenwärtig Prof. Dr. Kurt Schwabe), der Vizepräsident, die Leiter der Klassen und der Sekretär der Parteigruppe der SED angehören. Zu ordentlichen Mitgliedern der SAW können bis zu 65 Wissenschaftler der DDR gewählt werden, die ihren Wohnsitz in den Bezirken Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Halle, Erfurt, Gera oder Suhl haben. Als Ausdruck besonderer Ehrung können Wissenschaftler außerhalb der DDR zu auswärtigen bzw. korrespondierenden Mitgliedern der SAW gewählt werden. Die ordentlichen Mitglieder bilden das Plenum der SAW. Bei der SAW bestehen eine mathematisch-naturwissenschaftliche und eine philologisch-historische Klasse, zu deren Aufgaben die Vorbereitung der Sitzungen des Plenums gehört. Plenarsitzungen finden monatlich — mit Ausnahme der Sommermonate — statt. Im Mittelpunkt stehen Referate zu Forschungsschwerpunkten der beiden Klassen, die danach in den Sitzungsberichten der SAW veröffentlicht werden. Forschungsschwerpunkte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse sind u. a. Probleme der Gerontologie, der Wirkungsmechanismen von Neurohormonen und die Entwicklung einer mathematischen Theorie spezieller analytischer Funktionen und Fragen des Umweltschutzes. Die philologisch-historische Klasse befaßt sich u. a. mit der Herausgabe von regional-historischen Bibliographien und eines althochdeutschen Wörterbuches sowie der Erforschung der Sprache der frühen deutschen Lyrik. Die naturwissenschaftlich-mathematische Klasse hat 29 ordentliche und 38 auswärtige, die philologisch-historische Klasse 26 ordentliche und 31 auswärtige Mitglieder aus mehreren west- und osteuropäischen Staaten sowie aus der Bundesrepublik Deutschland. Der Status des „früher ordentlichen, gegenwärtig auswärtigen Mitglieds“ für Wissenschaftler aus der Bundesrepublik wurde vor einigen Jahren abgeschafft. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 919 Sabotage A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Sachversicherung

Siehe auch: Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAdW): 1969 Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW): 1975 1985 In ihrem Statut von 1971 wird die SAW als wissenschaftliche Institution bezeichnet, die als „Gesellschaft hervorragender Gelehrter“ einen wichtigen Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen und geistig-kulturellen Lebens leistet. Sie wurde am 1. 7. 1846 als Königlich Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften gegründet und trägt seit dem…

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1979: K

Kabarett Kabinette Kabinette Neue Technik Kaderpolitik Kaliindustrie Kammerabkommen Kammer der Technik (KdT) Kammer für Außenhandel (KfA) Kampfgruppen Kampflied Kandidat Kandidatengruppe Karikatur Karl-Marx-Universität Leipzig Kartenwesen Kasernierte Volkspolizei Kassation Kasse der gegenseitigen Hilfe (KdgH) Katastrophenkommission Katastrophenschutz Kauffonds Kaufkraft Kennziffern Kernforschung Kinderbeihilfen Kindergarten Kindergeld, staatliches Kinderheime Kinderhort Kinderkrippen, Kindergarten Kinder- und Jugendliteratur Kinder, uneheliche Kinder, Zusammenführung mit Eltern Kirchen Kirchensteuern Kirchentage Klassen Klassenbewußtsein Klassenkampf Klassenkampf auf dem Lande Kleinbürgertum Klub der Intelligenz Klubhäuser, Betriebliche Koexistenz Kohleindustrie Kolchos Kollegien Kollektive Führung Kollektivierung Kollektiv, Sozialistisches Kollektiv- und Arbeitserziehung Kombinat Kombinat Seeverkehr und Hafenwirtschaft --- Deutfracht/Seereederei Kominform Komintern Komitee Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer Komitee für Gesundheitserziehung Kommission Kommission für Arbeit und Löhne Kommissionshandel Kommissionsvertrag Kommunismus Komplexwettbewerb Konfessionen Konfliktkommissionen Konflikt, sozialer Konföderation Konkurs Konsulate Konsumgenossenschaften Konsumgütermessen Konsumgüterversorgung Konsumneigung Konsumtion, Gesellschaftliche Kontenführungspflicht Kontrolle Kontrollkommission Kontrollkommissionen der SED Kontrollplätze Kontrollrat Kontrollstreifen Konvergenztheorie Konzentrationslager Konzert- und Gastspieldirektionen Kooperation in der Industrie Kooperation in der Landwirtschaft Kooperationsverbände Kooperationsverband (KOV) Koordinierung Körpererziehung/Kinder- und Jugendsport Korrespondenten Kostenrechnung KPD/DKP KPdSU Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Kraftfahrzeugindustrie Kraftfahrzeugkennzeichen, Polizeiliche Kraftfahrzeugsteuer Kraftstoffversorgung Kraftverkehr Krankengeld Krankenhaus Krankenstand Krankenversicherung, Freiwillige Kredit Kreis Kreisgericht Kreisparteiorganisationen der SED Kreisplankommissionen Kreisstaatsanwalt Kreistag Krieg Kriegshetze Kriegsopferversorgung Kriegsverbrecher Kriegsverbrecherprozesse Kriminalität Krise Kritik und Selbstkritik Kulturarbeit des FDGB Kulturbund der DDR Kulturelles Erbe Kulturelle Zusammenarbeit Kulturfonds Kulturhaus Kulturkommission Kulturobmann Kulturpolitik Kulturstätten Kultur- und Sozialfonds Kündigungsrecht Künstler-Agentur der DDR Kunstpolitik Kupferbergbau Kuren der Sozialversicherung Kurorte Kybernetik

Kabarett Kabinette Kabinette Neue Technik Kaderpolitik Kaliindustrie Kammerabkommen Kammer der Technik (KdT) Kammer für Außenhandel (KfA) Kampfgruppen Kampflied Kandidat Kandidatengruppe Karikatur Karl-Marx-Universität Leipzig Kartenwesen Kasernierte Volkspolizei Kassation Kasse der gegenseitigen Hilfe (KdgH) Katastrophenkommission Katastrophenschutz Kauffonds Kaufkraft Kennziffern Kernforschung Kinderbeihilfen Kindergarten Kindergeld,…

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Staatssekretariat für Kirchenfragen (1979)

Siehe auch: Amt für Kirchenfragen: 1969 Kirchenfragen, Amt für: 1962 1963 1965 1966 Kirchenfragen, Staatssekretariat für: 1958 1959 1960 Staatssekretär für Kirchenfragen: 1969 1985 Staatssekretariat für Kirchenfragen: 1975 Die Bildung eines StK. in der DDR, wie es in einigen Staaten des Ostblocks, vor allem in der UdSSR bereits bestand, zeichnet sich in den Jahren 1956/57 ab. Bis dahin fielen Fragen, die sich auf den Bereich Kirche bezogen, unter die Zuständigkeit des Ministerpräsidenten der DDR. Grotewohl (SED), bzw. seines Stellvertreters Nuschke (CDU). 1954 wurde Nuschke gelegentlich als verantwortlicher Minister für Kirchenfragen bezeichnet, obwohl ihm bis dahin lediglich eine Art Verbindungsbüro unterstand. Zwischen diesem Büro und dem Innenmini[S. 1041]sterium hatte es häufig Kompetenzschwierigkeiten gegeben. Am 1. 3. 1957 ernannte der Ministerrat der DDR einen Staatssekretär für Kirchenfragen. Er wurde dem Amt für Kirchenfragen bei der Regierung Grotewohl, das von Nuschke geleitet wurde, zur Seite gestellt. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs für Kirchenfragen wurde der Atheist und Altkommunist Werner Eggerath beauftragt. Der 1900 in Elberfeld geborene Bauarbeitersohn, der 10 Jahre in NS-Haft verbracht hatte, war nach vorübergehender Tätigkeit als SED-Landesvorsitzender und Ministerpräsident in Thüringen Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der DDR gewesen. Unter Eggerath wurde der Kirchenkampf, vor allem in den Jahren 1957–1959, verschärft. Er richtete sich besonders gegen den Militär-Seelsorge-Vertrag in der Bundesrepublik Deutschland, die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und die Einheit der EKD. 1960 trat Eggerath „aus Gesundheitsgründen“ zurück. Es deutet jedoch einiges darauf hin. daß die SED zu diesem Zeitpunkt ihr Verhältnis zu den Kirchen einer vorsichtigen Revision unterzog. Nachfolger wurde der Altkommunist Hans Seigewasser (1973). Mit seinem Amtsantritt wurde das Amt in StK. umbenannt und gewann in der Folgezeit beträchtlich an Bedeutung. Auch Seigewasser hat mehrere Jahre in Haftanstalten und Konzentrationslagern des Dritten Reiches zugebracht. In den Beginn seiner Amtszeit fiel die von Ulbricht angestrebte Annäherung der SED an die Kirchen, besonders an die evangelische Kirche. Diese Politik warb bei den Christen um Mitarbeit beim Aufbau des Sozialismus und führte zu einer Abschwächung der bisherigen Konfrontation zwischen Staat und Kirche. Zugleich betrieb Seigewasser jedoch im Auftrag von SED-Chef W. Ulbricht die Spaltung der EKD, die mit der Errichtung des Evangelischen Kirchenbundes endete (Kirchen). Die Kontakte des Staatssekretärs mit katholischen Stellen blieben im allgemeinen auf Zusammenkünfte mit dem Beauftragten von Kardinal Bengsch in dessen Eigenschaft als Vorsitzender der Berliner Bischofskonferenz beschränkt. Fragen, die die kirchliche Jurisdiktion, das Verhältnis zur katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, die Abgrenzung gegenüber dem westdeutschen Episkopat sowie die sich anbahnenden Kontakte der Regierung der DDR zum Vatikan betreffen, wurden meist oberhalb der Ebene des StK. unter direkter Einschaltung des Politbüros der SED behandelt. Der Staatssekretär für Kirchenfragen nimmt überdies an den in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Konferenzen aller Leiter der Kirchenämter bzw. StK. bei den Regierungen der Ostblockländer teil. Das StK. untersteht dem Ministerium des Innern. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1040–1041 Staatssekretariat für Geologie A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Staatssekretariat für Körperkultur und Sport

Siehe auch: Amt für Kirchenfragen: 1969 Kirchenfragen, Amt für: 1962 1963 1965 1966 Kirchenfragen, Staatssekretariat für: 1958 1959 1960 Staatssekretär für Kirchenfragen: 1969 1985 Staatssekretariat für Kirchenfragen: 1975 Die Bildung eines StK. in der DDR, wie es in einigen Staaten des Ostblocks, vor allem in der UdSSR bereits bestand, zeichnet sich in den Jahren 1956/57 ab. Bis dahin fielen Fragen, die sich auf den Bereich Kirche bezogen, unter die Zuständigkeit des…

DDR A-Z 1979

Steuern (1979)

Siehe auch: Steuern: 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Steuerwesen: 1953 1954 1956 1958 1959 I. Begriff Nach der Abgabenordnung der DDR sind St. „… Geldleistungen (an den Staat), die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und (die) von den zuständigen staatlichen Organen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zu trifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nicht darunter fallen Zölle, Gebühren und Beiträge“ (GBl., SDr. Nr. 681, 1970, S. 1, Abs. 1). Diese Wesenserklärung der St. stimmt teilweise wörtlich mit der Kennzeichnung überein, die in der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit besitzt. Gemäß der von der SED-Führung erlassenen Weisung dürfen aus politisch-ideologischen Gründen im Abgabenrecht der DDR und in der finanzwissenschaftlichen Lehre nur diejenigen Pflichtzahlungen an den Fiskus St. genannt werden, die a) aus dem nicht-staatseigenen Sektor der Wirtschaft stammen und die b) von der Bevölkerung geleistet werden. Alle Pflichtzahlungen, welche dagegen die staatseigenen Betriebe aller Wirtschaftsbereiche an die öffentlichen Haushalte leisten, werden als „Staatseinnahmen aus der volkseigenen Wirtschaft“ bezeichnet. Dieser staatlichen Sprachregelung wird von einzelnen Finanzwissenschaftlern in der DDR ab und an widersprochen. Sie weisen darauf hin, daß die Abgaben der staatseigenen Betriebe alle Kennzeichen einer St. erfüllen. Wie jede andere St. auch ist z. B. die Nettogewinnabführung der staatlichen Kombinate ein auf Dauer gerichteter zwangsweiser Werttransfer an den Fiskus, ohne daß damit eine spezielle oder generelle Gegenleistung des Staates an den abgabenpflichtigen Großbetrieb verbunden ist. Ganz offenkundig St.-Charakter hätten die produktgebundenen Abgaben, die bei nahezu allen Konsumgüterumsätzen fällig würden (= kombinierte Umsatz- und Verbrauchs-St.). Die durch diese Abgaben erzielten Einnahmen werden zwar durch die Betriebe kassiert und von ihnen an den Staatshaushalt weitergeleitet, gezahlt und getragen würden sie jedoch von den privaten Haushalten, welche die mit Abgaben belasteten Verbrauchsgüter kaufen. Angesichts dieser Sachlage hätte man auch in der Sowjetunion für die produktgebundenen Abgaben die korrekte Bezeichnung „differenzierte Umsatzsteuer“ gewählt. Demgegenüber wird von den Wirtschaftsfachleuten der SED geltend gemacht, daß der Begriff St. einen „Wechsel“ im Eigentum am betreffenden Teil des Nationaleinkommens (voraussetzt)“ („Ökonomisches Lexikon“, Bd. II, L-Z, 2. Aufl., Berlin [Ost] 1970, S. 744). Diese Bedingung sei bei den Abgaben der volkseigenen Wirtschaft nicht erfüllt. Über den Bruttogewinn der in Gemeineigentum befindlichen Betriebe könne der Staat nach seinem Ermessen verfügen. Daher wäre die Zentralisierung von Teilen des Bruttogewinns der VEB und Kombinate im Staatshaushalt nichts anderes als die Inanspruchnahme eines Teils der erwirtschafteten Erwerbseinkünfte durch den faktischen Eigentümer des betrieblichen Produktivvermögens. Denn ein Eigentumswechsel fände bei dem Wertetransfer von der Staatswirtschaft zur Staatskasse doch offenkundig nicht statt. Diejenigen Finanzwissenschaftler, welche die Abgaben der Staatswirtschaft als St. betrachten, halten jedoch diese Begründung für nicht überzeugend. Sie knüpfe lediglich an formaljuristische Tatbestände an. Viel wichtiger sei jedoch, daß die Bemessung, die Einziehung und die Funktionen der Abgaben aus der Staatswirtschaft die gleiche seien wie bei den echten St. Für die in der Bundesrepublik vom Staat erhobenen nicht-rückzahlbaren Geldleistungen der Zahlungspflichtigen wird in der westdeutschen Finanzwissenschaft und Finanzpraxis häufig auch neben dem Etikett „Steuer“ der synonyme Begriff „Abgaben“ benutzt. Diese Bezeichnung trifft man auch vielfach in der Fachliteratur der DDR an. Allerdings hat sie sich dort nicht als Oberbegriff eingebürgert, der sowohl die Steuern der Bevölkerung und der nicht-volkseigenen Wirtschaft als auch die Abführungen der Staatswirtschaft an den Fiskus umfaßt. In der Abgabenordnung vom 2. 11. 1970 bezieht sich diese Umschreibung nur auf die St. im engeren Sinne und auf die Verbrauchsabgaben genannten Verbrauchs-St., die in der DDR nur noch für wenige ausgewählte Konsumwaren erhoben werden. In der Regel sind die Anfang der 50er Jahre eingeführten Verbrauchsabgaben in den Produktions- und Dienstleistungsabgaben (= produktgebundene Abgaben) aufgegangen. Abweichend vom Sprachgebrauch des DDR-Abgabenrechts wird in einigen RGW-Ländern die Be[S. 1051]zeichnung „Abgaben“ aber auch bei der Namensgebung für einzelne Abführungen verwendet, welche die Staatsbetriebe an die öffentlichen Etats zu überweisen haben. So erhielt z. B. die auf das Produktivvermögen bezogene Kapital-St. der Handels- und Produktionsbetriebe in der DDR den Namen Handelsfondsabgabe und Produktionsfondsabgabe. Als Sammelbegriff für alle Pflichtzahlungen, die an die Staatskasse geleistet werden, hat sich in den letzten 10 Jahren immer mehr die Umschreibung „Staatseinnahmen“ durchgesetzt. Dieser Begriff deckt alle Formen der staatlichen Mittelbeschaffung ab. Er umschließt auch die Weiterleitung der Erlöse der Einrichtungen der gesellschaftlichen Konsumtion an die öffentlichen Haushalte (z. B. der Eintrittsgelder für den Besuch kultureller Veranstaltungen) und die Einkünfte aus Gebühren, Beiträgen und Zöllen. II. Funktionen der Steuern Die Dienste, welche die St. im Auftrage der Staatsführung zu erfüllen haben, können 1. fiskalischer Art und/oder 2. finanzpolitischer Natur sein. Im ersten Fall helfen sie bei der Beschaffung der Geldmittel, welche die Regierung benötigt, um die Produktion von öffentlichen Gütern für ihre eigenen Zwecke zu bezahlen und um das Angebot von öffentlichen Leistungen zu finanzieren, welche für die Bevölkerung bestimmt sind. Im zweiten Fall dienen die St. der Verwirklichung wirtschafts- und sozialpolitischer Zielsetzungen. In Übereinstimmung mit den Funktionen des gesamten Finanzsystems werden in der DDR die St. dazu genutzt, um folgende 4 finanzpolitischen Aufgaben zu erfüllen: 1. Sie sollen die Wirtschaftsführung bei der Lenkung der Produktionsressourcen in die vom Staat gewünschten Verwendungen unterstützen (= Allokations- und Lenkungsfunktion). Dazu gehört z. B., daß die Wirtschaftsführung über variable steuerliche Teuerungszuschläge auf ausgewählte Verbrauchsgüter (= Umsatz- und Verbrauchs-St.) bestimmte Einkommensverwendungen der privaten Haushalte diskriminiert (darunter den Kauf von Autos, Pelzen, Alkohol und Importwaren) und bestimmte Verbrauchsausgaben begünstigt (darunter den Kauf von Büchern und Kinderbekleidung). Ziel dieser steuer- und preispolitischen Beeinflussung der Kaufentschlüsse der Konsumenten ist, die Verbraucher dazu zu bewegen, einen Warenkorb zu wählen, welchen der Staat ex ante aufgrund seiner Prioritäten als den besten für seine Bürger ausgesucht hat. Gelingt diese steuer- und preispolitische Formierung der privaten Kaufentschlüsse, so erfolgt die Allokation der Ressourcen in der Konsumgüterindustrie entsprechend den Präferenzen der Staatsführung. 2. Gezielte St.-Erleichterungen und St.-Vergünstigungen dienen in der DDR in großem Umfang zur Stimulierung von Leistungen und zur Stabilisierung des Arbeitseinsatzes auf einem hohen Leistungsniveau (= Stimulierungs- und Stabilisierungsfunktion). Zu diesen steuerlichen Anreizmaßnahmen gehört, daß häufig bei Wirtschaftsunternehmen der Gewinnsteuersatz für Gewinne über das Plansoll hinaus niedriger ist als der Prozentanteil vom Nettogewinn, den der Staat vom Plangewinn der Betriebe als normale Nettogewinnabführung beansprucht. Um die Werktätigen zu Höchstleistungen im Produktionsprozeß anzuspornen, werden z. B. Prämien zum tariflichen Zeitlohn, der durch Stückakkord erzielte Mehrverdienst und Leistungslöhne der Arbeitnehmer, sofern sie ihre individuellen Normen erfüllt haben. nur mit einem Steuersatz von gleichbleibend 5 v. H. belastet. 3. Genauso wie in der Bundesrepublik Deutschland werden auch in der DDR die St. dazu benutzt, um über Korrekturen der personellen Einkommens- und Vermögensverteilung ein höheres Maß an sozialer Gerechtigkeit herzustellen und um über eine gleichmäßigere Wohlstandsverteilung die sowjetsozialistische Gesellschaftsordnung zu stabilisieren (= Distributionsfunktion). Im Unterschied zu Westdeutschland ist jedoch in der DDR nicht die Lohn- und Einkommen-St. das Hauptinstrument der Regierung bei der Verwirklichung verteilungspolitischer Ziele. Diese Aufgabe hat man in erster Linie der kombinierten Umsatz- und Verbrauchs-St. übertragen (= produktgebundene Abgaben). Dementsprechend werden in der DDR aus den Einnahmen durch die Besteuerung des gehobenen Verbrauchs und des Luxuskonsums die Preissubventionen zur Verbilligung der Nahrungsgüter und das Angebot von Wohlfahrtsleistungen für die Bevölkerung im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen finanziert. 4. Zu den systemtypischen Aufgaben der St. gehört ferner die Überwachung der Planerfüllung durch die staatseigenen Wirtschaftsunternehmen. Vor jedem neuen Plan- und Wirtschaftsjahr wird für jede einzelne Produktionsorganisation genau errechnet, wie hoch ihre St.-Pflicht a) bei den produktgebundenen Abgaben, b) bei der Nettogewinnabführung und c) bei der Produktionsfondsabgabe ist, sofern der betreffende Betrieb den ihm vorgegebenen Betriebsplan voll erfüllt. Produziert nun der Betrieb teurer, als dies vor Beginn des neuen Wirtschaftsjahres vorherzusehen war, und kann er auch seine im Plan vorgeschriebene Auflage zur Senkung der Stückkosten nicht erfüllen, so entstehen für ihn Finanzierungsengpässe. Falls er dadurch mit seinen planmäßigen Gewinnabführungen an den Staat in Verzug gerät, ist dies für die Wirtschafts- und Finanzbehörden ein Signal, um nachzuprüfen, aus welchen Gründen die Planstörungen entstanden sind und wie man Abhilfe schaffen könnte. [S. 1052]<III. Anknüpfungspunkte der Besteuerung (Steuerquellen)> Anders als in der Bundesrepublik werden in der DDR die St.-Quellen danach eingeteilt, welchem Eigentumssektor sie zugehören. Es gibt daher kein Einteilungsschema, welches die St. danach unterscheidet, ob Anknüpfungspunkt der Besteuerung a) Bestandsgrößen in Form von Geld- und Sachkapital sind oder ob b) das Objekt der Besteuerung die Wertschöpfung ist (= Ressourcenzuwachs in der laufenden Periode). Bekanntlich haben in der DDR auf der einen Seite steuerpolitische Vergünstigungen für den staatlichen und für den kollektivierten Wirtschaftssektor und auf der anderen Seite steuerpolitische Diskriminierungen für die Privatwirtschaft eine große Rolle bei der Transformation der individualistischen Eigentums- und Wirtschaftsordnung in die Zentralplanwirtschaft sowjetischen Typs gespielt. Entsprechend dieser sozial-revolutionären Zielsetzung wurde die Besteuerungspolitik von Anfang an danach differenziert, zu welcher Kategorie von Eigentumsform der jeweilige steuerpflichtige Betrieb gehörte. Je nachdem, ob das St.-Subjekt ein Staatsbetrieb, eine Produktionsgenossenschaft oder ein privater Gewerbebetrieb ist, gelten jeweils andere St.-Gesetze und Besteuerungsformen. Auch die Anfang der 50er Jahre neugestaltete Besteuerung der individuellen Einkommen ist bis heute maßgeblich von klassenkämpferischen Zielsetzungen beeinflußt. So werden z. B. persönliche Einkommen aus Produktivvermögen und selbständiger Unternehmertätigkeit durch Erhebung exorbitant hoher St. diskriminiert, während demgegenüber die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit im Arbeitsprozeß nur einer gelinden Besteuerung unterworfen werden. Diese politisch-ideologischen Hintergründe sind dafür verantwortlich, daß es in der DDR praktisch nur ein einziges Kennzeichnungsschema für die Unterscheidung der Abgabenarten nach dem Anknüpfungspunkt der Besteuerung gibt. Diese St.-Systematik unterscheidet die Abgaben danach, aus welchem Eigentumssektor der Wirtschaft sie stammen. Dabei wird die Bevölkerung als ein Eigentumssektor besonderer Art angesehen. Die Konsequenz dieses Kategoriensystems der St.-Arten ist, daß dadurch die Bevölkerung zu einer eigenen St.-Quelle wird. Entsprechend der in der DDR gebräuchlichen Unterscheidung der Abgaben nach ihrer sozialökonomischen Herkunft gibt es im Osten 4 Klassen von fiskalischen Pflichtzahlungen: <1.> Abgaben der Staatswirtschaft, <2.> St. der nichtverstaatlichten Wirtschaft, <3.> St. der Bevölkerung (Besteuerung persönlicher [S. 1053]Einkünfte aus den verschiedenen Einkommensquellen), <4.> Sonstige St. und Abgaben. IV. Abgaben der Staatswirtschaft Die bei weitem größte Einkommensquelle des Staatshaushalts der DDR sind die von der Staatswirtschaft überwiesenen Abgaben. In den Jahren von 1960 bis 1978 stammten im Durchschnitt rd. zwei Drittel der Gesamteinnahmen des DDR-Etats aus der volkseigenen Wirtschaft. Berechnet man den Anteil der Abführungen der Staatswirtschaft an den Haushalt auf der Grundlage des Budgetvolumens, so wie sich dieses nach der amtlichen Systematik zur Aufstellung des Staatsetats ergibt, so wurde der Finanzbedarf der Staatsführung der DDR in den letzten 10 Jahren stets zu 55–60 v. H. durch Abgaben des staatseigenen Wirtschaftssektors gedeckt. Die der Anteilsberechnung zugrunde gelegte Bezugsbasis „Gesamteinnahmen des DDR-Budgets“ enthält auch die Beitragseinnahmen der Sozialversicherung, die Überträge vom Gesamthaushalt auf die Bezirke (= Finanzausgleich durch gelenkte Dotationen) und die Kassenvorträge. Die Abgaben der staatseigenen Wirtschaft setzen sich (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung) aus folgenden Abführungsarten zusammen: a) den produktgebundenen Abgaben (früher Produktions- und Dienstleistungsabgabe genannt), b) der Produktionsfondsabgabe (PFA), c) der Handelsfondsabgabe, d) der Nettogewinnabführung, e) dem staatlich beanspruchten Anteil am Exportgewinn der Wirtschaftsunternehmen, f) der Bodennutzungsgebühr und g) den gelegentlich beanspruchten überschüssigen Ansammlungsbeträgen bei Amortisationen und Umlaufmitteln einzelner Betriebe, Kombinate und VVB (= Amortisations- und Umlaufmittelabführungen). Die 3 wichtigsten Abgabearten der Staatswirtschaft sind die nach Warenarten differenzierten Umsatz- und Verbrauchssteueraufschläge (= produktgebundene Abgaben), die Produktionsfondsabgabe (PFA) und die Nettogewinnabführung. 1976 stammten 69 v. H. aller Einnahmen der öffentlichen Kassen in der DDR aus der staatseigenen Wirtschaft. Dieser Beitrag zum staatlichen Mittelaufkommen setzte sich wiederum zu rd. 48 v. H. aus produktgebundenen Umsatzsteueraufschlägen, zu 32 v. H. aus Nettogewinnabführungen der staatlichen Produktionsorganisationen und zu rd. 20 v. H. aus Abgaben auf das eingesetzte Produktivkapital (= PFA /Handelsfondsabgabe / Bodenfondsabgabe/ Bodennutzungsgebühr) zusammen. 1. Produktgebundene Abgaben Seit 1955 werden in der DDR produktgebundene Abgaben in die Verkaufspreise der Erzeugnisse der staatseigenen Wirtschaftsbetriebe einkalkuliert. Allerdings trugen damals die steuerlichen Teuerungszuschläge auf die Betriebspreise der in den Staatsbetrieben hergestellten Güter die Bezeichnung „Produktions- und Dienstleistungsabgaben“ (PDA). (VO über die Produktions- und Dienstleistungsabgabe der volkseigenen Industrie und der volkseigenen Dienstleistungsbetriebe vom 6. 1. 1955, GBl. I. S. 37 ff.) 1972 wurden die PDA in „produktgebundene Abgaben“ umbenannt. (VO über produktgebundene Abgaben und Subventionen vom 1. 3. 1972, GBl. II, S. 137 ff.) Die produktgebundenen Abgaben umfassen jeweils die Differenz, die zwischen dem Abgabepreis der Betriebe (= Betriebs- oder Produzentenpreis) und dem höheren Industrieabgabepreis für Güter und Dienstleistungen besteht (= Abnehmerpreis für den Handel und alle Direktbezieher). Der St.-Zuschlag ist untrennbarer Bestandteil der für die Verbraucher der Waren und Dienste geltenden amtlichen Industrieabgabe- und Einzelhandelsverkaufspreise. Die in jedem Einzelfall von der Wirtschaftsverwaltung [S. 1054]festgelegte Belastung der Verbraucherpreise ist stets an das jeweilige Produkt oder die jeweilige Dienstleistung gebunden. Seitdem im Verlauf der Industriepreisreform (1964–1967) ein neues System der Preisrelationen festgelegt worden ist, werden nur noch die Endverbraucherpreise von Erzeugnissen der Konsumgüterindustrie durch produktgebundene Abgaben belastet. Mit dieser Beschränkung wird die Absicht verfolgt, die nach Einzelwaren spezifizierten Abgaben auf die Verbraucher von Konsumgütern zu übertragen. Die produktgebundenen Abgaben belasten somit ausschließlich die Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte. Sie tragen daher alle Merkmale einer Umsatz- und Verbrauchs-St. Um den Warenabsatz in die staatlich gewünschten Verbrauchsrichtungen zu lenken und die private Nachfrage jeweils den volkswirtschaftlichen Leistungsmöglichkeiten anzupassen, können die Industrie- und Einzelhandelsverkaufspreise und die Umsatz- und Verbrauchssteueraufschläge in ihrer Höhe je nach den angestrebten Lenkungseffekten differenziert werden. Diese Preis- und St.-Politik hat zur Folge, daß in der Volkswirtschaft der DDR nahezu so viele verschiedene Umsatz- und Verbrauchssteuerzuschläge vorkommen, wie es Konsumgüter gibt. Berechnungsgrundlage für die Abgabenschuld ist der Absatz der Produktions- und Handelsbetriebe. Eine nach Dienstleistungsarten differenzierte Dienstleistungsabgabe zahlen in der DDR sowohl die reinen Dienstleistungsbetriebe als auch die Produktionseinheiten der Industrie, Bauwirtschaft und Land- und Forstwirtschaft, soweit sie Einnahmen durch den Absatz von steuerlich belasteten Dienstleistungen beziehen. Die Höhe der steuerlichen Teuerungszuschläge für die verschiedenen Konsumerzeugnisse wird geheimgehalten. Fast ausnahmslos werden höherwertige Nahrungs- und Genußmittel, Importwaren und luxuriöse langlebige Gebrauchsgüter mit sehr hohen Abgaben belastet. Dagegen enthalten die Einzelhandelspreise für Grundnahrungsmittel und die Verbraucherpreise für sozialpolitisch bedeutsame Industriewaren (Babybekleidung, Kinderschuhe, Arzneien) keine oder nur sehr geringe St.-Aufschläge. Dadurch bleiben die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen von einer harten Verbrauchsbesteuerung verschont. In der DDR ist es der Wirtschaftsführung bisher nicht geglückt, die Expansion von Geldmenge und kaufkräftiger Nachfrage dem Leistungsvermögen der Konsumgüterindustrie und der vergleichsweise niedrigeren Ausweitung des Verbrauchsgüterangebotes anzupassen. Dadurch ist es seit Beginn der 60er Jahre zu einem immer noch anwachsenden Geldüberhang gekommen, der sich in einer Kassenhaltungsinflation niederschlägt. Mit den produktgebundenen Abgaben und der Besteuerung des gehobenen Konsums hat nun die Wirtschaftsführung ein vortreffliches Mittel in der Hand, um einen Teil der überschüssigen Kaufkraft abzuschöpfen und in die Staatskasse zu leiten. Im Jahr 1976 betrug die durchschnittliche Steuerbelastung der Konsumausgaben der privaten Haushalte in der DDR durch die kombinierte Umsatz- und Verbrauchs-St. rd. 40 v. H. (= St.-Anteil am gesamten Umsatz des Einzelhandels). 2. Die Nettogewinnabführung Seit der Rückkehr zur straffen administrativen Befehlswirtschaft 1971 erhalten die Betriebe in der DDR erneut von zentraler Seite aus vorgeschrieben, wieviel Brutto- und wieviel Nettogewinn sie jährlich erwirtschaften sollen (Nettogewinn = Bruttogewinn minus Produktionsfondsabgabe). Zugleich wird im Betriebsplan festgelegt, welche Gewinn-St. sie im jeweiligen Wirtschafts- und Haushaltsjahr an die Staatskasse abzuführen haben. Die Höhe der jährlichen St.-Schuld wird dabei als absoluter Betrag in Mark angegeben. Anders als in der Bundesrepublik Deutschland legt somit in der DDR der Fiskus für jeden Staatskonzern, jedes Kombinat und jeden Betrieb individuell fest, welche St.-Forderungen die Produktionseinheiten im jeweils nächsten Haushaltsjahr begleichen müssen. Dieses Besteuerungsverfahren ermöglicht der Wirtschafts- und Finanzverwaltung, die St.-Belastung bei der Nettogewinnabführung von Jahr zu Jahr zu verändern. In der DDR ist die Nettogewinnabführung neben der Zinspolitik (Zins und Zinspolitik) der wichtigste finanzpolitische Hebel zur Verwirklichung der Struktur- und investitionspolitischen Prioritäten der Staatsführung. Die Bedeutung der Nettogewinnabführung als Lenkungsinstrument beruht darauf, daß die Wirtschaftsführung durch eine betriebsindividuelle Festlegung der Gewinnabgaben die Kapitalbildung der Produktionseinheiten in den einzelnen Wirtschaftsbereichen entsprechend den wachstums- und strukturpolitischen Entwicklungszielen regulieren kann (Gewinn). 3. Abgaben auf das eingesetzte Produktivkapital Die den Betrieben in Abhängigkeit vom eingesetzten Produktivvermögen auferlegten Abgaben wurden im Verlauf der Wirtschaftsreform (1963–1970) eingeführt. Mit der Einführung dieser „ökonomischen Hebel“ Mitte der 60er Jahre sollte eine Lücke im Lenkungsinstrumentarium der Wirtschaftsführung der DDR geschlossen werden, das bis dahin eine Verschwendung knapper Kapitalgüter begünstigt hatte. Insgesamt vier neue Abgaben (= Kapital-St.) sind in dieser Zeit in der DDR eingeführt worden: a) die Produktionsfondsabgabe (PFA) b) die Handelsfondsabgabe[S. 1055] c) die Bodenfondsabgabe (1968–1972) und d) die Bodennutzungsgebühr. Allen vier Abgaben wurde 1967/68 folgende gemeinsame Aufgabe übertragen: Sie sollen die Produktionsorganisationen in der Staatswirtschaft (dazu gehörten bis 1972 auch die Volkseigenen Güter in der Landwirtschaft [VEG]) dazu antreiben, die ihnen zur Verfügung gestellten Produktionsfaktoren „Kapital“ und „Boden“ so effektiv wie möglich auszunutzen, um die staatlichen Wirtschaftspläne zu erfüllen. Diese Aufgabe haben bei den VEG ab 1973 die neugestalteten Agrarsteuern übernommen. Die Produktionsfondsabgabe (PFA) ist eine Pflichtabführung der Staatsbetriebe an die öffentlichen Haushalte, deren Höhe sich nach dem Wertvolumen des eingesetzten Kapitalbestandes bemißt. Sie wird aus den erzielten Bruttogewinnen der staatseigenen Produktionsorganisationen gezahlt. Konkrete Bemessungsgrundlage für die Errechnung der Abgabenverpflichtungen bei der PFA ist der Durchschnittsbestand an Anlage- und Umlaufkapital, der während eines Jahres zur Erfüllung des Betriebszwecks in der jeweiligen Produktionseinheit eingesetzt ist. Dieses Produktivkapital wird bei der Ermittlung der St.-Schuld zu Anschaffungspreisen bewertet (= Produktionsfonds, gemessen in Bruttowerten). Die Abgabenrate beträgt seit 1971 in der Industrie und Bauwirtschaft in der Regel 6 v. H. (VO über die Produktionsfondsabgabe vom 16. 12. 1970, GBl. II, S. 31 ff. sowie die zu dieser Verordnung ergangenen Durchführungsbestimmungen). Prüft man, in welcher Weise die Produktionsfondsabgabe als staatliches Druckmittel zur Steigerung der Kapitalproduktivität und Kapitalrentabilität wirkt, so ergibt sich, daß sie lediglich zu einer besseren Ausnutzung der in den Betrieben bereits vor[S. 1056]handenen Kapitalausstattung anspornt. Sie eignet sich dagegen nicht dafür, eine befriedigende Mindestrentabilität für neu investiertes Kapital zu sichern und dafür zu sorgen, daß die Verteilung der Kapitalressourcen jeweils in die ertragreichsten Verwendungen erfolgt. Entsprechend der in der Industrie und Bauwirtschaft erhobenen Produktionsfondsabgabe sind seit dem 1. 1. 1968 die staatlichen Groß- und Einzelhandelsbetriebe verpflichtet, eine Handelsfondsabgabe zu zahlen. Sie ist gleichfalls ein als staatliches Normativ festgelegter Berechnungssatz, dessen Bezugsbasis die Jahresdurchschnittsbestände an Anlagen und Umlaufmitteln sind (einschließlich Warenlager und Hilfsmaterialien), die während des Wirtschaftsjahres bei den Handelsbetrieben festgestellt werden. Auch im Handel beträgt die Abgaberate für Anlagen (Gebäude, Transporteinrichtungen, Kühlaggregate usw.) meist 6 v. H. Dagegen hat man für Umlaufmittel (das sind in der Regel Warenbestände) einen niedrigeren Abgabesatz festgelegt. Er beläuft sich auf 3 v. H. Die Erhebung einer Kapital-St. auch für die Warenlager, welche die Handelsbetriebe aus ihren angesammelten Handelsspannen zahlen müssen, verfolgt vor allem den Zweck, im Bereich der Warenverteilung die Bestandshaltung zu optimieren, die Lagerkosten zu senken und den Umschlag der Fertigerzeugnisse zu beschleunigen. Die Volkseigenen Güter (VEG) hatten von 1968 bis 1972 eine Bodenfonds- und Produktionsfondsabgabe zu zahlen. Die LPG blieben dagegen von einer Kapitalbesteuerung ihrer Produktionsfaktoren (Boden, Sachvermögen) verschont. Diese Abgabe setzte sich aus zwei Bestandteilen zusammen, a) einer Abführung auf den nutzbaren Bodenfonds der Staatsgüter und b)einer ermäßigten Produktionsfondsabgabe auf das eingesetzte Sachkapital. Die aus dem Bruttogewinn gezahlte Bodenfondsabgabe wurde als fester Betrag in Mark je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche festgelegt. Dagegen differenzierte man die Produktionsfondsabgabe, welche die Staatsgüter an den Haushalt zu zahlen hatten, je nach der Ertragslage dieser Landwirtschaftsbetriebe. Die nach betriebsindividuellen Gesichtspunkten spezifizierten Abgaberaten schwankten zwischen 0,5 und 3 v. H., jeweils bezogen auf das in den VEG festgestellte Wertvolumen an Anlagen und Umlaufmitteln. Mit Wirkung vom 1. 1. 1973 wurde in der DDR die Besteuerung der genossenschaftlichen und staatlichen Landwirtschaftsbetriebe völlig neu geregelt. Die VEG werden seitdem nach den gleichen Besteuerungsformen zur Abgabenleistung herangezogen wie die LPG. Die Erhebung von Bodenfondsabgaben und einer Produktionsfondsabgabe zu ermäßigten Sätzen entfiel. Die großen Landwirtschaftsbetriebe in der Rechtsform eines VEG zahlen seitdem entweder eine Abgabe auf das erzielte Bruttoeinkommen oder eine Abgabe vom erwirtschafteten Gewinn (Bodennutzung). V. Die Steuern der nichtverstaatlichten Wirtschaft Dazu gehören: <1.> die St. der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH), <2.> die St. der privat wirtschaftenden Handwerker (Handwerkssteuer), <3.> die Abgaben der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und die St. der Genossenschaftsbauern (Agrarsteuern). <4.> die St. der übrigen Genossenschaftsarten, <5.> die St. der Kommissionshändler und <6.> die St. der restlichen privaten Wirtschaft (= St. der privaten Gewerbebetriebe und der Eigentümer dieser kleinen Produktionseinheiten). Die Produktionseinheiten in der Rechtsform einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) müssen an den Fiskus eine Gewinn-St., eine Umsatz-St. und (ab 1. 1. 1971) auch eine Produktionsfonds-St. (Kapital-St.) zahlen. Besteht der Hauptzweck einer PGH darin, Dienstleistungen für die Bevölkerung zu erbringen, beträgt die Gewinn-St. — je nach der Höhe des erwirtschafteten Gewinns je Genossenschaftsmitglied — zwischen 2 und 45 v. H. Produziert eine PGH dagegen zur Hauptsache Waren, so werden die Gewinnanteile je Mitglied nach einer progressiven Staffel mit Gewinn-St. belastet. Die Abgabesätze reichen von 2 bis 60 v. H. der jeweils individuell bezogenen Gewinnsumme. Für die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der PGH beträgt der St.-Aufschlag 3 v. H. auf den Verkaufswert. Die persönlichen Einkünfte der Genossenschaftsmitglieder (Gehälter) werden weitgehend genauso besteuert wie die Einkommen der Arbeiter und Angestellten. In Anlehnung an die in den anderen Wirtschaftsbereichen erhobene Produktionsfondsabgabe müssen die PGH seit 1971 eine Produktionsfonds-St. an die Staatskasse abführen, die je nach der langfristigen durchschnittlichen Ertragslage der Produktionseinheit zwischen 1 und 6 v. H. liegt. Bezugsgrundlage dieser Abgabenraten ist ebenfalls das eingesetzte Kapital. Ähnlich wie bei den Staatsbetrieben ist die Besteuerung der Konsumgenossenschaften geregelt. Von diesen Genossenschaften zieht der Fiskus die von ihnen kassierten produktgebundenen Abgaben ein, belastet ihre Gewinne mit einer Nettogewinnabgabe und verlangt zudem die Zahlung einer Fondsabgabe in Höhe von 3 v. H., bezogen auf das in diesen Handelsbetrieben vorhandene Anlage- und Umlaufvermögen (einschließlich Warenlager). Die wenigen in der DDR noch bestehenden Privatbetriebe werden zur Zahlung einer Gewerbe-St., einer Umsatz-St. und einer Beförderungs-St. herangezogen. Die bei diesen Abgaben angewendeten Be[S. 1057]steuerungstechniken ähneln noch in gewisser Weise den aus der Bundesrepublik Deutschland vertrauten Abgabeformen bei den Betriebs-St. Die Eigentümer dieser Kleinunternehmen werden zur Einkommen- und zur Vermögen-St. veranlagt. Da in der DDR die Bezieher von Einkünften aus privater Unternehmertätigkeit und aus Kapitalvermögen diskriminiert werden, müssen diese St.-Zahler exorbitant hohe Ansprüche des Fiskus an ihre persönlichen Geldbezüge hinnehmen und erfüllen. VI. Steuern vom Arbeitseinkommen Zu den steuerpflichtigen Arbeitseinkommen rechnen 2 Einkommensarten: a) Lohneinkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit und b) Einkünfte der steuerlich begünstigten freischaffenden Intelligenz aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Wie in der Bundesrepublik Deutschland wird auch in der DDR die tarifliche Belastung bei der Besteuerung der Arbeitseinkommen differenziert und nach sozialen Gesichtspunkten abgestuft, indem die St.-Pflichtigen je nach Familienstand und Kinderzahl in verschiedene St.-Klassen eingruppiert werden. Jede Umsetzung in eine höhere St.-Klasse — beginnend mit St.-Klasse I — bringt dem St.-Zahler eine monatliche St.-Ersparnis (Freibetrag) gegenüber der davorliegenden St.-Klasse von 50 Mark ein. Die steuerfreie Einkommensgrenze liegt bei Verheirateten (St.-Klasse II) bei 232 Mark im Monat und bei verheirateten Werktätigen mit 2 Kindern (St.-Klasse III/2) bei monatlich 332 Mark. Bei verheirateten Beschäftigten, die 2 Kinder haben, steigt die Lohn-St. von der Untergrenze von 332 Mark im Monat bis zu 1410 Mark Monatseinkommen progressiv an. Über dieser Einkommenshöhe unterliegen die Steuerpflichtigen nur noch einer gleichbleibenden St.-Belastung von 20 v. H. Das Lohnsteuersystem der DDR führt zu dem sozial nachteiligen Ergebnis, daß aufgrund der Proportionalbesteuerung der höheren Einkommen die kleinen und mittleren Einkommen relativ viel stärker mit Lohn-St. belastet werden als die Bezüge der Spitzenverdiener. Durch diese Regelung, die vom Aspekt der sozialen Gerechtigkeit her gesehen nicht vertretbar ist, soll der Leistungswille der Erwerbstätigen gestärkt und vor allem die Aufstiegsbereitschaft der qualifizierten Arbeitnehmer gefördert werden. Wie bereits die proportionale Besteuerung sämtlicher hohen Einkommen zeigt, dienen in der DDR gezielte St.-Verschonungen und St.-Vergünstigungen als ein vielseitig genutztes Mittel, um die Werktätigen im Produktionsprozeß zu Höchstleistungen anzuspornen und um Anreize zur Produktion von Innovationen auszuüben. Um die Leistungsreserven der Betriebskollektive für die Planerfüllung zu mobilisieren, werden die den Werktätigen für überdurchschnittliche Leistungen gezahlten Entgelte in abgestuftem Ausmaß von der Lohnbesteuerung freigestellt. So belegt z. B. der Fiskus Akkordzuschläge nur mit einem ermäßigten Lohnsteuersatz von gleichbleibend 5 v. H. Besonders vorteilhaft ist, daß der Staat völlig auf die Besteuerung der Überstundenzuschläge, der Zulagen für die Schicht- und Nachtarbeit und auf die Abgabenbelastung der Prämien verzichtet, welche die Belegschaften am Ende des Planjahres aus den betrieblichen Prämienfonds erhalten (Jahresendprämien). Diese Freistellung der Jahresendprämien von der Lohnbesteuerung hat den Effekt, daß die Beschäftigten in der Staatswirtschaft der DDR seit 1975 mehr als ein Monatseinkommen (= 13. Monatsgehalt) als steuerfreie Sondervergütung erhalten. Ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland können auch in der DDR die Erwerbstätigen ihre Bezüge um bestimmte berufsbedingte Sonderaufwendungen und außergewöhnliche Belastungen infolge von körperlichen Behinderungen kürzen, um das steuerpflichtige Einkommen festzustellen. Im Vergleich zur Bundesrepublik werden jedoch in der DDR den unselbständigen Erwerbstätigen und den freiberuflich tätigen Selbständigen durch das St.-Recht nur wenige Möglichkeiten geboten. Werbungskosten und Sonderausgaben geltend zu machen. Zu der in der DDR steuerlich privilegierten Intelligenz gehören alle Schriftsteller, Künstler, die noch selbständig arbeitenden Forscher, Lehrer und Erfinder und sämtliche Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Die diesem Personenkreis eingeräumte steuerliche Vorzugsstellung soll nach dem erklärten Willen der Regierung dazu dienen, das Bündnis der sog. freischaffenden Intelligenz mit der Arbeiterklasse und mit den werktätigen Bauern zu festigen. Bis zum Bau der Sperrmauer in Berlin erhoffte sich die SED-Führung ferner, daß die den Selbständigen gewährten St.-Privilegien als „ökonomische Barriere“ wirken würden, um diese Berufsgruppe an der Flucht in den Westen zu hindern. Soweit die durch freiberufliche Tätigkeit erzielten Einkommen zu den steuerlich geschonten persönlichen Einkünften zählen, werden sie bis zu einem Jahreseinkommen von 15.100 Mark genauso besteuert wie die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten. Im Unterschied zur Lohnbesteuerung steigt jedoch bei diesen Berufsgruppen dann der St.-Tarif weiter progressiv an, wenn der erzielte Jahresverdienst höher als 15.100 Mark ausfällt. Bei einem Jahreseinkommen von 36.000 Mark erreicht die Progression ihren Höchstsatz von 30 v. H. und geht dann auf diesem Belastungsniveau in eine gleichbleibende Proportionalbesteuerung über. („Gesetz zur Änderung der Besteuerung der steuerbegünstigten freischaffenden Intelligenz“ vom 28. 5. 1958, GBl. I, S. 453 ff.) [S. 1058]Bis Ende 1970 gehörten auch die selbständig arbeitenden Architekten, Ingenieure, Kunsthandwerker, Übersetzer, Werbefachleute und Gebrauchsgraphiker, soweit diese nicht mehr als 2 technische Hilfskräfte beschäftigten, zu den steuerlich bevorrechtigten freien Berufen. Diese für DDR-Verhältnisse zumeist sehr gut verdienenden Selbständigen wurden vom 1. 1. 1971 an einer etwas strengeren Besteuerung unterworfen. Dadurch verloren sie einen Teil der St.-Privilegien, die sie bis dahin genossen hatten. Beziehen diese Selbständigen ein Jahreseinkommen, das über 20.000 Mark liegt, so nimmt von dieser Verdienstschwelle an die St.-Progression merklich zu. Sie erreicht bei einem Jahreseinkommen von über 100.000 Mark den Spitzensteuersatz von 60 v. H. VII. Sonstige Steuern Einnahmen aus sonstigen St. erzielt der DDR-Fiskus durch folgende St.-Arten: 1. durch die bei wenigen ausgewählten Konsumgütern noch erhobenen „Verbrauchsabgaben“, 2. durch die Vermögen-St., 3. durch die Erbschaft-St., 4. die Grunderwerb-St., 5. die Rennwett- und Lotterie-St., 6. die Kraftfahrzeug-St. und 7. die Gemeinde-St. Diese Abgaben dienen vorwiegend der Mittelbeschaffung zur Auffüllung der Staatskasse. Im Nebenzweck werden einzelne dieser St. auch noch dazu genutzt, den Verbrauch zu lenken und bei der Verwirklichung von bestimmten Gerechtigkeitsforderungen Hilfestellung zu leisten. Für das festgestellte persönliche Vermögen müssen Staatsbürger der DDR eine Vermögen-St. von 0,5 v. H. zahlen, falls der Vermögensbestand die Freigrenze von 10.000 Mark übersteigt, jedoch geringer ist als 25.000 Mark. Überschreitet das steuerpflichtige Gesamtvermögen den Betrag von 25.000 Mark, bleibt aber unterhalb von 50.000 Mark, so beträgt der St.-Satz 1,5 v. H. Noch größere Vermögen werden mit einer Abgabenrate von 2,5 v. H. belastet. Die tarifliche Vermögensbesteuerung ist somit in der DDR erheblich höher als in der Bundesrepublik Deutschland. Ebenso wie in der Bundesrepublik unterliegt auch in der DDR das gemäß Erbrecht oder auf Veranlassung des Erblassers sowie des Schenkers übertragene Vermögen einer Erbschaft- und einer Schenkungs-St. Diese Abgabenbelastung ist nach der Höhe der empfangenen Erbschaft oder Schenkung und nach dem Verwandtschaftsgrad gestaffelt. Dabei ist die St.-Klasse I für Ehegatten und Kinder maßgebend, während die St.-Klasse II für alle übrigen Erben und Beschenkten gilt. (Siehe Erbschaftsteuergesetz der DDR vom 18. 9. 1970, GBl., SDr. Nr. 675.) Als Besonderheit des Vermögensteuer- und Erbschaftsteuerrechts ist hervorzuheben, daß in der DDR Sparguthaben der Privatpersonen von der Vermögen- und Erbschaft-St. befreit sind. Die Kraftfahrzeug-St. wird in der DDR ähnlich wie in der Bundesrepublik nach dem Hubraum (bei Personenkraftwagen und Motorrädern), der PS- Höchstbremsleistung (bei Zugmaschinen) und nach dem Eigengewicht (bei Lastkraftwagen und Omnibussen) bemessen. Sie wird seit 1962 in einem zusammengefaßten Zahlungsverfahren zusammen mit den Beiträgen zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung eingezogen. Zur St.-Zahlung verpflichtet sind jeweils die Halter der Kraftfahrzeuge (Genossenschaften, Privatbetriebe, Privatpersonen). Staatsbetriebe und Betriebsvereinigungen aller Art sind seit 1962 von der Zahlung von Kraftfahrzeug-St. befreit. (VO über die Kraftfahrzeugsteuer vom 16. 11. 1961, GBl. II, S. 505 und 1. DB vom 17. 11. 1961, ebd., S. 506 ff. sowie VO über die Kraftfahr-Haftpflicht-Versicherung vom 16. 11. 1961, GBl. II, S. 503/504 und 1. DB, ebd., S. 504 ff.) Gemeinde-St. sind die von den Räten der Städte und Gemeinden erhobenen St., die unmittelbar in die Haushalte der örtlichen Volksvertretungen fließen. Aus den „gemeindeeigenen“ St.-Quellen beziehen die Gemeinden der DDR seit Anfang der 60er Jahre direkte Einnahmen von rd. 500 bis 530 Millionen Mark im Jahr. Dieser Betrag entspricht dem bescheidenen Anteil von 0,5 bis 1,0 v. H. der Gesamteinnahmen des Gesamthaushaltes der DDR (nach westlicher Abgrenzung). Zur Gruppe der Gemeinde-St. gehören die folgenden Abgaben: a) die Grund-St., b) die Vergnügungs-St., c) die Hunde-St. und d) einige sonstige steuerähnliche Abgaben (Kulturabgabe, Kurtaxen usw.). In der Regel ist die Grund-St. für die Gemeinden die ergiebigste St. (Grundsteuergesetz i. d. F. vom 18. 9. 1970. GBl., SDr. Nr. 676). VIII. Die Kirchensteuer Die Kirchen-St. ist in der DDR trotz ihres irreführenden Namens eine freiwillige, nicht einklagbare Geldleistung der Mitglieder der Religionsgemeinschaften zur Finanzierung ihrer Kirchen, des Gemeindelebens und der karitativen Hilfsmaßnahmen. Da das Kirchengeld keine staatliche St. mehr ist, wird die gewünschte Abgabenleistung auch nicht durch die Wirtschafts- und Finanzverwaltung festgesetzt. Hierfür sind seit Gründung der DDR kircheneigene Verwaltungsstellen zuständig. Höhe und Bemessungsgrundlage der Kirchen-St. sind je nach Religionsgemeinschaft verschieden. So ist in den Bistümern der katholischen Kirche seit 1950 Bemessungsgrundlage der Kirchen-St. das Jahresbrutto[S. 1059]einkommen. Vor der Feststellung der tatsächlichen St.-Schuld können jedoch bestimmte, im Detail festgelegte Einkommenskürzungen vorgenommen werden, durch die berücksichtigt wird, wenn Kirchenmitglieder außerordentliche Belastungen zu tragen haben. In den Gliedkirchen des evangelischen Kirchenbundes ist dagegen das Nettogehalt der Gemeindemitglieder Bezugsgrundlage für die Bemessung der Abgabenleistung. Bei der Einziehung dieser St. sind die Kirchenämter auf den guten Willen und die Mithilfe der Gemeindemitglieder angewiesen. Im Juni 1972 hat die Kirchenleitung der evangelischen Kirche ihren 8 Landeskirchen empfohlen, die Kirchen-St. in Abhängigkeit vom Nettoeinkommen zu berechnen und bei der Feststellung der St.-Ansprüche die von den Kirchensteuerämtern erarbeitete einheitliche „Nettotabelle“ zu verwenden (s. Mitteilungsblatt des Bundes Evangelischer Kirchen Nr. 4/1972, S. 59 ff.). In der Tabelle sind die Tarifsätze nach Familienstand und Alter differenziert worden. Zum Beispiel müssen Verheiratete und Ledige über 40 Jahren je nach Einkommenshöhe einen Anteil von 0,3 v. H. (bei Nettoeinkommen von 150 Mark monatlich) bis 3 v. H. (bei einem Nettoeinkommen über 2.000 Mark monatlich) ihres Nettoverdienstes als Abgabe zahlen. Auch in der evangelischen Kirche werden bei der St.-Bemessung außerordentliche Belastungen der Gemeindemitglieder berücksichtigt. Als Mindestbetrag je Kirchenmitglied über 18 Jahren wünscht die evangelische Kirchenleitung die Zahlung von 5 Mark im Jahr. Die von den katholischen Bistümern berechneten Abgaben liegen im Niveau über denen der evangelischen Kirche. Wirtschaft; Finanzsystem; Banken; Staatshaushalt; Finanzkontrolle und Finanzrevision; Kirchen. Hannsjörg Buck Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1050–1059 Sterbegeld A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Stimme der DDR

Siehe auch: Steuern: 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985 Steuerwesen: 1953 1954 1956 1958 1959 I. Begriff Nach der Abgabenordnung der DDR sind St. „… Geldleistungen (an den Staat), die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und (die) von den zuständigen staatlichen Organen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zu trifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nicht darunter fallen Zölle, Gebühren und Beiträge“ (GBl., SDr. Nr.…

DDR A-Z 1979

Staatliche Versicherung der DDR (1979)

Siehe auch: Deutsche Versicherungsanstalt: 1975 Deutsche Versicherungs-Anstalt: 1969 Staatliche Versicherung der DDR: 1969 1975 1985 Versicherungsanstalt, Deutsche: 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 Versicherungs-Anstalt, Deutsche: 1965 1966 1969 Versicherungsanstalten: 1953 Mit dem staatlichen Versicherungsmonopol ausgestattete Versicherungseinrichtung für die Sach-, Haftpflicht- und (private) Personenversicherung und Träger der Sozialversicherung der Mitglieder von Produktionsgenossenschaften und Rechtsanwaltskollegien, der Handwerker, der selbständig Erwerbstätigen sowie der freiberuflich Tätigen; für den gleichen Personenkreis führt die StV. die Freiwillige ➝Zusatzrentenversicherung durch. Außerdem ist die StV. Träger der zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz. Die StV. wurde im November 1952 unter dem Namen „Deutsche Versicherungs-Anstalt“ (DVA) durch Zusammenschluß Rechtsnachfolgerin der 5 Landesversicherungsanstalten; am 1. 1. 1969 ist sie in StV. umbenannt worden. Die StV. ist juristische Person. Sie unterliegt der Anleitung, Aufsicht und Kontrolle des Ministers der Finanzen. Der Hauptdirektor ist für die gesamte Tätigkeit der StV. persönlich verantwortlich (Prinzip der Einzelleitung). Die StV. gliedert sich in die Hauptverwaltung mit Sitz Berlin (Ost), Bezirksdirektionen in allen 15 Bezirken, in 124 Kreisdirektionen und rd. 80 Kreisstellen, denen die unmittelbare Betreuung der Versicherungsnehmer und der Sozialversicherten obliegt. Daneben bestehen Technische Stationen (Datenverarbeitungseinrichtungen), die für alle Ebenen der StV. arbeiten. Geleitet wird die StV. nach dem Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung, d. h., die Versicherungsverhältnisse werden so gestaltet, daß die Beitragseinnahmen die Versicherungsleistungen und Kosten decken und ein Überschuß erzielt wird. Ausgenommen davon ist der Sozialversicherungszweig, dort reichen die Beiträge bei weitem nicht aus, um die Leistungen bestreiten zu können. Für diesen Verwendungszweck erhält die StV. Zuschüsse aus dem Staatshaushalt. Die StV. stellt jährlich eine Bilanz mit Gewinn-und-Verlust-Rechnung auf. Überschüsse werden z. T. den eigenen Fonds (Eigenmittelfonds, Sicherheitsrücklagen) zugeführt, z. T. an den Staatshaushalt abgegeben. Die StV. hatte im Jahr 1974 Einnahmen in Höhe von 5,8 Mrd. Mark; davon entfielen rd. je ein Viertel auf die Sach- und Haftpflichtversicherung, die Personenversicherung, die Beiträge zur Sozialversicherung und auf die Zuschüsse aus dem Staatshaushalt zur Sozialversicherung. Darüber hinaus verwaltete die StV. die Sparguthaben der (freiwilligen) Lebens- und Rentenversicherung im Umfang von 7,3 Mrd. Mark (1976: 8,0 Mrd. Mark). Sowohl die Mittel aus den Sicherheitsrücklagen als auch aus den Sparguthaben müssen bei der Staatsbank bzw. in Wertpapieren angelegt werden. Auf diese Weise wird die StV. in das Kreditwesen der DDR einbezogen und bildet darin einen wichtigen Faktor. Die StV. ist mit Ausnahme der SV der Arbeiter und Angestellten (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen) und der Sach- und Haftpflichtversicherung, bei denen eine Entschädigung ganz oder teilweise in fremder Währung anfallen kann (Deutsche Auslands- und Rückversicherungs-Aktiengesellschaft), der alleinige Versicherungsträger in der DDR. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich im wesentlichen auf folgende Gebiete: volkseigene Wirtschaft, sozialistische Land-, Nahrungsgüter- und Forstwirtschaft, Produktionsgenossenschaften, staatliche Organe und Einrichtungen sowie auf den einzelnen Bürger. Die Versicherungsverträge werden aufgrund freiwilliger Vereinbarungen oder gesetzlicher Vorschriften (Pflichtversicherung) geschlossen. Zu den wichtigsten Pflichtversicherungen gehören die Kfz-Haftpflicht-V., die Feuer-V., die Versicherung der volkseigenen (und sozialistischen) Wirtschaft und die Sozialversicherung. Die gebräuchlichsten Formen der freiwilligen Versicherungen sind in der Wirtschaft die Haftpflicht-V., die Kfz-Kasko-V., die Transport-V., die Leitungswasser-V. und die Einbruch-Diebstahl-V. In der Landwirtschaft gibt es daneben noch die freiwillige Versicherung der Tiere und Bodenerzeugnisse; ihre Leistungen gehen über die der Pflichtversicherung hinaus. Ferner existiert im nichtvolkseigenen Sektor die freiwillige Gruppenunfallversicherung, die im volkseigenen Sektor zu den Pflichtversicherungen gehört. Ein großer Teil der Bürger der DDR ergänzt den Schutz, den die Sozial-(pflicht-)versicherung bietet, durch den Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der SV sowie durch den Abschluß von ― z. T. kombinierten ― Lebens- und Unfallversicherungen. Anfang 1977 waren rd. 70 v. H. aller Berechtigten der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beigetreten, auf 100 Einwohner kamen gut 60 Lebensversicherungsverträge und 30 Unfall- und Krankentagegeldversicherungen. Bei den freiwilligen Sach- und Haftpflichtversicherungen handelt es sich im wesentlichen um Haushaltversicherungen (kombinierte Hausrat- und Haftpflichtver[S. 1026]sicherung), Kfz-Kasko- und Gepäckversicherungen und Unfallversicherungen für die Insassen von Kfz. Für 90 v. H. aller Haushalte in der DDR besteht eine Haushaltsversicherung. Neben dem umfangreichen Aufgabengebiet der Pflichtversicherung verwaltet die StV. (1974) rd. 24,5 Mill. freiwillige Versicherungsverträge, darunter 10,3 Mill. (1976: 10,4) sparwirksame Lebensversicherungen, 5,2 Mill. (1976: 5,2) Unfall- und Krankentagegeldversicherungen, 5,4 Mill. Haushaltversicherungen. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1025–1026 Staatliche Praxis A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Staatliche Zentralverwaltung für Statistik

Siehe auch: Deutsche Versicherungsanstalt: 1975 Deutsche Versicherungs-Anstalt: 1969 Staatliche Versicherung der DDR: 1969 1975 1985 Versicherungsanstalt, Deutsche: 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 Versicherungs-Anstalt, Deutsche: 1965 1966 1969 Versicherungsanstalten: 1953 Mit dem staatlichen Versicherungsmonopol ausgestattete Versicherungseinrichtung für die Sach-, Haftpflicht- und (private) Personenversicherung und Träger der Sozialversicherung der Mitglieder von…

DDR A-Z 1979

Bau- und Wohnungswesen (1979)

Siehe auch die Jahre 1975 1985 I. Bauwirtschaft Die Bauwirtschaft ist der Wirtschaftsbereich für Hoch- und Tiefbau sowie Bauinstandsetzungen, der grundsätzlich jene Betriebe umfaßt, die am Prozeß der Bau Vorbereitung und Baudurchführung teilhaben. Seit 1960 hat sich der Anteil der Bauwirtschaft am Nettoprodukt der DDR (Nationaleinkommen) von 7 v. H. (1960) auf 8 v. H. (1977) und ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung von 6 auf 7 v. H. erhöht. Die bauwirtschaftliche Gesamtleistung, im Bauvolumen erfaßt, wird in der DDR zu 67 v. H. von der Bauindustrie, zu 11 v. H. vom Bauhandwerk, zu rund 8 v. H. von den Baueinrichtungen der Landwirtschaft (Zwischengenossenschaftliche Bauorganisationen der Landwirtschaft und Meliorationsgenossenschaften) sowie zu 14 v. H. von den übrigen Betrieben außerhalb der B. (z. B. landwirtschaftliche Baubrigaden [1977: 2 v. H.] sowie Betrieben anderer Wirtschaftsbereiche) erzeugt. II. Entwicklung des Bauvolumens Das Bauvolumen der DDR entwickelte sich ähnlich wie die Brutto-Anlageinvestitionen (Investitionen) und zeigt seit 1960 deutliche Wachstumsschwankungen. Eine schwache Entwicklung trat während der Wachstumskrise zu Anfang der 60er Jahre, im Jahre 1966 — damals ergaben sich Anpassungsschwierigkeiten an die Reformen (Neues Ökonomisches System) — sowie Anfang der 70er Jahre auf. Systemimmanente Schwächen der B. wurden sichtbar: Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Baumaterialien, die nicht bedarfsgerechte regionale Verteilung der Baukapazitäten, eine Zersplitterung der Bauleistungen der Betriebe auf zu viele gleichzeitig begonnene Baustellen sowie Probleme bei der Einführung neuer Technologien. Mit der Rezentralisierung sollten auch diese Probleme überwunden werden. Auffällig ist, daß die Entwicklung der Investitionen und des Bauvolumens seit 1969 stärker voneinander abweicht als in der vorhergegangenen Periode. Den seitdem erheblichen Schwankungen in der Investitionstätigkeit stehen fast konstante Zunahmen der Bauleistungen gegenüber, die in den meisten Jahren 5–6 v. H. erreichten, gelegentlich sogar darüber lagen. Diese relative Stabilität erklärt sich einerseits aus der teilweisen Überwindung der erwähnten strukturellen Schwächen des Bausektors, andererseits aber auch aus dem zunehmenden sozialpolitischen Gewicht, das dem Wohnungsbau von der Parteiführung zugewiesen wurde. Charakteristisch für die DDR ist der relativ hohe Anteil der Baureparaturen, die — nach der in der DDR üblichen Abgrenzung — zu einem Viertel bis zu einem Drittel auch die Generalreparaturen enthalten. Von der gesamten Bauproduktion sind seit 1960 22–28 v. H. auf Baureparaturen entfallen, von de[S. 137]nen wiederum ein Drittel die Instandhaltung der stark veralteten und lange Zeit vernachlässigten Wohngebäude des Altbaus betraf. Dabei haben seit einigen Jahren Versuche an Bedeutung gewonnen, mit industriellen Reparaturmethoden — bei zeitweiliger Umsiedlung der Mieter — ganze Straßenzüge rationell zu überholen und zu modernisieren. Die sonstigen Bauleistungen — zu ihnen rechnen Abbruch- und Enttrümmerungsleistungen, Architektenleistungen für die reine Baudurchführung, Bodennutzungsgebühren, Aufwendungen für Erschließungsarbeiten u. ä. — haben in den letzten Jahren mit den Großvorhaben und der damit verbundenen Intensivierung der Vorarbeiten stark zugenommen. III. Die Bauinvestitionen Genauso wie bei den Brutto-Anlageinvestitionen (Investitionen) vereinigen in der DDR die „produktiven“ Bereiche auch den größten Teil der Bauinvestitionen; seit 1960 stieg deren Anteil von gut 58 auf 65 v. H. aller Bauinvestitionen. Allein die Industrie hat 1965 wie auch seit 1970 40 v. H. der gesamten Bauinvestitionen durchgeführt, 1960 waren es erst 30 v. H. Zweitgrößter Investor des „produzierenden Sektors“ ist die Land- und Forstwirtschaft mit einem Anteil von 16 bis 21 v. H. aller Neubauten. Darin zeigt sich der mit erheblicher Bautätigkeit verbundene Übergang zu „industriemäßigen Produktionsmethoden“. Auf die Bereiche Verkehr, Post- und Fernmeldewesen sowie auf den Handel entfielen seit 1965 je 5 v. H. aller Neubauten und auf die Bauwirtschaft selbst schließlich 2–3 v. H. Bei den „nichtproduzierenden“ Zweigen konzentrierte sich die Neubautätigkeit vor allem auf den Wohnungsbau, dessen Anteil an den Bauinvestitionen von 1960 bis 1970 von 28 auf 18 v. H. zurückfiel, seitdem aber wieder 23 v. H. erreichte. Auf kulturelle und soziale Einrichtungen (Bildungswesen, Kunst, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Sport und Touristik) entfielen 3–7 v. H. der Bauinvestitionen. Die übrigen nichtproduzierenden Bereiche (Staatliche Verwaltung, Bank- und Versicherungswesen) erhielten in der Regel nur 1–3 v. H. aller Bauinvestitionen. Auf beides zusammen entfällt gegenwärtig nur noch ein Anteil von 4 v. H. der Neubauten. IV. Die Wohnungsbauleistungen Die Wohnungsversorgung war, gemessen an der Zahl der Wohnungen, im Gebiet der heutigen DDR schon immer besser als in der Bundesrepublik Deutschland. Die Wohndichte betrug 1939 im Gebiet der heutigen DDR 3,35 Personen je Wohnung, in der Bundesrepublik dagegen 3,7 Personen (vgl. Klaus Dieter Arndt: Wohnverhältnisse und Wohnungsbedarf in der sowjetischen Besatzungszone, Sonderheft des DIW, Nr. 50, Berlin 1960, S. 36). Hinzu kamen geringere Kriegszerstörungen in der DDR und eine stagnierende Bevölkerung, während in der Bundesrepublik durch starke Zuwanderungen eine beträchtliche Bevölkerungszunahme auftrat. So betrug die Wohndichte (Zahl der Personen je Wohnung) in der DDR 1950 und 1961 3,6 und 3,1 Personen gegenüber 4,9 bzw. 3,4 Personen in der Bundesrepublik. Inzwischen hat die Bundesrepublik die DDR eingeholt; in beiden Gebieten beträgt die Wohndichte gegenwärtig 2,5 Personen. Aus dieser geringeren Dringlichkeit zum Wohnungsneubau erklärt sich auch der vergleichsweise niedrigere Anteil des Wohnungsbauvolumens der DDR am gesamten Bauvolumen: In den 50er Jahren waren es bei insgesamt nur geringem Bauvolumen [S. 138]35–40 v. H. (Bundesrepublik Deutschland: über 50 v. H.), heute sind es 24 v. H. (Bundesrepublik: 41 v. H.). Je Einwohner gerechnet wurden 1950 weniger als ein Viertel, gegenwärtig werden bereits zwei Drittel der westdeutschen Pro-Kopf-Produktion an Wohnbauten erstellt. Obwohl bei dieser Berechnung das Wohnungsbauvolumen zu jeweiliger Preisbasis beider deutscher Staaten von 1967 zugrunde gelegt worden ist, dürften die Ergebnisse den realen Niveauunterschied widerspiegeln, da 1967 die Baukosten im Wohnungsbau in beiden Gebieten einander etwa entsprochen haben. Im Zeitraum 1971 bis Ende 1978 wurden 1089.800 Wohnungen geschaffen, davon 721.400 Neubauwohnungen (einschließlich 65.400 Eigenheime). 102.300 Wohnungseinheiten sind durch Um- bzw. Ausbau von Dachgeschossen und Läden gewonnen worden, 266.100 entfallen auf die Modernisierung von Altbauten und stellen somit keine Erhöhung des Bestandes dar. In der Bundesrepublik Deutschland betrug die Vergleichszahl für reine Neubauten in der gleichen Zeit 3,8 Mill. Wohnungen. Die Ausstattung der neugebauten Wohnungen hat sich deutlich verbessert: So sind alle 1977 gebauten Wohnungen mit Bad bzw. Dusche und Warmwasser (1960: 17 v. H.) versehen worden sowie mit Einbauküchen (1960: 26 v. H.) eingerichtet, 91 v. H. weisen Zentralheizung (1960: 9 v. H.) und zwei Drittel (1960: 37 v. H.) Balkon bzw. Loggia auf. Die durchschnittliche Wohnungsgröße der neugebauten Wohnungen betrug Anfang der 60er Jahre 55 bzw. 56 qm, sie verringerte sich bis 1967 auf 51 qm; gegenwärtig erreicht sie 60 qm. In der Bundesrepublik Deutschland hat die Durchschnittsgröße seit 1962 von 77 auf 97 qm zugenommen. V. Der Wohnungsbestand Am 1. 1. 1971 gab es gemäß den Ergebnissen der Wohnraum- und Gebäudezählung ca. 6 Mill. Wohnungen in der DDR. Der Bestand hat sich somit gegenüber März 1961 um 550.000 Wohnungen erhöht. Bei Berücksichtigung des Nettozugangs der Jahre 1971 bis Mitte 1978 läßt sich der Wohnungsbestand zum 30. 6. 1978 auf 6,7 Mill. Wohnungen beziffern. Damit standen bei einer Wohnbevölkerung von 17 Mill. Personen 398 Wohnungen je 1000 Einwohner zur Verfügung, 1961 waren es 327 Wohnungen. In der Bundesrepublik verfügten bei einem Gesamtbestand von 24,5 Mill. Wohnungen durchschnittlich 1000 Einwohner über 400 Wohnungen. Bei diesen Feststellungen ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland im Durchschnitt um 36 v. H. größer sind als in der DDR (79 gegenüber 58 qm). Somit ist der an der Wohnfläche bemessene Versorgungsgrad in der Bundesrepublik günstiger: Je Einwohner gibt es durchschnittlich 31 qm Wohnfläche gegenüber nur 23 qm (1961: 17 qm) in der DDR. Die Wohnungen mit einem oder zwei Wohnräumen machen in der DDR 46 v. H. des Gesamtbestandes aus, in der Bundesrepublik gehören nur 35 v. H. aller Wohnungen in diese Kategorie. Während in der DDR die Zweiraumwohnung mit einem Anteil von 37 v. H. aller Wohnungen die häufigste Wohnungsgröße darstellt, dominiert in der Bundesrepublik die [S. 139]Dreizimmerwohnung (31 v. H.). Wohnungen mit 4 und mehr Wohnräumen sind in der DDR mit einem Anteil von 19 v. H. des Bestandes vertreten gegenüber 34 v. H. in der Bundesrepublik. Die Wohnräume erreichen in der DDR nur eine Durchschnittsgröße von 15 qm, in der Bundesrepublik hingegen mehr als 20 qm. Wegen der im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland erheblich niedrigeren Wohnungsbauleistung besteht in der DDR eine weitaus ungünstigere Altersstruktur der Wohnungen: Mitte 1978 entfielen nur 30 v. H. des Gesamtbestandes auf nach 1945 gebaute Wohnungen — in der Bundesrepublik dagegen über 60 v. H. Die Hälfte aller Wohnungen der DDR sind vor 1919 errichtet worden und damit über 60 Jahre alt, 20 v. H. sind in den Jahren von 1919 bis 1945 gebaute Wohnungen. Die Instandhaltung und Modernisierung der Wohngebäude ist in der DDR jahrzehntelang vernachlässigt worden. Eine planmäßige Sanierung von Altbeständen wird erst seit Anfang der 70er Jahre vorgenommen. Deshalb zeigt die Ausstattung der Wohnungen gegenwärtig noch immer erhebliche Mängel: Lediglich 20 v. H. aller Wohnungen (1971: 11 v. H.) haben Zentralheizung, nur 49 v. H. sind mit Bad bzw. Dusche ausgerüstet (1971: 39 v. H.). Die Hälfte des Bestandes verfügt über Innentoilette (1971: 42 v. H.), 88 v. H. (1971: 82 v. H.) haben Wasseranschluß in der Wohnung. Dies stellt ein Ausstattungsniveau dar. das in der Bundesrepublik Deutschland bei Bad/Dusche bereits Anfang der 60er Jahre und bei Innentoiletten schon in den 50er Jahren erreicht worden ist. 1968 waren in der Bundesrepublik 79 v. H. aller Wohnungen mit WC, 68 v. H. mit Bad und 32 v. H. mit Sammelheizung ausgerüstet — im Jahr 1978 verfügten etwa 90 v. H. aller Wohnungen über Bad und WC sowie 60 v. H. über eine Sammelheizung. Besonders zurückgeblieben ist in der DDR der Altbestand. Beiden bis 1918 gebauten Wohnungen gibt es derzeit nur in jeder zwanzigsten Zentralheizung, in jeder vierten eine Innentoilette und ein Bad. In den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Dresden ist der Altbestand besonders hoch. [S. 140] [S. 141]<VI. Wohnungswesen> Bei den staatlichen Organen (Räte der Kreise, der Bezirke und Gemeinden) bestehen Wohnungskommissionen, die über die Wohnraumverwendung entscheiden. In der Regel müssen Wohnungssuchende — insbesondere für Neubauwohnungen — lange Wartezeiten hinnehmen. Mit Vorrang werden Personen behandelt, die besondere Leistungen für den Aufbau der DDR geleistet haben, oder aber auch Familien von Arbeitern neuer, erweiterter bzw. besonders wichtiger Industriebetriebe. Deshalb nehmen die Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) Einfluß auf die Verteilung fertiggestellter Wohnungen, aber auch auf die Verteilung des Altwohnraums. Seit März 1958 bestehen in den meisten Städten „Volkseigene kommunale Wohnungsverwaltungen“, deren Aufgabe es ist, neben den vormals schon staatlichen Wohnbauten auch die in den Nachkriegsjahren aufgrund der sowjetischen Befehle enteigneten Grundstücke (Eigentum; Enteignung) zu verwalten, ebenso Grundstücke ausländischer oder Eigentümer aus der Bundesrepublik Deutschland, ferner Grundbesitz von Personen, die nach dem 17. 6. 1953 die DDR „illegal“ verlassen haben. Erträge aus Grundstücken bzw. Wohnungen, deren Eigentümer bereits vor 1945 im Ausland oder im Gebiet der heutigen Bundesrepublik lebten, werden nach Abzug der Instandhaltungs- und Verwaltungskosten einem Sperrkonto bei der Staatsbank der DDR überwiesen. Grundstücke bzw. Wohnungen von nach dem 17. 6. 1953 nach der Bundesrepublik Deutschland abgewanderten Eigentümern wurden von den „Kommunalen Wohnungsverwaltungen“ in Treuhänderschaft übernommen. Die Eigentümer haben kein Recht auf die Erteilung von Auskünften oder auf Zahlung von Erträgen aus der Vermietung. Die „Volkseigenen kommunalen Wohnungsverwaltungen“ sind auch die Träger des „Volkseigenen Wohnungsbaus“. Daneben gibt es die seit 1953 existierenden Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG), die den sog. Arbeiterwohnungsbau (1961: 59 v. H., 1967: 25 v. H., 1976/77: 36 v. H. der errichteten Neubauwohnungen) durchführen und die entstandenen Wohnungen verwalten. Seit Ende 1963 sind die „Volkseigenen kommunalen Wohnungsverwaltungen“ auch zuständig für die Organisierung der Reparaturarbeiten an in privatem Besitz befindlichen Wohnungen. Über die Mietermitverwaltung wird angestrebt, die Mieter zu teilweise kostenlosen Reparaturarbeiten an den von ihnen bewohnten Wohnhäusern zu veranlassen. Anders als im Westen konnte in der DDR das — nur durch hohe staatliche Subventionen aufrechterhaltene — äußerst niedrige Mietenniveau weder die Kommunalen Wohnungsverwaltungen und die Wohnungsgenossenschaften noch den privaten Hausbesitz, dem heute immer noch 60 v. H. aller Wohngebäude gehören, zu nachhaltigen Modernisierungsmaßnahmen veranlassen. Dies erklärt den weitgehend baufälligen Zustand eines großen Teils der Miethäuser. Erst als der Staat mit Beginn der 70er Jahre die (aus Staatshaushaltsmitteln und Krediten finanzierte) Modernisierung der Altsubstanz in die Pläne aufnahm, trat hier eine Besserung ein. Die Altbaumieten befinden sich noch immer auf dem Stand von 1938. Wie niedrig das Mietenniveau für Neubauten ist, wird an der Anfang 1972 für einen bestimmten Personenkreis durchgeführten Mietpreissenkung der seit 1967 fertiggestellten Wohnungen deutlich: So zahlen gegenwärtig Arbeiter- und Angestelltenfamilien mit einem Monatseinkommen bis 2.000 Mark in Berlin (Ost) 1,– bis 1,25 Mark und in den Bezirken der DDR 0,80 bis 0,90 Mark je qm Wohnfläche, Personen mit höherem Einkommen bis zu einem Drittel mehr. VII. Die Wohnungsbauprogramme bis 1990 Das Wohnungsbauprogramm des gegenwärtigen Fünfjahrplans sieht für die Jahre 1976–1980 vor, 750.000 Wohnungen zu bauen, davon 550.000 Neubauwohnungen (einschl. Eigenheime). Dieses Programm ist inzwischen durch Selbstverpflichtung des FDGB um 100.000 zu modernisierende Wohnungen erweitert worden. Der vorgesehene Neubau konzentriert sich besonders auf die Bezirke (Erfurt, Dresden, Magdeburg, Leipzig, Suhl) mit hohen Altbeständen, um Anfang der 80er Jahre den Abriß nicht erneuerungswürdiger Wohngebäude zu ermöglichen. Mit der Modernisierung sollen die dafür geeigneten Altbestände den heutigen Ausstattungsanforderungen angepaßt werden. Darüber hinaus spielt als Ziel des Wohnungsbauprogramms auch die Schaffung von Wohnraum für Arbeitskräfte in neueren Industriegebieten eine Rolle — beispielsweise in den Bezirken Frankfurt, Cottbus und Rostock. Rund je ein Zehntel aller Neubauwohnungen ist geplant für die Bezirke Halle, Karl-Marx-Stadt, Dresden und Berlin (Ost). Hier entfallen allein 20.000 Wohnungen auf den neuen Stadtteil Berlin-Marzahn, der nach seiner Fertigstellung 1985 35.000 Wohnungen umfassen soll. Daneben sind hohe Planziele auch für die Bezirke Leipzig und Magdeburg (je 40.000 Neubauwohnungen) vorgesehen; auch hier werden neue Wohngebiete — Leipzig-Grünau mit 20.000 und Magdeburg-Nord mit 10.500 Wohnungen — erschlossen. Nur weniger als 5 v. H. der Neubauwohnungen sind wegen des hohen Mehraufwands in Hochhäusern geplant, vor allem in Berlin (Ost) und in einigen Bezirkshauptstädten. Deshalb konzentriert sich der Wohnungsbau hauptsächlich auf fünf- und sechsgeschossige, gelegentlich auch auf zehn- und elfgeschossige Gebäude. Unter Berücksichtigung der erreichten Neubauleistung von knapp 259.000 Wohnungen der Jahre [S. 142]1976 bis Mitte 1978 verbliebe für die zweite Hälfte der gegenwärtigen Fünfjahrplanperiode noch ein Planziel von 292.000 Wohnungen. Dieses Ziel erfordert in den meisten Bezirken der DDR erhebliche Anstrengungen. Bei der Modernisierung hingegen (einschl. Um- und Ausbau) dürfte das verbleibende Plansoll leichter zu erreichen sein. Seit 1971 wird der Bau von Eigenheimen für Familien von Arbeitern und Genossenschaftsbauern, für kinderreiche Familien sowie für junge Ehepaare — bei Übernahme größerer Eigenleistungen — insbesondere in kleinen und mittleren Städten und Dörfern gefördert. Insgesamt sollen im gegenwärtigen Planjahrfünft 55.000 Eigenheime gebaut werden. Hemmend scheinen sich beim Eigenheimbau bisher allerdings noch Schwierigkeiten bei der Materialbereitstellung auszuwirken. Für das Wohnungsbauprogramm sind im gegenwärtigen Planjahrfünft einschließlich Folgeeinrichtungen (z. B. Kindergärten und Kaufhallen) 55 Mrd. Mark vorgesehen. Zieht man davon den geplanten Reparaturaufwand (einschl. Modernisierung) von 14 Mrd. Mark ab, so handelt es sich um ein Investitionsvolumen von 40 Mrd. Mark — das entspricht einem Anteil von fast 17 v. H. aller bis 1980 geplanten Investitionen. Etwa zur Hälfte wird der Gesamtaufwand aus dem Staatshaushalt finanziert, davon jährlich etwa 3 Mrd. Mark für die aus Mieten nicht zu deckenden Reparaturleistungen (Mietpreissubventionen). Da auch bei Erfüllung des Wohnungsbauprogramms des Fünfjahrplanes sowohl wegen der starken Überalterung als auch wegen der recht erheblichen Ausstattungsmängel der Wohnungen die Wohnbedingungen noch weit hinter den Erfordernissen zurückbleiben werden, hat die Wirtschaftsführung der DDR ein weiteres, recht umfassendes Wohnungsbauprogramm bis 1990 konzipiert. Danach ist für den Zeitraum von 1981 bis 1990 der Bau bzw. die Modernisierung von 2,0 bis 2,2 Mill. Wohnungen [S. 143]vorgesehen. Der Wohnungsbau bleibt damit auch weiterhin Schwerpunkt der Investitionstätigkeit. Der Gesamtaufwand soll 140–145 Mrd. Mark betragen. Angesichts der gestiegenen Rohstoffkosten erscheint es jedoch fraglich, ob diese Größenordnung eingehalten werden kann. Manfred Melzer Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 136–143 Bau- und Montagekombinate A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Beamte

Siehe auch die Jahre 1975 1985 I. Bauwirtschaft Die Bauwirtschaft ist der Wirtschaftsbereich für Hoch- und Tiefbau sowie Bauinstandsetzungen, der grundsätzlich jene Betriebe umfaßt, die am Prozeß der Bau Vorbereitung und Baudurchführung teilhaben. Seit 1960 hat sich der Anteil der Bauwirtschaft am Nettoprodukt der DDR (Nationaleinkommen) von 7 v. H. (1960) auf 8 v. H. (1977) und ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung von 6 auf 7 v. H. erhöht. Die bauwirtschaftliche Gesamtleistung,…

DDR A-Z 1979

Produktionsberatungen, Ständige (StPB) (1979)

Siehe auch: Produktionsberatung: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 Produktionsberatungen, Ständige: 1985 Produktionsberatungen, Ständige (StPB): 1975 Produktionsberatung, Ständige: 1965 1966 1969 [S. 861]Organe der Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) in Industrie, Bauwesen, volkseigener Landwirtschaft, Handel, Transport- und Nachrichtenwesen sowie in Forschungseinrichtungen auf Betriebs- und Abteilungsebene, mit deren Hilfe die Werktätigen ihre Mitwirkungsrechte bei der Leitung der Produktion, insbesondere bei der Verbesserung des Produktionsablaufs (Intensivierung und Rationalisierung), und ihre Kontrollrechte gegenüber den Betriebs- und Abteilungsleitern bei der Planaufstellung und Plandurchführung unter Leitung der Betriebs- bzw. Abteilungsgewerkschaftsleitungen (BGL bzw. AGL) ausüben sollen. 1955/56 wurden vom FDGB erstmals Produktionsberatungen (PB) in den VEB in größerem Umfang systematisch durchgeführt, in denen am Arbeitsplatz mit den Funktionären der Werkleitungen über Planerfüllung. Verbesserung des Planablaufs, Senkung der Selbstkosten, Verpflichtungen im Sozialistischen Wettbewerb usw. diskutiert wurde. Unter dem Eindruck der sich während und nach den Unruhen in Ungarn und insbesondere in Polen bildenden Arbeiterräte gestand auch die SED-Parteiführung die probeweise Bildung von zumindest formal von den Gewerkschaften unabhängigen Arbeiterkomitees in 20 Betrieben zu. Nach Festigung der politischen und wirtschaftlichen Lage wurden diese offiziell auf der 35. Tagung des ZK der SED (3.–6. 2. 1958) und durch die Direktive des Präsidiums des BV des FDGB vom 29. 4. 1958 zugunsten von gewählten Ausschüssen der PB als gewerkschaftliche Organe aufgelöst. Mit dem Beschluß der 35. Tagung des BV des FDGB (11.–13. 3. 1959), der vom Ministerrat der DDR am 9. 4. 1959 bestätigt wurde, entstanden aus diesem die StPB auf Abteilungsebene und Zentrale StPB (ZStPB) für den Gesamtbetrieb. Im Zuge des NÖS, als die SED sich selbst stärker in den unmittelbaren Betriebsablauf einschaltete und der Versuch gemacht wurde, die Qualität der Mitwirkungsorgane durch die Einbeziehung einer größeren Zahl von Angehörigen der technischen und ökonomischen Intelligenz zu heben, wurden durch Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 29. 10. 1963 die ZStPB in den Großbetrieben aufgelöst und an ihrer Stelle Produktionskomitees (PK) gebildet. Die PK fanden ihre gesetzliche Anerkennung durch den Beschluß des Ministerrats vom 27. 4. 1967 und wurden in der Verfassung von 1968 (Art. 44, 3) sowie im Gesetzbuch der Arbeit (§ 10 a) erwähnt. Unter unmittelbarer Leitung des Betriebsparteisekretärs waren in ihm der Vorsitzende der BGL, die Leiter der anderen Massenorganisationen sowie die „qualifiziertesten Arbeiter, Ingenieure, Ökonomen, Wissenschaftler und leitende Kader“ vertreten. Die PK sollten als herausgehobene und durch ihre Besetzung mit besonders befähigten Belegschaftsmitgliedern geeignete Beratungsgremien sowohl auf die Planaufstellung, die Ausarbeitung der betrieblichen Entwicklungsperspektive, die Einführung und Ausarbeitung neuer Fertigungsverfahren, die Betriebsorganisation, die Einhaltung der Koordinierungs- und Kooperationsverträge, die Qualifizierung und Entwicklung der Kader (Kaderpolitik) als auch auf die Verbesserung der betrieblichen Arbeits- und Lebensbedingungen Einfluß nehmen. Das PK wurde zwar auf den gewerkschaftlichen Vertrauensleutevollversammlungen gewählt, war aber der Betriebsparteileitung zugeordnet. Die teilweise Zurücknahme der Wirtschaftsreformen durch den VIII. Parteitag der SED 1971, verbunden mit der Stärkung des FDGB als dem maßgeblichen Träger der Mitwirkungsorgane im ökonomischen Bereich, hat, ohne daß eine Änderung der genannten gesetzlichen Regelungen über Einrichtung und Funktion der PK bekanntgeworden wäre, zu deren Auflösung geführt. An ihre Stelle sind durch Beschluß des BV des FDGB vom 18. 11. 1971 erneut ZStPB getreten. In der am 7. 10. 1974 geänderten Verfassung werden die PK nicht mehr erwähnt. Die Mitglieder der StPB wurden bis zu den Gewerkschaftswahlen 1976/77 in einem eigenen, direkten Wahlgang gewählt. Nunmehr werden ihre Mitglieder wie die der anderen Kommissionen der BGL von dieser berufen und von einem anderen BGL-Mitglied geleitet. ZStPB werden jetzt in Grundorganisationen des FDGB in der Industrie, des Bauwesens, des Transport- und Nachrichtenwesens, des Handels, in volkseigenen Landwirtschaftsbetrieben und Forschungseinrichtungen mit mehr als 50 Beschäftigten gebildet. Sie haben je nach Größe des Betriebes 5–21 Mitglieder. Bei den Abteilungsgewerkschaftsleitungen ist den Leitungen die Bildung von StPB freigestellt. Sitzungen sollen einmal monatlich stattfinden; vierteljährlich sind die StPB aufgefordert, über ihre Arbeit in Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen zu berichten. Die Werk- bzw. Abteilungsleiter oder von ihnen bevollmächtigte Vertreter haben auf Verlangen an den Sitzungen der StPB teilzunehmen. Beschlüsse der StPB haben gegenüber den Wirtschaftsleitungen keine bindenden — das würde dem Prinzip der Einzelleitung widersprechen —, sondern lediglich empfehlenden Charakter. Die rechtliche Qualität der Empfehlung ist jedoch dahingehend gestärkt worden, daß die betroffenen Leiter über die Verwirklichung von StPB-Beschlüssen berichten bzw. begründen müssen, warum sie nicht realisiert worden sind. Die Hauptaufgabe der StPB besteht in der Anregung und Förderung von Rationalisierungsvorhaben: Einsparung von Arbeitsplätzen und Senkung der Kosten durch neue oder Verbesserung bereits installierter Produktionsverfahren, Hebung der Qualität der Produkte; Durchsetzung der Wissenschaftlichen ➝Arbeitsorganisation, Sicherung eines kontinuierlichen Produktionsprozesses, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere des Arbeitsschutzes. Kritik und Anregung richten sich sowohl an die Werkleitungen als auch an die Belegschaftsmitglieder, die für die jeweiligen Vorhaben gewonnen werden sollen. Arbeitsgrundlage der StPB sind vom Betriebsplan abgeleitete und von der BGL/AGL bestätigte Arbeitspläne. Die ZStPB konzentrieren sich auf Schwerpunkte, die den Gesamtbetrieb betreffen, sie helfen ferner den BGL bei der Erar[S. 862]beitung von Stellungnahmen zu den Betriebsplänen und den Betriebskollektivverträgen. Da sie vielfach sich mit anderen Gremien überschneidende Themen behandeln, sind sie auf Zusammenarbeit mit den gewerkschaftlichen Kommissionen und den im Betrieb wirkenden Massenorganisationen angewiesen. PB ohne feste organisatorische Form gibt es auf Brigade-, Meisterbereichsebene und in Kleinbetrieben aus aktuellem Anlaß, vor allem in Zusammenhang mit Schwierigkeiten in der Planerfüllung und im Rahmen von Wettbewerbsverpflichtungen. Die Zahl der StPB ist aufgrund der Wahlordnung des FDGB 1976/77 offensichtlich zurückgegangen, da die StPB auf Abteilungsebene nur noch in geringer Zahl gebildet werden. 1977 gab es 9.762 ZStPB mit 95.555 Mitgliedern. Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 861–862 Produktionsabgabe A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Produktionsfaktoren

Siehe auch: Produktionsberatung: 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 Produktionsberatungen, Ständige: 1985 Produktionsberatungen, Ständige (StPB): 1975 Produktionsberatung, Ständige: 1965 1966 1969 [S. 861]Organe der Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) in Industrie, Bauwesen, volkseigener Landwirtschaft, Handel, Transport- und Nachrichtenwesen sowie in Forschungseinrichtungen auf Betriebs- und Abteilungsebene, mit deren Hilfe die Werktätigen ihre Mitwirkungsrechte bei…