JHK 1999

Inhaltsverzeichnis

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Das verborgene Erbe des Kommunismus: Die nationalstaatliche Ordnung im Osten Europas

Egbert Jahn

Brüche und Kontinuitäten. Revolutionäre und radikale Reformer pflegen das Neue in der Gesellschaft und im Staat emphatisch zu unterstreichen, das einem dramatischen Wechsel eines politischen Regimes oder gar einer Gesellschaftsordnung sowie dem Untergang von Staaten und der Bildung neuer Staaten zu folgen pflegt. Der Umbruch in Osteuropa in der zweiten Hälfte der achtziger und der ersten Hälfte der neunziger Jahre mit seinen dramatischsten Höhepunkten in den Jahren 1989 und 1991 hat eine…

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Planwirtschaft und die "Torheit der Regierenden"

Ralph Sowart

Barbara Tuchman berichtet uns anschaulich von der „Torheit der Regierenden" und fragt besorgt nach den Ursachen: „Die gesamte Geschichte, unabhängig von Zeit und Ort, durchzieht das Phänomen, daß Regierungen und Regierende eine Politik betreiben, die den eigenen Interessen zuwiderläuft. [ ... ] Weisheit, die man definieren könnte als den Gebrauch der Urteilskraft auf der Grundlage von Erfahrung, gesundem Menschenverstand und verfügbarer Information, kommt in dieser Sphäre weniger zur Geltung und…

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Fritz Heckert - ein Tod unter denkwürdigen Umständen

Reiner Tosstorff

Fritz Heckert war in den dreißiger Jahren neben Wilhelm Pieck der einzige „Überlebende" innerhalb der KPD-Führung aus den Anfangszeiten der Partei, der damals schon eine Rolle gespielt hatte. Seit Ende 1932 lebte er in Moskau, was durch die nationalsozialistische Machtübernahme zum Exil wurde, und bekleidete dort in den internationalen kommunistischen Apparaten Führungspositionen. Den Eindruck, den er dabei machte, ist von Augenzeugen ganz unterschiedlich dargestellt worden. Während Ruth von…

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Was wollten die Russen eigentlich?

Günter Braun

Zehn Jahre nach dem Ende der DDR ist das historiographische Interesse an ihrem Entstehen unvermindert groß. Überblickt man die von der institutionell wie konzeptionell neu geordneten und erheblich ausdifferenzierten DDR-Forschung seit 1989/90 publizierte Literatur, nehmen Titel, die eine Gesamtschau oder Teilaspekte der Vor- und Frühgeschichte des ostdeutschen Staates zum Gegenstand haben, einen herausragenden Platz ein. Stützten sich die bis Mitte der neunziger Jahre hierzu…

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Entstehung und Zusammenbruch des Kommunismus

Jerzy Holzer

Der vorliegende Text stellt einen Versuch dar, die wichtigsten Entstehungs-, Struktur- und Verfallsprobleme des europäischen Kommunismus zu erörtern. Es handelt sich also keineswegs um eine Analyse, die sich direkt an Quellen stützt, wie ich das in meinem früher veröffentlichten Buch getan habe. Der Ursprung des Kommunismus läßt sich in ideologischer Hinsicht in alten Träumen über das absolut und dauerhaft Gute, über eine gerechte soziale Ordnung der Freiheit und Gleichheit sowie über einen…

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Der Arbeitersozialismus in seiner Epoche, die nicht die seine geworden ist

Helmut Fleischer

Vorüberlegungen zu einer Historik der proletarischen Emanzipationsbewegung. Es sei „leicht zu begreifen", so lesen wir in einem Text aus dem Jahr 1845, „daß jedes massenhafte, geschichtlich sich durchsetzende 'Interesse', wenn es zuerst die Weltbühne betritt, in der 'Idee' oder 'Vorstellung' weit über seine wirklichen Schranken hinausgeht und sich mit dem menschlichen Interesse schlechthin verwechselt" - also einer „Illusion" nachhängt. Wenn aber die „Idee" nicht mit der Gestaltungskraft und…

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Der künstliche Konsens

Martin Sabrow

„Mit einer machtvollen Kampfdemonstration zum 45. Jahrestag der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg bekundeten über 150 000 Werktätige der Hauptstadt ihre feste Verbundenheit mit der Partei der Arbeiterklasse. Über dreieinhalb Stunden bewegte sich der Zug der Berliner vorbei an den Gräbern der beiden unvergessenen deutschen Arbeiterführer auf der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde. Die starke Beteiligung, die von den Werktätigen mitgeführten Losungen und…

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Neue Archivdokumente zur Biographie von Grigori Jewsejewitsch Sinowjew

Wladislaw Hedeler

Nachdem die Verschwörer vom August 1991 aufgegeben hatten, konnte Staatspräsident Gorbatschow seine Ferienhaus auf der Krim verlassen. Nach Moskau zurückgekehrt, fand er eine „andere Welt" vor. Wenig später wurden der Partei, die ihm die Unterstützung verweigert hatte, jegliche Aktivität untersagt und die Parteihäuser versiegelt. Als die Parteiarchive Ende 1991 nach „Belastungsmaterial" für den Prozeß gegen die KPdSU  durchsucht wurden, tauchte u.a. ein offensichtlich für den Dienstgebrauch…

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Research on Communism in the United States

Norman M. Naimark

The collapse of communism in Eastern Europe in 1989 and the self-immolation of the Soviet Union in 1991 have changed dramatically the contours of American research on the history of communism. First and most importantly, scholarly perspectives have changed as a result of the great collapse. During the 1960s and 1970s scholars concentrated on the sources of communism in general and Marxism-Leninism in particular by examining the history of the Russian intelligentsia from the Decembrists through…

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Ideologische Aspekte von Erfolg und Niedergang des Sowjetkommunismus

Iring Fetscher

War Rußland 1917 reif für eine „sozialistische Revolution"? Die nachhaltigsten Einwände gegen Lenins Anspruch, im November 1917 eine proletarische Revolution in Rußland zu machen, stammen von kritischen Marxisten. Karl Marx wie Friedrich Engels waren überzeugt, daß eine revolutionäre Überwindung der „kapitalistischen Produktionsweise" erst dann und nur dort möglich sein würde, wo ein entsprechend hoher Grad der Industrialisierung und mit ihm eine hohe Produktivität der Arbeit erreicht sei.…

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Das alltägliche Opfer

Steffen Dietzsch

"Wenn das gelogen war oder arrangiert, dann weiß ich nicht, was Wahrheit ist." Lion Feuchtwanger [1937, im zweiten Moskauer Prozeß].  Von Georg Lukacs, dem wohl bedeutendsten Theoretiker des Kommunismus in unserem Jahrhundert, ist zur alten Frage: Ob man aus Menschenliebe - und der Kommunismus war ja prima vista der exemplarische Fall der Menschenliebe überhaupt! - auch lügen und täuschen dürfe, eine bemerkenswerte Antwort überliefert. „Die kommunistische Ethik", so war von ihm…

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Kirchen in kommunistischen Staaten - am Beispiel Polens und der DDR

Horst Dähn

In den vergangenen Jahren, und zwar insbesondere seit der deutschen Einheit, hat das wissenschaftliche Schrifttum zum Thema Kirchen in Deutschland, bezogen allerdings auf die DDR, nicht auf die Bundesrepublik, einen Umfang erreicht, der beachtlich ist.1 Diese Tatsache selbst sagt aber noch nichts aus über die inhaltliche Qualität der vorgelegten Arbeiten, nichts über unterschiedliche Bewertungen zur politischen und gesellschaftlichen Rolle des Protestantismus in der DDR. Im nachfolgenden…

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"Trotzkist mit kriminellem Einschlag": Wilhelm Schwan

Andreas Herbst

Nicht einmal für eine kurze Mitteilung in der Rubrik „Ehre Ihrem Andenken" auf Seite 8 des SED-Zentralorgans „Neues Deutschlands" hatte es gereicht. Wilhelm Schwan, seit 1920 KPD-Mitglied, 1921 Politischer Leiter des Unterbezirks Duisburg, ab 1924 des KPD-Bezirks Ruhr, 1923 Kandidat des KPD-Zentralausschusses, 1925/26 Mitglied des Zentralkomitees, für einige Monate immerhin Mitglied des Präsidiums des Politbüros, war völlig unbemerkt, vier Tage nach seinem 76. Geburtstag, am 6. Februar 1960…

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Jüdische Schicksale in Böhmen und Mähren nach 1938

Jan Osers

Zide v novodobych dejinach, soubor prednasek na FF UK, usporadal Vaclav Veber, Seminar vychodoevropskych dejin pri ustavu svetovych dejin FF UK Praze, 1997, 323 Str. (Die Juden in der neuzeitlichen Geschichte. Vorträge an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität. Hrsg. von Vaclav Veber, Seminar für osteuropäische Geschichte am Institut der Weltgeschichte der Philosophischen Fakultät. Prag 1997, 323 S. Zide v Protektoratu (Die Juden im Protektorat Böhmen und Mähren), Hlasenf Zidovske…

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Zur Rolle des Terrors im Kommunismus

Hermann Weber

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen und der (teilweisen) Öffnung ihrer Archive hat sich die Kommunismusforschung zunehmend mit der Beschreibung des Terrors und dessen Stellenwert in diesen Systemen befaßt. Seit 1998 sind beispielsweise in Deutschland eine Reihe von Untersuchungen zum Thema publiziert worden, so die Bände des kürzlich verstorbenen russischen Wissenschaftlers Wadim Rogowin „ 193 7" und über „1938", Gerd Koenens Betrachtung „Utopie der Säuberung" oder der von…

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Philosophieren in der Diktatur

Guntolf Herzberg

I. Ernst Bloch ist immer ein widersprüchlicher Denker gewesen. Auch in der DDR. Und für die DDR. In seinen frühen Jahren in Leipzig ist er gelobt und belohnt worden, dann angegriffen, vertrieben und verurteilt, ab 1985 vorsichtig wieder angenommen. Über sein Wirken in der DDR zu sprechen, erfordert - schließlich war er Opfer von Angriffen der SED, des MfS und seiner Kollegen - Respekt, Wärme, Verständnis. Aber auch Kritik. Er war nicht nur Opfer. Ich schätze den Versuch von Gerd Irrlitz,…

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„Ich bin der Meinung, dass morgen die Banditen auf die Straße fliegen, damit wir leben können" Verfolgungen durch die SED nach dem 17. Juni 1953

Heidi Roth

Diese „Meinung" gab ein SED-Funktionär in einer Belegschaftsversammlung eines Leipziger Betriebes, in der Volkseigenen Handelszentrale (VHZ) Schrott, Werk II, Anfang September 1953 kund.! Mit „Banditen" waren Betriebsangehörige gemeint, die am 17. Juni 1953 und in den Tagen und Wochen danach im Betrieb „feindlich" aufgetreten waren. Sie sollten - nach dem Willen der SED-Führung - auf Beschluß der Betriebsbelegschaft fristlos aus dem Arbeitsverhältnis entlassen, aus dem FDGB ausgeschlossen und…

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Zwischen "deutschem" und "sowjetischem" Totalitarismus 1944-1949

Jan Foitzik

Hilflosigkeit löst allein die Vielzahl der in Rußland, Deutschland, Polen und Tschechien in den letzten zehn Jahren erschienenen Quellen und Darstellungen zur Geschichte der ersten Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der Formierungsphase der kommunistischen Diktaturen in Ostmitteleuropa aus. Die Aufgabe, die Grundzüge der postkommunistischen historischen Forschung in den Ländern Mitteleuropas bei der Auseinandersetzung mit der „sowjetischen Besatzungspolitik" nach dem Ende des…

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung 1999

Braun, Günter, Dr., wiss. Mitarbeiter im Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung; Dähn, Horst, Prof. Dr., Professor für Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart; Dietzsch, Steffen, Prof. Dr., Institut für Philosophie der Universität Leipzig; Doernberg, Stefan, Prof. Dr., Historiker in Berlin; Fetscher, Iring, Prof. Dr., em. Ordinarius für Politikwissenschaft in Frankfurt; Fleischer, Helmut, Prof. Dr., em. Ordinarius für Philosophie an der TU Darmstadt. Foitzik, Jan, Dr.,…