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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2014

Mündigkeit und Messianismus: Zur Reichweite kommunistischer Befreiung im südindischen Telengana, 1946–1951

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 191-210 | Metropol Verlag

Autor/in: Patrick Hesse

Obwohl die Republik Indien nie kommunistisch regiert wurde und sie in Zeiten der Blockkonfrontation stets den blockfreien Staaten angehörte, zählt die kommunistische Bewegung im Land zu den meistbeachteten der »Dritten Welt«.1 Die Kommunistische Partei Indiens (Communist Party of India, CPI) war nicht nur eine der ersten kommunistischen Parteien in einem nicht-westlichen Land, sondern stellte 1957 auch die weltweit erste demokratisch gewählte kommunistische Regierung im südindischen Bundesstaat Kerala. In Westbengalen, einem weiteren Bundesstaat, hielt sich die größte kommunistische Partei des Landes über mehr als drei Jahrzehnte an der Regierung.

Im südindischen Bundesstaat Andhra Pradesh sind kommunistische Parteien heute zwar marginalisiert, jedoch standen sie bei den ersten Wahlen nach der indischen Unabhängigkeit 1947 der siegreichen Kongresspartei an Stimmen kaum nach. Dies war eine direkte Folge eines Bauernaufstandes oder vielmehr einer ländlichen Revolution, die mehrere Bezirke des damaligen Fürstenstaates Hyderabad ergriffen hatte. Die Region Telengana, heute das nordwestliche Andhra Pradesh, war zwischen 1946 und 1951 Schauplatz einer groß angelegten Bauernerhebung, der Telengana-Rebellion (»Telangana Raithanga Sayudha Poratam«), die in ihrer Hochphase 1947/48 mehrere tausend Dörfer ergriffen hatte. Dieses Ereignis, das das Ende des feudalen Hyderabads und sein Aufgehen in der Republik Indien erheblich beschleunigte, ist von Margrit Pernau treffend als »largest successful upheaval of Asian peasants under the leadership of the Communist Party in the immediate postwar years after the Chinese revolution« verortet worden.2

Dieser Beitrag will sich dem Charakter des Emanzipationsprojekts annähern, das die Kommunisten in den maßgeblich von ihnen erkämpften »befreiten« Gebieten anstießen. Vorrangig gilt das Augenmerk dabei der »kulturellen« oder »lebensreformerischen« Dimension der Emanzipation. Sie sollte keineswegs nur im ökonomischen Sinn von Verhältnissen befreien, in denen nach Marx die Menschen ihre eigene Geschichte »nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen [gestalten]. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden.«3 Im vorliegenden Kontext bezieht sich dies auf das Verhältnis eines revolutionären Entwurfs, der vom bürgerlichen Zeitalter als historischer Voraussetzung ausging, zur Wirklichkeit des Dorflebens, das aus dem Blickwinkel des »Ausgangs der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit« als hoffnungslos rückständig erscheinen musste. Denn wenn marxistische Theorie sich auf die Ökonomie festlegte und andere Kategorien des Gesellschaftslebens tendenziell als zweitrangige, durch die ökonomische Basis bedingte Erscheinungen abtat, so geschah dies im Fall von religiöser und lebensweltlicher Tradition vor allem deshalb, weil sie durch die bürgerliche Epoche bereits als erledigt angesehen wurde.

In Telengana, wo das bürgerliche Zwischenstadium fehlte, trafen vorbürgerliche Lebenswelt und kommunistisches Emanzipationsprojekt unvermittelt aufeinander. Im Folgenden soll daher versucht werden, die praktische Dimension kommunistischer Befreiung von jenen Zwängen zu ermessen, die nicht in ökonomischen Verhältnissen aufgingen. Religiöse Gebräuche und kulturelle Tradition waren den zu befreienden »Massen« nicht von einer Schicht von »Ausbeutern« auferlegt, sondern reproduzierten sich aus ihrer eigenen Lebenswelt heraus. Die Schwierigkeiten, auf die die Kommunisten stießen, gründeten nicht zuletzt in ihrer eigenen widersprüchlichen Haltung zum Charakter der angestrebten Emanzipation. Diese wollte sowohl die Kultur der Subalternen erhalten als auch religiösen und feudalen Diskriminierungen (besonders von Frauen und Unberührbaren) ein Ende bereiten. Verkompliziert wurde die »Erziehung zur Mündigkeit« durch das passiv-eschatologische Verhältnis von Teilen der Bevölkerung zur neuen Ordnung ebenso wie durch verwandte Heilserwartungen der Kommunisten. In ihnen sollte der gordische Knoten der festgefahrenen traditionellen Verhältnisse durch den erlösenden »finalen Kampf« gegen Unterdrückung zerschlagen werden. Darüber hinaus wurden Versatzstücke dieser traditionellen Verhältnisse von den Kommunisten stillschweigend geteilt, vor allem in Geschlechterfragen.

Einschränkend sei gesagt, dass die resultierenden Einschätzungen keinen erschöpfenden Einblick in die Verhältnisse vor Ort liefern können. Ihr Charakter wird fragmentarisch bleiben, da das vorhandene Quellenmaterial nahezu ausschließlich kommunistischer Provenienz ist (in Form von internen Berichten nach Telengana entsandter Parteifunktionäre). Zudem befasst es sich hauptsächlich mit den für die Genossen drängendsten Problemen – der Umsetzung der Landreformen und der Organisation des Guerillakampfes. Im Übrigen war den kommunistischen Funktionsträgern vor Ort bei aller Selbstkritik einerseits daran gelegen, ihr Wirken auch in Bezug auf den Fortschritt des sozialen Lebens als dienlich erscheinen zu lassen. Daher sind ihre in die Berichte einfließenden Einschätzungen mit Vorsicht zu genießen. Andererseits verfielen sie leicht darauf, offensichtliche Defizite auf die »Rückständigkeit der Bevölkerung« zurückzuführen und auf diese Weise Mängel und blinde Flecken in der eigenen Herangehensweise zu externalisieren. Dennoch sind die spärlichen Details aus dem Leben in den Aufstandsgebieten oft mit überzeugender Nüchternheit festgehalten worden.

Zusätzlich ist das Primärquellenmaterial nach Bedarf um Zeitzeugenberichte erweitert worden, wie sie im Buch des feministischen Autorinnenkollektivs Stree Shakti Sanghatana versammelt sind. Diese sind von einem erheblich kritischeren Tenor gekennzeichnet. Mitunter stellen sie jeglichen Emanzipationserfolg insbesondere im Hinblick auf Geschlechterrollen in Abrede. Dies wird zwar weder der Praxis noch dem Anspruch der Kommunisten gerecht, als Kontrastfolie zur beschönigenden Tendenz der Berichte der Kommunisten sind sie allerdings brauchbar. Trotz des lückenhaften Charakters der Quellengrundlage können daher einige zentrale Charakteristika des Handelns der Kommunisten herausgestellt werden.

Zunächst wird ein einleitendes Kapitel die Hintergründe des Aufstandes und seiner kommunistischen Protagonisten erfassen. Anschließend werden das Projekt kommunistischer Ermächtigung zur Mündigkeit (verstanden als Überwindung überkommener Formen gesellschaftlicher Organisation) und seine messianische Dimension in zentralen Elementen der Gesellschaft Telenganas analysiert: politische Vertretung, Geschlechterverhältnisse und Unberührbarkeit als eminenteste Ausschlusskategorien hinduistischer Alltagskultur.

I. Kommunismus, Alltagskultur und der indische Subkontinent

Das sowjetische Muster

Die eindeutige Abgrenzung zu Erscheinungsformen »präkommunistischer« und auch präbürgerlicher Kultur stellte, gerade wenn Letztere eine populäre Dimension besaß, kein Problem nur des indischen Kommunismus dar. Schon die Sowjetunion, das unmittelbare historische Vorbild, gab keineswegs eine einheitliche Linie vor. Zwar hatte die Kommunistische Partei Russlands/Bolschewiki KPR[B]) kurz nach der Revolution offen das Ziel erklärt, moralingetränkte christliche Sitten aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Während die libertären Reformen aber schon im revolutionären Kernland wenig fruchteten, galten außerhalb durchaus andere Maßstäbe für Emanzipation.4

Gerade der Islam des Riesenreiches verfiel zunächst nicht dem atheistisch-progressiv inspirierten Verdikt des Arbeiterstaats. Vielmehr galt er als vom russischen Imperialismus unterdrückte Entität, deren patriarchalische Rückständigkeit der verhängnisvollen zaristischen Politik zuzuschreiben sei.5 Entsprechend begegneten die Bolschewiki islamischer Kultur auch infolge des Prinzips der »korenisazija« [Verwurzelung] vorerst mit integrativem Wohlwollen.6 Vom Aufruf an die »Muslimischen Arbeiter des Ostens« vom Dezember 1917 und der Gründung eigenständiger muslimischer Organisationen inklusive einer muslimischen KP im darauffolgenden Jahr bis hin zur offiziellen Tolerierung der Sharia in Dagestan durch Stalin 1920 zieht sich eine Tradition der Kooperation mit dem, was als »Volkskultur« und »Volksreligiosität« vermeintlich fremdbeherrschter Bevölkerungen verstanden wurde, durch die Anfänge der Sowjetunion.7

Diese Anfänge sind insofern von besonderer Bedeutung, als es vielen am Sowjetstaat orientierten Revolutionären zwar langfristig darum ging, einen entwickelten Sozialismus nach seinem Vorbild zu schaffen (wie er in der sowjetischen Verfassung von 1936 als erreicht erklärt wurde). Dennoch darf seine »reife«, d. h. mitunter intolerante Ausformung keineswegs als prägender für kommunistische Epigonen verstanden werden als seine Genese.8 Die ab den späten Zwanzigerjahren unter Stalin zunehmend angezogenen Daumenschrauben auch hinsichtlich »volkskultureller« Elemente waren eher für das Ziel der Revolution denn für die unmittelbare Aufgabe ihrer Durchführung und Stabilisierung von Belang. Zudem stimmen die international verbreiteten programmatischen Schriften insbesondere Lenins in Kultur- und Nationalitätenfragen mit der toleranten Praxis der ersten Revolutionsjahre weitgehend überein.9 Dagegen entstammt keiner der »Klassiker« kommunistischer Literatur den repressiven Phasen sowjetischer Kulturpolitik. Auch im für die Internationalisierung der Revolution zuständigen Organ, der Kommunistischen Internationale, überwog die Kooptation religiöser, als volksnah begriffener antiimperialistischer Strömungen und Organisationen. Auf dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale 1921 konnte Machul Bey vom »Komitee des revolutionären Muselmanentums« unwidersprochen behaupten, der Hauptgrundsatz des Islams sei die Freiheit, und er hoffe, die Sowjetregierung werde der muslimischen Bevölkerung beistehen, die »unter dem Zarenregime Unsagbares zu erdulden hatte«, nämlich nicht etwa Patriarchat und Vernachlässigung, sondern die Beherrschung durch Ungläubige.10 Schon auf dem II. Kongress war die indonesische Sarekat Islam-Bewegung dafür gelobt worden, gegen den »sündigen Kapitalismus« zu kämpfen. Auf dem IV. Kongress 1922 forderte der indonesische Delegierte Tan Malaka, offen mit ihr zusammenzuarbeiten. Nicht nur verkörpere der von der Bewegung vertretene Islam den nationalen Freiheitskampf, sondern streite auch gegen den Kapitalismus schlechthin. Offenen Widerspruch erfuhr er nicht.11

Überhaupt war die Mentalität der Subalternen Gegenstand besonderer Rücksichtnahme. Zwar betonte Grigorij Zinov’ev auf dem II. Kominternkongress, dass die Aufgabe des Kommunismus nicht darin bestehe, sich an die »zurückgebliebenen Teile der Arbeiterklasse« anzupassen, »sondern darin, die gesamte Arbeiterklasse bis zum Niveau des kommunistischen Vortrupps zu heben«. Dennoch sei die »wichtigste Aufgabe einer wirklich kommunistischen Partei […], immer in engster Fühlung mit den breitesten Schichten der Proletarier zu bleiben«.12 Und Lenin stellte in seiner Ansprache klar: »Wir müssen […] die Räteorganisation den vorkapitalistischen Verhältnissen anzupassen suchen.« Die Räteidee sei der werktätigen Bevölkerung überall gleichermaßen zugänglich.13 Diese Beispiele stellen nicht den grundsätzlichen Impuls auch der sowjetischen Kommunisten in Abrede, für die sozialistische Emanzipation als hinderlich wahrgenommene gesellschaftliche Faktoren zu beseitigen. Sie verdeutlichen jedoch, dass sie sich auch im Namen kommunistischen »Fortschritts« keineswegs konsequent gegen volkstümliche religiös-kulturelle Traditionen wandten. Auch fiel die Frontstellung gegen Fremdherrschaft und »äußerlich« bedingte Ausbeutung stets leichter als gegen die »indigenen« Traditionen des prospektiven revolutionären Subjekts, mochten sie auch noch so sehr dem kategorischen Imperativ Marx’ widersprechen. Wie Stalins Proklamation zeigte, war sogar eine Koexistenz mit kulturellen Formen denkbar, die Lichtjahre von einem aufgeklärten Egalitarismus trennten. Die historische Botschaft der sowjetischen Praxis lautete, dass die Kultur gerade der Unterdrückten tendenziell vor Fremdbestimmung in Schutz zu nehmen sei. Als derartige unzulässige Einmischung galten mitunter auch »progressive« Interventionen auf kultureller Ebene.

Die Anfänge der indischen kommunistischen Bewegung

Während das britisch beherrschte Indien in Form des 1885 entstandenen Indian National Congress (INC) als eine der ersten Kolonien eine organisierte bürgerliche Nationalbewegung hervorgebracht hatte, entwickelte sich im Land bis nach dem Ersten Weltkrieg keine nennenswerte sozialistische Tradition. Daher ging die CPI auch nicht aus einer bestehenden sozialistischen Strömung hervor, sondern wurde 1920 von indischen Exilrevolutionären im sowjetischen Taschkent gegründet.14

Schon die Anfänge der Partei verweisen darauf, dass sie der traditionell verhafteten, religiös-kulturellen Prägung der subkontinentalen politischen Landschaft nicht nur nicht fernstand,15 sondern ihren radikalen Erscheinungsformen unmittelbar entsprang. Die beiden wichtigsten Gruppen, aus denen die Partei hervorging, waren exilierte nationalrevolutionäre Terroristen mit extremistisch-hinduistischem Hintergrund (zu ihnen zählte auch Parteigründer Manabendra Nath Roy) und radikale Muslime. Letztere hatten Indien verlassen, um für den Erhalt des osmanischen Kalifats am Bosporus zu kämpfen, und wählten dafür den Weg über das sowjetische Turkestan. Während die Nationalrevolutionäre den Leninismus zunächst hauptsächlich als Vehikel zur Verwirklichung (hinduistisch-)nationalistischer Träume begriffen, spielten im Fall der radikalen Muslime diffuse Vorstellungen über eine Fusion von Islam und Kommunismus eine gewichtige Rolle.16

Das bedeutet durchaus nicht, dass es dem indischen Kommunismus unmöglich gewesen wäre, sich aus seinem auch religiös-kulturellen Hintergrund zu lösen und einen kritischen Blick auf die Verhältnisse auf dem Subkontinent zu werfen. Doch war die Verstrickung von traditionellen lebensweltlichen Voraussetzungen und kommunistischen Aspirationen nicht auf den Telengana-Aufstand beschränkt, sondern der entstehenden Bewegung selbst von vornherein inhärent. Dafür steht beispielhaft der bengalische Kommunist Muzaffar Ahmad, dessen politische und literarische Betätigung sich nie vom Islam abgrenzte. Santokh Singh, in den Zwanzigerjahren Herausgeber der kommunistischen Zeitung Kirti [Arbeiter] im Punjab, sah keinen Widerspruch im täglichen Gebet und der Lektüre des Kapitals.17 Die Geschichte der indischen Kommunisten ist durchzogen vom wechselvollen Bemühen, in der durch religiös-kulturelle Idiome und Referenzrahmen bestimmten politischen Landschaft eine eigenständige, wirkmächtige Position und eine dazugehörige Sprache zu finden.18

Die Organisation der Partei bereitete kaum weniger Probleme. Unter beständigen Nachstellungen des britischen Sicherheitsapparats etablierten sich ab Beginn der Zwanzigerjahre in mehreren Städten kommunistische Zellen, vorrangig im Textilindustriezentrum Mumbai und in den Jutefabriken entlang des Hooghly in Bengalen. Durch ein groß angelegtes antikommunistisches Gerichtsverfahren ab 1929 lahmgelegt, konnte sich die Partei trotz Illegalität in den Dreißigerjahren unter dem Schirm des INC und angeschlossener Organisationen wie der Congress Socialist Party rekonstituieren. In dieser Phase gelang es der CPI auch, in begrenztem Umfang an einigen Flecken auf dem flachen Land Fuß zu fassen. In Bengalen, an der Malabarküste und in Teilen der Madras Presidency (etwa im britisch verwalteten Andhra, das unmittelbar im Osten an Telengana angrenzte) konnte sich die Partei erfolgreich etablieren.19

Auch erschwerten die großen Distanzen und die Notwendigkeit des Operierens im Untergrund die Abstimmung der verschiedenen Gruppen untereinander. Zusammen mit den erheblichen soziologischen, kulturellen und religiösen Unterschieden der lokalen Bedingungen führte dies von Anfang an zu internen Differenzen. Sie betrafen vor allem das Verhältnis zur nationalen Bourgeoisie – ein letztlich ungeklärtes Thema auch in der Komintern.20 Jedoch gewann auch die Erkenntnis an Gewicht, dass der auf die Revolution des städtischen Proletariats geeichte kommunistische Katechismus in einer weitgehend agrarischen Gesellschaft wie der subkontinentalen nur über eine begrenzte Reichweite verfügte. Schon ehe diese Divergenz zwischen ländlichen und städtischen Parteiorganisationen sich mit dem Aufkommen des Maoismus auch konzeptionell niederschlug, war die Aktivität ländlicher Kommunisten von eigenen Erfahrungshorizonten geprägt. Da diese jedoch nicht über eine stringente Revolutionstheorie verfügten,21 war es an ihnen zu improvisieren. Die Überforderung der CPI in Telengana zu Beginn der Erhebung reproduzierte sich in der späteren Überforderung der gesamtindischen Partei angesichts des Aufstandes, den man zwar begrüßte, dessen Mechanismen man aber nur begrenzt verstand.22

Das Fürstentum Hyderabad im spätkolonialen Indien

Obwohl die Briten ihre Herrschaft bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auf den gesamten indischen Subkontinent ausgedehnt hatten, war ungefähr die Hälfte des Territoriums außerhalb ihrer Verwaltung verblieben. Es wurde von einer Vielzahl kleiner und einigen größeren Fürstenstaaten regiert, die von der Kolonialmacht politisch abhängig waren. Mit dem Ende der britischen Herrschaft und der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans 1947 wurden diese sukzessive den neuen Staaten angegliedert.

Der mit Abstand größte und bedeutendste dieser Fürstenstaaten war Hyderabad, das sich über einen beträchtlichen Teil des südlichen Dekkan-Plateaus erstreckte. Beherrscht wurde es vom Nizam, der einen ausgesprochen feudalen Staat regierte, in dem der Ausbeutung der Bauern durch die Grundherren keine Grenzen gesetzt waren. Noch in den Vierzigerjahren lag die Analphabetenrate bei über 90 Prozent, Industrie war praktisch nicht vorhanden. Trotz einiger Reformanstrengungen wurde Hyderabad auch nach subkontinentalen Standards feudaler Herrschaft repressiv regiert und zeichnete sich durch die »vollständige Abwesenheit bürgerlicher Freiheiten« aus. Erst 1918 wurde ein Ableger des INC eröffnet, dessen politische Aktivität jedoch streng limitiert wurde.23

Die Verbreitung kommunistischer Ansichten ließ in Hyderabad daher auf sich warten. 1940 hatte sich aus dem linken Flügel des INC heraus eine kommunistische Zelle von Studenten um Raj Bahadur Gour konstituiert, die zunächst in der Illegalität operierte. Nachdem die CPI 1942 von der britischen Kolonialregierung legalisiert worden war (auch in Hyderabad), entwickelte sich die Bewegung schnell. Dabei kam ihr entgegen, dass der INC nach einer fehlgeschlagenen Protestkampagne 1938 verboten worden war und als politisches Sprachrohr ausfiel. Anders als andere linke Gruppen Hyderabads hatten die kommunistischen Studenten auch gute (familiäre) Kontakte ins telenganische Hinterland. Diese sollten sich für die Verbindung von städtischer Parteielite und ländlicher Agitation als unschätzbar erweisen.24

Die kleine und ganz überwiegend städtische CPI vervielfachte ihre Schlagkraft durch die erfolgreiche Beeinflussung der Andhra Mahasabha. Diese war 1930 als kulturelle Organisation der Telugu sprechenden Bevölkerung gegründet worden und stellte zunächst sehr moderate politische Forderungen, etwa nach gleicher Repräsentation aller Religionsgemeinschaften im muslimisch regierten Hyderabad. Der Beitritt kommunistischer Studenten von der Osmania Universität Hyderabads bewirkte eine rasche Politisierung und Polarisierung der Mahasabha. Während große Teile sich der – für die Kriegsdauer deutlich gemäßigten – Agitation der CPI öffneten, trennte sich ein moderater Flügel 1944 von der Hauptströmung und vereinigte sich später mit dem INC. Die verbliebene Mahasabha wurde zu einer Massenorganisation unter kommunistischer Ägide, die ein verhältnismäßig breites ideologisches Spektrum bediente. Dieses umfasste den originären Telugunationalismus und das Eintreten für die Rechte der Bauern ebenso wie die Zusammenarbeit mit linken INC-Anhängern.25

Die sozialen Verhältnisse auf dem Land waren desolat und hatten sich durch die Weltwirtschaftskrise weiter verschlechtert. Ein Drittel der Landbevölkerung bestand aus landlosen Feldarbeitern, ein weiteres Drittel aus mehr oder weniger prekär wirtschaftenden Pächtern. Den Rest bildeten Bauern aller Besitzstufen. An der Spitze der Gesellschaft standen die Deshmukhen (ursprünglich Steuerbeamte des Nizams) und Jagirdaren (der eigentliche Landadel), die zum Teil riesige Ländereien angehäuft hatten. Kriegsbedingter Mangel und die Auswirkungen der Hungersnot in Bengalen 1943/44 ließen die Lebensmittelpreise 1945 Rekordhöhen erreichen. Da sich der Regierungsapparat des Nizams als unfähig erwies, Maßnahmen zur Linderung der grassierenden Not zu ergreifen, verschaffte sich der Unmut der Bevölkerung vor allem in den beiden Bezirken Nalgonda und Warangal immer deutlicher Luft.26

Diese Entwicklung traf die Kommunisten zunächst unvorbereitet. Seit 1942 waren sie darauf konzentriert gewesen, soziale Unruhen einzudämmen, um die Kriegsproduktion zu maximieren. Auch artikulierte sich die unter der Landbevölkerung gärende Unzufriedenheit vorerst defensiv. Immerhin hatte die nunmehr kommunistische Andhra Mahasabha schon 1945 offen das Ende der Herrschaft des Nizams und des Feudalsystems gefordert. 1947 waren die besser aufgestellten CPI und Mahasabha schließlich in der Lage, der Repression der erneuten Bauernunruhen in Telengana bewaffneten Widerstand zu leisten und sich an die Spitze der Erhebung zu stellen. Die CPI wurde erneut verboten, verlagerte ihr Hauptquartier ins britisch-indische Vijayawada und schickte ihre durch tamilische Genossen verstärkten Kader in den Untergrund.27 Zunächst kooperierten CPI und INC und stritten gemeinsam für die Auflösung Hyderabads, dessen Nizam sich im Zuge der indischen Unabhängigkeit seinerseits für unabhängig erklärt hatte. Spätestens nachdem im Herbst 1948 die indische Armee die Existenz Hyderabads beendet hatte und das Gebiet nunmehr vom ehemaligen INC regiert wurde, kam es zum Bruch, sodass die CPI den Kampf um die Revolutionierung der ländlichen Gesellschaft allein weiterführte.

II. Aufstand und Lebensreform. Emanzipation im kulturellen Kontext Telenganas

War die Bewegung 1946 noch defensiv geblieben, ergriffen die Kommunisten im folgenden Jahr die Initiative. Großgrundbesitzer wurden enteignet, Schuldbriefe vernichtet, Viehbestände aufgeteilt und die Privilegien der Deshmukhen abgeschafft. Zur Absicherung der Aufstandsgebiete wurden Dorfmilizen rekrutiert, die bald durch mobile Guerillaeinheiten (die Dalam) ergänzt wurden. Zunächst schlecht ausgerüstet, konnten sie durch Überfälle auf Einheiten des Nizams an Waffen und Munition gelangen und waren so in der Lage, in begrenztem Umfang militärische Erfolge zu erringen. Der indischen Armee, mit der sie es ab 1948 zu tun hatten, konnten sie allerdings wenig entgegensetzen.28 Neben unmittelbar militärischen Aufgaben bestand ihre Tätigkeit als kommunistischer »Mustertrupp« auch in der Überwachung der Durchführung der gesellschaftlichen Umgestaltung, die zuallererst auf Landreformen zielte.

Um eine möglichst breite Front unter Einschluss der reichen Bauern zu schaffen, wurde die Obergrenze für Landbesitz in den befreiten Dörfern anfangs recht hoch angesetzt: 500 Morgen waren zu Beginn der Herrschaft des Sangham (Sanskrit für »Gemeinschaft«, gemeint ist hier das Rätesystem) erlaubt.29 Nachdem die Bundes-CPI 1948 auf den Kurs eines landesweiten bewaffneten Aufstands gegen die bürgerliche Kongressregierung eingeschwenkt war, wurde diese Grenze deutlich abgesenkt. Immerhin gehörten die reichen Bauern zum Klientel der Kongresspartei, die aus dem INC hervorgegangen war. Dies entfremdete die wohlhabenderen Schichten der ländlichen Gesellschaft und entzog dem Aufstand längerfristig seine wichtigste Basis. Zudem sorgte die Deckelung für endlose Diskussionen der Verteilungsmodalitäten in den Dorfräten. Dennoch war die Linie der Partei in sozialer Hinsicht immerhin eindeutig und ihre Umsetzung nur durch taktische Erwägungen eingeschränkt.

Hinsichtlich des nichtökonomischen Lebens der Bevölkerung war das Programm jedoch ganz im Geiste des bolschewistischen Vorbildes widersprüchlich. Die politische Resolution der CPI zur Lage in Telengana forderte den Schutz von Religion und Kultur. Zugleich aber sah sie ein Ende der Diskriminierung von Frauen und Unberührbaren vor. Wie beides zusammengehen bzw. wie Emanzipation und Mündigkeit der benachteiligten Gruppen erreicht werden sollten, wenn ihre Diskriminierung Bestandteil der zu erhaltenden Kultur war, vermochten die Verfasser nicht zu beantworten. Konzeptionell vermieden sie den Widerspruch, indem die unschönen Seiten des Alltagslebens der breiten Masse auf die sozialen Verhältnisse zurückgeführt wurden. Bei ihnen lag die Verantwortung, nicht bei der Bevölkerung, die ja im Sinne der Kommunisten mobilisiert werden sollte.30 Puchalapalli Sundarayya, einer der führenden Köpfe der Erhebung, hatte Stalins Lektion verstanden, wenn er retrospektiv einräumte, dass im Zweifel von Eingriffen in populäre Lebensweisen abzusehen war: »Keine Entscheidung sollte getroffen werden, die die vorherrschende Meinung gegen uns aufbringen würde.«31

Oktroyierte Mündigkeit

Wo die Vertreter der alten Ordnung vertrieben worden waren, wurden Dorfräte eingesetzt, die die Verwaltung übernahmen. Sie sollten die Anliegen der Einwohner diskutieren und demokratisch lösen. Sie wurden von allen erwachsenen Dorfbewohnern gewählt, »außer den Volksfeinden«, und waren vorwiegend mit Landstreitigkeiten befasst. Oft wurde Land, das armen Familien zugeteilt worden war, von diesen nicht bestellt, aus Angst, es würde ihnen wieder weggenommen. Vielerorts stellten reiche oder mittelständische Bauern auch die Mehrheit im Sangham, was viele der auf Landumverteilung zielenden kommunistischen Reformprojekte ummöglich machte. So überstanden die alten Strukturen den Systemwechsel: »Rich peasants would get elected because of the position they usually held in the villages before, being literate, clever etc. […] In some cases the poor themselves would propose their names.«32

Neben dem Fortbestand sozialer Hierarchien schränkten weitere immanente Faktoren die Selbstverwaltung ein. So wurde beispielsweise schon bald der für ein Gebiet zuständige und von den Kommunisten bestimmte Organizer anstelle des Dorfrates zur faktischen Quelle politischer Autorität. Gedacht als beratende und nur in Sonderfällen eingreifende Instanz, wurde er zum eigentlichen Anlaufpunkt für Beschwerden und Anliegen der Bevölkerung. Ein Bericht beklagte, dass seine Stellung der Basisdemokratie schadete: »[V]illage committee decisions do not become effective till the organiser says that they are O.K.«33 Diese Aufmerksamkeit verdankte der Organizer nicht nur seiner tonangebenden Stellung in Parteigremien und seiner Verfügungsgewalt über Guerillatruppen, sondern auch der Tatsache, dass in den Augen der Bevölkerung die Modalitäten der Emanzipation unmittelbar an ihm hafteten: »If someone is ill and needs medicine, he or she will ask the organizer. If someone has no grain, he would go to the village committee or the organizer. If there is no school in the village, the Balsangam [Kinderrat] will go to the village committee and then to the organizer and demand one. When the organizer comes to a particular village […] people will go to him with all their complaints and grievances. […] Even people from nearby villages would come with their complaints […] Party’s word is law in the villages.«34

Der letzte Satz verrät gemischte Gefühle angesichts der Schilderungen. Auch hinsichtlich des Austauschens von Dorfräten: »[A]s yet initiative comes from the organisers and not from the people of the village themselves. This is the result of the political and cultural backwardness of the people.«35 Aus diesen wenig schmeichelhaften Einschätzungen spricht mehr Ernüchterung über das erforderliche autoritäre Eingreifen als die Suche nach einem geeigneten Vorwand, um die Zügel selbst in der Hand zu behalten.

Die Notwendigkeit der Lenkung politischer Emanzipation durch die Kommunisten stellte sich bald als umfassend heraus. Ein reisender Berichterstatter der CPI beschrieb eine typische Begegnung mit Dorfbewohnern, die zu Protokoll gaben, dass sie die Grundherren und die Agenten der Regierung vertrieben hätten. Dennoch, so klagten sie, sei der Sangham noch nicht in ihr Dorf gekommen, um das Land umzuverteilen und sie von ihrem Elend zu erlösen. Ein mitreisender Genosse versicherte ihnen daraufhin, dass der Sangham bald zu ihnen kommen werde. Im nächsten Dorf wurde die Gruppe begeistert empfangen und eine Prozession zu ihren Ehren veranstaltet, da sie für Überbringer des Sanghams gehalten wurden: »At last the Sangham has come!«36

Die Befreiung von der alten Gesellschaftsform wurde von der breiten Bevölkerung unübersehbar eschatologisch gefasst und die Ankunft des mystischen, erlösenden Sanghams mit messianischen Qualitäten versehen. Dies wird im Ausmaß der Heilserwartung sichtbar, die mit den Vorstellungen über den Sangham als Erlöser aus aller Not verknüpft war. Diesen entsprach die Passivität, mit der ein solch einschneidendes, gewissermaßen auf göttlicher Sendung beruhendes Ereignis erwartet wurde.

Bei allem aufklärerischen Impetus begriffen die Kommunisten diese Einstellung auch als Chance, das Prestige der neuen Ordnung durch entsprechende Repräsentation zu erhöhen und ihr einen den Erwartungen gemäßen Platz in den Köpfen der Menschen zu verschaffen. Zugleich lag ihnen daran, die messianische Komponente des Rätesystems durch Ermunterung zur profanen Selbsthilfe in engen Grenzen zu halten. Der Auftritt eines Genossen aus besagter Reisegruppe vor dem Dorf (die Aufstellung einiger Dorfräte war Teil ihrer Mission) gibt beides beispielhaft wieder: »You wanted the Sangham to come. It has come now. Now you will be able to distribute land among yourselves.« Die Botschaft traf offenbar auf Zustimmung: Erst hellten sich die Gesichter der Bauern auf, und bald waren die Anwesenden glücklich, dass das Land gerechter verteilt und Demokratie – was auch immer darunter verstanden wurde – eingeführt werden würde.37

Wie angedeutet, waren die Schwierigkeiten damit aber keineswegs zu Ende. Auf ihrem weiteren Weg durch Telengana wurde die Gruppe häufig gefragt, wann der Sangham zurückkommen werde, da der örtliche Organizer von Regierungstruppen getötet worden sei. Der Enthusiasmus der Bevölkerung wurde von einem Mangel an Selbstständigkeit und Eigenorganisation begleitet: »[H]ence they have not been [able] to achieve much so far.«38 Auch die große Popularität der Dalam, häufige Zwischenstopps von Guerilleros oder die Umsetzung der Selbstverwaltung in benachbarten Dörfern allein bewirkten wenig. Offenbar wurde stets aufs Neue eine Art Zeremonie benötigt, mit der die neue Ordnung »geweiht« wurde. Diese Zeremonie bestand darin, dass eine Guerillaschwadron ein Dorf aufsuchte und ihr Kommandant in einer Rede vor den versammelten Einwohnern Art und Charakter der zu schaffenden Institutionen genau beschrieb. Im Anschluss an die folgende Wahl des Dorfrates stand es der Truppe frei, das Dorf wieder zu verlassen.39 Ohne Eingreifen der Partei oder der Dalam fanden im Dorfleben wieder die alten Kategorien Anwendung. Ein Rundschreiben der CPI in der Spätphase des Aufstands, das zum Durchhalten aufrief, brachte die Mentalität unfreiwillig auf den Punkt: Das Volk Telenganas »wartet auf die Führung der Partei« im »heiligen Befreiungskrieg« gegen den Nizam und den INC, ihre Schergen sowie Grundherren und Kapitalisten.40

Die Rückgewinnung der Berührbarkeit

Die meisten Themen abseits ökonomischer Probleme und der militärischen Absicherung des Aufstandes firmierten ganz offen unter »ferner liefen«, wie das Beispiel eines Berichts zeigt, dessen Verfasser einen Organizer interviewt hatte. Dieser widmete sich auch geplanten oder bereits umgesetzten »sonstigen Reformen«. Dazu zählten die Abschaffung von Zwangsehen, Analphabetismus, Mangel an medizinischen Einrichtungen und Unberührbarkeit. Probleme, die jedoch allesamt nicht »im großen Stil« angegangen worden seien. Zwar würden seltener Opfer zur Linderung von Krankheiten gebracht, und in den Dalam sowie den »people’s comitees« sei die Unberührbarkeit praktisch verschwunden, im normalen Alltagsleben jedoch nach wie vor präsent.41

Ein möglicher Grund dafür könnte im Erklärungsmuster liegen, mit dem die Kommunisten der Unberührbarkeit begegneten und ihre Praxis so weit wie möglich von der breiten Bevölkerung trennten. Eine Ansprache eines Kommunisten vor einer Dorfversammlung unmittelbar vor der Wahl des Sanghams charakterisierte Unberührbarkeit als jahrhundertelange ökonomische Ausbeutung einer Sklavenkaste durch die Grundherren (!). Damit war die Einwohnerschaft von der Reproduktion der Unberührbarkeit entschuldigt. Weil aber die Grundbesitzer bereits vertrieben worden waren, fristete die fortwährende Praxis der Unberührbarkeit nun ein eigenartig substanz- und körperloses Dasein. Da laut dem Redner Unberührbare nun zu Eigentümern ihrer Arbeitskraft geworden seien, müssten sie auch dem Dorfrat angehören und Mitglieder in ihn entsenden. Die Realität der Gleichberechtigung sah anders aus: »The whole Harijan [unberührbare] population of the village was sitting together at a distance«, abseits der übrigen Einwohner. Dem Bericht zufolge freuten sie sich darüber, dass sie formell in einen ehrbaren Status erhoben worden waren – wozu es der Intervention eines kommunistischen Messias bedurft hatte, dem es allerdings fernlag, die Dorfgemeinschaft über generelle politische Teilhabe hinaus gegenüber den Unberührbaren in die Pflicht zu nehmen.42

Ein anderer Genosse brüstete sich damit, dass ein grundlegender Wandel in Form »des Verschwindens der Unberührbarkeit« eingesetzt habe. Alle Dörfler lebten zusammen und gäben dem Rest Indiens so ein Beispiel praktizierter Emanzipation der Unberührbaren. Nicht nur seien sie in den Räten vertreten, es gebe auch immer öfter gemeinsame Mahlzeiten.43 Die skeptischeren Stimmen zeigten allerdings die Grenzen auf. Obwohl Tabus und die rituelle Reinigung nach der Berührung eines Unberührbaren verschwunden seien und »selbst [!] Frauen nichts dagegen einzuwenden haben, dass unberührbare Guerilleros in ihren Häusern schlafen und speisen, gibt es in den Dörfern nach wie vor keinen wirklichen Umgang miteinander«.44

Ein anderer Kommunist, sich des »körperlosen« Weiterbestehens der Unberührbarkeit offenkundig bewusst, vertrat die Ansicht, dass sie in kürzester Zeit abgeschafft werden könne. Dazu müsse sie lediglich mit einem »wirklich revolutionären« Ansatz bekämpft werden. Darunter verstand er den vereinten Kampf aller Bevölkerungsschichten gegen die Grundbesitzer – und sprach damit vielen Kommunisten aus der Seele, die sich an die eschatologische Vision eines kathartischen »großen Kampfes« klammerten. Denn dieser würde die offenkundigen Schwierigkeiten bei der Umsetzung ihrer Vorstellungen durch eine Generalläuterung ihrer heiligen Kuh, also des revolutionären Subjekts, einfach hinwegfegen.45

Die (Ohn-)Macht der Geschlechter

Dass der »wirkliche«, finale und vereinte Kampf der Bevölkerung gegen »die Unterdrücker« die ihm zugeschriebene messianische Funktion der nachhaltigen Reinigung seiner Träger nicht verdiente, kann an einem anderen Beispiel abgelesen werden, in dem die nahezu gleichberechtigte Teilhabe am Kampf schon verwirklicht worden war: Die weibliche Bevölkerung Telenganas brauchte sich hinsichtlich ihrer Einsatzbereitschaft nicht hinter den Männern zu verstecken. Von Frauen durchgeführte Angriffe auf Polizeieinheiten und die Befreiung von Gefangenen sowie Kämpferinnen in den Dalam gehörten zum Alltag der Revolution. Verhaftungslisten nannten zahlreiche Frauennamen. All das versteckten die Kommunisten nicht in internen Berichten, sondern publizierten es stolz.46

Der Alltag sah jedoch anders aus. Institutionell ließ die Gleichstellung auf sich warten. Zwar war Frauen der Weg in die leitenden Gremien der neuen Landarbeitergewerkschaften geebnet worden, jedoch nicht dorthin, wo die tatsächlichen Entscheidungen getroffen wurden – in den Sangham. Auch Berichte, die sich insgesamt optimistisch über den bevorstehenden Untergang der »zahlreichen Diskriminierungen, unter denen Frauen seit jeher zu leiden hatten« äußerten, mussten dies eingestehen.47

Fortschritte blieben meist lokal begrenzt, wie im Fall des Wandels der Erbschaftsregelungen. Hier war mancherorts damit begonnen worden, Eigentum nicht länger dem nächsten männlichen Verwandten eines verstorbenen Familienvorstands zu übertragen, sondern seinen Töchtern, so sie keine Brüder hatten.48 Auch körperlicher Misshandlung von Frauen wurde zu Leibe gerückt. Der größte Teil der nicht mit Landbesitz in Verbindung stehenden Fragen, die vor den Dorfräten verhandelt wurden, betraf häusliche Gewalt. Dabei zeigten sich die Gremien häufig dazu bereit, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Strafe bestand aus einer Verwarnung, im Wiederholungsfall aus »the drawing of lines on the ground with one’s nose in the presence of others«. In diesem Kontext wurden auch Scheidungen gewährt, ein zuvor undenkbarer Vorgang: »In one of these cases, the illiterate husband used to beat his literate wife and would not mend himself […] Then the wife asked for divorce and got it.«49

Dabei hatte der Anstand gewahrt zu bleiben, denn es musste dargelegt werden, wie eine solche Entscheidung zu einem »reineren und freieren Leben« beitragen würde.50 Moralische Erwägungen, vor allem gegenüber der Frau, spielten eine große Rolle. Falls einer Scheidung wegen zu großen Altersunterschieds zugestimmt wurde, wurde die Frau ermahnt, nur mit demjenigen jungen Mann im Dorf ein neues Verhältnis zu beginnen, der auch bereit sei, sie zu heiraten: »To keep relations with more than one and to marry anyone has bad influence upon other women in the village.«51

Insgesamt waren sich die Kommunisten ihrer positiven Wirkung sicher. Ein langsamer, doch stetiger Wandel habe die befreiten Gebiete erfasst. Kinderehen seien verboten worden, und einige Frauen, die durch sie schon im Kindesalter zu Witwen geworden seien, hätten wiederverheiratet werden können (ein weiteres Tabu in traditionell hinduistischen Gesellschaften). Der Bericht gestand jedoch auch zu, dass dies die Bevölkerung Telenganas nicht grundsätzlich überzeugt habe. Die Menschen hatten sich nach dem Einmarsch der indischen Armee zu großen Teilen auf die Seite der Kongresspartei geschlagen und vielerorts die von den Kommunisten initiierten sozialen Reformen rückgängig gemacht.52 Barry Paviers Einschätzung, dass die überkommenen sozialen Beziehungen durch »außerordentlich schnelle Bewusstseinsfortschritte« infolge der Erhebung von selbst zusammenbrachen und die Emanzipation »von unten« die Kommunisten überholte, ist daher nicht nachvollziehbar.53

Grenzen der Aufklärer

Ein die Vorstellungen der kommunistischen Agitatoren übersteigendes Befreiungsmoment hat jedoch nicht zwangsweise außerhalb des Denkbaren gelegen. Denn gerade in Geschlechterfragen ließen die Kommunisten erkennen, dass sie sich bei allem Einsatz für Gleichstellung in ihrer Mentalität nur graduell von den herrschenden Mustern unterschieden. Das fing schon beim bewaffneten Kampf an. Zwar rühmte sich die Partei, diesbezüglich Geschlechtergleichheit hergestellt zu haben, jedoch enthielten zeitgenössische Auflistungen der Kommunisten der »Märtyrer« ausschließlich Männernamen.54

Laut den Anweisungen an die Dorfbevölkerung, wie man sich im Falle eines Überfalls der Truppen des Nizams zu verhalten habe, sollten Frauen niemals allein sein, sondern »bei den Männern bleiben und ihre Ehre verteidigen«.55 Zentral ist hier nicht die Vermeidung individuellen und kollektiven Leids. Die weibliche »Ehre« hat mit ihren empirischen Trägerinnen unmittelbar nichts zu tun, sondern ist eine von Familie und Gesellschaft auferlegte Kategorie. Dieser hatten Frauen offenbar auch in den Augen der Kommunisten gerade im Ausnahmefall so gut wie möglich gerecht zu werden. Stree Shakti Sanghatana kommentieren, dass die Überzeugung der Feudalgesellschaft, die Frau sei »Trägerin von Tugend und Tradition, in der Partei zu tief verankert war, um radikal infrage gestellt zu werden«.56 Eine Aktivistin namens Koteswaramma fragte sich rückblickend, wie weit die materialistische Überzeugung der Parteimitglieder tatsächlich reichte und wie viel Erfolg sie bei der Verbreitung ihrer Philosophie hatten. Frauen hätten wiederum selbst einen Anteil an der Entwicklung gehabt, da sie nicht primär soziale, sondern ökonomische Forderungen gestellt hätten.57

Es sollte jedoch hinzugefügt werden, dass sich der kommunistische Konservatismus in Fragen der Geschlechtermoral nicht allein auf Frauen konzentrierte. Alle Mitglieder der Partei hatten ein »moralisches Leben« zu führen, »das dem Ansehen der Partei nicht abträglich ist«. Das war keine taktische Maßnahme, um äußeren Maßstäben von Respektabilität zu genügen. Vielmehr wurden Letztere nicht nur für richtig, sondern auch für essenziell unverwirklicht befunden: Die kommunistische Utopie sah nicht vor, dass dergleichen Rigidität irgendwann nicht mehr notwendig sein sollte. Im Gegenteil, sie verlangte nach deren Vervollkommnung. Da die Voraussetzungen für ein »ideales Leben« noch nicht geschaffen worden seien, müssten gewisse Abweichungen wie »gelegentlicher Alkoholgenuss und sexuelle Fehltritte« toleriert werden, doch gebe es »in der Partei keinen Platz für Trunkenbolde und Lüstlinge«.58

Der Selbstbestimmung und Ermächtigung zu einem von traditionellen moralischen Zwängen freien Privatleben waren auch in der Vorstellung der Kommunisten enge Grenzen gesetzt. Die »extreme Rückständigkeit«59 in Sachen Mündigkeit, die die Kommunisten ihren unaufgeklärten revolutionären Subjekten als notwendige Konsequenz der Herrschaft des Nizams attestierten und die sie gut paternalistisch durch geduldige Erziehung zu beheben gedachten, war somit kein Alleinstellungsmerkmal des »Volkes«. Vielmehr wurde sie von seinen »Emanzipatoren« mitunter geteilt.60

Das wird auch an anderer Stelle deutlich, etwa am Umgang mit denjenigen, die gegen die Regeln der Gemeinschaft verstoßen hatten. Traditionell praktizierten, auch öffentlich demütigenden Formen der Bestrafung wurde der Beifall der Kommunisten zuteil. Das Ziehen einer Linie auf dem Erdboden mit der Nase des Übeltäters im Falle häuslicher Gewalt ist bereits erwähnt worden. Niederen Beamten des Nizams wurde der Schnurrbart abgenommen, dann wurden sie auf Eseln durch die Dörfer geführt und zur Schau gestellt. Auch legten Dorfräte die Kompensation in Fällen von Ehebruch fest, »in manchen Gegenden gemäß der herrschenden Sitte«.61 Andere Maßnahmen beinhalteten die Anwendung körperlicher Gewalt bis hin zur Todesstrafe. Dies fand die Zustimmung der Kommunisten, solange die Dorfgemeinschaft demokratisch über die Strafe entschieden hatte und sie Teil der »traditionellen und überkommenen Lebensweise unseres Volkes« war.62

III. Schlussbetrachtung

Infolge des Einmarsches der indischen Armee im Herbst 1948 wurde das sich in Auflösung befindliche Fürstentum Hyderabad in die Indische Union eingegliedert. Die »Polizeiaktion« wurde von Vizepremier Vallabhbhai Patel auch damit begründet, dass nicht zugesehen werden dürfe, wie die Kommunisten ihre Herrschaft auf ganz Telengana ausdehnten.63 Offenbar wurde der Aufstand durchaus ernst genommen, und man traute ihm zu, sich weiter auszubreiten. Seine Unterdrückung forderte einen hohen Blutzoll, der vorwiegend von kommunistischen Kadern und Angehörigen der Dalam entrichtet wurde. Angesichts von Tausenden Opfern, ausbleibenden Erfolgen und mit Rücksicht auf die bevorstehenden Parlamentswahlen, zu denen sie zugelassen werden wollte, blies die CPI den Guerillakampf 1951 schließlich ab.

Sundarayyas retrospektive Beurteilung des Aufstands klingt ernüchternd. Für ihn bestand seine wichtigste Errungenschaft darin, dass die Bevölkerung für ungefähr zwei Jahre in den Genuss der Landumverteilung kam. Auch inspirierte er in den folgenden Jahrzehnten viele von den Kommunisten angestoßene Kampagnen. Abseits davon sei nicht viel bewegt worden: »Unfortunately, we could not develop a proper revolutionary consciousness among the masses nor could we improve the maturity and understanding of the leaders […] [T]here was not much change in either the material or the objective conditions of the region.«64

Wen Sundarayya mit »wir« meint, kann nur vermutet werden. Möglicherweise die von den Geschehnissen räumlich isolierte, jedoch im Besitz der »Wahrheit« befindliche Parteiführung, die nicht zu den Akteuren vor Ort durchdringen konnte. Vielleicht aber auch im metaphysischen Sinn den kommunistischen Weltgeist, der es nicht vermocht hatte, sich unter den gegebenen Bedingungen in notwendigem Maße zu entäußern. Die Enttäuschung der messianischen Hoffnungen wohl auch Sundarayyas mündete in Resignation. Die entscheidende Transformation, die die Bevölkerung zusammenschweißen, ihre Mentalität umkrempeln und den Triumph über die alte Ordnung vollbringen sollte, blieb aus. Im Gegenteil: Im selben Maße, wie ihre eigene Heilserwartung die Telenganer empfänglicher für den Wandel hin zum neuen Leben machte, verhinderte eine einhergehende rezeptiv-passive Haltung die tatsächliche Umsetzung dieses Wandels. Dies ist anhand der Praxis der Selbstverwaltung deutlich geworden.

Da sich die Emanzipation demnach nicht von selbst vollbrachte, waren die Kommunisten vor die Aufgabe gestellt, ihre eigenen widersprüchlichen Imperative der Befreiung mit den Aspirationen ihres revolutionären Subjekts zu versöhnen. Dieses stellte sich vor allem abseits ökonomischer Klassifikationen schnell als keineswegs homogen dar. Da die Kommunisten jedoch nicht imstande waren, Unterdrückte als eigenständige Teilhaber an Unterdrückungsmechanismen zu kritisieren, musste ihnen das langsame Fortschreiten sozialer Emanzipation rätselhaft erscheinen. In Reaktion darauf entstand eine kommunistische Eschatologie des kathartischen »Endkampfs«, der es schon richten werde. Dabei rangen die Kommunisten ebenso sehr mit sich selbst: Es erwies sich als unmöglich, das Bekenntnis zum Respekt vor Kultur und Lebensweise mit demjenigen zur umfassenden Emanzipation zu harmonisieren. Dazu konnte sich die wenig metaphysischen Schwung versprühende, sondern reichlich profane und alltägliche Umsetzung der Gleichbehandlung von Geschlechtern und Kasten weitaus weniger auf stete Intervention der CPI oder der Dalam stützen als im Fall formal-institutioneller Angelegenheiten (wie der Aufstellung von Dorfräten).

Derlei Intervention stieß darüber hinaus an ihre eigenen Grenzen. Über taktische und strategische Rücksichtnahme hinaus war der Befreiungshorizont der Kommunisten immanent beschränkt. Zugespitzt formuliert liegt der Schluss nahe, dass wenigstens teilweise statt einer Befreiung von der Tradition die Befreiung und Vervollkommnung der Tradition den Antrieb kommunistischer Tätigkeit bildeten. Dies trifft sowohl auf Vorstellungen von einer moralisch »anständigen« Lebensführung zu als auch auf Formen der Bestrafung von Abweichlern. Die Wertschätzung traditioneller Vermittlungsformen war bereits im Rückgriff auf einen traditionellen Ausdruck als Bezeichnung für die neue Gesellschaftsform – Sangham – angedeutet. In all diesen Fällen bezogen sich die Revolutionäre positiv auf traditionelle Vorstellungen und Praxen. Wie deren Verhältnis zu einem sich als libertär begreifenden kommunistischen Projekt einzuschätzen ist, war indes kaum je Bestandteil kommunistischer Reflexion.

Zwar ist das Kapitel des kommunistischen Telengana eine Episode geblieben, doch liefert es bedeutende Einsichten über einen »Kommunismus unter erschwerten Bedingungen«. Niemals zuvor oder danach hatte die CPI in Südasien eine ähnliche Gelegenheit zur Umgestaltung der Gesellschaft. Ihre Praxis unter diesen Umständen, die aufgrund der anhaltenden Kämpfe zugleich sehr bedrängend waren, lässt wertvolle Rückschlüsse auf die südasiatische kommunistische Vision zu. Sie ist sowohl spezifisch, da sie sich unter besonderen regionalen Umständen entfaltete, als auch ein Stück universeller Kommunismusgeschichte, da es den Kommunismus nie gegeben hat und zudem das Muster, nach dem mit populären Lebensweisen verfahren wurde, keine Besonderheit südindischer Kommunisten gewesen ist. Ebenso wenig wie die Erfahrung der Gegensätzlichkeit von messianischer Erwartung und Mündigkeit. Wie beides sich wiederum in nominell kommunistischen Gesellschaften darstellte, ist eine lohnende Perspektive für die weitere Forschung.

1 Siehe Literatur (Auswahl): Mit Schwerpunkt auf die Anbindung der Partei an den internationalen Kommunismus John Kautsky: Moscow and the Communist Party of India. A Study in the Postwar Evolution of International Communist Strategy, New York 1956; Sobhanlal Datta Gupta: Komintern und Kommunismus in Indien 1919–1943, Berlin 2013. Umfassende Parteigeschichte politikhistorischen Zuschnitts bei Gene Overstreet/Marshall Windmiller: Communism in India, Berkeley 1960. Neuere Forschungen setzen meist regionale Schwerpunkte, so Thomas Nossiter: Marxist State Governments in India: Politics, Economics and Society, London 1988; eher historisch-soziologisch Paul Brass/Marcus Franda (Hg.): Radical Policies in South Asia, Cambridge (Mass.) 1973. Seit der Jahrtausendwende hat sich auch die Biografieforschung im indischen Kommunismus etabliert, so Suchetana Chattopadhyay: An early Communist. Muzaffar Ahmad in Calcutta 1913–1929, Delhi 2011 und Kris Manjapra: Marxism and Colonial Cosmopolitanism: An Intellectual Biography of M. N. Roy, Delhi 2010.

2 Margrit Pernau: The Passing of Patrimonialism: Politics and Political Culture in Hyderabad 1911–1948, Delhi 2000, S. 312.

3 Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: Marx Engels Werke Bd. 8, Berlin 1960, S. 115.

4 Siehe David Priestland: Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute, München 2009, S. 132.

5 Josef Stalin: Die Politik der Sowjetmacht in der nationalen Frage in Rußland, in: Stalin Werke Bd. 4, Berlin 1951, S. 314 f.

6 Zur wechselvollen, beileibe nicht durchgängig toleranten Geschichte der Umsetzung der »korenisazija« und damit der sowjetischen Nationalitätenpolitik, auf die hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden kann, siehe zusammengefasst Uwe Halbach: Das sowjetische Vielvölkerimperium. Nationalitätenpolitik und nationale Frage, Mannheim u. a. 1992, S. 33–41.

7 Siehe Times of India vom 18. März 1921; Josef Stalin: Kongreß der Völker Daghestans, in: Stalin Werke (Anm. 5), S. 348 f.; Edward Carr: The Bolshevik Revolution. 1917–1923, Bd. 1, London 1954, S. 317. Nur phasenweise wurde versucht, den Islam offen zu bekämpfen: ebd., S. 321.

8 Es soll nicht verschwiegen werden, dass der Akkommodation volksnaher Religion und Kultur zeitweilig enge Grenzen gesetzt wurden. Siehe hinsichtlich der Repressionen gegen den sowjetischen Islam Yaacov Ro’i: Islam in the Soviet Union. From the Second World War to Gorbachev, London 2000, S. 712–715 und Azade-Ayse Rorlich: Islam under Communist Rule: Volga-Ural Muslims, in: Central Asian Survey 1 (1982), S. 5–42, hier S. 20 f. Der Zweite Weltkrieg leitete eine neuerliche Phase der Toleranz ein, wohingegen unter Chruščëv die antireligiöse Propaganda wieder verstärkt wurde. Insgesamt war die Herangehensweise der Sowjetführungen an Volksreligion und -kultur von sich mit Inaktivität abwechselnden Kampagnen geprägt: Bohdan Bociurkiw: The Shaping of Soviet Religious Policy, in: Problems of Communism 22 (Mai–Juni 1973), S. 37–51, hier S. 40.

9 Siehe v. a. Vladimir Lenin: Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, in: Lenin Werke Bd. 20, 3. Aufl. Berlin 1968, insbes. S. 398 f.

10 Protokoll des III. Kongresses der Kommunistischen Internationale. Moskau, 22. Juni bis 12. Juli 1921, Hamburg 1921, S. 1003 f. u. 1007 f.

11 Der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale. Protokoll der Verhandlungen vom 19. Juli in Petrograd und vom 23. Juli bis 7. August 1920 in Moskau, Erlangen 1971, S. 192; Tan Malaka: Communism and Pan-Islamism. Siehe www.marxists.org/archive/malaka/1922-Panislamism.htm, ges. am 10. Juni 2013. Zu den Reaktionen siehe Carr: The Bolshevik (Anm. 7), S. 480 f.

12 Der zweite Kongress (Anm. 11) [Hervorhebung wie im Original], S. 115, 118 f.

13 Ebd., S. 142.

14 Siehe Rajnarayan Chandavarkar: From Communism to »Social Democracy«: The Rise and Resilience of Communist Parties in India, 1920–1995, in: Social Science 61 (1997), H. 1, S. 99–106, hier S. 100.

15 Beispielhaft dafür stehen Gandhis durch Anleihen in hinduistischer Mystik gekennzeichnetes Politikverständnis, wie es z. B. in der Kampagne des passiven Widerstands von 1920 bis 1922 zum Ausdruck kam, sowie die zeitgleiche Khilafat-Bewegung, mit der die Muslime des Subkontinents gegen die Zerschlagung des osmanischen Kalifats nach dem Ersten Weltkrieg protestierten. Zu Letzterer siehe M. Naeem Qureshi: Pan-Islam in British Indian politics: A study of the Khilafat Movement, 1918–24, Leiden 1999; zu Gandhi Mohit Chakrabarti: Gandhian Mysticism, Delhi 1989, bes. S. 36–40 u. 105–111.

16 Zur Gründung der CPI siehe (Auswahl) Gene Overstreet/Marshall Windmiller: Communism in India, Berkeley 1960, S. 24–34; Jyoti Basu u. a.: History of the Communist Movement in India. The Formative Years 1920–1933. Bd.1, Delhi 2005, S. 33 f. Speziell zum Sozialismus der muslimischen Emigranten Khizar Ansari: Pan-Islam and the Making of the Early Indian Muslim Socialists, in: Modern Asian Studies 20 (1986), S. 509–537, hier S. 519–530; ders.: The Emergence of Socialist Thought among North Indian Muslims (1917–1947), Lahore 1990, S. 57–59. Zum Exodus siehe M. Naeem Qureshi: The Ulama of British India and the Hijrat of 1920, in: Modern Asian Studies 13 (1979), S. 41–59. Eine weitere für den Aufbau des subkontinentalen Kommunismus wichtige Strömung, die Gadar-Partei, wird behandelt in: Sohan Singh Josh: Hindustan Gadar Party. A Short History, 2 Bde., Delhi 1977/78.

17 Siehe Bhagwan Josh: Communist Movement in Punjab (1926–1947), Delhi 1979, S. 77. Zu Ahmad siehe seine Autobiografie Muzaffar Ahmad: Myself and the Communist Party of India, 1920–1929, Kolkata 1970, S. 77–82, 194 u. 299 f.; des Weiteren einen Bericht über seine Ansprache auf einer Konferenz der East Pakistan Renaissance Society in People’s War vom 7. November 1943 sowie die umfassende detaillierte Biografie Chattopadhyay: An early Communist (Anm. 1).

18 Dies wird in der entstehenden Dissertation des Autors eingehender behandelt werden. Dass sich die CPI auch fast drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung nicht über den Charakter der indischen Gesellschaft einig war, belegt die anhaltende Diskussion, zusammengefasst in: Report of the Discussion on the PB Documents of Andhra Prov. Committee vom 28. Februar 1949. CPI Library, Ajoy Bhavan New Delhi (im Folgenden: CPIL-AB) SN 367.

19 Für einen Abriss der Aktivitäten der CPI in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre siehe Shoke Kumar Mukhopadhyay (Hg.): India and Communism. Secret British Documents, Kolkata 1997, S. 101–113, sowie Overstreet/Windmiller: Communism (Anm. 16), S. 74–108.

20 So wurde die moderate Linie ab 1920, die die bedingte Kooperation mit bürgerlichen Nationalisten vorsah, 1928 durch einen strikten Konfrontationskurs ersetzt. Unter dem Eindruck des Erfolgs des Faschismus schwenkte man 1935 schließlich auf die Volksfronttaktik ein, die eine sehr weitgehende Zusammenarbeit beinhaltete.

21 Eine kurze Übersicht über die Geschichte der Etablierung maoistischer Positionen in Indien bei Mohan Ram: Maoism in India, Delhi 1971, S. 39 f.

22 Abgesehen von einigen Landarbeitergewerkschaften war die kommunistische Bewegung auf dem Land kaum vertreten. Später bewirkte die Radikalisierung der Führung der CPI in Telengana während des Aufstands eine Öffnung von Teilen der Partei zum Maoismus, welcher treibende Kraft bei den Parteispaltungen von 1964 und insbesondere 1967 war.

23 Siehe Stree Shakti Sanghatana: »We Were Making History …«. Life Stories of Women in the Telangana People’s Struggle, Delhi/London 1989, S. 5 (Zitat) u. 7. Für einen Abriss der ökonomischen Entwicklung Hyderabads im 20. Jh. siehe Pernau: The Passing (Anm. 2), S. 316 f.; zum Analphabetismus K. V. Narayana Rao: Telangana. A Study in the Regional Committees in India, Kolkata 1972, S. 69.

24 Siehe Stree Shakti Sanghatana: »We Were Making« (Anm. 23), S. 9 u. 11; Barry Pavier: The Telengana Movement, 1944–51, Delhi 1981, S. 113; Peasants in Revolt – The Background, in: CPIL-AB, ohne SN und Seitenzählung.

25 Siehe Stree Shakti Sanghatana: »We Were Making« (Anm. 23), S. 11; Pernau: The Passing (Anm. 2), S. 317–319; Peasants in Revolt – The Background, in: CPIL-AB, ohne SN und Seitenzählung. Zum politischen Programm der frühen Andhra Mahasabha siehe Puchalapalli Sundarayya: An Autobiography. Herausgegeben, aus dem Telugu übersetzt und gekürzt von Atlury Murali, Delhi 2009, S. 185.

26 Margit Pernau sieht eine weitere Konfliktebene: Die Konkurrenz der aufstrebenden reichen Bauern, die ihre politische und wirtschaftliche Zukunft in einem demokratisch regierten Indien sahen, mit der Schicht feudaler Grundbesitzer, die am Status quo festzuhalten gedachten. Pernau: The Passing (Anm. 2), S. 314–319. Zur Ökonomie Hyderabads siehe auch Pavier: The Telengana (Anm. 24), S. 183. Zur wachsenden Verschuldung der Bauern Telenganas siehe Ginjala Yadava Reddy: Indebtedness in Rural Telangana – A Study 1900–1945, unveröffentl. Dissertation an der Kakatiya University, Warangal 2000, bes. Kap. 5 und 6; eine detaillierte Studie des Wirtschaftssystems in Warangal findet sich bei V. Ramakrishna Reddy: Economic History of Warangal Suba 1911–1950, Dissertation an der Osmania University, Hyderabad 1983.

27 Siehe Pernau: The Passing (Anm. 2), S. 319 f.; Stree Shakti Sanghatana: »We Were Making« (Anm. 23), S. 12.

28 Eine umfangreiche Beschreibung der Dalam und ihrer Tätigkeiten findet sich in: IV The Dalam, in: CPIL-AB, SN 358.

29 Siehe Pernau: The Passing (Anm. 2), S. 319 f. Siehe auch Reddy: Economic History (Anm. 26), S. 52–55 und Puchalapalli Sundarayya: Telangana People’s Struggle and its Lessons, Kolkata 1972, S. 57–59.

30 Siehe Political Resolution on Present Situation in Hyderabad State – Our Tasks, in: CPIL-AB, SN 386, S. 13 f.

31 Sundarayya: Telangana People’s (Anm. 29), S. 351.

32 II. Village Commitees, in: CPIL-AB, SN 358, S. 2 f.; Jagmohan’s Report on Telangana, in: CPIL-AB, SN 358, S. 4.

33 II. Village Commitees, in: CPIL-AB, SN 358, S. 4.

34 Party As The Leader Of The People, in: CPIL-AB, SN 358, ohne Seitenzählung.

35 II. Village Commitees, in: CPIL-AB, SN 358, S. 5.

36 Report on Telangana, in: CPIL-AB, SN 359, S. 4 f.

37 Ebd., S. 5 f.

38 Ebd., S. 11.

39 Siehe ebd., S. 20.

40 Introduction, in: Andhra Communist Committee’s Letter to Telangana Heroes, in: CPIL-AB, S. 2–4. Wenig überraschend kam es durch die Konzentration politischer Autorität bei den Kommunisten und Dalam auch zu Übergriffen: Regarding Raids, in: CPIL-AB, SN 358, S. 3 f.

41 CPIL-AB, SN 361, S. 4. [Ohne Titel]

42 Report on Telangana, in: CPIL-AB, SN 363, S. 6.

43 Ebd., S. 15 f.

44 Ebd. siehe auch New Life, in: CPIL-AB ohne SN, S. 4 f.

45 Jagmohan’s Report on Telengana, in: CPIL-AB, SN 358, S. 9.

46 Siehe People’s Age vom 14. Dezember 1947 sowie 1. und 11. April 1948.

47 New Life, in: CPIL-AB ohne SN, S. 4 f. Siehe auch Organisations in Villages, in: CPIL-AB, SN 358, S. 30.

48 Siehe II. Village Commitees, in: CPI-AB, SN 358, S. 7.

49 Ebd., S. 9.

50 Sundarayya: Telengana People’s (Anm. 29), S. 351.

51 Report on Telengana, in: CPI-AB, SN 359, S. 21.

52 Siehe The Victorious Fight – The Dalam, in: CPIL-AB, ohne SN, ohne Seitenzählung.

53 Pavier: The Telengana (Anm. 24), S. 137.

54 Dabei gab es natürlich auch zahlreiche Frauen unter den Todesopfern. Siehe Our Martyrs, in: CPIL-AB, SN 368.

55 Organisations in Villages, in: CPIL-AB, SN 358, S. 43 f. Siehe auch People’s Age vom 14. Dezember 1947.

56 Sanghatana: »We Were Making« (Anm. 23), S. 268.

57 Ebd., S. 123, 130 u. 254.

58 Organisations in Villages, in: CPIL-AB, SN 358, S. 31. Kritik an solchem mitunter puritanische Züge annehmenden Konservatismus war selten und wurde auch innerhalb der Partei kaum diskutiert. Die Intervention On Letter from Balai, in: CPIL-AB, SN 367, bes. S. 2 steht allein auf weiter Flur.

59 CPIL-AB, SN 361, S. 4. [Ohne Titel, Hervorhebung wie im Original].

60 Ebd.

61 Sundarayya: Telengana People’s (Anm. 29), S. 126 f.

62 People’s Age vom 14. Dezember 1947.

63 CPIL-AB, SN 368, S. 10. [Ohne Titel]

64 Sundarayya: An Autobiography (Anm. 25), S. 282 f.

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