JHK 2000/2001

Inhaltsverzeichnis

JHK 2000/2001

»Vernichtung des Fremden«: Der »Große Terror« in der UdSSR 1937/38

Barry McLoughlin (Wien)

»1937 war notwendig ... Überreste der Feinde verschiedenster Richtungen existierten und sie hätten sich angesichts der drohenden faschistischen Gefahr vereinigen kön­nen ... Wir verdanken dem Jahr 1937, daß es bei uns wahrend des Krieges keine fünfte Kolonne gab.« (V. M. Molotov, 1890-1986) Vjaceslav Molotov, 1937 der zweite Mann im Sowjetstaat, formulierte als 80Jähriger den oben zitierten Satz in einem Interview am 18. Dezember 1970. Seine Äußerung spiegelt nicht nur die Mentalität der…

JHK 2000/2001

Die »Kampfgruppen der Arbeiterklasse« im System der DDR-Landesverteidigung

Armin Wagner (Potsdam)

Ein Jahrzehnt nach dem Fall der Mauer und der Vereinigung Deutschlands ist eine um­fassende Erforschung der inneren wie äußeren Machtsicherung der Sowjetischen Besat­zungszone (SBZ)/Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durch ihre bewaffneten Organe von 1945 bis 1990 in weiten Teilen noch immer ein Desiderat wissenschaftlicher Aufarbeitung. Obwohl in der Bundesrepublik vor 1990 wichtige Arbeiten zur Militär-­ und Sicherheitspolitik des östlichen Nachbarn erschienen, gab es praktisch keine…

JHK 2000/2001

Die Geschichte der »Kommunistischen Universität der nationalen Minderheiten des Westens« (KUNMZ) in Moskau 1921-1936

Julia Köstenberger (Wien)

Das System der sowjetischen Kaderschulen, denen die Bolschewiki zur Erziehung von Berufsrevolutionären gleich nach der Machtergreifung große Bedeutung bei­maßen, ist ein noch wenig erforschter Bereich. Die Kommunistische Partei Rußlands bzw. der Sowjetunion als einzige siegreiche kommunistische Partei nahm eine führende Rolle in der Kommunistischen Internationale ein und entwickelte sich zur »Lehrmeisterin« für die anderen Bruderparteien. So bildete eine politische Ausbildung in Moskau für einen…

JHK 2000/2001

»... mit dem Revisionismus rechnen wir schon in seinem Keime ab.«

Stephan Fingerle (Mannheim)

Nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 und der gewaltsamen Niederschlagung des als »Prager Frühling« bekannt gewordenen Reformprozesses erlebte auch die DDR eine neue Welle der Disziplinierung und Einschüchterung. Hatte sich das SED-Regime in den Monaten vor der Intervention mit offenen Repressionsmaßnahmen noch auffallend zurückgehalten, so gab es nun kein Halten mehr. Für alle, die scheinbar oder tatsäch­lich mit der Idee eines…

JHK 2000/2001

Startbedingungen, Wirtschaftssystem und Wachstum

Andre Steiner (Potsdam)

In den zehn Jahren, die seit dem Ende der DDR vergangen sind, haben wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen zu unterschiedlichsten Aspekten der ökonomischen Entwicklung des ostdeutschen Teilstaates und seines Wirtschaftssystems neue Erkenntnisse zusammengetragen. Zunächst konzentrierten sie sich nach der Öffnung der Archive auf zwei Schwerpunkte: zum einen auf die von der SBZ/DDR zu tragenden Folgelasten des Zweiten Weltkrieges. Dazu zählten vor allem die Demontagen und Reparationen aus…

JHK 2000/2001

Editorial

Die Herausgeber

Seit 1993 wird am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung das Jahr­buch für Historische Kommunismusforschung herausgegeben. Das seinerzeit ent­wickelte Konzept, der international geprägten Kommunismusforschung ein Publi­kationsforum anzubieten, das regelmäßig neue Erträge der Wissenschaft präsentiert, historiographische Kontroversen aufgreift, neu erschlossene Quellen dokumentiert und über wichtige Literatur auf diesem Forschungsfeld informiert, hat sich unseres Erachtens sehr…

JHK 2000/2001

Zur Geschichte der »Deutschen Operation« des NKWD 1937-1938

Nikita Ochotin/Arseni Roginski (Moskau)

»Alle Deutschen in unseren Rüstungsbetrieben, halbmilitärischen und Chemiewer­ken, in Elektrokraftwerken und auf Baustellen in ALLEN Gebieten sind alle zu VER­HAFTEN«. Mit dieser handschriftlichen Notiz von Stalin, die dem Protokoll der Sitzung des Po­litbüros des ZK der KPdSU(B) vom 20. Juli 1937 (Nr. PS 1/324) beigelegt ist, beginnt die »Deutsche Operation« des NKWD. Auffallend ist die hypertrophierte Aggressivität des Stils: Auf einem winzigen No­tizblatt, das die weit ausholende Schrift des…

JHK 2000/2001

Ex oriente luxus? - Supranationale Verflechtung der DDR in der Sicht des SED-Politbüros

Werner Müller (Rostock)

Die DDR-Führung gab wiederholt an, mit der Lage an der »Schnittstelle« zweier entgegengesetzter politischer Systeme, an der Grenze zwischen Kapitalismus und Sozialismus, in einer besonderen Situation zu sein, die nicht nur auf dem Feld der Si­cherheit einen besonderen Preis forderten. Dennoch mag die Frage nach der DDR zwischen Ost und West auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Zu offenkun­dig bekannte sich die DDR Zeit ihrer Existenz zum »Lager der Volksdemokratie«, zur »sozialistischen…

JHK 2000/2001

»Wie lange muß man schweigen, einer Idee zuliebe?«

Ralph Grobmann/Bettina Widner (Lehrte / Berlin)

Gründung und Existenz des »Bundes Freie Presse und Literatur (Verband unabhän­giger deutscher Schriftsteller und Journalisten im Exil)« in Paris 1937 sind ein wenig beachtetes und dennoch wichtiges Kapitel der Geschichte des NS-Exils. Die politi­schen Fronten, die sich hier bilden, existieren weit über das Ende des Zweiten Welt­kriegs hinaus. Die Mitglieder des Bundes bekennen sich zu einer liberal-humanisti­schen Haltung, die auch heute noch Aktualität besitzt.Der »Bund Freie Presse und…

JHK 2000/2001

Rosa Luxemburg - »Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark«

Manfred Scharrer (Stuttgart)

Legenden halten sich hartnäckig, Mythen sind unsterblich. Eine Legende - Rosa Lu­xemburg sei eine Bolschewistin mit leichten demokratischen Eintrübungen gewesen - ist durch den Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen im allgemeinen und der SED-Diktatur im besonderen aus der Mode gekommen. Andere Legenden wie zum Beispiel jene, sie hätte einen »dritten Weg« zwischen Sozialdemokratie und Bolschewismus begründet, werden weiterhin liebevoll gepflegt. Daß nach all den an der Wirklichkeit…

JHK 2000/2001

The International Newsletter of Communist Studies

Former: The International Newsletter of Historical Studies on Comintern, Communism and Stalinism. Published by The European Workshop of Communist StudiesVI/VII (2000/2001), no 14. Editorial Board Executive Editor Bernhard H. Bayerlein, Cologne/Mannheim. Editorial Committee and Correspondents: Aldo Agosti (Torino), Leonid Babicenko (Moscow), Claus Baumgart (Leipzig), Lars Björlin (Stockholm), Sonia Combe (Paris), Putnik Dajic (Beigrade), Gerard Donze (La Chaux-de­ Fonds), Jean-Francois Fayet…

JHK 2000/2001

Die Kommunismus-Debatte heute

Michal Reiman (Prag)

Seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Europa sind zehn Jahre vergangen. Der Kommunismus ist durch die Vergangenheit als Ideologie und als poli­tisches System schwer belastet, und nach dem Zerfall seiner Machtbasis in der ehemali­gen UdSSR und im Sowjetblock ist sein Einfluß in ganz Europa stark zurückgegangen. Er kann zwar im politischen Leben noch einen gewissen Störfaktor darstellen, verfügt aber nicht mehr über die Mittel, das Feld wieder zu erobern und Macht auszuüben. Der…

JHK 2000/2001

Kommunistische Künstler in der Sowjetunion der dreißiger Jahre: Kulturelle Mißverständnisse und Konkurrenz

Berthold Unfried (Wien)

Ein spezielles Milieu innerhalb der Emigration in der Sowjetunion der dreißiger Jahre bildeten die Künstler. Dieser Mikrokosmos brachte die Probleme von (»Po­lit«)emigranten in besonders anschaulicher Form zum Ausdruck. Das gilt insbeson­dere für die interkulturelle Kommunikation mit dem sowjetischen Umfeld, dem sie ja ihre künstlerische Produktion vermitteln sollten. Vom Anspruch her sollte ihre Produktion dem Proletariat weltweit eine verständliche Sprache sein. Wenn schon die verbale…

JHK 2000/2001

Säuberungen im kubanischen Kommunismus

Reiner Tosstorff (Mainz)

Obwohl 1989/91 von vielen erwartet, zogen die Veränderungen in Osteuropa kei­nen Sturz Castros nach sich, auch wenn die Auswirkungen beträchtlich waren. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - der unmittelbaren Konfrontation mit den USA, de­ren Ursprung lange vor der sozialistischen Phase des Landes zu suchen ist, konnte sich das Regime behaupten. Denn es konnte (und kann) auf eine nationalistisch-anti­imperialistische Wurzel aufbauen, die es im übrigen »sozialistischen Lager« (mit be­zeichnenden…

JHK 2000/2001

Zur Vorgeschichte einer Fälschung

Wladislaw Hedeler (Berlin)

Zu den von Georgi Dimitroff im Tagebuch hervorgehobenen Daten gehören der 9. März 1933, der Tag seiner Verhaftung in Berlin, und der 21. September 1933, der des Reichstagsbrandprozesses. Das Tagebuch beginnt am 9. März 1933 mit der Fest­nahme im Restaurant Bayernhof am Potsdamer Platz und bricht mit der Eintragung am 6. Februar 1949, dem Tag der Abreise zum Sanatoriumsaufenthalt in der Sowjet­union, ab. Die Perspektive des Chronisten und der Kontext, in dem er die Eintra­gungen verfaßte,…

JHK 2000/2001

Rosa Luxemburg - demokratische Sozialistin oder Bolschewistin?

Ottokar Luban (Berlin)

Es ist ein Phänomen: Da sind die Staaten des sog. realen Sozialismus fast alle zusam­mengebrochen, da wird die sozialistische Idee für tot erklärt und trotzdem ehren seit der »Wende« Jahr für Jahr 50- bis 100 000 Bürgerinnen und Bürger auf dem Friedhof von Berlin-Friedrichsfelde eine Vertreterin des Sozialismus, nämlich die am 15. Ja­nuar 1919 von Freikorpstruppen ermordete KPD-Gründerin Rosa Luxemburg. Es sind nicht etwa vorwiegend DDR-Nostalgiker, die sich nach den von der SED-Füh­rung…

JHK 2000/2001

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Bayerlein, Bernhard H., Dr., Senior Researcher, Lehrbeauftragter, Abteilung für iberische und lateinamerikanische Geschichte, Universität Köln; Ständiger Berater, Internationales Komitee für die Computerisierung des Kominternarchivs (IAR/Europarat). Becker, Jens, Diplom-Politologe an der J. W. Goethe-Universität in Frankfurt. Braun, Günter, Dr., wiss. Mitarbeiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialfor­schung. Dahn, Horst, Prof. Dr., Professor für Politikwissenschaft an der Universität…

JHK 2000/2001

Was hat der Kommunismus aus Rußland gemacht und was hat Rußland aus dem Kommunismus gemacht?

Alexander Vatlin (Moskau)

Der Zug mit dem Namen »Rußland« fährt auf seinem historischen Weg. Die Schie­nenstrecke bricht plötzlich ab. Wie reagieren die Lokführer? Lenins Reaktion: Er organisiert einen Subbotnik und sorgt für allgemeine Begeiste­rung. Alle machen sich gemeinsam ans Werk - das Gleis wird errichtet, und das Land fährt in eine glückliche und schöne Zukunft. Stalins Reaktion: Er verkündet, daß alle erschossen werden, wenn nicht in einer halben Stunde alles so ist, wie es sein muß. Die Menschen vollbringen…

JHK 2000/2001

Internationalismus nach Versailles

Joachim Schröder

»Wir wollen also weiter arbeiten und die gesegnete Stunde erwarten, den geheiligten Bund der deutschen, französischen und russischen Revolution, der die soziale Weltre­volution unbesiegbar machen wird.« Mit diesen hoffnungsvollen Worten beendete der französische Kommunist Jacques Sadoul seine Rede auf dem Gründungskongreß der Kommunistischen Internatio­nale (Komintern) im März 1919 in Moskau. Im Hinblick auf die schweren wirt­schaftlichen und sozialen Erschütterungen in zahlreichen Ländern…

JHK 2000/2001

Verschiedene Vergangenheiten

Klaus Schönhoven (Mannheim)

Die Vereinigung der Bundesrepublik mit der DDR vollzog sich bekanntlich als Über­tragung des politischen Systems der Bonner Republik auf das Territorium der ehema­ligen Deutschen Demokratischen Republik. Aber der Beitritt von rund 16 Millionen Menschen mit anderen politischen Erfahrungen und eigenen mentalen Prägungen verlief nicht in einem gleichförmigen Integrationsprozeß, in dem alle Erinnerungs­spuren an die vier Jahrzehnte, in denen der Oststaat bestanden hatte, verlorengingen oder…

JHK 2000/2001

Neue Einsichten zur Komintern

Hermann Weber (Mannheim)

Die kürzlich von Bernhard H. Bayerlein herausgegebenen »Tagebücher 1933-1943« von Dimitroff sind von der Öffentlichkeit wie der Wissenschaft mit Recht als eine hervorragende Quelle beurteilt worden. Sie bieten erweiterte Einsichten in die da­malige kommunistische Politik und dokumentieren vor allem die Herrschaftspraxis und den Machtwahn Stalins. Die Notizen Dimitroffs verleihen dem überlieferten Stalinbild schärfere Konturen. Sie werden aber auch den bekannten Kontroversen neue Nahrung geben.…

JHK 2000/2001

Organisation und Klassenkampf

Jens Becker und Harald Jentsch (Frankfurt a. M.)

»So große Fehler können gar nicht gemacht werden, daß eine revolu­tionäre Bewegung zugrunde gerichtet werden kann. Zu solcher Auffas­sung können nur Leute kommen, die nicht innerlich verwachsen sind mit der Arbeiterbewegung.« (W. Pieck, 1921) Trotz seiner zumindest für die deutsche Arbeiter- und Zeitgeschichte wichtigen Rolle und Funktion bleibt die politische Biographie Wilhelm Piecks (1876-1960), KPD-Spitzenfunktionär der ersten Stunde und erster Staatspräsident der DDR, auch nach dem…