JHK 2013

Inhaltsverzeichnis

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Die Kollektivierung westweißrussischer Dörfer zwischen 1944 und 1953. Ein Beispiel für die Integration von annektierten Gebieten unter Stalin

Małgorzata Ruchniewicz

Forschungsstand und Quellen Forschungen zum sowjetischen Dorf wurden bisher von Untersuchungen bestimmt, die sich vor allem mit den Problemen der Kollektivierung und Liquidierung der Kulaken in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts beschäftigen. Auch westliche Forscher widmeten sich schon zu Zeiten der UdSSR diesem Thema.1 Der Zerfall der UdSSR, die Öffnung der Archive, der Wegfall von politischen Restriktionen bezüglich der russischen Historiografie und die Entwicklung der…

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Ungewöhnliche Konversionen? Von Mao zu Moses. Linksradikalismus und jüdische Zugehörigkeit im Frankreich der späten Siebzigerjahre

Sebastian Voigt

»Dass mein Fall gewöhnlich ist, man darf sich dabei nicht täuschen, besagt, dass er wunderbar ist […]. ›Von Mao zu Moses‹ ruft man aus, und vergisst, dass, um genau zu sein, es von Moses zu Mao, von Mao zu Moses heißen müsste, das bedeutet also, von Moses zu Moses im Vorbeigehen an Mao. Das gewöhnliche Schicksal des Juden – das Wunder – liegt in der Offenbarung dieser Unbeweglichkeit, trotz der ganzen Bewegungen des Jahrhunderts.«1 Dieses Zitat aus einem 2003 postum veröffentlichten Werk stammt…

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Die Kommunistische Partei Italiens und ihre Historiografen

Bruno Groppo

Keine andere kommunistische Partei – außer die der Sowjetunion – hat so viel Interesse hervorgerufen und für so viele Publikationen gesorgt wie die italienische Kommunistische Partei (KPI) (1921–1991). Die ihr gewidmeten Arbeiten sind nicht nur äußerst zahlreich, sondern auch ganz unterschiedlicher Natur: historische Studien, Memoiren und Augenzeugenberichte, Quellenveröffentlichungen, soziologische und anthropologische Untersuchungen. Generell gibt es eine ganze Reihe von Werken allgemein zur…

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Die vielen Gesichter des Helden

Felix Münch

»Aljoscha«-Denkmäler in Tallinn, Wien, Plovdiv und dem postsowjetischen Raum Denkmäler repräsentieren kollektive Erinnerungen, sind Medien zur Visualisierung und Vergegenwärtigung des Vergangenen und kommunizieren immer auch politische Deutungen für historische Ereignisse. Dabei erzählen sie als öffentliche Inszenierungen von Geschichte aus Stein und Metall oft mehr über gegenwärtige Gesellschaftszustände und politische Herrschaftskulturen als über jene Vergangenheiten, auf die sie mit…

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Der dritte Weg: Eine Zeitschrift, die eine antistalinistische Theorie und Politik in der SED verbreiten wollte (1959–1964)

Hermann Weber

Der Begriff eines »dritten Weges« ist in der Politik und Wissenschaft bekannt. Mit dem Terminus werden jedoch unterschiedliche Vorstellungen verbunden.1 Gemeint sind damit in diesem Beitrag nicht jene Richtungen wie die vom »deutschen Sonderweg«, auch weniger sozialistische Ideen, die die Vision eines »dritten Weges zwischen Bolschewismus und Reformismus« vertraten, wie z. B. der linke Austromarxismus.2 Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen vielmehr innerkommunistische Strömungen. Die These,…

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Editorial

Editorial »Die revolutionären Umbrüche in Mittel-, Ost- und Südosteuropa 1989/90 und der durch sie eingeleitete Kollaps der kommunistischen Regime im Herrschaftsbereich der ehemaligen Sowjetunion markieren nach 1917 und 1945 eine der weltpolitisch und historisch wichtigsten Zäsuren des 20. Jahrhunderts. Dies gibt besonderen Anlass, einen kritischen Blick auf die Vergangenheit kommunistischer Herrschaft und ihre Hauptträgerinnen, die ›Parteien neuen Typs‹, zu werfen. […] Nun ist eine gründliche,…

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Beneš, Stalin, die Vertreibung der Deutschen und die Sowjetisierung der Tschechoslowakei Beneš als Staats- und Exilpolitiker

Gerhard Wettig

Während des Ersten Weltkriegs hatte Edvard Beneš durch seine unermüdliche Lobbytätigkeit in den westlichen Hauptstädten zur Gründung der Tschechoslowakischen Republik (ČSR) entscheidend beigetragen. Ihr Gebiet hatte seit dem 16. Jahrhundert zum Vielvölkerstaat der Habsburger gehört, der 1918 zusammengebrochen war. Die Siegermächte bekannten sich zwar zum Prinzip der nationalstaatlichen Organisation, legten aber die Grenzen nach den Vorstellungen von Beneš und seiner Mitstreiter fest. Daher…

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Der Kampf gegen den Kommunismus im Norden. Die geheime Arbeit der dänischen Organisation »Die Firma«

Peer Henrik Hansen

Mehr als sieben Jahre lang wurde ein kommunistischer Abgeordneter des dänischen Parla­ments in seiner Privatwohnung mitten in Kopenhagen abgehört. Während dieser Zeit saß in den Räumen im Stockwerk unter ihm stets eine kleine Gruppe von Leuten und hörte die Ge­spräche mit, die eine Etage höher geführt wurden. Verantwortlich für diese Aktion war eine Gruppe aus Mitgliedern einer streng geheimen antikommunistischen Organisation, die den Namen the firm, »die Firma«, trug und ursprünglich aus einer…

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Die Kommunistische Partei Österreichs: Zum Stand der Forschung über die Geschichte der KPÖ

Manfred Mugrauer

In der historischen und politikwissenschaftlichen Literatur über die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) wird allgemein ihr geringer politischer Stellenwert betont. So hebt etwa Anton Pelinka die Außenseiterrolle und »faktische Bedeutungslosigkeit« der KPÖ als eine der »auffallenden Besonderheiten des österreichischen Parteiensystems« hervor.1 Verglichen mit den großen kommunistischen Parteien (KP) Westeuropas war der Einfluss der KPÖ tatsächlich eher gering, sie zählte stets zu den…

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Das Sowjetische Ehrenmal in Berlin-Tiergarten

Steffi Töpfer

Zur prekären Lage eines prominenten sowjetischen Erinnerungsortes im geteilten Berlin 1945–1990 Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR befinden sich ungefähr 850 sowjetische Gedenkstätten und Friedhöfe. Neben der zweifellos bekanntesten Anlage dieser Art, dem Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow,1 ist nach der Friedlichen Revolution von 1989 und der Wiedervereinigung Berlins auch ein anderes Monument der ehemaligen sowjetischen Besatzer wieder verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Das…

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The International Newsletter of Communist Studies

Bernhard H. Bayerlein und Gleb J. Albert

VOL. XIX (2013), NO 26. Edited by Bernhard H. Bayerlein and Gleb J. Albert Published by The European Workshop of Communist Studies. With support of The Centre for Contemporary History (ZZF), Potsdam. Executive Editor Bernhard H. Bayerlein, Potsdam/Cologne, bayerlein@zzf-pdm.de Junior Editor Gleb J. Albert, Bielefeld, gleb.albert@uni-bielefeld.de Unter Mitarbeit von Véronique Mickisch, Berlin Board of Correspondents Lars Björlin (Stockholm)Kasper Braskén (Åbo)Cosroe Chaqueri…

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Das radikale Milieu im vorrevolutionären Russland

Stephan Rindlisbacher

Nikolaj Gorinovič war einer von zahlreichen jungen russischen Radikalen, die in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts davon träumten, die traditionellen gesellschaftlichen Verhältnisse neu zu gestalten. 1874 wurde er Mitglied einer Wohnkommune von Radikalen in Kiew und war danach als Propagandist »im Volk« aktiv. Doch Gorinovič und viele seiner Genossen hatten kaum Erfolge zu verzeichnen; jederzeit mussten sie mit Repressionen des Staates rechnen. 1875 wurde Gorinovič in Kiew verhaftet, weil…

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Im Schatten der Stalin-Note. Der Kreml und Kekkonens Initiative für ein neutrales Skandinavien

Peter Ruggenthaler

Nach 1945 sah sich die sowjetische Führung unter Stalin bis zu dessen Tod mehrmals mit Neutralitätsinitiativen konfrontiert. Die Amerikaner boten 1946 einen Plan zur Entmilitarisierung Deutschlands (Byrnes-Plan) an, der in Moskau auf Ablehnung stieß und intern als Untergrabung sowjetischer Positionen in Europa gesehen wurde: In Konsequenz würde er nicht nur zur Aufgabe Ostdeutschlands führen, sondern generell die sowjetische Truppenpräsenz in Mittelosteuropa infrage stellen.1 1947 ergriffen die…

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Wissenschaft und biografische Erfahrung: Franz Borkenau, Richard Löwenthal und Ossip K. Flechtheim – Mitbegründer der westdeutschen Kommunismusforschung

Mario Keßler

Die kritische Analyse kommunistischer Ideologie und Herrschaftspraxis, aber auch des Alltagslebens im sowjetischen Machtbereich gehört heute zum Kanon der politischen und der Wissenschaftskultur der Bundesrepublik. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges befassten sich mehrere Generationen mit diesem großen Themenkomplex. Die Vertreter der ersten Generation der Kommunismusforscher (von Forscherinnen lässt sich nur in einem Ausnahmefall reden) entstammten oft selbst der Arbeiterbewegung, meist…

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Dänemark: Historiker des Kommunismus auf Wahrheitssuche

Anne-Mette Anker Hansen / Thomas Wegener Friis

Die Kommunistische Partei Dänemarks (KPDä) war ein realpolitisches Randphänomen des 20. Jahrhunderts. Nur einmal, im Sommer 1945, war sie Mitglied der sogenannten Befreiungsregierung, einer Einheitsregierung mit Vertretern der großen traditionellen Parteien sowie der Widerstandsbewegung der Besatzungszeit. Ansonsten war die parlamentarische Vertretung der Kommunisten sehr begrenzt. Trotz Weltwirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit schaffte die KPDä erst 1933 den Sprung in das dänische…

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Die Starnberger Kommune. Eine unbekannte Episode aus der Geschichte der Bayerischen Räterepublik

Alexander Vatlin

Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg bedeutete nicht nur das Ende des Kaiserreiches, sondern bot gleichzeitig die Chance für einen politischen Neubeginn des Landes. Für die sozialistische Arbeiterbewegung war damit auch die Perspektive der sozialistischen Umgestaltung verbunden. Die Geschehnisse der Deutschen Revolution sind gut erforscht. Das gilt auch für ihre regionalen Besonderheiten, wie z. B. die Ereignisse in Bayern, das als erstes den Sturz des eigenen Herrscherhauses…

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung 2013

Gleb J. Albert M.A., geb. 1981, Studium in Köln und Krakau, 2005–2009 wissenschaftliche Hilfskraft am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (Universität Mannheim). Zurzeit Promotion an der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (Universität Bielefeld) zum Thema »Repräsentationen und Praktiken des revolutionären Internationalismus in der frühen Sowjetgesellschaft, 1917–1927« (Betreuer: Prof. Dr. Thomas Welskopp, Prof. Dr. Klaus Gestwa). Mitherausgeber des International…

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»Verehrte Komintern!« Die Dritte Internationale als politisches Symbol und charismatische Institution im frühen Sowjetstaat

Gleb J. Albert

Bauer aus dem Publikum: »Vasilij Ivanovič, die Leute sind sich uneins – bist Du für die Bolschewiki oder die Kommunisten? […]«Čapaev (nach langem Zögern): »Ich bin – für die Internationale!«1 Dieser Dialog entfaltet sich im Jahr 1919, während eines imaginären Auftritts des Bürgerkriegshelden Vasilij Čapaev im nach ihm benannten Film von 1934. Die Verwirrung der bäuerlichen Bevölkerung über die Bezeichnung der neuen Machthaber ist hinlänglich bekannt2 – der erst Ende 1917 zur Partei gestoßene…

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Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in Wissenschaft und Erinnerungskultur

Ilko-Sascha Kowalczuk

Aus Anlass des 50. Jahrestages des Volksaufstandes vom 17. Juni im Jahre 2003 erlebte die Öffentlichkeit monatelang einen Erinnerungs- und Gedenkboom, der überraschte, aber sogleich skeptisch nach der anhaltenden Wirkung fragen ließ. Die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ließ 2003 im Vorfeld der Feierlichkeiten demoskopisch untersuchen, wie der Kenntnisstand in den jüngeren Generationen über den 17. Juni beschaffen sei. Das Ergebnis war ernüchternd. Ein paar Tage nach dem 17. Juni 2003…

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Über die Geschichtsschreibung zum französischen Kommunismus

Bernard Pudal

1Betrachtet man die Interpretationsgeschichte des französischen Kommunismus seit 1945, kann zwischen vier Phasen unterschieden werden, die aufgrund einer spezifischen Kombination von verschiedenen Faktoren miteinander in Zusammenhang stehen. Zu diesen Faktoren gehören: historische Konjunktur und Grad der Autonomie der intellektuellen Denkschulen; Grad der Konsolidierung der Arbeitergruppe; Rolle der französischen Kommunistischen Partei (KPF) im politischen System; Grad der Professionalisierung…

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Archäologie der Erinnerung: Der Gedenkfriedhof und das sowjetische Ehrenmal Antakalnis in Vilnius

Ekaterina Makhotina

Am 9. Mai 2010, dem Tag, an dem Russland mit der größten Militärparade der russischen Geschichte besonders spektakulär den »Tag des Sieges« feierte, versammelten sich in der litauischen Hauptstadt Vilnius ein Dutzend Kriegsveteranen und Mitglieder der jüdischen und russischen Gemeinden zum »Marsch des Friedens«. Die Prozession auf der Hauptstraße, dem Gediminas-Prospekt, abzuhalten, hatte die Stadtverwaltung untersagt, weshalb die Teilnehmer auf Nebenstraßen ausweichen mussten. Mehrere…

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Stalinistische Verbrechen als Problem gegenwärtiger Erinnerungskultur(en) in Europa

Bernd Faulenbach

I. Nationale und transnationale Auseinandersetzung mit Erinnerung und Erinnerungskulturen Seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts wird verstärkt über Erinnerungskulturen debattiert, die sehr unterschiedliche Bezugsgruppen haben, doch vor allem auf nationaler Ebene anzutreffen sind.1 Die Diskussion wurde besonders durch die Umwälzung in den Jahren zwischen 1989 und 1991 stimuliert, die die historische Konstellation in Europa grundlegend veränderte. Sie stellte die durch die kommunistischen…