JHK 2021

Inhaltsverzeichnis

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Das sowjetische Militärsportspiel »Zarnitsa« zwischen staatlichem und kindlichem Interesse

Alexandra Evdokimova

Neuen Kindern neue Spiele lautet der Titel eines sowjetischen Pädagogikratgebers aus dem Jahr 1927, in dem die Autorinnen und Autoren Kinderspiele vor dem Hintergrund der sozialistischen Gesellschaft einordnen und neue, für die damalige Zeit moderne Kinderspiele vorstellen. »Als Mittel für den notwendigen Übergang vom Ego- zum Soziozentrismus« schreiben sie Spielen ein großes Potenzial für die kommunistische Kindererziehung zu.[1] Die Stärkung des Gemeinschaftssinns und die Aneignung der…

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Die Spielzeugproduktion in den Kalischer Kunststoffbetrieben im Polen der Nachkriegszeit zwischen Plan- und Marktwirtschaft

Daniel Böhme

In seinem Buch Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel unterstreicht der Dresdner Historiker André Postert die Bedeutung von Spielen und Spielsachen als Zeichen der Hoffnung nach den Traumatisierungen des Zweiten Weltkrieges. Dabei nimmt er besonders das Schicksal der Kinder in den Blick, die durch den Krieg ihre Heimat verloren hatten: »Dass das Spiel besonders für die Jüngsten wichtig sein würde, um Vergangenes zu verarbeiten, spürte instinktiv oder wusste aus pädagogischer Erfahrung, wer sich…

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Handgefertigte Gesellschaftsspiele in der DDR

Martin Thiele-Schwez

»Du hast unterm Ladentisch Bananen verkauft! Zahle eine Strafe von 400 Mark!«, so lautet die Anweisung auf einer der Spielkarten des Brettspiels, das sicherlich nahezu jeder Person bekannt ist: »Monopoly«. Doch muss man nicht besonders aufmerksam hinsehen, um zu erkennen, dass es sich im Falle dieser Karte nicht um eine industriell gefertigte Auflage des Brettspieleklassikers handelt, sondern um eine handgefertigte. Die vorliegende Ereigniskarte stammt aus einer Version von »Monopoly«, die vor…

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Subversion hinter dem Schutzschild des Fortschritts

Jaroslav Švelch

[0] Liest man einige Thesen der einflussreichen Spieltheoretiker des 20. Jahrhunderts, könnte man annehmen, das Spiel soll weder Teil des normalen Lebens sein noch politischen Interessen dienen. Johan Huizinga, von dem die Idee des »Zauberkreises« stammt, bezeichnet Spielen als »eine freie Handlung (...), die als ›nicht so gemeint‹ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann«. Seiner Ansicht nach vollzieht sie »sich…

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, Herausgeberinnen und Herausgeber sowie Beiräte

Gleb J. Albert Dr. phil., geb. 1981. Studium der Geschichte und Slawistik in Köln und Krakau, 2014 Promotion an der Universität Bielefeld (Das Charisma der Weltrevolution. Revolutionärer Internationalismus in der frühen Sowjetgesellschaft, 1917–1927, Köln u. a. 2017). Seit 2014 Postdoc am Historischen Seminar der Universität Zürich im Rahmen der DFG/SNF-Forschungsgruppe »Medien und Mimesis«, Habilitationsprojekt zur transnationalen Geschichte von Softwarepiraterie als Jugendkultur in den…

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Spielen im Staatssozialismus

Juliane Brauer, Maren Röger, Sabine Stach

Spielen im Staatssozialismus. Zwischen Sozialdisziplinierung und Vergnügen Ein Forschungsfeld zwischen den Disziplinen Gewonnen hatte, wer auf dem Spielbrett den Westen erreichte: Entweder schaffte es die Spielfigur im tschechischen »Soudruhu, nezlob se!« (Genosse, ärgere dich nicht!) in die Bundesrepublik, oder sie musste in eine geschlossene psychiatrische Anstalt.[1] War dieses jenseits der offiziellen Produktion gefertigte Spiel, das auf die Repressionspraktiken des Staates verwies, nur…

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Kindergartenlektionen aus Osteuropa

Cathleen M. Giustino

Natürlich spielten die Menschen in Osteuropa auch während des Kalten Krieges. Doch ist unklar, wie die Menschen in dieser Zeit das Spielen verstanden und erlebten. Welchen Effekt hatte die kommunistische Ideologie auf die Vorstellung vom Spielen? Dieser Aufsatz hat das Ziel, das Wissen über die Geschichte und die Bedeutung des Spielens im sowjetischen Machtbereich zu erweitern. Er untersucht, wie die zeitgenössische Erziehungswissenschaft in der Tschechoslowakei das kindliche Spielen…

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Skat in der DDR

Sabine Stach

2016 wurde eine Freizeitbeschäftigung ins bundesweite Verzeichnis des UNESCO-Kulturerbes aufgenommen, die die meisten Deutschen zumindest dem Namen nach kennen: das Skatspielen. In der Begründung heißt es: »Das Skatspiel führt Menschen verschiedener Altersgruppen, Nationalitäten und Bevölkerungsschichten zusammen, fördert soziale Kompetenzen und Gemeinschaftlichkeit, bringt Spaß und Freude und trägt zur Erholung vom Alltag bei. Das Skatspiel wird von Generation zu Generation häufig innerfamiliär…

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Deutsch-deutsche Spieleproduktion und -archivierung

Christin Lumme

»Das Spiel, und ich meine jetzt besonders das Brettspiel, ist innerhalb der Kultur eine symbolische Kategorie ganz eigener Art. Mit jedem guten Spiel wird ein neues symbolisches Universum geschaffen. Im Kleinen wiederholt sich immer neu und immer anders, was menschliche Kultur im Ganzen ist.« Max Jürgen Kobbert[1] Was Max Jürgen Kobbert, der Autor des Brettspiels »Das verrückte Labyrinth«, hier beschreibt, erleben viele, die sich auf das Spielen von Gesellschaftsspielen einlassen:…

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Die Debatte über den erzieherischen Wert von Computerspielen und die Ideologie des technologischen Fortschritts im sozialistischen Polen

Patryk Wasiak

[0] Das Computerisierungsprojekt im spätsozialistischen Polen unterlag – im Vergleich zu anderen Staaten des Ostblocks – einer besonderen Dynamik. Sie war einerseits geprägt von einem Bedürfnis nach Unterhaltung und Vergnügen seitens der Nutzerinnen und Nutzer und andererseits vom staatlichen Anspruch auf zweckorientierte Verwendung im Sinne des technologischen Zukunftsprojektes. Dabei bildeten sich regionale »Computerisierungsbewegungen«, soziale Akteure, die zusammen eine Koalition bildeten…

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Gesellschaft spielen?

Thomas Lindenberger

Ich bekenne: Wenn ich spiele, und das ist selten, dann nicht aus Leidenschaft, sondern um der Geselligkeit willen. Oder ich spiele gelegentlich ein Musikinstrument. Ich gehöre aber zu den vielen, die Spiele – etwa im Sport – gerne »verfolgen«, und sei es auch nur aus der Ferne. Möglicherweise hat das etwas mit der Historikerinnen und Historikern eigenen Neugierde zu tun. Sie interessieren sich von Berufs wegen unter anderem dafür, wie etwas (in der Vergangenheit) ausgeht: ein politischer…

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»Durch das Spiel zum Wissen«

Mario Bianchini

Die Deutsche Demokratische Republik zeigte sich die meiste Zeit ihres Bestehens über der Zukunft zugewandt. Die Bevölkerung des sozialistischen Staates erinnerte sich nur allzu gut an die Verfolgung der Kommunisten durch die Nationalsozialisten, an die Zerstörung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg oder an das Exil. Auch die Gegenwart war alles andere als tröstlich: Die Bürgerinnen und Bürger der DDR lebten im Schatten des reicheren Westens und kämpften oft damit, als die schwächere Hälfte…

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Spiel und Sport

Kai Reinhart

Skateboarden und Sozialismus – diese beiden Begriffe scheinen aus zwei völlig verschiedenen Welten zu stammen, und tatsächlich liegen die Wurzeln des Skateboardens sowohl geografisch als auch ideologisch weit entfernt vom sowjetisch dominierten Ostblock in Kalifornien. Bereits im Jahr 1927 wurde in den USA ein Rollbrett für Kinder namens Kne-Koster [sic] auf den Markt gebracht,[1] 1936 wurde das erste Patent auf ein Skateboard angemeldet.[2] Weitere Modelle folgten, doch ein derartiges Spielzeug…

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»Tor in eine komplett neue Welt«?

Angela Schwarz

[1] Spielen am und mit dem Computer stellte die Fangemeinde im Staatssozialismus vor besondere Probleme. Als das digitale Spiel in den 1980er-Jahren größere Verbreitung fand, sahen sich sowohl Führungsriegen als auch andere Mitglieder der Bevölkerung in diesen Gesellschaften mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Es war nicht damit getan, ein Regelwerk zu vereinbaren, an das sich alle hielten, auch nicht damit, wie bei anderen Spielen über bestimmte Gegenstände wie Ball und Schläger…

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Die paradoxen Spiele der Computerspielkulturen in Ost und West

Sebastian Möring

Die paradoxen Spiele der Computerspielkulturen in Ost und West Die Game Studies – die Wissenschaft der Computerspiele – sind ein weites interdisziplinäres Feld, das über einen gemeinsamen Forschungsgegenstand verfügt: Computerspiele.[1] Zur Untersuchung von Computerspielen kommen Methoden und Begriffe aus so unterschiedlichen Disziplinen wie den Sozial- und Kulturwissenschaften, der Psychologie, der Rechtswissenschaft, der Geschichte, dem Design, der Mensch-Maschine-Interaktion, der Informatik…

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Spielend erziehen

Juliane Brauer

Im Mai 1952 trafen sich die Pioniere der 6. Klasse der Schule am Frühlingsberg im sächsischen Sohland/Spree wie jede zweite Woche zu einem Gruppennachmittag.[1] An jenem Mainachmittag stand eine »Reise durch die Heimat« auf dem Programm. Auf einer Landkarte Gesamtdeutschlands wurden die Städte oder Regionen mit Fähnchen markiert, die auf der Reiseroute lagen, unter anderem Dresden, Bautzen, Leipzig, Zwickau, Nürnberg, der Schwarzwald, Frankfurt am Main, das Ruhrgebiet, Hamburg, die Ostsee,…

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Kartonierte Möglichkeitsräume

Maren Röger

Regelgeleitete Spiele auf dem Brett lassen sich über Jahrhunderte, die mit simpleren Vorläufern auf dem Boden sogar über Jahrtausende zurückverfolgen. Manche der Spielprinzipien, etwa »Pachisi«, gehören somit zu den Begleitern der Menschheit über Kontinente, Epochen und entsprechend alle politischen Zäsuren hinweg.[1] Trotz dieser unbezweifelbaren anthropologischen Konstante von Spielen und des Spielens selbst, wie sie in Theorien des »Homo ludens« vorgetragen wurde, transportieren zahlreiche…

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Spielen im Untergrund

Nikita Lomakin

[1] »Schließlich endet das Spiel mit Ihrem Sieg und Sie erhalten einen Preis. Dieser Preis ist ein Gutschein für einen Monatsvorrat an Wodka oder Zigaretten. Während des ganzen Spiels lag er hier auf dem Tisch und hat Ihre Fantasie angeregt. Und jetzt gehört er Ihnen. Anschließend spielen alle anderen Teilnehmer die ›Internationale‹ oder ›Široka strana moja rodnaja‹ (der Gewinner kann wählen), indem sie durch ihre Lippen trompeten oder Kämme benutzen.«[2] Das ist das glückliche Ende (das fast…

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Antikommunismus als Bindeglied

Gleb J. Albert

Weltweit waren die 1980er-Jahre von einer letztmaligen rhetorischen Eskalation des Kalten Krieges geprägt: Reagans viel beachtete Brandrede gegen die Sowjetunion als »Reich des Bösen« (1983) ist nur eines der bekanntesten Beispiele.[1] Thomas A. Schwartz wies kürzlich darauf hin, dass der Antikommunismus der Reagan-Ära größtenteils einen rhetorischen Charakter getragen habe. Mit vergangenen »Red Scares« sei der Reaganʼsche Antikommunismus nicht zu vergleichen, er verhalte sich zur McCarthy-Ära…

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In memoriam Gerda Weber (1923–2021)

Ulrich Mählert

Neulehrerin, SED-Nachwuchskader, Untersuchungshäftling, Hausiererin, Vortragsreisende in Sachen politischer Bildung, Historikerin und Autorin, Privatsekretärin und Lektorin, Sammlerin und Mäzenin – all dies und noch vieles mehr war Gerda Weber im Verlauf ihres langen Lebens, das am 15. September 1923 in Perleberg seinen Anfang nahm. Die Erfahrungen aus den Diktaturen des 20. Jahrhunderts hatten nicht nur sie zur überzeugten und streitbaren Demokratin gemacht, sondern auch ihren Ehemann Hermann.…