JHK 1995

Inhaltsverzeichnis

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Die Beziehungen zwischen der Komintern und der bolschewistischen Partei in den Jahren 1919-1929

Milos Hajek (Prag)

Vorbemerkung. In der Einführung zum I. Band dieses Jahrbuches haben wir es begrüßt, daß mit der (Teil-)Öffnung der Archive in den ehemals kommunistisch regierten Ländern die quellengestützte Aufarbeitung des Kommu­nismus vorankommt. Tatsächlich besteht inzwischen bei den aus Archivalien erarbeiteten Veröffentlichun­gen geradezu Hochkonjunktur. Allerdings sind darunter auch Schnellschüsse. Eine Tendenz zur „Archiv­ gläubigkeit" ignoriert nicht nur den Forschungsstand, sondern auch bereits…

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Der Moskauer Apparat der Komintern: Geschäftsabteilung, Personalentscheide und Mitarbeiterbestand

Peter Huber (Genf)

Die in Moskau lebenden Kominternfunktionäre kamen mit Instanzen in Berührung, die Ar­beits- und Wohnverhältnisse regelten. Diese Dienststellen im Kominternapparat blieben in den offiziellen Publikationen der Komintern unerwähnt. Die Öffnung der Moskauer Archive erlaubt uns heute, den Kompetenzbereich solcher Instanzen auszumachen. Als erstes sei die Geschäftsabteilung der Komintern (uprawlenje delami) erwähnt, die für Unterkunft, Entlöh­nung und Ernährung der Mitarbeiter aufkam und darüber…

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Volkogonov' s „Lenin"

Pierre Broue (Grenoble)

Volkogonov's book on Lenin - the crowning achievement of his trilogy on the Revolution and USSR was not so impatiently looked forward to as his works on Stalin - a genuine „de­stalinization", and on Trotsky - a „rehabilitation" of a somewhat peculiar kind. Everybody knows that that professional army officer, a military officer turned politician, then official historian, enjoyed the enormous privilege of having access - just like the historiographers of Caudillo Franco's court in Nationalist…

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Franz Koritschoner (1892 - 1941)

Hans Schafranek (Wien)

"Ich stehe als Verbrecher vor der Sowjetmacht, gegen deren Gesetze ich mich vergangen habe, als Betrüger vor meinen Freunden und Genossen, denen gegenüber ich mich als guter, bewußter Kommunist ausgab, ob­wohl ich es nicht mehr war. Noch mehr! Ich hatte Kenntnis, nähere oder entferntere, vom Bestand ille­galer und antisowjetischer Organisationen und habe nichts getan, sie zu liquidieren, ja sie sogar direkt und indirekt gefördert [...] und bitte um nichst anderes, als mich so bald als möglich,…

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Soviet Policy toward the Baltic Churches: An Overview of the Current Archival Situation

Robert F. Goeckel (Geneseo, NY)

Research into Sovict policy toward the churches in the former Baltic republics has naturally become much easier since the advent of liberalization and independence. Already in 1990, under the newly-elected popular front governments, the state archives of the republics were substantially opened to scholars, including materials on relations with the churches. Yet highly classified portions of the fonds remained inaccessible until the 1991 coup and independence from the USSR. Of particular interest…

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Kurzanzeigen eingegangener Bücher

(Ausführliche Besprechung vorbehalten) Ojer, GurNinokur, Aaron: The Soviet Household under the old Regime. Economic Conditions and Be­havior in the 1970s. Cambridge University Press, Cambridge 1992, XVIII u. 396 S. An Hand von Befragungen jüdischer Auswanderer wendet sich der Band der wirtschaftlichen Situation und dem daraus resultierenden Verhalten in städtischen Haushalten des europäischen Teils der Sowjetunion in den siebziger Jahren zu. Es werden die Einkommensquellen, einschließlich denen…

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Die Unterdrückung des "Prager Frühlings" im Lichte der neuesten Archivforschungen

Vojtech Mencl (Prag)

Untersuchung der Geschichte des "Prager Frühlings" und ihre Ergebnisse. Unmittelbar nach der "samtenen" Revolution im November 1989, die in ihrer ersten Phase in vieler Hinsicht an den "Prager Frühling" anknüpfte, entstand in der Tschechoslowakei weit­hin das Bedürfnis, die Geschichte dieses Versuchs einer demokratischen Reform kennenzu­lernen. Zu der Zeit nahm die tschechoslowakische föderale Regierung auch die Verhandlun­gen über den beschleunigten Abzug der sowjetischen Einheiten von…

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Syndikalistische Versündigungen? Versuche unabhängiger Interessenvertretung für die Industriearbeiterschaft der DDR um 1960

Peter Hübner (Potsdam)

Das "Syndikalismus"-Phänomen als Gegenstand der historischen DDR-Forschung. Als die Redaktion der Gewerkschaftszeitung "Tribüne", das Neuereraktiv l des FDGB-Bun­ desvorstandes und Vertreter des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der DDR zum 28. April 1960 nach Leipzig einluden, um die im Entwurf vorliegende Neuererverordnung zu dis­kutieren, deutete nichts darauf hin, daß es hierbei um sonderlich Spektakuläres gehen könnte. Trotzdem sorgte ein aus diesem Anlaß bereits am Vortage in der…

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Neue Aufschlüsse über Moskauer Planungen für die politisch-gesellschaftliche Ordnung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

Gerhard Wettig (Köln)

Ein Defizit bisheriger Forschung. Als der Zweite Weltkrieg seinem Ende entgegenging, war für die Anti-Hitler-Koalition klar, daß das - zunächst einem Besatzungsregime zu unterwerfende - Deutschland eine neue Ord­nung erhalten mußte. Dabei bestand die grundlegende Schwierigkeit, daß die alliierten Mächte gegensätzliche Systeme repräsentierten. Sollten nun die Westmächte oder die So­wjetunion das Vorbild sein? Stalin stand vor der Frage, ob er eine Einführung der sowjet­sozialistischen Ordnung…

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"Mit Panzern kann man doch nicht für den Frieden sein". Die Stimmung der DDR-Bevölkerung zum Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 im Spiegel der Parteiberichte der SED1

Patrick Major (Warwick)

Bisher wurde die zweite Berlinkrise (1958-61) fast ausschließlich als ein Stück diplomati­scher Geschichte aus der Perspektive der USA und UdSSR behandelt. Zweifelsohne stellte sie einen Höhepunkt der Supermächtekonfrontation dar, und die Berliner Mauer wurde zum Symbol par excellence des kalten Kriegs. Der folgende Beitrag soll also nicht von der wich­tigen Arbeit in diesem Bereich ablenken, z.B. den neueren Forschungen über politische Ent­scheidungsprozesse in Ostberlin und Moskau von Hope M.…

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Sehnsucht nach einem dogmatischen Prinzip. Recha Rothschild in Selbstzeugnissen

Karin Hartewig (Jena)

Der Fund. Anfang des Jahres 1992 stöberte ich den unveröffentlichten autobiographischen Roman Re­cha Rothschilds über "Mirjam Wolf' eher zufällig im Zentralen Parteiarchiv der SED in Ber­lin auf. Der Text ist im Bestand der sogenannten Erinnerungsakten enthalten, in dem über 2.500 Memoiren, autobiographische Erinnerungen, Lebensläufe, Erlebnisberichte von ehe­maligen Funktionären der KPD und SPD sowie der SED in Manuskriptform zusammenge­ tragen sind. Wie aus der Bestandsakte zu entnehmen ist,…

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"Stand und Perspektiven der Erforschung der DDR-Geschichte"

Thomas Heimann (Mannheim)

Fünf Jahre nach dem Ende des ostdeutschen Staates hat die historische DDR-Forschung erheblich an Be­deutung gewonnen. Dies bestätigte die rege Teilnahme von über 70 Historikern und Politikwissenschaftlern an einer Tagung zu Erträgen und Problemen der Geschichtsschreibung zur DDR, die vom 12. bis 14. April 1994 in Mannheim stattfand. Eingeladen hatte der Arbeitsbereich DDR-Geschichte im Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung der Universität Mannheim in Zusammenarbeit mit dem…

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Albert, Reiner, Dr., wiss. Mitarbeiter am Seminar für Neuere Geschichte der Universität Mannheim. Anweiler, Oskar, Prof. Dr., Professor für vergleichende Bildungsforschung an der Ruhr-Uni­versität Bochum. Braun, Günter, Dr., wiss. Mitarbeiter am Arbeitsbereich Geschichte der DDR und Ost­europa im Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung. Broue, Pierre, Prof. Dr., em. Ordinarius für Geschichte am Institut des Politiques der Uni­versität Grenoble. Conert, Hansgeorg, Prot. Dr., Professor…

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Die kommunistischen Parteien Europas im zweiten Jahr des deutsch-sowjetischen Paktes am Beispiel Norwegens und Frankreichs

Terje Halvorsen (Lillehammer)

Eine kritische Auseinandersetzung mit traditionellen Auffassungen. "However, the Communists were under the pressure of the German-Soviet Pact from August 1939, and were not active in the Resistance until after the German invasion of the Soviet Union on 22 June 1941." Mit diesem Zitat aus dem Werk des dänischen Historikers Jørgen Hæstrup über die europäischen Widerstandsbewegungen der Kriegszeit wird die traditionelle These, daß die Kom­munisten bis zum deutschen Angriff auf die Sowjetunion…

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Realsozialistische Schönschrift

Egon Grübe! (Berlin)

1925 war Ernst Thälmann nach dem Willen der Kommunistischen Internationale - das heißt auf Befehl Stalins - Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands geworden. Sei­nen Auftrag, die KPD auf die Linie der Komintern zu bringen, ihre "Bolschewisierung" nach dem Vorbild der russischen "Bruderpartei" voranzutreiben, sie zu einem gefügigen Instru­ment der Stalinschen Politik zu machen, erfüllte er getreulich. Es ist klar, daß solch ein ent­schiedener Kämpfer für ein Sowjetdeutschland auch…

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Der unbekannte Marx und Engels in der DDR. Wichtige Äußerungen von Marx und Engels, die in der DDR verdrängt wurden

Wolfgang Leonhard (Manderscheid)

Der Titel des Aufsatzes wird bei vielen Lesern auf Verwunderung, bei manchen gar auf Kri­tik stoßen. In der DDR soll es einen unbekannten Karl Marx, einen unbekannten Friedrich Engels gegeben haben? Wichtige Äußerungen von Marx und Engels seien dort verdrängt worden? Auf den ersten Blick erscheint das wenig glaubhaft. Schließlich wurden gerade in der DDR zahlreiche Werke von Marx und Engels, teilweise in hohen Auflagen, vom Dietz­ Verlag herausgegeben; Straßen, Plätze, Alleen, ja sogar Städte…

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Zwei Briefe des italienischen Anarchisten Francesco Ghezzi an Josef Stalin und Dmitri Manuilski

Rolf Wörsdörfer (Frankfurt/M.), Peter Huber (Genf), Berenice Manac\'h (Ludwigsburg)

Die erste Seite seiner unter dem Titel Homage to Catalonia ("Mein Katalonien") erschiene­nen Erinnerungen an den Spanischen Bürgerkrieg widmet George Orwell einem italienischen Milizionär. Der junge Mann - "fünf- oder sechsundzwanzig Jahre alt, mit rötlichgelbem Haar und kräftigen Schultern" - war ihm am Vorabend seines Eintritts in die Miliz der linkssozia­listischen Partido Obrero de Unijicaci6n Marxista (POUM) in Barcelona begegnet. Obwohl er ihn nur einen Moment lang sah, blieb Orwell von…

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Die Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone im Spiegel der Forschung. Eine Bestandsaufnahme der neueren Literatur (Teil I)

Günter Braun (Mannheim)

Die zeithistorische Erforschung der Westzonen zum Vergleich. Für wesentliche Bereiche der frühen Nachkriegsgeschichte ist die aktenlose, die schreckliche Zeit vor­ über." - Das Aufatmen eines SBZ/DDR-Forschers aus der alten Bundesrepublik in der „Wende"-Zeit? Keineswegs. Die frohe Botschaft wurde bereits 1979 verkündet - von Heinrich August Winkler in einem Sammelband über „Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945-1953" , dessen Beiträ­ge freilich vor allem vom westlichen Teil…

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Sammelrezensionen

Jan Foitzik (Potsdam): Blick zurück im Zorn. Russische Erinnerungen als Versuche der Gegenwartsbewältigung. Orlow, Jurij: Ein russisches Leben. Aus dem Amerikanischen von Bettina Kirberger, Jeremy Gaines und Klaus Binder. Carl Hanser Verlag, München/Wien 1992, 408 S; Agafonow, Alexander: Erinnerungen eines notorischen Deserteurs. Aus dem Russischen von Elvira Lapla­ce. Rowohlt, Berlin 1993, 272 S. Arbatow, Georgi: Das System. Ein Leben im Zentrum der Sowjetpolitik. Deutsch von Regine Laudann. S.…

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On the Policy of the Communist International on the Eve and at the Beginning of World War II

Dimitar Sirkov (Sofia)

lt is widely believed that the signing of the German-Soviet Non-Aggression Pact of 23 Aug­ust 1939 caught the Communist International, its leadership and the communist parties, com­pletely unaware. The surprise element was indeed there. This is valid for the entire inter­national community, but in this case we are concerned with the communist movement. As re­gards the general public, I believe the matter is clear. The general public was not only caught unaware - it was shocked. This is natural,…

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Die Entstehung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und die Komintern

Hana Mejdrova (Prag)

Wie auch in anderen Ländern, war die Entstehung der Kommunistischen Partei der Tsche­choslowakei (KP ) das Resulat des Wirkens zweier Akteure. Der eine war das Moskauer re­volutionäre Zentrum, ab 1919 die Kommunistische Internationale (KI), dessen Ziel es war, in jedem Land eine kommunistische Partei als Instrument der Vorbereitung der bolschewisti­schen Revolution aufzubauen. Der zweite Akteur waren mehrere Subjekte verschiedenen Charakters und mit unterschiedlichen Zielsetzungen - von den…

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Drittes Reich und DDR: Probleme einer vergleichenden Analyse von deutschen Diktaturerfahrungen

Klaus Schönhoven (Mannheim)

Der Zusammenbruch des Sowjetimperiums und seiner Satellitenstaaten, die Selbstauflösung der DDR und ihr Beitritt zur Bundesrepublik markieren tiefe Zäsuren in der internationalen und nationalen Entwicklung. Welche politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen diese Vorgänge haben werden, ist derzeit immer noch nicht abzuschätzen. Auch wenn das Ende der bipolaren Aufteilung der Welt nicht das Ende der Weltgeschichte bedeutet, wird doch niemand bezweifeln, daß in der Szenerie der internationalen…

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Zum Umgang mit DDR-Archivalien - Ein Nachtrag

Hermann Weber (Mannheim)

Im letzten Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung konnte ich anhand von Archiva­lien zur Diskussion um die „Glaubwürdigkeit" der schriftlichen Hinterlassenschaft der DDR Hinweise geben. Dabei kam es auch auf die „Asymmetrie" an, die dadurch entsteht, daß in­zwischen zwar die Archivalien der früheren DDR bis zu deren Ende offenliegen, aber die 30Jahres-Sperre im Westen noch immer gilt. Bei der Auseinandersetzung um meine eigene Per­son mußte ich feststellen, daß die Akten aus dem Jahr 1953…

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Verschleierungstaktik als Herrschaftspraxis. Über den Prozeß historischer Erkenntnis am Beispiel des Kominternarchivs

Brigitte Studer (Palezieux)

Welche Generation von Historikern hat jemals einen solchen Glücksfall erlebt: riesige Archivfonds - man spricht von 55 Millionen Seiten allein für die Geschichte der Komintern -, die fast vollkommen geheim­ gehalten worden waren und nun plötzlich freigegeben werden. Bis 1987 blieben sie der Öffentlichkeit völ­lig verschlossen, später wurde den ausländischen kommunistischen Parteien der Zugang zu ihren eigenen Beständen teilweise ermöglicht. Gemeint war damit der Briefverkehr zwischen der…

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Einzelrezensionen

ßeyrau, Dietrich: Intelligenz und Dissens. Die russischen Bildungsschichten in der Sowjetunion 1917 bis 1985. Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen 1993, 344 S. Bcyraus Buch ist fast ein Kompendium der russischen Geistesgeschichte im 20. Jahrhundert, und es ist zu­ gleich eine Chronik totalitärer Kulturpolitik von 1918 bis zum Ende der Sowjetunion. Es ist nicht in erster Linie eine Sozialgeschichte, wie der Untertitel vermuten läßt, sondern eine eminent politische Geschichte. Die russische…